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Schweizerisches Bundesblatt.

66. Jahrgang.

16. Dezember 1914.

Band IV.

Jahrespreis (postfrei in der ganzen Schweiz) : 10 Franken, ' Einrückunggebühr : 15 Rappen die Zeile oder deren Raum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli & Öle. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914 getroffenen Massnahmen.

(Vom 1. Dezember 1914.)

Gemäss Art. 5 des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914, betreffend Massnahmen zum Schütze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität, hat der Bundesrat der Bundesversammlung bei ihrem nächsten Zusammentritt über den Gebrauch, den er von den ihm erteilten unbeschränkten Vollmachten gemacht haben wird, Rechenschaft abzulegen.

Wir bedauern, dass die äussern Verhältnisse uns in der Berichterstattung, vorab über die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Fragen eine weitgehende Zurückhaltung auferlegen, und dass über die finanziellen Folgen der getroffenen Massnahmen im jetzigen Zeitpunkte nur sehr summarische Mitteilungen möglich sind. Der Bericht nimmt dadurch naturgemäss den Charakter eines blossen Zwischenberichtes an, und es wird wohl auch die parlamentarische Behandlung zweckmässig auf den Zeitpunkt verschoben, wo nach Beendigung des Krieges eine vollständige und rückhaltlose Erörterung der Verhältnisse möglich sein wird.

I.

Schon als der Bundesrat am 1.August die Mobilmachung der Armee verfügte, hat er seine Vertreter bei fremden Regierungen angewiesen, diesen mitzuteilen, dass das Aufgebot einzig Bundesblatt. 66. Jahrg. Bd. IV.

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zum Schütze unserer Neutralität und der Unverletzbarkeit unseres Gebietes erfolge.

In Ihrem Beschlüsse vom 3. August haben Sie den festen Willen des Landes erklärt, in den bevorstehenden kriegerischen Ereignissen seine Neutralität zu wahren und den Bundesrat ermächtigt, hierüber eine angemessene Kundgebung an die kriegführenden Staaten und die Mächte, welche die Neutralität der Schweiz und die Unverletzbarkeit ihres Territoriums anerkannt haben, zu erlassen.

Wir haben am 4. August nachstehende Neutralitätserklärung beschlossen : ,,Angesichts des zwischen mehreren europäischen Mächten ausgebrochenen Krieges hat die Schweizerische Eigenossenschaft, getreu ihrer Jahrhunderte alten Überlieferung, den festen Willen, von den Grundsätzen der Neutralität in keiner Weise abzuweichen, die dem Schweizervolke so teuer sind und so sehr seinen Bestrebungen, seiner innern Einrichtung, seiner Stellung gegenüber den ändern Staaten entsprechen und die die Vertragsmächte vom Jahre 1815 ausdrücklich anerkannt haben.

Im besondern Auftrage der Bundesversammlung erklärt der Bundesrat daher ausdrücklich ^ dass die Schweizerische Eidgenossenschaft während des bevorstehenden Krieges mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln ihre Neutralität und die Unverletzbarkeit ihres Gebietes, so wie sie durch die Verträge vom Jahre 1815 anerkannt worden sind, aufrechterhalten und wahren wird.

Mit Bezug auf die Gebietsteile von Savoyen, die laut der Erklärung der Mächte vom 29. März 1815, der Wiener Schlussakte vom 9. Juni 1815, der Beitrittserklärung der schweizerischen Tagsatzung vom 12. August 1815, des Pariser Vertrages vom 20. November 1815 und der Urkunde über die Anerkennung uud Gewährleistung der schweizerischea Neutralität vom nämlichen Tage, auf gleiche Weise der Neutralität teilhaftig sind, als wären sie Bestandteile der Schweiz, Bestimmungen, welche Frankreich und Sardinien im Art. 2 des Turiner Vertrages vom 24. März 1860 neuerdings anerkannt haben, glaubt der Bundesrat darauf hinweisen zu müssen, dass der Schweiz das Recht zusteht, diese Gebietsteile zu besetzen. Der Bundesrat würde von diesem Rechte Gebrauch machen, wenn die Verhältnisse es zur Sicherung der Neutralität und der Unverletzbarkeit des Gebietes der Eidgenossenschaft erforderlich erscheinen Hessen ; er wird indessen nicht ermangeln, die in den genannten Verträgen enthaltenen Beschränkungen, namentlich in betreff der Verwaltung dieses Gebietes, gewissenhaft zu beobachten ; er wird bestrebt sein, sich

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darüber mit der Regierung der französischen Republik zu verständigen.

Der Bundesrat ist fest überzeugt, dass diese Erklärung von den kriegführenden Mächten, sowie von den ändern Staaten, die den Vertrag von 1815 unterzeichnet haben, als Ausdruck der altherkömmlichen Anhänglichkeit des Schweizervolkes an den Neutralitätsgedanken und als gewissenhafte Bekräftigung der für die Schweizerische Eidgenossenschaft aus den Wiener Verträgen sich ergebenden Verhältnisse mit Wohlwollen entgegengenommen werden wird."

Diese Erklärung ist denjenigen Staaten, die 1815 die Unverletzbarkeit und Neutralität der Schweiz anerkannt haben, sowie einigen ändern Staatsregierungen amtlich mitgeteilt und den Kantonsregierungen mittelst "Kreisschreibens zur Kenntnis gebracht worden.

Schon in den ersten Tagen, als sich die gegenseitigen Beziehungen der heutigen kriegführenden Staaten zu trüben begannen, haben sowohl der Vertreter von Deutschland als derjenige von Frankreich spontan und wiederholt auf das bestimmteste erklärt, dass seine Regierung die Neutralität der Schweiz in dem bevorstehenden Kriege aufs gewissenhafteste respektieren werde.

Auf unsere Notifikation vom 4. August sind von diesen beiden Staaten folgende Erklärungen abgegeben worden : Von D e u t s c h l a n d : ,,Der unterzeichnete Kaiserlich deutsche Gesandte beehrt ,,sich, dem .hohen Bundesrat namens seiner Regierung folgende ,,Erklärung ganz ergehenst abzugeben: ,,Die Kaiserliche Regierung hat die an die Signaturmächte ,,der Verträge von 1815 unter dem 4. August d. J. ergangene ,,Zirkularnote zu empfangen die Ehre gehabt, derzufolge der hohe ,,Schweizerische Bundesrat erklärt, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft während des gegenwärtigen Krieges mit allen ihr ,,zu Gebote stehenden Mitteln ihre Neutralität und die Unverletz^ ,,barkeit ihres Gebietes aufrechterhalten und wahren wird.

,,Die Kaiserliche Regierung hat von dieser Erklärung mit ,,aufrichtiger Genugtuung Kenntnis genommen und vertraut darauf, ,,dass die Eidgenossenschaft, gestützt auf ihr kraftvolles Heer ,,und den unbeugsamen Willen des gesamten Schweizervolkes, ,,jede Verletzung ihrer Neutralität zurückweisen wird.

,,Die Kaiserliche Regierung erneuert bei diesem Anlasse ihre ,,bereits vor Ausbruch des Krieges dem hohen Bundesrat ab,,gegebene feierliche Versicherung, dass das Deutsche Reich die

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,,Neutralität der Schweiz auf das peinlichste beobachten wird.

,,Das aufrichtige Vertrauensverhältnis, das von jeher »wischen den ,,beiden benachbarten Ländern bestanden hat, bürgt dafür, dass ,,auch während des Krieges diese Beziehungen unverändert fort,,bestehen werden.

,,Der Unterzeichnete benützt den Anlass etc.

sig. Romberg."

Von Frankreich: ,,Le Ministre des Affaires Etrangères au Ministre de Suisse.

,,Monsieur le Ministre, ,,J'ai l'honneur de vous accuser réception de la déclaration ,,de neutralité du Gouvernement helvétique que vous m'avez ,,notifiée à la date du 5 de ce mois, et je prends acte de cette ,,communication.

,,En ce qui le concerne, le Gouvernemeat de la République ,,ne manquera pas d'observer scrupuleusement les dispositions des ,,traités concernant la neutralité de la Confédération helvétique.

,,Quant à la zone de Savoie, dont la neutralité est prévue ,,par les traités de 1815 et 1860, le Gouvernement de la République croit devoir rappeler au Gouvernement de la Confédération ,,que les conditions de l'intervention éventuelle de la Suisse en ,,vue d'assurer cette neutralité devraient, d'après l'Acte d'accep,,tation du traité de Vienne en date du 12 août 1815, être l'objet ,,d'un accord entre la France et la Suisse.

,,Agréez . . . .

sig. Gaston Doumergue.

Da der Schlussatz der Note die Auslegung zuliess, dass die französische Reaierune die Geltendmachuna; des schweizerischen Besetzungsrechtes von der vorgängigen Verständigung der beiden Regierungen abhängig machen möchte, so sahen wir uns veranlasst, dem gegenüber unsern Standpunkt in einer Note zu wahren. Dies um so mehr, als auch im Jahre 1870 eine Erörterung dieser Frage an unsere Neutralitätserklärung geknüpft worden war.

Unsere Note hat folgenden Wortlaut: ,,Monsieur le Ministre, ,,Le Conseil fédéral, auquel je m'étais m'empresse de com,,muniquer la teneur de la note que Votre Excellence m'a fait ,,l'honneur de m'adresser en date du 8 de ce mois, a pris con,,naissance avec une vive satisfaction de la déclaration renouvelée ,,par le Gouvernement de la République que celui-ci ne manquera ,,pas d'observer scrupuleusement les dispositions des traités qui ont ,,reconnu la neutralité de la Suisse.

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,,Quant à la neutralité de la Haute-Savoie, le Conseil fédéral ,,est d'avis qu'il a d'autant moins de motifs de se livrer, dans le ,,moment actuel, à l'examen développé des divers aspects juridiques ,,de la question que l'éventualité d'une occupation est éloignée.

,,Le Conseil fédéral se contente de réserver et de sauvegarder les ,,droits qui sont assurés à la Suisse par les traités internationaux; ,,il se permet toutefois de faire remarquer que, même d'après le ,,texte, invoqué par le Gouvernement de la République, de l'acte ,,d'accession de la Suisse du 12 août 1815, le droit d'occuper, le ,,cas échéant, la Savoie ne dépend pas de la conclusion parfaite ,,d'accords préalables entre les deux Gouvernements.

,,Agréez . . . .

sig. Lardy.

Der französische Minister des Äussern beantwortete diese Note mit folgendem Schreiben : ,,J'ai l'honneur de vous accuser réception de votre dépêche ,,du 26 de ce mois.

,,En ce qui concerne la neutralité de la Haute-Savoie, le ,,Gouvernement de la République, tout en réservant actuellement ,,sa manière de voir, estime qu'il n'a pas plus de motifs que le ,,Gouvernement Fédéral pour se livrer dans les circonstances ,,présentes à l'examen développé des divers aspects juridiques de ,,cette question."

In der Sache selbst können wir heute so wenig als 1870 zugeben, dass der Bundesrat verpflichtet wäre, ohne vorherige Verständigung mit der französischen Regierung nicht zur Besetzung der savoyischen Provinzen zu schreiten. Selbstverständlich würde sich im gegebenen Falle der Bundesrat mit der französischen Regierung über die Modalitäten der Besetzung zu verständigen suchen, aber das Recht der Besetzung kann von dem Zustandekommen einer solchen Verständigung nicht abhängig sein. Es ist nicht daran zu zweifeln, dass die französische Regierung, wenn diese Frage zwischen den beiden Staaten einmal gründlich erörtert werden sollte, sich unserer Auffassung anschliessen wird.

Von Ö s t e r r e i c h - U n g a r n wurde unsere Neutralitätserklärung mit nachfolgender Note beantwortet: ,,Der ergebenst gefertigte k. u. k. österreichisch-ungarische ,,ausserordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister ist be,,auftragt, zur Kenntnis des hohen Schweizerischen Bundesrates zu ,,bringen, dass der Empfang der vom Gesandten Herrn Choffat ,,am 5. ds. Mts. überreichten schweizerischen Neutralitätserklärung ,,seitens der k. u. k. Regierung am 13. ds. Mts. zunächst schriftlich

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,,bestätigt wurde, worauf dann noch auf mündlich angebrachtes ,,Ansuchen des Herrn Gesandten in einer ergänzenden Note am ,,17. dt. Mts. die Versicherung abgegeben wurde, dass Österreich,, Ungarn die Neutralität der Schweiz selbstverständlich anerkennen ,,und respektieren werde.

,,Der ergebenst Unterzeichnete benutzt usw.

sig. M. Gagern.

I t a l i e n , das zwar weder zu den Garantiemächten von 1815 noch zu den kriegführenden Staaten gehört, hatte die Gelegenheit der Notifikation unserer Neutralitätserklärung ergriffen, um auch seinerseits die Anerkennung der schweizerischen Neutralität auszusprechen. Es führte dies zu nachstehendem Notenwechsel: ,,Par note du 5 de ce mois, la Légation de Suisse à Rome ,,a bien voulu porter à la connaissance du Ministère des Affaires ,,Etrangères le texte de la déclaration de neutralité faite par la ,,Confédération suisse en raison de l'état de guerre existant entre ,,plusieurs Puissances européennes.

,,Le Gouvernement de Sa Majesté, en informant le soussigné ,,de ce qui précède, vient de le charger de déclarer au Conseil ,,fédéral que, quoique l'Italie ne soit pas une des Puissances ,,signataires de l'Acte du 20 novembre 1815, portant reconnais,,sance et garantie de la neutralité perpétuelle de la Suisse et de ,,l'inviolabilité de son territoire, le Gouvernement du Roi s'est ,,toujours inspiré des principes consacrés par cet Acte et est ,,fermement résolu à observer cette attitude à l'avenir.

,,Le soussigné saisit . . . etc.

sig. Paulucci de'Calboli."

,,Par note du 19 de ce mois, la Légation de Sa Majesté le ,,Roi d'Italie, au nom de son Gouvernement, a bien voulu porter ,,à la connaissance du Conseil fédéral que, tout en n'étant pas ,,une des Puissances signataires de l'Acte du 20 novembre 1815, ,,portant reconnaissance et garantie de la neutralité perpétuelle de ,,la Suisse et de l'inviolabilité de son territoire, l'Italie s'est ,,toujours inspirée des principes consacrés par cet Acte et que ,,le Gouvernement du Roi est fermement résolu à observer cette ,,attitude à l'avenir.

,,Le Conseil fédéral remercie le Gouvernement de Sa Majesté ,,le Roi d'Italie de cette déclaration à laquelle il est d'autant ,,plus sensible que, se basant sur une politique conforme aux ,,traditions et à la volonté du peuple suisse et résolu de défendre

713 ,,de toute sa force l'intégrité de son territoire contre tout agres,,seur, il continuera à observer une neutralité absolue à l'égard ,,de qui que ce soit."1 ,,En priant sou Excellence Monsieur le Ministre d'Italie de ,,vouloir porter ce qui précède à la connaissance du Gouvernement ,,Royal, le soussigné saisit cette occasion . . . etc.

sig. Hoffmann."

Die ü b r i g e n M ä c h t e erwiderten unsere Kundgebung der Neutralität, indem sie notifizierten, dass davon Akt genommen worden sei.

Der Kundgebung an die Mächte Hessen wir einen Aufruf an das Schweizervolk folgen, in dem wir erklärten, die kraft des freien Bestimmungsrechtes des Volkes gewählte Richtlinie unserer Politik, getreu unsero Traditionen und im Sinne der internationalen Verträge einhalten und daher vollständige Neutralität bewahren zu wollen. Die aus diesem leitenden Grundsatze sich ergebenden Pflichten haben wir in der V e r o r d n u n g b e t r e f f e n d H a n d h a b u n g d e r N e u t r a l i t ä t d e r S c h w e i z zusammengefasst und deren Bestimmungen den Kantonsregierungen zur verständnisvollen Handhabung empfohlen.

Die Erfahrungen, die wir in den ersten zwei Monaten des Krieges machten, veranlassten uns, am 1. Oktober uns mit einem zweiten Aufrufe an das Schweizervolk zu wenden. Wir forderten die Bürger auf, in der Beurteilung der Ereignisse, in der Äusserung der Sympathien für die einzelnen Nationen sich möglichste Zurückhaltung aufzuerlegen, alles zu unterlassen, was die in den Krieg verwickelten Staaten und Völker verletzt, und eine einseitige Parteinahme zu vermeiden. Dabei leitete uns nicht nur das Staatsinteresse, die Pflichten, die die Neutralität in diesem Kriege uns auferlegt, getreu zu erfüllen und damit die guten Beziehungen unseres Landes zu den übrigen Staaten zu erhalten, sondern vor allem das Lebensinteresse unseres Staatswesens an kraftvoller Geschlossenheit und unerschütterlicher Einheit. Wir erbaten uns in der Verteidigung dieser Einheit gegen zentrifugale Strömungen vor allem auch die Mitarbeit unserer Presse und haben mit unserm Appell bei einem grossen Teile derselben verständnisvolle Aufnahme gefunden.

Gegen diejenigen Pressorgane, welche die Pflichten einer patriotischen Presse nicht verstehen wollten, sondern die guten

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Beziehungen unseres Landes zu ändern Mächten gefährdeten und deren Schreibweise mit der neutralen Stellung der Schweiz nicht vereinbar war, beschlossen wir, gestützt auf Art. 102, Ziffer 8, der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesbeschlusses betreffend Massnahmen zum Schütze des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neutralität, vom 3. August 191.4, von Fall zu Fall auf administrativem Wege vorzugehen und diese Blätter zu verwarnen, hei besonders schweren Ausschreitungen im weitern Erscheinen für die Dauer des Krieges einzustellen. Von diesem Rechte haben wir einen sehr bescheidenen Gebrauch gemacht, nur zwei Zeitungen ist das weitere Erscheinen verboten, fünf Blätter sind verwarnt worden.

