zu 11.473 und 12.446 Parlamentarische Initiativen Risikoausgleich/Wirksamen Risikoausgleich schnell einführen Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 6. September 2013 Stellungnahme des Bundesrates vom 23. Oktober 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 6. September 20131 betreffend die parlamentarischen Initiativen 11.473 «Risikoausgleich» und 12.446 «Risikoausgleich schnell einführen» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. Oktober 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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BBl 2013 7801

2013-2469

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Der Risikoausgleich in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ist derzeit befristet in den Übergangsbestimmungen des Bundesgesetzes vom 18. März 19942 über die Krankenversicherung (KVG) geregelt. Nebst den Faktoren Alter und Geschlecht wird seit dem 1. Januar 2012 zusätzlich das erhöhte Krankheitsrisiko berücksichtigt. Die Krankenversicherer werden seither für Versicherte, die im Vorjahr einen Aufenthalt in einem Spital oder Pflegeheim von mindestens drei Nächten hatten, durch den Risikoausgleich besser entschädigt. Nicht berücksichtigt wird bisher jedoch ein Kriterium für ambulante Behandlungen. Die Versicherer sind deshalb nach wie vor daran interessiert, möglichst gute Risiken zu versichern, und haben einen Anreiz, zu diesem Zweck Risikoselektion zu betreiben.

Nach der Ablehnung der KVG-Teilrevision «Managed Care»3 in der Volksabstimmung vom 17. Juni 2012, die eine unbestrittene Verfeinerung des Risikoausgleichs beinhaltete, die vom Parlament eingebracht worden war, setzte dieses seine Bestrebungen, den Risikoausgleich rasch und wirksam zu verbessern, im Rahmen der parlamentarischen Initiativen 11.473 und 12.446 fort. Mit Brief vom 9. September 2013 ersuchte der Präsident der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) den Bundesrat um Stellungnahme zu dem von der Kommission am 6. September 2013 verabschiedeten Bericht und Erlassentwurf.

Der Bundesrat seinerseits verfolgte das Ziel, den Risikoausgleich zu verfeinern, ebenfalls weiter. Er nahm eine Verfeinerung des Risikoausgleichs, wie sie die beiden parlamentarischen Initiativen und eine Motion (12.3815) fordern, zunächst in seinen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für eine öffentliche Krankenkasse» auf. Aufgrund der Vernehmlassungsresultate4 hat der Bundesrat die Idee eines Gegenvorschlags nicht mehr weiter verfolgt. Er hat aber am 20. September 20135 einen selbstständigen Entwurf für eine Teilrevision des KVG verabschiedet, der die Verfeinerung des Risikoausgleichs und dessen gesetzliche Verankerung beinhaltet, nachdem im Vernehmlassungverfahren praktisch alle Vernehmlassungsteilnehmer eine solche Verfeinerung begrüsst hatten.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat teilt die Meinung, dass der Risikoausgleich verbessert und ohne Befristung im Gesetz verankert werden soll. Er ist überzeugt, dass mit der Verfeinerung des Risikoausgleichs die Risikoselektion am wirkungsvollsten unterbunden und die Solidarität zwischen den Krankenversicherern und damit letztlich zwischen allen Versicherten verstärkt werden.

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SR 832.10; Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 21. Dezember 2007 (Risikoausgleich); AS 2009 4755; BBl 2004 5551 Geschäft 04.062; BBl 2011 7441 www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > EDI BBl 2013 7953

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Der Entwurf der KVG-Änderung des Bundesrates stimmt in der Stossrichtung mit dem Textvorschlag der Kommission überein. Beide Vorlagen verlangen die Überführung des Risikoausgleichs ins unbefristete ordentliche Recht und eine Verfeinerung des Risikoausgleichs um weitere Morbiditätsindikatoren, die der Bundesrat festlegen kann.

Zwischen dem Textvorschlag der Kommission und dem Entwurf der KVG-Änderung des Bundesrates gibt es im Wesentlichen drei Unterschiede: 1.

Das Kriterium Aufenthalt in einem Spital oder Pflegeheim ist in der Vorlage des Bundesrates auf Gesetzesebene geregelt. Der Textvorschlag der Kommission enthält das Kriterium Aufenthalt nicht mehr.

2.

Im Entwurf des Bundesrates sind Geschlecht und Alter ­ wie im geltenden Recht ­ separate Ausgleichsfaktoren neben dem erhöhten Krankheitsrisiko.

Nach dem Textvorschlag der Kommission sind Alter und Geschlecht Indikatoren der Morbidität; sie bilden neu mit den «weiteren geeigneten Indikatoren der Morbidität» das erhöhte Krankheitsrisiko ab.

3.

Im Gegensatz zum Textvorschlag der Kommission enthält die Vorlage des Bundesrates explizit eine Bestimmung, wonach bei Versicherten, die in dem für die Ermittlung des erhöhten Krankheitsrisikos massgebenden Zeitpunkt bei einem anderen Versicherer versichert waren (sog. Wechsler), die Aufenthalte in einem Spital oder Pflegeheim und die durch weitere geeignete Indikatoren abgebildete Morbidität nicht berücksichtigt werden.

