06.090 Botschaft betreffend das Abkommen zwischen der Schweiz und Bulgarien über Soziale Sicherheit vom 22. November 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Genehmigung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über das am 15. März 2006 unterzeichnete Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Bulgarien über Soziale Sicherheit.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. November 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-1318

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Übersicht Das vorliegende Abkommen folgt dem Muster der von der Schweiz bislang abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen und richtet sich nach den im internationalen Sozialversicherungsrecht allgemein geltenden Grundsätzen. Dazu gehören insbesondere Bestimmungen über die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen der Vertragsstaaten, die Aufrechterhaltung ihrer in Entstehung begriffenen Ansprüche sowie die Auslandszahlung der Renten. Geregelt werden zudem die Unterstellung von Erwerbstätigen, Einzelfragen betreffend die bulgarischen und die schweizerischen Leistungen sowie die Abfindung im Falle von Kleinstrenten.

Das Abkommen erfasst die Versicherungszweige Alter, Hinterlassene, Invalidität, Krankheit sowie Familienzulagen in der Landwirtschaft.

Die Botschaft befasst sich zunächst mit der Entstehung des Abkommens. Sie beschreibt dann das bulgarische Sozialversicherungssystem und geht schliesslich auf die einzelnen Abkommensbestimmungen näher ein.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Allgemeiner Teil 1.1 Ausgangslage 1.2 Bedeutung des Abkommens 1.3 Ergebnisse des Vorverfahrens

156 156 156 156

2 Besonderer Teil 2.1 Die Soziale Sicherheit in Bulgarien 2.1.1 Allgemeines 2.1.2 Invalidität 2.1.3 Alter 2.1.3.1 1. Säule 2.1.3.2 2. Säule 2.1.4 Hinterlassene 2.1.5 Krankheit 2.1.6 Familienleistungen 2.2 Inhalt des Abkommens 2.2.1 Allgemeine Bestimmungen 2.2.2 Anwendbare Gesetzgebung 2.2.3 Besondere Bestimmungen 2.2.3.1 Krankenversicherung 2.2.3.2 Alter, Invalidität und Tod 2.2.4 Verschiedene Bestimmungen 2.2.5 Übergangs- und Schlussbestimmungen

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3 Auswirkungen 3.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen 3.2 Auswirkungen wirtschaftlicher Art 3.3 Auswirkungen im Bereich der Informatik

166 166 167 167

4 Legislaturplanung

167

5 Verhältnis zum europäischen Recht

167

6 Verfassungsmässigkeit

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Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Bulgarien über Soziale Sicherheit (Entwurf)

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Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Bulgarien über Soziale Sicherheit

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1995 trat Bulgarien mit dem Wunsch an die Schweiz heran, Gespräche im Hinblick auf den Abschluss eines Sozialversicherungsabkommens aufzunehmen. Nachdem infolge der Öffnung in Osteuropa in den 1990er-Jahren bereits mit anderen Staaten Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen wurden (Tschechische und Slowakische Republik, Ungarn), ist das Abkommen mit Bulgarien das letzte aus dieser Reihe, das noch nicht ratifiziert ist. Bulgarien hat unter anderem bereits mit Deutschland, Österreich, Belgien, Ungarn, Kroatien und Zypern Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen. Die wirtschaftlichen Beziehungen und der Austausch zwischen der Schweiz und Bulgarien haben sich in den letzten Jahren intensiviert. Auch auf anderen Gebieten erfolgt derzeit ein Ausbau der Beziehungen. So wurden kürzlich Abkommen zur Aufhebung der Visumpflicht und im Bereich des Flugverkehrs abgeschlossen.

1.2

Bedeutung des Abkommens

Im AHV/IV-Versichertenregister sind ungefähr 6000 bulgarische Staatsangehörige eingetragen. Sie verfügen zwar über Beitragszeiten in der Schweiz, haben aber derzeit nur einen eingeschränkten Anspruch auf AHV/IV-Leistungen. Sie können insbesondere nur dann eine Rente beziehen, wenn sie in der Schweiz wohnen. Laut Zentralem Ausländerregister wohnen gegenwärtig rund 2000 Bulgarinnen und Bulgaren in der Schweiz.

Umgekehrt lebten am 31. Dezember 2005 165 Schweizerinnen und Schweizer in Bulgarien. 90 davon besitzen die doppelte Staatsbürgerschaft. Ein Abkommen würde ihnen den Bezug bulgarischer Leistungen erleichtern.

Der EU-Beitritt Bulgariens erfolgt am 1. Januar 2007. Im Falle einer allfälligen späteren Ausdehnung des Abkommens vom 21. Juni 19991 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA) auf Bulgarien würde das vorliegende Abkommen insoweit ausgesetzt und durch die EU-Regelungen ersetzt, als im FZA derselbe Sachbereich geregelt ist (vgl. Art. 20 FZA).

1.3

Ergebnisse des Vorverfahrens

Im Mai 1996 fanden in Bern erste Expertengespräche zwischen einer schweizerischen und einer bulgarischen Delegation statt. Diskussionsgrundlage bildete ein von schweizerischer Seite vorbereiteter Abkommensentwurf. Nachdem im Oktober 1996 (Sofia) und im Mai 1997 (Bern) weitere Gespräche durchgeführt worden waren, 1

156

SR 0.142.112.681

wurde anlässlich der Verhandlungen vom Juni 1999 in Bern grundsätzlich Einigkeit über den Vertragstext erzielt. Die anschliessende Bereinigung von Detailfragen konnte trotz mehrfachen Schriftenwechsels nicht abgeschlossen werden. Weil zudem Änderungen im nationalen Recht neue Anpassungen erforderlich machten, trafen sich die Delegationen im Oktober 2004 nochmals in Bern und einigten sich über den neuen Vertragstext. Die letzten Bereinigungen erfolgten auf schriftlichem Weg. Das Abkommen wurde am 15. März 2006 in Bern unterzeichnet.

