13.082 Botschaft zur Genehmigung des Übereinkommens über die Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen mit Bezug auf die internationale Zivilluftfahrt sowie des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen vom 9. Oktober 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Übereinkommens über die Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen mit Bezug auf die internationale Zivilluftfahrt und des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

9. Oktober 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-2291

8543

Übersicht Das Übereinkommen über die Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen mit Bezug auf die internationale Zivilluftfahrt und das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen, die beide am 10. September 2010 in Peking verabschiedet worden sind, verfolgen das Ziel, das internationale Strafrechtsregime an die heutigen Sicherheitsbedürfnisse in der Zivilluftfahrt, namentlich im Bereich der Terrorismusprävention, anzupassen, damit den neuen Bedrohungen wirksam begegnet werden kann.

Vor allem in Anlehnung an die jüngst im Bereich der Terrorismusbekämpfung verabschiedeten Instrumente des internationalen Strafrechts wurden in den vorliegenden beiden Rechtsinstrumenten neue Strafbestimmungen eingeführt und Definitionen angepasst. Wichtige Änderungen betreffen aber auch zwei im aktuellen internationalen Kontext bedeutsame und umstrittene Fragen: den Ausschluss von militärischen Aktivitäten vom Anwendungsbereich der beiden Verträge sowie die Pönalisierung des widerrechtlichen Transports gefährlichen Materials und flüchtiger Terroristen in zivilen Luftfahrzeugen.

Die beiden Instrumente sind mit dem geltenden schweizerischen Recht vereinbar. Sie erfordern weder eine Änderung der geltenden Gesetze noch den Einsatz zusätzlicher Ressourcen.

8544

Botschaft 1

Grundzüge der beiden Verträge

1.1

Ausgangslage

Das Übereinkommen vom 10. September 2010 über die Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen mit Bezug auf die internationale Zivilluftfahrt (Übereinkommen) sowie das Zusatzprotokoll vom 10. September 2010 zum Übereinkommen vom 16. Dezember 19701 zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen (Protokoll) sind Teil einer Reihe multilateraler Rechtsinstrumente der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (International Civil Aviation Organization, ICAO). Die Schweiz ist Mitglied der ICAO.

Die Beförderung von Personen und Gütern im Luftverkehr ist von grosser Bedeutung. Die Mitgliedstaaten der ICAO nehmen entsprechend ihre Pflicht wahr und stellen so weit als möglich sicher, dass die internationale Zivilluftfahrt zu friedlichen Zwecken benutzt wird und dass ein Missbrauch im Hinblick auf terroristische Handlungen und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen nicht zu einer Bedrohung für die allgemeine Sicherheit wird.

Mit der als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 verabschiedeten Resolution A33-1 von 2001 hat die ICAO-Versammlung den Rat und den Generalsekretär beauftragt, den neuen Bedrohungen der Zivilluftfahrt aktiv zu begegnen und insbesondere zu prüfen, ob die bestehenden Übereinkommen im Bereich der Sicherheit in der Luftfahrt noch genügen. Die in Erfüllung der Resolution vom Sekretariat der ICAO durchgeführte Studie kam zum Schluss, dass die Staaten die bestehenden Übereinkommen im Bereich der Luftfahrtsicherheit als nützliche Rechtsinstrumente zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen mit Bezug auf die Zivilluftfahrt anerkennen. Einige Punkte müssten jedoch auf den neuesten Stand gebracht werden, damit beispielsweise dem Einsatz von Luftfahrzeugen als Waffen oder Anschlägen mit chemischen, biologischen oder radioaktiven Mitteln begegnet werden kann. Die Studie hält weiter fest, dass die geltenden Instrumente den Fokus auf Personen legen, welche die strafbaren Handlungen ­ vor allem an Bord des Luftfahrzeugs oder am Flughafen ­ tatsächlich begehen, aber keine spezifische Bestimmung für Personen umfassen, welche die Begehung solcher Handlungen organisieren und leiten.

Im Jahr 2004 wurden die Vertragsstaaten der ICAO mittels Fragebogen dazu befragt, ob sie eine Revision und eine Änderung der bestehenden Übereinkommen zur Luftfahrtsicherheit als
nötig erachten. Die meisten Staaten waren der Ansicht, dass eine Änderung der bestehenden Instrumente des internationalen Luftrechts oder die Verabschiedung eines neuen Instruments, in dem die neuen oder erst aufkommenden Bedrohungen der Zivilluftfahrt behandelt werden, zu begrüssen seien.

Der Rat der ICAO hat daraufhin eine erste Studiengruppe geschaffen, um das Sekretariat bei der Ausarbeitung eines internationalen Rechtsinstruments zu diesen Bedrohungen zu unterstützen. Auf Grundlage der Empfehlungen dieser Gruppe hat der Rat einen Fachunterausschuss des Rechtsausschusses gegründet, der sich mit der 1

SR 0.748.710.2

8545

Ausarbeitung eines oder mehrerer Rechtsinstrumente zu den neuen Bedrohungen der Zivilluftfahrt befassen sollte. Der Fachunterausschuss, dem die Schweiz angehörte, tagte zwei Mal und erarbeitete die Entwürfe zu zwei Instrumenten. Die Entwürfe wurden dem Rechtsausschuss 2009 unterbreitet. Diesem erschienen sie ausgereift genug, um Gegenstand einer diplomatischen Konferenz zu bilden.

