02.418 Parlamentarische Initiative Fluglärm. Verfahrensgarantien (Hegetschweiler) Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 21. Mai 2007

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Enteignungsgesetzes sowie zu einer Änderung des Luftfahrtgesetzes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, den beiliegenden Gesetzesentwurf zuzustimmen.

21. Mai 2007

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Barbara Marty Kälin

2007-1435

6391

Übersicht Die Vorlage sieht eine gleichzeitige Teilrevision des Enteignungsgesetzes vom 20. Juni 1930 (EntG) und des Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 1948 (LFG) vor.

Ziel der Revision ist es, sicherzustellen, dass betroffene Eigentümerinnen und Eigentümer in einem einfachen, dem Standard des Enteignungsgesetzes entsprechenden Verfahren Minderwertsentschädigungen für Lärmimmissionen geltend machen können.

Eine Ergänzung des EntG sieht vor, beim Erlöschen von Forderungen durch Entzug der nachbarrechtlichen Abwehrrechte Rechtssicherheit herzustellen. Die Artikel 24a, 27, 30, 31, 41bis, 89, 89bis und 89ter EntG werden um Bestimmungen ergänzt, die die Enteignung von Nachbarrechten der sachlichen Enteignung verfahrensmässig gleichstellen. Durch die Einführung eines neuen Artikels 41bis wird die Verjährung ausdrücklich geregelt; demnach kann eine Verjährung der Entschädigungsforderungen für den Entzug der Abwehrrechte nur eintreten, wenn eine ordentliche enteignungsrechtliche Planauflage erfolgt ist, welche auch das betroffene Grundstück erfasst. Diese Verfahrensgarantien gelten für alle Eigentümer, Mieter und Pächter in der Nachbarschaft von Verkehrsanlagen und Anlagen der Landesverteidigung, welche von Bundesbehörden bewilligt werden.

Allfällige Entschädigungszahlungen an die Eigentümerschaft wegen übermässiger Lärmimmissionen sollen an die Mieter und Pächter weitergeleitet werden. Im neuen Artikel 24a EntG wird der Verwendungszweck solcher Entschädigungen festgelegt ­ Verminderung des Miet- bzw. Pachtzinses ­, und in Artikel 89ter EntG wird eine Vollzugsregelung eingeführt, um diesen Rechtsanspruch durchzusetzen.

Die Vorlage soll zudem die Rechtslage der Eigentümerinnen und Eigentümer, aber auch der Mieterinnen und Mieter klären, die durch eine Änderung des Betriebsreglements eines Flughafens von einer Zunahme der Lärmimmissionen betroffen sind und ihnen ermöglichen, in einem einfachen Verfahren Minderwertsentschädigungen geltend machen zu können. Das Verfahren zur Genehmigung wesentlicher Änderungen des Betriebsreglements wird neu in den Artikeln 36d bis 36i LFG geregelt und soll sich zudem für Flughäfen neu subsidiär nach dem Enteignungsgesetz richten.

Dies entspricht dem heute praktizierten Verfahren für die Plangenehmigung für neue oder geänderte Flugplatzanlagen.

Erstmals soll das
enteignungsrechtliche Verfahren bei einer durch eine Änderung des Betriebsreglements der Flughäfen verursachten erhöhten Lärmbelastung geregelt werden. Eine Flut neuer Einsprachen soll es jedoch nicht geben, da sich die Rechtspraxis für eine Entschädigungsberechtigung weiterhin an den Richtlinien und Grenzwerten des Umweltschutzgesetzes und an der inhaltlich strengen, bisherigen Praxis des Bundesgerichts orientieren wird, an welcher diese Revision nichts ändern wird. Die vorgeschlagenen Änderungen des Luftfahrtgesetzes und des Enteignungsgesetzes schaffen verfahrensrechtliche Klarheit und verhindern eine unterschiedliche Beurteilung ähnlich gelagerter Einzelfälle.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Abkürzungen

6395

1 Entstehungsgeschichte 1.1 Ausgangslage 1.2 Arbeiten der Kommission und der Subkommission 1.3 Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf

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2 Enteignungsrecht 2.1 Immissionsenteignungen im Enteignungsrecht 2.1.1 Gesetzliche Grundlagen für Immissionsenteignungen 2.1.2 Behandlung von formellen Enteignungen bei der Errichtung von öffentlichen und konzessionierten Anlagen 2.1.2.1 Im Allgemeinen 2.1.2.2 Verfahren bei Immissionsenteignungen 2.1.2.3 Praxis der Immissionsenteignungen 2.2 Erlöschen von Forderungen wegen Entzugs der Abwehrrechte 2.2.1 Problemstellung 2.2.2 Verwirkung von Ansprüchen zufolge verpasster Anmeldung nach Planauflage als Regel 2.2.3 Verjährung von Ansprüchen als Ausnahme 2.3 Weitergabe einer enteignungsrechtlichen Entschädigung an Mieter und Pächter 2.3.1 Problemstellung 2.3.2 Inhalt der neuen Regelung 2.3.3 Lärmbelastete Mieter: Enteignungsrechtliche statt mietrechtliche Lösung

6401 6401 6401 6402 6402 6402 6404 6404 6404 6406 6407 6407 6407 6408 6409

3 Luftfahrtrecht

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4 Weitere Themen 4.1 Antwort des Bundesrates auf die Anfrage 01.1062 4.2 Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete 4.2.1 Lärm von Militärflugplätzen und militärischen Übungsplätzen 4.2.2 Bestehende Anlagen für den Bodenverkehr 4.2.3 Auswirkungen von Lärmveränderungen bei bestehenden Verkehrsanlagen 4.2.3.1 Mehrverkehr auf Zubringerstrassen 4.2.3.2 Verkehrsanlage wird unerwartet zum Sanierungsfall 4.2.3.3 Schleichende Lärmzunahmen auf bestehenden Verkehrsanlagen 4.2.3.4 Folgerungen 4.2.4 Entschädigungen für lärmbelastete Mieter

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5 Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 5.1 Bundesgesetz über die Enteignung 5.1.1 Revision bezüglich Entschädigung und Herabsetzung der Miete 5.1.2 Revision bezüglich Planauflage und persönlicher Anzeige 5.1.3 Revision bezüglich Verwirkung und Verjährung 5.2 Bundesgesetz über die Luftfahrt

6416 6416 6416 6417 6418 6419

6 Auswirkungen 6.1 Vergleich zwischen geltendem Recht und Vorentwurf 6.1.1 Geltendes Recht: Keine Verbindung zwischen LFG und EntG 6.1.2 Bundesgerichtliche Rechtsprechung 6.1.3 Vorgeschlagene Regelung: Verbindung zwischen LFG und EntG 6.1.3.1 Verpflichtung zum Erstellen von Enteignungsplänen und Grunderwerbstabellen 6.1.3.2 Regelung der Verjährung 6.2 Finanzielle und personelle Auswirkungen 6.2.1 Flughäfen und die Eidgenossenschaft 6.2.1.1 Auswirkungen in Bezug auf die neue Planauflage 6.2.1.2 Auswirkungen in Bezug auf das Verfahren und die Verfahrenskosten 6.2.1.3 Auswirkungen der neuen Verjährungsregelung 6.2.1.4 Auswirkungen auf andere Bauwerke im Dienst der Öffentlichkeit 6.3 Vollzugstauglichkeit

6421 6421 6421 6421 6422

7 Verfassungsmässigkeit

6424

Bundesgesetz über Verfahrensgarantien für die Entschädigung wegen Lärmbelastung (Entwurf)

6425

6394

6422 6422 6422 6422 6422 6423 6423 6423 6424

Abkürzungen AIG

Aéroport International de Genève

BAV

Bundesamt für Verkehr

BAZL

Bundesamt für Zivilluftfahrt

BGE

Bundesgerichtsentscheid

BGG

Bundesgerichtsgesetz

BJ

Bundesamt für Justiz

BV

Bundesverfassung

dB(A)

in Dezibel mit A-Bewertung ausgedrückter Schallpegel

EBG

Eisenbahngesetz

EMPA

Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt

EntG

Enteignungsgesetz

ES

Empfindlichkeitsstufe

FINöV

Bau und Finanzierung der Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs

IGW

Immissionsgrenzwert

Leq

Energieäquivalenter Dauerschallpegel

LFG

Luftfahrtgesetz

LSV

Lärmschutzverordnung

NSG

Nationalstrassengesetz

OR

Obligationenrecht

USG

Umweltschutzgesetz

UVEK

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

UVP

Umweltverträglichkeitsprüfung

UVPV

Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung

VBS

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

VIL

Verordnung über die Infrastruktur der Luftfahrt

ZGB

Zivilgesetzbuch

6395

Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Ausgangslage

Am 22. März 2002 reichte Nationalrat Hegetschweiler eine Parlamentarische Initiative ein, die verlangte, dass Forderungen aus Immissionsenteignungen nicht verjähren, bevor eine enteignungsrechtliche Planauflage stattgefunden hat, und dass ein einfaches Verfahren eingeführt werde für die Entschädigung von Grundeigentümerinnen und Grundeigentuümer, welche wegen Betriebsreglementsänderungen neu übermässig belärmt werden.

In der Vorprüfung erklärte der Initiant, dass der Bundesrat in der Antwort auf seine Einfache Anfrage vom 21. Juni 2001 «Grundrecht auf Eigentum und Enteignung wegen Fluglärm» (01.1062) der Frage weitgehend ausgewichen sei, ob den Betroffenen im Zusammenhang mit Ansprüchen aus formeller Enteignung (nachbarrechtliche Unterlassungsansprüche) oder materieller Enteignung (Eigentumsbeschränkungen aufgrund von Lärmzonenplänen und dergleichen) vergleichbare Verfahrensgarantien zustehen wie in den Bereichen Bahn und Nationalstrassen. In diesen Bereichen sei das Verfahren klarer geregelt. Der Bundesrat stellte ausdrücklich fest, «dass für eine Änderung des Luftfahrtgesetzes (LFG)1 in diesem Bereich kein Anlass besteht».

Der Initiant kritisierte im Weiteren einen Entscheid des Bundesgerichts (BGE 124 II 543 vom 23. September 1998). Im Zusammenhang mit dem Flughafen Genf hat das Bundesgericht Einsprachen mit der Begründung abgewiesen, die Einsprachen hätten viel früher vorgenommen werden müssen. Es argumentierte, die betroffenen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer hätten voraussehen müssen, dass die Lärmbelastung durch den Flugverkehr im Laufe der Zeit massiv zunehmen wird, und es mutete ihnen zu, dass sie ihre Forderungen aufgrund der 1987 erfolgten Auflage der Lärmzonenpläne spätestens im Jahre 1992 hätten anmelden müssen. Diese Argumentation sei stossend und rechtsstaatlich bedenklich, weil Ansprüche aus Nachbarrecht so lange nicht verjähren, wie die Schädigung andauert. Gerade bei einer allmählichen Zunahme von Immissionen wie im Fall des Luftverkehrs sei die fünfjährige Verjährungsfrist gemäss Bundesgericht zu kurz. Die Angst, wegen der verfahrensmässigen Unsicherheit eine Frist zu verpassen, habe dazu geführt, dass beim Flughafen Zürich Tausende von Einsprachen eingereicht wurden, obwohl erst Varianten von Betriebsänderungen diskutiert werden und die Einsprachen deshalb noch gar
nicht behandelt werden können.

Die Verwaltung erwähnte, dass die heutige Regelung erst kürzlich geändert worden sei (Bundesgesetzes vom 18. Juni 19992 über die Koordination und Vereinfachung von Entscheidverfahren). Die laufenden Verfahren seien für die heute geltende Regelung nicht mehr repräsentativ. Nach der neuen Regelung würden bei den Plangenehmigungsverfahren die Verfahrensvorschriften des Enteignungsgesetzes (EntG)3 und diejenigen über das Plangenehmigungsverfahren zusammengefasst. Es 1 2 3

SR 748.0 AS 1999 3071; BBl 1998 2591 SR 711

6396

müsse nur noch eine Planauflage durchgeführt werden. Die Initiative möchte auch im Rahmen von Betriebsreglementsänderungen eine Zusammenlegung mit dem Enteignungsgesetz erreichen, was nach Ansicht der Verwaltung nicht einfach sei, weil bei Betriebsreglementsänderungen keine Pläne vorlägen oder Verfahren wie bei Plangenehmigungen durchgeführt würden. In Ausnahmefällen gebe es Betriebsreglementsänderungen gemäss den neuen Regeln ­ Änderungen, die Auswirkungen auf die Umwelt hätten und entsprechend öffentlich aufgelegt werden müssten. Die Notwendigkeit dieser Regelung, die im Rahmen der Verfahrenskoordination getroffen worden sei, sei jedoch infrage gestellt worden, denn das neue System sehe vor, dass die Frage der Betroffenheit durch den Lärm gar nicht mehr zur Diskussion stehen sollte, wenn es zur Genehmigung des Betriebsreglements komme. Zusammen mit dem Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt, der Betriebskonzession und den baulichen Massnahmen sollte der Rahmen für die Belastung der Bevölkerung bereits gesteckt sein. Es sei zu bedenken, dass das EntG bezüglich Auflagen, Unterlagen, Vorgehen und Zuständigkeiten formelle Anforderungen stelle, die sich nicht ohne weiteres mit dem Vorgehen bei den Betriebsreglementsänderungen kombinieren liessen. So gesehen könnte eine kombinierte Neuregelung in diesem Bereich kompliziert werden, was dem Ziel der Initiative, ein einfaches Verfahren zu schaffen, zuwiderlaufen würde. Weiter sei zu bedenken, dass eine Enteignung eigentlich die Ultima Ratio sein sollte. Der Regelfall sollte eine gütliche Einigung sein. Bisher sei es im Bereich der Flughäfen nur zu wenigen Enteignungsfällen gekommen. Als Folge der Praxis im Kanton Genf werde es wahrscheinlich noch weniger solche Fälle geben. Wenn die Entschädigungsfragen im Zusammenhang mit Fluglärmbelastung unabhängig von einem Enteignungsverfahren gelöst werden könnten, so mache es wenig Sinn, eigens ein Enteignungsverfahren einzuleiten.

