07.067 Botschaft zu einer Verfassungsbestimmung über die Bekämpfung von Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen (Hooliganismus) sowie zu einer Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) vom 29. August 2007

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Bekämpfung von Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen sowie zwei Entwürfe zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2006 M 06.3004

Massnahmen gegen Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen (SR 7.3.06, Kommission für Rechtsfragen SR 05.065; N 9.3.06)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. August 2007

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-2932

6465

Übersicht Es soll eine Verfassungsgrundlage geschaffen werden, die dem Bund die Kompetenz für Massnahmen zur Bekämpfung von Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen verleiht. Damit können namentlich Rayonverbot, Meldeauflage und Polizeigewahrsam, die aufgrund ihrer umstrittenen Verfassungsmässigkeit auf Ende 2009 befristet sind, unbefristet weitergeführt werden. Eine solche Bundeslösung soll aber nur dann getroffen werden, wenn die Kantone nicht selber rechtzeitig eine Konkordatslösung umsetzen.

Auf internationaler Ebene haben in letzter Zeit Gewaltbereitschaft und Gewaltausübung im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen stetig zugenommen, so dass die betroffenen Länder zu reagieren begonnen und Gegenmassnahmen ergriffen haben.

Um der negativen Entwicklung auch in der Schweiz Einhalt zu gebieten und namentlich um den Behörden im Hinblick auf künftige sportliche Grossanlässe wie die EURO 08 die notwendigen Handlungsinstrumente in die Hand zu geben, haben die eidgenössischen Räte im Frühjahr 2006 im Bundesgesetz vom 21. März 19971 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) Vorschriften für die Bekämpfung von Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen geschaffen. Gestützt auf diese Bestimmungen können gewalttätige Hooligans in einem nationalen Informationssystem registriert und mit kaskadenartig aufeinander abgestimmten präventiven Massnahmen an der Gewaltausübung gehindert werden. Zudem wurden in diesem Massnahmenpaket die Möglichkeiten zur Sicherstellung, Beschlagnahme und Einziehung von zur Gewalt aufrufender Propaganda geregelt.

Im Rahmen der Debatten im Parlament war jedoch die Verfassungskonformität von drei der fünf vorgesehenen Massnahmen, nämlich des Rayonverbots, der Meldeauflage und des Polizeigewahrsams für Hooligans, umstritten. Das Parlament beschloss deshalb eine Befristung der erwähnten drei Massnahmen bis Ende 2009, um sicherzustellen, dass die erforderlichen rechtlichen Anpassungsarbeiten umgehend an die Hand genommen werden.

Das Parlament hat in der Folge den Bundesrat mit einer Motion der Rechtskommission des Ständerats (RK-S) beauftragt, dafür zu sorgen, dass die beschlossenen Massnahmen auch nach Ablauf der Befristung gestützt auf eine genügende Rechtsgrundlage ­ Anpassung Bundesverfassung oder Konkordat ­ weitergeführt werden können. Zwei weitere parlamentarische
Vorstösse (die Motion Joder und die parlamentarische Initiative Berset) fordern eine dauerhafte gesetzliche Regelung auf Bundesebene. Weil der Bund aufgrund der erwähnten Motion der RK-S die rechtzeitige Schaffung einer genügenden Rechtsgrundlage sicherzustellen hat, nahm der Bund seinerseits ­ in Absprache mit den Kantonen ­ bereits im Verlaufe des Sommers 2006 die Arbeiten für eine neue Verfassungsbestimmung (Verfassungslösung) an die Hand, um in jedem Fall eine Auffanglösung vorbereitet zu haben für den Fall, dass das von den Kantonen mittlerweile bevorzugte Konkordat (Konkordatslösung) später doch nicht oder nicht rechtzeitig realisiert werden könnte. Dieses rasche 1

SR 120

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Vorgehen drängte sich nicht zuletzt in Anbetracht des knappen Zeitbudgets auf. Es ist jedoch vorgesehen, diese Arbeiten auf Bundesebene einzustellen, sobald feststeht, dass die Realisierung einer kantonalen Regelung unmittelbar bevorsteht. In der im Frühjahr 2007 durchgeführten Vernehmlassung fanden sowohl dieses vorgeschlagene Vorgehen als auch der Entwurf einer neuen Verfassungsbestimmung bei den Kantonen, den politischen Parteien und den weiteren interessierten Kreisen insgesamt eine gute Aufnahme. Falls die Verfassungslösung gewählt und diese vom Volk und den Ständen angenommen werden würde, könnten die drei befristeten Massnahmen dauerhaft im BWIS verankert werden. Zu diesem Zweck wird gleichzeitig auch ein entsprechender Entwurf einer Teilrevision des BWIS im Rahmen dieser Botschaft unterbreitet (Entwurf A). Sollte hingegen die Konkordatslösung zum Zug kommen, unterbreitet der Bundesrat im Rahmen dieser Botschaft auch einen auf diesen Fall abgestimmten Entwurf mit den notwendigen Änderungen des BWIS (Entwurf B).

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Die Eidgenössischen Räte haben am 24. März 2006 die Teilrevision des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) verabschiedet (AS 2006 3703). Sie ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Ziel dieser Revision war namentlich die Schaffung der erforderlichen Rechtsgrundlagen auf Stufe Bund für eine bessere Bekämpfung von Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen.