Das hier vorgelegte Übereinkommen soll zwischen seinen Vertragsstaaten folgende Instrumente ersetzen: das Übereinkommen vom 23. September 19712 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt, für die Schweiz am 16. Februar 1978 in Kraft getreten, sowie das Protokoll vom 24. Februar 19883 zur Bekämpfung widerrechtlicher gewalttätiger Handlungen auf Flughäfen, die der internationalen Zivilluftfahrt dienen, in Ergänzung des am 23. September 1971 in Montreal beschlossenen Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt, in der Schweiz am 8. November 1990 in Kraft getreten.

Das vorgelegte Protokoll befasst sich mit der Änderung des Übereinkommens vom 16. Dezember 19704 zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen, das in der Schweiz am 14. Oktober 1971 in Kraft getreten ist.

Das Übereinkommen und das Protokoll wurden nach Abschluss der diplomatischen Konferenz am 10. September 2010 in Peking (China) zur Unterzeichnung aufgelegt.

Bis heute wurde das Übereinkommen von 28 Staaten und das Protokoll von 30 Staaten unterzeichnet. Unter den Signatarstaaten befinden sich insbesondere China, die USA, Frankreich und das Vereinigte Königreich. Acht respektive sieben Länder haben die Verträge bisher ratifiziert oder sind diesen beigetreten. Die Schweiz hat das Übereinkommen und das Protokoll nicht unterzeichnet. Mit dieser Botschaft beantragt der Bundesrat, einen direkten Beitritt durch unser Land anzustreben.

Das Übereinkommen und das Protokoll treten in Kraft, sobald sie von jeweils 22 Staaten ratifiziert worden sind (Art. 22 Abs. 1 des Übereinkommens und Art. XXIII Abs. 1 des Protokolls).

1.2

Ergebnisse des Vorverfahrens

Wie erwähnt, sind die der diplomatischen Konferenz unterbreiteten Entwürfe des Übereinkommens und des Protokolls unter der Leitung der ICAO ausgearbeitet worden. Sie waren zunächst Gegenstand einer ersten Prüfung durch eine Facharbeitsgruppe aus Expertinnen und Experten, der auch die Schweiz angehörte, und wurden anschliessend dem Rechtsausschuss der ICAO unterbreitet. Dieser hat im September 2009 die endgültige Fassung der Texte verabschiedet, um sie der diplomatischen Konferenz zu unterbreiten.

In der Schweiz sind die interessierten Kreise der Luftfahrtsindustrie über die Absicht der Schweiz, die in den neuen Instrumenten vorgeschlagenen Änderungen anzunehmen, informiert worden. Angesichts der Tatsache, dass der Beitritt zu den beiden Verträgen keine Änderung des Schweizer Rechts bedingt und die geltende Gesetz2 3 4

SR 0.748.710.3 SR 0.748.710.31 SR 0.748.710.2

8546

gebung den Erfordernissen der Instrumente bereits heute genügt, wurde auf die Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens verzichtet.

1.3

Bedeutung des Übereinkommens und des Protokolls für die Schweiz

Die Bekämpfung des Terrors und seiner Ursachen ist als eine gemeinsame Aufgabe aller Staaten zu betrachten. Entsprechend hat die Schweiz im Bereich des internationalen Strafrechts und insbesondere der Bekämpfung des Terrorismus und der Zusammenarbeit zwischen den Staaten ein besonderes Engagement an den Tag gelegt. Unser Land hat 16 universelle Übereinkommen und Protokolle der Vereinten Nationen gegen den Terrorismus ratifiziert. Ebenso unterstützt die Schweiz die am 8. September 2006 durch die UNO-Generalversammlung verabschiedete Globale Strategie zur Terrorismusbekämpfung5, in deren Rahmen verschiedene regionale und multilaterale Prozesse zur Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit lanciert wurden. Bilaterale Rechtshilfe- sowie Auslieferungsabkommen und Verträge zur Polizeizusammenarbeit ergänzen das rechtliche Instrumentarium im Kampf gegen den Terrorismus. Gleichzeitig sind der Terrorismusbekämpfung aber auch Grenzen zu setzen. In diesem Sinne betont die Schweiz die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit, des Völkerrechts und der Menschenrechte und insistiert auf deren Einhaltung und Beachtung.

Die Schweiz spielte bei den Verhandlungen zu den vorliegenden Verträgen eine Schlüsselrolle. Dies insbesondere im Rahmen der Vorarbeiten zur diplomatischen Konferenz in Peking, als sie zwischen den verschiedenen Gruppierungen unterschiedlicher Auffassung vermittelte und dazu anregte, die Arbeiten mit Blick auf einen Kompromiss voranzutreiben. Diese Rolle bestätigte sich anlässlich der diplomatischen Konferenz. Die Schweiz setzte bei diesem Anlass viel daran, einen Konsens im Hinblick auf die endgültige Verabschiedung der Texte herbeizuführen. Dies geschah hauptsächlich in Bezug auf die Bestimmung zum Ausschluss der militärischen Aktivitäten vom Anwendungsbereich der Übereinkommen. Die Schweizer Delegation schlug dafür die Einführung einer Bestimmung in Anlehnung an Artikel 4 Absatz 3 des am 14. September 20056 in New York abgeschlossenen Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen vor.

Der Schweizer Vorschlag wurde als bestmöglicher Kompromiss anerkannt und von einer grossen Mehrheit der an der diplomatischen Konferenz teilnehmenden Staaten verabschiedet.

