13.073 Botschaft zur Genehmigung eines neuen Abkommens zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern vom 4. September 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens vom 11. Juli 2013 zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. September 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-1873

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Übersicht Das neue Abkommen mit Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern ist am 11. Juli 2013 unterzeichnet worden. Es soll das geltende Abkommen vom 31. Dezember 1953 ersetzen.

Das Abkommen führt für Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern die Anrechnungsmethode ein. Diese Methode wurde bereits 1997 im schweizerisch-französischen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen verankert. Frankreich wendet die Methode seit Langem an. Die Schweiz wendet zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wie üblich die Methode der Befreiung unter Progressionsvorbehalt an.

Das neue Abkommen führt auch die transparente Besteuerung von Immobiliengesellschaften ein. Indirekt gehaltene Immobilien werden damit wie direkt gehaltene behandelt. Künftig können daher alle Immobilien von ihrem Belegenheitsstaat besteuert werden. Diese steuerliche Transparenz ist ebenfalls bereits im schweizerisch-französischen Abkommen von 1997 über Steuern vom Einkommen und vom Vermögen verankert.

Frankreich kann neu aufgrund eines subsidiären Besteuerungsrechts denjenigen Anteil besteuern, der einem Erben oder Vermächtnisnehmer zusteht, der mindestens 8 der 10 Jahre vor dem Jahr, in dem er die Vermögenswerte empfängt, in Frankreich wohnhaft war, muss aber eine schweizerische Erbschaftssteuer anrechnen, die auf diesem Anteil erhoben wurde. Damit bewahrt die Schweiz ihr primäres Besteuerungsrecht von Erblassern mit letztem Wohnsitz in der Schweiz, und ihre Steuerhoheit wird nicht tangiert. Im Kommentar zum OECD-Musterabkommen von 1982 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern ist die Möglichkeit vorgesehen, in den bilateralen Abkommen ein solches subsidiäres umfassendes Besteuerungsrecht zu verankern, das sich auf andere Kriterien als den Wohnsitz des Erblassers stützt, insbesondere auf den Wohnsitz des Erben oder des Vermächtnisnehmers.

Das neue Abkommen lässt sich mit den Grundsätzen des internationalen Steuerrechts sowie denjenigen des internationalen Steuerrechts der Schweiz vereinbaren.

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Botschaft 1

Allgemeine Überlegungen über die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Die Aushandlung eines Doppelbesteuerungsabkommens ist vor dem Hintergrund der bilateralen Beziehung der Staaten, die ein solches Abkommen abschliessen wollen, und ihres innerstaatlichen Steuerrechts zu betrachten. Ihr Ziel ist die Verringerung oder, soweit möglich, die Vermeidung von Doppelbesteuerungen, die sich aus dem Fehlen eines Abkommens ergeben würden. Ein Doppelbesteuerungsabkommen bezweckt damit in erster Linie die Errichtung eines bilateralen Dispositivs, das den Steuerpflichtigen Rechtssicherheit betreffend die Vermeidung von Doppelbesteuerungen gewährleisten soll. Im vertragslosen Zustand sind die Steuerpflichtigen dagegen schutzlos der Entwicklung des innerstaatlichen Rechts der betreffenden Länder und dem Risiko der Doppelbesteuerung ausgesetzt.

Der Bundesrat beschloss am 13. März 2009, dass die Schweiz den internationalen Standard auf dem Gebiet des Informationsaustausches zu Steuerzwecken übernehmen solle, der von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelt worden war.

Seither nimmt die Schweiz diesen Standard systematisch in ihre Doppelbesteuerungsabkommen auf, wobei sie ihn bei Bedarf aktualisiert.

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Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern (SR 0.672.934.92, im Folgenden «Abkommen von 1953» genannt) wurde am 31. Dezember 1953 abgeschlossen und seither nie revidiert. Es lehnt sich an früher abgeschlossene Vereinbarungen der Schweiz, insbesondere jene von 1951 mit den Niederlanden, an und entspricht den damals üblichen Grundsätzen. Eine Ausnahme bildete das Abkommen von 1951 mit den Vereinigten Staaten, das verschiedene Abweichungen von der steuerlichen Zugehörigkeit am letzten Wohnsitz der Erblasserin oder des Erblassers (im Folgenden: «Erblasser») vorsah.

Frankreichs innerstaatliche Steuergesetzgebung hat schon seit geraumer Zeit wie andere Länder Grundsätze für ein erweitertes Besteuerungsrecht in Frankreich entwickelt. Dies wirkt sich unter anderem auf die Methode zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung aus und führte in der französischen Abkommenspolitik vor einigen Jahren zu einem Wechsel von der Befreiungs- zur Anrechnungsmethode. Im Verhältnis mit der Schweiz hat sich dieser Wechsel bereits im Zusatzabkommen vom 22. Juli 1997 zum Abkommen vom 9. September 1966 zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht (SR 0.672.934.91) niedergeschlagen.

