395 # S T #

4 8 2

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Drahtseilbahn von Pazzo (Novaggio) auf den Monte Lema.

(Vom 27. März 1914.)

Mittelst Eingabe vom 14. Juni 1913 unterbreitete Herr Ottorino Pelloni, in Lugano, dem Bundesrate, zuhanden der Bundesversammlung, ein Konzessionsgesuch für eine elektrische Drahtseilbahn von Pazzo (Novaggio) auf den Monte Lema.

In der Eingabe wird im wesentlichen ausgeführt, die projektierte Drahtseilbahn solle in erster Linie den zahlreichen Fremden und Wintergästen Gelegenheit zu lohnenden Ausflügen auf den Monte Lema und die benachbarten Berggipfel bieten.

Die vom Hochplateau der Alp Cavallera, in nächster Nähe des Lema-Gripfels zu geniessende herrliche Aussicht auf die oberitalienischen Seen und die umliegenden Alpen, sowie die bequeme und direkte Verbindung mit Lugano und Luino, die sich nach Eröffnung der Bahnen Ponte Tresa-Sessa-Novaggio und Ponte Tresa-Ghirla-Varese, sogar bis nach Varese und Mailand erstreckt, lassen, nach Ansicht des Konzessionsbewerbers, auf einen lebhaften Verkehr rechnen. Ferner nimmt derselbe die Erschliessung des Gebietes der obern Station als Villenquartier in Aussicht, da die flache Bodengestaltung das dortige Areal zu Bauzwecken sehr geeignet erscheinen lasse. Die Zukunft der Unternehmung sei unter diesen Umständen als gesichert zu betrachten.

Dem technischen Berichte entnehmen wir folgende Angaben : Länge der Bahn: 2200 m.

Spurweite : l m.

Grösste Steigung : 650 °/oo.

Höhenpunkte : Pazzo (untere Station) 760,oo : Alp Cavallera (obere Station) 1562,oo m ü. M.

Kleinster Halbdurchmesser : 200 m.

396

Zwischenstationen : vorläufig keine, sie sollen später nach Bedürfnis bestimmt werden Betriebsart: Elektrizität; Gleichstrom von 1000 Volt Spannung, geliefert von der Bahngesellschaft ,,Ferrovie Luganesia.

Der Kostenvoranschlag setzt sich aus folgenden Posten zusammen : Unterbau (Enteignung Inbegriffen) Fr. 480,000 Oberbau ,, 65,000 Hochbauten ,, 25,000 Kollmaterial ,, 30,000 mechanische Anlage und Drahtseil . . . . ,, 60,000 zusammen Fr. 660,000 oder für einen Kilometer ungefähr Fr. 300,000.

Laut dem technischen Bericht soll der Anfangspunkt der neuen Linie so nahe als möglich an die projektierte elektrische Linie Ponte Tresa-Sessa-NoYaggio der Bahngesellschaft ,,Ferrovie Luganesi" zu liegen kommen. Die genaue Lage der untern Station wird jedoch erst später, im Einvernehmen mit dieser Gesellschaft bestimmt werden können.

In seiner Vernehmlassung vom 2. August 1913 erklärte der Staatsrat des Kantons Tes»in, er sehe sich zu Einwendungen gegen das Konzessionsgesuch nicht veranlasst.

Da der Konzessionsbevrerber und die Kantonsregierung ihr Einverständnis mit dem vom Eisenbahndepartement ausgearbeiteten Konzessionsentwurf schriftlich erklärten, konnte auf die Abhaltung der vorschriftsmässigen Konferenz verzichtet werden.

Weitere Bemerkungen haben wir nicht anzubringen.

Wir empfehlen Ihnen daher den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme und benutzen auch diesen Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 27. März 1914.

Iir. Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Hoffmann.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

397

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Konzession einer elektrischen Drahtseilbahn von Pazzo (Novaggio) auf den Monte Lema.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Eiusicht 1. einer Eingabe eines Initiativkomitees für die Erstellung einer elektrischen Drahtseilbahn von Pazzo (Novaggio) auf den Monte Lema, vom 14. Juni 1913; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 27. März 1914, beschliesst: Einem durch Herrn Ottorino Felloni in Lugano vertretenen Initiativkomitee wird zuhanden einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer elektrischen Drahtseilbahn von Pazzo (Novaggio) auf den Monte Lema unter den in nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

Art. 3. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 4.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Neggio.