Die Kommission war der Ansicht, dass eine gesetzliche Regelung für die lange Übergangsphase die Betroffenen nicht daran hindere, Vereinbarungen zu treffen und sich gütlich zu einigen. In Zürich liege offenbar eine besondere Situation vor, indem der Sachplan Infrastruktur Luftfahrt noch nicht definiert und somit kein klarer Rahmen für die Weiterentwicklung gesetzt sei. Die Pläne würden
erst fertig gestellt, wenn das Betriebsreglement erstellt sei. Es fehle eine Leitlinie für Lärmbegrenzungen, wie sie für solche Bewilligungen nötig sei. Eine Leitlinie schaffe für die Betroffenen Verfahrenssicherheit im Falle von Betriebsreglementsänderungen.

Die Kommission hielt überdies fest, dass es zwar richtig sei, den Verursacher für eine Wertminderung aufkommen zu lassen, doch müsse einem Gebot der Fairness und der Philosophie des Mietrechts zufolge die Wertminderung in Form von Mietzinssenkungen anteilig an eine allfällige Mieterschaft weitergegeben werden. Der erwähnte Bundesgerichtsentscheid sei in diesem Punkt insofern nicht richtig, als er die Überwälzung auf den Verursacher nicht regle.

Die Kommission beantragte ihrem Rat mit 23 Stimmen einhellig, der Initiative Folge zu geben.

Am 4. Oktober 2002 gab der Nationalrat der Initiative ohne ein weiteres Votum Folge4 und die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-N) wurde mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragt.

4

AB 2002 N 1683

6397

1.2

Arbeiten der Kommission und der Subkommission

Am 27. Januar 2003 setzte die UREK-N eine Subkommission ein. Diese wurde zuerst von Nationalrat Fischer, später von Nationalrat Keller präsidiert und setzte sich aus fünf Mitgliedern zusammen. Nacheinander gehörten ihr die Nationalrätinnen Garbani, Bader Elvira, Stump und Marty Kälin sowie die Nationalräte Imfeld, Hegetschweiler und Cathomas an. Die Subkommission hörte am 30. April 2003 folgende Fachleute an: Dr. iur. Peter Baumberger, Rechtsanwalt; Dr. iur Peter Ettler, Rechtsanwalt; Dr. iur. Andreas Brunner, Rechtsanwalt (Mietervertreter); Hans Bättig, Fürsprecher (Hauseigentümervertreter); Dr. iur. Martine Bonassi vom Bundesamt für Zivilluftfahrt und Dr. Robert Hofmann, Physiker (ehemals Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt). Die Expertin und die Experten hatten den Auftrag, ein Bild über die Lücken im geltenden Recht zu vermitteln. Die Subkommission entschied, in zwei Schritten vorzugehen: 1.

Fachleuten einen Auftrag zur raschen Erledigung des ersten Schritts (Modul 1 der Auslegeordnung) «Änderung des Enteignungsgesetzes und des Luftfahrtgesetzes, Ausarbeitung eines Berichts» zu erteilen und aus Kostengründen

2.

für das Modul 2 (Durchleuchtung der Bundesgerichtskriterien, Abstimmung zwischen formeller und materieller Enteignung, Ausarbeitung eines Berichts) das Bundesamt für Justiz (BJ) und das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) einzuladen, diese Abklärungen selber auszuführen oder durch Dritte ausführen zu lassen.

Die Subkommission erteilte darauf den Experten Ettler und Baumberger den Auftrag, Modul 1 auszuführen. Im September und November 2003 diskutierte die Subkommission den «Gutachterlichen Bericht zum Regelungsbedarf in Verfahren zur Enteignung der nachbarrechtlichen Abwehrrechte, insbesondere gegen Fluglärm» und stimmte Revisionsvorschlägen im EntG und im LFG zu. In den Arbeiten ging es in erster Linie um die Frage, wie angesichts dessen, dass das Plangenehmigungsund das Betriebsreglementsverfahren des LFG und des EntG teilweise andere Regelungsgegenstände haben und anders ablaufen, die Koordination dieser beiden Gesetze erfolgen soll. Deshalb sind auch Differenzierungen bei der Regelung des an beide anschliessenden Enteignungsverfahrens zu treffen.

Darüber hinaus beauftragte die Subkommission die Experten Bättig und Brunner, in einem ersten Schritt abschliessend und umfassend die mietrechtlichen Fragen zu klären, wie ein Anspruch der Mieterschaft auf Entschädigungsbegehren des Vermieters durchgesetzt werden kann und wie an die Vermieter ausbezahlte Entschädigungen an die Mieterschaft weitergegeben werden. In einem zweiten Schritt ging es darum «eine Skizze der Verfahrenskoordination zwischen mietrechtlichen und enteignungsrechtlichen Verfahren zu erarbeiten». Es galt, folgenden Sachverhalt zu regeln: Der Vermieter kann eine enteignungsrechtliche Entschädigung erstreiten, sie aber nicht an die Mieter weitergeben. Der Mieter kann ein Herabsetzungsbegehren wegen Fluglärm stellen und gewinnen, auch ohne dass der Vermieter eine Entschädigung wegen Fluglärm erhält. Das ist möglich, weil der eine Entschädigung auslösende «Schwellenwert» im Mietrecht tiefer als im Enteignungsrecht liegt.

6398

Demzufolge wurde die Ausarbeitung einer neuen Regelung bei den Mängelrechten (Art. 259d und 259f Obligationenrecht, OR5) in Erwägung gezogen. Die Subkommission sah allerdings von dieser Möglichkeit ab und prüfte zum einen, wie mit einer Änderung des EntG erreicht werden kann, dass eine Entschädigung an den Hauseigentümer wegen Lärmimmission tatsächlich an die betroffene Mieterschaft weitergegeben wird, und zum anderen, wie verhindert werden kann, dass der Mieterschaft auf dem enteignungsrechtlichen Weg eine weitere Herabsetzung des Mietzinses gewährt wird, wenn der Lärmimmission entweder bei der ursprünglichen Festlegung des Mietzinses oder durch ein früheres Herabsetzungsverfahren bereits Rechung getragen wurde.

Am 29. Mai 2006 gab die Kommission einen Vorentwurf in die Vernehmlassung.

Sie nahm am 21. Mai 2007 die beiliegende Vorlage mit 18 Stimmen einhellig an.

Die Kommission wurde bei ihrer Arbeit zum Teil vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) unterstützt.

1.3

Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf

Der Vorentwurf einer Änderung des EntG und des LFG, mit welchem das Verfahren einer Enteignung des Nachbarrechts wegen übermässigem Fluglärm dem Verfahren der formellen Enteignung von Grundstücken gleichgestellt werden soll, ist von den Vernehmlassungsteilnehmern eingehend kommentiert worden6. Von den Organisationen, die zur Vernehmlassung des Vorentwurfs eingeladen wurden, sind insgesamt 44 Stellungnahmen eingegangen. Zu diesen Antworten kommen noch 24 zusätzliche Stellungnahmen, die spontan von weiteren Organisationen eingereicht wurden.

Die Mehrheit aller Vernehmlasser beurteilt die Vorlage insgesamt positiv (47 von 68 Teilnehmern, wobei es sich bei der Stellungnahme von 15 Gemeinden aus dem Kanton Zürich um identische Abschriften der Stellungnahme des Schutzverbandes der Bevölkerung um den Flughafen Zürich handelt). Der Vorentwurf wird von 28 Vernehmlassungsteilnehmern (darunter 12 eingeladene Vernehmlasser) vorbehaltlos unterstützt.

Gewisse Vernehmlasser stimmen den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen unter dem Vorbehalt zu, dass die in der Schweiz wohnenden Anrainerinnen und Anrainer des Flughafens Basel-Mülhausen die gleichen Verfahrensrechte haben wie die Anwohnerinnen und Anwohner der in der Schweiz gelegenen Flughäfen.

Der Vorentwurf wird von 22 Vernehmlassungsteilnehmern vollumfänglich abgelehnt, wobei 13 Teilnehmer das geltende Recht nicht ändern wollen. Insbesondere wird der vorgeschlagene Enteignungsplan für den Entzug der Nachbarrechte bei übermässigem Fluglärm als aufwändiges und nicht praktikables Instrument bezeichnet, da die «Entschädigungsberechtigten» im Zeitpunkt der Auflage eines neuen Betriebsreglements nicht bekannt seien. Die Unverjährbarkeit der Entschädigungsforderungen und die Verlängerung der heute geltenden 5-jährigen Verjährungsfrist 5 6

SR 220 Der Bericht des BAZL über die Vernehmlassungsergebnisse ist auf der Website der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie unter der Rubrik «Berichte» abrufbar (www.parlament.ch; http://www.parlement.ch/homepage/ed-berichte-parl-org/ ed-pa-berichte-parlament-vernehmlassungen/ed-urek-02418.htm).

6399

auf 10 Jahre werden abgelehnt. Ebenso wird die im Vorentwurf EntG vorgesehene Rückwirkung als Verstoss gegen das Gebot der Rechtssicherheit dezidiert abgelehnt.

Zudem wird die Ansicht geäussert, die finanziellen Konsequenzen dieser Änderungen der heutigen Rechtspraxis seien weder in Bezug auf den Fluglärm noch in Bezug auf die Emissionen anderer öffentlicher Werke abgeklärt worden. Unique widerspricht den Aussagen im Bericht der Kommission, wonach die finanziellen Auswirkungen der vorgeschlagenen Gesetzesänderung vernachlässigbar seien und rechnet mit allfälligen Mehrausgaben von geschätzten rund 200­400 Millionen Franken für Entschädigungszahlungen. Der Kanton Tessin rechnet damit, dass der Flugplatz Lugano mit einer erheblichen Anzahl von Entschädigungsforderungen in geschätzter Höhe von mehreren Millionen Franken konfrontiert würde. Ein Kanton schlägt vor, der Bund könnte je nach Lärmbelastung flächendeckende Ausgleichszahlungen an die ansässige Bevölkerung der konzessionierten Flughäfen veranlassen, welche basierend auf den tatsächlich ermittelten ­ und nicht auf den einmal gemessenen ­ Immissionen periodisch ausgerichtet würden.

Die Regelung betreffend die Weitergabe einer enteignungsrechtlichen Entschädigung an Mieter und Pächter wird grundsätzlich unterstützt. Zwei Vernehmlassungsteilnehmer lehnen die Verankerung einer solchen Bestimmung im EntG ausdrücklich ab.

Die fehlende gesetzliche Regelung bezüglich der materiellen Entschädigungsvoraussetzungen und der Minderwertentschädigung wurde von einem Teil der Vernehmlasser kritisiert. Einegrössere Revision des EntG im Anschluss an die vorliegende Revision, welche vordringlich sei, sei erwünscht. Vier Teilnehmer befürworten ebenfalls eine gesetzliche Festlegung der materiellen Entschädigungsvoraussetzungen und/oder der Kriterien zur Bewertung von Liegenschaftenminderwerten infolge übermässigen Fluglärms, beantragen hingegen auf die vorliegende Revision zu verzichten bis die materiell-rechtlichen Fragen gesetzlich geregelt seien.

Die UREK-N hat ihre Subkommission beauftragt, die Ergebnisse der Vernehmlassung unter Beizug der Experten zu diskutieren und die notwendig erachteten Änderungen an der Vorlage vorzunehmen. Nach Anhörung der für die Verkehrsinfrastrukturen zuständigen Ämter Bundesamt für Strassen (ASTRA), Bundesamt für Verkehr (BAV)
und BAZL, des BJ sowie der externen Experten hat die Kommission entschieden, die in der Vernehmlassung stark kritisierte Übergangsbestimmung des EntG über die Revision bezüglich Korrektur von unter bisherigem Recht ergangenen Verjährungsentscheiden aus der Vorlage zu streichen, da diese Regelung starken verfassungsrechtlichen Bedenken begegnete und nur für wenige Fälle in der Umgebung des Flughafens Genf anwendbar gewesen wäre. Im übrigen hat die Kommission die Vorlage unverändert belassen.