Wir haben es uns im übrigen zur Pflicht gemacht, mit der Presse in diesen ernsten Zeiten nach Möglichkeit in Fühlung zu bleiben, und alle die verdienstlichen Anstrengungen, welche gemacht wurden, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der verschiedenen Landesteile zu stärken und über alle Gegensätze hinweg eine acht schweizerische Gesinnung zu pflanzen und zu erhalten, nach Kräften unterstützt.

Es gehört zu den Prärogativen eines neutralen Landes, mitten im furchtbaren Kampfe der Völker die Stimme der Humanität zu erheben und zur Linderung der Kriegsnot beizutragen.

Die Schweiz ist das Geburtsland der Internationalen Übereinkunft zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Heere im Felde, welche Konvention aufs neue ihre segensreichen Folgen gezeitigt hat. Ein neues Feld der Tätigkeit ist den Organen des Roten Kreuzes in der A u s k u n f t s v e r m i t t l u n g ü b e r K r i e g s g e f a n g e n e eröffnet worden. Die Haager Konvention betreffend Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkrieges sieht in Art. 14 vor, dass bei Ausbruch der Feindseligkeiten in jedem der kriegführenden Staaten und eintretenden Falles in den neutralen Staaten, die Angehörige eines der Kriegführenden in ihr Gebiet aufgenommen haben, eine Auskunftsstelle über die Kriegsgefangenen errichtet werden solle. Diese ist berufen, alle die Kriegsgefangenen betreffenden Anfragen zu beantworten, und erhält von den zuständigen Dienststellen alle Angaben über die Unterbringung und deren Wechsel, Freilassungen, Austausch, Entweichungen, Aufnahme in die Hospitäler, Sterbefälle etc.

In Art. 15 der genannten Konvention wird die Tätigkeit von

715 Hülfsgesellschaften für Kriegsgefangene, als Vermittler der freiwilligen Nächstenhülfe, in der Verteilung von Liebesgaben vorgesehen. Eine Zentralvermittlungsstelle war indessen in der Haager Konvention nicht vorgesehen.

Diese Lücke wollte dadurch ausgefüllt werden, dass in der neunten Rotkreuzkonferenz in Washington im Jahre 1912 der Wunsch ausgedrückt wurde, die als naturgemässe Organe zur Unterstützung der Kriegsgefangenen berufenen Rotkreuzvereine der einzelnen Staaten möchten schon in Friedenszeiten Spezialkommissionen einsetzen, die im Kriegsfalle mit dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes in Genf als Sammel- und Verteilungsstelle für Liebesgaben in Verbindung zu treten hätten.

Diese zentrale Sammel- und Verteilungsstelle, das Internationale Komitee in Genf, hat sich gleich bei Beginn der Kriegswirren konstituiert und hat auch als reine Auskunftsstelle und behufs Vermittlung von Nachrichten in segensreicher Weise gewirkt. Ihm werden z. B. die Listen der Kriegsgefangenen der auf dem westlichen Kriegsschauplatze beteiligten Staaten übermittelt, und seine Tätigkeit auch als reine Auskunftsstelle ist um so nötiger und verdienstlicher, als die Kriegführenden bei den gewaltigen Massen von Kriegsgefangenen völlig ausserstande wären, etwas anderes als die Aufstellung und den Austausch der Kriegsgefangenenlisten zu besorgen, während die Verwertung dieser Listen für die Auskunft an Angehörige und die Vermittlung der Liebesgaben der freiwilligen Hülfe überlassen werden muss. Von der Ausdehnung des Verkehrs, der der Sammelstelle in Genf obliegt, gibt einen Begriff der Umstand, dass schon jetzt täglich zirka 15,000 Briefe und Anfragen erledigt werden müssen.

Im Zusammenhange damit steht, da den Kriegsgefangenen der direkte Korrespondenzverkehr mit ihren Angehörigen gestattet ist, die Vermittlung dieses Verkehrs, soweit er die französischen Kriegsgefangenen in Deutschland und die deutschen in Frankreich betrifft, durch die schweizerische Postverwaltung. Zurzeit laufen täglich etwa 150,000 Briefe von Gefangenen und deren Angehörigen in Bern ein. Der ganze Verkehr, zu dessen Bewältigungzurzeit über 100 Beamte erforderlich sind, wird unentgeltlich besorgt ; ebenso ist der Genfer Agentur für Kriegsgefangene Portofreiheit bewilligt.

Endlich hat der Bundesrat auch den im Felde stehenden Deutschen und Franzosen für ihren Briefverkehr mit ihren Angehörigen in der Schweiz die Portofreiheit eingeräumt.

716 Zu den Opfern des Krieges gehören auch diejenigen Personen, die bei Beginn der Mobilisation in einem kriegführenden Staate sich befanden und zwangsweise daselbst zurückbehalten wurden. Nicht nur sind sie selbst in ihrer Bewegungsfreiheit behindert, zum Teil gemeinsam an bestimmten Orten untergebracht, sondern sie sind auch vielfach aller Existenzmittel bar und meist jeder Verbindung mit ihren Angehörigen, Verwandten und Freunden im Heimatstaate beraubt. Wir haben es als in unserer Aufgabe liegend erachtet, das Mögliche zur Beseitigung oder Besserung dieser traurigen Verhältnisse zu tun, dadurch, dass, soweit die uns umgebenden Staaten in Betracht kommen, bei der Rückführung dieser Z i v i l i n t e r n i e r t e n in ihr Heimatland Mithülfe geleistet wird. Die deutsche, französische und österreichische fiegierung haben eingewilligt, die Zivilinternierten, mit Ausnahme der im Alter von 17--60 Jahren stehenden männlichen Landesangehörigen, heimzuschaffen. Ein unter der Leitung unseres Politischen Departements stehendes Bureau vermittelt diese Rückbeförderung. Neuestens werden auch die männlichen Personen im Alter von 17-- 60 Jahren heimbefördert, wenn sie offenbar waffenunfähig sind.

Noch andere Aufgaben der Hülfsbereitschaft für die Opfer des Krieges sind gegenwärtig im Studium begriffen und wir hoffen zuversichtlich, dass der Schweiz Gelegenheit geboten werde, sich an deren Lösung zu beteiligen.

Die Ausdehnung, die der Krieg genommen, die Schärfe, die ihm eignet und die Massnahmen, die in den verschiedenen Ländern gegen die zivile feindliche Bevölkerung ergriffen wurden, haben es mit sich gebracht, dass teils infolge Irrtum über die Staatsangehörigkeit, teils direkt durch die kriegerische Aktion eine Reihe schweizerischer Staatsangehöriger durch widerrechtliche Gefangennahme, durch unstatthafte Internierung, durch Zerstörung oder Beschädigung ihres Eigentums schwer in Mitleidenschaft gezogen und geschädigt worden sind ; in zwei uns bekannt gewordenen Fällen wurden sogar Schweizer standrechtlich erschossen. Wir haben die Verumständungen, unter denen diese Eingriffe erfolgten, nach Möglichkeit festzustellen gesucht und die Ansprüche der Geschädigten, oder ihrer Hinterlassenen bei den verschiedenen Regierungen geltend gemacht. Die Erledigung dieser Reklamationen steht noch aus.

II.

Der derzeitige Krieg hat die Bundesbehörden vor ganz neue in ihrer Bedeutung und ihrem Umfange kaum geahnte w i r t -

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S c h a f t l i e h e Aufgaben gestellt. Noch nie sind die Folgen unserer ungünstigen geographischen Lage und des Mangels an Rohstoffen in so schwerer Weise zutage getreten, als in der gegenwärtigen Krise.

Die erste Sorge der Behörden musste die für ungestörte Lebensmittelzufuhr sein und von den hierauf- bezüglichen Massnahmen waren die wichtigsten die Vorkehren für ausreichende Getreideversorgung.

Die bei Ausbruch des Krieges vorhandenen Vorräte an Brotfrucht und Hafer für die Bedürfnisse der Armee und für die Zivilbevölkerung waren trotz der im vergangenen Jahre getroffenen Massnahmen ungenügend. Sie wären, nachdem die drei uns umgebenden kriegführenden Staaten vom ersten Tage ihre Grenzen verschlossen und unmittelbar darauf auch Italien ein Ausfuhrverbot für Getreide erliess und aufs strengste handhabte, auch ungenügend gewesen, wenn ein vielfaches der tatsächlich vorhandenen Vorräte aufgestapelt worden wäre und es kann überhaupt gesagt werden, dass für die Dauer eines Krieges, wie sie voraussichtlich jetzt in Aussicht genommen werden rnuss, wir bei dem geringen Umfang der eigenen Getreideproduktion wohl kaum in der Lage wären, ausreichende Vorräte im Lande aufzuhäufen; man wird immer auf die kontinuierliche Zufuhr von .

aussen abstellen müssen.

Von diesem Gesichtspunkt aus haben wir uns im Laufe des letzten Frühlings mit Frankreich dahin verständigt, dass uns im Falle eines Kriegsausbruches von einem bestimmten Zeitpunkt seit Beginn der Mobilisation an die freie Zufuhr von Getreide aus zwei französischen Häfen am atlantischen Ozean nach Genf mittelst der von Frankreich zur Verfügung zu haltenden Transport' mittel zugesichert werde.

Gleichzeitig haben wir uns mit Deutschland dahin verständigt, dass dieses im Falle eines Kriegsausbruches darauf verzichte, auf Getreidevorräte der Schweiz, die in Deutschland lagern, die Hand zu legen und dass es Transporten von Getreide und Steinkohlen, die für den schweizerischen Staat bestimmt sind, keine Hindernisse in den Weg legen, sondern sie mit eigenen Transpormitteln besorgen oder mit schweizerischen Transportmitteln bewerkstelligen werde.

Diese Verständigungen haben sich als überaus wertvoll erwiesen. Wir beziehen regelmässig das in Amerika gekaufte Getreide über zwei französische Häfen und wir dürfen dankbar anerkennen, wie die französischen Behörden alles tun, um uns

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den Auslad, die Spedition und den Transport dieses Getreides zu erleichtern.

In Deutsehland lagerten bei Kriegsausbruch grosse Quantitäten Getreide für schweizerische Rechnung, ein Teil war rheinschwimmend, ein anderer seeschwimmend mit Bestimmung Rotterdam. Alle diese Posten kauften wir für Rechnung des Bundes an und konnten so an in Mannheim, Strassburg und Kehl lagernder und rheinschwimmender Ware dank dem Entgegenkommen Deutschlands über 3200 Wagen Getreide einführen.

Das nach Rotterdam seeschwimmende Getreide wurde von England angehalten und versteigert; da es uns nicht gelang, dieses Getreide in natura ausgeliefert zu erhalten," haben wir hiefür der englischen Regierung Rechnung gestellt, und es wird uns ohne Zweifel der Gegenwert binnen kurzem zugestellt werden.

Der Weg über Rotterdam-Rhein war infolge der seitens der.

englischen Regierung eingenommenen Haltung in bezug auf die Behandlung relativer Kontrebande, die für neutrale Staaten bestimmt ist, leider auch für die Zukunft verschlossen. Dagegen ist es uns gelungen, durch freundschaftliche Verständigung mit der italienischen Regierung den Transit über Genua ungestört zu erhalten.

Der Umstand, dass in den beiden Verständigungen mit Frankreich und Deutschland die eingeräumten Erleichterungen nur dem für den schweizerischen Staat bestimmten Getreide eingeräumt worden sind, bei dem die ganz ausschliessliche Verwendung für die schweizerische Armee und die schweizerische Bevölkerung zum voraus sichergestellt war, war für sich allein ein ausreichender Grund, um die Getreide Versorgung zur Bundessache zu machen.

Dazu kam, dass die für den schweizerischen Staat bestimmten Getreidesendungen, deren Verfrachtung jeweils den seefahrenden Mächten angezeigt wurde, vor der Beschlagnahme sicherer waren, als das vom Handel bezogene Getreide. So kam es ganz von selbst zu einer Art Getreidqmonopol des Bundes, wenn wir auch formell den Import von Getreide niemals monopolisiert haben, von dem Gedanken ausgehend, dass es nur begrüsst werden könnte, wenn auch von anderer Seite Getreide in die Schweiz eingeführt würde. Die Garantie für ausschliesslichen Verbrauch in der Schweiz ist auch dem von dritter Seite eingeführten Getreide gegenüber durch e i n a u s n a h m s l o s g e h a n d h a b t e s A u s f u h r v e r b o t erfüllt worden.

Da zufolge dieser
natürlichen Gestaltung der Dinge der Bund zum Grosshändler in Getreide geworden war, so war es nötig ein B u r e a u für G e t r e i d e v e r s o r g u n g zu errichten, das

719 dem Oberkriegskommissariat angegliedert und unter die Leitung eines erfahrenen Geschäftsmannes gestellt wurde, dessen vortreffliche Dienste wir an dieser Stelle gerne anerkennen. Bis Ende November wurden für Rechnung des Bandes 37 Dampfer Weizen, 2 Dampfer Mais, 6 Dampfer Hafer und 2 Dampfer Hartweizen für Teigwarenfabriken gekauft. Zur Bezahlung des Kaufpreises wurden in der Hauptsache Guthaben schweizerischer Firmen in Amerika und der Erlös fälliger amerikanischer Coupons verwendet.

Im Zusammenhang mit diesen umfassenden Importmassnahmen stehen Vorkehren, um das Getreide in weitgehendstem Masse für die Brotversorgung des Landes nutzbar zu machen. Durch unsern Beschluss vom 27. August 1. J. wurden die sämtlichen Mühlen des Landes angehalten, nur noch eine Mehlsorte, sogenanntes V o l l m e hl herzustellen, wobei das Getreide bis zur mehlfreien Kleie auszumahlen ist. Über die Herstellung des notwendigen Quantums Gries und feinere Mehlsorten wurden SpezialVorschriften aufgestellt. Die Mühlenbesitzer wurden verpflichtet, Kleie und Mühlabfälle, soweit sie von der Armee nicht beansprucht werden, in erster Linie den landwirtschaftlichen Genossenschaften und.

wo solche nicht bestehen, den einzelnen Viehbesitzern abzugeben.

Die Fütterung von für die Brotbereitung geeignetem Mehl, sowie von mahlfähigem Getreide für die Zwecke der Viehfütterung wurde verboten und jede Zubereitung des mahlfähigen Getreides für die Zwecke der Viehfütterung untersagt.

Sodann wurde mit Beschluss vom 8. September 1. J. der V e r k a u f v o n G e t r e i d e geregelt. Die Abgabe von Brotgetreide erfolgt nach Bedürfnis der einzelnen Landesgegenden an Mühlen, die ihrerseits verpflichtet sind, das Getreide ohne Verzug zu mahlen und die Mahlprodukte den Konsumenten zur Verfügung zu halten. Die Anlage von Vorräten an Mahlprodukten, die über das Bedürfnis eines Monats gehen, sind untersagt.

Der Weizenpreis ist vom Bunde auf Fr. 30 für 100 kg, franko Bahnstation des Käufers, festgesetzt worden ; infolge der erheblich gestiegenen Getreidepreise wurde dieser Ansatz am 4. November auf Fr. 32 erhöht. Die Maximalverkaufspreise für die Müller wurden auf Fr. 38 für Gries, feinere Mehlsorten und Vollmehl, auf Fr. 12 für Kleie angesetzt, am 4. November sodann auf Fr. 40 beziehungsweise Fr. 14 erhöht.

Inzwischen war nun auch die i n l ä n d i s c h e E r n t e eingebracht worden. Wir haben davon Umgang genommen, sie mit Beschlag zu belegen und für Rechnung des Bundes zwangsweise

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zu kaufen, da eine solche Aktion einen gewaltigen Beamtenapparat in Bewegung gesetzt und zweifellos viel üblen Willen erzeugt hätte. Dagegen hatten wir schon im Beschlüsse vom 27. August diejenigen, die vom Bund ausländisches Getreide erhalten, verpflichtet, unter den vom Bunde festzusetzenden Bedingungen auch inländisches Getreide zu beziehen. Sodann haben wir mit Beschluss vom 8. September 1. J. den A n k a u f von i n l ä n d i s c h e m G e t r e i d e geregelt. Der Bund kauft inländisches Getreide direkt von den Produzenten, sowie von landwirtschaftlichen Vereinigungen und, wo solche nicht bestehen, von Gemeinden und gibt es zum Selbstkostenpreise an die Zivilbevölkerung ab.

Trotz vorteilhafter Preise und trotzdem den landwirtschaftlichen Vereinigungen und Gemeinden für den Ankauf, das Sammeln und Verladen eine Prämie zugesichert worden war, ist das Quantum, das dem Bunde zum Ankauf angeboten wurde, ein verhältnismässig bescheidenes geblieben. Wir haben uns trotzdem zu weiterm Zwange deshalb nicht entschliessen müssen, da der Konsum der Inlandsernte durch die einheimische Bevölkerung vermöge der übrigen getroffenen Massnahmen ja doch sichergestellt war und die Getreide produzierenden Gegenden dann einfach entsprechend weniger Auslandsgetreide zugeteilt erhielten. Der Konsum der Inlandsernte hat sich denn auch sofort im Minderbezug von Auslandsgetreide bemerkbar gemacht.