2

Besonderer Teil

2.1

Die Soziale Sicherheit in Bulgarien

2.1.1

Allgemeines

Die Anfänge des bulgarischen Sozialversicherungssystems gehen auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück, als ein Versorgungssystem für Militärinvalide eingeführt wurde. Bereits 1924 wurden Gesetze betreffend eine Sozialversicherung für Erwerbstätige erlassen. Die Versicherung deckte die Risiken Unfall, Berufskrankheit, Krankheit, Mutterschaft, Invalidität, Alter, Tod und Arbeitslosigkeit für eine Mehrheit der Bevölkerung ab. Ende der 1940er-Jahre wurden unter der kommunistischen Herrschaft alle Versicherungen im öffentlichen Sozialversicherungsinstitut zusammengefasst. Mit dieser Zentralisierung ging die Eingliederung der Sozialversicherungen in den Staatshaushalt einher.

Nach der demokratischen Wende wurde das bulgarische Sozialversicherungssystem schrittweise nach dem Vorbild der westlichen Länder modernisiert. Die Gesetzgebung und die Organisation wurden erneuert. Das Nationale Sozialversicherungsinstitut übernahm die Verwaltung des Sozialversicherungsfonds. Es ist als unabhängige Körperschaft mit einer Zentrale und Regionalstellen organisiert.

Die neuen Regelungen beruhen grundsätzlich auf einem Drei-Säulen-Modell. Die aktuelle Gesetzgebung für die 1. und 2. Säule sowie für die Sozialversicherung der übrigen Zweige stammt aus dem Jahre 2000. Bereits 1999 wurde das Gesetz betreffend die zusätzliche freiwillige Rentenversicherung (3. Säule) verabschiedet, die von privaten Pensionsfonds getragen wird.

Die allgemeine staatliche Sozialversicherung Bulgariens ist obligatorisch für alle Erwerbstätigen. Sie umfasst die Risiken Krankheit, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten, Mutterschaft, Alter und Tod. Finanziert wird sie durch Beiträge der Arbeitgeber und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie durch staatliche Zuschüsse.

Der globale Beitragssatz (mit Ausnahme von Sachleistungen bei Krankheit und Mutterschaft) liegt je nach Beschwerlichkeit und Gefährlichkeit der Tätigkeit sowie nach Umfang der versicherten Risiken zwischen 29 und 39,6 % des Bruttoeinkommens, wovon die Arbeitgeber 70 % und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 30 % zu tragen haben. Die Beiträge für Berufsunfälle und -krankheiten gehen ausschliesslich zu Lasten der Arbeitgeber. Die Beiträge für Sachleistungen bei Krankheit und Mutterschaft belaufen sich auf 6 % des Bruttoeinkommens und werden ebenfalls im Verhältnis 70:30 aufgeteilt. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt bei 1300 Lewa (BGN) pro Monat. Die Leistungen sind einkommensbezogen.

157

2.1.2

Invalidität

Die Versicherung gegen Invalidität ist Teil des allgemeinen Sozialversicherungssystems. Die berufsbedingte Invalidität wird durch die Versicherung gegen Berufsunfälle und -krankheiten abgegolten.

Das System unterscheidet drei Grade von Arbeitsunfähigkeit: über 90 %, 71­90 %, 50­70,99 %. Für den Erwerb des Leistungsanspruchs sind je nach Alter bei Eintritt der Invalidität unterschiedliche Mindestversicherungszeiten erforderlich: ­

vor 20 Jahren, für Blinde von Geburt an und Personen, die vor Eintritt in die Erwerbstätigkeit erblindet sind: keine Mindestversicherungszeit;

­

20­25 Jahre: 1 Jahr Mindestversicherungszeit;

­

ab 25 Jahren: 3 Jahre Mindestversicherungszeit;

­

Personen mit Geburtsgebrechen und solche, die vor Eintritt in die Erwerbstätigkeit invalid wurden: 1 Jahr Versicherungszeit.

Die Höhe der Leistungen hängt unter anderem ab von der Anzahl Versicherungsjahre, vom Grad der Arbeitsunfähigkeit, vom monatlichen Durchschnittseinkommen der versicherten Personen, vom individuellen Koeffizienten (Verhältnis zwischen monatlichem Einkommen der betroffenen Person und durchschnittlichem Einkommen im Land während einer bestimmten Zeit) und von der Berechnungsgrundlage (durchschnittliches monatliches Versicherungseinkommen im Land während der 12 Monate vor Antragstellung). Für Kinder und Ehegatten werden keine Zuschläge ausgerichtet.

Die Mindestrente beläuft sich je nach Invaliditätsgrad auf monatlich 56 bis 74 BGN, die Maximalrente auf 420 BGN. Eine Anpassung der Renten erfolgt jeweils per Mitte Jahr nach einem gemischten Index aufgrund der Erhöhung des Versicherungseinkommens (25 %) und der Konsumentenpreise (75 %). Eigene Einkommen der Berechtigten haben keinen Einfluss auf die Renten. Die Leistungen werden bis zum Wegfall der Invalidität bzw. bis zum Tod gewährt. Sie werden nicht in Altersrenten umgewandelt.

Die Invalidenversicherung erbringt überdies Leistungen der medizinischen und sozialen Rehabilitation sowie der Berufsbildung und der Umschulung. Sie gewährt Hilfsmittel, Kostenerstattungen für die Anpassung von Fahrzeugen und Wohnungen sowie Stipendien für Kinder. Zum Zwecke der sozialen Integration wird sodann eine feste monatliche Zulage ausgerichtet.