Art. 5. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Das ständige Personal soll schweizerischer Nationalität sein.

398 Art. 6. Binnen einer Frist von 36 Monaten, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen 'Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft zur Genehmigung einzureichen.

Innert 6 Monaten nac!a der Plangenehmigung ist mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu beginnen.

Binnen 2 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte! Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität betriebeu.

Art. 9. Gegenstände vcn wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zutage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen usw., sind Eigentum des Kantons Tessin und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben, und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, dass Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind, und die in der Ausübung derselben Anlass zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

399 Art. 12. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement ·der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 13. Die Gesellschaft übernimmt die Beförderung von Personen und Gepäck. Zur Beförderung von Gutern und von lebenden Tieren ist die Gesellschaft nicht verpflichtet. Der Bundesrat ist jedoch berechtigt, die Einführung der Güterbeförderung zu verlangen, falls sich hierfür ein Bedürfnis geltend machen sollte.

Art. 14. Die Beförderung von Personen soll täglich min·destens viermal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum andern und mit Anhalten auf allen Stationen, erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrate festgesetzt.

Die Fahrpläne unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 15. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen mit nur einer Klasse aufstellen, deren Grundform vom Bundesrat genehmigt werden muss.

Art. 16. Für die Beförderung von Personen können für die ·ganze Strecke Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden · Bergfahrt Fr. 5. -- Talfahrt .

,, 3. 50 Berg- und Talfahrt ,, 6. 80 Kinder unter vier Jahren sind gratis zu befördern, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zwölften Altersjahre ist die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens Fr. 4 für 100 Kilogramm für die Berg- oder die Talfahrt bezogen werden.

400

Art. 18. Die Mindesttaxe für die Beförderung von Reisegepäck wird den Betrag von 40 Rappen für eine einzelne Sendung nicht überschreiten dürfen.

Art. 19. Im Falle der Einführung der Güterbeförderung setzt der Bundesrat die Taxen fest.

Art. 20. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloss die Beförderung von Station zu Station. Das Gepäck ist von den Aufgebern an die Statiousverladplätze aufzuliefern und vom Empfänger auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen des Gepäcks ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür nicht erhoben?

werden.

Art. 2l. Das Gewicht wird bei Gepäcksendungen bis auf 10.kg für volle 10 kg gerechnet ; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg für eine' ganze Einheit gilt.

Wenn die genaue Ziïer der so bereehueten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar .st, so wird sie auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, sofern der Rest mindesten» einen Rappen beträgt.

Art. 22. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind1 Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 23. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens drei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bimdesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 24. Wenn die Bahnuntemehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, seist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann hierüber eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebs kosten, einschliesslich der Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 25. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung eine» genügenden Erneuerungsfonds und eines Reservefonds zu sorgere

401 und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern "Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Ferner sind die Reisenden und das Personal bei einer Anstalt bezüglich derjenigen Verpflichtungen zu versichern, welche aus dem Haftpflichtgesetz vom 28. März 1905 mit Bezug auf Unfälle beim Bau, beim Betrieb und bei Hülfsgeschäften sich ergeben.

Art. 26. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundesoder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des KantonsTessin gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluss des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstütznngsfbnds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommeü befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtuüg keine Genügegetan werden, und sollte auch die Verwendung des Erneuerungsfonds dazu nicht ausreichen, so ist ein Verhältnismassiger Betrag von der Rückkaufssumine in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1950 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert, des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft mitgeteilt wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem Ì. Januar 1950 und 1. Januar 1965 erfolgt, den 22V2fachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1965 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug des Erneueruugsfonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluss aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

402 d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibuogsreohnung getragen oder dem Erneuerungsfonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 27. Hat der Kanton Tessin den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 26 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 28. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften ·dieses Beschlusses, welcher am 1. Mai 1914 in Kraft tritt, beauftragt.

--»--

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Drahtseilbahn von Pazzo (Novaggio) auf den Monte Lema. (Vom 27. März 1914.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1914

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

13

Cahier Numero Geschäftsnummer

482

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

01.04.1914

Date Data Seite

395-402

Page Pagina Ref. No

10 025 324

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.