Künftig sollen gewalttätig gewordene Hooligans mit kaskadenartig aufeinander abgestimmten präventiven Massnahmen an der Gewaltausübung gehindert werden.

Dabei kommt eine strengere Massnahme jeweils erst dann zur Anwendung, wenn die mildere nicht befolgt wurde oder keine Aussicht auf Erfolg hat. Das insgesamt fünf Massnahmen umfassende Paket sieht folgende Instrumente vor: Registrierung gewalttätig gewordener Hooligans in einem nationalen Informationssystem («HOOGAN»), die Möglichkeit der Anordnung einer Ausreisebeschränkung, eines Rayonverbots, einer Meldeauflage und des Polizeigewahrsams.

Während sich die Einführung eines Hooligan-Informationssystems sowie das Ausreiseverbot auf die bestehenden verfassungsrechtlichen Kompetenzen des Bundes abstützen lassen, war die Verfassungskonformität des Rayonverbots, der Meldeauflage und des Polizeigewahrsams in den Ratsdebatten umstritten. Schliesslich setzte sich die Linie des Ständerats durch, welche eine Befristung der drei umstrittenen Massnahmen bis Ende 2009 vorsah. Damit wollte das Parlament insbesondere für den notwendigen Anpassungsdruck sorgen, damit bis zum Ablauf der Befristung rasch entweder eine einwandfreie bundesrechtliche Verfassungsgrundlage geschaffen würde oder aber die Kantone ein entsprechendes Konkordat erarbeiten und in Kraft setzen würden.

Während die Motion der RK-S (06.3004)2 offen lässt, ob dieses Ziel mittels einer Änderung der Bundesverfassung oder über den Weg des Konkordats erreicht werden soll, fordert eine Motion Joder (06.3064)3 unmittelbar die Schaffung einer neuen Verfassungsgrundlage. Zu erwähnen ist auch die parlamentarische Initiative Berset (06.454)4, welche ebenfalls eine dauerhafte gesetzliche Bundesregelung mit einem Gleichgewicht zwischen Präventions- und Repressionsmassnahmen fordert. Weil der Bund aufgrund der erwähnten Motion der RK-S die rechtzeitige Schaffung einer genügenden Rechtsgrundlage sicherzustellen hat, nahm
er seinerseits ­ in Absprache mit den Kantonen ­ bereits im Verlaufe des Sommers 2006 die Arbeiten für eine neue Verfassungsgrundlage an die Hand, um in jedem Fall eine Auffanglösung vorbereitet zu haben für den Fall, dass eine Konkordatslösung später doch nicht oder nicht rechtzeitig realisiert werden könnte. Dieses rasche Vorgehen drängte sich nicht zuletzt in Anbetracht des knappen Zeitbudgets auf. Es ist jedoch vorgesehen, die 2 3 4

Motion RK S vom 24.1.2006; Massnahmen gegen Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen (06.3004) Motion Joder vom 20.3.2006; Verfassungsgrundlage für Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen (06.3064; vom Nationalrat am 22.6.2007 abgelehnt) Parlamentarische Initiative Berset vom 23.6.2006; Gesetz zur Prävention von Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen (06.454)

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Arbeiten auf Bundesebene einzustellen, wenn eine rechtzeitige Realisierung der Konkordatslösung unmittelbar bevorsteht.

Für die Option Verfassungslösung sieht der Zeitplan des Bundes in Bezug auf das weitere Vorgehen vor, dass das Parlament die Beratung der Vorlage spätestens in der Herbstsession 2008 (d.h. innerhalb nur eines Jahres) abgeschlossen haben müsste, damit die Vorlage in der ersten Hälfte 2009 zur Abstimmung durch Volk und Stände bereit wäre. Bei Annahme der Vorlage würde die neue Verfassungsbestimmung rechtzeitig, d.h. vor Ablauf der drei auf Ende 2009 befristeten Massnahmen im BWIS, in Kraft treten können.

Die Kantone haben sich im Frühjahr 2007 anlässlich einer Sitzung der Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) grundsätzlich für eine Konkordatslösung ausgesprochen. Ein bereinigter Konkordatsentwurf soll bis Mitte November 2007 vorliegen, so dass aus heutiger Sicht angenommen werden kann, dass es den Kantonen gelingt, das Konkordat zu ratifizieren und rechtzeitig vor dem 1. Januar 2010 in Kraft zu setzen.

1.2

Die beantragte Neuregelung

Der Bundesrat schlägt vor, Artikel 68 der Bundesverfassung mit einem vierten Absatz zu ergänzen, der dem Bund die Kompetenz gibt, zur Bekämpfung von Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen Vorschriften zu erlassen. Gleichzeitig soll im BWIS die Befristung der Artikel, welche die Meldeauflage, das Rayonverbot und den Polizeigewahrsam regeln (Art. 24b, 24d und 24e BWIS), aufgehoben werden (Entwurf A). Sollte dagegen die Konkordatslösung gewählt werden, schlägt der Bundesrat hierfür eine zweite Variante (Entwurf B) vor, welche die Aufhebung der erwähnten drei Massnahmen im BWIS sowie die daraus resultierenden redaktionellen Anpassungen ermöglichen würde.

