07.011 Botschaft zum Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland über die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit des Luftraums bei Bedrohungen durch zivile Luftfahrzeuge vom 10. Januar 2007

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Deutschland über die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

10. Januar 2007

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-2673

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Übersicht Angesichts der durch die Anschläge vom 11. September 2001 sichtbar gewordenen Bedrohung erweist sich eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen mehr denn je als notwendig.

Die kommenden Fussball-Europameisterschaften 2008 (EURO 08) werden in der Zeit vom 7. bis 29. Juni 2008 in Österreich und der Schweiz stattfinden. Veranstaltungen dieser Art geniessen weltweite Aufmerksamkeit und bieten dadurch extremistischen Gruppierungen die Möglichkeit, durch terroristische Angriffe ihre Ziele zu verwirklichen. Vor diesem Hintergrund ist die Schweiz bestrebt, die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit mit den nördlichen Nachbarstaaten zu intensivieren.

Insbesondere ist geplant, die Zusammenarbeit auch mit Österreich zu intensivieren.

Mehrere der in der Schweiz stattfindenden Fussballspiele werden in Basel ­ und damit in unmittelbarer Nähe zu unserem nördlichen Nachbarland ­ ausgetragen. In etwas grösserer Entfernung zur deutschen Grenze liegen die Stadien von Zürich und Bern, aber auch diesbezüglich hat die Schweiz ein berechtigtes Interesse, im Bereich der Sicherung des Luftraums eng mit Deutschland zusammenzuarbeiten.

Das mit der vorliegenden Botschaft zur Genehmigung unterbreitete Abkommen regelt die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Deutschland im Bereich der Sicherheit des Luftraums bei Bedrohungen durch zivile Luftfahrzeuge. Die Zusammenarbeit soll sich jedoch nicht auf die Dauer der EURO 08 beschränken, sondern unabhängig davon weitergeführt werden. Aufgrund des für die Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechts geht das Abkommen inhaltlich zwar weniger weit als die bereits zwischen der Schweiz und Frankreich sowie Italien abgeschlossenen Vereinbarungen, stellt aber dennoch eine konsequente Fortsetzung der Politik des Bundesrates zur Wahrung der Sicherheit gegen terroristische Angriffe aus der Luft dar.

Mit der hier zur Diskussion stehenden Kooperation zwischen Deutschland und der Schweiz sollen der gegenseitige systematische Informationsaustausch über die allgemeine Luftlage erleichtert und die Interventionsmöglichkeiten beider Parteien im Falle einer konkreten Bedrohung verbessert werden.

Auf die Souveränität der beiden Staaten wie auch auf geltende bilaterale Abkommen wird Rücksicht genommen.
Gemäss Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) fallen auswärtige Angelegenheiten in den Zuständigkeitsbereich des Bundes. Da der Abschluss eines Staatsvertrages über die Zusammenarbeit im militärischen Einsatz gemäss dem vorliegenden Abkommen nicht unter Artikel 7a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG, SR 172.010) und damit nicht in den selbständigen Kompetenzbereich des Bundesrates fällt, muss das Abkommen nach Artikel 166 Absatz 2 BV der Bundesversammlung zur Genehmigung unterbreitet werden.

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Das vorliegende Abkommen wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, es ist aber jederzeit kündbar. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor, enthält keine wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV und kann ohne den Erlass zusätzlicher Bundesgesetze umgesetzt werden. Somit ist es nicht dem fakultativen Referendum gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstellt.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Angesichts der durch die Anschläge vom 11. September 2001 sichtbar gewordenen Bedrohung erweist sich eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft mehr denn je als notwendig. Einige unserer Nachbarländer haben sich mit Mitteln und Strategien gerüstet, welche die Sicherheit gegenüber diesen neuen Bedrohungen erhöhen. Auf supranationaler Ebene laufen ausserdem verschiedene Projekte oder sind bereits realisiert worden. Damit soll diese Art von Terrorakten bekämpft werden. Während die NATO über das Datenaustauschprogramm Air Situation Data Exchange [ASDE] verfügt, wird in Europa das Projekt European Regional Renegade Information Dissemination System [ERRIDS] entwickelt.