Es ist unbestritten, dass eine breit abgestützte Ratifikation der von der diplomatischen Konferenz
verabschiedeten Texte im allgemeinen Interesse der Zivilluftfahrt liegt. Die Tatsache, dass die neuen Instrumente mit einem breit abgestützten Konsens verabschiedet wurden, ist ein deutliches Zeichen für den Stellenwert, der den Texten von den Teilnehmerstaaten der Konferenz eingeräumt wird. Sie bestätigt auch die Haltung der Schweiz, dem Übereinkommen und dem Protokoll eine wesentliche Bedeutung beizumessen. Dass sich die in den neuen Instrumenten vorgesehenen Änderungen als mit dem schweizerischen Strafrecht vereinbar erwei-

5 6

A/RES/60/288 SR 0.353.23, für die Schweiz am 14. November 2008 in Kraft getreten.

8547

sen, hat die Überzeugung bestärkt, wonach diese Änderungen des internationalen Rechts angemessen sind und so bald wie möglich angenommen werden sollten.

Ausserdem sind die beiden Texte Teil der weltweit beachtlichen Normen der erwähnten Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den Terrorismus geworden. Entsprechend reihen sie sich unter die sechzehn Übereinkommen im Bereich der Terrorismusbekämpfung ein. Im Übereinkommen und im Protokoll sind verschiedene Bestimmungen dieser bestehenden Übereinkommen übernommen worden. Die Schweiz hat daher ein Interesse daran, an der Schaffung eines kohärenten Regelungssystems weiterhin mitzuwirken und dieses zu unterstützen.

Angesichts der inhaltlichen Zusammenhänge der beiden Instrumente, namentlich der Begriffsbestimmungen, und des damit geschaffenen Straftatenregimes ist es sinnvoll, ihnen gleichzeitig beizutreten. Ein separater Beitritt zu einem der Instrumente wäre sachlich nicht gerechtfertigt. So würden zwei fast identische Situationen im Luftverkehr strafrechtlich unterschiedlich behandelt. Je nachdem, ob eine Tat unter das Übereinkommen oder das Protokoll fallen würde, könnte sie auch anders qualifiziert oder definiert werden.

Mit dem Beitritt zum Übereinkommen und zum Protokoll werden Personen, Güter und die Umwelt, ausserhalb und innerhalb von Luftfahrzeugen, besser geschützt.

2

Erläuterungen zu Übereinkommen und Protokoll

2.1

Übereinkommen

In diesem Teil werden ausschliesslich die Artikel des Übereinkommens behandelt, die neu sind oder die geändert wurden im Vergleich zum Übereinkommen vom 23. September 19717 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt und zum Protokoll vom 24. Februar 19888 zur Bekämpfung widerrechtlicher gewalttätiger Handlungen auf Flughäfen, die der internationalen Zivilluftfahrt dienen, in Ergänzung des am 23. September 1971 in Montreal beschlossenen Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt.

Art. 1 In Artikel 1 Ziffer 1 Buchstaben f­i werden, gegenüber der oben erwähnten Konvention von Montreal und ihrem Protokoll, neue Tatbestände umschrieben, die durch die Vertragsstaaten gemäss Artikel 3 des Übereinkommens mit schweren Strafen zu bedrohen sind. Die Tatbestände basieren massgeblich auf Artikel 3bis des Protokolls vom 14. Oktober 20059 zum Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt, das für die Schweiz am 28. Juli 2010 in Kraft getreten ist. Diese damals revidierten Bestimmungen zum Schutze der Seeschifffahrt und gegen die missbräuchliche Verwendung von Schiffen wurden an dieser Stelle zu einem grossen Teil auf die Bereiche der Zivilluftfahrt respektive von Luftfahrzeugen übertragen. Es kann jeweils auf die entsprechenden Ausführungen in

7 8 9

SR 0.748.710.3, BBl 1976 III 1259 SR 0.748.710.31, BBl 1989 III 425 SR 0.747.712

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der Botschaft vom 7. Dezember 200710 verwiesen werden, die auch an dieser Stelle ihre Gültigkeit haben.

Strafbar erklärt werden insbesondere die Tötung von Personen sowie das Verursachen schwerer Körperverletzungen oder schwerer Sach- oder Umweltschäden durch den missbräuchlichen Einsatz von Luftfahrzeugen. Zu denken ist beispielsweise an den verbrecherischen Einsatz eines zivilen Flugzeugs als fliegende Bombe oder an das Verbreiten gefährlicher Stoffe aus der Luft.

Ebenso strafbar erklärt werden: ­

gegen ein Luftfahrzeug gerichtete widerrechtliche Handlungen, unabhängig davon, ob sie von Bord aus oder von aussen, zum Beispiel vom Boden oder einem anderen Luftfahrzeug, erfolgen11;

­

der Transport von Waffen oder gefährlichem Material im Hinblick auf die Verwendung für schwere Delikte.

Die geltenden Schweizer Strafnormen genügen den Anforderungen des Übereinkommens. Die Bestimmungen des Strafgesetzbuches12 (StGB) über Delikte gegen Leib und Leben, gegen das Vermögen, gegen die Freiheit, den öffentlichen Verkehr, den Staat oder die nationale Sicherheit sowie gemeingefährliche Verbrechen13 sind auf die im Übereinkommen genannten Taten anwendbar. In Betracht kommen daneben auch die Strafbestimmungen im Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 199614, im Sprengstoffgesetz vom 25. März 197715, im Strahlenschutzgesetz vom 22. März 199116, im Kernenergiegesetz vom 21. März 200317 sowie im Luftfahrtgesetz vom 21. Dezember 194818 (LFG).

