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der

Mehrheit der nationalräthlichen kommission über den Rekurs des

Adam Uehlinger von Basel, betreffend

Weigerung.

(Vom 15. Dezember 1869.)

Tit. l Die tatsächlichen Verhältnisse sind kurz zusammengesasst folgende :

Das Gesetz des Kantons Basel-Stadt vom l1. Dezember 1866 schreibt vor, dass wer sich mit einer Frauensperson verlobt, die nicht bereits Bürgerin seiner gemeinde ist, dieselbe vor der Heirath ins Bürgerrecht ausuehmen zu lassen hat.

Adam U e h l i u g e r , Glaser, Bürger der Stadt Basel und reformirter Konfession , wünschte sich nun mit der katholischen Karolina B a n n i e r von Oberwil, Kantons Basel-Laudsehast , zu verehelichen.

Das Gesuch um Ausnahme seiner Verlobten in das Bürgerrecht wurde aber unterm 18. März lausenden Jahres von dem Stadtrath abgelehnt und diese Abweisung von der Regierung, welcher nach 7 des genann-

teu Gesezes der Entscheid Ansteht.. bestätigt, und als Grund der schlechte Leumund der Bewerberin augegeben.

Uehlinger rekurrirte gegen diesen Beschluss au den Bundesrath, wurde aber auch von diesen., nachdem die Akten vervollständigt und die Regierung von Basel veranlagt worden war, sich einlässlich vernehmen zu lassen, durch Besehlüss vom 14. Juni 186..) abgewieseu.

56 Der Bundesrath begründet seinen Entscheid ^) sol^endermassen : Um nun die rechtliche Seite der vorliegenden Frage zu würdigen, wird es zweckmässig sein , vorerst von dem Wortlaute des ^ 7 des Baslerischen Gesezes über Ausnahme von Bürgern, ans welchen sich der Entscheid der dortigen Regieru..^ stülpt , Kenntniss zu nehmen. Er

lautet : ,,Wer sich mit einer Frauensperson verlobt, die nicht bereits Bürgerin seiner gemeinde ist, hat dieselbe vor der Heirath ins Bürgerrecht aufnehmen zu lassen und sich ^u dem Ende in der Stadt an den Stadt.^ rath , in den Landgemeinden an den Statthalter zu fanden des Ge^.

meinderaths zu wenden. Auf deren Berieht entscheidet der Kleine Rath über die Ausnahme ins Gemeindebürgerrecht.

,,Für Bürgerinnen ans einer andern Gemeinde des Kantons genügt Ausweis über .^eimath und guten Leumdeu . ^iehtkantonsbürgerinnen haben überdiess eine Bewilligung ihrer heimathliehen Behörden beiznbringen , oder aber nachzuweisen , dass nach den Gesezen ihres Landes eine solche Bewilligung nicht ertheilt wird.

,,Heirathet ein Kantonsbürger auswärts eine Riehtkantonsbürgeri.., ohne vorher deren Annahme ins Bürgerrecht erhalten zu haben, so wird die ^rau nur insofern als Bürgerin anerkannt, als die Ehe nach der in dem betretenden .....and gese^lich geltenden Form abgeschlossen und im Uebrigen nach hiesigen Gesezen rechtsbeständig ist.

.,Für das Unterlassen der vorherigen Anmeldung znm Bürgerrecht konnen die Gemeinden eine Or^nungsbusse bis auf Fr. 50 beziehen.^ Es ergibt sich hieraus , dass der Kanton Basel-.^tadt, da wo es sich um die Ehe eines Bürgers mit einer ^erson handelt, die der betreffenden Gemeinde nicht angehort , eine vorhergehende formliche Ansnahme ins Bürgerrecht verlangt , und dass als maßgebende Bedingung einer solchen Annahme ein gnter .Leumund verlaugt wird.