1.3

Die Vernehmlassungsergebnisse in der Übersicht

1.3.1

Generelle Aufnahme

Die Vorlage fand in der Vernehmlassung insgesamt eine gute Aufnahme5. Namentlich sprachen sich die Vernehmlassungsteilnehmer praktisch einhellig für die Schaffung einer dauerhaften, tragfähigen Rechtsgrundlage (Verfassungs- oder Konkordatslösung) für die drei erwähnten Massnahmen aus. Unterschiedliche Meinungen gab es hingegen bei der Frage, ob diese Rechtsgrundlage in der Bundesverfassung oder einem Konkordat zu schaffen sei. Hier überwiegt insgesamt die Meinung, dass die Konkordatslösung ­ sofern sie rechtzeitig zustande komme ­ vorzuziehen

5

Negativ zur ganzen Vorlage äusserten sich nur: Christlich soziale Partei CSP, Referendum BWIS, Demokratische Jurist(inn)en der Schweiz, fanarbeit schweiz, grundrechte.ch.

Die drei letztgenannten sind insbesondere der Ansicht, dass die Umsetzung und die Wirkung der im BWIS verankerten befristeten Massnahmen in den nächsten Jahren erst analysiert werden müssten, bevor eine Verfassungsänderung ins Auge gefasst werden könne.

6469

sei6. Gleichzeitig war der überwiegende Teil der Vernehmlassungsteilnehmer der Ansicht, der Bund solle die Arbeiten für eine Verfassungslösung parallel zu den Bemühungen der Kantone für eine Konkordatslösung weiterführen für den Fall, dass eine solche nicht bzw. nicht rechtzeitig realisiert werden könne.7 Namentlich die Demokratischen Jurist(inn)en der Schweiz sowie fanarbeit schweiz waren der Ansicht, dass eine Regelung des «Einzelphänomens Hooliganismus» auf Verfassungsstufe nicht adäquat sei, weil nach den Zielsetzungen der kürzlichen Totalrevision der Bundesverfassung wirklich nur grundlegende Bestimmungen Verfassungsrang erhalten sollten und die Rechtsgrundlage für die BWIS-Hooliganismus-Massnahmen eindeutig nicht dazu zähle.

1.3.2

Systematische Einordnung der Verfassungsbestimmung

In Bezug auf die systematische Einordnung der Bestimmung in die Bundesverfassung gab es zwei Haltungen: Der weit überwiegende Teil der Vernehmlasser war mit der vorgeschlagenen Einordnung beim «Sportartikel» der BV (Art. 68) im dritten Abschnitt «Forschung, Bildung und Kultur» einverstanden, weil damit verdeutlicht werde, dass das bestehende Kompetenzgefüge zwischen Bund und Kantonen auf dem Gebiet der Sicherheit durch die inhaltliche Beschränkung der neuen Verfassungsbestimmung auf das Hooliganismusproblem grundsätzlich nicht verschoben werden solle. Ausdrücklich begrüsst wurde diese Zuordnung durch die Kantone BE und SH sowie durch die KKJPD. Eine Minderheit der Vernehmlassungsteilnehmer8 war dagegen der Meinung, dass die neue Kompetenznorm bei den Sicherheitsbestimmungen der BV (Art. 57­61) angesiedelt werden solle, weil dieses Thema eindeutig den betreffenden Bereich beschlage und man das auch so durch eine entsprechende systematische Einordnung klar zum Ausdruck bringen solle.

1.3.3

Bemerkungen zum Entwurf der Verfassungsbestimmung

Die vorgeschlagene Formulierung der neuen Verfassungsbestimmung fand grundsätzlich eine gute Aufnahme und es wurde nur wenig Detailkritik geäussert. Der Kanton Graubünden war der Meinung, die Bestimmung greife in ihrer vorgeschlagenen Fassung einerseits zu weit, d.h. sie greife zu sehr in den kantonalen Kompetenzbereich der Polizeihoheit ein, wenn sie auch lokale bzw. innerkantonale Sportveranstaltungen erfasse, welche mit dem kantonalen Polizeirecht zu bewältigen seien. Andererseits greife die Bestimmung zu kurz, wo es um interkantonale Sicherheitsaspekte überhaupt gehe. Diese liessen sich nicht nur auf Sportveranstaltungen 6

7 8

Für eine Bundeslösung ausgesprochen haben sich dagegen die Kantone ZG, VD, UR, ausserdem die SP, der schweiz. Städteverband, der schweiz. Gemeindeverband, die schweiz. Konferenz der Strafverfolgungsbehörden, die Eidg. Kommission für Kinderund Jugendfragen, die Fédération des Entreprises Romandes, der Gewerkschaftsbund, die Swiss Football League, die Fédération des Fan's Clubs Sportifs sowie der Verband schweiz. Sicherheitsunternehmen.

Namentlich die Kt. AG, GL, SG und TG fordern dagegen, die Arbeiten auf Bundesebene seien umgehend einzustellen.

Kantone VD, GR, ZG, CSP sowie schweiz. Konferenz der Strafverfolgungsbehörden.

6470

reduzieren, sondern müssten jede Art von sicherheitsrelevanten Grossveranstaltungen (also neben Sportanlässen auch z.B. Konferenzen, Ausstellungen, Konzerte) mit umfassen, sofern sie sich auf mehrere Kantone auswirkten. Diese Ansicht in Bezug auf den letztgenannten Punkt (Ausdehnung auf alle Arten von interkantonalen sicherheitsrelevanten Grossanlässen) wird auch vom Kanton Basel-Stadt, dem Verband der schweizerischen Datenschutzbeauftragten (privatim) und der Fédération des Entreprises Romandes geteilt.