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Das Abkommen von 1953 entspricht somit in zahlreichen Punkten (insbesondere hinsichtlich der französischen Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung) nicht mehr dem innerstaatlichen Recht und der Abkommenspolitik Frankreichs. Im Mai 2011 stellten die französischen Steuerbehörden das Abkommen von 1953 infrage, da die in diesem Abkommen vorgesehenen Lösungen für Frankreich nicht mehr zeitgerecht und mit grossen Einbussen für den Fiskus verbunden seien. Die Situation sei französischerseits umso weniger tragbar, als das schweizerische Steuerrecht auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftssteuern seit Abschluss des Abkommens von 1953 erheblich gemildert worden sei. Zudem haben die im Abkommen von 1953 enthaltenen Regelungen in Frankreich Fragen zur steuerlichen Gleichbehandlung aufgeworfen. Die französischen Steuerbehörden erachteten eine Revision als theoretisch möglich, aber in Anbetracht der Revisions- und Ratifizierungsprozesse für zu langwierig und deshalb, infolge Fortdauer des Status quo, mit zu grossen Einbussen für den französischen Fiskus verbunden. Zur Erreichung des angestrebten Ziels, nämlich der Anwendung des innerstaatlichen Rechts auf die französisch-schweizerischen Nachlässe und Erbschaften, gab Frankreich einer Kündigung des Abkommens von 1953 gegenüber der Revision des bestehenden Abkommens den Vorzug. Im Übrigen beseitigt das innerstaatliche Recht Frankreichs die Doppelbesteuerung von Erbschaften in den meisten Fällen einseitig durch eine Steuergutschrift im Umfang der Erbschaftssteuern, die ausserhalb Frankreichs für sich ausserhalb Frankreichs befindendes bewegliches oder unbewegliches Vermögen entrichtet werden mussten.

Angesichts der ernsten Lage teilte die Schweiz nach Konsultation der Kantone der französischen Seite mit, dass sie eine Revision des Abkommens vorziehe. Aus schweizerischer Sicht galt es insbesondere, Doppelbesteuerungen infolge der Aufhebung des Abkommensschutzes zu verhindern. Schon aus diesem Grund ist die Beibehaltung einer bilateralen Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sinnvoll, da ein Abkommen auf diesem Gebiet, insbesondere auch durch seine einschränkende Wirkung gegenüber Entwicklungen des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten, die Rechtssicherheit für die betroffenen Steuerpflichtigen erhöht.

Frankreich entsprach dem Revisionsbegehren
der Schweiz schliesslich, machte jedoch zur Bedingung, dass das entsprechende Verfahren beschleunigt werde.

Die im Rahmen dieser Verhandlungen erarbeiteten Lösungen wurden im Mai und Juni 2012 der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) unterbreitet. Der Vorstand der FDK hat den vorgelegten Entwurf gutgeheissen, worauf der Bundesrat am 27. Juni 2012 die Paraphierung beschloss. Am 5. Juli 2012 wurde der Entwurf des neuen schweizerisch-französischen Erbschaftssteuerabkommens (im Folgenden «neues Abkommen») paraphiert.

Nach seiner Paraphierung stiess der Entwurf für das neue Abkommen im Anhörungsverfahren bei einem Teil der interessierten Kreise auf grossen Widerstand.

Kritisiert wurden insbesondere die transparente Besteuerung von indirekt über eine Gesellschaft gehaltenen Immobilien, das subsidiäre Besteuerungsrecht von in Frankreich wohnhaften Erben und Vermächtnisnehmern von Erblassern mit letztem Wohnsitz in der Schweiz und die Missbrauchsklausel.

Diese Stellungnahmen haben den positiven Ausgang des politischen Meinungsbildungsprozesses in der Schweiz gefährdet. Im Herbst 2012 fanden deshalb weitere bilaterale Gespräche statt, um die Bereitschaft Frankreichs zur Überarbeitung gewisser Aspekte des Entwurfs auszuloten, namentlich die Einführung einer Ausnahme

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vom vorerwähnten subsidiären Besteuerungsrecht zugunsten von Erben mit Schweizer Staatsbürgerschaft und Wohnsitz in Frankreich.

Frankreich beharrte jedoch auf seiner Haltung, wonach ein entsprechendes Abkommen nicht unverzichtbar sei, und gab zu verstehen, dass es nicht bereit sei, auf den paraphierten Text zurückzukommen. Frankreich zeigte sich jedoch zu punktuellen Anpassungen des Abkommenstextes bereit, um seine Genehmigung in der Schweiz zu erleichtern. Tatsächlich war Frankreich zunächst einzig bereit, den Mindestanteil des Wertes der Immobilien an den gesamten Aktiven einer Gesellschaft, die der Erblasser bzw. dessen Familie mindestens zur Hälfte besitzt, neu festzulegen (mehr als ein Drittel der Aktivsumme oder der Vermögenswerte einer Gesellschaft müssen Grundstücke sein, wohingegen der paraphierte Entwurf keine Untergrenze vorsah).

Da die Schweiz darauf bestand, erklärte sich Frankreich schliesslich damit einverstanden, die Anzahl nötiger Jahre, nach denen Erben und Vermächtnisnehmer eines Erblassers mit letztem Wohnsitz in der Schweiz besteuert werden können, von sechs auf acht zu erhöhen, wie bisher auf einen Zeitraum von zehn Jahren vor dem Jahr des Empfangs der Vermögenswerte bezogen. Eine auf der Staatszugehörigkeit gründende Ausnahme vom subsidiären Besteuerungsrecht ist dagegen für Frankreich undenkbar, weil es keine solche Ungleichbehandlung von Personen mit Steuerdomizil in Frankreich zulassen kann. Eine solche auf die Nationalität gestützte Ausnahme widerspricht auch dem im modernen internationalen Steuerrecht geltenden Grundsatz der Gleichbehandlung. Schliesslich stimmte Frankreich auch zu, das neue Abkommen erst für die Todesfälle ab dem Datum seines Inkrafttretens, statt ab dem 1. Januar 2014 anzuwenden.

An der Sitzung der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates vom 11. April 2013 hielt der Präsident der FDK fest, dass der Entwurf für ein neues Abkommen zwar eine Verschlechterung gegenüber den im Abkommen von 1953 vorgesehenen Regelungen darstellt, sich die FDK jedoch im Plenum für die Unterzeichnung des Entwurfs für ein neues Abkommen ausgesprochen hatte, da Letzteres einem vertragslosen Zustand vorzuziehen sei.

Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren der Westschweiz und des Tessins hingegen hält an ihrer Opposition fest, die sie seit dem Anhörungsverfahren im
Sommer 2012 bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht hat.

Am 19. Juni 2013 wurde vom Nationalrat die Motion 13.3374 verabschiedet, die verlangt, dass die Schweiz nicht zulassen soll, dass in der Schweiz gelegene Immobilien von Frankreich mit einer Erbschaftssteuer belegt werden können, obwohl Frankreich die Doppelbesteuerung mit der Anrechnungsmethode beseitigt. Wird die Motion auch vom Ständerat angenommen, würde dies dazu führen, dass bei der Verhandlung und Revision von Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern in keinem Fall akzeptiert werden dürfte, dass in der Schweiz gelegene Immobilien durch einen anderen Vertragsstaat besteuert werden. Die allfällige Verabschiedung dieser Motion durch den Ständerat würde sich nicht nur negativ auf Revisionsverhandlungen mit Staaten auswirken, die auf im Ausland gelegene Immobilien (z. B. in der Schweiz gelegene Immobilien) die Anrechnungsmethode anwenden, sondern würde auch in Widerspruch zu den bereits geschlossenen Abkommen insbesondere mit Deutschland und den Vereinigten Staaten stehen.

Das neue Abkommen wurde am 11. Juli 2013 in Paris unterzeichnet.

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Würdigung

Es trifft zu, dass das neue Abkommen in gewissen Fällen die steuerliche Belastung der betroffenen steuerpflichtigen Personen erhöht. Es sieht Regelungen betreffend die steuerliche Zugehörigkeit vor, die Frankreich ein breitestmögliches Besteuerungsrecht gewährleisten, nicht nur als Staat des letzten Wohnsitzes des Erblassers oder als Wohnsitzstaat der Erben oder Vermächtnisnehmer, sondern auch für in Frankreich gelegenes unbewegliches Vermögen, auch wenn dieses von Immobiliengesellschaften oder Gesellschaften im Vermögen eines Erblassers mit Wohnsitz in der Schweiz gehalten wird.

Hingegen wurde bei der subsidiären Besteuerung in Frankreich von Erben und Vermächtnisnehmern eines Erblassers mit letztem Wohnsitz in der Schweiz eine günstigere Regelung als ursprünglich von Frankreich angestrebt erzielt. Der vorgeschlagene Wortlaut verlangt dazu Wohnsitz in Frankreich im Zeitpunkt des Todes sowie eine Mindestaufenthaltsdauer von acht der letzten zehn Jahre vor dem Zeitpunkt des Übergangs des Vermögens, wobei Frankreich die schweizerische Steuer anrechnet. Diese Neuregelung berührt das primäre Besteuerungsrecht der Schweiz und somit auch deren Steuerhoheit nicht.

Darüber hinaus hat Frankreich auf die Forderung der Anwendung des neuen Abkommens ab 1. Januar 2014 verzichtet und der Regelung zugestimmt, wonach das Abkommen ab dem Datum seines Inkrafttretens anwendbar ist. Ausserdem konnte die ursprüngliche Forderung Frankreichs, alle in Frankreich gelegenen beweglichen (körperlichen oder unkörperlichen) Sachen als Teil des Vermögens eines Erblassers mit letztem Wohnsitz in der Schweiz zu besteuern, auf die körperlichen Sachen beschränkt werden. Dieser Begriff umfasst das Mobiliar, die bereits im Abkommen von 1953 gleich behandelten Kunstsammlungen und beispielsweise auch Goldbarren, Bargeld oder Schmuck. Nicht dazu gehören Anteile an Gesellschaften, Obligationen oder Bankkonten, die weiterhin am letzten Wohnsitz des Erblassers steuerbar sind.

Ein Zusatzprotokoll zum neuen Abkommen passt den Informationsaustausch im vom Parlament im Dezember 2011 beschlossenen Sinne an den von der Schweiz anerkannten internationalen Standard an.1 Mit dieser Abkommensrevision werden somit auch die Verpflichtungen gegenüber der internationalen Gemeinschaft bekräftigt, welche die Schweiz seit 2009 bezüglich Amtshilfe
eingegangen ist. Gemäss internationalem Standard beschränkt sich der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen, wozu gemäss Auslegung dieser Vorschrift durch die OECD auch Anfragen zu klar definierten Gruppen von Steuerpflichtigen gehören, von denen anzunehmen ist, dass sie im ersuchenden Staat ihrer Steuerpflicht nicht nachgekommen sind. Laut Zusatzprotokoll zum neuen Abkommen wird die Schweiz solche Anfragen Frankreichs beantworten können. Durch präzise Angaben zur Gruppe der betreffenden Steuerpflichtigen, anhand derer der ersuchte Staat diese Personen identifizieren kann, erfüllt der ersuchende Staat das Erfordernis der Identifikation der vom Ersuchen betroffenen Personen (Ziff. I des Zusatzprotokolls). Die Auslegungsregel (Ziff. III des Zusatzprotokolls) hält fest, dass Ziffer XI Buchstaben a­e des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 9. September 1966 zwischen der Schweiz und 1

Vgl. Botschaft zur Ergänzung der Doppelbesteuerungsabkommen von der Bundesversammlung am 18. Juni 2010 genehmigt sowie den Bundesbeschluss vom 23. Dezember 2011 über eine Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Frankreich, BBl 2012 155

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Frankreich über das Einkommen und das Vermögen (SR 0.672.934.91) so auszulegen sind, dass sie einen wirksamen Informationsaustausch nicht behindern, jedoch ohne damit auch «fishing expeditions» zu erlauben. Die erforderliche innerstaatliche Rechtsgrundlage zur Beantwortung von Gruppenanfragen wurde mit dem Steueramtshilfegesetz vom 28. September 2012 (SR 672.5) geschaffen.