6400

2

Enteignungsrecht

2.1

Immissionsenteignungen im Enteignungsrecht

2.1.1

Gesetzliche Grundlagen für Immissionsenteignungen7

Die formelle Enteignung durch den Entzug der Abwehrrechte gegen übermässige unvermeidbare Immissionen ist nur in Artikel 5 EntG geregelt. Gegenstand des Enteignungsrechtes können nach Absatz 1 dieser Bestimmung die aus dem Grundeigentum hervorgehenden Nachbarrechte, ferner die persönlichen Rechte von Mietern und Pächtern des von der Enteignung betroffenen Grundstückes sein. Die Norm sagt somit nicht selbst, welche Schwere des Eingriffs die Enteignung der Nachbarrechte rechtfertigt und welche allfälligen weiteren Voraussetzungen für eine Entschädigung auf Seiten des Enteigneten gegeben sein müssen. Mit den Wendungen «Nachbarrechte», welche aus dem Grundeigentum hervorgehen sowie «persönliche Rechte von Mietern und Pächtern» verweist das EntG auf das Zivilrecht. Dieses ist daher zur Inhaltsbestimmung heranzuziehen. Artikel 684 Absatz 1 Zivilgesetzbuch (ZGB)8 verbietet jede «übermässige Einwirkung auf das Eigentum des Nachbarn». Das Vorliegen einer solchen ist «insoweit nicht nach einem generellen Massstab zu beurteilen ..., als Artikel 684 Absatz 2 ZGB nicht einfach auf die Schädlichkeit einer Einwirkung abstellt, sondern verlangt, auch Lage und Beschaffenheit der Grundstücke sowie den Ortsgebrauch zu beachten.»9 Dabei stellt das Bundesgericht in letzter Zeit auch für den privatrechtlichen Immissionsschutz grundsätzlich auf die im öffentlichen Recht, d.h. im Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 1983 (USG)10 und in der Lärmschutz-Verordnung (LSV)11 geregelten Belastungsgrenzwerte ab, um zu der in Artikel 684 Absatz 2 ZGB verlangten und zugleich rechtsgleichen Differenzierung zu kommen.12 Gegenstand des Enteignungsrechts sind gemäss dieser Praxis folglich die im Sinne des USG und seiner Ausführungserlasse übermässigen Eingriffe - d.h. diejenigen welche die nach Artikel 13-15 USG festgelegten Immissionsgrenzwerte überschreiten.13 Aus Artikel 5 Absatz 2 EntG folgt sodann, dass nicht bloss der dauernde, sondern auch der vorübergehende Entzug der dinglichen oder nachbarlichen Rechte Gegenstand des Enteignungsrechts bildet.14 7

8 9

10 11 12 13

14

Unter Immissionsenteignungen verstehen wir nachfolgend die formelle Enteignung durch den Entzug der Abwehrrechte gegen übermässige unvermeidbare Immissionen (vgl. Urs Eymann, Grundzüge des Enteignungsrechts in der Schweiz, URP 2003 555-575, 567).

SR 210 Vgl. dazu grundsätzlich: Niccolò Raselli, Berührungspunkte des privaten und öffentlichen Immissionsschutzes, URP 1997 271-291, 278; sowie BGE 5P.416/1995, auszugsweise veröffentlicht im URP 1997 150 ff.; Heinz Rey, Die Bedeutung öffentlichrechtlicher Bestimmungen im privatrechtlichen Immissionsschutz, in recht 6/2000, S. 280 ff.

SR 814.01 SR 814.41 Niccolò Raselli, a.a.O., 287 f.; BGE 5P.416/1995. Auszugsweise veröffentlicht in URP 1997 150 ff.

Jedenfalls, so lange diese ein vernünftiges Abgrenzungskriterium für das Übermass bilden, vgl. dazu kritisch und mit Hinweisen auf die Praxis des Bundesgerichts Peter Ettler, Folgen der Sanierungslosigkeit aus der Sicht der Betroffenen, URP 2003 576-600, 587; vgl. auch Daniel Gebhardt, Abwehrrechte und Entschädigungen bei Baustellen, URP 2002 388-416, 410.

Daniel Gebhardt, a.a.O. 410-412 für die vorübergehende Beanspruchung von Nachbarrechten durch Baustellen.

6401

2.1.2

Behandlung von formellen Enteignungen bei der Errichtung von öffentlichen und konzessionierten Anlagen

2.1.2.1

Im Allgemeinen

Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 18. Juni 199915 über die Koordination und Vereinfachung von Entscheidverfahren gilt für die Errichtung öffentlicher Werke und Anlagen ein vereinheitlichtes Verfahren, welches sich primär nach dem Plangenehmigungsverfahren des jeweiligen sektoriellen Bundesbaugesetzes (z.B. Eisenbahngesetz [EBG]16, Bundesgesetz über die Nationalstrassen [NSG]17, LFG) richtet.18 Der enteignungsrechtliche Teil der Planauflage stützt sich auf die Artikel 24a, 27, 30, 31, 41bis, 89, 89bis und 89ter EntG ab. Danach sind die enteignungsrechtlichen Einwände sowie Begehren um Entschädigung oder Sachleistung gleichzeitig mit (allfälligen) Einsprachen gegen das Projekt geltend zu machen. Wer innert Einsprachefrist seine enteignungsrechtlichen Forderungen nicht anmeldet, ist vom Enteignungsverfahren ausgeschlossen.19

2.1.2.2

Verfahren bei Immissionsenteignungen

Besteht für die Errichtung von solchen Anlagen die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)20, enthält die Planauflage auch Aussagen und Karten zur prognostizierten21 Lärmbelastung. Damit wird ersichtlich, wo die für die Enteignung in der Regel massgeblichen Immissionsgrenzwerte nach den Berechnungen des Anlageninhabers überschritten sein werden. Bei solchen Projekten können somit die zu enteignenden Grundstücke und Rechte vom Anlageninhaber problemlos parzellenscharf ermittelt werden, wenn er die Planauflage vorbereitet.

Genehmigt die Bewilligungsbehörde die Planauflage, so hat sie gemäss Artikel 37a der LSV22 in ihrem Entscheid über die Erstellung, Änderung oder Sanierung einer Anlage die zulässigen Lärmimmissionen festzuhalten. Folgt sie dem Gesuch des Anlageninhabers vollumfänglich, so entsprechen die bewilligten Lärmimmissionen denjenigen, welche in der Planauflage ausgewiesen worden sind. Weicht die Genehmigung dagegen vom Gesuch des Anlageninhabers ab, so können die bewilligten von den vom Anlageninhaber beantragten Lärmimmissionen gegebenenfalls abweichen. Abweichungen können sich auch aus Rechtsmittelverfahren ergeben: Schützen die Rechtsmittelinstanzen Beschwerden gegen die von der Bewilligungsbehörde erteilte Plangenehmigung oder gegen ein von ihr genehmigtes Betriebsreglement, so kann dies Minder- oder Mehrbelastungen mit Lärm in der Umgebung der

15 16 17 18 19 20 21 22

AS 1999 3071; BBl 1998 2591 SR 742.101 SR 725.11 Urs Eymann, a.a.O. 565 f.

Vgl. als Beispiele Artikel 27 ff. NSG, Artikel 18 ff. EBG und Artikel 37 ff. LFG.

Was sich aufgrund des Anhangs zur Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV; SR 814.011) entscheidet.

Artikel 36 ff. Lärmschutz-Verordnung (LSV; SR 814.41).

In der Fassung gem. Ziff. I der V vom 1. Sept. 2004, in Kraft seit 1. Okt. 2004, AS 2004 4167

6402

Anlage zur Folge haben. In diesen Fällen entspricht die rechtskräftig bewilligte nicht mehr der in der Planauflage dargestellten Lärmbelastung.

In solchen Fällen gebieten es die Rechtssicherheit und Artikel 29 EntG23, die von übermässigen Immissionen neu betroffenen und die von solchen nicht mehr betroffenen Grundstücke zu ermitteln und die enteignungsrechtliche Planauflage abzuändern. Genau gleich wird übrigens mit anderen zu enteignenden Grundstücken und Rechten verfahren: Wenn durch Änderungen im Plangenehmigungs- und den anschliessenden Rechtsmittelverfahren gewisse Grundstücke und Rechte nicht mehr beansprucht werden, sind sie aus dem enteignungsrechtlichen Verfahren zu entlassen. Werden dagegen durch solche Änderungen neue Grundstücke und Rechte beansprucht, so muss den neu betroffenen Eigentümern das enteignungsrechtliche Planauflageverfahren neu eröffnet werden. Insoweit ergibt sich kein Unterschied zu den Verfahren mit übermässigen Immissionsbelastungen.

Folglich muss gewährleistet sein, dass Eigentümerinnen und Eigentümern auch dann der enteignungsrechtliche Rechtsweg durch persönliche Anzeige automatisch geöffnet wird, wenn sie bloss von künftigen Immissionen aus der Anlage betroffen sind. Artikel 31 Absatz 1 EntG verlangt dies zwingend: «Der Enteigner hat jedem aus dem Grundbuch oder den öffentlichen Büchern ersichtlichen oder ihm sonst bekannten Entschädigungsberechtigten gleichzeitig mit der Bekanntmachung des Gemeinderates ein Doppel zuzustellen und anzugeben, was er von jedem einzelnen verlangt.»24 Ein 1985 publizierter Bundesgerichtsentscheid hatte bei Immissionsenteignungen die Pflicht des Anlageninhabers, den Enteigneten eine persönliche Anzeige zuzustellen noch verneint mit dem Hinweis, dass dafür oftmals komplizierte Berechnungen notwendig seien. Daher sei es zulässig, darüber in einem vom betroffenen Eigentümer selber anzustrengenden Verfahren zu entscheiden. Wie gezeigt trifft diese Begründung wegen Artikel 31 Absatz 1 EntG und wegen der inzwischen im Planauflageverfahren routinemässig ermittelten und von der Bewilligungsbehörde nach Artikel 37a LSV auch im Entscheid festzuhaltenden Lärmbelastung nicht mehr zu.25 Bei der Errichtung von öffentlichen und konzessionierten Anlagen wurde seit Inkrafttreten des BG über die Verfahrenskoordination das Planauflageverfahren26 zum
zentralen Scharnier zwischen den projektbezogenen und den für den Rechtserwerb notwendigen Plänen. Wegen der im Lärmbelastungskataster bzw. im Entscheid der Bewilligungsbehörde darzustellenden Lärmbelastung muss dies heute gleichermassen auch beim Erwerb der nachbarrechtlichen Abwehrrechte gelten.

Damit wird der Zugang zum Verfahren und der Zugang zum Recht für alle von einer Immissionsenteignung Betroffenen entscheidend verbessert. Statt ihre Forderungen nachträglich individuell geltend machen zu müssen, wenn sie den Eindruck haben, der Lärm oder andere Immissionen aus der errichteten Anlage seien übermässig, wird ihnen ein quasi automatischer Rechtszugang im Planauflageverfahren eröffnet.

Anstelle des individuellen Rechtsbegehrens tritt die nach Zustellung der persönlichen Anzeige einzureichende Anmeldung von Rechtsansprüchen. Dieser vereinfachte und vereinheitlichte Zugang zum Recht hat allerdings auch einen Preis: Wer 23 24 25 26

BGE 111 Ib 15 Vgl. dazu Peter Ettler, a.a.O. 593 f.; Urs Eymann 565 f.

ZBl Nr. 86, S. 157 f.; kritisch dazu Peter Ettler, a.a.O. S. 595 und Urs Eymann, a.a.O.

S. 569.

AS 1999 3071

6403

die auf 30 Tage bemessene Frist für die Anmeldung der Ansprüche verpasst, hat sein Recht für eine nachträgliche Geltendmachung in der Regel verwirkt. Das aber erhöht die Rechtssicherheit. Enteignete und Enteigner gewinnen auf diese Weise sehr schnell Klarheit über ihre Rechtsansprüche und Rechtspflichten. Zugleich verwirklicht dieses Vorgehen im Sinne von Artikel 35 Bundesverfassung (BV)27 die Eigentumsgarantie, indem es ausgewogene Voraussetzungen für die Geltendmachung der Wertgarantie von Artikel 26 Absatz 2 BV schafft.

2.1.2.3

Praxis der Immissionsenteignungen

In der Praxis ist heute noch nicht durchwegs sichergestellt, dass alle Nachbarn im Perimeter einer neuen Anlage, in welchem die Immissionsgrenzwerte überschritten sind, die persönliche Anzeige erhalten und damit ins Einspracheverfahren anlässlich der Planauflage einbezogen werden. Die Plangenehmigungsbehörden sind oft noch zu sehr auf den für das Projekt notwendigen Landerwerb fixiert und scheuen den Aufwand, wenn sie auch die als doppelspurig empfundene Funktion im enteignungsrechtlichen Planauflageverfahren übernehmen sollen. Nur zu gerne stützen sie sich auf den soeben, in Ziffer 2.1.2.2 oben erwähnten Bundesgerichtsentscheid ab, welcher sie von dieser Pflicht auch heute noch zu entbinden scheint.28 Es kommt hinzu, dass Abschnitt III des EntG nicht explizit erwähnt, dass der Erwerb der entzogenen Abwehrrechte gegen übermässige Immissionen in das Verzeichnis der enteigneten Rechte aufzunehmen und deren Eigentümern ebenfalls eine persönliche Anzeige zuzustellen ist. Das erstaunt nicht, da Immissionsenteignungen dem historischen Gesetzgeber nicht vertraut waren. Die Artikel 27 und 31 EntG können in diesem Sinne ohne grossen Aufwand verdeutlicht und auch an das ordentliche Planauflageverfahren gemäss dem jeweils in Frage kommenden Bundesbaugesetz (EBG, NSG, LFG) angepasst werden.

2.2

Erlöschen von Forderungen wegen Entzugs der Abwehrrechte

2.2.1

Problemstellung

Im Verjährungsentscheid Flughafen Genf (BGE 124 II 543) hat das Bundesgericht entschieden, Forderungen von Nachbarn von lärmigen Verkehrsanlagen seien fünf Jahre ab «objektiver Erkennbarkeit» der Spezialität und Schwere der übermässigen Immissionen verjährt. Dieser Entscheid wurde im BGE 130 II 394 (OpfikonGlattbrugg) im Grundsatz bestätigt. Da im Falle Genfs nicht klar war, wann diese Erkennbarkeit gegeben war, knüpfte sie das Bundesgericht an die erste, nicht mit einem enteignungsrechtlichen Planauflageverfahren koordinierte Planauflage der luftrechtlichen Lärmzonen29, d.h. 1987, an und beschied denjenigen Eigentümerinnen und Eigentümern, die ihre Forderungen nach September 1992 angemeldet

27 28 29

SR 101 Vgl. zu dieser auf das Bauprojekt und den dafür nötigen Rechtserwerb fixierten Sichtweise Urs Eymann, a.a.O. S. 565 f.