Einzelne Vernehmlassungsteilnehmer fanden, bei den Hooliganismus-Massnahmen sei das Augenmerk nicht nur auf die repressiven, sondern vermehrt auch auf die präventiven Massnahmen zu richten9; entsprechend sei die Formulierung der Verfassungsbestimmung anzupassen bzw. zu ergänzen. Die Kantone VD und UR sowie die SP verlangen bzw. regen auch eine finanzielle Abgeltung der Kosten bzw. Unterstützung durch den Bund an, wogegen namentlich der Kanton Bern und die SVP auch die privaten Veranstalter stärker in die Pflicht nehmen möchten.

1.3.4

Andere Bemerkungen

Der Kanton Solothurn, die SP sowie die schweizerischen Datenschutzbeauftragten möchten, dass die Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen aus dem Bereich des Staatsschutzes bzw. aus dem BWIS ausgegliedert und in einem anderen Erlass verankert werden, ähnlich wie dies die vorerwähnte parlamentarische Initiative Berset vorsieht. Die Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen hätten direkt nichts mit dem im BWIS geregelten Staatsschutz zu tun und seien in ein anderes Gesetz zu überführen.

1.4

Die Gewichtung der Vernehmlassungsergebnisse

Die Konkordanzlösung wird zwar von der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer bevorzugt. Der weitaus grösste Teil der Vernehmlassungsteilnehmer ist aber gleichzeitig auch der Ansicht, dass die Arbeiten an der vorgeschlagenen Verfassungslösung vorläufig parallel weitergeführt werden sollen, bis klar ist, ob die Konkordatslösung realisiert werden kann. Somit werden die Arbeiten an der Verfassungslösung als Auffangvariante vorderhand weitergeführt.

In Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung und die systematische Einordnung der Verfassungsbestimmung wird angesichts der Vernehmlassungsresultate an der bisherigen Fassung festgehalten; namentlich rechtfertigt es sich aus der Sicht des Bundesrates nicht, die Kompetenz des Bundes auch auf die Förderung der Prävention auszuweiten oder die Norm bei den Sicherheitsbestimmungen der BV (Art. 57­61) einzuordnen.

9

Namentlich die SP, der schweiz. Städteverband, der schweiz. Gemeindeverband, die Eidg. Kommission für Kinder- und Jugendfragen sowie die Fédération des Fan's Clubs Sportifs.

6471

1.5

Weiteres Vorgehen

Den Entscheid, ob bzw. gegebenenfalls wann die Arbeiten an der Verfassungslösung einzustellen sind, wird das Parlament zu treffen haben. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Botschaft durch den Bundesrat (Herbst 2007) haben die Kantone zwar den Grundsatzentscheid zugunsten der Konkordatslösung bereits getroffen, der Entwurf ist aber noch nicht für die Ratifikationsverfahren in den Kantonen bereit.

Dies wird voraussichtlich erst Mitte November 2007 der Fall sein, wenn die KKJPD anlässlich ihrer Herbstversammlung den definitiven Konkordatsentwurf beschliessen und damit den Weg freimachen dürfte für den Start der Ratifikationsverfahren in den Kantonen. Zu diesem Zeitpunkt wird die Botschaft zur Verfassungsbestimmung bereits durch den Bundesrat verabschiedet und das Geschäft im Verantwortungsbereich des Parlaments sein. Die ersten Resultate in Bezug auf das Fortschreiten des Ratifikationsprozesses in den Kantonen dürften ohnehin erst 2008 sichtbar werden; zu einem Zeitpunkt also, in dem sich die Vorlage bereits im fortgeschrittenen Stadium der parlamentarischen Beratung befinden wird. Kommt hinzu, dass das Parlament auch über die (allein in seinem Einflussbereich liegende) parlamentarische Initiative Berset zu befinden haben wird, die ebenfalls eine Bundeslösung favorisiert.

Wichtig und entscheidend wird letztlich sein, dass das Parlament noch vor der Schlussabstimmung über den Bundesbeschluss im Zweitrat definitiv darüber befindet, ob es den Weg über eine Verfassungslösung oder über die Konkordatslösung einschlagen will. Zweckmässigerweise wird es bei dieser Gelegenheit gleich auch über die notwendigen Anpassungen des BWIS befinden. Dem Parlament werden zu diesem Zweck neben dem Entwurf einer Verfassungsbestimmung auch zwei Entwürfe einer Änderung des BWIS unterbreitet ­ den einen für die Verfassungslösung und den anderen für die Konkordatslösung.

Sollte sich das Parlament für die Verfassungslösung entscheiden ­ selbstverständlich immer unter Vorbehalt der späteren Zustimmung von Volk und Ständen ­ müsste in Bezug auf die erforderlichen Änderungen im BWIS namentlich die neu geschaffene Verfassungsnorm (Art. 68 Abs. 4 BV) im Ingress erwähnt und die geltende Befristung in den Artikeln 24b, 24d und 24e BWIS aufgehoben werden (Enwurf A). Sollte sich das Parlament hingegen für die Konkordatslösung
aussprechen, müsste es die verbleibenden Artikel des betreffenden Gesetzesabschnittes im BWIS materiell auf die notwendig werdende Aufhebung der Artikel 24b, 24d und 24e abstimmen.