In Anbetracht der von Frankreich auf internationaler und insbesondere bilateraler Ebene vertretenen Steuerpolitik war eine Revision des Abkommens von 1953 unvermeidlich. Gegenüber dem ursprünglichen französischen Ansatz, der Kündigung des Abkommens von 1953, erlauben die vorgeschlagenen Lösungen die Beibehaltung eines internationalen Vertrags, der den Steuerpflichtigen Rechtssicherheit bietet und nach Möglichkeit die Interessen der betroffenen Schweizer Gemeinwesen wahrt. Da Frankreich nach der Paraphierung im Juli 2012 nicht mehr bereit war, die Verhandlungen neu aufzunehmen, müssen die punktuellen technischen Anpassungen, die nach der Anhörung angebracht wurden, als das einzig mögliche Resultat angesehen werden, das Frankreich unter den gegebenen Umständen zugestehen konnte.

Die im neuen Abkommen vereinbarten Lösungen lassen sich mit dem internationalen Steuerrecht, namentlich den Grundsätzen des OECD-Musterabkommens von 1982 zu den Erbschaftssteuern, sowie der Abkommenspolitik der Schweiz auf diesem Gebiet vereinbaren. Sie verletzen weder die Grundsätze der OECD, noch tangieren sie die Steuerhoheit der Schweiz. Sie schaffen überdies weder einen Präzedenzfall für die Schweizer Abkommenspolitik in diesem Bereich, noch führen sie zu einer gravierenden Rechtsunsicherheit.

Nicht zuletzt trägt der Abschluss dieses neuen Abkommens zu einem besseren bilateralen Klima für andere Steuerdossiers bei, welche die Schweiz und Frankreich behandeln möchten.

Unter diesen Umständen ist das neue Abkommen die am wenigsten schlechte Lösung, da sie Rechtsschutz und gewisse Vorteile gegenüber einer Situation ohne Abkommen gewährt. Ohne Abkommen wären nämlich beispielsweise Aktien an französischen Gesellschaften einschliesslich Aktien an Immobiliengesellschaften, die nach dem innerstaatlichen, französischen Recht als in Frankreich belegen gelten, sowohl in Frankreich als auch im Wohnsitzkanton des Erblassers steuerbar. Zudem wäre ein Erbe oder
Vermächtnisnehmer in Frankreich bereits steuerpflichtig, wenn er vor dem Zufluss der Vermögenswerte dort 6 Jahre, statt der im neuen Abkommen vorgesehenen 8 Jahre, Wohnsitz hatte.

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des neuen Abkommens

Das neue Abkommen ist eine Totalrevision des Abkommens von 1953. Der Abkommensentwurf folgt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht weitgehend dem OECD-Musterabkommen von 1982 zu den Erbschaftssteuern (nachfolgend «OECD-Musterabkommen») und der diesbezüglichen schweizerischen Abkommenspolitik. Nachfolgend werden die Bestimmungen des neuen Abkommens erläutert.

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Art. 1

Unter das Abkommen fallende Nachlässe und Erbschaften

Das neue Abkommen gilt wie das bisherige Abkommen von 1953 für Nachlässe und Erbschaften von Personen, die im Zeitpunkt des Todes Wohnsitz in einem Vertragsstaat haben.

Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Unter das Abkommen fallen die Steuern, die von Todes wegen auf Nachlässen und Erbschaften erhoben werden (Erbmasse, Erbanteile und Handänderungen von Todes wegen). Auch ausgleichungspflichtige Schenkungen fallen darunter (Frankreich kennt in bestimmten Fällen ebenfalls eine Ausgleichungspflicht).

Art. 4

Steuerlicher Wohnsitz des Erblassers

Das grundlegende Kriterium bei doppeltem Wohnsitz umfasst in Bezug auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht nur die engeren persönlichen Beziehungen wie im Abkommen von 1953, sondern neu und in Übereinstimmung mit dem OECD-Musterabkommen und der Schweizer Abkommenspolitik auch die engeren wirtschaftlichen Beziehungen.

Art. 5

Unbewegliches Vermögen

Frankreich forderte die transparente Besteuerung von Liegenschaften, die unmittelbar oder mittelbar über dazwischengeschaltete Rechtsträger gehalten werden, deren Wert zu mehr als 50 Prozent aus unbeweglichem Vermögen besteht und deren Beteiligungsrechte deshalb unter den Begriff des unbeweglichen Vermögens fallen.

Diese Neuerung gegenüber dem Abkommen von 1953 war für den Abschluss der Revision und die Verhinderung der Kündigung unvermeidbar. Sie entspricht der französischen Abkommenspolitik und ist ebenfalls im schweizerisch-französischen Einkommens- und Vermögenssteuerabkommen (Art. 6, 15, 23 und 24) enthalten.

Ausserdem entspricht diese Lösung dem OECD-Musterabkommen von 2010 zur Vermeidung von Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Anteile an entsprechenden Gesellschaften können im Verhältnis zur Beteiligung des Erblassers besteuert werden.