Die glaubwürdige Drohung gemäss Artikel 1 Ziffer 3, eine im Übereinkommen verankerte Straftat zu begehen, wird durch den entsprechenden Tatbestand von Artikel 180 StGB strafbar erklärt. Versuch, Mittäterschaft und Anstiftung gemäss Ziffer 4 werden nach den Artikeln 22 ff. und 260bis StGB bestraft. Ziffer 4 Buchstabe d wird durch den Straftatbestand der Begünstigung19 abgedeckt.

Ziffer 5 lehnt sich inhaltlich stark an Artikel 5 des UNO-Übereinkommens vom 15. November 200020 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (Palermo-Konvention) sowie an das erwähnte Protokoll vom 14. Oktober 200521 zum Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt an und verpflichtet die Vertragsstaaten zur Pönalisierung der Beteiligung an einer organisierten kriminellen Gruppe. Die Staaten haben folgende Handlungen kumulativ oder alternativ als Straftaten zu umschreiben:

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

BBl 2008 1153 Art. 1 Ziff. 1 Bst. f­h SR 311.0 Art. 111 ff., 137 ff., 180 ff., 237 ff. und 265 ff. StGB SR 514.51, Art. 34 SR 941.41, Art. 37 und 38 SR 814.50, Art. 43 ff.

SR 732.1, Art. 88 ff.

SR 748.0, Art. 88 ff., insb. Art. 90 Art. 305 StGB SR 0.311.54, für die Schweiz in Kraft getreten am 26. November 2006.

Art. 3quater Bst. e

8549

­

die Verabredung mit einer oder mehreren Personen zur Begehung eines spezifischen Delikts im Sinne des Übereinkommens, verbunden, soweit erforderlich, mit einer konkreten Förderungshandlung,

­

die aktive Beteiligung einer Person an den kriminellen Tätigkeiten im Sinne des Übereinkommens von einer organisierten kriminellen Gruppe in Kenntnis des Ziels und der allgemeinen kriminellen Ausrichtung der Gruppe oder ihrer Absicht, die betreffenden Straftaten zu begehen.

Dieses alternative Verhandlungsergebnis konnte aufgrund eines schweizerischen Vorschlages erreicht werden. Die im Übereinkommen aufgezeigte erste Alternative folgt dem Konzept der Strafbarkeit der Verbrechensabrede (conspiracy), die für die Schweiz und zahlreiche andere Staaten unseres Rechtskreises keinen Straftatbestand darstellt und aufgrund der Formulierung des Übereinkommens auch nicht abgedeckt werden muss. Das Schweizer Konzept folgt dem zweiten Ansatz und genügt den Erfordernissen des Übereinkommens.

Die im Hinblick auf die zweite Variante wesentliche Strafbarkeit der Täterschaft sowie der Teilnahme (Anstiftung und Gehilfenschaft) wird durch die Regeln des Allgemeinen Teils des StGB gewährleistet22. Darüber hinaus kennt das Schweizer Strafrecht das Konzept der strafbaren Vorbereitungshandlungen gemäss Artikel 260bis StGB. Die Annahme von Gehilfenschaft (Erleichterung und Beratung in Bezug auf die Begehung einer Straftat gemäss Übereinkommen) bedingt einen kausalen Tatbeitrag des Gehilfen. Soweit dies nicht der Fall ist, kommt Artikel 260ter StGB zur Anwendung, der die Unterstützung einer oder die Beteiligung an einer kriminellen Organisation unter Strafe stellt und keine Kausalität verlangt.

Strafrechtliche Verantwortlichkeit nach Artikel 260ter StGB wird in den Fällen begründet, wo weder Teilnahme noch Versuch oder strafbare Vorbereitungshandlungen an Verbrechen einer kriminellen Organisation nachgewiesen werden können.

Die Strafbarkeit wird erweitert von der Beteiligung am einzelnen Delikt auf die Unterstützung und Beteiligung an einer kriminellen Organisation.

Art. 2 In Artikel 2 Buchstaben c­j finden sich gegenüber dem geltenden Übereinkommen von Montreal und seinem Protokoll neue Begriffsbestimmungen und Definitionen.

Diese sind mit dem geltenden Schweizer Recht kompatibel und entsprechen den Vorgaben aus der Gesetzgebung zur Luftfahrt, aus dem Protokoll vom 14. Oktober 2005 zum Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt sowie aus dem Internationalen Übereinkommen vom 13. April 200523 zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen, das für die Schweiz am 14. November 2008 in Kraft getreten ist.

Art. 4 Der neue Artikel 4 des Übereinkommens ermöglicht den Vertragsstaaten, die notwendigen gesetzgeberischen Massnahmen zu treffen,
damit eine juristische Person zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn eine Straftat gemäss Übereinkommen durch eine für die Leitung oder Kontrolle des Unternehmens zuständige Person 22 23

Insb. Art. 24 ff. StGB, vgl. oben.

SR 0.353.23

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begangen wird. Die Verantwortlichkeit kann straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlicher Art sein und besteht unabhängig von einer allfälligen Strafbarkeit natürlicher Einzelpersonen.