2.1.3

Alter

Die obligatorische Sozialversicherung für das Alter umfasst eine erste Säule (beitragsfinanziert, Umlagesystem) und eine zweite Säule (zusätzliche kapitalgedeckte Versicherung). Der Geltungsbereich des Abkommens erstreckt sich ausschliesslich auf die erste Säule.

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2.1.3.1

1. Säule

Sämtliche Tätigkeiten sind je nach Gefährlichkeit und Beschwerlichkeit in drei Kategorien eingeteilt. Diese Einteilung hat einen Einfluss auf die Entstehung des Rentenanspruchs, auf die Höhe der Leistungen und auf die Möglichkeit des vorzeitigen Rentenbezugs.

Der Rentenanspruch hängt vom Alter der versicherten Person und von der erreichten Punktzahl ab. Männer haben Anspruch auf eine ordentliche Altersrente, wenn sie das 63. Altersjahr erreicht und 100 Punkte erworben haben. Bei Frauen liegt die Grenze bei 58 Altersjahren und 91 Punkten, wobei eine schrittweise Anhebung auf 60 Jahre und 94 Punkte bis 2009 geplant ist. Die Punktzahl ergibt sich aus der Summe des Alters und der Versicherungsjahre. Bei ungenügender Punktzahl entsteht der Rentenanspruch bei Erreichen des 65. Altersjahrs und nach Zurücklegung von 15 Versicherungsjahren. Für gewisse Berufe gelten besondere Bestimmungen.

Die Rentenhöhe hängt unter anderem vom Referenzeinkommen, von den Versicherungszeiten, vom monatlichen durchschnittlichen Versicherungseinkommen im Land sowie von einem individuellen Koeffizienten ab. Beitragsfreie Zeiten, zum Beispiel bei Kindererziehung, vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, Bezug von Arbeitslosenentschädigung, Betreuung von behinderten Familienangehörigen und Militär- bzw. Zivildienst, werden berücksichtigt. Für Kinder und Ehegatten werden keine Zuschläge zur Rente ausgerichtet.

Die monatliche Minimalrente beläuft sich auf 61 BGN. Die Maximalrente entspricht derjenigen in der IV. Letzteres gilt auch für die jährliche Anpassung. Ein Vorbezug ist nicht möglich.

2.1.3.2

2. Säule

Die Beiträge belaufen sich bei allgemeinen Fonds auf 3 % des Bruttoeinkommens (0,75 % zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, 2,25 % zulasten der Arbeitgeber). Personen, die nach dem 31. Dezember 1959 geboren sind, können in diese Fonds einzahlen. Bei beruflichen Fonds sind die Beiträge höher und gehen vollumfänglich zulasten der Arbeitgeber.

Der Leistungsanspruch entsteht gleichzeitig wie der Anspruch in der 1. Säule. Auf Gesuch der versicherten Person können Leistungen bereits 5 Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter ausgerichtet werden, sofern genügend Kapital angespart wurde.

Die Höhe der Leistungen bemisst sich nach dem auf dem individuellen Konto angesparten Kapital. Bei der Berechnung werden überdies ein technischer Zinssatz sowie die amtlich genehmigten Tabellen betreffend Lebenserwartung berücksichtigt.

2.1.4

Hinterlassene

Die Hinterlassenenleistungen sind Teil des allgemeinen Sozialversicherungssystems.

Anspruchsberechtigt sind Witwen und Witwer, und zwar 5 Jahre bevor sie das Rentenalter erreichen, oder früher, wenn sie selber erwerbsunfähig sind. Kinder erhalten Leistungen bis zum 18. Altersjahr. Falls sie studieren, endet der Anspruch mit 26 Jahren. Erwerbsunfähige Kinder sind unabhängig vom Alter anspruchsberechtigt.

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Eltern von Verstorbenen haben Anspruch auf Hinterlassenenrenten, wenn sie selber im Rentenalter sind und keinen eigenen Rentenanspruch haben.

Die Leistungshöhe hängt von der Rente ab, welche die verstorbene Person erhalten hat oder hätte. War diese nicht rentenberechtigt, so wird die IV-Rente bei 90-prozentiger Arbeitsunfähigkeit zugrunde gelegt. Bei einer hinterlassenen Person werden 50 %, bei zwei Personen 75 % und bei drei oder mehr Personen 100 % der Rente gezahlt. Die Leistung wird gleichmässig unter alle Berechtigten verteilt. Bei Wiederverheiratung entfällt der Anspruch. Zusätzlich zur Rente wird ein Sterbegeld gewährt.

2.1.5

Krankheit

Die Versicherung für Geldleistungen ist obligatorisch für Erwerbstätige, die mehr als 5 Tage oder 40 Stunden pro Monat arbeiten, und für gewisse Kategorien von Erwerbstätigen, zum Beispiel Beamte und Gerichtsangestellte, Militärangehörige und kirchliches Personal. Freiwillig versichern können sich eingetragene freiberuflich Erwerbende und Handwerker, Einzelunternehmer, Eigentümer und Partner von Handelsunternehmen, eingetragene Bauern und erwerbstätige Rentner. Die Leistungsberechtigung setzt eine Mindestversicherungszeit von 6 Monaten voraus. Für Personen unter 18 Jahren ist keine Mindestversicherungszeit erforderlich. Die Arbeitsunfähigkeit muss spätestens 2 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder der Versicherung eintreten. Der Arbeitgeber richtet 80 % des Lohnes für den ersten Tag der Krankheit aus, maximal für 15 Tage pro Kalenderjahr. Die Versicherung bezahlt anschliessend 80 % des durchschnittlichen Bruttoeinkommens, das während der letzten sechs Monate vor Eintritt der Krankheit erzielt wurde. Die Leistungen werden bis zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit beziehungsweise bis zur Feststellung der Invalidität ausgerichtet.

