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Bericht des

schweizerischen Bundesrathes an die h. Bundesversammlung betreffend die Anwendung körperlicher Zwangsmittel gegen Untersuchungsgefangene.

(Vom 6. Mai 1870).

Tit..

Mit Schlussnahme vom 22. Dezember 1869 lud der schweizerische Ständerath den Buudesrath ein , .,zu untersuchen , ob es wirklich noch Kantone gebe, in welchen körperliche Zwangsmittel gegen Uutersnehnngsgefangene angewendet werden, um ihneu ein Geständniss zu erpressen."

Gleichzeitig wurde der Bundesrath beauftragt, den Räthen in der nächsten Session über das Resultat der gepflogenen Untersuchung Bericht zu erstatten.

Wir haben nicht gesäumt, diesem Auftrage nachzukommen und geben Jhnen im Nachstehenden ein moglichst anschauliches Bild über die .gesezl.ichen Bestimmungen und die Braxis in den Kantonen.

Zürich. Art. 152 der Strasprozessordnnng lautet: ,,Um den Angeschuldigten zum Geständnisse . z u bewegen, dürfen ,,weder Versprechungen oder Vorspiegelungen noch Drohnngen oder ,,Zwangsmittel angewendet werden."

Der daraus folgende § 153 enthält folgenden Znsaz : der Augeschuldigte soll während der Einvernahme und währeud der ganzen HauptVerhandlung ungefesselt sein und es kann einzig wegen besonderer Gesährlichkeit desselben die Anlegung von Fesseln verordnet werden.

621 B e r n . Jn diesem Kantone findet, laut Mittheilung der Regiernng, im Untersuchungsverfahren in Strafsachen die Anwendung von körperlichen Zwangsmitteln zur Erpressung von Geständnissen nicht statt, ^was durch ausdrükliehe Gesezesbestimmungen sormlich untersagt sei. (Den

Wortlaut dieser Gesezesbestimmnngen hat die Regierung nicht mitgetheilt.)

Ludern.

Die bezüglichen geglichen Bestimmungen lauten:

^ 144 des Strafverfahrens: .,Um den Angeschuldigten zu Gestand..

..nissen zu bewegen, dürfen weder Versprechen noch Vorspiegelungen, noch ,,Drohungen oder Zwangsmittel angewendet werden.^

^ 146. .,Wenu der Angeschuldigte auf die an ihn gestellten ,,Fragen zu antworten sich weigert und aus der Weigerung beharrt, so ,,ist ihm zu erklären, dass seine Weigerung im Protokoll vorgemerkt "werde, und dass die Weigerung vom Gericht als eine Sehuldiu^ieht ^betrachtet werden dürfte. Jm Uebrigen ist mit der Untersuchung vor^, zusahreu .^

^ 145. ,,Wenn hingegen der Angeschuldigte während des Verhors ,,durch S.hmähungen. Drohworte, versuchte Gewalt oder ^aus andere "Weise sich eiues ungebührlichen Betragens ^schuldig macht, so kann der,,selbe nach Erkanntniss der Untersuchungsbehörde in Gemässheit des ,,^ 88 bestrast werdend

Der hier allegirte ^ 88 lautet: ,,Wenn der ,,durch hartuäkige ,,suehungsbehorde ,,sehuldig maeht,

Gesaugene durch Schmähungen, Drohungen ader sonst Weigerung des Gehorsames gegen Befehle der Untexoder deren Diener eines ungebührlichen Betragens sieh so kann derselbe uach Erkanutniss der Behordeu mit

,,Sehmäleruug der Kost, oder mit körperlicher Züchtigung bis zu 15 "Streichen (^ ^ 3 des Bolizeistrasgesezes) bestrast werden. Es muss ,,aber hierüber eiue motifirte Erkauntniss in das Untersuchungsproto^oll ^aufgenommen werden.

,,Bei Schmälerung der Kost soll jedoch der ..^erhastete ein Vsund ,,Brod uebst Wafser und jeweilen an.^ andern Tage wieder die ge.vohn^liehe Nahrung erhalten. Diese ^trase soll ni^t länger als zehn Tage .,dauern.