Bisher galten die Beteiligungsrechte an Immobiliengesellschaften, die Teil des Nachlasses von Erblassern mit Wohnsitz in der Schweiz im Zeitpunkt des Todes waren, als bewegliches und nicht als unbewegliches Vermögen. Dies deshalb, weil solche Beteiligungsrechte aus französischer zivilrechtlicher Sicht bewegliches Vermögen darstellen und das Abkommen von 1953 die zivilrechtliche Qualifikation aufgrund des innerstaatlichen Rechts des Belegenheitsstaates als massgebend erklärt (vgl. Art. 2 Abs. 1 letzter Abschnitt). Die neue Bestimmung stellt eine wesentliche Änderung der Besteuerung von über eine Immobiliengesellschaft gehaltenen Liegenschaften dar, da die Beteiligungsrechte an solchen Gesellschaften nicht mehr im letzten Wohnsitzstaat, sondern im Belegenheitsstaat der Liegenschaft besteuert werden können. Dies gilt auch umgekehrt für den Sachverhalt, dass schweizerisches unbewegliches Vermögen (von im Zeitpunkt des Todes in Frankreich wohnhaften Erblassern) Teil der Aktiven einer Immobiliengesellschaft ist, sofern die einschlägigen kantonalen Bestimmungen eine entsprechende Besteuerung vorsehen.

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Im Übrigen kann künftig der Belegenheitsstaat die Immobilien, die Teil des Aktivvermögens einer Gesellschaft sind, welche der Erblasser allein oder mit der Familie (Ehemann, Ehefrau, direkte Linie, Geschwister) zu insgesamt mehr als 50 Prozent gehalten hat, in dem dem Erblasser zuzurechnenden Umfang besteuern (vgl. Art. 5 Abs. 3). Damit eine Gesellschaft dieser Bestimmung untersteht, muss ihr Wert aufgrund der im Herbst 2012 vereinbarten punktuellen Anpassung zu über einem Drittel direkt oder indirekt aus Immobilien in einem Vertragsstaat bestehen oder sich aus solchen ableiten.

Art. 7

Schiffe und Luftfahrzeuge

Die Bestimmung zu Schiffen und Luftfahrzeugen stimmt mit dem OECDMusterabkommen überein. Sie betrifft nur gewerblich im internationalen Verkehr betriebene Schiffe und Luftfahrzeuge sowie das dem Betrieb dienende bewegliche Vermögen, das nur im Vertragsstaat der tatsächlichen Geschäftsleitung besteuert werden kann.

Private Schiffe und Luftfahrzeuge sind von den Artikeln 5 und 7 ausgenommen. Sie fallen unter die steuerliche Zuteilungsregelung der übrigen Vermögenswerte von Artikel 8 (letzter Wohnsitzstaat). Es wird auf die Erläuterungen zu Artikel 11 verwiesen.

Art. 8

Anderes Vermögen

Diese Bestimmung beruht auf der diesbezüglichen Lösung im OECD-Musterabkommen und sieht die ausschliessliche Besteuerung des nicht in den vorstehenden Artikeln behandelten Vermögens im letzten Wohnsitzstaat des Erblassers vor. Die Schweiz vermeidet die Doppelbesteuerung durch die Methode der Steuerbefreiung, wenn die Zuteilungsregelung das Besteuerungsrecht nicht ihr einräumt. In Bezug auf Frankreich wird auf die Erläuterungen zu Artikel 11 über die Vermeidung der Doppelbesteuerung verwiesen, insbesondere auf das subsidiäre Besteuerungsrecht für körperliche Sachen als Teil eines aufgrund des letzten Wohnsitzes des Erblassers in der Schweiz eröffneten Erbganges oder im Falle von Erben oder Vermächtnisnehmern in Frankreich.

Art. 9

Schuldenabzug

Im Unterschied zum OECD-Musterabkommen umfasst das derzeit gültige Abkommen von 1953 keine Bestimmung zum Schuldenabzug. Neu wird nun eine Lösung analog dem OECD-Musterabkommen getroffen. Die Bestimmung enthält auch eine Regelung zum Abzug der Schulden in Bezug auf Schiffe und Luftfahrzeuge nach Artikel 7. Es wird festgehalten, dass der Abzug der Gesamtschuld anteilig für den Teil zulässig ist, der dem Erblasser zuzurechnen ist, was den in diesem Artikel verankerten Lösungen und auch der schweizerischen Praxis in diesem Bereich entspricht.

Art. 10

Verschiedenes

Von französischer Seite wurde eine Missbrauchsklausel gefordert, deren Prinzip, Formulierung, Reichweite und Kriterien von der Schweizer Delegation zum einen als zu umfassend und zum anderen als unbegründet erachtet wurden. Schliesslich konnten sich beide Seiten auf eine annehmbare Bestimmung einigen. Danach kann 7135

es als missbräuchlich erachtet werden, wenn der Erblasser, Erbe oder Vermächtnisnehmer eine Situation mit dem Hauptzweck geschaffen hat, eine günstigere steuerliche Stellung im Widerspruch zum Sinn und Zweck der betreffenden Bestimmungen zu erlangen. Ein solcher Ansatz stimmt mit der Politik der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen überein.

Art. 11

Vermeidung der Doppelbesteuerung

In Bezug auf die französische Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung musste seitens der Schweiz der französische Wille zur Kenntnis genommen werden, von der Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt des Abkommens von 1953 zur Anrechnungsmethode (vgl. Art. 11 Abs. 1) zu wechseln. Frankreich muss somit eine Doppelbesteuerung vermeiden, indem von der auf dem Erbteil seiner Ansässigen erhobenen Steuer ein Abzug gewährt wird, der dem Betrag der in der Schweiz für denselben Erbteil bezahlten Steuer entspricht. Die Anrechnungsmethode wird von Frankreich seit längerer Zeit angewendet. Es handelt sich hierbei um eine wesentliche Änderung, wobei eine solche Lösung bereits im schweizerisch-französischen Einkommens- und Vermögenssteuerabkommen besteht, wo sie 1997 eingeführt worden ist.