Zahlreiche internationale Strafrechtsübereinkommen der letzten Jahre kennen ähnliche, zum Teil identische Regelungen der Verantwortlichkeit von Unternehmen.

Häufig sind diese, im Gegensatz zur vorliegenden Bestimmung, verbindlich ausgestaltet. Die Staaten müssen sicherstellen, dass auch juristische Personen angemessenen Sanktionen oder Massnahmen, darunter Geldsanktionen, unterliegen.

Die strafrechtliche Unternehmenshaftung wurde am 1. Oktober 200324 in das Schweizer Recht eingefügt. Eine primäre Verantwortlichkeit des Unternehmens besteht für eine beschränkte Anzahl Delikte, wenn dem Unternehmen vorzuwerfen ist, dass es nicht alles Erforderliche und Zumutbare vorgekehrt hat, um eine solche Straftat zu verhindern. Die durch das vorliegende Übereinkommen umfassten Straftaten fallen nur zum Teil unter die erwähnten Tatbestände.

Gleichzeitig wurde auch eine allgemeine subsidiäre strafrechtliche Verantwortlichkeit der juristischen Person eingeführt für den Fall, dass die Tat im Rahmen des Unternehmenszwecks begangen wurde und wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugeordnet werden kann. Die Strafe ist Busse bis zu fünf Millionen Franken. Diese strafrechtliche Haftung bezieht sich auf die Gesamtheit der Verbrechen und Vergehen gemäss schweizerischer Rechtsordnung und deckt im Gegensatz zum Übereinkommenstext nicht nur Straftaten ab, die zum Vorteil der juristischen Person und durch einen Vertreter des Managements begangen werden. Die Haftung gemäss StGB greift bei jedem Verbrechen oder Vergehen, begangen im Rahmen des Unternehmenszwecks durch eine Person in Ausübung einer geschäftlichen Verrichtung. Notwendig bleibt der Nachweis der mangelhaften Organisation des Unternehmens.

Die subsidiäre Verantwortlichkeit der juristischen Person im Schweizer Recht steht der Strafbarkeit der natürlichen Person nicht entgegen, verhindert diese also nicht.

Werden zum Beispiel die fehlbare natürliche Person und ihr Verhalten nach Verurteilung des Unternehmens noch festgestellt und lag der Grund für die zunächst unmögliche Zurechnung in der Organisation des Unternehmens, so steht einer
Bestrafung beider Parteien ­ der natürlichen sowie der juristischen Person ­ grundsätzlich nichts entgegen25. Artikel 102 Absatz 1 StGB steht damit im Einklang mit Artikel 4 Absatz 2 des Übereinkommens.

Neben der strafrechtlichen Haftung stehen im schweizerischen Recht zudem das Instrument der verwaltungsrechtlichen Haftung und die entsprechenden Sanktionen zur Verhütung zukünftiger Schädigungen, beispielsweise durch Entzug einer Bewilligung oder der Verweigerung der Zulassung eines Unternehmens in einem Marktsegment oder Tätigkeitsbereich, zur Verfügung. Daneben können Personenverbindungen und Anstalten mit unsittlichem oder widerrechtlichem Zweck das Recht der Persönlichkeit nicht erlangen. Entsprechend sind sie aufzuheben, und ihr Vermögen fällt dem Gemeinwesen zu26. Bestehen Mängel in der Organisation einer Gesellschaft und werden diese innert angesetzter Frist nicht behoben, so kann das Gericht

24 25 26

Art. 102 StGB Vgl. zum Ganzen die Botschaft vom 18. Juni 2010 zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarates über die Cyberkriminalität, BBl 2010 4714.

Art. 52 und 57 des Zivilgesetzbuchs, ZGB, SR 210

8551

die Gesellschaft auflösen.27 In zivilrechtlicher Hinsicht sind Personen, die für die Leitung oder Kontrolle einer juristischen Person verantwortlich sind, regelmässig als deren Organe im Sinne von Artikel 55 ZGB zu qualifizieren. Eine juristische Person haftet auch für unerlaubte Handlungen ihrer Organe, sofern die betreffende Handlung in einem funktionellen Zusammenhang zu den jeweiligen Organbefugnissen steht (vgl. Art. 55 Abs. 2 ZGB).

Es kann damit festgehalten werden, dass das Schweizer Recht dem Anliegen des optional formulierten Artikels 4 des Übereinkommens genügt.

Art. 6 Artikel 6 Absatz 2 sieht den Ausschluss der Streitkräfte vom Anwendungsbereich des Übereinkommens während eines bewaffneten Konflikts vor. Die Situation wird durch das humanitäre Völkerrecht geregelt. Ebenfalls nicht unter das Übereinkommen fallen Aktivitäten der Streitkräfte, wenn diese ausserhalb bewaffneter Konflikte in Erfüllung ihrer dienstlichen Pflichten handeln, sofern diese Handlungen von anderen Regeln des Völkerrechts erfasst werden.

Diese politisch umstrittene Bestimmung, die sich in verschiedenen anderen internationalen Übereinkommen findet28, stellte bei der Ausarbeitung des Übereinkommens das Haupthindernis für einen Konsens dar. Die Mehrheit der blockfreien und der arabischen Staaten trat in den Verhandlungen für eine Streichung der Bestimmung ein, während eine massgebliche Anzahl Staaten, angeführt von den USA, einen weitgehenden Ausschluss der Streitkräfte befürwortete.