,,Eigenmäehtige Gewalt der Gesangenwärter, sosern nicht dieselbe ,,zur Abwendung augenbliklieher Gefahr uothweudig geworden, unterliegt ^strenger Bestrasung.^ Die Regierung sügt diesem Berichte die Bemerkung bei, dass das jezige Kautoualverhoramt laut seinem Berichte von den Artikeln 145 und 88 des ^trasreehtsverfahreus überhaupt keine Anwendung mache.

Bundesblatl.. Jahrg. XXlI. Bd.II.

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^22 Uri.

Die Regierung von Uri nimmt keinen Anstand, die ver.-

langte Auskunst zu ertheilen, obwohl die Reguliru.^g der Strasgesez-

gebung des Gänzlichen in die kantonalen Befugnisse einschlage. Die Auskunft selbst lautet dahin: ..Körperliche Züehtiguug ist zur Erhebung von Gestandnissen beim Ablängnen erwiesener Thatsachen in Kriminal..

untetsuchungen in der Gesezgebung. vorgesehen, während längerer Zeit abe.^ nicht mehr in Anwendung gekommen, welche Gesezesbestimmung übrigens mit dem in der Brax^is angenommenen Vrin^ip in Verbindung steht, die Kriminalstrasurtheile nieht aus den blossen Jndizienbeweis, sondern aus das mit diesen übereinstimmende Geständniss des Jnkulpaten abzustellen.^ Schw.^z. Die einschlägigen Bestimmungen der Strasprozessordnung lauten : ^ 157. ^Versprechungen dagegen und falsche Vorspiegelungen ^dürfen eben so wenig, als Zwang oder Drohnngen, angewendet werden, ,,nm den Beklagten zum Geständuiss oder andern bestimmten Angaben ,,zu bewegen.^ ^ 158. ^Verweigert der .Angeschuldigte entweder alle Autwort ,,oder die Antwort auf bestimmte Fragen, so hat diess die Wirkung einer

,,sür seine Schuld sprechenden Anzeigung. Es ist ihm solches zu be..^

^merken und nebstdem einige Bedenkzeit zu lassen. Verharrt er auf ,,seiner Weigerung auch im folgenden Verhor, so soll er 1 bis 4 Tage ,,zu Wasser und Brod gefegt werden. Bei fortdauerndem Ungehorsam "darf diese Strafe wiederholt uud erforderlichenfalls mit strengerm ^,,Verhaft verbunden werden. Die Versezung zu Wasser und Brod darf ,,aber unmittelbar ans einander nie länger als zwei Tage andauern, ,,und es ist dabei dem Gesaugenen täglich wenigstens ein Bsund Brod ,,und srisches Wasser zu verabreieheu.^

Der sollende Artikel 15..) enthält die gleichen Androhungen für solche, die sich als taub, stumm, blod- oder wahnsinnig stellen, sosern die Verstellung gehörig ansgemittelt ist.

Die Regiernug sügt bei , es sei ihr kein Fall bekannt , dass die Vorsehrist des ^ 1 5 7 missachtet worden sei.

O b w a l d e u erklärt, dass durch Art. 59 des^ Gesezes über das Strafreehlsversahren Rnthenstreiehe zur Erzieluug eines Geständuisses untersagt seieu und dass auch sonst keine strengen Massregeln angewendet werden. Der Wortlaut des Gesezes ist nieht angeführt und welehe sonstigen Massregelu angewendet werden dürsen oder wirklieh augewendet

.verde.., ist nicht gesagt.

^ i d w a l d e n beantwortet die Anfrage eiusach dahiu , dass solche Zwangsmittel nieht angewendet werden und dass überhaupt keiue saehbezüglichen Geseze e^istiren.

623 ...^l.arus verweist auf die bestehenden Gesezesbeftimmungen.