Neben der Brotversorgung des Landes beschäftigten uns Massnahmen, um unserer Bevölkerung den Bezug von ä n d e r n L e b e n s m i t t e l n u n d nötigsten G e b r a u c h s g e g e n s t ä n d e n zu angemessenen Preisen zu ermöglichen. Die Kopflosigkeit der Bevölkerung und ein bedenklicher Grad von Selbstsucht, der in ihr in den ersten Tagen nach der Mobilmachung zutage getreten war, machten zunächst ein kräftiges Eingreifen erforderlich. Durch unsere Verordnung vom 10. August 1. J. stellten wir als W u c h e r mit Nahrungsmitteln und ändern unentbehrlichen G e b r a u c h s g e g e n s t ä n d e n unter Strafandrohung (Gefängnis und Busse bis zu Fr. 10,000) : a. Die Forderung von Preisen, die gegenüber dem Ankaufspreis einen Gewinn ergeben würden, der den üblichen Geschäftsgewinn übersteigt; b. die Teilnahme an Trustbildungen, die eine Erzielung solcher Preise zum Zwecke hat ;

72î c. das Zusammenkaufen von Nahrungsmitteln und unentbehrlichen Bedarfsgegenständen in einem das gewöhnliche Geschäfts- oder Haushaltungsbedürfnis erheblich übersteigenden Masse, sofern die inländischen Ankäufe in der Absicht erfolgten, aus einer Preissteigerung geschäftlichen Gewinn zu ziehen.

Es hat sich nicht als praktisch herausgestellt, dass der Bund für das ganze Land verbindliche Preise für die einzelnen Nahrungsmittel und unentbehrlichen Bedarfsgegenstände festsetzte. Dagegen haben wir den Kantonen das R e c h t der P r e i s b e g r e n z u n g eingeräumt, soweit sich ein Bedürfnis dafür geltend macht. Ebenso haben wir die Kantone, mit dem Rechte der Delegation an Bezirke und Gemeinden, ermächtigt, die vorhandenen Vorräte an den bezeichneten Warengattungen aufzeichnen zu lassen, Vorräte, die das gewöhnliche Geschäfts- oder Haushaltungsbedürfnis des Inhabers erheblich übersteigen, zum Ankaufspreis einzuziehen und zu den von ihnen festgesetzten Preisen an die Bevölkerung abzugeben. Die Verheimlichung von Vorräten wurde dabei unter Strafe (Busse bis zu Fr. 10,000) gestellt. Endlich wurden die Kantone ermächtigt, marktpolizeiliche Bestimmungen gegen den Vorkauf aufzustellen.

Damit war indessen die Versorgung d'er Bevölkerung mit dem für sie Unentbehrlichen noch keineswegs sichergestellt. Zu den Anforderungen, die die Beschaffung der notwendigsten Lebensbedürfnisse stellte, kamen 'die Bedürfnisse der Industrie und das vitale Interesse, der einheimischen Produktion und Arbeit ein Tätigkeitsfeld zu verschaffen. Der Umstand, dass die uns umgebenden kriegführenden Mächte und im Anschluss daran auch Italien umfassende Ausfuhrverbote erlassen hatten und noch mehr die Hindernisse, die dem Transit nach der Schweiz bereitet wurden, haben unsere Lage zeitweise recht schwierig gestaltet und uns gezwungen, dem ganzen wirtschaftlichen Leben mit staatlichen Massnahmen helfend beizuspringen. Nur wer sich vergegenwärtigt, wie eng verknüpft in normalen Zeiten die wirtschaftlichen Beziehungen der einzelnen Staaten sind und wie mannigfaltig die Wechselwirkungen der einzelnen Organe des Weltwirtschaftskörpers sich gestalten, vermag sich ein Bild zu machen von den ganz kolossalen Störungen, die dieser Organismus durch den ausgebrochenen Weltbrand erlitten hat. Diese Störungen, die naturgemäss mit jedem Kriege verbunden sind, haben deswegen noch viel gewaltigere Dimensionen angenommen, weil neben dem Kriege mit den Waffen noch ein zweiter Krieg mit

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wirtschaftlichen Massnahmen und Gegenmassnahmen geführt wird, kaum weniger heftig und leidenschaftlich als der erste, für uns aber noch deshalb folgenschwerer, weil er die Interessen der Neutralen direkt berührt und verletzt.

In diesem wirtschaftlichen Kriege haben deshalb auch wir zur Verteidigung unserer Interessen Stellung nehmen müssen.

In erster Linie durch Erlass einer ganzen Reihe von A u s f u h r v e r b o t e n , in welchen wir, je nach den wechselnden militärischen und wirtschaftlichen Bedürfnissen, bald einen grössern Kreis von Artikeln einbezogen, bald wieder Einschränkungen und Freigaben verfügten.

Zurzeit sind dio Bundesratsbeschlüsse vom 18. September, 20. und 27. Oktober, 27. November und 1. Dezember in Kraft.

Bezüglich dieser Ausfuhrverbote und ihrer Handhabung sind vielfach irrtümliche Auffassungen laut geworden. Diese Ausfuhrverbote werden, gestützt auf den in den Handelsverträgen enthaltenen Vorbehalt der Beschränkung von Ausfuhr und Durchfuhr von Kriegsbedürfnissen, in ausserordentlichen Verhältnissen erlassen, und zwar in erster Linie unter dem Gesichtspunkte, ob der Stand der Versorgung des eigenen Landes mit solchen Artikeln ein unter allen Umständen genügender ist oder nicht.

Dabei kommen nicht nur rein militärische Bedürfnisse, sondern auch wirtschaftliche Interessen der Zivilbevölkerung in Betracht.

In zweiter Linie dient die den Ausfuhrverboten beigefügte Ermächtigung der Landesregierung zur Bewilligung von Ausnahmen dazu, auf dem Wege des Austausches sich von den durch Ausfuhrverbote abgeschlossenen Ländern dasjenige zu verschaffen, was das eigene Land notwendig hat und sich von anderswoher nicht, oder nur unter viel ungünstigem Bedingungen, zu beschaffen vermag. Hierbei muss im einzelnen Falle abgewogen werden, wo die grössere Summe von Interessen vorhanden ist.

In dritter Linie kommen Neutralitätspflichten in Betracht. Gerade über diesen letztern Punkt bestehen vielfach irrige Auffassungen.

Das Haager Abkommen betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkrieges vom 18. Oktober 1907 bestimmt in Art. 7, dass eine neutrale Macht nicht verpflichtet ist, die für Rechnung des einen oder ändern Kriegführenden erfolgende Ausfuhr oder Durchfuhr von Waffen, Munition und überhaupt von allem, was für ein Heer oder eine Flotte
nützlich sein kann, zu verhindern. In der am 4. August 1914 erlassenen Neutralitätsverordnung haben wir allerdings die Ausfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial

723 in die angrenzenden kriegführenden Staaten, verboten; allein dieses autonom erlassene Verbot richtet sich offenbar nur gegen Dritte, während der Staat selbst jederzeit diejenigen Ausnahmen gestatten kann, die sein eigenes Interesse verlangt oder wünschbar erscheinen lässt. Nur muss in solchen Fällen gemäss Art. 9 des angeführten Haager Abkommens eine gleichmässige Anwendung der Grundsätze auf die Kriegführenden erfolgen, was wir natür lieh auf das peinlichste einzuhalten bestrebt sind. Was vom Kriegsmaterial im engern Sinne gilt, gilt in gleicher Weise von allem, was für ein Heer oder eine Flotte nützlich ist, und wir machen uns auch in dieser Beziehung die strikteste Gleichbehandlung der Belligeranten zur Pflicht.

Neben der Beschaffung der Lebensmittel und sonstigen unentbehrlichen Bedarfsgegenständen musste für uns namentlich in Betracht fallen, unsern Landesprodukten (Milch, Käse, Obst etc.), soweit Überfluss besteht, den Ausweg ins Ausland zu öffnen und der Industrie dasjenige zuzuführen, wessen sie für ihre Tätigkeit bedarf, sowie ihren Erzeugnissen Absatz zu verschaffen.

Es musste alles aufgeboten werden, das von Grund auf gestörte wirtschaftliche Leben wieder annähernd zur Norm zurückzuführen und der in vielen Industrien bestehenden Arbeitslosigkeit entgegenzuarbeiten. Der letztere Punkt erforderte eine ganz besondere Obsorge ; denn wenn auch in allen Teilen unseres Landes eine Hülfsaktion gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit eingesetzt hat, so ist klar, dass weitaus das wirksamste Abhülfsmittel eben Verschaffung von Arbeit ist.

Unter diesen verschiedenen Gesichtspunkten, die sich vielfach kreuzen und daher keineswegs etwa, einfache Sachlagen verursachen, ist die Handhabung der Ausfuhrverbote und ihrer Ausnahmen zu würdigen, und man wird dann zu ändern Anschauungen gelangen, als sie vereinzelt in der Presse zum Ausdruck kamen.

Im engsten Zusammenhang mit den auf die Ausfuhrverbote bezüglichen Massnahmen beschäftigten uns die Schritte, die zur Aufrechthaltung der schweizerischen E i n f u h r unternommen werden mussten. Die Lage der Neutralen ist im gegenwärtigen Kriege nach zwei Richtungen ganz wesentlich verschlechtert worden im Vergleich zu demjenigen, was man bisher als durch die Londoner Seerechtserklärung gedeckte und bestätigte völkerrechtliche Gemeinansicht betrachten durfte. Einmal ist der Inhalt der sogenannten relativen Konterbande erweitert worden, in zweiter Linie wird der Grundsatz nicht mehr Bundesblatt.. 66. Jahrg. Bd. IV.

5G

724 anerkannt, dass die als. relative Konterbande betrachteten Gegenstände auf einem Schiff, das sich auf der Fahrt nach neutralem Gebiet befindet, dem Beschlagnahme-Recht nicht unterliegen. Wir haben nicht ermangelt, die den Neutralen zukommende Rechtsstellung, diesem Vorgehen einzelner kriegführender Staaten gegenüber, das ja allerdings nicht direkt gegen sie, sondern gegen andere kriegführende Staaten gerichtet ist, aber dessenungeachtet seinen folgenschweren Rückschlag auch gegen die Neutralen ausübt, nach Kräften zu wahren. Da diese wichtige Frage zurzeit noch keine Lösung gefunden hat, müssen wir uns versagen, im gegenwärtigen Zeitpunkt auf die Einzelheiten einzutreten.

Dagegen mag darauf hingewiesen werden, dass der eine Zeitlang bedrohte Transit durch Italien nach der Schweiz zufolge des verdankenswerten Entgegenkommens der italienischen Regierung aufrechterhalten wird. Allerdings hat sie den sogenannten gebrochenen Verkehr unter die Bestimmungen ihres Ausfuhr Verbotes gestellt. Danach dürfen Waren, die in einem italienischen Hafen mit Konossementen ankommen, in denen einzig Italien als Bestimmungsland bezeichnet ist, oder in denen sichere Angaben über das Bestimmungsland fehlen, nicht durch zollamtliche Transitabfertigungen oder Umladung ins Ausland weiterbefördert werden. Enthalten dagegen die Schiffspapiere einen Vermerk, der ausser allen Zweifel setzt, dass die Waren für das Gebiet der Schweiz bestimmt sind, so wird dem Transit der betreffenden Sendung durch Italien nach der Schweiz keine Schwierigkeit gemacht.

Der Bezug von K o h l e n für die Schweiz steht immer noch unter der in anderm Zusammenhang erwähnten Verständigung mit Deutschland. Sie hat uns erlaubt, die Lücken auszufüllen, die nicht bloss in industriellen Betrieben, sondern, allen seit Jahren ergangenen Aufforderungen der Bundesorgane zum Trotz, auch in einer Reihe von Kantonen und Städte in der Versorgung der öffentlichen Betriebe und Anstalten mit Kohle bei Ausbruch des Krieges leider festgestellt werden mussten.

Mit uusern Beschlüssen vom 21. August und 23. September 1. J. trafen wir Massnahmen für die B e s c h a f f u n g v o n H e u und S t r o h für die A r m e e . Die Gemeinden wurden mit den Erhebungen von Vorräten beauftragt und dort, wo nicht ausreichende Mengen an solchen zum Verkaufe angeboten werden, die

725 Beschlagnahme, in erster Linie bei Händlern und solchen Eigentümern, die kein Vieh besitzen, ermöglicht. Als Preise sind die laufenden Marktpreise vorgeschrieben, die im Nichteinigungsfalle durch eine auf unparteiische Weise organisierte Kommission bestimmt werden. In dem zweiten Beschlüsse wurde vorgeschrieben, dass jede Gemeinde unter Berücksichtigung ihrer Produktion an Stroh und ändern Streutnaterialien auf Grundlage der Ergebnisse der letzten eidgenössischen Viehzählung taxiert werde, wobei es den Gemeindebehörden überlassen wird, die Strohmenge, die jeder Besitzer ihres Gebietes aufzubringen hat, zu bestimmen.

Die Gemeinden erhalten eine Vergütung für die Kosten des Sammeins und der Ablieferung des Strohs, im Höchstbetrag von 20 Cts. per 100 kg.

Die unter Mittel stehende einheimische Kartoffelernte und die sich häufenden Schwierigkeiten eines ausgiebigen Importes haben uns veranlasst, die D e s t i l l a t i o n der K a r t o f f e l n im Brennjahre 1914/15 ganz auszusetzen. Die hohen Kartoffelpreise hätten an sich schon die Verwertung der Kartoffeln in der Brennerei ganz wesentlich erschwert, sie jedenfalls nur bei entsprechend hohen Spiritus-Übernahmspreisen möglich gemacht. Aber abgesehen von diesem fiskalischen Gesichtspunkte, hätte es sich angesichts unserer immerhin knappen Getreidevorräte und den Bedürfnissen des Volkes an Kartoffeln niemals rechtfertigen lassen, Kartoffeln und Körnerfrüchte dem Nahrungsbedürfnisse zu entziehen. Wir haben uns sodann gezwungen gesehen, den T r i n k s p r i t v e r k a u f der Alkoholverwaltung, mit Ausnahme der Abgabe an Apotheken, zu sistieren. Es geschah dies mit Rücksicht auf den zu gewärtigenden steigenden Bedarf unserer Zivilbevölkerung sowohl als unseres Heeres an Brennsprit, teils zu Heizungs- und Beleuchtungszwecken, teils zur Erzeugung motorischer Kraft. Es erschien daher als ein Gebot der Klugheit, auch den Trinksprit eventuell für Zwecke zu reservieren, denen sonst der Brennsprit zu dienen hat. Diesem allgemeinen Interesse hatten die Rücksichten auf die finanziellen Interessen der Kantone zu weichen. Was den an die Apotheken abzugebenden Trinksprit betrifft, so haben wir, um Missbräuche zu verhüten, das Recht zur Einreichung von Bestellungen ausschliesslich dem schweizerischen Apothekerverein eingeräumt, der über die Bezüge der einzelnen
Apotheken Kontrolle zu führen hat. Für den Kleinhandel haben wir den Maximalpreis der wichtigsten Sorte des Brennsprites für das ganze Gebiet der Eidgenossenschaft auf 70 Cts. per Liter angesetzt. Den Monopolverkaufspreis für die

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au die Apotheken abzugebenden, nicht denaturierten gebrannten Wasser hatten wir in unserem Beschlüsse vom 27. August 1914 auf Fr. 190 per 1.00' kg für Weinsprit und Fr. 180 für Feinsprit festgesetzt. Mit Beschluss vom 10. Oktober sind sie auf Fr. 230 und Fr. 220 erhöht worden.

III.

Die Erörterung der mi l i t ä r i se h eri Fragen muss sich auf die Erlasse administrativer und rechtlicher Natur beschränken, die wir, gestutzt auf unsere Vollmachten, beschlossen haben, während alles, was mit dem Aufgebot und der Verwendung der Truppen zusammenhängt, heute begreiflicherweise noch nicht besprochen werden kann und in der Hauptsache der seinerzeitigen Berichterstattung des Generals vorbehalten bleiben muss.

In erster Linie mussten wir danach trachten, die offenbaren Lücken unserer Gesetzgebung in bezug auf einen wirksamen S c h u t z d e r m i l i t ä r i s c h e n I n t e r e s s e n i m K r i e g s fa 11 e, und insbesondere auch im Stadium der Mobilisation, wenigstens einigermassen auszufüllen. So ist nach bestehender Gesetzgebung kein strafrechtlicher Schutz vorhanden im Falle von Begünstigung eines fremden Staates, z. B. eines möglichen oder voraussichtlichen Feindes, vor Kriegsausbruch. Für Zivilpersonen findet auch in Kriegszeiten das Militärstrafgesetzbuch keine Anwendung auf Kriegsverral, der nicht als Spionage zu betrachten ist. Für Friedenszeiten fehlt es überhaupt an einer allgemeinen, oder auf Militärpersonen anwendbaren Stral'bestimmung betreffend Preisgabe militärischer Geheimnisse oder Ausforschung solcher. Verletzung der Neutralitätspflichten, soweit nicht das Bundesgesetz vom 30. Juni 1859 über Werbung für fremde Dienste, oder Art. 45 des Militärstrafgesetzes (aber nur für die diesem schlechthin unterworfenen Personen) in Betracht kommen, ist nicht mit Strafe bedroht. Ebensowenig der Ungehorsam gegen Verfügungen der die polizeiliche Gewalt ausübenden Kommandanten (Territorial- und Platzkommandanten), die Störung der Mobilisation, die fahrlässige Begünstigung einer feindlichen Kriegspartei durch Verbreitung alarmierender Gerüchte u. dgl.