Auf Grund ihrer geostrategischen Lage ist die Schweiz ein Partner von zentraler Bedeutung, der nicht übersehen werden kann. Da die Terrorbedrohung keine Grenzen kennt, muss angesichts der kurzen Vorwarnzeit eine Partnerschaft mit unseren direkten Nachbarn sowie denjenigen supranationalen Organisationen angestrebt werden, die im Bereich des Luftraums und dessen Sicherung tätig sind. Ohne die Einmischung eines Drittlandes in unsere Souveränität dulden zu wollen, sind wir zu einer Zusammenarbeit bereit, um diese Bedrohungen wirksam bekämpfen zu können.

Die Schweiz verfügt über wertvolle Erfahrungen in der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet. Im Rahmen der Organisation des G8-Gipfels in Evian vom 1. bis 3. Juni 2003 wurde die Effizienz des Dispositivs zur Sicherung des französisch-schweizerischen Luftraums unter Beweis gestellt. Mittlerweile wurde die ursprünglich nur auf den G8-Gipfel beschränkte Zusammenarbeit mit Frankreich durch eine auf unbeschränkte Zeit abgeschlossene Vereinbarung auf eine dauernde Zusammenarbeit ausgeweitet. Der Nationalrat und der Ständerat haben den entsprechenden Staatsvertrag am 7. März bzw. am 8. Juni 2005 genehmigt und den Bundesrat ermächtigt, das Abkommen zu ratifizieren. Ein entsprechendes Abkommen konnte in der Zwischenzeit auch mit Italien geschlossen werden.

Die künftige Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern wird in diesem Abkommen in einem Rahmen festgelegt, der den Austausch von Informationen zur identifizierten Luftlage ermöglicht und es einem im Einsatz stehenden Flugzeug der Luftpolizei angesichts
einer nichtmilitärischen Bedrohung erlaubt, die Grenze zu überfliegen und unter dem Kommando des Aufnahmestaates eine Sichtidentifizierung vorzunehmen und darüber hinaus ein verdächtiges Luftfahrzeug zu begleiten und zu überwachen.

Diese Art der Zusammenarbeit ist im Rahmen einer Kontinuität der Politik der «permanenten Luftraumüberwachung» (Bundesratsbeschluss vom 20. August 2003) zu sehen. Damit wird unter anderem die Identifizierung des gesamten Luftverkehrs über unserem Territorium rund um die Uhr gewährleistet. Diese zusätzliche Zusammenarbeit mit Deutschland ergab sich auf Grund der Besorgnisse der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates (SIK-S). Diese nahm «Kenntnis von einem Katalog möglicher Massnahmen, welcher unter anderem den Abschluss ständiger 878

Regelungen mit den betroffenen Nachbarländern, eine Verbesserung des Nachrichtenverbundes und ein vermehrtes Üben und Testen der Prozesse und Strukturen vorsieht» (Pressemitteilung der SIK-S vom 18. Februar 2004).

Das Abkommen mit Deutschland ist ein wichtiger und ­ insbesondere im Hinblick auf die EURO 08 ­ bedrohungsgerechter Schritt für die Regelung der grenzüberschreitenden luftpolizeilichen Zusammenarbeit. Damit werden spätere multilaterale Regelungen nicht präjudiziert. Es erlaubt jedoch der Schweiz, die Sicherheit im Luftraum gegen nichtmilitärische Bedrohungen in Zusammenarbeit mit Deutschland entscheidend zu erhöhen und wertvolle Erfahrungen für die nachbarschaftliche Zusammenarbeit und den Abschluss allfälliger ähnlicher Abkommen zu sammeln.