Der ^ 6 der Kantonsverfassung schreibt vor: ..Die Anwendung peinlicher Mittel zur Bewirkung eines Gestand,,nisses ist untersagt..^ Damit iu Uebereinftimmung sagt der ^ 75 der Strasprozessordnung: "Unbegründete Vorhaltungen, täuschende Versprechungen, Dro.^hnngen und Zwangsmittel zur Erzielung eines Bekenntnisses sind ,,verboten.^

Die Standesl^ommissio.. fügt bei, sie sei znr Gewissheit gelangt, dass in der Bra^is niemals von den angeführten Versassungs- u..^ Gesezesbestimmnngen abgewichen und dass kein körperliches Zwangsmittel gegen Unters..chnngsg..sangene in Anwendung gebracht werde.

Z u g theilt den Grossrathsbesehluss vom 27. Dezember 1869 mit, der so lautet: ..Das Obergericht wird eingeladen, den Untersnchuugsbeamten die Weisung zugehen zu. lassen, fortan sür Erzielung von Ge^ ftandnissen keinerlei körperliche Zwangsmittel irgend welcher Art in Anwendung zn bringen.^ Mit dieser Beschlussfafsnng erachtet die Regierung das früher in Anwendung gebrachte Verfahren als abrogirt.

^ r e i b u r g . Die Regierung dieses Kantons macht zuerst darauf aufmerksam, dass diese Angelegenheit aussehliesslieh in den Bereich der Kantonalsouveräuität geho^e, gibt aber iu Aachen folgende Auskunst: .,Des moyens violents pour arracber des aveux aux prévenus n'existent plus dans notre canton.

En eiket, l'article 10 de la constitution de 18.^1 a commencé par abolir la torture.

Les constitutions qui ont suc^edé à celle de 1831 vont encore plus loin. L'articlc 6 de la constitution de l^année 18^7 stalue .

..Toute rigueur inutile lors de ^arrestation et pendant la détention ^d'un individu et tout moyen de violence pour obtenir un aveu sont ..interdits.^ Notre lé^slation pénale art. ^13 du code de procédure pénale prévoit néanmoins le cas oü un prévenu refuse de s'expliquer e^ indiqne le moyen permis an .lu^e instructeur^ pour vaincre sa résistance.

Cet article s'exprime ainsi .

.Tout prévenu est tenu de rendre compte au ...u^e d.^s kai^s qui ^lui sont imputés. .

..^i cependant il refuse de répondre aux questions qui lui sont ^adressées, ou s'il ne veut s'expliquer que d'une manière incomplète.

624 ^ncu.n moyeu de contrante ne .^ent etre employe contre lui, cette ^circonstance ne peut elrc eiivis^e que comme un mdice de s^ cul^bihte^ il en est averti p.^r le magistrat. l l est delendu de se servir ^de promesses ou d'alle^ier des laits k^u^, pour obtenir l^veu dn ^ provenu ou pour chercher .^ le mettre en contradiction avec l.i^meme.^ Cene disposnion l.^le a toujours ete^ scrupuleusement observée p^r les ni^es instructeurs.

S o l o t h u r n . Derart. 87 der Strafprozeßordnung dieses Sautons lautet : .,Es dürfen keine Zwangsmittel angewendet werden , weder wegen ^Verweigerung der Antwort, noch zur Erlangung eines Geständnisses.^

Basel-Stadt ideili. deu Wortlaut des zweiten ^emma des ^ 37 der Straspro^essordnnng mit, also laul.eud: ^Die au den Angeschuldigten gestellten fragen sollen klar und ^deutlich sein.^ es sollen keine verfänglichen fragen an ihn gestellt oder ^Versprechnngen , Zwangsmittel oder Drohungen angewendet werden.^ . . ^ a s e l ^ L a n d s c h a f t lässt sieh dahin vernehmen , dass im Kantoue Baselland keine körperlichen Zwangsmittel ^egen Untersuchnngsgesangene angewendet werden dürfen, um Geständnisse zu erpressen. Die Verfassung pon 1863 bestimme nämlich in ^ 6:

..Jede Art von Zwang zu einem Schnldgeständnisse ist uuzulässig.^ ^Das gleiche Verbot sand sich auch in ^ 6 der Verfassung vou 1850.