Dieser Mangel an eidgenössischen Rechtssätzen wird keineswegs aufgehoben durch den Bestand der kantonalen Gesetzgebung.

Diese hat nicht den Schutz des Heeres zur Aufgabe, und es fehlen ihr in der Tat auch auf die in Betracht kommenden Verhältnisse anwendbare Normen.

727 In der Ausfüllung dieser Lücken haben wir uns auf ganz wenige Grundsätze beschränkt. In der V e r o r d n u n g betreffend Strafbestimmungen für den Kriegszustand, vorn 6. August 1. J., wird zunächst der Begriff der V e r r ä t e r e i , und zwar in Anlehnung an die Beschlüsse der Expertenkommission für ein schweizerisches Strafgesetzbuch, ergänzt. Sodann wird d i e V e r l e t z u n g d e s s c h w e i z e r i s c h e n G e b i e t s , oder eine andere v ö l k e r r e c h t s w i d r i g e H a n d l u n g gegen die Schweiz, oder einen Teil derselben, unter Strafe gestellt.

Weiterhin füllen wir die Lücke aus, die auf schweizerischem Gebiete zugunsten einer fremden Macht betriebene S p i o n a g e , die ja gerade in den gegenwärtigen Kriegswirren eine sehr erhebliche Rolle gespielt hat, unter Strafe zu stellen. Endlich wird in dieser Verordnung der Rahmen geschaffen, in welchem der U n g e h o r s a m gegen die zum Schütze der militärischen Interessen, zur Wahrung der Neutralität, oder in Ausübung der zustehenden Polizeigewalt vom Bundesrate, den Militärbehörden und Truppenkommandanten erlassenen Befehlen oder öffentlich bekanntgegebenen Verordnungen bestraft werden kann. Als eine besondere Art dieses Ungehorsams wird die entgegen dem Verbote der zuständigen Behörden erfolgende Verbreitung von Nachrichten hervorgehoben.

In weiterer Ausführung dieses letzten gesetzgeberischen Gedankens haben wir am 10. August 1. J. die V e r o r d n u n g betreffend Veröffentlichung militärischer Nachr i c h t e n erlassen, wonach eine ganze Reihe von Nachrichten über die schweizerische Armee in Zeitungen, Druckschriften oder mittelst öffentlicher Anschläge nur veröffentlicht werden dürfen, wenn sie von den bei den Divisionsstäben und in den Territorialkreisen aufgestellten Presskontrollbureaux genehmigt sind, und wonach Zuwiderhandlungen unter Strafe gestellt werden.

Daneben wird die Strafbestimmung der Kriegszustandverordnung auch auf den Fall anwendbar erklärt, wo Nachrichten über Vorgänge auf dem ausländischen Kriegsschauplatz oder in einem Nachbarstaate in einer Weise verbreitet werden, die geeignet ist, die einheimische Bevölkerung der Schweiz oder eines Teiles derselben ernstlich zu beunruhigen.

Am gleichen Tage erliessen wir eine V e r o r d n u n g betreffend den Besitz und die Aufbewahrung von S p
r e n g s t o f f e n . Danach ist es nur mit Bewilligung der kantonalen Polizeibehörde gestattet, Sprengmaterial zu besitzen und aufzubewahren, und es hat die Aufbewahrung so zu erfolgen,

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dass Dritten die Aneignung solchen Materials unmöglich gemacht wird. Dabei ist polizeiliche und militärische Bewachung vorgesehen. An Ausländer darf die Bewilligung nur erteilt werden, wenn es sich um der kantonalen Polizeibehörde wohlbekannte, seit längerer Zeit in der Schweiz niedergelassene Unternehmer handelt. Diese Verordnung war keineswegs überflüssig neben dem Bundesgesetz betreffend Sprengstoffverbrechen, da es sich um eine polizeiliche Massnahme handelt, die dut'ch die mit ihr verbundene Strafsanktion präventiv wirken sollte, denn nur durch eine genaue Kontrolle über den Besitz von Sprengstoffen kann den Verbrechen mit solchen wirksamer begegnet werden.

Weder die Bestimmungen der Militärstrafgerichtsordnung von 1889, insbesondere Art. 48 derselben, noch die Ergänzungsbestimmungen des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1911 reichen für die Regelung der ö r t l i c h e n Z u s t ä n d i g k e i t der Div i s i o n s - und E r s a t z g e r i c h t e im Falle der Mobilmachung aus. Das Divisionsgericht, das seiner Division folgt, kann seine Zuständigkeit im Sinne des Art. 48 der Militärstrafgerichtsordnung auf alle der Division angehörenden und der Militärgerichtsbarkeit unterstellten Militai 1 - und Zivilpersonen ohne wesentliche Behinderung in seiner Beweglichkeit nicht ausüben. Es ist darauf zu halten, dass die Ersatzgerichte die Militärgerichtsbarkeit im Territorialraum, die Divisionsgerichte dagegen in dem von der Armee besetzten und beherrschten Gebiete, dem Armeeraum, ausüben. Dann sind aber Zuständigkeitskonflikte unausbleiblich, und um diese kurzerhand zu erledigen, haben wir in unserem B e s c h l ü s s e b e t r e f f e n d Z u s t ä n d i g k e i t d e r Divisionsg e r i c h t e v o m o. A u g u a t 1914 das Militärdepartement mit der Regelung beauftragt. Ebenso ist aus praktischen Gründen die Ermächtigung zu Entscheidungen betreffend ausnahmsweise Unterstellung von Militärpersonen unter die bürgerliche Strafgerichtsbarkeit und betreffend Kompetenzanstän'de zwischen bürgerlichen und militärischen Gerichten vom Bundesrat dem Militärdepartement delegiert worden. Da bei Beginn der Mobilisation die meisten Richtefstellen der Divisionsgerichte durch a k t i v e Militärpersonen der betreffenden Divisionen besetzt waren, so war vorauszusehen, dass es beinahe, unmöglich sein werde, die
Gerichte vollständig zu besetzen. Auch das in Art. 128 der Militärstrafgerichtsordnung dem Grossrichter eingeräumte Recht der Ernennung ausserordentlicher Ersatzmänner erwies sich als ungenügend. Wir haben daher dem Militärdepartement das Recht eingeräumt, soweit nötig die Mitglieder der Divisions- und Terri-

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torialgerichte, sowie weitere verfügbare Richterstellvertreter zu bezeichnen.

Die militärische, und politische Lage haben es gleich bei Beginn der Mobilisation als notwendig erscheinen lassen, einen unerlaubten Nachrichtenverkehr mit dem Auslande auf dem völlig unkontrollierbaren Wege der d r a h t l o s e n T é l é g r a p h i e zu verunmöglichen. Die Zahl der zu wissenschaftlichen oder Industriezwecken konzessionierten Stationen betrug Ende 1913 gegen 80; es war somit die Gefahr gross, dass die eine oder andere dieser Stationen für einen unerlaubten Nachrichtenverkehr benützt werde.

Wir haben daher mit Verordnung vom 2. August die Neuerrichtung von Stationen für drahtlose Télégraphie und die weitere Benützung der bereits errichteten konzessionierten Stationen, unter Vorbehalt einiger Ausnahmen, untersagt.

Gleichzeitig haben wir die Bestimmungen von Art. 22 und 23 der Feldtelegraphenverordnung vom 24. Februar 1913 in Kraft gesetzt. Damit wurde der telephonische Verkehr mit dem Auslande durch Unterbrechung der betreffenden Drähte aufgehoben. Sodann wurden die Kontrollbureaux für die Kontrolle des telegraphischen Verkehrs mit dem Auslande eingerichtet und der Chiffreverkehr auf den militärischen; diplomatischen und amtlichen Verkehr (Bundesrat, Politisches und Militärdepartement) beschränkt.

Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit der unbedingten Geheimhaltung der angeordneten Truppenbewegungen haben wir am 7. August den i n t e r u r b a n e n T e l e p h o n v e r k e h r von P r i v a t p e r s o n e n vorübergehend untersagt. Sobald die Verhältnisse es gestatteten, wurde die Beschränkung zunächst ausserhalb des Rayons der Truppenaufstellungen, dann im ganzen Lande wieder fallen gelassen.

Die Verordnung betreffend die Beförderung im Heere vom 28. Mai 1912 sieht in Art. 45 vor, dass die Beförderungsverhältnisse im aktiven Dienste durch eine besondere Verordnunggeregelt werden. Diese V e r o r d n u n g b e t r e f f e n d die Bef ö r d e r u n g im a k t i v e n D i e n s t ist von uns am 29. August 1. J. erlassen worden. Hauptgrundsatz ist, dass während eines Aufgebotes zum aktiven Dienst Beförderungen nur ausnahmsweise vorgenommen, die entstehenden Lücken vielmehr im allgemeinen durch vorübergehende Kommandoübertragungen ausgefüllt werden sollen. Die Zuständigkeit zur Kommandoübertragung und zur Ausstellung von Fähigkeitszeugnissen, sowie die Voraussetzungen zur Beförderung werden eingehend geordnet. Eine

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besondere Verordnung wird nach Beendigung des aktiven Dienstes feststellen, inwieweit der geleistete aktive Dienst für die später vorzunehmenden Beförderungen und für die Verpflichtungen zum Instruktionsdienst in Rechnung zu bringen ist.

In Art. 62 der Militärorganisation von 1907 wird die O r g a n i s a t i o n der H e e r e s p o l i z e i , zu der Angehörige der Polizeikorps beizuziehen sind, vorgesehen. Wir haben diese Organisation durch unsere Verordnung vom 5. August 1. J. geschaffen. Die Heerespolizei hat den gesamten Polizeidienst im Truppenbereiche zu besorgen. Es fallen ihr ausser dem allgemeinen Polizei- und Fahndungsdienst hauptsächlich die Aufgaben der Sicherheitspolizei, der Sitten- und Fremdenpolizei, sowie die Mithülfe bei der Gesundheitspolizei zu.

Unmittelbar nach der vom Bundesrate beschlossenen Mobilmachung der Armee wurde das Militärdepartement von einzelnen kantonalen Militärbehörden angefragt, ob die in der Militärorganisation vorgesehene Unterstützung auch während des Aktivdienstes ausgerichtet werden könne. Die Antwort konnte nicht zweifelhaft sein.

Die N o t u n t e r s t ü t z u n g ist nach dem Wortlaut und Sinne von Art. 22 der Militärorganisation für jeden Militärdienst vorgesehen, ja sie hat ganz naturgemäss beim Aktivdienst noch eine erhöhte Berechtigung. Es ist auch bei der parlamentarischen Vorbereitung der Militärorganisation dieser Fall ausdrücklich ins Auge gefasst worden. Praktisch mussten wir uns dann allerdings fragen, ob die Anwendung von Art. 22 der Militärorganisation während eines unter Umständen viele Monate dauernden Aktivdienstes möglich sei, insbesondere ob die Ansätee der Verordnung betreffend die Unterstützung der Angehörigen von Wehrmännern vom 21. Januar 1910 beibehalten werden können. Man musste sich ja zürn voraus darüber klar sein, dass die Unterstützungsbegehren angesichts der Ungunst der Verhältnisse gewaltige Dimensionen annehmen werden. Nach reiflicher Überlegung gelangten wir indessen zum Schlüsse, dass von einer Verminderung keine Rede sein könne. Wir wollen nicht untersuchen, ob die mannigfachen Klagen, die Ansätze der Verordnung seien, zumal für städtische Verhältnisse, zu klein, berechtigt sind, aber das musste doch ohne weiteres zugeständen werden, dass es einen bedauerlichen Eindruck auf die im Felde stehenden Wehrmänner hätte machen müssen, hätte man gerade in der Zeit

731 der grössten Not ihre Angehörigen ohne ausreichende Unterstützung belassen.

Die Abrechnung der Kantone mit dem Bunde über die ausbezahlten Notunterstützungen erfolgte nach bestehenden Vorschriften bisher monatlich. Im Hinblick auf die gespannten Geldverhältnisse haben wir den Kantonen gestattet, über die ausbezahlten Notunterstützungen alle 14 Tage abzurechnen.

Im weitern haben wir grundsätzlich festgestellt, dass, wie aus Art. 23 der Militärorgariisation klar hervorgeht, auch die im Ausland wohnenden bedürftigen Angehörigen von Wehrmännern zu unterstützen seien. Die Unterstützung ist durch die Heimatgemeinde zu verabfolgen ; wenn sich diese aber bloss auf die Angaben der Bezugsberechtigten stützen müsste, so könnten Missbräuche entstehen. Wir haben deshalb die Mitwirkung der schweizerischen Vertreter im Auslande beschlossen, derart dass diese soweit möglich die Heimatgemeinde über die Personalien und das verdienstliche Einkommen des Wehrmannes, die Zahl der unterstützungsberechtigten Personen und den eventuellen Verdienst anderer im gemeinsamen Haushalt lebender Personen orientieren würden. Auch sollten sie ermächtigt sein, ausnahmsweise in dringenden Notfällen von sich aus Notunterstützungen auszuzahlen, unter Beobachtung der bestehenden Vorschriften und sofortiger Meldung an die Gemeindebehörde.

Wir bemerken zum Abschluss dieses Abschnittes noch, dass der Bund bis Ende November an Notunterstützungen Fr. 2,785,235. 28 Ct. angewiesen hat.

A r t . 202 der M i l i t ä r o r g a n i s a t i o n schreibt vor, dass im Falle eines Aufgebots zum aktiven Dienst der Bundesrat die Beamten, Angestellten und Arbeiter der öffentlichen Verkehrsanstalten der Militärgerichtsbarkeit unterstellen kann. Das ist mit dem Bundesratsbeschluss über die Mobilmachung der Armee vom 1. August 1914 geschehen. Die Ausführung dieses Grundsatzes erforderte nun aber eine Klarlegung nach drei Richtungen, einmal mit Bezug auf diejenigen Verbrechen und Vergehen, die sich auf den Dienst der öffentlichen Verkehrsanstalten beziehen und durch das bürgerliche Recht fArt. 67 des Bundesstrafrechts und die Novelle vom 5. Juni 1902) geregelt werden, sodann mit Bezug auf die Ausübung der Disziplinarbefugnisse gegenüber den Beamten, Angestellten und Arbeitern der öffentlichen Verkehrs-

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anstalten und endlich mit Bezug auf das Verfahren bei Betriebsgefährdungen und Betriebsunfällen. Alles das ist in unserem Beschlüsse b e t r e f f e n d H a n d h a b u n g d e r V o r s c h r i f t v o n A r t . 202 der M i l i t ä r o r g a n i s a t i o n vom 24. August 1914, auf den wir im einzelnen verweisen, geordnet worden.

Mit Beschluss vom 6. Oktober 1914 haben wir in Auslegung v o n Art. 104 des M i l i t ä r t r a n s p o r t r é g l e m e n t e s be^ schlössen, dass einzelreisende Militärpersonen, welche sich während des Kriegsbetriebes, gestützt auf eine allgemeine Anordnung oder auf Urlaubspass, in den Urlaub begeben, für die Reise vom Standort der Truppen in den Urlaub und zurück die Hälfte der Militärtaxe, also einen Viertel der normalen Taxe zu bezahlen haben.

Für die gewöhnlichen Sonntagsurlaube und die Entlassungen ist diese Bestimmung nicht anwendbar.

Angesichts der Vielheit und Mannigfaltigkeit der F o r d e r u n g e n f ü r L a n d s c h a d e n , sowie der besondern Verhältnisse, wie sie sich aus der über längere Zeit erstreckenden Truppenaufstellung ergeben, war es nötig, das ganze Schatzungswesen etwas anders zu ordnen, als es das Verwaltungsreglement vorsieht.

Vor allem musste dem Schatzungswesen eine Oberleitung gegeben und dieser ein Bureau zugeteilt werden, da weder das Oberkriegskommissariat, noch das Departement bei der gewaltigen Mehrarbeit, die ihnen ohnehin aus der Truppenaufstellung erwächst, auch noch diese vielgestaltige Aufgabe übernehmen konnten.

Wir haben uns in unserem Beschluss vom 18. September 1. J.

betreffend d i e E r l e d i g u n g v o n F o r d e r u n g e n f ü r S c h a den an L a n d und für I n a n s p r u c h n a h m e von anderem b e w e g l i c h e m u n d u n b e w e g l i c h e m E i g e n t u m anlässl i c h des a k t i v e n D i e n s t e s d e r A r m e e soviel als tunlich an die Friedensorganisation angelehnt und als neu nur einen Oberfeldkommissär mit einem Bureau vorgesehen. Die Erledigung besonders wichtiger Fälle, wie sie sich namentlich bei dauernden Befestigungsarbeiten darbieten, durch das Militärdepartement bleibt vorbehalten.

In unserer Instruktion über Verpflegung, Unterkunft und Verwaltung vom 1. August 1. J. haben wir für den gegenwärtigen Aktivdienst die T a g e s e n t s c h ä d i g u n g f ü r . Req u i s i t i
o n s p f e r d e auf Fr. 3 festgesetzt. Ende Oktober hatte daher der Bund für ein solches Pferd Fr. 267 Entschädigung für den Gebrauch, also zirka 22 °/o der Maximalschatzungssumme bezahlt. Da ausserdem bei einer Demobilmachung für die im Dienste erworbenen Schäden Entschädigung zu leisten ist, so

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war es augenscheinlich, dass bis Ende Oktober die Pferde ausreichend amortisiert waren. Wir haben daher mit Beschluss vom 4. November die Tagesentschädigung für Requisitionspferde auf Fr. 1. 50 festgesetzt. Die Tagesentschädigung für solche Offizierspferde, die den sie reitenden Offizieren zu Eigentum- gehören, oder die sie sich vertraglich von den Lieferanten sichern, haben wir gleichzeitig von Fr. 4 auf Fr. 2 herabgesetzt.