Betroffen davon wären namentlich die Artikel 24a Absatz 2, Artikel 24c Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 2 sowie die Artikel 24f, 24g und 24h. Ausserdem wäre auch Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe f anzupassen (vgl. Entwurf B).

1.6

Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht

Die Schweiz hat am 24. September 1990 das Europäische Übereinkommen über Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen von Zuschauern bei Sportanlässen, insbesondere bei Fussballspielen10 ratifiziert. Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, Gesetze zu schaffen, welche das Verhängen von Massnahmen zur 10

SR 0.415.3

6472

Verhinderung von Gewalttaten bei Fussballspielen ermöglichen (Art. 1 Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 3 Ziff. 1 Bst. c des Übereinkommens). Die Vertragsstaaten sind zudem nach Artikel 3 Ziffer 4 Buchstabe d des Übereinkommens gehalten, Präventivmassnahmen zu ergreifen, um bekannte Störer von Fussballspielen auszuschliessen. Artikel 1 Absatz 2 des Übereinkommens enthält schliesslich den Hinweis, dass sich die genannten Verpflichtungen nicht nur auf Fussballspiele, sondern auf alle Sportveranstaltungen beziehen.

In Ländern wie England und Deutschland, die vergleichsweise früh mit dem Phänomen Hooliganismus konfrontiert wurden, werden Präventivmassnahmen wie das Rayonverbot, die Meldepflicht oder die Ausreisebeschränkung schon seit längerer Zeit angewendet. Österreich strebt zur Zeit eine mit der schweizerischen Gesetzgebung praktisch identische Lösung an. In den Ländern der Europäischen Union sind rund 8000 nationale Stadionverbote in Kraft, 2000 davon allein in Deutschland.

Die Rechtsgrundlagen ausländischer Massnahmen sind in unterschiedlichen Gesetzeserlassen zu finden. So werden in Deutschland die Ausreisesperren gestützt auf das Passgesetz verfügt, wogegen die Meldeauflagen mangels spezialgesetzlicher Regelung auf die polizeiliche Generalklausel abgestützt werden müssen. England hat dagegen eine Reihe von eigenständigen Rechtsgrundlagen geschaffen (Public Order Act 1986 u.a.).

2

Erläuterungen zur Verfassungsbestimmung

2.1

Art der Verfassungsbestimmung

Die neue Verfassungsbestimmung ermächtigt den Bund, Vorschriften zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung anlässlich von Sportveranstaltungen zu erlassen. Der Bund soll in diesem Bereich die nötigen präventiven und repressiven Massnahmen treffen können, um Gewaltausbrüche an sportlichen Anlässen erst gar nicht entstehen zu lassen oder um solcher Gewaltakte Herr zu werden.

Die neue Verfassungsbestimmung verleiht dem Bund in diesem Sachbereich eine umfassende, nachträglich derogierende Zuständigkeit zur Rechtsetzung.

Wie bereits erwähnt wurde, hat der Bund ­ gestützt auf seine übrigen Kompetenzen im Bereich der Sicherheit ­ schon von seiner Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht, indem er durch Ergänzung des BWIS eine Reihe von Präventivmassnahmen zur Bekämpfung des Hooliganismus erlassen hat. Die neue Norm schafft nun für dieses Massnahmenpaket eine ausdrückliche und dauerhafte Verfassungsgrundlage. Die im BWIS verankerten Massnahmen stehen zweifellos im Vordergrund; die Verfassungsbestimmung öffnet dem Bund jedoch die Möglichkeit, weitere oder andere geeignete Massnahmen zu treffen, um der Gewalt bei Sportveranstaltungen ein Ende zu setzen.

2.2

Systematische Einordnung

Gewalttätige Ausschreitungen, wie sie an sportlichen Anlässen vorkommen, stellen eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Gefährdet sind klassische Polizeigüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum. Angesichts der zu schützenden Rechtsgüter und der mit der Verfassungsänderung verfolgten 6473

Zielsetzung ist die Revisionsvorlage im Wesentlichen dem Sachbereich der inneren Sicherheit zuzuordnen. Die neue Verfassungsbestimmung begründet somit eine Teilkompetenz des Bundes im Bereich der inneren Sicherheit.

Diese Kompetenz ist indessen nach ihrem Zweck ausschliesslich beschränkt auf den Erlass von Vorschriften, die zur Gewaltprävention und für die Bewältigung von akuten Gefahrensituationen in Zusammenhang mit Sportveranstaltungen erforderlich sind. Um dem engen Bezug zum Sport Nachdruck zu verleihen, zum anderen aber auch um die Begrenztheit des Wirkungsfelds des Bundes aufzuzeigen, wird vorgeschlagen, die neue Bestimmung nicht bei den Sicherheitsbestimmungen der Bundesverfassung (Art. 57­61 BV) anzusiedeln, sondern im 3. Abschnitt «Bildung, Forschung und Kultur» bei der entsprechenden Kompetenznorm zum Sport (Art. 68 BV). Indem der Sachzusammenhang mit dem Sport in den Vordergrund gerückt wird, soll letztlich auch dokumentiert und verdeutlicht werden, dass die neue Verfassungsbestimmung durch ihre Beschränkung auf gewalttätige Ausschreitungen im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen das bestehende Kompetenzgefüge zwischen Bund und Kantonen auf dem Gebiet der Sicherheit grundsätzlich nicht verschieben soll.