1.2

Haltung des Bundesrates

Die Anschläge vom 11. September 2001 haben auf dramatische Art und Weise gezeigt, welche Gefahren von nichtmilitärischen Luftfahrzeugen in der Hand von Terroristen ausgehen können. Der Bundesrat ist zwar nach wie vor der Ansicht, dass die Schweiz zurzeit kein primäres Ziel solcher Angriffe darstellt. Die Erfahrungen aus dem G8-Gipfel haben jedoch klar gezeigt, dass der Schutz bedeutender Anlässe eine angemessene Antwort auf Gefahren aus der Luft erfordert. Dies gilt in besonderem Masse für Veranstaltungen im grenznahen Raum, wie etwa die Spiele im Rahmen der Fussball-Europameisterschaften 2008 in Basel, Zürich, Bern und Genf.

Wirksamer Schutz gegen Gefahren aus der Luft kann in solchen Fällen nur mit grenzüberschreitender Zusammenarbeit mit unseren Nachbarstaaten erzielt werden.

Das Parlament hat bisher mit der klaren Genehmigung der Abkommen mit Frankreich und Italien die Politik des Bundesrates mitgetragen. Die Schweiz soll sich aktiv an den Massnahmen zur Verbesserung des Schutzes des europäischen Luftraums gegen terroristische Bedrohungen beteiligen; unser Land darf in diesem sensitiven Bereich nicht zur Sicherheitslücke werden. Es handelt sich dabei um eine permanente Aufgabe, die nicht nur für die Dauer der erwähnten Veranstaltung wahrgenommen werden muss.

Das vorliegende Abkommen schafft nun die Grundlagen einer dauerhaften und engeren Zusammenarbeit mit Deutschland bei der Erfüllung luftpolizeilicher Aufgaben, welche über weiten Teilen unseres Staatsgebiets wegen der fehlenden Vorwarnzeit nicht im Alleingang bewältigt werden können. Die oft kurzfristige Ankündigung von wichtigen Konferenzen erlaubt es nicht, jeweils fallweise Staatsverträge über die luftpolizeiliche Zusammenarbeit abzuschliessen. Das vorliegende Abkommen mit Deutschland stellt somit die logische Fortsetzung der bereits mit Frankreich und Italien abgeschlossenen Vereinbarungen zu diesem Thema dar.

Der Bundesrat begrüsst daher die Bereitschaft der Bundesrepublik Deutschland, diese für unsere Sicherheit wichtige Zusammenarbeit nicht nur im Hinblick auf die kommende EURO 08 vereinbaren zu wollen, sondern sie zukunftsgerichtet auf eine dauerhafte Basis zu stellen. Das Abkommen beschränkt sich dabei auf die Kooperation bei der Abwehr nichtmilitärischer Gefahren und kann im Falle einer Krise oder eines Konflikts jederzeit und
mit sofortiger Wirkung einseitig sistiert werden. Es schafft somit keinerlei Präjudiz für eine militärische Kooperation im Rahmen eines bewaffneten Konflikts, die mit der Neutralität der Schweiz unvereinbar wäre.

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1.3

Notwendigkeit eines Vertragsabschlusses

Die zwischen den beiden Ländern beabsichtigte Zusammenarbeit bei der Sicherung des Luftraums bedingt eine beschränkte gemeinsame Ausübung der Souveränität; sie muss sich daher auf eine formelle Rechtsgrundlage stützen können. Der Abschluss eines bilateralen Staatsvertrags ist deshalb unumgänglich.

1.4

Verlauf der Verhandlungen

Nach informellen Vorbereitungsvorarbeiten im Dezember 2005 wurde im Juni 2006 eine deutsch-schweizerische Arbeitsgruppe mit der Organisation des Projektes beauftragt. Dieser gehören juristische, operationelle und technische Vertreter an.

Unter der Leitung der Luftwaffe und in enger Zusammenarbeit mit dem Stab des Chefs der Armee (internationale Beziehungen Verteidigung) hat die Schweizer Delegation ihre Arbeiten mit denjenigen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) und des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) koordiniert.

Der vorliegende Abkommenstext wurde ­ basierend auf den bereits zwischen der Schweiz und Franzkreich bzw. der Schweiz und Italien bestehenden Abkommen ­ anlässlich einer Sitzung vom 13./14. September 2006 in Uedem/D mit Vertretern der deutschen Luftwaffe vereinbart. Die Resultate dieser Arbeiten sind im hier erläuterten Gesamtabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz festgehalten.