Sachleistungen bei Krankheit und Mutterschaft sind in einem beitrags- und steuerfinanzierten obligatorischen Versicherungssystem für die ganze Wohnbevölkerung geregelt. Die Leistungen werden zeitlich unbegrenzt ausgerichtet. Ärzte und Spitäler sind beim nationalen Gesundheitsfonds unter Vertrag. Die Versicherten müssen bei einem Allgemeinarzt eingeschrieben sein. Spezialärzte können nur aufgrund einer Überweisung des Allgemeinarztes konsultiert werden. Patientinnen und Patienten müssen für jeden Arztbesuch eine geringe Zuzahlung leisten. Kinder und weitere Personengruppen sind davon ausgenommen. Bei Spitalbehandlung ist für maximal 10 Tage pro Jahr ebenfalls eine Zuzahlung vorgesehen, wobei auch hier Ausnahmen bestehen. Zahnbehandlungen werden mit gewissen Einschränkungen von der Krankenversicherung übernommen. Ausgenommen ist jedoch der Zahnersatz. Zudem werden bis zu drei Medikamente pro Krankheit von der Versicherung bezahlt.

2.1.6

Familienleistungen

Die Familienleistungen sind in einem allgemeinen System geregelt, das vollumfänglich vom Staat finanziert wird.

Ein Anspruch besteht grundsätzlich für die in Bulgarien wohnenden Kinder von bulgarischen Staatsangehörigen. Ist nur ein Elternteil bulgarischer Staatsangehöriger, so muss auch das Kind diese Staatsangehörigkeit besitzen. Das durchschnitt160

liche monatliche Einkommen darf 200 BGN pro Familienmitglied nicht übersteigen.

Das Kind muss die Schule regelmässig besuchen und dauernd in Bulgarien wohnhaft sein. Die Höhe der Leistung beträgt 18 BGN pro Monat und wird jährlich bei der Genehmigung des Staatsbudgets durch das Parlament angepasst. Sie wird bis zum Abschluss der höheren Schulbildung bezahlt, höchstens jedoch bis zum 20. Altersjahr.

Unter gewissen Voraussetzungen hat die Mutter während des ersten Lebensjahres eines Kindes Anspruch auf ein Erziehungsgeld. Zudem werden im gesetzlichen Rahmen Geburts- und Adoptionszulagen ausgerichtet. Für behinderte Kinder sind spezielle Leistungen vorgesehen.

2.2

Inhalt des Abkommens

Das Abkommen bezieht sich auf Seiten der Schweiz wie Bulgariens auf die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, auf die Krankenversicherung sowie auf die Familienleistungen. Die in diesen Versicherungszweigen vorgesehene Koordination richtet sich nach dem Muster der anderen von der Schweiz abgeschlossenen Abkommen. Die Bestimmungen des Abkommens entsprechen denjenigen, die mit anderen europäischen Ländern in jüngster Zeit ausgehandelt wurden.

2.2.1

Allgemeine Bestimmungen

Der sachliche Geltungsbereich (Art. 2) bezieht sich schweizerischerseits auf die AHV/IV, die Krankenversicherung und die Familienzulagen für die Landwirtschaft.

Seitens Bulgariens umfasst der Geltungsbereich die Sozialversicherungsgesetzgebung bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, Invalidität, Mutterschaft, Alter und Tod sowie die Familienhilfe für Kinder.

Artikel 3 umschreibt den persönlichen Geltungsbereich: Das Abkommen ist anwendbar auf Vertragsstaatsangehörige sowie auf ihre Familienangehörigen und Hinterlassenen, ferner auf Flüchtlinge und Staatenlose, soweit diese Personen im Gebiet eines Vertragsstaats wohnen. Hinsichtlich einzelner Bestimmungen gelten sie auch für Staatsangehörige von Drittstaaten. Es handelt sich einerseits um die Unterstellungsregeln der Artikel 7 Absätze 1­3, 8 Absätze 3 und 4, 9 Absatz 2 sowie 10 und 11. Andererseits gelten auch die Regelungen betreffend die Krankenversicherung (Art. 12 und 13) sowie die Titel IV und V des Abkommens (verschiedene Bestimmungen, Übergangs- und Schlussbestimmungen) für Drittstaatsangehörige.

In Übereinstimmung mit den allgemeinen internationalen Grundsätzen bringt das Abkommen eine weitgehende Gleichbehandlung der Staatsangehörigen beider Vertragsstaaten in den vom Abkommen erfassten Versicherungszweigen (Art. 4 Abs. 1). Aufgrund der Besonderheiten ihrer Gesetzgebung hat die Schweiz dennoch gewisse Vorbehalte in Bezug auf die Gleichbehandlung angebracht. Diese betreffen die freiwillige AHV/IV sowie die AHV/IV von schweizerischen Staatsangehörigen, die im Ausland im Dienste der Eidgenossenschaft oder gewisser Institutionen tätig sind. Des Weiteren sind die Haushaltungszulagen gemäss dem Bundesgesetz über die Familienzulagen in der Landwirtschaft vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen (Art. 4 Abs. 2).

161

Die Gleichbehandlung bezieht sich auch auf die Zahlung von Leistungen an Versicherte mit Wohnsitz im Ausland. Artikel 5 garantiert die Zahlung von Leistungen unabhängig vom Wohnort, vorbehaltlich abweichender Bestimmungen dieses Abkommens. Die Schweiz hat zu einigen Leistungen Vorbehalte angebracht. So werden Invalidenrenten für Personen, deren Invaliditätsgrad unter 50 % liegt, sowie ausserordentliche Renten und Hilflosenentschädigungen der AHV/IV nur in der Schweiz ausbezahlt. Bulgarien hat bezüglich Renten, die nicht auf einer Arbeitsleistung beruhen, den Leistungsexport auf die Schweiz eingeschränkt.