2.3

Ziele der Verfassungsbestimmung

Sportveranstaltungen, an denen Hooligans und andere Unruhestifter auf den Plan treten, überschreiten regelmässig den Rahmen von regionalen oder kantonalen Anlässen. Entsprechend ist nicht nur die innerkantonale Zusammenarbeit bei der Vorbereitung und Durchführung von einzelnen Sportanlässen gefragt. Vielmehr hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine einheitliche und gezielte Vorgehensweise unter Anwendung von spezifischen Massnahmen und Vorkehren nötig ist, um dem Problem beizukommen.

Mit der vorliegenden Verfassungsbestimmung soll die Grundlage für eine gesamtschweizerische, einheitliche Regelung zur Bekämpfung des Hooliganismus geschaffen werden. Der Bund erhält die Kompetenz, ein kohärentes und umfassendes Massnahmenpaket zur Verhinderung und zur Bewältigung von Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen in Zusammenhang mit Sportanlässen zu erlassen. Damit wird anerkanntermassen eine Lücke bei der Gewaltprävention geschlossen.

Die neue Verfassungsbestimmung erlaubt denn auch eine unveränderte Weiterführung des im BWIS verankerten Massnahmenkonzepts. Insbesondere kann sie als kompetenzbegründende Verfassungsnorm für diejenigen Massnahmen herangezogen werden, deren Rechtmässigkeit bei der Änderung des BWIS umstritten war. Alle Vorschriften zur Bekämpfung des Hooliganismus bleiben somit in einem Bundesgesetz konzentriert und müssen nicht nach Ablauf der Befristung in unterschiedliche Erlasse von Bund (Ausreiseverbot und Hooligan-Datenbank) und Kantonen (Rayonverbot, Meldeauflage, Polizeigewahrsam) aufgesplittet werden.

2.4

Inhalt und Umfang der Verfassungsbestimmung

Im Zentrum der neuen Verfassungsbestimmung steht das Anliegen, den geordneten Ablauf von Sportveranstaltungen sicherzustellen und Gewalttätigkeiten, die in Zusammenhang mit diesen Anlässen stehen, zu verhindern. In materieller Hinsicht 6474

umfasst der Anwendungsbereich von Artikel 68 Absatz 4 BV alle Sportveranstaltungen; es kann sich somit um Anlässe auf internationalem, nationalem oder lokalem Niveau handeln. Damit soll ein Ausweichen auf untere Ligen verhindert werden. Es spielt keine Rolle, ob die Sportanlässe unentgeltlich durchgeführt werden oder ob die Zuschauerinnen und Zuschauer Eintritt bezahlen müssen. Ebenfalls nicht massgebend ist die Sportdisziplin. Ausschreitungen wurden zwar bisher vor allem bei der Austragung von Fussball- und Eishockeyspielen beobachtet, eine Ausweitung auf andere Sportarten ist jedoch nicht ausgeschlossen; entsprechende Tendenzen zeichnen sich etwa bei den Basketballveranstaltungen ab.

Aus der Zielrichtung der Verfassungsbestimmung ergibt sich, dass sich der Bundesgesetzgeber in räumlicher Hinsicht nicht auf Massnahmen in den Austragungsörtlichkeiten selbst beschränken muss. Gewalt und Randale finden nicht nur in den Stadien statt, zumal dort das Sicherheitsdispositiv am grössten ist. Der Konflikt wird anderswo gesucht und so verlagern sich die Gewalttätigkeiten auf den Umkreis von Stadien und in die Innenstädte der Austragungsorte. Auch das «Public Viewing» ­ Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgen gemeinsam live übertragene sportliche Grossereignisse auf Leinwänden an öffentlichen Standorten ­ trägt erfahrungsgemäss dazu bei, dass Ausschreitungen immer häufiger ausserhalb der Sportarenen stattfinden. Die Verfassungsnorm erfasst hingegen nicht Massnahmen, die dazu dienen, den reibungslosen Ablauf von anderen risikobehafteten Grossanlässen in multifunktionellen Sportstadien und -hallen sicherzustellen.

Unter den persönlichen Geltungsbereich der Verfassungsnorm fallen Personen, die als Zuschauerinnen oder Zuschauer an Sportveranstaltungen teilnehmen. Nach dem Gesagten werden aber auch Supporter und Fans erfasst, die sich nicht direkt am Austragungsort aufhalten, sondern in Zusammenhang mit Sportveranstaltungen sonstwo in der Öffentlichkeit für Aufruhr und Gewalt sorgen. Der Bezug der Gewalttätigkeiten zu einem bestimmten Sportanlass wird jeweils durch die zeitliche und thematische Nähe zum Sportereignis hergestellt. Die Verfassungsnorm ist demgegenüber nicht darauf ausgerichtet, Gewalt unter Sportlerinnen und Sportlern sowie anderen Akteuren von Sportveranstaltungen (Trainerinnen und Trainern, Sportfunktionärinnen und ­funktionären etc.) einzudämmen.

3

Erläuterungen zum BWIS

Inhaltlich und redaktionell entsprechen die Artikel des Entwurfes A exakt denjenigen im geltenden Gesetz; einzig die zeitliche Befristung wird aufgehoben. Die unbefristeten Artikel würden zum Zeitpunkt des Auslaufens der Geltungsdauer der bisherigen befristeten Massnahmen in Kraft treten ­ sofern sich das Parlament bzw.

das Volk und die Stände ebenfalls für die Verfassungslösung entscheiden würden.