Das Interesse unserer Armee und die ganz besondern Verhältnisse, die durch die Truppenanhäufung auf verhältnismässig beschränktem Räume in hygienischer Beziehung geschaffen werden, haben es als dringend wünschbar erscheinen lassen, die i m Bundesgesetz über Massnahmen gegen gemeingefährliche Epidemien vorgeschriebene Anzeigep f l i c h t auszudehnen. Nach dem Bundesgesetz vom 2. Juli 1886 besteht sie nur für Pocken, asiatische Cholera, Flecktyphus und Pest. Mit unserem Beschluss vom 27. Oktober haben wir sie auch auf Abdominal typhus, Paratyphus, Scharlach, Diphtherie, epidemische Genickstarre und epidemische akute Kinderlähmungausgedehnt.

In die Zeit des Truppenaufgebots fielen die Gesamterneuerung des Nationalrats und die Abstimmung über die Verfassungsvorlage betreffend die Einführung einer selbständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Es hat nicht an Stimmen gefehlt, welche dem Bundesrate nahe legten, mit Rücksicht auf die aussergewöhnlichen Zeitumstände Wahl und Abstimmung zu verschieben. Wir haben nach reiflicher Überlegung davon Umgang genommen, davon ausgehend, dass nur dann die verfassungsmässigen Vorschriften bei Seite gesetzt und das konstitutionelle Leben aus seinen normalen Geleisen' gebracht werden dürfen, wenn wirklich eine zwingende Notwendigkeit hiefür besteht. Eine solche konnten wir weder in den Unbequemlichkeiten und Weiterungen erblicken, die naturgemäss mit der Abstimmung fast der ganzen Armee verbunden sind, noch in dem an sich begreiflichen Wunsche, die mit Wahlkämpfen verbundene Aufregung und Spaltung von unseren Truppen fern zu halten. Das letztere Argument hat dadurch an Bedeutung ganz wesentlich verloren, dass in den meisten Kantonen die Nationalratswahlen zufolge Verständigung der Parteien sich ohne Wahlkampf abspielten. Die mit der Wahl und Abstimmung verbundenen Weitläufigkeiten haben wir durch unsern Beschluss vom 23. September 1. J. betreffend die B e t e i l i g u n g de r W e h r m ä n n e r bei der V o l k s a b s t i m m u n g und den

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N a t i o n a l r a t s w a h l e n vom 25. O k t o b e r 1914 auf ein erträgliches Mass zu verringern gesucht.

Auf Wunsch der Regierung des Kantons G e n f haben wir eingewilligt, dass die Beteiligung der genferischen Truppen an dem Wahlakte für die E r s a t z w a h l e i n e s S t a a t s r a t e s in analoger Weise nach den Grundsätzen der angeführten Verordnung stattfinden dürfe.

Veranlasst durch die Eingaben verschiedener Kantone haben wir die Frage einlässlich geprüft, ob nicht die J a g d für das laufende Jahr auf dem ganzen Gebiet der Schweiz verboten werden solle. Wir haben dabei namentlich auf militärische Erwägungen abgestellt. Die militärischen Instanzen haben darauf hingewiesen, dass in den Gebietsteilen, die von der Armee besetzt sind, die Jagd unmöglich sei, dass die von der Armee belegten Gebiete durch den Gang der Ereignisse verändert werden können, ohne dass jetzt schon vorausbestimmt werden könnte, welche weitern Gebiete noch in den Operationsraum einbezogen werden, und dass die Eröffnung der Jagd auf einen Zeitpuukt, in dem die zahlreichen, in der Armee eingeteilten Jäger sich nicht daran beteiligen können, diesen gegenüber als eine Ungerechtigkeit erscheine. Wir haben namentlich die ersten beiden Argumente in Betracht gezogen uftd dementsprechend mit Schlussnahme vom 20. August die Eröffnung der Jagd bis auf weiteres untersagt.

Nachdem aber die militärischen Verhältnisse sich einigermassen abgeklärt hatten, sind wir, namentlich mit Rücksicht auf die teilweise sehr bedeutenden finanziellen Folgen für einzelne Kantone und Gemeinden, auf diesen Beschluss zurückgekommen und haben am 10. Oktober 1. J. die Kantone ermächtigt, die allgemeine Jagd und die Hochwildjagd zu gestatten, jedoch mit Ausnahme derjenigen Gebiete, für welche im Interesse des Landesschutzes das Jagdverbot aufrecht erhalten werden muss, worüber sich die kantonalen Behörden vorgängig mit dem Militärdepartement zu verständigen hatten.

Mit Schlussnahme vom 6. Oktober 1. J. haben wir, von dem Rechte des Art. 37, Absatz l, der Militärorganisation Gebrauch machend, d i e Ü b e r t r i t t e i n d i e L a n d w e h r u n d i n d e n L a n d s t u r m , sowie d i e E n t l a s s u n g a u s d e r W e h r p f l i c h t , die auf 31. Dezember erfolgen sollten, bis auf weiteres sistiert.

Die vier Monate umfassende Dienstleistung der Truppen hat begreiflicherweise der B e k:l e i d u n g unserer Soldaten arg zu-

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gesetzt und wir waren genötigt, in bedeutendem Masse auf die vorhandenen Kleiderreserven zu greifen. Gleichzeitig aber waren natürlich diese Reserven zu ergänzen und wir wurden damit vor die Frage gestellt, ob wir die bisherigen Uniformen anfertigen lassen sollen oder ob bei diesem Anlass die seit vielen Jahren anhängige Bekleidungsreform gelöst und zur feldgrauen Uniform übergegangen werden sollte. Bekanntlich hatte unser Militärdepartement bisher den Standpunkt eingenommen, Bekleidung und Ausrüstung zu trennen und zunächst die in unsern Augen dringendere Reform der Ausrüstung im Sinne der Erleichterung des vom Manne zu tragenden Gepäcks durchzuführen. Hierauf zielende Beschlüsse sind gefasst und die Modelle genehmigt worden, wie Ihnen schon früher mitgeteilt worden ist. Nach der Durchführung der Reform der Ausrüstung wäre dann diejenige der Bekleidung an Hand genommen worden. Nun hat aber, wie bemerkt, die bevorstehende Liquidation der Kleiderreserven diese letztere Reform dringlich gemacht, aber gleichzeitig auch deren Durchführung ganz wesentlich erleichtert. Bei der Lösung konnte nun auch auf die Erfahrungen des gegenwärtigen Krieges abgestellt werden. Diese Erfahrungen sind entscheidend und vollständig unbestritten. Sie beweisen die Überlegenheit der f e l d g r a u e n oder einer ähnlich gefärbten Kleidung gegenüber dem dunkeln Stoffe und den bunten Zutaten, wie sie gegenwärtig Ordonnanz sind. Die geringere Sichtbarkeit des Wehrmannes im Terrain und damit das verminderte Risiko getroffen zu werden, sind durch einwandfreie Erklärungen aus den verschiedenen Lagern der Kriegführenden erhoben ; sie bestätigen übrigens nur die bei uns selbst gemachten Versuche. Wir haben uns daher im Einverständnis mit allen militärischen Instanzen für die feldgraue Farbe der Uniformen entschieden. Bei der Wahl der Modelle haben wir auf möglichste Einfachheit und Zweckmässigkeit gehalten, ohne doch den Gesichtspunkt einer verhältnismässigen Kleidsamkeit vollständig aus den Augen zu verlieren.. Die Erstellung der neuen Uniformen wird unter normalen Verhältnissen gegenüber den gegenwärtigen Modellen gestatten, eine Ersparnis zu realisieren.

Für alle Einzelheiten verweisen wir auf unsern Beschluss betreffend m i l i t ä r i s c h e B e k l e i d u n g u n d G r a d a b z e i c h e n vom 28. Oktober 1. J.

IV.
Die Einberufung eines grossen Teils der arbeitsfähigen Bevölkerung unter die Waffen, der Hereinbrach einer wirtschaftlichen Krisis, wie sie unser Land wohl noch nie heimgesucht

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hatte und die damit in Zusammenhang stehende Arbeitslosigkeit und Not breiter Schichten unseres Volkes haben uns veranlasst, eine ganze Reihe einschneidender Bestimmungen zum Schütze der sozial schwächern Teile der Bevölkerung zu erlassen.

Hierher gehören zunächst die Vorschriften, die sich auf d a s Verhältnis zwischen Gläubiger u n d Schuldner beziehen.

Durch Gewährung eines M o r a t o r i u m s werden die gesetzlich und vertraglich für eine Forderung vorgesehenen Fälligkeitstermine hinausgeschoben. Einzig der Bundesratsbeschluss vom 4. September 1914 betreffend Fristerstreckungen für E r findung spatente und gewerbliche Muster und Mod e l l e bewilligt für einen eng begrenzten Kreis von Verbindlichkeiten ein Moratorium. Die Bestimmungen dieses Erlasses sind in der Hauptsache darauf gerichtet, die Fristen, die für die Bezahlung von Gebühren für Erfindungspatente und gewerbliche Muster und Modelle vorgesehen sind, im Hinblick auf die infolge der Kriegswirren eingetretenen Zahlungsschwierigkeiten zu verlängern.

Alle ändern bundesrätlichen Verordnungen dieser Art haben, weil sie den Zahlnngstag nicht berühren, n i c h t M o r a t o r i u m s c h a r a k t e r . Sie beziehen sich einmal auf die Stellung des Schuldners im Betreibungsverfahren ; sodann betreffen ^sie die Stellung des Wechselschuldners im Protestverfahren ; endlich ermöglichen sie, dass der Eintritt bestimmter privatrechtlicher Verzugsfolgen ausgeschlossen werden kann.

Durch den Kriegsausbruch und die Mobilisation der schweizerischen Armee geriet unser ganzes Wirtschaftsleben in dem Masse ins Stocken, dass sich sofort in intensivster Weise das Bedürfnis nach Schutz des Schuldners geltend machte. Die meisten Kantone (Zürich, Bern, Luzern, Uri, beide Unterwaiden, Glarus, Zug, Solothurn, Basellandschaft, : Schaffhausen, Appenzell A.-Rh., St.

Gallen mit gewissen Einschränkungen, Graubünden, Thurgau, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf) gewährten, gestützt auf Art. 62 des B. G. über Schuldbetreibung und -Konkurs, einen allgemeinen Rechtsstillstand .oder waren im Begriffe, einen solchen zu bewilligen. Weil der Grund, der zu diesen kantonalen Massnahmen führte, ein allgemein-schweizerischer war, ordnete nun aber der Bundesrat für das ganze Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft und für die Zeit bis zum 31. August 1914 im Sinne dieser Gesetzesbestimmung einen Rechtsstillstand an (Bundesratsbeschluss betreffend Gewährung eines Rechtsstillstandes,

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vom 5. August 1914). Auf Wunsch des eidgenössischen Justizund Polizeidepartements umschrieb das schweizerische Bundesgericht in einem am 10. August 1914 an die kantonalen Aufsichtsbehörden für Schuldbetreibung und Konkurs gerichteten Kreisschreiben die Wirkungen des Rechtsstillstandes. Mit. Kücksicht darauf, dass Ende August die Frage, durch welche Massnahmen der Rechtsstillstand ersetzt werden sollte, noch nicht abgeklärt war, und dass vom 13.--27. September von Gesetzes wegen Betreibungsferien bestanden, wurde der Rechtsstillstand bis zum 30. September 1914 verlängert (Bundesratsbeschluss betreffend Verlängerung des gewährten Rechtsstillstandes, vom 21. August 1914J.

Der allgemeine Rechtsstillstand hatte in der praktischen Anwendung unerträgliche Folgen. Er wirkte lähmend auf den gesamten Geldverkehr des Landes. Der Schuldner unterliess es, weil er den Zahlungsbefehl, die Pfändung und den Konkurs nicht mehr zu fürchten hatte, seiner Zahlungspflicht nachzukommen und erschwerte und verunmöglichte es so seinem Gläubiger, seinerseits die ihm obliegenden Verbindlichkeiten zu erfüllen.

Während das Institut des Rechtsstillstandes seinem Zwecke nach nur dem Notleidenden dienen soll, hat es sich häufig auch der Bemittelte und Reiche zunutze gemacht und sich seinen Gläubigern gegenüber so verhalten, wie wenn seine Schulden gestundet wären. Es zeigte sich, dass man die Massnahme nicht fortbestehen lassen konnte. Aber auch davon konnte keine Rede sein, den Rechtsstillstand einfach aufzuheben. Es mussten Ersatzvorkehren getroffen werden, die insbesondere den infolge der Wirtschaftslage bedrängten Schuldner davor bewahren, dass durch Auspfändung und Konkurs seine wirtschaftliche Existenz vernichtet, sein Vermögen entwertet und er selbst von den in einzelnen Kantonen recht harten, öffentlich-rechtlichen Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses getroffen .wird. Diesem Zwecke dient die am 28. September 1914 erlassene Verordnung betreffend . E r g ä n z u n g u n d A b ä n d e r u n g d e s Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konk u r s für die Z e i t der K r i e g s w i r r e n . Sie sieht zunächst vier Vergünstigungen für den in Not geratenen Schuldner vor.

Einmal kann der auf Pfändung oder Pfandverwertung betriebene Schuldner den Aufschub der Pfand Verwertung dadurch erwirken, dass er seine
Schuld in acht monatlichen Raten zu tilgen verspricht, sofort die erste Rate bezahlt und die Zahlungstermine genau innehält. Sodann kann das Konkursgericht dem der Be-

738 treibung auf Konkurs unterliegenden Schuldner die Aufschiebung der Konkurseröffnung, bis auf vier Monate in der ordentlichen Konkursbetreibung, bis auf zwei Monate in der Wechsel betreibung, bewilligen, wenn der Gesuchsteller glaubhaft macht, dass er infolge der Kriegsereignisse die Schuld nicht voll bezahlen kann, uod wenn er sofo'rt eine Abschlagszahlung von i/s der .Betreibungssumme in der ordentlichen Konkursbetreibung und i/s in der Wechselbetreibung bezahlt und sich verpflichtet, den Rest in gleichen monatlichen Raten zu entrichten. In dritter Linie kann der Schuldner, gleichviel welcher Betreibungsart er unterliegt, bei der Nachlassbehörde die Bewilligung einer allgemeinen Betreibungsstundung für die Dauer von höchstens sechs Monaten erwirken, wenn er ohne sein Verschulden infolge der Kriegsereignisse ausserstande ist, seine Gläubiger zurzeit voll zu befriedigen. Ist endlich wegen der Kriegswirren die Beibringung der nötigen Zustimmungserklärungen zum Nachlassvertrag oder die Sicherstellung der Erfüllung des Nachlassvertrages erheblich erschwert, so kann die Nachlassbehörde die Nachlassstundung bis auf höchstens sechs Monate ausdehnen. Die Verordnung geht sodann noch einen Schritt weiter. Sie will nicht nur Auspfändungen und Konkurseröffnungen verhüten, sondern sieht auch vor, dass da, wo tatsächlich fruchtlose Pfändungen und Konkurseröffnungen stattgefunden haben, deren öffentlich-rechtliche Folgen gemildert werden können. Der Bundesrat nahm davon Umgang, selbst diese Folgen zu bestimmen. Wohl aber delegierte ei1 seine ihm heute in der Sache zustehende Gesetzgebungskompetenz au die Kantonsregierungen und ermöglichte es so diesen Behörden, auf dem Verordnungswege 'die etwa in kantonalen Ehrenfolgengesetzen enthaltenen Härten und Unbilligkeiten abzuschwächen oder zu beseitigen. Unseres Wissens haben bis jetzt die Kanlone Zürich, Bern, Glarus, Solothurn, Graubünden und Wallis von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht. Das sind in grossen Zügen die Massnahmen, die die Verordnung zugunsten des bedrängten Schuldners vorsieht. Im einzelnen ist auf die Bestimmungen des Erlasses selbst und auf das Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen, vom 28. September 1914, zu verweisen.

Der wirtschaftliehe Stillstand hat seine verheerenden Wirkungen auch auf einzelne unserer privaten Eisenbahn
Unternehmungen ausgeübt, und wir mussten auch bei ihnen nach Mitteln und Wegen suchen, um einen finanziellen Zusammenbrach zu verhüten, der ebensowenig im Interesse der Gläubiger als des Bahnunternehmens sein kann. Durch unsern Beschluss vom

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27. November 1. J., betreffend E r g ä n z u n g von A b s c h n i t t II ·des B u n d e s g e s e t z e s v o m 2 4 . J u n i 1874 ü b e r d i e V e r pfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerisch en Eidgenossens c h a f t, sehen wir die Möglichkeit der Intervention der Aufsichtsbehörde vor, sobald von einem Gläubiger das Liquidationsbegehren beim Bundesgerichte gestellt wird. Dieses hat von einem solchen Begehren dem Eisenbahndepartemente Kenntnis zu geben. Diese Instanz, welche vermöge ihres Einblicks in die gesamten Verhältnisse des Unternehmens am besten zur Beurteilung seiner finanziellen Lage geeignet ist, soll alsdann darüber entscheiden, ob dem Liquidationsbegehren sofort die gesetzliche Folge zu geben sei oder nicht, und im letztern Falle alle erforderlichen Anordnungen für die Zeit der Stundung treffen, wobei insbesondere der Eisenbahngesellschaft terminweise Abschlagszahlungen an den die Liquidation verlangenden Gläubiger auferlegt werden können.