Nach Artikel 42 ff. LFG

6404

hatten, in seither konstanter Praxis,30 diese seien verjährt. Im Falle Opfikon-Glattbrugg wurde demgegenüber festgehalten, dass erst mit der plötzlichen Verdoppelung der Abflugzahl (4. Welle 1997) die Schwere des Schadens objektiv erkennbar und damit die Verjährungsfrist ausgelöst worden sei.

Erst am 12. April 2000 hatte der Bundesrat im Anhang 5 der LSV für die Flughäfen sehr hohe Immissionsgrenzwerte von 67 dB(A) Leq tags erlassen, die er in der Folge nach dem Baukonzessionsentscheid des Bundesgerichts vom 8. Dezember 200031 auf 60 (ES32 II) bzw. 65 / ES III) dB(A) Leq korrigieren musste. Diese nunmehr definitiven Immissionsgrenzwerte wurden erst am 30. Mai 2001 festgesetzt und sind am 1. Juni 2001 in Kraft getreten.33 Diese Immissionsgrenzwerte bestimmen im Sinne der langjährigen Praxis des Bundesgerichts, ob ein Eingriff in die Nachbarrechte übermässig und ob damit eine wichtige Voraussetzung für die Zusprechung einer Enteignungsentschädigung gegeben ist. Bürgerinnen und Bürger blieben sehr lange im Ungewissen darüber, welche Immissionsgrenzwerte für Flughäfen eingeführt werden würden.34 Solange solche fehlten, war ein gemäss Enteignungsrechtsprechung des Bundesgerichts notwendiges Element für die Bestimmung der Schwere der Schädigung nicht vorhanden und damit konnten auch die Erfolgschancen eines Anspruchs auf Enteignungsentschädigung nicht abgeschätzt werden.

Indem das Bundesgericht in den Verjährungsentscheiden nicht an die Immissionsgrenzwerte, sondern an die objektive Erkennbarkeit des Übermasses der Lärmbelastung anknüpfte, fiel es zudem hinter seine längst etablierte Praxis zurück.

Die vom Bundesgericht in freier Rechtsfindung zur Anwendung gebrachte 5-jährige Verjährungsfrist ist selbst im öffentlichen Recht schlecht abgestützt. Die Verjährungsfrist für einmalige Leistungen beträgt hier allgemein zehn Jahre. Zudem hat das Bundesgericht die Verjährungsfrist bei materieller Enteignung auf zehn Jahre festgelegt.35 Das Bundesgericht lässt ferner ausser acht, dass zivilrechtliche Ansprüche aus Nachbarrecht (Art. 679/684 ZGB) solange nicht verjähren, als die Schädigung fortdauert.36 Bei all den genannten Ungewissheiten war niemandem zuzumuten, sich mit Entschädigungsforderungen vorzuwagen. Zudem entbehrt die vom Bundesgericht eingeführte 5-jährige Verjährungsfrist der gesetzlichen Grundlage,
weshalb sie auch vor Artikel 26 BV nicht standhält. Rechtsstaatlich ist es bedenklich, Bürgerinnen und Bürger um von den Flughafenhaltern zu verantwortende Minderwerte ihrer Liegenschaften zu prellen, weil sie im Vertrauen auf die bundesgerichtliche Recht-

30 31 32 33 34

35 36

Z.B. nicht publizierte Entscheide 1E.6/1999, 1E.9/1999 vom 24.12.1999 und 1E.7/1999 vom 21.2.2000.

BGE 126 II 522, E. 46 = URP 2001 117 (Auszüge).

Die Empfindlichkeitsstufe bestimmt den höchtzulässigen Lärm in den unterschiedlichen Zonen I­IV.

AS 2001 1610 Nachdem das USG 1985 in Kraft getreten war, wurde am 15.12.1986 die Lärmschutzverordnung (SR 814.41) erlassen und auf den 1.4.1987 in Kraft gesetzt. Sie enthielt in den Anhängen 3­5 die Belastungsgrenzwerte für Strassenverkehrs- und Eisenbahnlärm sowie für Flugfelder und regionale Flughäfen. Die Regelung für die Landesflughäfen beanspruchte darauf weitere 14 Jahre.

BGE 108 Ib 334 BGE 109 II 418; 81 II 439; vgl. dazu Heinz Rey in Kommentar zum Schweiz. Privatrecht, N 29 f. und zum ganzen Klagensystem N 4 ff. zu Artikel 679 ZGB.

6405

sprechung auf die zur Beurteilung ihrer Forderungen notwendigen Belastungsgrenzwerte warteten.

Der Verjährungsentscheid verträgt sich auch nicht mit der Praxis des Bundesgerichts, bei Strassen und Eisenbahnen Entschädigungsforderungen als verfrüht abzuweisen, solange der Tatbestand der Sanierungslosigkeit nicht mittels Sanierungsverfahren festgestellt ist.37 Eigentümerinnen und Eigentümer in Flughafennähe waren daher kaum in der Lage vorauszusehen, dass die einen Forderungen verfrüht, die andern aber im selben Zeitpunkt bereits verjährt waren.

Der Verjährungsentscheid verträgt sich somit nicht mit dem Grundsatz, dass zivilrechtliche Ansprüche durch materielle oder verfahrensmässige Fussangeln nicht vereitelt werden dürfen.38 Da eine konsequente Neuausrichtung und gesamthafte Lösung der Problematik vom Bundesgericht nicht erwartet werden kann (das Bundesgericht hat in BGE 130 II 394, 406 ausdrücklich auf die Mängel des gesetzten Rechtes hingewiesen) obliegt es der Legislative, das EntG um klare Bestimmungen betreffend das Erlöschen von Forderungen wegen Entzugs der Abwehrrechte zu ergänzen und damit Rechtssicherheit herzustellen.

2.2.2

Verwirkung von Ansprüchen zufolge verpasster Anmeldung nach Planauflage als Regel

Wird den Betroffenen wie vorgesehen auch bei Immissionsenteignungen ein formell korrekter Rechtszugang im Planauflageverfahren eröffnet (vgl. Ziff. 5), trifft diese die Pflicht, ihre enteignungsrechtlichen Forderungen innert der Eingabefrist anzumelden. Somit verwirken nicht rechtzeitig innert Auflagefrist angemeldete Ansprüche nach den Regeln der Artikel 35­41 EntG.

Eine nachträgliche Anmeldung einer Forderung ist nach Artikel 41 EntG nur noch im Falle von unverschuldeten Hindernissen möglich (Abs. 1 Bst. a). Die Voraussetzungen dafür sind streng. Daneben kann es noch zu einer nachträglichen Anmeldung einer Forderung kommen, wenn die Planauflage fehlerhaft war oder sich eine nicht nach ihrem Umfang vorherzusehende Schädigung des Enteigneten erst nach Erstellung des Werks oder als Folge seines Gebrauchs einstellt (Art. 41 Abs. 1 Bst. b EntG). Folglich besteht gemäss vorliegendem Revisionsentwurf nach Abschluss des enteignungsrechtlichen Planauflageverfahrens grundsätzlich Klarheit über die zu enteignenden Grundstücke und neu auch über die zu enteignenden Nachbarrechte.

Der Revisionsentwurf erhöht damit die Rechtssicherheit im Verhältnis zwischen Anlageninhabern und Nachbarn markant und zum Vorteil beider.

37

38

BGE 123 II 560; im Rahmenkonzessionsentscheid 124 II 293, 338 hat das Bundesgericht darauf hingewiesen, dass «die Anmeldung eines Entschädigungsanspruchs aus formeller Enteignung für die mit dem Ausbau des Flughafens Zürich verbundenen Lärmimmissionen ... zur Zeit jedenfalls als verfrüht» erscheine, weil noch keine Sanierungsfristen zu laufen begonnen hätten, obwohl es in den Genfer Entscheiden von 1995 und 1997 (BGE 121 II 317 ff. = URP 1995 734 [Hinweis], 122 II 337 ff., vgl. auch 123 II 490 ff.

E. 7 = URP 1997 620 [Hinweis]) solche Begehren geschützt hatte.

Art. 29 BV und 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK; SR 0.101); J.P. Müller, Grundrechte der Schweiz, Bern 1999, S. 495 ff.; Urteil des EGMR vom 16.12.1992 in Sachen de Geouffre de la Pradelle v. Frankreich.

6406

2.2.3

Verjährung von Ansprüchen als Ausnahme

Eine Verjährung von im Planauflageverfahren nicht berücksichtigten Forderungen aus Immissionsenteignungen dürfte wegen des Primates der Verwirkung nach Inkrafttreten der neuen Regelung (vgl. Ziff. 5.1) nur noch ganz selten eintreten. Zu denken ist hier an folgende zwei Tatbestände: Die Planauflage war bezüglich Immissionsbelastung fehlerhaft oder eine nicht nach ihrem Umfang vorherzusehende Schädigung des Enteigneten stellt sich erst nach Erstellung des Werks oder als Folge seines Gebrauchs ein. Für Verkehrsanlagen typisch ist die allmähliche Zunahme von Immissionen. Je nach Prognosen, die im früheren Planauflageverfahren getroffen wurden, kann sich im Laufe der Zeit herausstellen, dass die Schädigung eines Enteigneten anders war als im seinerzeitigen Enteignungsverfahren angenommen: Neue, seinerzeit nicht ins enteignungsrechtliche Planauflageverfahren einbezogene Grundstücke können nun über dem Immissionsgrenzwert, früher ins Enteignungsverfahren einbezogene Grundstücke können nun unter dem Immissionsgrenzwert belastet sein. Sehr häufig dürften diese Fälle allerdings nicht sein, da der für die Bestimmung des Immissionsgrenzwerts massgebliche Dauerschallpegel Leq sehr träge auf Verkehrszunahmen reagiert. Beispielsweise führt eine Verdoppelung der Verkehrsmenge lediglich zu einer Lärmzunahme von 3 dB(A) Leq.

Zu denken ist ferner an übergangsrechtliche Tatbestände. Die Planauflage des Projektes erfolgte noch vor Inkrafttreten der vorliegenden Revisionsvorlage. Daher war sie nicht mit einer enteignungsrechtlichen Planauflage kombiniert. Eine solche muss gemäss vorliegendem Revisionsentwurf auch nicht nachgeholt werden, weil es unverhältnismässig wäre, auf diese Weise praktisch sämtliche UVP-pflichtigen Projekte von Verkehrsanlagen nochmals aufzurollen. In all diesen, zahlenmässig nicht unbedeutenden Fällen, ist aber dafür zu sorgen, dass die Eigentümer ihrer Rechtsansprüche nicht durch Verjährung verlustig gehen, solange keine enteignungsrechtliche Planauflage erfolgte. Eine so weitgehende Schlechterstellung gegenüber denjenigen, welche in Zukunft von einem kombinierten, auch enteignungsrechtlichen Planauflageverfahren profitieren, verstiesse gegen das Rechtsgleichheitsgebot von Artikel 8 BV.

Es rechtfertigt sich daher, im Sinne der Initiative die Verjährungseinreden auszuschliessen, wenn eine
Planauflage gemäss früherer Praxis nicht erfolgt war oder einen Eigentümer gar nicht betroffen hatte. Durch Revision des EntG im Sinne des vorliegenden Vorschlages zu Artikel 41bis ist daher dafür zu sorgen, dass die Geltendmachung von Verjährungseinreden stets eine ordentliche enteignungsrechtliche Planauflage nach Artikel 27 ff. EntG voraussetzt.

2.3

Weitergabe einer enteignungsrechtlichen Entschädigung an Mieter und Pächter

2.3.1

Problemstellung

Die Kommission hält dafür, dass die Weitergabe von Entschädigungszahlungen an Mieterinnen, Mieter, Pächterinnen und Pächter, welche die Unbill der übermässigen Lärmbelastung effektiv zu ertragen haben, ein dringlich zu lösendes rechtstaatliches Problem darstellt. Einen direkten Anspruch auf eine enteignungsrechtliche Entschä6407

digung haben Mieter oder Pächter nur bei einer vorzeitigen Aufhebung des Mietoder Pachtvertrages (Art. 23 Abs. 2 EntG). Nach der Rechtsprechung wird ein Entschädigungsanspruch von Mietern oder Pächtern im Weitern wegen Verletzung vertraglicher Rechte, wozu die Beeinträchtigung durch übermässige Immissionen gehören kann, zwar bejaht, aber lediglich für die Dauer des Vertrages bis zum nächsten Kündigungstermin; die verbleibende Dauer des Mietverhältnisses muss zudem eine gewisse Mindestdauer aufweisen, ansonsten keine Entschädigung geschuldet ist39. In der Regel haben Mieter und Pächter deshalb keinen eigenen enteignungsrechtlichen Entschädigungsanspruch. Dem Grundeigentümer wird unter bestimmten Voraussetzungen wegen der übermässigen Immission (Lärm) infolge Entzuges nachbarrechtlicher Abwehrrechte eine Entschädigung ausgerichtet. Es ist deshalb eine Regelung zu finden, damit die an die Eigentümerschaft ausbezahlte Entschädigung den vom Lärm betroffenen Mietern und Pächtern zu Gute kommt.