^Es sind übrigens solche Zwangsmittel unseres Wissens auch vor dem ,,Jahre ^50 bei uns .^cht vorgekommen.^ S c h a s f h a u s e u gibt folgeude Auskauft: ,,Weder unsere Gese^gebuug , uo.^ die bestehende Bra^is kennen irgend ein Zwangsmittel im Strasuntersuehuugsverfahreu behufs Er^ielung vou Geständnissen. Dagegen dürfen gegen Ju.^uisiten, wenn dieselben nicht dureh Läugnen , wohl aber dureh sortgeseztes Lügen den Untere suchuugsri^hler zu uunothiger Arbeit und den ^taat zu kosten veranlassen, bei der Koustatirung der ^ügen Disziplinarstrafen angewendet werden.

Da diess nur bei fortgesetzten lügenhaften Angaben geschieht , so kommt es in der Regel auch nur nach vorangegangener Androhnug vor. Die

diesssallsige Gesetzesbestimmung , ^ 21 des Gesezes über das Versahren 184.) lautet.

bei Untersuchung vou Zuchtpolizei- und Krimiuaisälleu vom 13. Jnni ,,Würde sieh jedoch der Ju^uisit in einem Verhore hartuäkig weigern, ^die ihm vorgelegten fragen zu beantworten, oder sich überhaupt eines ., lügenhaften, groben, beleidigenden, unanstäudigen Betragens gegen das "Verhoramt schuldig machen, so kann derselbe mit Verschärfung des G..^

625 ,,fängnisses , mit Fesseln , mit Schmälernng der .^ost, oder mit körper,,licher Züchtigung mittelst Streichen bestraft werden. Derartige Ver,,fügungen find im Protokolle unter .Zugabe der Gründe vorzumerken."

Und Art. 18. desselben Gesezes lautet: ,,Beim Verhören soll der Untersuchende weder mit Leidenschaft odex ..Härte, noch mit unzeitigem Mitleiden, sondern mit gerechtem Ernste zu ,,Werke gehen , er soll sieh weder Zwangsmittel, noch Täuschungen ge^en ,,den Verhasteten erlaubend A p p e n z e l l - A u s s e r r h o d e n erwidert Rachstehendes: ,,Der ^ 53 des Gesezes betretend das Slrafrechtsversahren pom . 16. Oktober 1859 lautet: ,,Aus dem gepflogenen Untersuche muss der Richter mit möglichster

..Sicherheit ans die Sehnld oder Richtschuld eines Beklagten schließen

,,konneu. Das Verhöramt soll daher sich der Anwendung solcher Wahr^heits-Erforschungsmittel gegenüber dem Angeschuldigten enthalten, durch "welche die Wahrheit der Thatsaehe, aus welche das Urtheil gebaut werden ,,soll, getrübt .werden könnte.^ ,,Wie nun unter den durch diese Gesezesbestimmung verpönten ^Wahrheits^Ersorschungsmittel^ selbstverständlich die in der ständeräthlichen Sehlussnahme vo^u 22. Dezember vorigen Jahres erwähnten körper^ lichen Zwangsmittel znr Erpressung von Geständnissen iubegrisfeu sind, so d^ss unserm Kautoualverhöramte (und allen Untersuchungsbeamten) die Anwendung solcher Zwangsmittel gegen Untexsuehungsgefangene gesezlich untersagt ist, so können ....ir auch hinstehtlieh der Vrai.is in uuserm Kantone berichten, dass schon während einer Reihe von Jahren vor der Aufstellung des allegirten Gesezes von 1859 hierorts in Folge eines

Grossratl..sbes.h lusses keine körperlichen Zwangsmassregeln behufs Gestäudnisserpressnng angewendet wor.^eu sind.^

A p p e n z e l i - J n n e r x h o d e n lasst sich dahin vernehmen, dass körperliehe Züchtigungen, bestehend et^va in einer Tracht Brügel oder sehmalen Kost, gegenüber erwiesenen Lügnern u. s. w. immerhin schon in Anwe.ndung gekommen seien , in lester Zeit aber nie mehr, oder doch nur höchst selten stattgehabt haben.

