405

# S T #

Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Einbürgerung vom Optionsrecht ausgeschlossen Kinder von in der Schweiz eingebürgerten Franzosen.

(Vom 24. Februar 1914.)

Getreue, liebe Eidgenossen !

Gemäss der Übereinkunft mit Frankreich vom 23. Juli 1879 haben die Kinder von Franzosen, die sich zu einer Zeit in der Schweiz einbürgern lassen, wo diese Kinder noch minderjährig sind, das Recht zwischen ihrem 21. und ihrem 22. Altersjahr für die Schweiz zu optieren und die französische Nationalität auszusehlagen. Bis diese Kinder die Optionsformalitäten in gültiger Weise erfüllt haben, bleiben sie Franzosen.

Dieser Grundsatz ist durchbrochen worden durch die im Jahre 1904 auch vom Bundesrate angenommene Auslegung wonach Kinder von Franzosen, welch letztere sich zu einer Zeit in der Schweiz einbürgern lassen, wo der Vater in Frankreich noch den Militärdienst in der aktiven Armee und in ihrer Reserve untersteht, des Optionsrechtes verlustig gehen.

Die eingangs erwähnte Übereinkunft findet somit auf diese Kinder keine Anwendung und es steht den schweizerischen Behörden frei, sie mit ihren Eltern ins Schweizerbürgerrecht aufzunehmen, was allerdings nicht verhindert, dass sie nach den französischen Gesetzen Franzosen bleiben und somit Doppelbürger werden. Für die Folgen, die aus dem Umstand entstehen können, dass eine Person zwei verschiedene Bürgerrechte besitzt, lehnt der Bundesrat jede Verantwortung ab, indem es Sache der betreifenden Personen ist, sich mit den Behörden ihres frühern Heimatstaates ins Reine zu setzen.

Nun wird die Auslegung von 1904 auch rückwirkend auf diejenigen Kinder angewendet, deren französische Eltern sich

406

vor dem Jahre 1904 zu einer Zeit in der Schweiz einbürgern Hessen, da der Vater noch dem aktiven Militärdienst in Frankreich unterworfen war. Vor 1904 waren diese Kinder der Übereinkunft unterstellt; sie wurden daher nicht mit den Eltern ins Schweizerbürgerrecht aufgenommen, sondern ihnen das Optionsrecht vorbehalten. Nun die Kinder mehrjährig werden und von dem ihnen damals eingeräumten Optionsrecht Gebrauch machen wollen, wird ihnen dieses Recht von der französischen Behörde bestritten ; die Optionserklärung erlangt ihre Gültigkeit nicht und sie bleiben Franzosen ohne Schweizerbürger zu -werden.

Ist durch diese Auslegung den in Frage stehenden minderjährigen Personen das Recht der Option entzogen, so findet die Übereinkunft auf sie keine Anwendung mehr, der Optionsvorbehalt fällt dahin und sowohl die Einbürgerungsbewilligung als auch die Aufnahmebeschlüsse der kantonalen und kommunalen Behörden können sich auf Eltern und Kinder erstrecken, sofern nicht ausdrücklich Ausnahmen gemacht werden. Der Umstand, dass sich erst nachträglich herausstellt, dass die Optionsübereinkuaft nicht mehr zur Anwendung gelangen kann, rechtfertigt auch die Auffassung, dass die Aufnahme der Eltern ins Schweizerbürgerrecht nachträglich auch die Aufnahme der Kinder zur Folge haben kann.

Auf Grund dieser Erwägungen haben wir am 19. Dezember abhin folgende Beschlüsse gefasst: 1. Es wird grundsätzlich entschieden, dass Kinder französischer Eltern, die nicht unter die Bestimmungen der Übereinkunft mit Frankreich vom 23. Juli 1879 fallen, mit den Eltern ins Schweizerbürgerrecht aufgenommen werden können.

2. Der Bundesrat erklärt des weitern, dass dieser Beschluss rückwirkend auch auf diejenigen Kinder französischer Eltern Anwendung finden kann, für die anlässlich der Naturalisation der Eltern der Optionsvorbehalt gemacht worden ist, bei denen es sich aber später herausstellt, dass die Optionsübereinkunft mit Frankreich auf sie keine Anwendung findet.

Hierzu beehren wir uns, folgendes zu bemerken : Auf Grund des ersten dieser beiden Beschlüsse können in Zukunft auch Kinder von französischen Eltern, die der Übereinkunft nicht unterstellt sind, gleichzeitig mit ihnen ins Schweizerbürgerrecht aufgenommen werden. Das politische Departement wird die in Frage kommenden Bürgerrechtsgesuche in dieser Hinsicht prüfen und, gestützt auf das Ergebnis dieser Prüfung,

407

in der Einbürgerungsbewilligungs- oder- Wiedereinbürgerungsurkunde für die Kinder den Optionsvorbehalt machen oder nicht. Je nachdem die bezügliche Urkunde diesen Vorbehalt enthält oder nicht, so soll er auch in die kantonalen und kommunalen Verfügungen aufgenommen werden oder es sollen die Kinder mit den Eltern eingebürgert werden. (Siehe auch Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantone vom 27. Juni 1913, Absatz 3.")

Der zweite Beschluss gestattet allen denjenigen Kindern, für die anlässlich der Naturalisation ihrer französischen Eltern der Optionsvorbehalt gemacht wird oder gemacht worden ist, bei denen es sich aber später herausstellt, dass die Übereinkunft nicht auf sie anwendbar ist, sich darüber auszusprechen, ob die Einbürgerung der Eltern auch die ihre zur Folge haben soll. In der Praxis wird sich die Sache folgendermassen gestalten. Stellt es sich im Laufe der Jahre, s p ä t e s t e n s a n l ä s s l i c h d e r O p t i o n , heraus, dass das Kind, für das die Option vorgesehen worden ist, der Übereinkunft mit Frankreich vom Jahre 1879 nicht unterworfen ist, so wird demselben von diesem Umstand Kenntnis gegeben und ihm mitgeteilt, dass es oder sein gesetzlicher Vertreter sich b i n n e n 6 M o n a t e n vom T a g e d e r Mitteilung des politischen D e p a r t e m e n t s an ger e c h n e t darüber ausspreehen könne, ob es wünsche, dass die Einbürgerung seiner Eltern nachträglich auch die seinige zur Folge habe.

Wird dem politischen Departement eine solche Erklärung abgegeben, so wird der neue Heimatkanton des Betreffenden für sich und zuhanden der Heimatgemeinde davon in Kenntnis gesetzt.

"Wir ersuchen Sie, von Vorstehendem den Gemeindebehörden Ihres Kantons Kenntnis zu geben und benutzen auch diesen Anlass, um Sie, getreue liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 24. Februar

1914.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Hoffmann.

Der Kanzler "der Eidgenossenschaft: .

Schatzmann.

~S8~c

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Einbürgerung vom Optionsrecht ausgeschlossen Kinder von in der Schweiz eingebürgerten Franzosen. (Vom 24. Februar 1914.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1914

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

09

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.03.1914

Date Data Seite

405-407

Page Pagina Ref. No

10 025 290

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.