2.2.2

Anwendbare Gesetzgebung

Ein wesentlicher Punkt, der in den Abkommen über Soziale Sicherheit geregelt wird, ist die versicherungsrechtliche Unterstellung von Staatsangehörigen des einen Vertragsstaats, die im Gebiet des anderen Staates beschäftigt werden. Im vorliegenden Vertrag gilt, wie in allen anderen Abkommen, der Grundsatz der Unterstellung am Erwerbsort (Art. 6).

Die Artikel 7­11 enthalten besondere Vorschriften, die vom Grundsatz der Unterstellung am Erwerbsort abweichen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vorübergehend zur Arbeitsleistung in das Gebiet der anderen Vertragspartei entsandt werden, unterstehen weiterhin den Rechtsvorschriften der entsendenden Vertragspartei (Art. 7 Abs. 1). Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bei einem Transportunternehmen mit Sitz in einem Staat angestellt sind, ihre Tätigkeit aber in beiden Ländern ausüben, unterstehen den Rechtsvorschriften des Landes, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, es sei denn, sie haben den Wohnort im andern Vertragsstaat oder sind dort bei einer Zweigniederlassung oder ständigen Vertretung auf Dauer beschäftigt (Art. 7 Abs. 2). Im Herkunftsland unterstellt bleiben auch Personen, die im öffentlichen Dienst des einen Staates stehen und in den andern Staat entsandt werden (Art. 7 Abs. 3). Die Mitglieder der Besatzung eines Seeschiffes, das die Flagge eines Vertragsstaates führt, sind nach den Rechtsvorschriften des Wohnlandes versichert, wenn sie in einem Vertragsstaat wohnen (Art. 7 Abs. 4). Dabei handelt es sich nicht um die üblicherweise in diesen Abkommen enthaltene Vorschrift (Unterstellung der Besatzung unter die Gesetzgebung des Staates, dessen Flagge das Schiff führt). Man hat sich für diese Lösung entschieden, weil die schweizerische und die bulgarische Gesetzgebung es erlauben, solche Personen nach dem Wohnortsprinzip zu versichern, was der beruflichen Situation von Seeleuten entgegenkommt. Diese wechseln verhältnismässig häufig das Schiff und nehmen auch vorübergehende Beschäftigungen an Land an, was mit einem Wechsel des Arbeitgebers verbunden ist. Hinzu kommt, dass vielfach zwischen den Verschiffungen Ruheperioden bestehen. Würden Seeleute dem Staat, dessen Flagge das Schiff führt, zugeordnet, so könnte dies zahlreiche Unterbrechungen in ihrer Versicherungskarriere zur Folge haben und damit zur Kürzung der Leistungen im
Versicherungsfall führen.

Für das Personal der diplomatischen Missionen, ständigen Missionen und konsularischen Posten erlauben die Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen2 die Fortführung der Unterstellung unter die Sozialversicherung des akkreditierenden (entsendenden) Staates; diese Grundsätze der Wiener 2

162

SR 0.191.01 und 0.191.02

Übereinkommen bleiben zwar gültig, die Artikel 8 und 9 des Abkommens sehen aber eine weitergehende Deckung vor. Nach Artikel 8 Absatz 1 unterstehen Staatsangehörige des einen Vertragsstaates, die dem versetzungspflichtigen Karrierepersonal angehören und von diesem Staat als Mitglieder einer diplomatischen Mission oder eines konsularischen Postens ins Gebiet des anderen Vertragsstaates entsandt werden, der Gesetzgebung des ersten Vertragsstaates. Die von einem Vertragsstaat im anderen Vertragsstaat oder in einem Drittstaat eingestellten Personen, die nicht zum versetzungspflichtigen Karrierepersonal gehören und die in einer diplomatischen Mission oder einem konsularischen Posten des ersten Vertragsstaates im andern Vertragsstaat oder in persönlichen Diensten eines Mitgliedes einer solchen Vertretung beschäftigt werden, sind unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit grundsätzlich im Land, in dem sie ihre Beschäftigung ausüben, versichert. Sie haben aber die Möglichkeit, sich stattdessen im ersten Vertragsstaat zu versichern (Art. 8 Abs. 2 und 3). Artikel 8 Absatz 4 regelt die Verpflichtung zur Übernahme der Arbeitgeberpflichten. Schliesslich werden die Honorarmitglieder konsularischer Vertretungen und ihre Angestellten vom Geltungsbereich der erwähnten Bestimmungen ausgenommen (Art. 8 Abs. 5).

Artikel 9 regelt die Rechtsstellung der Staatsangehörigen der Vertragsstaaten, die im Dienst von Botschaften und Konsulaten von Drittstaaten stehen, sowie ihrer Familienangehörigen. Es handelt sich hier zumeist um Verwaltungs- und technisches Personal sowie um Dienstpersonal. In der Schweiz sind die betroffenen Personen im Besitz einer vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten in Anwendung der Wiener Übereinkommen ausgestellten «Legitimationskarte», die ihnen diplomatische oder steuerliche Vorrechte verleiht. Nach der AHV/IV-Gesetzgebung sind die Personen im Besitz von diplomatischen und/oder steuerlichen Vorrechten von der Versicherungspflicht ausgenommen. Wenn somit weder ihr Herkunftsland noch das akkreditierende Land ihnen die Möglichkeit bietet, sich zu versichern, erleiden sie eine Versicherungslücke. Dank diesem Artikel können solche Lücken vermieden werden. Er garantiert, dass die betreffenden Personen im Beschäftigungsland obligatorisch versichert werden. Der die Person beschäftigende
Drittstaat kann allerdings nicht der Arbeitgeberbeitragspflicht unterstellt werden.