Durch die Bundesratsbeschlüsse betreffend die B e w i l l i g u n g v o n R e s p e k t t a g e n f ü r W e c h s e l , v o m S.August, u n d betreffend V e r l e g u n g d e r P r o t e s t f r i s t f ü r Wechsel, vom 21. August 1914, ist für die Protestierung von gezogenen und eigenen Wechseln folgender Rechtszustand geschaffen worden : Für die auf Ende Juli und während des Monats August 1914 fällig gewordenen, gezogenen und eigenen Wechsel ist der Beginn der vom Gesetze zur Erhebung des Protestes mangels Zahlung aufgestellten Frist um 30 Tage hinausgeschoben worden. Für die im Monat September 1914 fällig gewordenen Wechsel dagegen hat diese Protestfrist mit dem 1. Oktober 1914 zu laufen begonnen. Diese Bestimmungen beriihran den Anspruch des Wechselgläubigers auf Zahlung der Wechselsumme an dem sich aus dem Wechsel ergebenden Zahlungstage nicht. Sie bewirken nur, dass die Zahlungsverweigerung erst nach Ablauf der eingeräumten Frist durch Protest festgestellt werden darf. Daraus ergibt sich, .dass der Wechselgläubiger Anspruch auf Verzugszinsen hat, wenn die Zahlung nicht an dem aus dem Papier sich ergebenden Zahlungstag erfolgt. Diese Konsequenz hat der ßundesrat in seinem Kreisschreiben vom 29. August 1914 ausdrücklich gezogen. Er ist in diesem Erlasse noch weitergegangen und hat erklärt, dass dieser
Zinsanspruch ein wechselmässiger ist, dass also von der Protesterhebung nur dann Umgang zu nehmen ist, wenn, abgesehen von der Wechselsumme, auch die Verzugszinsen vom Wechselschuldner entrichtet worden sind.

Bandesblatt. 66. Jahrg. Bd. IV.

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Nach Art. 265 des schweizerischen Obligationenrechts soll der Gläubiger den mit der Mietzinszahlung im Rückstande gebliebenen Mieter nicht sofort ausweisen dürfen, sondern ihn bei längerer Miete für eine Frist von 30 Tagen, bei kürzerer Miete für eine solche von 6 Tagen noch im Gebrauch und Genuss des Vertragsobjektes belassen müssen und erst nach Ablauf der Frist und auf besondere Androhung hin vom Vertrage zurücktreten können. Aber auch über diese gesetzlichen Fristen hinaus wird der Gläubiger den Schuldnei* auf dem Mietobjekt belassen müssen, wenn sich die Ausweisung irn einzelnen Falle als ein Missbrauch des Gläubigen-echtes erweisen sollte. So kann z. B. die Ausweisung nach Art. 2, Absatz 2, des schweizerischen Zivilgesetzbuches auch nach abgelaufener Frist unzulässig sein, wenn Krankheit des Mieters oder eines seiner Familienglieder die Ausweisung als ausserordentlich gefährlich und bedrückend erscheinen lässt. Diesem Tatbestand, auf den bei der Beratung des Zivilgesetzbuches speziell hingewiesen worden ist, hat der Bundesrat in seinem Beschluss betreffend d i e A u s w e i s u n g von M i e t e r n , vom 26. August 1914, den Fall der infolge der Kriegsereignisse eingetretenen Notlage des Mietzinsschuldners gleichgestellt. Der Bundesratsbeschluss verlängert nicht selbst die Fristen des Art. 265 OR, sondern legt deren Erstreckung in die Entscheidungsgewalt der Amtsstelle, die nach kantonalem Recht zum Erlass der Ausweisungsverfügung berechtigt ist. Dieser wird es anheimgegeben, zu bestimmen, ob die Notlage des Mieters diese Vorkehr rechtfertigt und festzusetzen, auf wie lange die Frist zu erstrecken sei. Die in dem Beschlüsse enthaltenen Verfahrensbestimmungen geben dem Vermieter das Recht, in der Sache angehört zu werden und wollen der Ausweisungsbehörde ermöglichen, ihren Entscheid in voller Kenntnis der Verhältnisse zu treffen. -- Eine Ausdehnung der Massnahme auf das Pachtvertragsverhältnis (Art. 293 QR) ist ausdrücklich abgelehnt worden.

Während sich der Bundesratsbeschluss betreffend die Ausweisung von Mietern auf die gesetzliche Verzugsfolge des Art. 265 des Obligationenrechts bezieht, hat der Bundesratsbeschluss betreffend b e s o n d e r e V e r z u g s f o l g e n , vom 3. November 1914, bestimmte, vertraglich vereinbarte Verzugsfolgen im Auge.

Er will dem Schuldner zu Hülfe kommen,
der infolge der heutigen Wirtschaftslage ausserstande ist, die vertraglich geschuldeten Zinsen, Amortisationen und Ratenzahlungen rechtzeitig zu entrichten und das deshalb vorzeitig fällig gewordene Kapital resti-

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tuieren oder Strafzinsen bezahlen sollte. Hat die Unmöglichkeit, jene Leistungen zu machen, ihren Grund in den durch die Kriegswirren herbeigeführten wirtschaftlichen Verhältnissen, so kann es als ein Missbrauch des Gläubigerrechtes erscheinen, wenn der Kreditor von diesen Verzugsfolgen Gebrauch macht. Dann soll der Richter erklären können, dass es so zu halten sei, wie wenn die Verzugsfolgen ganz oder teilweise nicht eingetreten wären.

Dies gilt aber'nur für Forderungen, deren Begründungstatbestand vor dem 31. Juli 1914 liegt, deren Entstehung also in eine Zeit fällt, in welcher der Kriegszustand nicht voraussehbar war. Der Bundesratsbeschluss sucht sodann auch die entgegenstehenden Interessen des Gläubigers nach Möglichkeit zu wahren. Der Richter soll die beidseitigen Verhältnisse und Interessen feststellen und gegeneinander abwägen. Er soll dem Gesuche des Schuldners nur dann entsprechen, wenn durch dessen Gutheissung dem Gläubiger nicht unverhältnismässigerNachteil entsteht. Der Bundesratsbeschluss nimmt auch in prozessualer Hinsicht auf die Gläubigerinteressen Rücksicht. Er gibt dem Kreditor die Befugnis, sich vor dem entscheidenden Richter in der Sache vernehmen zu lassen. Soweit es sich nicht um grundversicherte Forderungen handelt, zwingt er den Schuldner, seinen Anspruch auf Beseitigung der Verzugsfolgen am Wohnort des Gläubigers geltend zu machen.

Der Bundesrat hat davon Umgang genommen, die Eliminierung weiterer Verzugsfolgen -- man denke an das Recht auf Verzugszinsen und Konventionalstrafen, an das Rücktritts- und Schadenersatzrecht, an die Rechte des Versicherers gegenüber dem säumigen Prämienzahler usw. -- zu ermöglichen.

Zu den das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner regelnden Verordnungen, die intern-schweizerische Verhältnisse beschlagen, gesellen sich die Noterlasse, die internationale privatrechtliche Verhältnisse im Auge haben.

Die ausländische, auf internationale privatrechtliche Beziehungen anwendbare Kriegsgesetzgebung ist nach Zweck und Inhalt verschieden. Oft beschränkt sie sich darauf, die Geltendmachungs- und Vollstreckungsmöglichkeit von Ansprüchen teilweise oder ganz auszuschliessen, oft verschiebt sie den Fälligkeitstermin von Forderungen, hier und da erklärt sie sogar bestimmte Rechtsgeschäfte als von vornherein nichtig. Solchen Gesetzgebungen gegenüber mussten schweizerischerseits Gegenmassnahmen getroffen werden. Man musste dem in der Schweiz domizilierten Schuldner die nämliche Rechtsstellung einräumen,

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die der im Ausland domizilierte Schuldner uns gegenüber einnimmt. Es erschien als erforderlich, den Abfluss von Vermögen ins Ausland in gleichem Masse zu verhindern, in dem das Ausland sich uns gegenüber verschliesst. Diesem Zwecke dient der Bundesratsbeschluss betreffend S c h u t z d e r in der S c h w e i z domizilierten Schuldner gegenüber dem im Ausl a n d e d o m i z i l i e r t e n G l ä u b i g e r , vom 17. August 1914.

Danach ist der in der Schweiz domizilierte Schuldner bis auf weiteres befugt, seinem im Anstände domizilierten Gläubiger die gleichen Stundungs-Einreden entgegenzuhalten, die dem im Auslande donrnilierten Schuldner auf Grund von Rechtsnormen, die im Lande seines Wohnsitzes erlassen worden sind, gegenüber dem in der Schweiz domizilierten Gläubiger o^ zustehen.

Die Fassung des Bundesratsbeschlusses vom 17. August 1914 hat sich in der Praxis nach zwei Seiten hin als zu eng erwiesen.

Einmal sind unter den durch den Ausdruck .,,Stundungseinreden" bezeichneten Begriff nur Eipreden subsumierbar, durch die die Verlegung des Fälligkeitstermins einer Forderung, nicht aber solche, durch die die Nichtigkeit des dem Anspruch zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes oder die Nichtklagbarkeit oder die Nicht vollstreckbarkeit eines Anspruchs geltend gemacht wird.

Legt man dem Wort ,,Stundungseinrede" diesen engern Sinn bei, so fällt darunter beispielsweise nicht die durch die deutschen Verordnungen vom 7. August und 22. Oktober 1914 begründete Einrede, dass vor dem 31. Juli 1914 entstandene vermögensrechtliche Ansprüche von in der Schweiz domizilierten Gläubigern bis zum 31. Januar 1915 vor deutschen Gerichten nicht geltend gemacht werden können. Und doch liegt es ausser allem Zweifel, dass diese Folgerung aus dem Wortlaut der schweizerischen Bestimmung dem Sinne der Vorschrift aient entspricht. Aber auch noch in anderer Beziehung erschien die Fassung des Bundesratsbeschlusses vom 17. August 1914 als erweiterungsbedürftig. Nach den deutschen Verordnungen über die Fälligkeit im Ausland ausgestellter Wechsel vom 10. August und 22. Oktober 1914 ist der Verfall von vor dem 31. Juli 1914 in der Schweiz ausgestellten, in Deutschland zahlbaren Wechseln um 6 Monate verschoben. Der in Deutschland wohnende Bezogene oder Akzeptant kann sich bei einem solchen Wechsel einredeweise auf die gesetzlich
gewährte Stundung berufen, selbst dann, wenn der Wechselinhaber in Deutschland wohnt. Im umgekehrten Falle dagegen steht -- weil der Bundesratsbeschluss vom 17. August 1914 sich nach seinem Wortlaut nur auf das

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Verhältnis zwischen einem in der Schweiz wohnenden Schuldner und einem im Ausland wohnenden Gläubiger bezieht -- die Stundungseinrede dem in der Schweiz wohnenden Bezogenen und Akzeptanten nur gegenüber einem in Deutschland wohnenden, nicht aber gegenüber einem in der Schweiz domizilierten Wechselinhaber zu. Und doch darf mit Sicherheit angenommen werden, dass nach dem Sinn der Vorschrift die Einrede auch dem in der Schweiz wohnenden Wcchselgläubiger sollte entgegengehalten werden können. Nach diesen beiden Seiten hin hat nun der Bundesratsbeschluss betreffend S c h u t z des in der S c h w e i z d o m i z i l i e r t e n S c h u l d n e r s , vom 4. Dezember 1914, Wortlaut und Sinn der Vorschrift mit einander in Einklang zu bringen versucht. Einmal ersetzt er das Wort a durch den Ausdruck ,,privatrechtliche und y] Stundungseinrede prozessuale Einreden". Sodann bestimmt er ganz allgemein, dass der in der Schweiz domizilierte Schuldner unter den gleichen Voraussetzungen die gleichen privatrechtlichen und prozessualen Einreden, die dem im Ausland domizilierten Schuldner auf Grund der auf internationale Rechtsbeziehungen anwendbaren Kriegsgesetzgebung seines Wohnsitzstaates zustehen, geltend machen kann.

Weil dieser Bundesratsbeschluss die Materie nicht neu regeln, sondern bestehende Normen nur interpretieren will, soll es so gehalten sein, wie wenn der alte Beschluss von Anfang an die ihm durch den neuen Erlass gegebene Fassung gehabt hätte.

Die Bundesratsbeschlüsse vom 17. August und 4. Dezember 1914 haben an sich kein sachliches Anwendungsgebiet. Sie erhalten ein solches erst durch die ausländische Kriegsgesetzgebung.

Diese ist nun nicht durchwegs so beschaffen, dass sie zu keinen Zweifeln Anlass geben würde. So zeigten sich Schwierigkeiten bei der Auslegung der deutschen Verordnungen über die Geltendmachung von Ansprüchen von Personen, die im Ausland ihren Wohnsitz haben, vom 7. August und 22. Oktober 1914, wonach Personen, die in der Schweiz ihren Wohnsitz oder Sitz haben, vor dem 31. Juli 1914 entstandene vermögensrechtliche Ansprüche bis zum 31. Januar 1915 vor deutschen Gerichten nicht geltend machen können und vor dem 7. August 1914 bereits rechtshängig gewordene Verfahren bis zum 31. Januar 1915 unterbrochen sind. Diese Zweifel sind durch Auskünfte behoben worden, die das Auswärtige Amt
des Deutschen Reichs unserm Justiz- und Polizeidepartement am 27. November 1914 erteilt hat. Danach ist die Frage, ob Ansprüche aus Eigenwechseln, die in Deutschland ausgestellt und zahlbar sind und sich in den

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Händen eines in der Schweiz wohnenden Wechselgläubigers befinden, unter die genannte deutsche Verordnung vom 7. August 1914 fallen, zu bejahen. Sodann war bestritten, welches der Sinn des § 3 dieser deutschen Verordnung sei, wonach die Beschränkung in der Geltendmachung von Ansprüchen auch für die Rechtsnachfolger der von der Beschränkung betroffenen Personen gilt, sofern nicht die Ansprüche vor dem 31. Juli 1914 auf sie übergegangen sind. Das Auswärtige Amt des Deutscheu Reichs hat in dieser Hinsicht zunächst festgestellt, dass als ,,Rechtsnachfolger" im Sinne dieser Bestimmung auch der Indossatar zu gelten habe. Im weitern hat es sich dahin ausgesprochen, dass ein vor dem 31. Juli dieses Jahres entstandener vermögensrechtlicher Anspruch, der schon vor dem 31. Juli von einer in der Schweiz wohnenden auf eine in Deutschland wohnende Person übergegangen ist, vom Rechtsnachfolger vor deutschen Gerichten zurzeit geltend gemacht werden kann, dass dies aber nicht der Fall ist, wenn ein solcher Anspruch vor oder nach dem 31. Juli von einer in Deutschland wohnenden auf eine in der Schweiz wohnende Person und wenn er nach dem 31. Juli von einer in der Schweiz wohnenden Person auf eine in Deutschland wohnende Person übergegangen ist. Diese Feststellungen der deutschen Reichsbehörden sind auch für den schweizerischen Richter bei der Anwendung des Bundesratsbeschlusses vom 4. Dezember massgebend.

Nach Art. 813, Abs. l, und 836 O. li. erlöschen bei Nichtbeobachtung der zur Erhaltung des Rechtes aus einem Wechsel oder Check vorgeschriebenen Fristen und Förmlichkeiten die wechselrechtlichen Verbindlichkeiten aus dem Wechsel oder Check selbst dann, wenn die Versäumnis durch höhere Gewalt herbeigeführt worden ist. Der Wechselinhaber verliert also auch dann sein Rückgriffsrecht, wenn er zufolge eines ohne sein Verschulden eingetretenen unüberwindlichen Hindernisses Vorlegung und Protesterhebung nicht rechtzeitig vornehmen kann, wenn beispielsweise wegen eines im Ausland ausgesprochenen Wechselmoratoriums Präsentation und Protest in diesem Staate rechtlich ausgeschlossen sind, oder der ausländische Ort, wo die Handlung vorgenommen werden inuss, so vom Kriege in Mitleidenschaft gezogen ist, dass sie tatsächlich nicht ausführbar oder die zwecks Vornahme der Handlung zu benutzende Postverbindung unterbrochen ist. Um
hier Abhülfe zu schaffen, bestimmt -- mit Rückwirkung auf den 31. Juli 1914 -- der Bundesratsbeschluss betreffend h ö h e r e G e w a l t i m W e c h s e l - u n d C h e c k -

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v e r k e h r mit dem A u s l a n d , vom 1. September 1914, dass, wenn die rechtzeitige Vornahme einer Handlung, die im Auslaade zur Ausübung oder Erhaltung der Rechte aus einem Wechsel oder einem Check vorzunehmen ist, durch eine dort erlassene gesetzliche Vorschrift oder durch einen andren, mit dem Kriegszustand in Zusammenhang stehenden, im Ausland eingetretenen Fall höherer Gewalt verhindert wird, die Rechte ungeachtet der Versäumung bestehen bleiben, wenn die Handlung bis zum Ablauf von 6 Werktagen nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt wird. Damit ist für den zeitlichen und sachlichen Geltungsbereich dieser Vorschrift die modernem Rechtsempfinden überhaupt nicht entsprechende Bestimmung des Art. 813, Abs. l 0. R. ausser Kraft gesetzt.