2.3.2

Inhalt der neuen Regelung

Mit der neuen Regelung wird einerseits der Verwendungszweck der ausbezahlten Enteignungsentschädigung ­ Verminderung des Miet- bzw. Pachtzinses ­ festgelegt und anderseits soll durch eine Vollzugsregelung für die Durchsetzung dieser Bestimmung gesorgt werden. Es wird kein neuer enteignungsrechtlicher Anspruch geschaffen. Die Anspruchsberechtigung bleibt beim Grundeigentümer; Gegenstand der Enteignung sind die aus dem Grundeigentum hervorgehenden Nachbarrechte.

Mieter und Pächter werden also nicht Partei des Enteignungsverfahrens; bezüglich der enteignungsrechtlichen Ansprüche von Mietern und Pächtern bleibt es bei der (restriktiven) Regelung gemäss den Artikeln 5 und 23 Absatz 2 EntG. Mit der Revision soll eine Modalität oder eine Auflage bei der Auszahlung einer Enteignungsentschädigung bei einer vermieteten bzw. verpachteten Liegenschaft eingeführt werden.

Damit sichergestellt ist, dass die Entschädigung in der gewünschten Art und Weise verwendet wird, muss eine Kontrolle eingeführt werden. Lediglich die Verpflichtung des Grundeigentümers zur Verminderung des Miet- oder Pachtzinses genügt deshalb nicht, weil deren Einhaltung durch die von der Bestimmung geschützten Mieter und Pächter nicht überprüft werden kann, da diese am enteignungsrechtlichen Verfahren nicht beteiligt und demzufolge über dessen Ausgang nicht orientiert sind. Im Rahmen des Vollzuges muss also geprüft werden, ob die dem Eigentümer auferlegte Verpflichtung zur (wirtschaftlichen) Weitergabe der Entschädigung nachgelebt wird.

Entsprechend wird bei der Regelung des Vollzuges vorgesehen, dass die Entschädigung erst dann ausbezahlt wird, wenn der Anspruchsberechtigte nachgewiesen hat, dass die Entschädigung im Sinne der neu geschaffenen Regelung verwendet wird.

Eine Weitergabe der enteignungsrechtlichen Entschädigung an Mieter und Pächter muss nur dann erfolgen, wenn die Immissionen bei der Festlegung des Miet- oder Pachtzinses nicht bereits berücksichtigt sind. Bei der neuen Regelung wird dieser Konstellation, welche angesichts der langen Dauer enteignungsrechtlicher Verfahren nicht selten eintreten dürfte, dadurch Rechnung getragen, dass die Verpflichtung der Vermieter- bzw. Verpächterschaft zur Weitergabe der Entschädigung im Grundsatz und dem Umfang nach unter einem entsprechenden Vorbehalt steht.

39

BGE 106 Ib 227 u. 251

6408

2.3.3

Lärmbelastete Mieter: Enteignungsrechtliche statt mietrechtliche Lösung

Die Weitergabe einer an den Grundeigentümer ausbezahlten enteignungsrechtlichen Entschädigung an Mieterinnen, Mieter, Pächterinnen und Pächter könnte einerseits im Mietrecht, andererseits im Enteignungsrecht geregelt werden. Im Falle übermässiger Immissionen stehen Mietern oder Pächtern bereits nach geltendem Recht gegebenenfalls die mietrechtlichen Mängelrechte gemäss den Artikeln 259d und 259f OR zur Verfügung. Die Voraussetzungen für eine mietrechtliche Herabsetzung sind nicht dieselben wie für eine enteignungsrechtliche Entschädigung. Wünschenswert wäre deshalb eine Regelung, welche eine Koordination zwischen Enteignungsund Mietrecht herbeiführen würde. Damit wäre eine weitergehende Revision von Mietrecht und/oder Enteignungsrecht verbunden; zudem wäre sie schwerfällig und würde tendenziell zu langen Verfahren führen, was nicht im Interesse der betroffenen Mieter und Pächter wäre. Eine Lösung lediglich im Mietrecht erweist sich ebenfalls als kompliziert und nicht durchwegs befriedigend. Bei der Schaffung eines neuen Herabsetzungstatbestands wäre das Verhältnis zu den bereits bestehenden zu klären, wobei eine Einschränkung der im geltenden Recht vorgesehenen Herabsetzungsmöglichkeiten aus Sicht der Mieter und Pächter nicht in Frage käme. Es kommt hinzu, dass die mietrechtliche Herabsetzung nur dann vorgenommen wird, wenn die Mieterin oder der Pächter ein entsprechendes Begehren stellt und nötigenfalls auch dessen Durchsetzung erstreitet; das Mietrecht beruht auf dem Anfechtungsprinzip und der Gedanke ist ihm fremd, dass die Vermieter- bzw. Verpächterschaft von sich aus eine Vertragsänderung zugunsten von Mietern und Pächtern vorzunehmen hat. Das anvisierte Ziel ­ die (automatische) Weitergabe einer ausbezahlten Entschädigung an die betroffenen Mieter und Pächter ­ lässt sich am Einfachsten mit einer Änderung des EntG erreichen.

3

Luftfahrtrecht

Seit 1. Januar 2000 ist das mit dem Verfahrenskoordinationsgesetz revidierte LFG in Kraft. Dieses sieht auch bei Betriebsreglementsänderungen mit erheblichen Auswirkungen auf die Lärmbelastung keine Koordination mit dem EntG vor (Art. 36c LFG und Art. 23 ff. Verordnung über die Infrastruktur der Luftfahrt, VIL40), obwohl die für solche Änderungen obligatorische UVP diese Auswirkungen kartographisch darstellt und die Grundlage für einen neuen Lärmbelastungskataster bildet. Demgegenüber koordinieren die Artikel 37a ff. des revidierten LFG das Plangenehmigungsverfahren für Flughäfen mit dem Planauflageverfahren nach EntG. Damit soll sichergestellt werden, dass die nachbarrechtlichen Verhältnisse der Flughäfen gleichzeitig mit der Plangenehmigung beurteilt werden und dass dingliche Rechte von Nachbarn nur in einem Verfahren beansprucht werden können, welches den Anforderungen des LFG und des EntG genügt.

Das gestaffelte Verfahren für die Genehmigung der 5. Ausbauetappe des Flughafens Zürich (Rahmenkonzessionsgesuch 1994, Baukonzessionsgesuch Dock Midfield 1998) erfolgte noch unter dem alten Recht. Eine Koordination mit dem Verfahren nach EntG erfolgte nicht. Wird später einmal das neue definitive Betriebsreglement

40

SR 748.131.1

6409

genehmigt, erfolgt nach geltendem Recht auch keine Koordination mit dem EntG (Art. 36c LFG und Art. 23 ff. VIL).

Blosse Betriebsreglementsänderungen können auch auf anderen Flughäfen neue, übermässig mit Lärm belastete Gebiete bewirken. Auch in diesen Fällen greift kein mit dem EntG koordiniertes Verfahren.

Damit werden Eigentümer bei blossen Änderungen des Betriebsreglements über ihre Ansprüche auf Minderwertentschädigung im Sinne von Artikel 5 EntG nicht informiert und haben ihre Forderungen weiterhin aus eigener Initiative anzumelden. Wer sich nicht zur Wehr setzt, geht leer aus. Wenig Geschäftserfahrene haben zum Vornherein das Nachsehen. Ein solches Verfahren ist rechtsstaatlich bedenklich und widerspricht Artikel 26 Absatz 2 BV. Dieser statuiert eine Entschädigungspflicht und beinhaltet damit zugleich eine Verpflichtung, den Zugang zu dieser Entschädigung zu ebnen (Art. 35 BV). Das EntG und die mit dem Verfahrenskoordinationsgesetz eingefügten kombinierten Planauflage- oder Enteignungsverfahren setzen den entsprechenden Standard. Offensichtlich wurde bei Erlass des Verfahrenskoordinationsgesetzes übersehen, dass Betriebsreglementsänderungen von konzessionierten Flughäfen immer dann raumrelevant sind, wenn eine UVP erfolgt. Deshalb müssen sie mit dem EntG koordiniert werden.

Das LFG ist daher so zu ändern, dass nicht bloss Planauflagen für Flughafenprojekte sondern auch Betriebsreglementsänderungen von Flughäfen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umweltbelastung im koordinierten Verfahren der enteignungsrechtlichen Beurteilung zuzuführen sind (vgl. zum konkreten Vorschlag Ziff. 5.2).

Am LFG sollen im Rahmen dieser kleinen, von Detailproblemen des Enteignungsrechts beherrschten Revision nur gerade die notwendigsten Änderungen vorgenommen werden. An sich würde es genügen, die Bestimmungen von Artikel 37 ff. LFG zum Zusammenspiel zwischen Plangenehmigungsverfahren und Enteignungsverfahren bei Flughäfen als sinngemäss anwendbar zu erklären. Allerdings wäre ein solcher Globalverweis nicht präzise und würde notwendige Differenzierungen im Ablauf des Plangenehmigungsverfahrens einerseits und des Verfahrens zur Genehmigung wesentlicher Änderungen des Betriebsreglements anderseits der Praxis überlassen. Daraus könnten sich Rechtsunsicherheiten ergeben, welche aus gesetzgeberischer Sicht vermieden
werden sollen.

Die Kommission beantragt, das Verfahren zur Genehmigung wesentlicher Änderungen des Betriebsreglements in den neuen Artikeln 36d­36i LFG autonom zu regeln.

Dabei achtete sie darauf, die Bestimmungen von Artikel 37 ff. zum Plangenehmigungsverfahren soweit möglich wörtlich und in derselben Gliederung zu übernehmen.

Eine Zusammenlegung der analogen Bestimmungen zu den beiden Genehmigungsverfahren wurde evaluiert, aber verworfen. Den Ausschlag dazu gaben zum einen systematische Überlegungen, da im Abschnitt Infrastruktur des LFG der Betrieb und die Plangenehmigungsverfahren je gesondert behandelt werden und integrale Teilabschnitte bilden, deren teilweise Zusammenlegung die Übersichtlichkeit erschweren würden. Im Übrigen beabsichtigt die Bundesverwaltung ohnehin, das LFG in mehreren Teilschritten zu revidieren. Dabei sollen auch die Verfahren für die Flugplätze angepasst werden. Dieser grösseren Revision soll mit der Umsetzung dieser parlamentarischen Initiative nicht vorgegriffen werden.

6410

Das LFG sieht verschiedene Genehmigungen des Betriebsreglements vor. Die erstmalige Genehmigung des Betriebsreglements eines Flughafens nach Artikel 36c Absatz 4 LFG erfolgt im Zusammenhang mit der Plangenehmigung für die neuen oder geänderten Flugplatzanlagen. Da diese ebenfalls das enteignungsrechtliche Planauflageverfahren auslöst, in welches gemäss der neuen Bestimmung von Artikel 31 Absatz 1 EntG auch die durch den Entzug der Nachbarrechte Betroffenen einzubeziehen sind, braucht hier nur das Verfahren zur Genehmigung wesentlicher Änderungen des Betriebsreglements geregelt zu werden.

4

Weitere Themen

4.1

Antwort des Bundesrates auf die Anfrage 01.1062

Bei der Umsetzung der Initiative stellen sich keine unlösbaren Vorfragen. Der Argumentation des Bundesrates in seiner Antwort auf die Einfache Anfrage 01.1062 von Nationalrat Hegetschweiler kann deshalb nicht gefolgt werden. Auch neue Betriebsreglemente werden gemäss Artikel 36c f. LFG und den Artikeln 23 ff. VIL einer UVP unterzogen, öffentlich aufgelegt und genehmigt. In der UVP werden die Gebiete erfasst, die über den Grenzwerten belastet werden. Die berechnete Lärmbelastung kann ohne weiteres kartografisch und parzellenscharf dargestellt werden.

Die in einem formellen Enteignungsverfahren von der Plangenehmigungsbehörde zu berücksichtigenden Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer sind damit grundsätzlich bestimmt. Es geht letztlich einfach darum, dass diese in einem formellen Verfahren begrüsst werden, ohne dass jede und jeder Einzelne selber tätig werden muss. Die Plangenehmigungsbehörden und namentlich das BAZL werden dadurch kaum erheblich stärker belastet. Sie haben die angemeldeten Entschädigungsansprüche ja nicht materiell zu prüfen, sondern bloss darüber zu wachen, dass die formellen Erfordernisse der Anmeldung, insbesondere die Frist, eingehalten sind und der Enteignungsplan korrekt ist. Darauf haben sie die Begehren an die zuständige Eidgenössische Schätzungskommission weiterzuleiten. Das alles können sie bei Sichtung der Einsprachen zur Planauflage gerade «in Serie» erledigen. Die grössere Belastung darf im Übrigen nicht die primäre Rolle spielen; immerhin geht es um einen in der Verfassung garantierten Entschädigungsanspruch. Zudem wird die Eidgenössische Schätzungskommission entlastet, wenn sie die Anmeldungen der Eigentümer «gebündelt» erhält und nicht mit individuellen Eingaben konfrontiert ist.

Insgesamt dürfte sich der Mehraufwand somit in Grenzen halten.

Richtig ist, dass dem Luftverkehr eine grössere Volatilität eigen ist als dem Bahnoder Strassenverkehr. Immerhin ist zu beachten, dass auch diesbezüglich (wie auch im Bericht über die Luftfahrtpolitik der Schweiz 200441) mit Nachdruck gefordert wird, dass eine Koordination mit der Raumordnung (Richt-, Nutzungs- und Sachplanung) zwingend ist. Dies gilt schon deshalb, weil der Lärmimmissionsgrenzwert (bzw. der Planungswert) gemäss Artikel 24 USG auch massgebend ist für Bauverbote, Um- oder Abzonungen, bzw. für die Erschliessung
von Baugebieten. Einer dauernden Änderung von Betriebsreglementen und damit wechselnder Immissionen zulasten immer wieder neuer Anwohnerinnen und Anwohner sind aus diesem Grunde Grenzen gesetzt.