Gewisse in Frankreich gelegene bewegliche Sachen und Liegenschaften im Nachlass eines Erblassers mit letztem Wohnsitz in der Schweiz können wie nach dem bisherigen Abkommen von 1953 in Frankreich besteuert werden (vgl. Art. 11 Abs. 1). In Bezug auf die beweglichen Sachen sieht das Abkommen von 1953 ein Besteuerungsrecht im Belegenheitsstaat für Mobiliar und Objekte von Kunstsammlungen vor. Das neue Abkommen dehnt die bisherige Lösung beispielsweise auf Goldbarren, Schmuck oder Edelsteine aus. Diese Besteuerung der beweglichen Sachen betrifft nur die körperlichen beweglichen Sachen. Wertschriften (Aktien oder Obligationen) oder Bankkonten fallen hingegen nach französischem Recht nicht unter den Begriff der körperlichen beweglichen Sachen. Dieses unkörperliche Vermögen ist demnach weiterhin im letzten Wohnsitzstaat des Erblassers steuerbar.

Hat ein Erbe oder ein Vermächtnisnehmer im Zeitpunkt des Todes des Erblassers mit letztem Wohnsitz in der Schweiz den eigenen Wohnsitz in Frankreich, so verfügt Frankreich neu (vgl. Art. 11 Abs. 1 Bst. c) über ein subsidiäres Besteuerungsrecht für das gesamte an den Erben oder den Vermächtnisnehmer übergehende Vermögen. In diesem Fall muss Frankreich aber die schweizerische Steuer auf diesem Vermögen anrechnen, es sei denn, es handelt sich um Vermögen, das nach den Bestimmungen von Artikel 5 (unbewegliches Vermögen), Artikel 6 (bewegliches Vermögen einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung) oder Artikel 7 (Schiffe und Luftfahrzeuge) in Frankreich besteuert werden kann. Neben dem
Kriterium des Wohnsitzes in Frankreich im Zeitpunkt des Todes muss der Erbe oder der Vermächtnisnehmer zusätzlich in den letzten zehn Jahren vor dem Erbgang während mindestens acht Jahren den Wohnsitz in Frankreich gehabt haben. Dieses Ergebnis, das schwer zu erreichen war (Frankreich verlangte das subsidiäre Besteuerungsrecht bereits bei früherem Wohnsitz in Frankreich), schien der Schweiz im Rahmen der Kompromisslösung annehmbar, auch weil sie die Personenfreizügigkeit der Personen, die sich nur einige Jahre beruflich oder zum Studium in Frankreich aufhalten, nicht beeinträchtigt. Die ausgehandelte Lösung vergrössert den Schutz der Erben und Vermächtnisnehmer mit Wohnsitz in Frankreich gegenüber einem vertragslosen Zustand, weil das derzeit geltende französische Recht eine Frist von sechs Jahren innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Jahr des Empfangs der Vermögenswerte 7136

vorschreibt. Ausserdem konnte Frankreich keine Ausnahme vom subsidiären Besteuerungsrecht, die auf der Staatsangehörigkeit gründet, akzeptieren, da eine solche Ungleichbehandlung von Personen mit Steuerdomizil in Frankreich nicht annehmbar ist.

Hatte der Erblasser Wohnsitz in Frankreich, so besteuert Frankreich die Gesamtheit der Vermögenswerte, die zum Nachlass gehören, einschliesslich der gemäss neuem Abkommen in der Schweiz steuerbaren Vermögenswerte (wie z. B. Immobilien); es muss jedoch ­ und das ist neu ­ die Doppelbesteuerung vermeiden, indem es die Anrechnung der Schweizer Steuer gewährt, die auf den in der Schweiz steuerbaren Vermögenswerten bezahlt werden musste.

Was die Methode der Schweiz anbelangt, so werden Doppelbesteuerungen wie bisher durch die Befreiung mit Progressionsvorbehalt vermieden (vgl. Art. 11 Abs. 2).

Art. 12

Gleichbehandlung

Die Gleichbehandlung in Bezug auf erbschaftssteuerliche Fragen war bisher bilateral im schweizerisch-französischen Einkommens- und Vermögenssteuerabkommen geregelt, das in diesem Bereich die Steuern jeder Art und Bezeichnung umfasst. Das neue Abkommen verfügt durch die Aufnahme dieser Bestimmung in Übereinstimmung mit dem OECD-Musterabkommen nun ebenfalls über eine eigene Gleichbehandlungsregelung.

Art. 13

Verständigungsverfahren

Die Bestimmung entspricht in materieller und formeller Hinsicht den Lösungen der schweizerischen Abkommenspolitik und dem diesbezüglichen OECD-Standard.

Art. 14

Informationsaustausch

Der Informationsaustausch entspricht den Bestimmungen des 2009 revidierten schweizerisch-französischen Einkommens- und Vermögenssteuerabkommens, die diesbezüglich auch die Erbschaftssteuern abdecken. Zusätzlich werden im Zusatzprotokoll zum neuen Abkommen die für die Amtshilfe erforderlichen Angaben festgehalten. Sie betreffen die Voraussetzungen für die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person und für das Amtshilfeverfahren. Die Modalitäten für die Amtshilfe dürfen einen wirksamen Informationsaustausch nicht behindern, was den Verpflichtungen der Schweiz auf internationaler Ebene (Global Forum) und dem Bundesbeschluss vom 23. Dezember 20112 über eine Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Frankreich entspricht.