Es entspricht der Überzeugung unseres Landes, dass die Streitkräfte eines Staates keine Blankovollmacht erhalten sollen, um Straftaten im Zusammenhang mit zivilen Luftfahrtzeugen gegen Zivilisten zu begehen. Einer solchen Straflosigkeit ist entschieden entgegenzuwirken. Während der verschiedenen Phasen des Verhandlungsprozesses wurden, jeweils unter dem Vorsitz der Schweiz, Arbeitsgruppen eingesetzt, damit die Differenzen einer Lösung zugeführt würden. Schliesslich vermochte, anlässlich der letzten Verhandlungsrunde an der diplomatischen Konferenz von Peking im September 2010, die grosse Mehrheit der Staaten einer durch die Schweiz eingebrachten Kompromisslösung eines zusätzlichen Textabsatzes zuzustimmen, die durch unser Land bereits bei den Verhandlungen zum Internationalen Übereinkommen vom 13. April 200529 zur Bekämpfung
nuklearterroristischer Handlungen erfolgreich propagiert worden war.

In einem neuen Absatz 3 wird nunmehr festgehalten, dass die Nichtanwendung des Übereinkommens auf Streitkräfte nicht so auszulegen ist, dass solche Aktivitäten, wenn sie nach anderen Rechtsregeln rechtswidrig sind, entschuldigt oder für rechtmässig erklärt werden oder dass die Strafverfolgung nach anderen Gesetzen verhindert wird. Konkret wird damit klargestellt, dass auch Angehörige der Streitkräfte oder Zivilisten im Dienste der Streitkräfte (z. B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter militärischer Geheimdienste) für Handlungen ausserhalb bewaffneter Konflikte 27

28 29

Art. 941a des Obligationenrechts,OR, SR 220; Art. 731b, Art. 764 Abs. 2 i.V.m. Art.

731b, Art. 819 i.V.m. Art. 731b, Art. 908 i.V.m. Art. 731b und 941a OR; Art. 69c und Art. 83d ZGB; Art. 154 der Handelsregisterverordnung vom 17. Okt. 2007, HRegV, SR 221.411.

Vgl. z. B. Art. 19 des Internationalen Übereinkommens vom 15. Dezember 1997 zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge, SR 0.353.21.

SR 0.353.23, vgl. oben.

8552

verfolgt werden können und nicht straflos bleiben, wenn sie gegen Rechtsregeln verstossen. Die Regelung des Übereinkommens impliziert damit keine Straflosigkeit.

Art. 7 Gemäss dieser gegenüber dem geltenden Übereinkommen von Montreal und dem Protokoll revidierten Bestimmung, die sich bereits im Protokoll vom 14. Oktober 200530 zum Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt findet, bleiben sonstige Verpflichtungen, Rechte und Verantwortlichkeiten aus dem Völkerrecht unberührt, so namentlich aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen oder aus dem Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung von biologischen Waffen oder von Toxinwaffen.

Art. 8 In Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe e wird neu die Gerichtsbarkeit desjenigen Staates begründet, dessen Nationalität der Täter besitzt. Gemäss Artikel 7 Absatz 1 StGB wird der Schweizer, der im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, nach Schweizer Recht beurteilt, wenn er sich in unserem Land befindet oder wegen der Tat ausgeliefert wird und wenn die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Ort keiner Strafgewalt unterliegt. Diese Regelung vermag den Anforderungen des Übereinkommens zu genügen.

Absatz 3 enthält den international gefestigten Grundsatz aut dedere aut iudicare. Er verlangt vom ersuchten Staat, entweder ein Strafverfahren oder ein Auslieferungsverfahren einzuleiten. Diese Verpflichtung stellt für die Schweiz keine Neuerung dar. Gemäss den Artikeln 6 und 7 StGB, den anwendbaren Verträgen sowie in Anwendung des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 198131 (IRSG) kann die Schweiz die Strafverfolgung einleiten und, wenn die Voraussetzungen dazu gegeben sind, die stellvertretende Strafverfolgung durchführen32 oder einer ersuchten Auslieferung entsprechen33.

Art. 9 Artikel 9 des Übereinkommens sieht, im revidierten Absatz 4, analog zum Internationalen Übereinkommen vom 13. April 2005 zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen, spezifische Untersuchungs- und Mitwirkungspflichten (z. B Information des zuständigen Vertragsstaates) vor, wenn Hinweise darauf bestehen, dass sich in seinem Hoheitsgebiet eine verdächtige Person befindet, der eine Straftat gemäss Übereinkommen zu Last gelegt wird. Die Schweiz entspricht diesen Erfordernissen bereits heute. Es sei an dieser Stelle auf die entsprechenden Ausführungen in der Botschaft vom 7. Dezember 200734 verwiesen.

30 31 32 33 34

Art. 2bis, SR 0.747.712, vgl. oben.

SR 351.1 Art. 85 f. IRSG Art. 32 f. IRSG BBl 2008 1153, hier 1175 f.

8553

Art. 11 Artikel 11 verpflichtet die Vertragsstaaten, den Personen, gegen die wegen einer Straftat gemäss Übereinkommen Zwangsmassnahmen ergriffen werden oder ein Verfahren eingeleitet wird, eine gerechte Behandlung unter Beachtung der anwendbaren Garantien zu gewähren. Massgeblich sind nicht nur die innerstaatlich garantierten Rechte, sondern auch völkerrechtliche Bestimmungen zum Schutze der Menschenrechte. Die Schweiz erfüllt die entsprechenden Anforderungen35.