Ausserdem würde der Ingress des BWIS mit der neuen Verfassungsbestimmung ergänzt. Der Entwurf B ist für den Fall des Zustandekommens des Konkordats vorgesehen. In diesem Fall wäre der entsprechende Gesetzesabschnitt des BWIS sowie Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe f redaktionell an die Aufhebung der Artikel 24b, 24d und 24e anzupassen.

6475

4

Auswirkungen

4.1

Auswirkungen auf den Bund

Für den Bund sind weder bei der Verfassungslösung noch bei der Revision des BWIS zusätzliche Kosten zu erwarten, sieht man einmal vom finanziellen bzw.

personellen Aufwand für die Durchführung einer Volksabstimmung ab. Die finanziellen und personellen Folgen für den Vollzug der heute im BWIS verankerten Hooliganismus-Massnahmen sind bereits früher in der Botschaft zur Teiländerung des BWIS im Zusammenhang mit den «Hooliganismus»-Massnahmen dargestellt worden (BBl 2005 5613 ff).

4.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden

Die im BWIS verankerten Massnahmen gegen den Hooliganismus, für die mit der vorgeschlagenen Verfassungsnorm eine Grundlage geschaffen werden soll, sind bereits am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Die Präventivmassnahmen werden die Kantone indessen erst mittel- bis längerfristig entlasten. Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass die kantonalen Strafverfolgungsbehörden kurz- bis mittelfristig sogar eine Mehrbelastung verzeichnen werden. Dabei muss allerdings der behördliche Aufwand, der den Kantonen durch den Vollzug der neuen Massnahmen entsteht, im Verhältnis zu jenem Aufwand beurteilt werden, der bei den Sportveranstaltungen bis anhin verursacht wurde (Polizeieinsätze, Personen- und Sachschäden etc.). In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass im Falle der Annahme der Verfassungsbestimmung eine Teilkompetenz ­ auch wenn sie nur auf den Bereich des Sports beschränkt ist ­ an den Bund verschoben würde, welche traditionellerweise den Kantonen zugeordnet ist. Aus diesem Grund würde es der Bundesrat vorziehen, wenn das Parlament auf die Verfassungsbestimmung verzichten würde, sofern es den Kantonen gelingt, rechtzeitig vor Ende 2009 ein entsprechendes Konkordat zu realisieren.

4.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen haben keine nennenswerten Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Können mit den im BWIS vorgesehenen Präventivmassnahmen die angestrebten Ziele erreicht werden, wird das lokale Gewerbe in den Austragungsorten von nationalen Sportanlässen mit weniger Sachbeschädigungen durch Hooligans rechnen können.

6476

5

Verhältnis zur Legislaturplanung und zum Finanzplan

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislatur- und Finanzplanung 2003­200711 nicht angekündigt. Der Auftrag zur Schaffung einer Verfassungsgrundlage, die dem Bund die Kompetenz verleiht, Massnahmen zur Bekämpfung des Hooliganismus zu ergreifen, wurde erst nach der Verabschiedung der Legislaturplanung und des Finanzplans 2003­2007 erteilt.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

6.1.1

Bestehende Zuständigkeiten des Bundes im Bereich der inneren Sicherheit

Regelungen, die darauf ausgerichtet sind, die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung an Sportanlässen sicherzustellen, beschlagen den Sachbereich der inneren Sicherheit. Bei der Wahrung der inneren Sicherheit handelt es sich um eine Staatsaufgabe, die im Wesentlichen in die originäre Kompetenz der Kantone fällt.

Nach geltendem Verfassungsrecht verfügt der Bund im Bereich der inneren Sicherheit lediglich über einige sektorielle oder fragmentarische Kompetenzen, die ihn nur bedingt zum Erlass von Vorschriften zur Verhinderung und Bekämpfung der Gewalt in Zusammenhang mit Sportanlässen ermächtigen. Insbesondere kommt dem Bund nur in einem engen Rahmen die Befugnis zu, auf diesem Gebiet Präventivmassnahmen zu erlassen.

So enthält die Bundesverfassung diverse Bestimmungen, die dem Bund ausdrücklich gewisse Gesetzgebungszuständigkeiten zuweisen, die für einzelne Teilbereiche oder Aspekte der inneren Sicherheit relevant sind. Dazu gehört u.a. Artikel 123 BV, der dem Bund im Bereich des Strafrechts eine umfassende Rechtsetzungsbefugnis verleiht. Gestützt auf seine Strafrechtskompetenz kann der Bund Regelungen erlassen, um strafwürdige Handlungen, die bei Ausschreitungen an Sportveranstaltungen verübt werden, zu pönalisieren. Die Strafrechtskompetenz ermächtigt den Bund hingegen nicht, Massnahmen zu ergreifen, um die potentielle Täterschaft an der Verübung von Straftaten zu hindern. Für Massnahmen mit individualpräventiver Stossrichtung, die nach heutigem Erkenntnisstand im Vordergrund stehen und die denn auch anlässlich der Teiländerung des BWIS eingeführt wurden, kann Artikel 123 BV nicht als Verfassungsgrundlage herangezogen werden.