2

Erläuterungen zum Abkommen

2.1

Überblick

Das vorliegende Abkommen regelt die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Deutschland im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen. Diese Zusammenarbeit bezweckt die Erleichterung des gegenseitigen systematischen Informationsaustausches über die allgemeine Luftlage sowie die Verbesserung der Interventionsmöglichkeiten beider Parteien im Falle einer konkreten nichtmilitärischen Bedrohung.

Es nimmt Rücksicht auf die Souveränität der beiden Staaten wie auch auf geltende bilaterale Abkommen.

Der Katalog möglicher Abschreckungsmassnahmen ist gegenüber den bestehenden Vereinbarungen mit Frankreich und Italien allerdings eingeschränkt. Aufgrund verfassungsrechtlicher Einschränkungen auf deutscher Seite ist es Luftfahrzeugen der deutschen Luftwaffe generell sowie Luftfahrzeugen anderer Staaten über deutschem Hoheitsgebiet nicht möglich, gegenüber einem nicht kooperierenden Zivilflugzeug Waffengewalt anzuwenden. Aus diesem Grunde musste auch darauf verzichtet werden, bei grenzüberschreitenden Luftpolizeieinsätzen die Möglichkeit vorzusehen, mit einem Luftfahrzeug aus dem Entsendestaat Warnschüsse abzugeben oder ein Luftfahrzeug zur Landung aufzufordern.

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2.2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

2.2.1

Begriffsbestimmungen (Art. 1)

Zunächst ist festzuhalten, dass die luftpolizeilichen Verfahren der beiden Staaten materiell identisch sind. Als «Bedrohung für die Sicherheit des Luftraums» gilt ein «ziviles Luftfahrzeug, von dem aufgrund entsprechender Informationen oder auffälligen Verhaltens ein begründeter Verdacht besteht, dass es eine Gefahr für die Sicherheit des Luftraums darstellt». Als «Massnahmen zur Sicherung des Luftraums» gelten die Luftraumüberwachung, die Identifizierung mithilfe technischer Mittel und die Klassifizierung, die Sichtidentifizierung sowie das Begleiten mit Einsatzflugzeugen.

Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport und das Bundesministerium der Verteidigung werden die notwendigen Detailabsprachen in einer technischen Vereinbarung vornehmen. Zuständig für den Abschluss ist der Bundesrat (Art. 7a Abs. 2 Bst. b RVOG).

2.2.2 Art. 2

Gegenstand, Austausch von Informationen (Art. 2 und 3) Gegenstand

Der Vertrag regelt die Zusammenarbeit der Parteien bei der Sicherung des Luftraums gegen die Bedrohung durch zivile Luftfahrzeuge. Im Vordergrund steht der Austausch von Informationen über die Luftlagesituation, welche es den Entscheidungsträgern erlauben, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Auf diese Weise können die Reaktionszeiten verkürzt und die Interventionsmöglichkeiten verbessert werden. Die Parteien bemühen sich, Annäherungen von Luftfahrzeugen im gegenseitigen Interessenraum zu überwachen und die in Artikel 1 definierten Massnahmen zur Sicherung des Luftraums zu ergreifen. Dies bedeutet, dass die Parteien den Verkehr in ihrem Luftraum überwachen, allfällige Bedrohungen ausmachen und bewerten, und darauf ­ nach Möglichkeit präventiv ­ reagieren. Das Nähere wird in einer technischen Vereinbarung detailliert geregelt (vgl. Ziff. 2.1.1.1).

Art. 3

Austausch von Informationen

Für den Austausch von Luftlageinformationen bedienen sich beide Parteien ihrer bestehenden Systeme. Soweit dabei klassifizierte Angaben ausgetauscht werden, gelten die Bestimmungen der zwischen der Schweiz am 1. März 1996 abgeschlossenen Vereinbarung über den gegenseitigen Schutz von Verschlusssachen/klassifizierten Informationen. Ferner sorgen die Parteien dafür, dass die zuständigen Organe und Flugverkehrskontrollstellen die notwendigen Daten ebenfalls zur Verfügung stellen.