.^t. G a l l e u . Die Regierung bringt einfach den einschlägigen Gese^esartikel z..r ^enntniss, der so lautet : ,,Um den Angeschuldigten zu einem Geständnisse zu bringen, dürfen ,,weder Versprechungen, noeh Vorspiegelungen, noch Drohungeu oder Zwangsmittel irgend welcher Art angewendet werden.^ G r a u b ü n d e n zitirt den Art. 26 des Strafverfahrens, der ausdxüklh.h vorschreibe, dass, da zu einer Verurteilung das Geständniss d.^s

626 Angeschuldigten nicht wesentliches Ersorderniss sei, so dürfe zur Erzielung desselben auch weder die Haft noch Untersuchung überhaupt verlängert werden.

A^argau. Mit Einführung des Schwurgerichtsversahrens, so berichtet die Regiernug, sei die Anwendung von korperliehen Zwangsmitteln gegen Untersn..hnngsgesangene zur Erlangung von Geständnissen unverträglieh geworden, und daher als ein ungeselliges und verbotenes Mittel zu bezeichnen , wenn aneh eine ansdrü^liche Gesezesbestimmnng hierüber als nnnothig nieht ausgenommen worden sei.

Eine Abänderung des Strasgesezes vom Jahr 1868 sei noch weiter gegangen und verfüge, dass auch die korperli.he Züchtigung aurore, eine gesezliehe Strafe ^n sein.

Jm Danton Aargau bestehen daher weder körperliche Zwangsmittel im Untersuchuugsoersahren, noch forderliche Züchtigung als Strafe.

T h u r g a u . Das Reglement über die Geschäftsführung des Verhoramtes enthält in den ^ 5 und 6 folgende Bestimmungen : ^ 5. ,,D.e Einvernahme Angeschuldigter hat nach den Vorschriften ,,des ^ 23 des Gesezes über das bezirksamtliche Vornntersuchungsver^fahren ^u geschehen. Jnsbesondere ist dem Verhorriehter bei schwerer ^Verantwortlichkeit untersagt, durch körperliche Leiden ein Geständniss zu ^,.erpressen.^ ^ 6. ,,Weun ein in Untersuchung liegender Gefangener eines ^ungebührlichen oder groben Betragens sieh schuldig ma.ht. so kaun der..selbe mit Verschärfung der Hast und .^ehmälerung der Kost bis auf ,,die Dauer von vier Tagen bestraft werden. Jn einem solchen Falle ,,ift die angewendete Strafe unter genauer Angabe der Veranlassung und ^des Masses derselben in den Ulkten vorzumerken.^ Eine ähnliche Bestimmung ist in dem Geseze über das Bezirksamtliche Voruntersnchnngsversahren ausgenommen.

Körperliche Züchtigung darf aber weder im Untersuchungs^ noch im Strafverfahren angewendet werden.

T e s s i u . Der .^taatsrath berichtete^ dass gemäss den Artikeln l44 und 145 der ^trafprozessordnnng vom 18. August 18l6 der Untersnchungsrichter dem wegen eines schweren Verbrechens Angeschuldigten, wenn er ungeachtet eindringlicher Ermahnungen ans dem Läugnen hart-

näkig beharrt habe, nachdem eine bezügliche Ermächtigung des Gerichtes

eingeholt worden, sünfundzwanzig Streiche mit eiuer ^ehne auf den bl.ossen Rüken habe geben lassen konnen. Diese Vorschriften seien aber durch das Gese^ vom 5. Jnni 1832 ausgehoben und dnrch eine Verordnung erseht worden, gemäss welcher der hartnäkig läugnende Jnkulpat

^ ^n Folge spezieller Verfügung des Gerichtes in ein engeres Gefängnis und an schwere Fesseln habe gelegt werden konnen ; auch sei gestattet gewesen, ihn sür eine kürzere oder längere Zeit, jedoch nicht über süns^ehn Tage, an Wasser und Brod zn sezen, immerhin vorausgeht, daß unter diesen Massregeln seine Gesundheit nicht ernstere Rachtheile erleide.

diesen historischen Rotizen fügte der Staatsrath von Tessin bei, dass die mit Marz 18.....^ in Krast getretene Strasprozessordnnng ans das

System der mündlichen Verteidigung gegründet sei, und zwar sowohl für

das Versahren vor den korrektionellen Gerichten als auch für dasjenige vor den Gesehwornen, und dass gegenwärtig keinerlei Zwangsmittel gegen den läugnenden Angeklagten mehr gestattet werden. Durch eine Bar^ialrevision vom 8. Juni 1858 sei überdiess die provisorische Freilassung erleichert und dem Angeklagten gestattet worden, mit seinem Vertheidigex im Gesängnisse selbst ungehindert zu konseriren.