Gemäss dem internationalen Standard ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Dazu gehören nach dem weiterentwickelten OECD-Standard auch Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Die Schweiz kann nach den durch dieses Zusatzprotokoll eingefügten Bestimmungen solchen Ersuchen Frankreichs Folge leisten. Mit detaillierten Angaben zur Gruppe der Steuerpflichtigen, die es dem 2

BBl 2012 155

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ersuchten Staat ermöglichen, die konkret betroffenen Personen zu bestimmen, kommt der ersuchende Staat dem Erfordernis der Identifikation der vom Ersuchen betroffenen steuerpflichtigen Personen nach (Ziff. I des Zusatzprotokolls). Eine solche Auslegung gebietet die Auslegungsklausel (Ziff. III des Zusatzprotokolls, in Verbindung mit Ziff. XI Abs. 2 des Zusatzprotokolls zum schweizerisch-französischen Einkommens- und Vermögenssteuerabkommen), welche die Vertragsstaaten zu einer Auslegung der Erfordernisse an ein Ersuchen mit dem Ziel eines möglichst weit gehenden Informationsaustausches verpflichtet, ohne dass «fishing expeditions» zuzulassen sind. Die notwendige Grundlage zur Beantwortung von Gruppenersuchen wurde im innerstaatlichen Recht der Schweiz durch den Erlass des Steueramtshilfegesetzes vom 28. September 2012 geschaffen. Ziffer IV des Zusatzprotokolls stellt sicher, dass die neusten Anpassungen im Bereich des Informationsaustausches an den internationalen Standard auch in Bezug auf das französischschweizerische Abkommen über das Einkommen und das Vermögen zur Anwendung kommen.

Frankreich forderte, die Erwähnung «zusammen ein Protokoll» in Artikel 14 des neuen Abkommens sowie in das Zusatzprotokoll aufzunehmen, um eine einheitliche Auslegung der Bestimmung über den Informationsaustausch sicherzustellen und um gemäss französischer Praxis die Auslegungsregel des Zusatzprotokolls auch für die Zwecke des schweizerisch-französischen Einkommens- und Vermögenssteuerabkommens anwenden zu können.

Art. 15

Eröffnung der Steueransprüche

Die Unterstützung bei der Zustellung der Zahlungsaufforderungen bei den Erbschaftssteuern ist bereits im schweizerisch-französischen Einkommens- und Vermögenssteuerabkommen vorgesehen. Diese Regelung wird durch einen Verweis auf Artikel 28bis des genannten Abkommens bestätigt.

Art. 17

Inkrafttreten

Das neue Abkommen findet auf Nachlässe von Personen Anwendung, die nach dem Inkrafttreten verstorben sind (Frankreich forderte ursprünglich die erste Anwendung spätestens per 1. Januar 2014).

Das Abkommen von 1953 wird mit dem Inkrafttreten des neuen Abkommens aufgehoben.

Art. 18

Kündigung

Das neue Abkommen kann, wie dies üblich ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahrs gekündigt werden.

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Kurze Betrachtung anderer von der Schweiz abgeschlossener Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern

Die Schweiz hat lediglich mit den folgenden zehn Staaten Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern abgeschlossen, die in Kraft sind: Deutschland (1978), Österreich (1974), Dänemark (1973), Vereinigte Staaten (1951), Finnland (1956), Frankreich (1953), Norwegen (1956), Niederlande (1951), Vereinigtes Königreich (1993) und Schweden (1979). Die relativ geringe Anzahl solcher Abkommen ist auch auf die Komplexität der Materie und die unterschiedlichen Rechtsauffassungen zwischen den Ländern zurückzuführen, die das Aushandeln solcher Abkommen besonders schwierig gestalten. Behandelt werden im Folgenden die Abkommen mit Deutschland und dem Vereinigten Königreich, die vor dem Hintergrund des neuen Abkommens mit Frankreich eine nähere Betrachtung verdienen.

Abkommen vom 30. November 1978 mit Deutschland (SR 0.672.913.61) Das Abkommen von 1978 mit Deutschland räumt diesem ein subsidiäres Besteuerungsrecht von Erben und Vermächtnisnehmern ein, die in Deutschland über eine ständige Wohnstätte verfügen oder dort im Zeitpunkt des Todes des Erblassers ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Dies betrifft namentlich auch die Besteuerung einer in der Schweiz gelegenen Immobilie. Das subsidiäre Besteuerungsrecht, das Deutschland gewährt wird, ist gleichzeitig umfassender und beschränkter als die gleichartige Bestimmung im vorliegenden neuen schweizerisch-französischen Abkommen. Es ist in dem Sinne umfassender, als es ausreicht, dass der Erbe oder der Vermächtnisnehmer im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in Deutschland über eine ständige Wohnstätte verfügt oder dort gewöhnlichen Aufenthalt hat, ohne dass dafür eine Mindestdauer (wie im Falle des neuen Abkommens mit Frankreich, welches einen Aufenthalt von acht Jahren innerhalb der letzten zehn Jahre verlangt) vorgeschrieben ist. Das Besteuerungsrecht ist aber insofern beschränkter, als Deutschland kein subsidiäres Besteuerungsrecht besitzt, wenn kumulativ der Erblasser und der Erbe oder der Vermächtnisnehmer das Schweizer Bürgerrecht besitzen. Sowohl das Abkommen mit Deutschland als auch das vorliegende neue schweizerischfranzösische Abkommen sehen für die Schweiz kein ähnliches Recht im Falle eines Erben oder eines Vermächtnisnehmers in der Schweiz vor, was sich insbesondere dadurch erklärt, dass im Steuerrecht der Kantone
eine lediglich an den Wohnsitz des Erben oder des Vermächtnisnehmers geknüpfte Regelung der steuerlichen Zugehörigkeit fehlt.