Die Bestimmungen über die anwendbare Gesetzgebung werden durch Artikel 10 ergänzt, die so genannte Ausweichklausel. Sie erlaubt den zuständigen Behörden der beiden Vertragsparteien, in besonderen Fällen im Interesse der betroffenen Personen abweichende Regelungen zu vereinbaren.

Artikel 11 regelt die Rechtsstellung des Ehegatten und der Kinder einer Person, die vom einen Vertragsstaat in den andern entsandt wird. Die Familienmitglieder, die den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin begleiten, bleiben mit ihm bzw. ihr während der vorübergehenden Tätigkeit im Ausland den Rechtsvorschriften des Herkunftslands unterstellt, sofern sie im Ausland nicht selber eine Erwerbstätigkeit ausüben. In der Schweiz sind in diesen Fällen die Ehegatten und die Kinder in der AHV/IV versichert (Art. 11 Abs. 2).

163

2.2.3

Besondere Bestimmungen

2.2.3.1

Krankenversicherung

In der Schweiz sind in der freiwilligen Krankentaggeldversicherung Vorbehalte wegen vorbestehender Krankheiten (für höchstens fünf Jahre) möglich. Das Abkommen sieht vor, dass schweizerischerseits bulgarische Krankenversicherungszeiten auf die Vorbehaltszeit angerechnet werden müssen (Art. 12 Abs. 1). Nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG)3 wird die Gewährung des Taggelds bei Mutterschaft davon abhängig gemacht, dass die Frau bis zur Niederkunft während mindestens 270 Tagen und ohne Unterbrechung von mehr als drei Monaten versichert war. Artikel 12 Absatz 2 erlaubt die Anrechnung bulgarischer Versicherungszeiten auf diese 270 Tage, verlangt aber die ununterbrochene Versicherung in der Schweiz während der letzten drei Monate vor dem Leistungsbeginn.

Bulgarien rechnet für die Gewährung von Geldleistungen bei Krankheit und Mutterschaft die nach den schweizerischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungszeiten ebenfalls an (Art. 13).

2.2.3.2

Alter, Invalidität und Tod

Dank der Gleichbehandlung haben die bulgarischen Staatsangehörigen in unserer AHV/IV im Wesentlichen die gleichen Rechte, wie sie die beiden Gesetzeswerke für schweizerische Staatsangehörige vorsehen. Die Artikel 14­17 bestätigen dies, sehen aber für einzelne Leistungen Besonderheiten vor.

Die Auslandzahlung einer ordentlichen Altersrente, die nicht mehr als 10 % der Vollrente ausmacht, wird durch eine einmalige Abfindung abgegolten; diese entspricht dem Barwert der im Versicherungsfall nach der schweizerischen Gesetzgebung geschuldeten Rente (Art. 14). Beträgt der Anspruch auf die schweizerische Rente mehr als 10 %, aber höchstens 20 % der entsprechenden ordentlichen Vollrente, so kann der oder die bulgarische Staatsangehörige zwischen der Rente und der einmaligen Abfindung wählen.

Bulgarische Staatsangehörige, die der AHV/IV-Beitragspflicht unterstehen (Personen, die in der Schweiz arbeiten oder wohnen), haben zu den gleichen Voraussetzungen wie Schweizer Versicherte Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, solange sie sich in der Schweiz aufhalten (Art. 15 Abs. 1). Bulgarische Staatsangehörige, die in der AHV/IV versichert, aber nicht beitragspflichtig sind (nichterwerbstätige Personen zwischen 18 und 20 Jahren sowie minderjährige Kinder), haben erst nach einer einjährigen Wohndauer in der Schweiz Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen. Für minderjährige invalide Kinder gelten gewisse Erleichterungen (Art. 18 Abs. 2).

Die Invalidität im Sinne des schweizerischen Rechts fällt in der Regel nicht mit der Arbeitsunterbrechung zusammen, sondern tritt meist erst ein Jahr später ein. Artikel 16 sorgt dafür, dass ein bulgarischer Staatsangehöriger, der seine Erwerbstätigkeit in der Schweiz infolge Unfall oder Krankheit aufgeben muss und die Schweiz verlassen möchte, für die Dauer eines Jahres vom Zeitpunkt der Arbeitsunterbrechung an weiterhin versichert bleiben kann. Da für ihn die Beitragspflicht für die 3

164

SR 832.10

Dauer des Jahres, in dem er weiter versichert ist, bestehen bleibt, ist es ihm möglich, das für eine ordentliche Invalidenrente geforderte Mindestbeitragsjahr zu erwerben.

Die Invalidität muss indessen in der Schweiz festgestellt und anerkannt werden; die betroffene Person muss gegebenenfalls in die Schweiz zurückkehren, damit die erforderlichen Prüfungen und Kontrollen nach den schweizerischen Versicherungsbestimmungen durchgeführt werden können.

Bulgarische Staatsangehörige haben unter den gleichen Voraussetzungen wie Staatsangehörige der anderen Staaten, mit denen die Schweiz ein Abkommen über Soziale Sicherheit abgeschlossen hat, Anspruch auf ausserordentliche Renten der AHV/IV. Bedingung ist, dass sie seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen in der Schweiz wohnen (Art. 17). Seit der 10. Revision des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 19464 über die AHV (AHVG) gibt es nur noch die ausserordentlichen Renten ohne Einkommensgrenze (Art. 42 AHVG). Sie werden indessen nur selten gewährt. Hingegen haben ausländische Staatsangehörige, wenn sie die in einem Abkommen über Soziale Sicherheit vorgesehene Mindestversicherungsdauer für eine ausserordentliche Rente erfüllen, Anspruch auf Ergänzungsleistungen der AHV/IV (vgl. Art. 2 des Bundesgesetzes vom 19. März 19655 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung in der Fassung der 10. AHV-Revision). Die Abkommensbestimmung ermöglicht den Erwerb dieses Anspruchs.