Bezeichnend für die Stellung des Bundesrates zu der Frage, wie das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner während den Kriegswirren zu gestalten sei, sind nicht nur die von ihm erlassenen, sondern auch die von ihm nicht erlassenen Bestimmungen. Aus der grossen Zahl von auf Abänderung des geltenden Rechtos gerichteten, vom Bundesrate abgewiesenen Begehren sollen hier, soweit dies noch nicht geschehen ist, nur ·einzelne wenige kurz hervorgehoben werden.

Der Bundesrat hat sich auf p r i v a t r e c h t l i c h e m Gebiete in der Ausnützung der ihm erteilten Notverordnungskompetenz grosse Reserve auferlegt. Die Ausnahmegesetzgebung setzt sich nicht oder nicht in der Hauptsache zur Aufgabe, sich die nach ihrem Erlass entstehenden Rechtsverhältnisse zu unterwerfen ; sie will vielmehr in erster Linie in bestehende, gestützt auf das bisherige gemeine Recht existent gewordene Rechtsbeziehungen eingreifen. Dies sollte aber nach Möglichkeit vermieden werden.

Neben dem Interesse, einzelne, durch die anormalen Verhältnisse ·des heutigen Wirtschaftslebens herbeigeführte Unbilligkeiten zu korrigieren, steht das Interesse an der Erhaltung der Rechtsordnung und der Rechtsverhältnisse, die im Vertrauen auf das Weiterbestehen dieser Rechtsordnung entstanden sind. Zudem liegt es in der Natur der Privatrechtsverhältnisse und der bestehenden Wirtschaftsordnung begründet, dass jede einer Kategorie von Vertragschliessenden gesetzlich gewährte Vergünstigung nicht nur die Gegenpartei benachteiligt, sondern auch Rückwirkungen auf eine ganze Reihe von hinter der Gegenpartei
stehenden, wirtschaftlich mit ihr verbundenen Personen haben kann. Es ist nicht ausgeschlossen, dass man durch die Linderung der Notlage auf der einen Seite auf der ändern Seite eine

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Notlage schafft, und dass der aus der Vergünstigung erwachsende Nachteil schliesslich auf Schultern fällt, die nicht tragkräftiger sind als die des Begünstigten. Wo durch die Not der Zeit Verbindlichkeiten unerfüllbar geworden sind, sollen sie nicht durch den Gesetzgeber alteriert, sondern von den Parteien liquidiert werden. Und wo eine gütliphe Verständigung unter den Kontrahenten nicht erreichbar ist, soll die öffentliche Hülfsaktion der Kantone und Gemeinden in Funktion treten und im einzelnen der Weg zu finden gesuchl werden, auf welchem in angemessener Weise solche Privatrechtsverhältnisse gelöst werden können.

Von solchen Gesichtspunkten liess sich der Bundesrat in der Hauptsache leiten, als er es beispielsweise ablehnte, die Möglichkeit zu schaffen, dass auf Grund des vorhandenen Notstandes Mietzinse gestundet oder nachgelassen, dass die für die eine Partei unerträglich gewordenen Mietverträge von ihr vorzeitig aufgelöst werden können, dass im Falle der Geltendmachung des Eigentumsvorbehalts oder des Rücktrittsrechts die verkaufte und gelieferte Sache im Gebrauche des Käufers belassen werden kann.

Auf dem Gebiet des S c h u l d b e t r e i b u n g s - u n d K o n k u r s r e c h tes glaubte der Bundesrat auch bei Zusicherung des Gegenrechts davon absehen zu sollen, in Ausdehnung des Art. 57 Seh. K. G. die in der Schweiz niedergelassenen, zurzeit im ausländischen Kriegsdienst befindlichen Ausländer den an der Grenze stehenden Schweizerbürgern in dem Sinne gleichzustellen, dass auch ihnen die Rechts wohltat des Rechtsstillstandes zuteil werde.

Im weitern nahm man in Übereinstimmung mit der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des schweizerischen Bundesgerichts davon Umgang, die Wirkungen des Rechtsstillstandes auch den unter den Fahnen stehenden Gläubigern zugute kommen zu lassen, weil man annahm, dass sie in der Lage sind, ihre Interessen im brieflichen Verkehr mit den Betreibungsbehörden oder durch Bestellung eines Vertreters zu wahren.

Auf p r o z e s s u a l e m Gebiete endlich schloss sich der Bundesrat der Auffassung des Buridesgerichts an, wonach eine Mass- > nähme, durch die im Prozess vor Bundesgericht der Fristenlauf allgemein gehemmt würde, nicht als notwendig erscheine und Gefahren für die Rechtssicherheit und eine weitgehende Schädigung berechtigter Interessen mit sich brächte, die daraus entstehen müsste, dass infolge eines allgemeinen Stillstandes der Rechtsmittelfristen die Grosszahl der lelztinstanzlichen kantonalen

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Urteile auf geraume Zeit hinaus die Rechtskraft nicht beschreiten könnte.

Die ablehnende Haltung, welche wir gegenüber den Anregungen und Gesuchen weiterer Eingriffe in die Rechtsordnung einnahmen, war ein Grund mehr für uns, nach Möglichkeit auch unserseits dem drückendsten Faktor der gegenwärtigen partiellen Notlage, der A r b e i t s l o s i g k e i t entgegenzuarbeiten. Wir haben daher unsere Departemente angewiesen, trotz den finanziell überaus ungünstigen Verhältnissen die Ausführung von ßauarbeiten, bei denen Arbeitslose Verwendung finden könnten, soweit immer möglich fortzusetzen. Es betrifft dies militärische Anlagen, bei denen die Zivilbevölkerung mitbeschäftigt werden kann, sodann aber insbesondere Bacbkorrektionsarbeiten, Hochbauten, Anlage von Waldwegen, Bodenverbesserungen u. dgl. Wir haben auch die Schweizerischen Bundesbahnen eingeladen, soweit nur immer die Verhältnisse es gestatten, die Bauarbeiten nicht zu sistieren, und fanden bei der Generaldirektion für diese Anregung verständnisvolle Aufnahme. Natürlich werden bei allen diesen Arbeiten soweit nur immer möglich schweizerische Arbeitslose beschäftigt.

In diesem Zusammenhange erwähnen wir noch das Kreisschreiben unseres Industriedepartements b e t r e f f e n d L o h n s t r e i t i g k e i t e n , vom 16. November 1. J.

Die unselbständig Erwerbenden haben darüber Klage geführt, dass die Löhne in einer unbilligen und willkürlichen Weise verkürzt und damit ihre sowieso bescheidenen Mittel in einer Zeit beschnitten werden, wo die Bedingungen der Lebenshaltung besonders drückend sind. Auf der ändern Seite haben die Arbeitgeber darauf hingewiesen, dass eine Verringerung der Löhne begreiflich und nicht zu vermeiden sei unter Verhältnissen, wodie Rohmaterialien und Halbfabrikate gar nicht oder nur mit den grössten Schwierigkeiten erhältlich sind, wo der Absatz der Erzeugnisse, besonders im Auslande, beschränkt oder ganz abgeschnitten ist, wo die Ausstände nicht eingehen und die Betriebsmittel nicht flüssig gemacht werden können. Wir haben die Überzeugung gewonnen, dass ohne genaue Kenntnis im einzelnen Falle es nicht möglich ist, das Verhalten der Arbeitgeber gegenüber ihren Angestellten und Arbeitern zu beurteilen, und dass es töricht wäre, dort, wo Geschäftsinhaber in anerkennenswerter Weise sich bestreben, den Arbeitern überhaupt
noch einen Verdienst zu verschaffen, auch wenn das Geschäft dabei keinen Nutzen oder sogar Schaden hat, intervenieren zu wollen und dadurch vielleicht die Schliessung der Geschäfte herbeizuführen.

748 Auf Grund der gegenseitigen Aussprache der Abgeordneten von Verbänden der Arbeitgeber und Arbeiter in einer Konferenz hat unser Iridustriedepartement zunächst auf das wirksamste Mittel zar Bekämpfung bestehender Übelstände hingewiesen : die Untersuchung und Erledigung im Zusammenarbeiten der bestehenden Berufsverbände. Wo solche fehlen, wird auf die Vermittlung der Behörden abgestellt und als solche die kantonalen Behörden, die den Verhältnissen nahestehen, in Aussicht genommen. Dabei wird auch auf die im neuen Fabrikgesetz vorgesehenen Einigungsstellen behufs Vermittlung von Kollektivstreitigkeiten hingewiesen und allgemein die Einsetzung von Kommissionen für die Untersuchung und Vermittlung von Anständen über Lohnkürzungen in den verschiedenen Berufsarten angeregt, soweit sich hierfür ein Bedürfnis in den einzelnen Kantonen zeigen sollte.

V.

Gleichzeitig mit dem Aufgebot unserer Truppen mussten auch die n ö t i g e n G e l d m i t t e l zur Deckung der hieraus erwachsenden Ausgaben beschafft und ferner die zur Sicherung eines geordneten Geldverkehrs und zur Aufrechthaltung des öffentlichen Kredits unumgänglich notwendigen Massnahmen getroffen werden.

Die Finanzverwaltung war früher stets bestrebt gewesen, für Zeiten von Finanzkrisen und auch von grössern laufenden Bedürfnissen erhebliche verfügbare Mittel bereitzuhalten. Die Anforderungen aller Art an die Bundeskasse hatten sich aber in den letzten Jahren so stark vermehrt, und zudem war 1913 eine so erhebliche, andauernde Verminderung der hauptsächlichsten Einnahmen eingetreten, dass Ende Juli dieses Jahres nicht nur kein eigentlicher Betriebsfonds mehr vorhanden war, sondern dass auch ein erheblicher Teil der Gelder aus dem im Vorjahre zu militärischen Zwecken aufgenommenen Anleihen für die Deckung ordentlicher Bedürfnisse des Staatshaushaltes hatte verwendet werden müssen.

Trotzdem fanden uns die kriegerischen Ereignisse nicht völlig unvorbereitet. Einmal war durch die in Ausführung des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1905 gegründete schweizerische Nationalbank ein kräftiges Finanzinstitut geschaffen worden, von dem bei seiner zweckmässigen Organisation, sowie bei seiner von Anfang an befolgten vorsichtigen und doch zielbewussten Diskontopolitik erwartet werden durfte, dass es imstande sein werde, unserm Lande im allgemeinen und der Bundesverwaltung im besondern bei eintretendeiji grossen Krisen die schätzbarsten

749

Dienste zu leisten. Sodann ist im Jahre 1912 im Hinblick auf allfällige kriegerische Verwicklungen in gemeinsamen Konferenzen des Finanzdepartements, des Militärdepartements und der Generaldirektion der schweizerischen Nationalbank ein f i n a n z i e l l e r und w i r t s c h a f t l i c h e r K r i e g s p l a n ausgearbeitet worden.

Zur Bestreitung der Kosten des Aufgebots des Heeres standen uns auf 31. Juli 1914 in erster Linie speziell zur Verfügung: 1. Die in Ausführung eines Postulats der Bundesversammlung vom 23. Juni 1888 geschaffene und im Bundesgesetz vom 10. April 1891 betreffend die Anlage eidgenössischer Staatsgelder und der Spezialfonds vorgesehene Barreserve in Goldmünzen Fr. 10,000,000 2. Der vor zwei Jahren aus Mitteln des Münzreservefonds gebildete Vorrat in silbernen Fünffrankenstücken, Silberscheidemünzen und Nickelmünzen ,, 5,000,000 Fr. 15,000,000 Ferner waren sofort verwendbar, obschon sie nicht zu diesem Zwecke bestimmt waren: 3. Der Restbetrag der Bankdepositen, herrührend aus den Geldern des vorerwähnten Anleihens vom Jahre 1913 . . . . ,, 18,048,465 4. Der Barvorrat der Staatskasse . . . . ,, 8,753,100 5. Postcheckguthaben . ,, 93,353 Zusammen Fr. 41,894,918 Wenn nun auch für die allerersten Bedürfnisse vorgesorgt war, so musste dennoch auf rasche Beschaffung von weitern Geldmitteln um so mehr Bedacht genommen werden, als für die Deckung der laufenden Ausgaben der Bundesverwaltung, wie angedeutet, keine Betriebsmittel vorhanden waren und die Einnahmen der Zollverwaltung, sowie auch die übrigen Einkünfte des eidgenössischen Staatshaushaltes in bedenklicher Weise zurückgingen.

Wir beschlossen deshalb unterm 12; August 1914, ein k u r z f r i s t i g e s i n n e r e s A n l e i h e n aufzunehmen im Betrage von Fr. 30,000,000. Dasselbe ist verzinslich zu 5 % per Jahr und rückzahlbar am 26. Februar 1917. In Anbetracht der Dringlichkeit erfolgte die Emission durch die Nationalbank, der zu diesem Behufe alle Postbureaux der Schweiz zur Entgegennahme von Zeichnungen

750

zur Verfügung gestellt worden waren. Der Ausgabekurs wurde auf 99 % festgesetzt, und es wurde ausserdem den Banken, die neben der Nationalbank bei diesem Anleihen mitwirkten, eine Kommission von 0,50 °/o bewilligt. Durch einen besondern Aufruf war das Schweizervolk ersucht worden, sich bei der Zeichnung zu beteiligen. Obschon man sich noch unter dem ersten lähmenden Eindruck des so plötzlich ausgebrochenen Weltkrieges befand, und verschiedene andere Faktoren damals den Geldmarkt ungünstig beeinflussten, so war der Erfolg doch kein unerfreulicher, indem statt der verlangten dreissig Millionen Franken über vierzig Millionen gezeichnet wurden (Fr. 41,871,900).

Bald darauf sahen wir uns genötigt, den Kredit wiederum in Anspruch zu nehmen. Es handelte sich diesmal um die Beschaffung einer Summe von 50 Millionen Franken. Im Hinblick auf diesen Umstand und auf die Ungewissheit, in der wir uns mit Bezug auf die Lage des Geldmarktes nach Beendigung des Krieges befinden werden, entschieden wir uns für ein l a n g f r i s t i g e s A n l e i h e n , wobei immerhin dem Bunde die Fakultät zur frühern, teilweisen oder ganzen Rückzahlung eingeräumt werden sollte.

Um unsere bisherigen guten Beziehungen zur schweizerischen Bankwelt aufrechtzuerhalten und mit Rücksicht auf die Höhe des benötigten Betrages glaubten wir sodann, bei dieser Operation nicht auf die Mitwirkung unserer Banken und deren Garantie für die Unterbringung der Titel verzichten zu sollen. Wir beauftragten deshalb am 15. Oktober unser Finanzdepartement, durch das Mittel der Nationalbank mit dem Verband der schweizerischen Kantonalbanken und dem Kartell der schweizerischen Handelsbanken zum Zwecke des Abschlusses eines Anleihensvertrages auf vorstehenden Grundlagen in Unterhandlungen zu treten und alle Detailfragen zu erledigen. Eine Einigung konnte bald erzielt und am 22. desselben Monats das Anleihen aufgelegt werden.

Dessen hauptsächlichste Modalitäten sind folgende: Die Obligationen sind zu 5 °/o per Jahr verzinslich. Das Anleihen ist zu pari mittelst jährlichen Auslosungen rückzahlbar in 16 gleichen Annuitäten vom 1. Dezember 1919 bis 1. Dezember 1934. Der Bundesrat ist indessen berechtigt, mittelst dreimonatlicher Voranzeige die im Tilgungsplane vorgesehenen Rückzahlungen zu verstärken oder das Anleihen vorzeitig ganz oder teilweise
zurückzuzahlen ; er kann aber von diesem Rechte nicht vor dem 1. September 1919 Gebrauch machen. Das Anleihen ist also während fünf Jahren unaufkündbar. Der Emissionskurs war pari ; die den mit der Placierung der Titel beauftragten Banken zugestandene Kommission

751

betrug 1,25 °/o. Die Zeichnungen überstiegen die Erwartungen ; es wurden im ganzen Fr. 179,107,800 gezeichnet, also mehr als der dreifache Betrag des Anleihens. Dieses Ergebnis ist namentlich deshalb befriedigend, weil es uns zeigt, dass trotz der gegenwärtigen schweren Zeiten unsere Bevölkerung ein unerschütterliches Vertrauen in die Zukunft unseres Staatswesens hat.

Die B a r a u s l a g e n für die M o b i l i s a t i o n bis Ende November können unter Vorbehalt der Abrechnung über eine Anzahl von Konti und Vorschüssen auf e t w a s m e h r als 100 Millionen F r a n k e n geschätzt werden. Anderseits wird die zweite Einzahlung auf das letzte Anleihen erst im Januar erfolgen. Da zu den Kosten des Truppenaufgebotes noch die laufenden Bedürfnisse des Staatshaushaltes kommen, soweit sie nicht durch die stark verminderten Einnahmen gedeckt werden, so liegt auf der Hand, dass noch auf andere Weise als nnr durch die Emission von Staatsanleihen Geldmittel beschafft werden mussten. Es geschah dies durch die Inanspruchnahme disponibler Gelder der Speziaif o n d s u n d durch d i e A b g a b e v o n S c h a t z a n w e i s u n g e n der Staatskasse.