41

BBl 2005 1781

6411

Wo dennoch ­ so entsprechend den bekannten Auflagen von Deutschland gegenüber dem Betrieb des Flughafens Zürich ­ kurzfristig Änderungen von Luftstrassen zu berücksichtigen sind, kann wichtigen Anliegen des Flugverkehrs mittels vorzeitiger Besitzeinweisung (Art. 76 EntG) bzw. im Rahmen des Entzugs der aufschiebenden Wirkung gegenüber Rechtsmitteln Rechnung getragen werden. Die neuen verfahrensrechtlichen Vorschläge gefährden somit den Betrieb der Flughäfen nicht.

Sollte sich als Folge der Verlegung von Luftstrassen bezüglich bereits entschädigten Liegenschaften der Lärm vermindern oder entfallen, so kann im gegebenen Zeitpunkte die Rechtslage ohne weiteres neu überprüft werden. Auch im Rahmen der Entschädigung für materielle Enteignung ist bekanntlich bei nachträglicher Milderung von Eigentumsbeschränkungen eine (teilweise) Rückerstattung geleisteter Entschädigungen möglich. Gesetzgeberische Vorgaben auch in dieser Richtung dürften sich jedoch erst dann empfehlen, wenn der Gesetzgeber (was sinnvoll sein dürfte und worauf auch im Entscheid BGE 130 II 394, Opfikon-Glattbrugg, ausdrücklich hingewiesen wurde) auch die Voraussetzungen für die Entschädigungspflicht (Voraussehbarkeit, Spezialität und Schwere der Einwirkung) näher umschreibt. Einstweilen wird mit den vorliegenden, sich auf das Verfahrensrecht beschränkenden Revisionsvorschlägen an der diesbezüglichen Praxis des Bundesgerichtes nichts verändert, sodass die Angst vor höheren Entschädigungszahlungen unbegründet ist. Ebenso ist nicht eine Flut neuer Forderungseingaben zu erwarten; vielmehr sind weniger, dafür inhaltlich qualifiziertere Eingaben zu erwarten, weil aufgrund des aufzulegenden Planes einigermassen klar ist, wer überhaupt Chancen auf Enteignungsentschädigungen haben könnte.

Obschon die gütliche Einigung im Vordergrund stehen sollte, wurden bisher kaum je Entschädigungen auf Vereinbarungsbasis bezahlt. Sowohl in Genf als auch in Zürich bemühen sich die Flughafenhalter, Ansprüche für Immissionsenteignungen möglichst zu umgehen.

4.2

Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete

Wird diese Vorlage angenommen, darf die Verjährungseinrede vom Enteigner nur noch erhoben werden, wenn eine ordentliche enteignungsrechtliche Planauflage durchgeführt wurde. Es fragt sich daher, ob diese Gesetzesänderungen Auswirkungen haben auf andere Lärmsituationen. Die Harmonisierung der Verfahren betreffend Forderungen als Folge von Immissionen der verschiedenen Verkehrsträger ist ein wichtiges Anliegen.

4.2.1

Lärm von Militärflugplätzen und militärischen Übungsplätzen

Das VBS hat in den letzten Jahren die Lärmsanierung der verbleibenden Militärflugplätze vorangetrieben und entsprechende Schallschutzkonzepte publiziert und soweit möglich umgesetzt. Diese bestehen in Plänen mit von der EMPA berechneten Lärmbelastungskurven, aufgrund welcher die Liegenschaften, welche wegen Alarmwert- oder gegebenenfalls Immissionsgrenzwertüberschreitungen auf Schallschutzmassnahmen im Sinne von Artikel 20 oder 25 USG Anspruch hatten, parzellenscharf ermittelt werden konnten. Aufgrund der Restrukturierungen in der Luft6412

waffe sind inzwischen einige dieser Schallschutzkonzepte überholt. Diese werden daher überarbeitet werden müssen, sobald das Ausmass der neuen Belegung der Militärflugplätze zuverlässig bekannt ist.

Mit dem Schallschutzkonzept war keine enteignungsrechtliche Planauflage verbunden worden. Mit den vorgesehenen Bestimmungen werden daher auch die Eigentümer im Perimeter des Immissionsgrenzwerts von Militärflugplätzen und stark frequentierten militärischen Übungsplätzen davon profitieren können, dass ihre Forderungen auf Minderwert nicht mehr einer Verjährung unterliegen können. Nicht berührt von vorliegender Änderung wird dagegen die hohe vom Bundesgericht gesetzte Hürde der Voraussehbarkeit. Eigentümerinnen und Eigentümer, die erst nach Eintritt des Jet-Zeitalters in der Militärfliegerei ihr Grundstück erworben haben, dürften daher jedenfalls dann an dieser Hürde scheitern, wenn sie nicht eine wesentliche Änderung der Anlage oder des Flugbetriebs nachweisen können, mit welcher in Berücksichtigung sämtlicher konkreter Umstände nicht zu rechnen war.

Die Hürde der Voraussehbarkeit wird allfällige auf den Bund zukommende Ansprüche daher weiterhin stark reduzieren.

4.2.2

Bestehende Anlagen für den Bodenverkehr

Bei nicht lärmsanierten bestehenden Nationalstrassen hat das Bundesgericht entschieden, dass Entschädigungsforderungen grundsätzlich so lange nicht gestellt werden können, als ein Strassenstück noch nicht lärmsaniert ist. Obwohl sich das Bundesgericht dazu nicht geäussert hat, ist damit anzunehmen, dass entsprechende Entschädigungsforderungen bis zur Sanierung auch nicht verjähren können. Die vorliegende Rechtsänderung bewirkt damit keine Mehrbelastung des Staates für nicht lärmsanierte bestehende Nationalstrassen.

Die erwähnte Bundesgerichtspraxis dürfte auch auf die Lärmsanierung der Eisenbahnen angewendet werden. Für diese entsteht damit aus der vorliegenden Rechtsänderung keine Mehrbelastung der entsprechenden FINöV-Kredite.

4.2.3

Auswirkungen von Lärmveränderungen bei bestehenden Verkehrsanlagen

Nimmt der Verkehr auf Verkehrsanlagen massiv zu, welche bisher keine übermässige Lärmbelastung verursachten, kann es irgendwann zu einer Überschreitung des Immissionsgrenzwerts kommen, auch ohne dass an diesem Verkehrsweg selber bauliche Veränderungen vorgenommen wurden. Dazu drei Beispiele:

4.2.3.1

Mehrverkehr auf Zubringerstrassen

Wenn der Bau einer neuen Strasse, z.B. einer neuen Nationalstrasse, massiven Mehrverkehr und zusätzlichen Lärm auf den bestehenden Zubringerstrassen auslöst, schreibt Artikel 9 LSV vor, dass die Zunahme der Immissionen auf den bestehenden Verkehrswegen ins Plangenehmigungsverfahren für die Neubaustrecke integriert werden muss. Der Umweltverträglichkeitsbericht deckt auch bestehende Zubringerstrecken ab, und die Anwohnerinnen und Anwohner derselben werden bei der ent6413

eignungsrechtlichen Planauflage der Neubaustrecke berücksichtigt. Artikel 9 LSV schreibt ferner vor, dass die Mehrbeanspruchung einer Zufahrtsstrasse jedenfalls zu keiner Überschreitung der Immissionsgrenzwerte führen darf. Dieser Fall ist daher bereits im geltenden Recht entschädigungspflichtig gelöst.

4.2.3.2

Verkehrsanlage wird unerwartet zum Sanierungsfall

Bei einer neuen Strasse, die bei der Erstellung mit enteignungsrechtlichem Plangenehmigungsverfahren noch keine übermässigen Lärmimmissionen verursachte, bei der aber nachträglich der Fall eintritt, dass sich der Verkehr innert kurzer Zeit und ohne bauliche Kapazitätsausweitungen verdoppelt ­ womit der Lärmpegel für bestimmte Anstösser nachträglich über den Immissionsgrenzwert steigt ­, stellt sich die Frage, wie es sich mit den Minderwertforderungen der plötzlich übermässig belärmten Strassenanstösser verhält. Nach der Praxis des Bundesgerichts ist klar, dass zunächst ein (unechtes) «Sanierungsprojekt» zur Durchsetzung des bewilligten Zustandes abzuwarten wäre (Art. 25 USG). Bei Lärmschutzwänden würde dabei der Schaden der Eigentümerinnen und Eigentümer weitgehend entfallen. Bei den üblicherweise installierten Lärmschutzfenstern bleibt die Belästigung im Freien und bei offenen Fenstern sowie der Schaden der unfreiwilligen «Einbunkerung». Mit der vorgeschlagenen Revision verjähren nun Entschädigungsklagen für diesen verbleibenden Schaden ohne ein neues Plangenehmigungsverfahren ebenfalls nicht mehr.

Zu bemerken ist dabei allerdings, dass Schallschutzmassnahmen gegen Strassenverkehrs- oder Eisenbahnlärm regelmässig effektiver sind als gegen den von oben und folglich von überall her einwirkenden Fluglärm. Zudem ist eine Orientierung auf die lärmabgewandte Seite für Anwohnerinnen und Anwohner lauter Strassen häufig möglich. Nach durchgeführten Schallschutzmassnahmen dürfte daher der Minderwert solcher Liegenschaften in aller Regel nicht mehr entschädigungsrelevant sein.

4.2.3.3

Schleichende Lärmzunahmen auf bestehenden Verkehrsanlagen

Bei altrechtlichen Strassen, die nie ausgebaut wurden, oder bei Flughäfen, die stets unter dem gleichen Betriebsreglement funktionierten, bei denen der Verkehr aber schleichend und über die Jahre hinweg auf hohem Niveau zunahm und irgendwann über den Immissionsgrenzwert anstieg, wurde ebenfalls nie ein ordentliches Plangenehmigungsverfahren durchgeführt. Nach der vorgeschlagenen Regelung verjähren damit zusammenhängende Minderwertentschädigungsforderungen grundsätzlich ebenfalls nicht. Hier greift allerdings das Kriterium der Voraussehbarkeit nach der Praxis des Bundesgerichts. Damit werden die Klagen aller Eigentümerinnen und Eigentümer ausgeschlossen, die erst zu einem Zeitpunkt erworben haben, in dem die übermässige Lärmbelastung bereits voraussehbar war. Anders steht es mit alteingesessenen Grundeigentümern. Deren Klagen werden nach Inkrafttreten der Revisionsvorlage weder an den Hürden der Voraussehbarkeit noch an denjenigen der Verjährung scheitern.

6414

4.2.3.4

Folgerungen

Die Auswirkungen der Revisionsvorlage auf Minderwertforderungen bezüglich anderer öffentlicher oder konzessionierter lärmverursachender Anlagen sind insgesamt überblickbar und bescheiden.

4.2.4

Entschädigungen für lärmbelastete Mieter

In der Kommission bestand Einigkeit darüber, dass die Weitergabe von Entschädigungszahlungen an Mieterinnen und Mieter, welche die Unbill der übermässigen Lärmbelastung effektiv zu ertragen haben, ein dringlich zu lösendes rechtsstaatliches Problem darstellt. Sowohl von Mieter- wie von Vermieterseite ist es nicht erwünscht, dass ihr Vertragsverhältnis mit entsprechenden gerichtlichen Auseinandersetzungen belastet wird, deren eigentlicher Verursacher ein Dritter, nämlich der Inhaber der lärmigen Anlage, ist. Die bisher ergangenen Entscheide von Mietgerichten zu dieser Frage sind zudem uneinheitlich.42 Die Lösung des Problems ist schwierig. Einerseits könnte man die Mieter ins Enteignungsverfahren miteintreten lassen. Ein solches Vorgehen dürfte indessen an der übergrossen Zahl von Verfahren, an der häufig langen Dauer (zwischenzeitliche Mieterwechsel etc.) und auch an den hohen Kosten von Enteignungsverfahren scheitern. Andererseits wäre eine Regelung im Rahmen der mietvertraglichen Mängelrechte (namentlich Art. 259d und 259f OR) zu überlegen. Eine bessere Koordination (auch der materiellen Entscheide) und verfahrensrechtliche Verbesserungen liessen sich möglicherweise dadurch erreichen, dass dem Lärmverursacher die Möglichkeit eingeräumt wird, sich am mietrechtlichen Verfahren zu beteiligen und dass andererseits der Verursacher vor dem Entscheid über das mietrechtliche Verfahren die einheitliche Beurteilung durch den Enteignungsrichter verlangen könnte.

Die in der Volksabstimmung vom 8. Februar 2004 abgelehnte Vorlage über die Revision des Mietrechtes hätte die Situation insoweit entschärft, als den Mietern ermöglicht worden wäre, ihren Mietzins alle fünf Jahre unter dem Gesichtspunkt der Vergleichsmiete überprüfen zu lassen. Nachdem der Markt übermässigen Fluglärm sanktioniert, hätte sich daraus ein Überwälzungsmechanismus ergeben.

Weitere Probleme bestehen darin, dass Artikel 5 EntG Forderungen von Mieterinnen und Mietern gegenüber dem Enteigner an sich zulässt. Allerdings hat das Bundesgericht einen Entschädigungsanspruch von Mietern und Pächtern nur bejaht, wenn durch die Enteignung der Vertrag vorzeitig aufgelöst oder in die vertraglichen Rechte eingegriffen wird und nur für die Dauer des Vertrags bis zum nächsten Kündigungstermin. Zu gewährleisten ist selbstverständlich auch, dass Mieter,
welche analog der Rechtslage für die Eigentümer, eine Lärmbelastung voraussehen mussten und daher bereits von günstigen Mieten profitieren, nicht doppelt entschädigt werden.