Das Abkommen mit Deutschland enthält ferner zwei besondere Regeln, die das neue schweizerisch-französische Abkommen nicht kennt: 1)

Verfügte der Erblasser in der Schweiz im Todeszeitpunkt seit mindestens fünf Jahren über eine ständige Wohnstätte (Wohnung) in Deutschland, so ist der Nachlass sowohl in Deutschland wie in der Schweiz steuerbar, wobei Deutschland eine allfällige Schweizer Steuer anrechnet. Diese besondere Regel gilt auch für Personen mit Schweizer Bürgerrecht. Immobilien in der Schweiz werden in Deutschland unter Progressionsvorbehalt befreit.

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Verfügte der Erblasser in der Schweiz vor dem Tod während mindestens fünf Jahren innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Aufgabe der letzten Wohnstätte in Deutschland über eine solche ständige Wohnstätte und stirbt er in dem Jahr, in dem er zuletzt über diese Wohnstätte verfügt hatte, oder in den darauffolgenden fünf Jahren, so ist der Nachlass auch in Deutschland steuerbar, es sei denn: ­ die Wohnsitznahme in der Schweiz ist auf die Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit oder die Heirat mit einer Person mit Schweizer Bürgerrecht zurückzuführen, oder ­ der Erblasser war im Zeitpunkt, in dem er zuletzt über eine ständige Wohnstätte in Deutschland verfügte, Schweizer Staatsangehöriger.

Diese beiden Regeln führen zu einer Ausweitung des Besteuerungsrechts von Deutschland, dank der es auch Nachlässe von in der Schweiz wohnhaften Personen besteuern kann. Da das neue schweizerisch-französische Abkommen keine solche Regeln kennt, kann es in diesem Punkt als vorteilhafter als das Abkommen mit Deutschland angesehen werden.

Abkommen vom 17. Dezember 1993 mit dem Vereinigten Königreich (SR 0.672.936.73) Das Abkommen von 1993 mit dem Vereinigten Königreich sieht ein subsidiäres Besteuerungsrecht für Aktien britischer Gesellschaften im Nachlass eines Erblassers mit Wohnsitz in der Schweiz vor. Das Vereinigte Königreich vermeidet Doppelbesteuerungen mit der Anrechnung einer allfälligen schweizerischen Steuer auf seine eigene Steuer.

Wenn das Vereinigte Königreich für in der Schweiz gelegene Immobilien eine Steuer erhebt, rechnet es einen Betrag in derselben Höhe wie die in der Schweiz entrichtete Steuer an seine eigene Steuer an.

Das Abkommen mit dem Vereinigten Königreich enthält ausserdem eine besondere Regel, die im neuen schweizerisch-französischen Abkommen nicht enthalten ist: War der Erblasser mit Wohnsitz in der Schweiz zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Tod im Vereinigten Königreich wohnhaft und besass er zu diesem Zeitpunkt die britische, aber nicht gleichzeitig die schweizerische Staatsbürgerschaft, so können die in der Schweiz gelegenen Vermögenswerte (mit Ausnahme von Immobilien, beweglichem Vermögen einer Betriebsstätte, Schiffen und Luftfahrzeugen) auch vom Vereinigten Königreich besteuert werden. Dabei vermeidet dieses die Doppelbesteuerung mit der Anrechnung einer allfälligen schweizerischen Steuer.

Da das neue schweizerisch-französische Abkommen keine solche Regeln kennt, kann es in diesem Punkt als vorteilhafter als das Abkommen mit dem Vereinigten Königreich angesehen werden.

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Finanzielle Auswirkungen

Das neue schweizerisch-französische Abkommen hat keine direkten Auswirkungen auf die Einnahmen der Schweizer Kantone. Es führt für Frankreich bei Nachlässen von Erblassern mit letztem Wohnsitz in der Schweiz grundsätzlich ein subsidiäres Besteuerungsrecht ein, wobei das primäre Besteuerungsrecht der Schweiz gewahrt 7140

bleibt. Die Steuerhoheit der Schweiz wird somit nicht tangiert. Der mit dem neuen Abkommen errichtete Mechanismus hat zur Folge, dass die betreffenden Nachlässe auch dem französischen Steuerrecht unterstellt werden. Da die Belastung durch die Erbschaftssteuer in Frankreich deutlich höher ist als in der Schweiz und Frankreich eine allfällige Doppelbesteuerung mit der Anrechnung der ausländischen (schweizerischen) Steuer an die französische Steuer vermeidet, resultiert daraus eine Zunahme der Gesamtsteuerbelastung der betroffenen Personen. Die Attraktivität der Schweiz kann dadurch in gewissen Fällen gemindert werden, was indirekt zu Einbussen bei den Erträgen aus den direkten Steuern führen könnte. Mangels geeigneter Instrumente lassen sich diese jedoch nicht abschätzen. Es ist zu berücksichtigen, dass bei einem vertragslosen Zustand Frankreich gemäss seinem internen Recht ohne Milderung durch den Staatsvertrag ein subsidiäres Besteuerungsrecht ausüben könnte, was Doppelbesteuerungen und Rechtsunsicherheit zur Folge haben könnte und der Attraktivität der Schweiz weit abträglicher wäre.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das neue Abkommen ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV; SR 101), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des Abkommens zuständig. Das Abkommen ist unbefristet, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Das neue Abkommen sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesrecht erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrags dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Amtshilfe wird gemäss internationalem Standard umfassend gewährt, was der jüngsten schweizerischen Abkommenspolitik entspricht.

Das neue Abkommen schafft bedeutende neue Pflichten für die Schweiz und enthält somit gegenüber den mit anderen Staaten getroffenen Vereinbarungen wichtige Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung eines neuen Abkommens zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern unterliegt daher dem Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

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