2.2.3

Souveränität (Art. 4)

Die im Abkommen vorgesehene Zusammenarbeit erfolgt unter Achtung der Souveränität und der jeweiligen Zuständigkeiten der Schweiz und Deutschlands.

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2.2.4

Datenschutz (Art. 5)

Artikel 5 regelt datenschutzrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit der Übermittlung personenbezogener Daten an die andere Vertragspartei. Zunächst hat jede Partei die Pflicht, der anderen Partei Auskunft über die Verwendung der Daten und die gewonnenen Erkenntnisse zu erteilen. Die Daten dürfen nur im Rahmen des Abkommenszweckes oder zur Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit verwendet werden. Die übermittelnde Stelle hat auf die Richtigkeit der Daten zu achten, und ein Austausch darf nur erfolgen, soweit dieser zur Erreichung des Abkommenszweckes erforderlich und verhältnismässig ist; innerstaatliche Verbote sind zu respektieren. Der Übermittler hat den Empfänger über falsche oder unbefugt übermittelte Daten zu informieren, und dieser ist zur unverzüglichen Datenberichtigung oder -löschung verpflichtet.

Grundsätzlich ist Betroffenen auf deren Antrag hin und nach Massgabe ihres Landesrechts Auskunft über die übermittelten personenbezogenen Daten zu erteilen, es sei denn, eine Güterabwägung zwischen dem Individualinteresse des Betroffenen und dem öffentlichen Interesse stehe einer Auskunfterteilung entgegen. Wird jemand durch eine Datenübermittlung rechtswidrig geschädigt, haftet der Empfänger nach seinem innerstaatlichen Recht; letzterer kann sich nicht darauf berufen, der Schaden sei durch die übermittelnde Stelle verursacht worden. Die übermittelten Daten sind zu löschen, sobald sie nicht mehr benötigt werden, darüber hinaus gelten die nach nationalem Recht anwendbaren Löschungsfristen. Schliesslich muss jede Datenübermittlung von personenbezogenen Daten aktenkundig gemacht werden, und die Daten sind von beiden Parteien gegen unbefugten Zugang sowie unbefugte Veränderung oder Bekanntgabe zu schützen.

2.2.5

Luftsicherungsmassnahmen (Art. 6)

Wie bereits vorstehend unter Ziffer 2.1 erwähnt wurde, sind der Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des deutschen Grundgesetzes gewisse Schranken gesetzt, welche z.B. mit Frankreich oder Italien nicht bestehen. Es betrifft dies insbesondere die Aufforderung zur Landung sowie der Einsatz von Infrarotlockzielen (flares) im Luftraum der Gegenpartei.

Das Abkommen sieht daher folgende Massnahmen vor: ­

das Operieren in einem Bereitschaftsraum und der Überflug im Luftraum der anderen Partei;

­

die Nachbetankung auf einem Flughafen der anderen Partei;

­

die Luft-Luftbetankung (air-to-air refueling);

­

die taktische Kontrolle von Luftfahrzeugen einer Partei durch ein Organ der anderen Partei;

­

das Mitführen von Personal und Ausrüstungen der einen Partei an Bord eines Luftfahrzeuges der anderen Partei;

­

die unter Artikel 1 Absatz 3 genannten Massnahmen (Luftraumüberwachung, Identifizierung mittels technischer Mittel, Sichtidentifizierung, Begleitung mit Einsatzflugzeugen).

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2.2.6

Einsatz (Art. 7)

Der Einsatz eines Luftfahrzeuges der Entsendepartei im Luftraum der Aufnahmepartei setzt das Einverständnis beider Parteien voraus. Dazu ist eine Koordination zwischen den zuständigen Stellen erforderlich, und mit dem Grenzübertritt erfolgt auch ein Übergang der taktischen Kontrolle (transfer of authority) an den Aufnahmestaat.