Die Nationalbank besorgt bekanntlich zum grössten Teile den gewöhnlichen K a s s e n d i e n s t des Bundes. Hinsichtlich der Zahlungen an die Armee ist es seit dem Beginn der Mobilisation so gehalten worden, dass die Nationalbank die Zahlungen an diejenigen Truppenkörper übernahm in den Ortschaften, wo sie Zweigniederlassungen und eigene Agenturen hat. Alle übrigen Sendungen gingen von der eidgenössischen Staatskasse aus, welche somit die grosse Mehrzahl der Zahlungen zu leisten hatte und noch ferner haben wird.

Erfahrungsgemäss ist beim Eintritt von politischen Krisen
752 die Schweiz, wo man sich im allgemeinen noch viel zu wenig des Check- und Giroverkehrs zu bedienen weiss. Es waren deshalb auch verschiedene Massnahmen angeordnet und durchgeführt ·worden, um einem eventuellen Mangel an Zahlungsmitteln, und zwar sowohl an Hartgeld als auch an Papiergeld, vorzubeugen.

So war beschlossen worden, die P r ä g u n g von g o l d e n e n Z e h n f r a n k e n s t ü c k e n für Rechnung des Bundes zu steigern, und es wurde ferner der eidgenössischen Münzstätte die Ermächtigung erteilt, die Ausmünzung solcher Goldstücke für Rechnung der Nationalbank zum nämlichen Präglohne auszuführen, wie er für die Zwanzigfrankenstücke festgesetzt ist, was für die Bank einen Vorzugspreis bedeutete. Die Nationalbank hat denn auch letztes Jahr erstmals 400,000 Zehnfrankenstücke anfertigen lassen. Was dea Bund anbetrifft, so hat er seit 1912 seine jährlichen Zehnfrankenprägungen von 100,000 auf 200,000 Stück erhöht.

Im Budget des laufenden Jahres konnte der Betrag der auszuprägenden S i l b e r s c h e i d e m ü n z e n von Fr. 2,000,000 auf Fr. 2,500,000 gesteigert werden. Es war dies deshalb möglich, weil wir bisher die durch das internationale Münzabkommen festgesetzten Jahreskontingente nie vollständig ausgenützt hatten, und infolgedessen die nicht ausgeführten Prägungen im Betrage von zirka Fr. 500,000 nachholen konnten. Glücklicherweise war die ganze Summe von Fr. 2,500,000 fertiggestellt, als der Krieg ausbrach.

Gemäss Art. 19 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1905 sollen die Noten der schweizerischen Nationalbank in Abschnitten von 50, 100, 500 und 1000 Franken ausgegeben werden. Der Bundesrat kann jedoch in ausserordentlichen Fällen die Ausgabe von Banknoten in Abschnitten von 20 Franken vorübergehend bewilligen. Im Einverständnis mit dem Bundesrate hat die Nationalbank schon im Jahre 1912 Banknoten in Abschnitten von 20 Franken, und 1913 solche in Abschnitten von 5 Franken vorbereiten lassen.

Zu erwähnen ist endlich noch die schon 1899 und 1900 durchgeführte Anfertigung von Staatskassenscheinen im Betrage von 30 Millionen Franken in Abschnitten von 5, 10 und 20 Franken, wovon seinerzeit der Bundesversammlung durch die Geschäftsberichte Kenntnis gegeben worden ist.

Seit dem Beginn der internationalen Verwicklungen sind auf dem Gebiete der Fürsorge für genügende Zahlungsmittel folgende Massnahmen und Verfügungen getroffen worden :

753

Am 30. Juli beschloss der Bundesrat, die Nationalbank zu ermächtigen, 20 F r a n k e n - B a n k n o t e n auszugeben. Gleichzeitig wurde für sämtliche Noten der Bank der g e s e t z l i c h e K u r s erklärt.

Unterm 3. August erfolgte die Ermächtigung an die Nationalbank zur vorübergehenden Ausgabe von 5 F r a n k e n - B a n k n o t e n , indem zugleich verfügt wurde, dass auf diese Banknoten die Vorschriften des Bundesgesetzes über die genannte Bank in vollem Umfange Anwendung finden sollen.

Schon .in den ersten Tagen des August war die Nachfrage nach kleinern Zahlungsmitteln eine so grosse, dass zu befürchten war, der Vorrat der Nationalbank an 5 Franken- und 20 FrankenBanknoten werde in Bälde erschöpft sein, was zu einer wahren Kalamität geführt hätte. Es musste deshalb darauf Bedacht genommen werden, wie der weitere Bedarf sobald als möglich gedeckt werden könnte. Zu diesem Zwecke wurde mit Bundesratsbeschluss vom 14. August das Finanzdepartement beauftragt, die vorbereiteten S t a a t s k a s s e n s c h e i n e durch Aufdruck der Unterschriften beförderlichst fertigzustellen und sie der Nationalbank zur Ausgabe als B a n k n o t e n zu übergeben. Diese Bundeskassenscheine konnten nach kurzer Zeit in Umlauf gesetzt werden.

Endlich wurde durch Beschluss vom 1. September die Nationalbank zur A u s g a b e von 40 F r a n k e n - B a n k n o t e n autorisiert.

Dieser Typus wurde deshalb gewählt, weil diese Noten in der Schweiz, und nicht, wie die Noten der Bank in England angefertigt werden mussten, und man nicht zweierlei Noten des gleichen Nennwertes haben wollte.

Obschon die eidgenössische Staatskasse, wie oben ausgeführt, auf Ende Juli über einen Vorrat an Silbermünzen von mehr als 8J/2 Millionen Franken verfügte, so erwies sich dieser Stock dennoch sehr bald als ungenügend, indem die Zahlungen für die Armee und die Münzauswechslungsbegehren des Publikums sofort grosse Beträge absorbierten. Gleichzeitig mit dem Run auf die Banken, von dem noch die Rede sein wird, fand nämlich ein Ansturm auf die eidgenössische Staatskasse statt zwecks Beschaffung von Hartgeld. Es wurden insbesondere Silberscheidemünzen verlangt, da der Bedarf an gröberen Sorten infolge der Ausgabe von kleinen Noten und Bundeskassenscheinen in verhältnismässig kurzer Zeit gedeckt werden konnte. Wir entschlossen uns daher,
obgleich uuser Jahreskontingent bereits erschöpft war, die P r ä g u n g von S i l b e r s c h e i d e m ü n z e n , und zwar auf Rechnung der zukünftigen Jahres-

754 b e t r e f f n i s s e , fortzusetzen.

Die Nationalbaak wurde ermächtigt , das in der Schweiz vorrätige Silber aufzukaufen, wodurch gleichzeitig der Uhrenindustrie, die fast gänzlich stillstand, ein Dienst erwiesen wurde, indem auf diese Weise nicht unbeträchtliche immobilisierte Werte liquid gemacht werden konnten. Die Münzstätte erhielt die Weisung, die Anfertigung von Silberscheidernünzen sofort mit aller Energie an die Hand zu nehmen. Sie hat bis heute rund Fr. 3,500,000*) in Silberscheidemünzen ausgeprägt, die es ermöglichten, die gesteigerten Bedürfnisse an Kleingeld zu befriedigen. Da jetzt ein allmählicher Rückfluss von Silberscheidemunzen in die Kassen zu konstatieren ist, sind die Silberankäufe sistiert worden. Von dieser .ausserordentlichen Prägung wurde den übrigen Staaten der lateinischen Münzunion Kenntnis gegeben.

Die Vorgänge, die sich in unserm Lande Anfang August abspielten, zeigten, wie sehr es nötig war, die vorerwähnten vorsorglichen Massnahmen zu treffen. Als der Krieg unter den Grossmächten unvermeidlich geworden war, wusste leider ein Grossteil unserer sonst so ruhigen und besonnenen Bevölkerung nicht die notwendige Kaltblütigkeit zu bewahren. Es brach stellenweise eine wahre Panik aus. Die Banken und Kassen wurden von den Spareinlegern förmlich belagert und unzählige Guthaben sind von einem Tage zum ändern zurückgezogen worden. Erst allmählich, als es sich zeigte, dass höchstwahrscheinlich unser Land nicht in den Strudel der kriegerischen Ereignisse werde hineingezogen werden, beruhigten sich die Gemüter einigermassen.

In diesen äusserst schwierigen Zeiten hat unsere zentrale N o t e n b a n k die bei ihrer Gründung in sie gesetzten Hoffnungen voll und ganz erfüllt. Sie war wirklich der R e g u l a t o r des Geldm a r k t e s u n d d i e festeste Stütze u n s e r e s Landeskredits.

Durch weitgehende Diskontierung von Wechseln und durch Gewährung von Vorschüssen auf Wertschriften hat sie der Geschäftswelt im allgemeinen und namentlich den Banken und Kassen die besten Dienste geleistet. Allerdings konnte auch die schweizerische Nationalbank mit dem besten Willen nicht allen Begehren entsprechen. Sie musste das allgemeine Interesse über die Interessen ') Nämlich Fr. 500,000 in Halbfrankenstücken, ,, 1,500,000 ,, Einfrankenstilckeii und ,, 1,500,000 ,, Zweifrankenstücken.

755 der Privaten stellen und es war für sie ein Gebot der Klugheit und Vorsicht, bei aller Bereitwilligkeit helfend einzugreifen, sich auch eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen, da sie unsere vornehmste und letzte Reserve bedeutet.

Nachstehende Zahlen aus einigen Wochenbulletins der Bank sind am besten geeignet, ein Bild über die Leistungen der Bank zu geben : Portefeuille

Metallbestand

Verhältnis der

und Lombard- Notenzirkulation Notenmetalldeckung verschlisse zur Notenzirkulation in Millionen Franken in %

23. Juli . . . 199.01 107.70 267.9i 74.3 31. ,, . . . 197.88 243.U 409.26 48.3 7. August . . 207.53 294.03 430.82 48.4 15.

,, . . 213.06 300.85 435.78 48.8 22.

^ . . 219.24 304.00 440.38 49.7 31.

,, . . 222.49 308.99 452.44 49.i 17. September . 224.98 299.6?

446.i?

50.4 25.

,, . 229.M 291.63 . 437.cc 52.4 Es erhellt namentlich aus diesen Ziffern, dass trotz dem Anschwellen des Wechselportefeuilles und der Lombard Vorschüsse und der damit verbundenen Vermehrung der Notenzirkulation beim Beginn der internationalen Verwicklungen das Verhältnis der Notenmetalldeckung zur Notenzirkulation, das in der Woche vom 23. bis 31. Juli stark gesunken war, sich hierauf beständig besserte. Nach dem letzten Wochenausweis betrug es 63.3 °/o. Diese Tatsache beweist am besten, wie richtig es gewesen ist, dass der Bundesrat, der anfangs August aus verschiedenen Kreisen gemachten Anregung, das gesetzliche Minimum der Metalldeckung den Noten von 40 % auf 35 % herabzusetzen, keine Folge gegeben hat.

Eine solche Massnahme hätte allerdings die Emissionskraft der Bank erhöht, aber auch gleichzeitig den Kredit unserer Banknote erschüttert und damit unsere Valuta verschlechtert.

Das Wechselportefeuille hat sich vom 14. November bis zum 23. November um nicht weniger als Fr. 28,324,125 vermindert, ein Beweis, dass die Ansprüche an die Bank stark zurückgegangen sind, was allerdings auch mit einem Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen mag.

Der Diskontosatz betrug am 30. Juli 4 J /2 °/o, am 31. Juli wurde er angesichts der gesteigerten Begehren auf 5'/2 °/o, und am 3. August auf 6 % erhöht; am 10. September konnte er auf 5 °/o ermässigt werden. Der Lombardzinsfuss war am 30. Juli Bunneablatt. 66. Jahrg. Bd. IV.

58

756

auf 572 %, am 31. Juli auf 6 %, und am 3. August auf 7 % festgesetzt worden. Am 10. September wurde er auf 6 % herabgesetzt; mit dem 24. September beträgt er ^jz °/o.

Der Bundesrat ist stets mit der Generaldirektion der Nationalbank im engsten Kontakt geblieben, und sämtliche vorerwähnten Massnahmen wurden, sofern sie die Bank irgendwie berührten, im Einverständnis beider Behörden getroffen. Gemäss den seinerzeitigen Abmachungen wurde bei Beginn der internationalen Verwicklungen die Kriegsreserve des Bundes der Nationalbank ü b e r g e b e n , was die Position derselben nicht unerheblich verstärkte. Anderseits aber verdient hervorgehoben zu werden, dass ohne die tatkräftige Unterstützung der Bank der Bund seine schwere Aufgabe niemals so gut hätte erfüllen können. Das Zusammenwirken von Bund und Nationalbank ist also für unser Land von grösstem Nutzen gewesen.

Mit Beschluss vom 9. September 1. J. haben wir zur Hebung des Kredits eine D a r l e h e n s k a s s e gegründet. Wir haben es vorgezogen, dieses Institut auf staatlicher Grundlage zu errichten, statt dessen Gründung der privaten Initiative zu überlassen. Eine vom Bund errichtete Kasse erschien uns eher geeignet, das Zutrauen des Publikums zu erwerben. Sodann konnte nur einer staatlichen Institution die Ermächtigung erteilt werden, sich die erforderlichen Betriebsmittel durch Ausgabe von gehörig gedeckten Noten zu verschaffen. Die Kasse ist denn auch zur Emission von Darlehenskassenscheinen von Fr. 25 ermächtigt worden. Dieselben haben gesetzlichen Kurs. Für alles Nähere bezüglich der Organisation der Darlehenskasse wird hier auf den bezüglichen Beschluss verwiesen.

* * Mit Beschluss vom 5. September 1. J. haben wir die B e s o l d u n g s v e r h ä l t n i s s e d e r im- a k t i v e n Militärdienst stehenden Beamten und Angestellten des Bundes geregelt. Dadurch wurde bestimmt, dass den den Offiziersgrad bekleidenden Beamten und Angestellten gewisse Abzüge am Gehalt zu machen sind. Man ging dabei von dem Grundsatze aus, dass die betreffenden Beamten und Angestellten in ihren Besoldungen nicht verkürzt werden, dass sie dagegen aus ihrem Militärdienstverhältnis auch nicht lukrieren sollen. Beamte und Angestellte, die keinen Grad oder den Grad eines Unteroffiziers bekleiden, erhalten ihren vollen Sold. Beamte und Angestellte, die dem

757

Territorialdienst zugeteilt sind und Militärkleid tragen, im übrigen aber die laufenden Arbeiten der schweizerischen Militärverwaltung besorgen, erhalten ihren Gehalt ohne Militärsold, jedoch mit Kleiderentschädigung.

Dieser Erlass wurde durch Beschluss vom 18. September mit Bezug auf die Stabssekretäre und Feldpostsekretäre mit Adjutantunteroffiziersgrad ergänzt.

Hinsichtlich der Auszahlung des Lohnes der im aktiven Militärdienst stehenden A r b e i t e r u n d p r o v i s o r i s c h e n A n g e s t e l l t e n des B u n d e s haben wir arn 7. Oktober verfügt: I. Die Lohnansprüche der im aktiven Militärdienst stehenden Tag- und Stundenlohnarbeiter und provisorischen Angestellten der Bundesverwaltung während der Dauer dieses ihres aktiven Militärdienstes werden in folgender Weise geregelt : 1. Wer bei Beginn seines aktiven Militärdienstes mindestens drei Jahre ununterbrochen bei der Bundes ver waltung beschäftigt war, bezieht a) wenn er verheiratet ist oder, obgleich unverheiratet, gegenüber Angehörigen unterstützungspflichtig und dieser Pflicht bisher nachgewiesenermassen nachgekommen ist, den vollen Lohn ; b) andernfalls den halben Lohn.

2. Wer bei Beginn seines aktiven Militärdienstes noch nicht drei Jahre, wohl aber seit mehr als sechs Monaten ununterbrochen bei der Bundesverwaltung beschäftigt war, bezieht im Falle von lit. a oben, den halben Lohn, andernfalls einen Taglohn von einem Franken fünfzig Rappen.

3. Wer bei Beginn seines aktiven Militärdienstes noch nicht sechs Monate ununterbrochen bei der Bundesverwaltung beschäftigt war, besitzt keinen Lohnanspruch.

II. Die Bundesratsbeschlüsse vom 5. und 18. September 1914 betreffend die Besoldung der im aktiven Militärdienst stehenden Beamten und Angestellten des Bundes finden entsprechende Anwendung auf diejenigen vorgenannten Personen, welche Offiziersgrad bekleiden oder Stabssekretäre oder Feldpostsekretäre mit Adjutantunteroffiziersgrad sind.

III. Dieser Beschluss gilt vom 1. September 1914 an für die ganze Dauer der Kriegsmobilmachung.

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Wir glauben, Ihnen im Vorstehenden einen Überblick über die wesentlichern Entscheidungen gegeben zu haben, die der Bundesrat in Geltendmachung der ihm erteilten Vollmachten getroffen hat. Wollten wir Ihnen einen Einblick in alle Einzelheiten unserer Tätigkeit in den verflossenen vier Monaten seit Kriegsbeginn verschaffen, so würde der Bericht wohl eine ungebührliche Länge erreichen. Noch stehen wir mitten in der Entwicklung der weltgeschichtlichen Ereignisse. Jeder Tag bringt neue, verantwortungsreiche Aufgaben. Wir werden um so freudiger und mutiger an deren Lösung gehen, wenn wir auch in Zukunft des Vertrauens gewiss sein können, das Sie uns durch Ihren Beschluss vom 3. August 1. J. geschenkt haben.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 1. Dezember 1914.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Hoffmann.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914 getroffenen Massnahmen. (Vom 1. Dezember 1914.)

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1914

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4

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50

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575

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16.12.1914

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707-758

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