In einem eng begrenzten Sinn verleiht auch Artikel 57 Absatz 2 BV dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz im Bereich der inneren Sicherheit. Eine Rechtsetzungskompetenz in Zusammenhang mit der in Artikel 57 Absatz 2 BV statuierten Koordinationspflicht ist indessen nur dann gegeben, wenn es sich um Sicherheitsbelange handelt, die mindestens teilweise in die Zuständigkeit des Bundes fallen und die aus dessen Sicht eine Koordination unter Einbezug oder Leitung des Bundes erfordern.

Die Zuständigkeit des Bundes darf dabei nicht marginale Bedeutung haben. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Bund in Ausübung der auf Artikel 57 Absatz 2 BV gestützten Gesetzgebungskompetenz auch Belange regeln, die an sich 11

BBl 2004 1149

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in den Zuständigkeitsbereich der Kantone fallen. Da die Norm nur in diesem engen Sinne für den Bund als kompetenzbegründend erachtet wird, kann Artikel 57 Absatz 2 BV in der Regel nicht als Verfassungsgrundlage für Massnahmen gegen Gewalt an Sportveranstaltungen herangezogen werden. Bei der Einführung des Massnahmenpakets zur Bekämpfung der Gewalt in Zusammenhang mit Sportveranstaltungen wurde denn auch einzig die Schaffung einer nationalen HooliganDatenbank auf die Koordinationskompetenz des Bundes gemäss Artikel 57 Absatz 2 BV abgestützt12.

Ebensowenig können die beiden als Organkompetenzen ausgestalteten Verfassungsbestimmungen Artikel 173 Absatz 1 Buchstabe b BV (Massnahmen der Bundesversammlung zur Wahrung der inneren Sicherheit) und Artikel 185 Absatz 2 BV (Massnahmen des Bundesrates zur Wahrung der inneren Sicherheit) vorliegend zum Tragen kommen. Diese Normen ermächtigen den Bund ausschliesslich bei ausserordentlichen Umständen tätig zu werden und fallen somit als Instrumente zur Bekämpfung der normalerweise auftretenden Ausprägungen des Hooliganismus ausser Betracht.

Mit der neuen Verfassungsbestimmung wird dem Bund daher eine (weitere) ausdrückliche Teilkompetenz im Bereich der inneren Sicherheit zugewiesen, die ihm die Befugnis einräumt, geeignete Massnahmen im Kampf gegen den Hooliganismus zu ergreifen.

6.1.2

Verhältnis der neuen Verfassungsbestimmung zu den bestehenden Zuständigkeitsnormen

Wie bereits erwähnt, wird der Bund durch andere, schon vorhandene Zuständigkeitsnormen in der Verfassung in einem begrenzten Mass ermächtigt, auf dem Gebiet der inneren Sicherheit gewisse Teilbereiche zu normieren. Diese Teilzuständigkeiten bleiben auch nach Schaffung einer spezifischen Zuständigkeitsnorm zur Regelung des Hooliganismusproblems bestehen. Gilt es aber Massnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung der Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen zu ergreifen, geht die neue Verfassungsbestimmung den bestehenden Kompetenznormen grundsätzlich vor.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Sowohl die neue Verfassungsbestimmung als auch die beiden Entwürfe zur Revision des BWIS (Entwürfe A und B) stehen in Bezug auf die allgemeine Zielrichtung im Einklang mit dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte13 und der EMRK14. Im Einzelnen wird beim Erlass der Ausführungsgesetzgebung auf die Übereinstimmung mit diesen völkerrechtlichen Vorgaben wie auch auf die Grundrechtskonformität der zu erlassenden Bestimmungen geachtet werden müssen.

12 13 14

BBl 2005 5638 Pakt II; SR 0.103.2 SR 0.101

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Weiter werden mit der Verfassungsbestimmung und der Teiländerung des BWIS die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Bund bei der Umsetzung der Vorgaben des Europäischen Übereinkommens über Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen von Zuschauern bei Sportanlässen, insbesondere bei Fussballspielen15, eine aktive Rolle übernehmen kann. Das Übereinkommen, welches die Schweiz im Jahre 1990 ratifiziert hat, bezweckt die Harmonisierung der Sicherheitsstandards innerhalb von Europa und verpflichtet die Vertragsstaaten, Gesetze zu schaffen, welche Massnahmen zur Verhinderung von Gewaltakten bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen ermöglichen. Den Vertragsstaaten obliegt im Weiteren die Pflicht, Massnahmen zum Ausschluss von bekannten Hooligans zu treffen.

Die Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen erfolgt nach Massgabe der innerstaatlichen Kompetenzausscheidung. Mit der in der neuen Verfassungsbestimmung vorgesehenen Kompetenzzuweisung ist die Verwirklichung des Übereinkommens in gesetzgeberischer Hinsicht vornehmlich Sache des Bundes.

6.3

Erlassform

Die Verfassungsänderung untersteht dem obligatorischen Referendum; sie muss daher zu ihrer Gültigkeit von Volk und Ständen angenommen werden (Art. 140 Abs. 1 Bst. a BV). Bei der Wahl der Verfassungslösung müssen die drei gegenwärtig noch befristeten Massnahmen Rayonverbot, Meldeauflage und Polizeigewahrsam in einem formellen Gesetz verankert werden, was beim BWIS der Fall ist. Dasselbe gilt für die notwendigen Gesetzesänderungen im Fall der Wahl der Konkordatslösung. Die erforderlichen Änderungen des BWIS unterstehen in jedem Fall dem fakultativen Referendum.

15

SR 0.415.3

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