Der Einsatz erfordert ein regelmässiges Training aller Beteiligten. Die Parteien sind daher gehalten, regelmässig grenzüberschreitende Übungen zur gemeinsamen Sicherung des Luftraums durchzuführen.

2.2.7 Art. 8

Sicherheit und Umweltschutz (Art. 8 und 9) Sicherung und Sicherheit von Personen und Sachen

Der Entsendestaat ist im Hoheitsgebiet des Aufenthaltsstaates für die Betriebssicherheit seiner eingesetzten Materialen, Waffen, Munition und Luftfahrzeuge verantwortlich. Der Aufenthaltsstaat sorgt für deren Bewachung. Beide Parteien arbeiten in Sicherheitsbelangen zusammen.

Art. 9

Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften

Die Parteien beachten in Bezug auf Material, Waffen, Munition, Fahrzeuge und Luftfahrzeuge die in Kraft stehenden Sicherheits- und Umweltschutzbestimmungen.

2.2.8

Untersuchung von Flugunfällen (Art. 10)

Im Zusammenhang mit der Untersuchung von Flugunfällen auf dem Territorium eines Vertragsstaates unter Beteiligung eines Luftfahrzeuges des anderen Staates hat Letzterer das Recht auf Einsitznahme in der Flugunfallkommission.

2.2.9

Medizinische Versorgung (Art. 11)

Der gegenseitige Zugang zu medizinischer Versorgung wird gewährt. Der Aufenthaltsstaat sichert die kostenlose medizinische Versorgung bis zum Erstellen der Transportfähigkeit zu; alle darüber hinausgehenden Kosten müssen vom Entsendestaat getragen werden.

2.2.10

Kosten (Art. 12)

Jede Partei trägt ihre bei der Umsetzung des vorliegenden Abkommens anfallenden Kosten.

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2.2.11

Rechtsstellung der Streitkräfte (Art. 13)

Beim Einsatz der Streitkräfte im Rahmen dieses Abkommens werden diejenigen Bestimmungen des Übereinkommens vom 19. Juni 1995 zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen (PfP-Truppenstatut, SR 0.510.1) sowie des Zusatzprotokolls vom 19. Juni 1995 zum Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen (Zusatzprotokoll zum PfP-Truppenstatut, SR 0.510.11) angewendet, die den Status der eingesetzten Militärpersonen umfassend regeln.

2.2.12

Schadensregulierung (Art. 14)

Allfällige Schäden, welche bei Aktivitäten im Rahmen dieses Abkommens entstehen, werden nach Massgabe des PfP-Truppenstatuts getragen.

2.2.13

Suspendierungsklausel (Art. 15)

Beide Parteien behalten sich vor, im Falle eines Krieges, eines Belagerungszustandes, einer Krise oder beim Vorliegen nationaler Interessen die Durchführung des Abkommens einseitig und gegebenenfalls mit sofortiger Wirkung auszusetzen. Es obliegt somit den politischen Behörden des Bundes, beim Vorliegen von Gründen gemäss Artikel 15 zu entscheiden, ob der Vertrag aus neutralitätsrechtlichen oder -politischen Gründen ausgesetzt werden muss.

2.2.14

Schlussbestimmungen (Art. 16)

Die Parteien informieren sich über den Abschluss der notwendigen Ratifikationsverfahren. Das Abkommen tritt am Tage des Eintreffens der zweiten Notifikation in Kraft. Es kann jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen geändert werden. Das Abkommen ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann jedoch jederzeit durch eine Partei unter Beachtung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden. Die bereits entstandenen Verpflichtungen bleiben dadurch unberührt. Meinungsverschiedenheiten unter den Parteien werden ausschliesslich auf dem Verhandlungsweg beigelegt.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Das Abkommen ist mit keinerlei finanziellen Verpflichtungen für den Bund verbunden. So müssen weder Deutschland noch die Schweiz für die Leistungen ihrer Luftpolizei entschädigt werden.