W a ad t.

Die in diesem Kantone geltenden Vorschriften lauten:

^ 73 du code de procedure pénale. ^Aucune mesure de r^ueur ..ne peut elre employée contre les devenus pendant la durée de l'en^quete, a moins qu'elle ne soit nécessaire pour réprimer des voies .^dc faits on des actes de violence. Dans ce senl cas, le .lu^es peut ...ordonner des précautions répressives.^ ^ ^3.^. ^Si le prévenu a des pl^mtes a f.^re de sa détention.

..^on des actes de la procédure, le .Iu^e ne pent lui en refuser l'in^sertion an proces-verbal. li pent d'ailleurs adresser directement sa ^plainte au Tribunal d'accusation.^ Der Staatsrath sügte bei, dass schon seit der Zeit der Unabhängigkeitserl.lärung des ^Kantons Waadt die Anwendung von korperliehen Zwangsmitteln gegen Gesangene zur Erpressung von Geständnissen untersagt sei.

Wal lis..

Jn diesem Kantone werden nach dem Berichte der Regieruug weder im korrektionelleu noch im kriminellen Untersuehungs^erfahren Zwangsmittel zur Erpressung eines Geständnisses angewendet.

R e u e n b u r g . Die Regierung beantwortet die Einsrage dahin, dass schon seit langer Zeit die Anwendung solcher Mittel nicht mehr.

vorkomme und dass schon vor der Erhebung vom Jahre 1857 die .^..traf..

Prozedur ste ausgeschlossen habe. Jm Jahre 1861 , bei Einsührung des Schwurgeriehtsversahrens , sei in einem Gesez die Sanktion dieses Grundsazes ausgenommen worden. Der Artikel 45 lautet also : ^ll est formellement interdit aux .Iu^es d'enquête et d'instruction ..d'employer des menaces ou aucun moyen de contrainte pour ohtem^ ^.des aveux du prévenu ou des dépositions de. la part des témoins.

628 ^Le prévenu, congnie les témoins doivent répondre avec une en..

^t^re liberté, le .In^e peut seulement arrêter leur attention sur les ..conséquences qu.^ peuvent. avoir pour eux leur silence, ou des dépo^.

^suions inexactement ^..ites..^ Genf.

Der Staatsrath lässt sieh in folgender Weise vernehmen :

Die Gesezgebung des Kantons enthalte keine Bestimmung , welche Zwangsmassregeln gegen Angeklagte erlaube, um ihnen Gestänguisse auszupressen. Es dürse nicht nur kein Mittel solcher Art, sei es moraliseher oder körperlicher Ratur zu dem besagten Zweke augewendet werden, sondern die Angeklagten würden auch während der Dauer des Untersuehungsverhaftes zu keiner Zwangsarbeit angehalten, es und sei ihnen gestattet , auf ihre Kosten . besonders mit Rüksicht ans die Rahrnng, gewisse Milderung der gewohnliehen Gesäugnissordn..ng sich ^u beschossen.

Aus diesen Berichten kann die erfreuliche Ueber^euguug gewonnen werden , dass weitaus in den meisten Kantonen derartige Eoereitivmassregeln, wie sie hier in .^rage stehen, bereits gesezlich verboten sind, oder dass, wo bestimmte Geseze mangeln, wenigstens dnrch Verordnungen dasür gesorgt ist, dass Zwangsmittel zur Erlaugnug vou Geständnissen gegen Uutersuchuugsgesaugeue nicht mehr angewendet werden dürfen.