Die bulgarische Gesetzgebung verlangt für den Erwerb des Leistungsanspruchs bei gewissen Renten eine Mindestbeitragszeit in der bulgarischen Versicherung. Damit diese Voraussetzung erfüllt werden kann, werden die in der schweizerischen AHV/IV zurückgelegten Versicherungszeiten wenn nötig berücksichtigt, sofern sie sich nicht mit den bulgarischen Zeiten überschneiden. Die Höhe der Leistungen wird aber aufgrund der Einkommen festgesetzt, auf die Versicherungsbeiträge für die nach den bulgarischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Zeiten entrichtet wurden (Art. 18).

2.2.4

Verschiedene Bestimmungen

Abschnitt IV des Abkommens enthält verschiedene Regelungen, die sich auch in allen anderen Sozialversicherungsabkommen finden (Art. 19­29). Diese Bestimmungen sehen unter anderem den Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung vor (Art. 19), verpflichten die Behörden der Vertragsstaaten zur gegenseitigen Unterstützung bei der Durchführung des Abkommens (Art. 20) und zur Anerkennung der in einer Amtssprache der beiden Vertragsstaaten abgefassten Schriftstücke (Art. 23).

Zudem enthalten sie Vorschriften über die Einreichung von Anträgen oder Beschwerden und die Wahrung der entsprechenden gesetzlichen Fristen (Art. 24).

Ferner wird die Überweisung von Geldbeträgen im Zusammenhang mit der Durchführung des Abkommens gewährleistet, und zwar auch im Falle von Einschränkungen des Devisenverkehrs seitens eines der Vertragsstaaten (Art. 26). Überdies ist die Einsetzung eines Schiedsgerichts für die Beilegung von Streitigkeiten vorgesehen (Art. 29). Artikel 25 regelt den Datenschutz bei der Übermittlung von Personendaten.

4 5

SR 831.10 SR 831.30

165

2.2.5

Übergangs- und Schlussbestimmungen

Die Übergangsbestimmungen halten fest, dass dieses Abkommen auch für Versicherungsfälle gilt, die vor seinem Inkrafttreten eingetreten sind, und dass auch Versicherungszeiten berücksichtigt werden, die vor dem Inkrafttreten des Abkommens zurückgelegt wurden (Art. 30). Die sich daraus ergebenden Leistungen werden hingegen erst ab dem Inkrafttreten des Abkommens ausgerichtet. Zudem wird die Neubearbeitung von Ansprüchen, über die vor Inkrafttreten des Abkommens entschieden wurde, ermöglicht (Art. 31). Schliesslich hält Artikel 32 fest, dass das Abkommen am ersten Tag des zweiten auf den Austausch der Ratifikationsurkunden folgenden Monats in Kraft tritt. Das Abkommen gilt auf unbestimmte Zeit, kann aber unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Es liegen keine ausreichenden Berechnungsgrundlagen vor, die es erlauben würden, die finanziellen Auswirkungen eines Abkommens genau beziffern zu können. Diese Auswirkungen hängen weitgehend davon ab, wie viele Personen vom Abkommen profitieren werden. Wie bereits erwähnt, leben zurzeit ungefähr 2000 bulgarische Staatsangehörige in der Schweiz und rund 6000 sind im AHV/IV-Versichertenregister eingetragen.

Die Tatsache, dass aufgrund des Abkommens die Rückvergütung der AHV-Beiträge an bulgarische Staatsangehörige wegfällt, führt kurzfristig zu einer Entlastung der AHV; da aber anstelle der Beitragsrückvergütung künftig eine Altersrente gezahlt wird, ist langfristig mit jährlichen Mehrkosten in der Höhe von etwa 2 Millionen Franken zu rechnen. Der Umstand, dass anstelle geringfügiger AHV/IV-Renten einmalige Abfindungen gewährt werden können, führt zur Vereinfachung der administrativen Abläufe. Bei den Hinterlassenenleistungen werden die Zusatzkosten auf 200 000 Franken geschätzt.

Versicherte bulgarischer Nationalität haben neu auch dann Anspruch auf schweizerische Invalidenleistungen, wenn sie ausserhalb der Schweiz wohnen. Hier belaufen sich die jährlichen Zusatzkosten langfristig schätzungsweise auf 700 000 Franken.

Die langfristig erwarteten Zusatzkosten fallen mit jährlich insgesamt 3 Millionen Franken deshalb verhältnismässig bescheiden aus.

Zu beachten ist, dass für Bund und Kantone, die gemäss geltendem gesetzlichem Verteilschlüssel 20 Prozent der Ausgaben bei der AHV und 50 Prozent der Ausgaben bei der IV tragen, lediglich Mehrkosten in der Höhe von 800 000 Franken pro Jahr entstehen sollten. Die übrigen Kosten würden durch Beiträge und andere Einnahmen gedeckt.

Es ist überdies darauf hinzuweisen, dass diese Mehrkosten im Falle einer Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf Bulgarien ebenfalls anfallen würden. Das Abkommen mit Bulgarien erleichtert sodann auch schweizerischen Staatsangehörigen den Bezug bulgarischer Leistungen.

166

3.2

Auswirkungen wirtschaftlicher Art

Das Abkommen hat keine Auswirkungen wirtschaftlicher Art.