42

Vgl. die widersprüchlichen Entscheide des ER in Mietsachen des Bezirkes Bülach, wiedergegeben in SJZ 2002 S. 108 (Reduktion gutgeheissen) und in SJZ 2003 S. 356 (Reduktion abgelehnt) sowie Peter Higi, Fluglärm und mietrechtlicher Mangel in: Baurecht 2002, S. 152 ff.

6415

5

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

5.1

Bundesgesetz über die Enteignung

5.1.1

Revision bezüglich Entschädigung und Herabsetzung der Miete

Art. 24a (neu)

Entschädigung für nachbarrechtliche Ansprüche bei vermieteten oder verpachteten Grundstücken

Mit der neuen Bestimmung soll sichergestellt werden, dass von einer als Geldleistung ausgerichteten Entschädigung auch Mieterinnen, Mieter, Pächterinnen und Pächter profitieren. Weil nicht nur die Auszahlungsmodalitäten geregelt werden, ist ein neuer Artikel vorzusehen. Es handelt sich um ein «Sonderregime» für nachbarrechtliche Ansprüche, weshalb sie als neuer Artikel 24a einzufügen ist, obwohl ausschliesslich Geldleistungen Gegenstand der neuen Bestimmung sind; bei Sachleistungen (z.B. bauliche Lärmschutzmassnahmen) gemäss Artikel 18 EntG findet sie nicht Anwendung. Keine Anwendung findet sie naturgemäss auch dann, wenn ein Entschädigungsanspruch mit Bezug auf das betroffene Grundstück verneint wird.

Inhaltlich sieht der neue Artikel 24a EntG die indirekte Weitergabe einer Enteignungsentschädigung an die Mieterinnen, Mieter, Pächterinnen und Pächter durch eine Zinsherabsetzung vor. Mit der Formulierung «angemessen herabzusetzen» wird ein gewisser Spielraum für die Herabsetzung eingeräumt. Die vorgeschlagene Formulierung ermöglicht es beispielsweise, den Verhältnissen innerhalb einer Liegenschaft Rechnung zu tragen und die Herabsetzungen bei unterschiedlicher Intensität der Immissionen unterschiedlich hoch festzulegen. Im Regelfall wird sich die Mietzinsherabsetzung allerdings am (prozentualen) Ausmass der im Enteignungsverfahren festgestellten Verkehrswertminderung orientieren. Grundsätzlich ist die Entschädigung vollumfänglich weiterzugeben.

Der zweite Satz stellt sicher, dass eine Herabsetzung des Mietzinses nur dann vorgenommen wird, wenn der übermässigen Einwirkung bei der Festlegung des Mietzinses noch nicht Rechnung getragen worden ist. Bei Abschluss des Miet- und Pachtverhältnisses nach Auftreten der übermässigen Einwirkungen besteht die unwiderlegbare Vermutung, dass diese bei der Mietzinsfestlegung berücksichtigt ist.

Art. 89 Randtitel und Abs. 2

Ort der Bezahlung, Grundstücke, beschränkte dringliche Rechte und Minderwert

Art. 89bis (neu)

Weitere Nachteile

Art.

89ter

(neu)

Nachbarrechtliche Ansprüche der Mieter und Pächter

Der zweite Teil der neuen Regelung ist eine Vollzugsbestimmung. Die systematische Einordnung erfolgt am besten als neuer Artikel 89ter EntG. Artikel 89 enthält unter dem neuen Randtitel a. Grundstücke, beschränkte dingliche Rechte und Minderwert den bisherigen Absatz 1. Der bisherige Absatz 2, welcher die Entschädigung für direkte Ansprüche von Mieterinnen, Mietern, Pächterinnen und Pächtern regelt, wird unter dem neuen Randtitel b. Weitere Nachteile aufgenommen und Artikel 89ter unter dem neuen Randtitel c. nachbarrechtliche Ansprüche der Mieter und Pächter.

6416

Der erste Satz des neuen Artikels 89ter EntG stellt klar, dass die Entschädigung den dinglich Berechtigten ausbezahlt wird, das heisst in der Regel den Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern, nicht den Mietern oder Pächtern. Die Regelung gemäss zweitem Satz soll die Schätzungskommission in die Lage versetzen, ohne grossen Aufwand zu überprüfen, ob der Bestimmung von Artikel 24a EntG nachgelebt worden ist. Damit die angemessene Herabsetzung im Rahmen des enteignungsrechtlichen Verfahrens vollstreckbar wird, sieht der dritte Satz vor, dass die Schätzungskommission die Herabsetzung festlegen kann, wenn sie die vorgenommene Herabsetzung aufgrund der vorgelegten Unterlagen als unangemessen erachtet. Eine solche Entscheidkompetenz der Schätzungskommission im Rahmen des Vollzugs ist nicht neu (vgl. Art. 88 Abs. 3 EntG). Entscheiden soll die Schätzungskommission aber nur, wenn sie ein «erhebliches Missverhältnis» feststellt. Vor dem Entscheid sind die betroffenen Mieterinnen, Mieter, Pächterinnen und Pächter anzuhören und folgerichtig auch befugt, die von der Schätzungskommission festgelegte Herabsetzung anzufechten.

Es stellt sich die Frage, ob die Schätzungskommission nur die von den Vermietern oder Verpächtern vorgenommenen bzw. nicht vorgenommenen Mietzinsherabsetzungen überprüfen soll oder ob auch bereits festgelegte Mietzinsherabsetzungen von der Schätzungskommission nachträglich neu festgelegt werden können. Für beide Varianten sprechen gute Gründe: Einerseits erscheint es nicht unproblematisch, wenn ein von einem Zivilgericht rechtskräftig festgelegter Miet- oder Pachtzins später von einer Schätzungskommission abgeändert wird. Auf der anderen Seite entspricht die Korrektur unangemessener Miet- bzw. Pachtzinsherabsetzungen durch die Schätzungskommission allgemeinen Gleichbehandlungs- und Gerechtigkeitsüberlegungen. Es kann zu stossenden Ergebnissen führen, wenn die Ansprüche von Mietern, Pächtern und Eigentümern von verschiedenen Behörden unterschiedlich beurteilt werden (Beispiel: einem Mieter wurde gerichtlich eine Herabsetzung von 30% gewährt, einem andern wurde sie verweigert und die Schätzungskommission richtet dem Eigentümer eine Entschädigung von 10 % aus) und eine Korrektur auch für die Zukunft ausgeschlossen sein soll. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass im enteignungsrechtlichen Verfahren das Ausmass der Beeinträchtigung umfassender und unter Berücksichtigung aller Faktoren abgeklärt werden kann.

5.1.2

Revision bezüglich Planauflage und persönlicher Anzeige

Art. 27 Abs. 1­3 Die Absätze 1 und 3 von Artikel 27 werden obsolet. Sämtliche Informationen, welche der Enteigner nach dieser Bestimmung aufstellen musste, muss er heute im koordinierten bundesbaurechtlichen Planauflageverfahren ohnehin liefern. Steht eine künftige Änderung oder Erweiterung eines öffentlichen oder konzessionierten Werkes zur Diskussion, bestimmt das Bundesbaurecht heute ebenfalls über die dafür notwendigen Informationen. Beide Absätze können daher in Anpassung an die klare Rechtslage aufgehoben werden.

Absatz 2 von Artikel 27 weist in der neu formulierten Einleitung darauf hin, dass die im Verfahren der Planauflage inklusive allfälliger Umweltverträglichkeitsprüfung benötigten Informationen und Pläne auch im Enteignungsverfahren grundlegend 6417

sind. Der neue Einschub «sowie die voraussichtlich zu entziehenden Nachbarrechte an Grundstücken je ...» verdeutlicht, dass auch diese im Enteignungsplan und in der Grunderwerbstabelle aufgeführt werden müssen. Damit wird klargestellt, dass der Entzug der Abwehrrechte - jedenfalls soweit diese aus den verlangten Projektinformationen ersichtlich sind - zwingend Gegenstand des ordentlichen enteignungsrechtlichen Planauflageverfahrens sind und keinesfalls in ein später von den Betroffenen individuell einzuleitendes Verfahren gehören.

Art. 30 Abs. 1 Bst. c und 31 Abs. 1 Mit dem Einschub «einschliesslich der voraussichtlich zu enteignenden Nachbarrechte» von Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe c EntG und der neuen Bestimmung von Artikel 31 «derjenigen, die durch den Entzug der Nachbarrechte betroffen sind» wird der Zugang zum Verfahren und der Zugang zum Recht für alle von einer Immissionsenteignung Betroffenen entscheidend verbessert. Statt ihre Forderungen nachträglich individuell geltend machen zu müssen, wenn sie den Eindruck haben, der Lärm oder andere Immissionen aus der errichteten Anlage seien übermässig, wird ihnen ein quasi automatischer Rechtszugang im Planauflageverfahren eröffnet.

Anstelle des individuellen Rechtsbegehrens tritt die nach Zustellung der persönlichen Anzeige einzureichende Anmeldung von Rechtsansprüchen.

Da die Vorlage am bisherigen System der persönlichen Anzeige festhält, ist sicherzustellen, dass diese auch den durch den Entzug der Nachbarrechte Betroffenen zuzustellen ist.

5.1.3

Revision bezüglich Verwirkung und Verjährung

Art. 41bis (neu) Der Vorschlag orientiert sich an der ursprünglichen Zielsetzung der Initiative. Er basiert auf den in Ziffer 2.2.3 oben erörterten Eventualitäten. Er bewirkt, dass die Verjährung nicht eintreten kann, solange keine enteignungsrechtliche Planauflage nach Artikel 27 Absatz 2 EntG erfolgte. Kam es zu einer Planauflage und wurde die Forderungsanmeldung verpasst, verwirkt jedoch der Anspruch aufgrund von Artikel 39 ff. EntG gleichwohl.

Der Vorschlag verbessert die Rechtsstellung der Eigentümerinnen und Eigentümer in den klassischen Fluglärmgebieten rund um die Flughäfen. Bedeutung hat er namentlich auch in neu mit Lärm beschallten Gebieten in der Nähe von Verkehrsanlagen und insbesondere von Flughäfen, welche die Lärmbelastung mittels blosser Änderung des Betriebsreglementes verlagern können: Ermitteln die Anlageninhaber die vom Entzug der Abwehrrechte betroffenen Eigentümer im Enteignungsplan (Art. 27 und 31 EntG) unsorgfältig, bleiben die Abwehrrechte der nicht erfassten Eigentümerinnen und Eigentümer erhalten. Damit liegt es im Interesse der Anlageninhaber, die mit übermässigem Lärm Belasteten sorgfältig zu ermitteln, denn nur so erhalten sie Rechtssicherheit.

Die Vorlage regelt die Ansprüche von Eigentümerinnen und Eigentümern in neu mit Fluglärm beschallten Gebieten, in welchen die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten sind, nicht. Auch wenn es sinnvoll sein dürfte, wenn der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Entschädigungspflicht (Vorhersehbarkeit, Spezialität und 6418

Schwere der Einwirkung) selbst näher umschreibt, ist dies jedenfalls nicht Sache dieser verfahrensrechtlichen Vorlage. Sollte aber das Bundesgericht die Schwere und Spezialität eines Schadens in einem solchen Gebiet eines Tages dennoch ausnahmsweise bejahen, gäbe dies dem sorgfältigen Anlageninhaber Anlass zur nachträglichen enteignungsrechtlichen Planauflage, sofern er für sich Rechtssicherheit herstellen will.

5.2

Bundesgesetz über die Luftfahrt

Die nachstehenden Änderungen kopieren weitestgehend die bewährten Bestimmungen von Artikel 37a und 37d bis 37h LFG für das Plangenehmigungsverfahren.

Auch die Marginalien und die Struktur der einzelnen Artikel sind von dort übernommen. Ein wichtiger Unterschied betrifft die Bewilligungsbehörde: Als solche ist im Plangenehmigungsverfahren das Departement, im Betriebsreglementsänderungsverfahren jedoch das «Bundesamt», d.h. das BAZL, vorgesehen.

Art. 36d

Wesentliche Änderung des Betriebsreglements Anwendbares Recht

Der Wortlaut der Bestimmung ist praktisch identisch mit demjenigen von Artikel 37a LFG betreffend das anwendbare Recht bei Planauflagen.43 Mit ihr wird auch gesagt, dass das enteignungsrechtliche Verfahren auf private Flugplätze (Flugfelder) keine Anwendung findet.

Art. 36e (neu)

Anhörung, Publikation und Auflage

Die Bestimmung entspricht inhaltlich Artikel 37d LFG für das Plangenehmigungsverfahren, die Absätze 1 und 2 sind bereits im heutigen Artikel 36d Absatz 1 und 2 enthalten. Absatz 3 verdeutlicht, dass die Bestimmungen über den Enteignungsbann grundsätzlich greifen. Allerdings dürfte er bei Grundstücken, welche bloss vom Entzug der Abwehrrechte betroffen sind, kaum je eine Rolle spielen, da weder Eigentümerwechsel noch Veränderungen aller Art am Grundstück die Stellung des Enteigners erschweren können.

Art. 36f (neu)

Persönliche Anzeige

Die Bestimmung ist identisch mit Artikel 37e LFG für das Plangenehmigungsverfahren.