Es kann nun kein Zweifel walten, dass der genannte Kauton eben so gut berechtiget ist, eine solehe Bestimmung auszustellen , wie es von den Buudesbehorden^ zu jederzeit anerkannt worden ist, dass die Kautone befugt sind, von den Verlobten gewisse moralische und okouomische Erfordernisse zu verlaugeu und .hierüber besondere Geseze aufzustellen. Die Buudesbehorden sind niemals in Besehwerden gegen solche kantonale Geseze eingetreten, wo es sieh nicht um gemischte Ehen handelte. Und da wo die Verlobten verschiedener Konfession waren, ist jeweilen nur in dem .......in ne in eine Wurdigung der augebrachten Verweigerungsgründe

^ Siehe Bundes.... von 18^.^, Bd. III, Seite ^.

57 eingetreten worden , um sich zu überzeugen , ob wirklich diese formen des kantonalen Gesetzes einen Haltpunkt ...ur Eheverweigernng haben ^eben konnen, und nicht vielmehr die Verschiedenheit des Glaubensbekeuntnisses das Motiv des kantonalen Entscheides gebildet haben müsse.

Es wurde somit bei allen den so zahlreich vorgekommenen Entscheiden

über Eheverweigerung bei gemischten Ehen theils ausdrücklich , theils stillschweigend anerkannt, dass die Kantone das Recht haben, die Eingehung der Ehe unter gewissen Voraussetzungen Einzelnen zu verweigern.

dieses Recht wird somit auch im vorliegenden Falle dem Kanton Vasel-Stadt nicht abgesprochen werden konnen.

.^

Es müsste ein gegentheiliges Versahreu uni so unthunlicher erscheinen, da es sich hier nicht darum handelt, dem Rel^urreuten überhaupt die Eingehung einer Ehe. zu untersagen , was unter der Gesetzgebung anderer Kautone der Fall sein konnte ; sondern u.ur die fragliche Verlobte uicht angenommen werden will, während es dem Ad. Uehliuger selbst ganz unbenommen bleibt, sich mit irgend einer Bürgerin der Stadt Vasel oder mit einer andern gut beleumdeten Person zu vereheliehen.

Es darf auch nicht ausser Acht gelassen werden , dass der sragliche Gesetzesartil.el alle Richtgemeindsbürgerinnen, ohne Rücksicht daraus, ob sie dem Kauton angehoreu oder nicht, gleieh behandelt, und ebenso alle Angehörigen des Kantons gleich stellt , ohne einen Unterschied zwischen den Stadtbürgern und den .Bürgern der Landgemeinden zu machen. Denn gleichwie der Stadtbürger eine Mitbürgerin heirathen kann, ohne dass ein Einspruch moglich ist, so steht das gleiche Recht^ den Angehorigeu einer Landgemeinde unter sich zu. Und umgekehrt kann aueh der Angehörige einer Landgemeinde verhindert werden , eine Person aus der .^tadt zu ehelichen , sosern lettere sich nicht über guten .Leumund auszuweisen vermag.

Dass nun aber der Karolina Vanuier der gesetzlich geforderte Aus.weis eines guten Leumunds abgehe , ergibt sich unzweifelhaft ans der Verueh.ulassu..g der Regierung, aus welcher des Weitern hervorgeht, dass auch der Rekurreut selbst in dieser Richtung zu wünschen übrig lässt.

ist,

(Folgen einige lutate, wornach die Vannier sittlich übel beleumdet uud Uehliuger bestraft werden musste.)

Diesen offiziellen Nachweisen gegenüber kann deu.^ vom Rekurrenten beigebrachteu ^nicht beglaubigten) Zeugnisse des Fabrikbesitzers , bei welchem die Vannier in Arbeit stand, welehes Zeuguiss die Zufriedenheit mit ihrem getragen a^.ssprieht , keine maßgebende Bedeutung bei-

Bundesblatt. Jahrg. XXlI. Bd. I.

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58 gemessen werden. Ebensowenig kann dem Zeugnisse der Heimathgemeinde derselben mehr Glauben geschenkt werden, als solche Zeugnisse verdienen , mittelst welcher die gemeinden sich Angehöriger zu entledigen suchen , die ihnen einmal über das andere als Landstreicher polizeilieh zugeführt werden.