3.3

Auswirkungen im Bereich der Informatik

Das Abkommen hat keine Auswirkungen auf den Informatikbereich.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 2003­2007 nicht angekündigt, da ihr in der Geschäftsliste des Bundesrates kein Vorrang zukommt und es sich im Hinblick auf die anderen von der Schweiz abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen um ein Geschäft mit Wiederholungscharakter handelt.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Das Abkommen wurde nach dem Muster anderer von der Schweiz in jüngerer Zeit abgeschlossener bilateraler Abkommen ausgearbeitet. Es handelt sich um eine Regelung, die den Bedürfnissen beider Staaten angemessen Rechnung trägt und die auch im Einklang mit den Grundsätzen der Sozialen Sicherheit der Internationalen Arbeitsorganisation und des Europarates steht.

6

Verfassungsmässigkeit

Nach den Artikeln 111 und 112 der Bundesverfassung (BV)6 ist der Bund zur Gesetzgebung im Bereich der AHV/IV ermächtigt. Artikel 54 Absatz 1 BV gibt ihm ferner das Recht, Staatsverträge mit dem Ausland abzuschliessen. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, internationale Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Genehmigung solcher Verträge ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Das Abkommen fällt nicht in die Kategorie der dem obligatorischen Referendum unterstehenden Erlasse. Es unterliegt auch nicht dem fakultativen Referendum für völkerrechtliche Verträge im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffern 1 und 2 der Bundesverfassung. Das Abkommen ist zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung unterstehen seit dem 1. August 2003 zusätzlich die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 6

SR 101

167

Absatz 4 des Parlamentsgesetzes gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrages dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Das vorliegende Abkommen mit Bulgarien enthält zwar rechtsetzende Bestimmungen. Sein Inhalt erfüllt jedoch das Erfordernis der Wichtigkeit im Sinne von Artikel 164 BV nicht, denn er ist demjenigen von mehreren anderen bereits früher durch die Schweiz abgeschlossenen Abkommen ähnlich. Im Sinne der Entwicklung einer gangbaren Praxis zur neuen Ziffer 3 von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV und um die wiederholte Unterstellung gleichartiger Abkommen unter das Referendum zu vermeiden, hat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 19. September 2003 zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel7 festgehalten, dass er dem Parlament Staatsverträge, die im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz beinhalten, auch in Zukunft mit dem Vorschlag unterbreiten werde, diese dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nicht zu unterstellen.

Die Schweiz hat in den letzten 10 Jahren mit Kroatien8, Zypern9, Tschechien10, Irland11, Slowenien12, der Slowakei13, Ungarn14 und Mazedonien15 weitgehend gleichartige Abkommen abgeschlossen. Diese Abkommen grenzen im Wesentlichen lediglich die Unterstellung unter ein nationales Sozialversicherungssystem ab und gewährleisten den Leistungsbezug und den Leistungsexport für die Vertragsstaatsangehörigen. Sie variieren zum Teil hinsichtlich des sachlichen Geltungsbereichs, indem sie zusätzlich die Unfallversicherung einschliessen beziehungsweise die Familienzulagen und/oder die Krankenversicherung nicht umfassen. Im persönlichen Geltungsbereich entsprechen sie jedoch dem vorliegenden Vertrag und sehen ebenfalls die Gleichbehandlung der Vertragsstaatsangehörigen vor. Zudem enthalten sie weitgehend analoge Regelungen über die anwendbare Gesetzgebung, die auf dem Erwerbsortsprinzip beruhen und Ausnahmen für bestimmte Personenkategorien vorsehen. Die Übertrittserleichterungen in der Krankenversicherung sind in den erwähnten Abkommen ebenfalls bereits vorgesehen. Die Rentenberechnung in der AHV/IV erfolgt auch im Rahmen der Abkommen ausschliesslich nach nationalem schweizerischem Recht. Der Leistungsexport
gehört zu den Grundprinzipien des koordinierenden Sozialversichungsrechts und bildet daher im vorliegenden Umfang Bestandteil der erwähnten Sozialversicherungsabkommen. Sodann finden sich in diesen Abkommen auch analoge Regelungen betreffend die Eingliederungsmassnahmen der IV und die Nachversicherung zum Erwerb des IV-Rentenanspruchs. Die Kapitel «Verschiedene Bestimmungen» sowie «Übergangs- und Schlussbestimmungen» orientieren sich ebenfalls an den erwähnten Abkommen. Die Datenschutzbestimmung wurde jedoch infolge der Entwicklung des nationalen Datenschutzrechts angepasst. Es handelt sich demnach um einen Vertrag mit standardisiertem Inhalt: Er hat den gleichen Gegenstand und die gleiche Tragweite wie mehrere

7 8 9 10 11 12 13 14 15

168

BBl 2003 6467 SR 831.109.291.1 SR 831.109.258.1 SR 831.109.743.1 SR 831.109.441.1 SR 831.109.691.1 SR 831.109.690.1 SR 831.109.418.1 SR 831.109.520.1

andere von der Schweiz abgeschlossene Abkommen, unter Berücksichtigung der Abweichungen aufgrund der nationalen Gesetzgebung des anderen Vertragsstaates.

Das vorliegende Abkommen beinhaltet keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz. Mehrere bereits früher von der Schweiz abgeschlossene Abkommen sehen analoge Verpflichtungen vor.

Das Abkommen ist überdies hinsichtlich seiner Tragweite und in Bezug auf die Wahl des vertragsschliessenden Staates von ähnlichem rechtlichem und politischem Gewicht wie bereits früher abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen.

Das vorliegende Abkommen mit Bulgarien erfüllt daher die Voraussetzungen für die Nichtunterstellung unter das fakultative Referendum im Sinne der zitierten Praxis.

Der Bundesrat beantragt deshalb, den Bundesbeschluss über das Sozialversicherungsabkommen mit Bulgarien dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV nicht zu unterstellen.

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