Die Übertragung der erforderlichen Daten zwischen der Schweiz und Deutschland und der notwendige Unterhalt der entsprechenden Systeme verursacht jährliche Kosten in der Grössenordnung von 110 000 Franken, welche mit Mitteln aus dem 884

ordentlichen Budget des VBS finanziert werden. Es besteht jedoch kein zusätzlicher Personalbedarf.

Die Trainingsmissionen der Luftpolizei sind im aktuellen Budget der Luftwaffe enthalten. Es genügt somit, die Verfahren anzupassen, was mit keinerlei Kostensteigerungen verbunden ist.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Das Geschäft ist im Bericht des Bundesrates über die Legislaturplanung 2003­2007 vom 25. Februar 2004 (BBl 2004 1148) nicht angekündigt. Der Grund liegt darin, dass die Auswertung der G8-Erfahrungen im Zeitpunkt der Verabschiedung der Legislaturplanung immer noch im Gange war und die Bereitschaft von Deutschland zu einer bilateralen Regelung noch nicht manifest war.

Das vorliegende Abkommen trägt zur Umsetzung der sicherheitspolitischen Strategie des Bundesrates bei, die er im Bericht «Sicherheit durch Kooperation» vom 7. Juni 1999 dargelegt hat.

5

Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 54 Absatz 1 BV fallen auswärtige Angelegenheiten in den Zuständigkeitsbereich des Bundes. Dieser ist für den Abschluss von Verträgen mit ausländischen Staaten zuständig. Auf Grund von Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung internationaler Verträge zuständig.

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen internationale Verträge dem fakultativen Referendum, sofern sie von unbestimmter Dauer und nicht kündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder solche, deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Das vorliegende Abkommen kann jederzeit gekündigt werden (siehe Art. 16 Abs. 3) und sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Es bleibt damit zu klären, ob das Abkommen wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder ob seine Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Unter rechtsetzenden Bestimmungen sind gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generellabstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Wichtige Bestimmungen sind im Übrigen solche, welche nach innerstaatlichem Recht gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV in einem Gesetz im formellen Sinne zu erlassen sind. Das vorliegende Abkommen regelt den juristischen Rahmen einer militärischen Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Deutschland im Bereich der Sicherung des Luftraums. Es bezweckt einen erleichterten systematischen Austausch von Informationen, insbesondere zur allgemeinen Luftlagesituation, und eine Verbesserung der Kapazitäten zur Intervention der Luftwaffen der Vertragsstaaten gegenüber einer nichtmilitärischen Bedrohung aus der Luft. Es enthält somit rechtsetzende Bestimmungen. Diese sind jedoch nicht wichtig genug, denn sollten sie auf nationaler Ebene erlassen werden, hätte dies nach Artikel 164 Absatz 1 BV nicht in Form eines Gesetzes im formellen Sinne zu erfolgen. Im Übrigen wird die militäri885

sche Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten im Bereich der Luftpolizei «unter Einhaltung der Souveränität sowie der jeweiligen Befugnisse jeder Partei» (vgl. Art. 4) erfolgen. Im Gegensatz zum entsprechenden Abkommen mit Frankreich enthält das vorliegende Abkommen auch Regeln über den Datenschutz (Art. 5).

Weil diese Bestimmungen nicht im Widerspruch zum nationalen Datenschutzrecht stehen und die Vertragsparteien nicht von der Pflicht entbinden, die Vorschriften ihres internen Rechts zu beachten, stellen sie keine wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 BV dar.

Wird mit Massnahmen der Luftpolizei auf eine nichtmilitärische Bedrohung aus der Luft reagiert, so wird dies schliesslich auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechtes des Vertragsstaates geschehen, in dessen nationalem Raum die Intervention stattfindet. Andererseits erfordert die Umsetzung des Abkommens keinerlei Gesetzesänderung in der Schweiz. Aus dem Vorhergehenden resultiert, dass der Bundesbeschluss über die Genehmigung dieses Abkommens nicht dem Staatsvertragsreferendum auf Grund von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegt.

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