Zu Punkt 1: In der KVG-Teilrevision hielt der Bundesrat am geltenden Gesetzestext und an demjenigen der Managed-Care-Vorlage fest. Die Kommission geht hier weiter, indem sie dem Bundesrat die Kompetenz delegiert, alle direkten Morbiditätsindikatoren festzulegen. Nach Ansicht des Bundesrates ist diese Änderung des geltenden Rechts nicht nötig, um den Risikoausgleich weiter zu verfeinern. Die neuen, weiteren Morbiditätsindikatoren werden vom Bundesrat bestimmt und in der Verordnung festgelegt. Der Bundesrat zieht seinen Entwurf dem Textvorschlag der Kommission vor, stellt sich in diesem Punkt aber nicht gegen den Vorschlag der Kommission.

Zu Punkt 2: Die Kommission schlägt eine neue Anordnung der Begriffe bzw. eine neue Definition des «erhöhten Krankheitsrisikos» vor. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass mit dieser Revision eine weitere Verfeinerung des Risikoausgleichs anzustreben ist und nicht die bestehenden Ausgleichsfaktoren geändert werden sollen. Das Hinzuzählen des Geschlechts zu den Indikatoren der Morbidität hat einen diskriminierenden Aspekt. Zwar können je nach Geschlecht unterschiedliche Kosten für das KVG anfallen. Diese zusätzlichen Kosten sind jedoch nicht zwingend krankheitsbedingt (beispielsweise Mutterschaft). Der Bundesrat hielt aus diesen Gründen in seinem Entwurf der KVG-Teilrevision am bisherigen (geltenden) System, das sich bewährt hat, fest.

Zu Punkt 3: Der Aufwand für die Ermittlung der Morbiditätsindikatoren ist bei den Versicherungswechslern infolge hoher Anforderungen des Datenschutzes unverhältnismässig hoch und auch in Anbetracht der geringen Auswirkungen im Risikoausgleich nach Ansicht des Bundesrates nicht mehr gerechtfertigt. Seines Erachtens ist eine Regelung auf Stufe Gesetz richtig, wonach bei den Wechslern nur das Geschlecht und das Alter zu berücksichtigen sind, jedoch nicht die Morbidität aufgrund der direkten Morbiditätsindikatoren. Aus diesen Gründen zieht der Bundesrat 8389

seinen Entwurf, der mit Artikel 17a Absatz 4 eine entsprechende Bestimmung für die Wechsler enthält, dem Textvorschlag der Kommission vor.

Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Kommission auf eine Vernehmlassung zu ihrem Vorentwurf und zum erläuternden Bericht verzichten konnte, weil sie sich auf die Resultate des Vernehmlassungsverfahrens zum indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für eine öffentliche Krankenkasse» abstützen konnte, der ebenfalls die Verfeinerung des Risikoausgleichs und dessen gesetzliche Verankerung vorsah.

Wie bereits erwähnt, hat der Bundesrat selbst eine Vorlage zur Änderung des KVG mit der gesetzlichen Verankerung des Risikoausgleichs und dessen Verfeinerung verabschiedet. Der Gesetzestext orientiert sich an demjenigen in der Managed-CareVorlage und war als einziger in einer Vernehmlassung. Aus diesen Gründen beantragt der Bundesrat eine gleichzeitige Behandlung beider Vorlagen in den Räten (siehe Ziff. 3).

In seinem Bericht «Einbezug eines weiteren Morbiditätsfaktors in den Risikoausgleich» vom 9. Dezember 20116 zeigte der Bundesrat auf, wie er den Risikoausgleich weiter verfeinern würde. Der Bundesrat hält an seiner Meinung fest und ist überzeugt, dass eine Verfeinerung des Risikoausgleichs durch den Einbezug pharmazeutischer Kostengruppen die Anreize zur Risikoselektion deutlich vermindert und den heute geltenden Risikoausgleich ideal ergänzt. Bei Verabschiedung der vorliegenden Gesetzesänderung erhielte der Bundesrat die Kompetenz, den Risikoausgleich, wie in seinem Bericht vom 9. Dezember 2011 beschrieben, weiter zu verfeinern. Die Daten zur Bildung pharmazeutischer Kostengruppen sind heute bei den Versicherern erst in ungenügender Vollständigkeit und Qualität vorhanden.

Zudem erachtet der Bundesrat die Durchführung von Probeläufen für den mit pharmazeutischen Kostengruppen verfeinerten Risikoausgleich als angezeigt. Bei einem raschen Inkrafttreten der Bestimmungen würde der Bundesrat daher eine Übergangslösung, bei der die Medikamentenausgaben im Vorjahr berücksichtigt würden, umsetzen.

Aufgrund der Befristung des geltenden Risikoausgleichs bis am 31. Dezember 2016 müssen die neuen Bestimmungen spätestens am 1. Januar 2017 in Kraft treten.

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Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt: 1. Anpassung der Vorlage der SGK-N. Er ist mit der Stossrichtung der Vorlage einverstanden, zieht den Entwurf der Teilrevision des KVG gemäss Botschaft des Bundesrates vom 20. September 2013 (Risikoausgleich. Trennung von Grund- und Zusatzversicherung) dem Textentwurf der Kommission aber vor.

2. Gleichzeitige Behandlung der beiden parlamentarischen Initiativen 11.473 und 12.446 und der Teilrevision des KVG gemäss der Botschaft des Bundesrates vom 20. September 2013 (Risikoausgleich. Trennung von Grund- und Zusatzversicherung).

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Bericht in Erfüllung des Postulats 07.3769 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates, www.bag.admin.ch > Themen > Krankenversicherung > Publikationen > Berichte

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