Was nun den Eharakter der Ehe, als einer gemischten betrifft, so behauptet der Rekurrent selbst nicht, dass seine Verlobte aus d i e s e m Grunde von den Behörden von Basel^Stadt abgewiesen worden sei^ Die Regierung von Basel berührt ihrerseits diesen Punkt mit dem Rachweise , dass feit dem Bestande des. neuen Bürgerrechtsgeset^es vom 11. Rovember l 866 nicht weniger als 35 katholische Bräute in das Stadtbürgerrecht aufgenommen worden seien , und bemerkt , dass kei.^ Mensch aueh nur daran gedacht habe , dass die Bannier einer andern Konfession angehöre.

Raeh der

bisherigen Vrax^is bei Anwendung des Bundesgese^es

über die gemischten Ehen, das allerdings auch für Basel massgebend ist, haben sich die eidg. Behörden damit nicht begnügt, wenn in den Erwägungsgründen der Abweisung die Verschiedenheit der Eonfession nicht als Motiv aufgeführt war.

Es wurde vielmehr bei jedem einzelnen Falle in Erwägung gezogen , ob die vorgebrachten Gründe nicht bloss vorgeschützte seien, um das innere Motiv der konfessionellen Verschieden^heit zu maskireu. Es kann auch wirklich in keiner andern Weise verfahren werden , wenn das genannte Gese^ die beabsichtigte Wirkung

haben soll, nämlich die, die gemischten Ehen in bürgerlicher Beziehung

den anderen Ehen in allen Rechten gleich zu stellen. Man würde aber zu weit gehen, wenn man den abstrakten Sa^ unbedingt in allen Fallen^ durchführen wollte, dass ü b e r a l l d a , wo die von einer kantonalen Behörde vorgebrachten Verweigerungsgründe den eidgenossischen Behörden nicht wichtig^ genug erscheinen, um eine Ehe zu verändern, bei dem Entscheide des betreffenden Kantons die Verschiedenheit der Eonsession der Verlobten das wirkliche Motiv gebildet habe. Denn eine solche .Argumentation würde voraussehen , dass die kantonalen Behörden bei der Anwendung ihrer Eheeinspruchsgeset^e aus nicht gemischte Ehen sich allezeit ans solche Motive stufen, die auch von den eidg. Räthen wenn ein Rekurs möglich wäre --.. als massgebend anerkannt werden würden, was wohl kanm der Fall ist.

Für den vorliegenden Fall ist diese Reflexion indessen ohne Bedeutung, da Abweisungsgründe, wie sie hier vorkommen, von den Bundesoehorden jederzeit anerkannt worden sind.

Die Eommission ist denn auch in dem Bnnkte einstimmig, dass bei der Abweisung der Bannier von Seite der Basler Behörden keine konfessionellen Motive mitgewirkt haben.

59 Die Mehrheit der Eommission gelangt in Würdigung aller thatsächlicher und rechtlicher Verhältnisse, welche in Frage kommen, zu dem Antrage : es sei der Rekurs des Adam Uehlinger abzuweisen.

B e r n , den 15. Dezember 1869.^

Der Berichterstatter: ^. .o. Schmid.

Mitglieder der Kommission : Herren : .^. .^nchonnet, in Lausanne. ^ .^...^. ^...

..... ^artexet, Servette ^ens). ^ .^^^^ Sam. ^ehmann, in Bern.

^ ...... v. Schmid, Bottstein (.^argau).

^ Mehrheit.

^. .^. v. ^ggenbnx^, in ^aar^ (Granbünden^ ) ^er Nationalrath hat diesen Gegenstand am ^. Dezember 18^ an den Bnn^ de^rath zu weiterer Bexichtexstattnng zurn^ewiesen.

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Bericht der Mehrheit der nationalräthlichen Commission über den Rekurs des Adam Uehlinger von Basel, betreffend Eheverweigerung. (Vom 15. Dezember 1869.)

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22.01.1870

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