Art. 12 Artikel 12 regelt die Grundsätze der Auslieferung und beinhaltet keine wesentlichen Änderungen36 gegenüber den eingangs erwähnten, durch die Schweiz umgesetzten Verträgen37. Bezüglich der durch das vorliegende Übereinkommen neu eingeführten Strafbarkeiten, die durch das Schweizer Recht wie ausgeführt bereits abgedeckt werden38, ist festzuhalten, dass diese angesichts ihrer gesetzlichen Ausgestaltung und der damit einhergehenden Strafandrohungen den Anforderungen von Artikel 35 Absatz 1 IRSG genügen39 und als Auslieferungsdelikte im Sinne dieses Gesetzes gelten.

Art. 13 und 14 Die revidierten Artikel 13 und 14 des Übereinkommens regeln die sogenannten Entpolitisierungs- und Nichtdiskriminierungs-Klauseln, welche sich in ähnlicher oder gleicher Form bereits in anderen internationalen Verträgen finden. Die für eine Straftat gemäss Übereinkommen erforderliche Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten kann nicht einfach mit der Begründung verweigert werden, dass sich das Verfahren auf eine politische Straftat bezieht (Art. 13). Im Zusammenhang damit kann aber (Art. 14) die Auslieferung oder Rechtshilfe verweigert werden, wenn als versteckte Verfahrensziele die Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Ethnie oder aufgrund der politischen Anschauung oder des Geschlechts vorliegen. Die Schweizer Rechtsordnung entspricht diesen statuierten Anforderungen40.

35 36 37

38

39 40

Vgl. BBl 2008 1153, hier 1177, insb. Fussnote 24.

Vgl. Art. 8 des Übereinkommens vom 23. September 1971 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt.

Übereinkommen vom 23. September 1971 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt und Protokoll vom 24. Februar 1988 zur Bekämpfung widerrechtlicher gewalttätiger Handlungen auf Flughäfen, die der internationalen Zivilluftfahrt dienen, in Ergänzung des am 23. September 1971 in Montreal beschlossenen Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt.

Abgedeckt durch die mit entsprechenden Strafandrohungen bedrohten Delikte gegen Leib und Leben, gegen das Vermögen, gegen die Freiheit, den öffentlichen Verkehr, den Staat oder die nationale Sicherheit, gemeingefährliche Verbrechen sowie durch die Strafbestimmungen im Kriegsmaterialgesetz, im Sprengstoffgesetz, im Strahlenschutzgesetz, im Kernenergiegesetz und im Luftfahrtsgesetz; vgl. die Ausführungen vorne zu Art. 1 des Übereinkommens.

Bst. a: Freiheitsstrafe im Höchstmass von mindestens einem Jahr.

Vgl. BBl 2008 1153, hier 1179 f. (Ziff. 2.2.12) mit ausführlichen Erläuterungen.

8554

Art. 21­25 Hierbei handelt es sich um Schlussbestimmungen formellen Charakters betreffend die Unterzeichnung, das Inkrafttreten, den Beitritt und die Kündigung.

Das Übereinkommen tritt am ersten Tag des zweiten Monats nach Hinterlegung der zweiundzwanzigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft.

Jeder Vertragsstaat kann das Übereinkommen durch eine an den Verwahrer gerichtete schriftliche Notifikation kündigen. Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer wirksam.

2.2

Protokoll

Dieser Teil behandelt die Bestimmungen des Übereinkommens vom 16. Dezember 197041 zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen, die durch das Protokoll neu eingeführt oder geändert werden, sowie die Schlussbestimmungen des Protokolls.

Art. 1 (abgeändert durch Art. II des Protokolls) In Artikel 1 Ziffer 2 des Protokolls wird, neu und ergänzend zum oben erwähnten Übereinkommen von Den Haag, die Strafbarkeit der Drohung mit der Begehung einer Straftat im Sinne des Protokolls, namentlich einer Flugzeugentführung, statuiert. Das geltende Schweizer Recht deckt dieses Verhalten durch die Tatbestände von Artikel 180 StGB, unter Umständen durch diejenigen von Artikel 181, 237 oder 258 StGB42 oder durch diejenigen von Artikel 90 LFG43 ab. Ziffer 3 Buchstabe d entspricht dem Straftatbestand der Begünstigung44.

Ziffer 4 verpflichtet die Vertragsstaaten schliesslich dazu, die Beteiligung an einer organisierten kriminellen Gruppe zu bestrafen. Die Schweizer Gesetzgebung kommt diesem Erfordernis bereits heute nach. Es kann auf die entsprechenden Ausführungen zu Artikel 1 Ziffer 5 des Übereinkommens verwiesen werden.

Art. 2bis (hinzugefügt durch Art. IV des Protokolls) Den Vertragsstaaten wird an dieser Stelle die Möglichkeit eröffnet45, die Haftbarkeit des Unternehmens für Straftaten im Sinne des Protokolls vorzusehen. Die Schweiz erfüllt dieses Anliegen des Protokolls. Im Einzelnen sei auf die Ausführungen zum Übereinkommen verwiesen, wo eine analoge Bestimmung (Art. 4) eingeführt wurde.

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SR 0.748.710.2 Nötigung, Störung des öffentlichen Verkehrs, Schreckung der Bevölkerung.

Gefährdung durch die Luftfahrt, vgl. vorne zu Art. 1 des Übereinkommens.