Art. 36g (neu)

Einsprache

Die Bestimmung ist identisch mit Artikel 37f LFG für das Plangenehmigungsverfahren. Der neue Absatz 1 entspricht auch dem bisherigen Absatz 4, der neue Absatz 3 dem bisherigen Absatz 5 von Artikel 36d LFG. Der neue Absatz 2 verlangt von den nach dem neuen Artikel 36f benachrichtigten Eigentümern, dass sie ihre enteig-

43

Vgl. zum Zusammenspiel der beiden Gesetze die Botschaft zu einem BG über die Koordination und Vereinfachung der Plangenehmigungsverfahren, BBl 1998 2591­2698, 2646 in Verbindung mit 2619.

6419

nungsrechtlichen Einwände und Begehren ebenfalls innert der Auflagefrist geltend machen. Wer dies versäumt, hat seine Ansprüche grundsätzlich verwirkt.

Art. 36h (neu)

Bereinigung in der Bundesverwaltung

Die Bestimmung entspricht sowohl Artikel 37g für das Plangenehmigungsverfahren als auch dem bisherigen Absatz 3 von Artikel 36d LFG.

Art. 36i (neu)

Behandlung der enteignungsrechtlichen Einsprachen; Schätzungsverfahren

Der Artikel koordiniert allfällige enteignungsrechtliche Einigungsverhandlungen, den Genehmigungsentscheid betreffend das Betriebsreglement und die Weiterleitung der angemeldeten enteignungsrechtlichen Forderungen an die Schätzungskommission.

Selbstverständlich wäre es dem Bundesamt nicht verwehrt, auch ohne die Bestimmung von Absatz 1 Einigungsverhandlungen mit den betroffenen Eigentümern durchzuführen. Ohne dass eine analoge Bestimmung vorhanden wäre, macht z.B.

das BAV in eisenbahnrechtlichen Projekten von dieser Möglichkeit regelmässig Gebrauch. Einigungsverhandlungen erlauben es oft, bei der Abtretung von Grundstückteilen usw. bessere Lösungen zu erzielen, die dann häufig zum Rückzug des Entschädigungsbegehrens führen. Bei den von Betriebsreglementsänderungen ausgelösten Entschädigungsbegehren wegen Entzugs der Abwehrrechte der Eigentümer können aber in der Regel keine Projektverbesserungen erzielt werden. Daher sind Einigungsverhandlungen häufig nicht zielführend. Die Kann-Bestimmung von Absatz 1 bringt damit zum Ausdruck, dass in solchen Fällen nach Ermessen des Bundesamtes auch auf Einigungsverhandlungen verzichtet werden kann.

Absatz 2 ermächtigt das Bundesamt insbesondere, die vorzeitige Besitzeinweisung zu bewilligen. Diese Kompetenz steht nach Artikel 37k LFG im Plangenehmigungsverfahren dem Präsidenten oder der Präsidentin der Schätzungskommission zu.

Diese Zuständigkeit spiegelt die Interessenlage, wenn Grundstücke der Eigentümerin oder dem Eigentümer entzogen werden. Beim blossen Entzug der Abwehrrechte gegen Immissionen spricht aber nichts dagegen, diese Kompetenz auf das Bundesamt zu übertragen. Damit wird auch dem Vorwurf der Boden entzogen, das Verfahren blockiere Betriebsreglementsänderungen, die unter Umständen im Interesse der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit eines Flughafens schnell durchgezogen werden müssen.

Absatz 3 präzisiert, dass die Genehmigungsbehörden die angemeldeten Entschädigungsansprüche nicht materiell zu prüfen haben, sondern bloss prüfen, ob die formellen Erfordernisse der Anmeldung, insbesondere die Frist, eingehalten sind und der Enteignungsplan korrekt ist. Darauf haben sie die Begehren an die zuständige Eidgenössische Schätzungskommission weiterzuleiten, welche die Forderungen materiell prüft und das Schätzungsverfahren durchführt.

Absatz 4 entspricht Absatz 2 von Artikel 37k LFG für das Plangenehmigungsverfahren.

6420

6

Auswirkungen

6.1

Vergleich zwischen geltendem Recht und Entwurf

6.1.1

Geltendes Recht: Keine Verbindung zwischen LFG und EntG

Durch die Einführung von neuen oder die Anpassung von bestehenden An- und Abflugverfahren können die Lärmimmissionen für die Anrainer ein Mass erreichen, welches die Bedingungen für eine formelle Enteignung der Nachbarrechte erfüllt.

Bei einem solchen Verfahren auf Einführung oder Anpassung der An- und Abflugwege wird die Lärmbelastung stets durch eine Umweltverträglichkeitsprüfung festgestellt. Die Lärmkurven werden gemäss Artikel 24 VIL in einem Umweltverträglichkeitsbericht festgehalten. Dieser Bericht ist Bestandteil des öffentlich aufzulegenden Gesuchsdossiers gemäss Artikel 36d LFG.

Grundsätzlich kann ein öffentlicher Flughafen ohne vorgängige Enteignung der Nachbarrechte betrieben werden. Entsprechend der verfassungsmässigen Eigentumsgarantie kann aber jede Person, die sich durch übermässige Lärmimmissionen im Sinne des Artikels 684 ZGB in ihren Nachbarrechten beeinträchtigt fühlt, die Einleitung eines Verfahrens zur formellen Enteignung der Nachbarrechte verlangen.

Die Enteignung der Nachbarrechte bildet jedoch keine Voraussetzung für den Betrieb eines Flughafens.

Die Betroffenen können den Schaden, der ihnen erwachsen wird, nur anhand des im Umweltverträglichkeitsbericht angenommenen Verkehraufkommens abschätzen.

Mit anderen Worten: Eine mögliche Wertminderung des Eigentums wegen übermässiger Lärmbelastung liegt erst dann vor, nachdem die Änderung des Betriebsreglements in Kraft getreten ist und die angenommenen Belastungen auch tatsächlich eingetreten sind und somit eine Besitzesstörung darstellen.

Eigentümerinnen und Eigentümer, die sich beeinträchtigt fühlen, richten sich an den Flughafen, welcher bei der Präsidentin oder beim Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission ein Enteignungsverfahren einleiten lässt. Dafür müssen die Grundeigentümer oder ihre Vertreter sämtliche Angaben machen, die für das weitere Verfahren erforderlich sind: Lage der Parzelle, Datum des Erwerbs, Art des Erwerbs, Eigentumsverhältnisse, dingliche Rechte usw.

Bezüglich der Verjährungsdauer besteht heute keine gesetzliche Bestimmung, jedoch eine bundesgerichtliche Rechtssprechung.

6.1.2

Bundesgerichtliche Rechtsprechung

Gemäss bundesgerichtlicher Praxis können die aus den Artikeln 679 und 684 ZGB abgeleiteten Rechte eine Enteignung begründen, sofern die Beeinträchtigung speziell und schwerwiegend ist und wenn sie zum Zeitpunkt des Erwerbs der Liegenschaft unvorhersehbar war. Auf dieser Grundlage hat das Bundesgericht den Flughafen Genf 1995 verurteilt, die Anrainer für formelle Enteignung der Nachbarrechte zu entschädigen (BGE 121 II 317).

Das Bundesgericht entschied auf eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, die zu laufen beginnt, wenn die Voraussetzung der Spezialität erfüllt ist, also sobald die Immissionen die Grenze des Zumutbaren und Üblichen überschreiten (BGE 124 II 543).

6421

Zudem hielt das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 27. Juli 2004 betreffend die Gemeinde Opfikon fest, dass sich die Lärmbelastung durch die Verkehrszunahme seit Herbst 1996 stark verschärft habe. Damit sei die Verjährung unterbrochen worden, weshalb das Bundesgericht die Verjährungseinrede des Flughafens Zürich ablehnte (BGE 130 II 394).

6.1.3

Vorgeschlagene Regelung: Verbindung zwischen LFG und EntG

Im Verfahren zur Genehmigung von Betriebsreglementsänderungen wird mit einer Änderung von Artikel 36d und den neuen Artikeln 36e­36i LFG eine Verbindung zwischen der Anpassung eines Betriebsreglementes und dem Enteignungsgesetz geschaffen.

6.1.3.1

Verpflichtung zum Erstellen von Enteignungsplänen und Grunderwerbstabellen

Gemäss neuem Artikel 27 Absatz 2 EntG hat der Flughafenbetreiber künftig Enteignungspläne und Grunderwerbstabellen für jede lärmbetroffene Gemeinde zu erstellen, sofern die Änderungen des Betriebsreglements zu einer voraussichtlich wesentlich höheren Lärmbelastung für die Anwohnerschaft führen (Lärmbelastung i.S. der LSV). In diesen Dokumenten sind die zu enteignenden Grundstücke und die voraussichtlich zu entziehenden Nachbarrechte sowie die aus dem Grundbuch ersichtlichen beschränkten dinglichen Rechte zu verzeichnen.

6.1.3.2

Regelung der Verjährung

Gemäss Entwurf zum neuen Artikel 41bis EntG soll keine Verjährungseinrede geltend gemacht werden können, wenn keine Planauflage erfolgte, die auch das betroffene Grundstück erfasste. In allen anderen Fällen beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.

6.2

Finanzielle und personelle Auswirkungen

6.2.1

Flughäfen und die Eidgenossenschaft

6.2.1.1

Auswirkungen in Bezug auf die neue Planauflage

In den nächsten Jahren werden die An- und Abflugrouten am Flughafen Zürich abgeändert und das Betriebsreglement wird entsprechend angepasst werden. Die neuen Routen könnten zu einer spürbar höheren Lärmbelastung für die Anwohnerinnen und Anwohner führen. In diesen Fällen müssten die Flughafenbetreiber jeweils die Enteignungspläne und Grunderwerbstabellen erstellen und in den betroffenen Gemeinden auflegen.

In Genf hingegen dürfte es nur in Ausnahmefällen zur Anwendung des neuen Verfahrens kommen, da dieser Flughafen über eine einzige Piste betrieben wird und 6422

Änderungen der An- und Abflugrouten im lärmrelevanten Bereich somit nicht absehbar sind.

Beim Flughafen Basel-Mülhausen werden auf dem Gebiet der Schweiz weder heute noch in absehbarer Zukunft die massgebenden Belastungsgrenzwerte überschritten, so dass keine Entschädigungen ausgerichtet werden müssen. Eine spezifische Regelung, wonach z.B. das BAZL den Enteignungsplan und die Grunderwerbstabelle erstellen müsste, ist daher nicht erforderlich. Zudem besteht auch keine gesetzliche Regelung darüber, wer eine allfällige Entschädigung bezahlen müsste. Diese offenen Fragen gehen über den Rahmen dieser Vorlage hinaus und müssen gesondert geregelt werden.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich öffentliche Regionalflughäfen veranlasst sehen können, den neuen Artikel 27 (Enteignungsplan und Grunderwerbstabelle) anzuwenden, wenn die Immissionsgrenzwerte wegen veränderten An- und Abflugverfahren überschritten würden. Zu den möglichen Konsequenzen solcher Fälle werden sich die Regionalflughafen-Betreiber im Vernehmlassungsverfahren äussern können.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass durch die enteignungsrechtliche Publikation bei der Auflage von Betriebsreglementsänderungen ein gewisser Mehraufwand entsteht. Dieser dürfte für ein Projekt aber nicht ausschlaggebend sein.

6.2.1.2

Auswirkungen in Bezug auf das Verfahren und die Verfahrenskosten

Das weitere Verfahren wickelt sich ­ wie bereits heute ­ vor den Schätzungskommissionen ab. Die Verfahrenskosten dürften jenen entsprechen, die dem Enteigner unter dem geltenden Recht entstehen. Im Fall des binationalen Flughafens Basel müsste der Bund für die Verfahrenskosten aufkommen.

6.2.1.3

Auswirkungen der neuen Verjährungsregelung

Dieser Aspekt ist vor allem in Zusammenhang mit dem Flughafen Genf von Bedeutung. Auf Anfrage rechnet der Flughafen Genf mit zusätzlichen Entschädigungszahlungen, wenn von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Verjährung (fünf Jahre) abgerückt und zur vorgeschlagenen Änderung übergegangen werden sollte.

Der AIG wies besonders auf die Kosten hin, die durch die Umsetzung von Artikel 41bis EntG-Entwurf und der Schlussbestimmung (bereits rechtskräftige Entschädigungsforderungen) anfallen würden.

6.2.1.4

Auswirkungen auf andere Bauwerke im Dienst der Öffentlichkeit

Das geplante Enteignungsgesetz gilt nicht nur für die Luftfahrt, sondern für sämtliche öffentlichen und konzessionierten Anlagen wie Eisenbahnen, Strassen, Hochspannungsleitungen, sowie in Spezialfällen für Einrichtungen der Fernmeldedienste (Antennen) und dergleichen.

6423

6.3

Vollzugstauglichkeit

Künftig werden sich das Verfahren für die Anpassung von Betriebsreglementen und das Enteignungsverfahren ­ wie bisher ­ nicht tangieren, beide können unabhängig voneinander abgewickelt werden. Das neue Enteignungsverfahren wird auch keinen Einfluss auf die Umsetzung von Betriebsreglementsänderungen haben, die bereits vom BAZL genehmigt worden sind (Art. 36d Abs. 1 und 2 LFG).

7

Verfassungsmässigkeit

Die Kompetenz des Bundes, im Enteignigungsrecht Vorschriften zu erlassen, stützt sich auf die Artikel 26, 36 und 81 BV.

Die Kompetenz des Bundes, im Luftfahrtrecht Vorschriften zu erlassen, stützt sich auf die Artikel 87 und 92 BV.

6424