Art. 305 StGB Es handelt sich damit nicht um eine verpflichtende Bestimmung des Protokolls.

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Art. 3 (abgeändert durch Art. V des Protokolls) Artikel 3 Absatz 1 umschreibt den Begriff des im Einsatz befindlichen Luftfahrtzeugs neu. Die Definition entspricht den geltenden internationalen Regelungen und steht mit der Schweizer Luftfahrtgesetzgebung im Einklang.

Art. 3bis (hinzugefügt durch Art. VI des Protokolls) Artikel 3bis des Protokolls regelt neu den Ausschluss der bewaffneten Streitkräfte vom Anwendungsbereich des vorliegenden Protokolls. Ausführungen zur Entstehung, zum Inhalt der Regelung und zu ihrer Kompatibilität mit dem Schweizer Recht finden sich vorstehend unter Artikel 6 des Übereinkommens, wo eine analoge Regelung eingeführt wurde.

Art. 4 (abgeändert durch Art. VII des Protokolls) In Artikel 4 werden geringfügige Anpassungen im Bereich der Gerichtsbarkeit vorgenommen sowie der Grundsatz aut dedere aut iudicare eingeführt. Die Schweizer Gesetzgebung entspricht diesen Anforderungen (vgl. auch Art. 8 des Übereinkommens).

Art. 6 (abgeändert durch Art. IX des Protokolls) In Artikel 6 des Protokolls werden gewisse Mitwirkungs- und Untersuchungspflichten für Mitgliedstaaten neu statuiert, die dem geltenden Schweizer Recht und der Praxis entsprechen. Es kann auf die Ausführungen zum vorstehenden Übereinkommen (Art. 9) verwiesen werden, wo identische Anpassungen vorgenommen wurden.

Art. 7bis (hinzugefügt durch Art. X des Protokolls) Zu den Verfahrensgarantien sowie zum Schutz der Menschenrechte ist auf die vorstehenden Ausführungen zu Artikel 11 des Übereinkommens zu verweisen.

Art. 8bis und 8ter (hinzugefügt durch die Art. XII und XIII des Protokolls) Die neuen Artikel 8bis und 8ter des Protokolls regeln die sogenannten Entpolitisierungs- und Nichtdiskriminierungs-Klauseln, welche in gleicher Form auch in das Übereinkommen Eingang gefunden haben (vgl. Ausführungen zu Art. 13 und 14 des Übereinkommens). Es besteht kein Umsetzungsbedarf in der Schweizer Gesetzgebung.

Art. 10bis (hinzugefügt durch Art. XVI des Protokolls) Bei der Massnahme gemäss Artikel 10bis geht es um die Verhütung von Straftaten im Sinne des Protokolls. Die Staaten werden aufgefordert, Informationen bezüglich geplanter Straftaten an betroffene Länder weiterzuleiten. Das Schweizer Recht sieht in diesem Zusammenhang unter anderem die Möglichkeit vor, unaufgefordert Informationen und Beweismittel an andere Länder zu übermitteln46 oder vorläufige

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Art. 67a IRSG

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Massnahmen anzuordnen, um bedrohte Interessen zu wahren oder Beweismittel sicherzustellen47. Es besteht kein gesetzgeberischer Anpassungsbedarf.

Art. XX­XXV des Protokolls Hierbei handelt es sich um Schlussbestimmungen formellen Charakters betreffend die Unterzeichnung, das Inkrafttreten, den Beitritt und die Kündigung.

Das Protokoll tritt am ersten Tag des zweiten Monats nach Hinterlegung der zweiundzwanzigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft.

Jeder Vertragsstaat kann das Protokoll durch eine an den Verwahrer gerichtete schriftliche Notifikation kündigen. Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer wirksam.

3

Auswirkungen

Der Beitritt zum Übereinkommen und zum Protokoll durch die Schweiz hat auf Bund, Kantone und Gemeinden weder finanzielle noch personelle Auswirkungen. Es sind auch keine anderweitigen Auswirkungen zu erwarten.

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Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201248 über die Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201249 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Sie entspricht jedoch in hohem Grad Ziel 14 der Legislaturplanung (wirkungsvolle Bekämpfung von Kriminalität, Terrorismus und Cyberangriffen)50. Sie steht zudem in enger Verbindung mit der aktiven Rolle der Schweiz bei der Bekämpfung des Terrorismus und beim Schutz der Zivilluftfahrt. Die Schweiz misst dem Übereinkommen und dem Protokoll eine wesentliche Bedeutung zu und hat ein grosses Interesse daran, dass beide Instrumente rasch in Kraft gesetzt werden können.

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Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung51 (BV) ist der Bund ermächtigt, völkerrechtliche Verträge abzuschliessen. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig (mit Ausnahme von Verträgen, für deren Abschluss der Bundesrat aufgrund eines Gesetzes oder völkerrechtlichen Vertrages zuständig ist, was vorliegend nicht der Fall ist).

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Art. 18 IRSG BBl 2012 481 BBl 2012 7155 BBl 2012 481, hier 559; BBl 2012 7155, hier 7160 SR 101

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Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

Das Übereinkommen und das Protokoll können gekündigt werden und sehen keinen Beitritt zu einer solchen Organisation vor. Obwohl sie keinen Erlass von Bundesgesetzen erforderlich machen, enthalten sie doch wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Übereinkommens und des Protokolls ist deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

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