Von dieser Regel schien nur in den ^Kantonen Uri, ^ eh a s sh a u s e n und A p p e n z e l l J. Rh. wenigstens unter gewissen Voraussezungen eine Ausnahme moglich zu sein.

Wir sahen uns daher veranlasst, diesem Berichte an die BnndesVersammlung vorgängig, uns au die Regierungen dieser drei Kantone zu wenden, und ihuen aus sreundeidgenossische Weise ins Bedenken zu gebeu , ob sie nicht sieh veranlasst sehen mochten , den sämmtli.hen übrigen Mitständen sieh anzuschließen und , sei es im Wege der Gesezgebung oder der Spezialverordnung, alle Mittel im Untersn..hnngsverfahren ^u beseitigen, welche sowohl mit einer geläuterten ^trasreehtswissens...hast. als mit den Anschauungen der osfentli.hen Meinung im Widerspruche steheu.

Dieser Schritt war von dem gewünschten Erfolge gekront.

Auf

Antrag der Regierung des Kautons Uri

sasste der dortige

.Landrath am 6. April 1870 solgende Sehlussnahme : Es sei der einschlägige ^ 6 des landräthlieheu Reglementes über

Strasuntersuehe vom 6. April 1842 aus^.heben und dagegen auch der Judieienbeweis als Grundlage von Strasurtheilen anzunehmen.

629 Dabei machte die Regierung des Kautons Uri sreilieh die Bemerkung, dass sie die Bundesbehörden nicht als kompetent anerkennen könnte, Gegenstände des kantonalen Strasrechts in den Bereich ihrer Berathnngen zu ziehen. Wenn daher die Behörden des Kantons Uri dem Wunsche des Bundesrathes entsprochen haben , so sei es lediglich aus freier Ueberlegung geschehen.

. Die Regiernug des Kautons S c h a f f h a u s e n antwortete, dass sie beschlossen habe, bei dem Grossen Rathe die Aushebung des in ihrem ersten Berichte angeführten ^ 21 des Gesezes über das Verfahren bei Untersuchung von ^uchtpoli^ei- und Kriminalsälleu vom 13. Juni 1849 anzutragen. Uebrigens verwahrte sich die Regierung dieses Kautons dagegen, als ob jeuer ^ 21 dem Untersuehuugsbeamteu eine Besugniss ^u Zwangsmassregeln, ,,behufs Erzielung von Geständnissen^ einräume.

Solche seien ges.^lich untersagt. Wenn aber die Bestimmung des ^ 21 des ermähnten Gesezes, dass ein sortgeseztes, freches, der Behorde Hohn sprechendes Benehmen eines Jn.^uisiten durch Disziplinarstrafen . geahndet werden konne, Anstoss errege, und die übrigen Mitstände eine solche Bestimmung aus ihren Strafprozessen entfernt haben, so könne Schaffhansen diesem Beispiele um so unbedenklicher folgen, als das Verhoramt seit vielen Jahren uie in den ^all gekommen sei, körperliche Disziplinarstrasen sür Corriges, unverschämtes Benehmen eines Jn^uisiten in Anwendung ^u bringen.

Dieser Auffassung gegenüber müssen wir jedoch bemerken, dass wir

uns mi.^ demjenigen Theil jenes ^ 21, welcher sich auf die disciplina-

rischi Ahuduug eines storrischeu uud unverschämten Jn^.nisiteu bezieht, nicht befasseu ^u u.üssen glaubten, weil er osseubar ausser den.. Bereiche des vom Ständerathe erhaltenen Austrages liegt. Auch kommen solche Strafen für w i r k l i c h e D i s z i p l i n ar v e r g e he u in mehreren Kautouen vor. Diese Ahndung von Disziplinarvergehen ist jedoch total verschieden von dem andern im ersten S.^ des ost eitirten ^ 21 erwähnten Falle , .wonach sogenannte Disziplinarstrafen (inbegriffen die korperliehe Züchtigung^ auch dann zulässig find, wenn ein Ju.^uisit in einem Verhore hartnäkig sich weigern würde, die ihm vorgelegten fragen zu beantworten. Das Schweigen des J..^nisiteu sollte nämlich nicht bestrast werdeu und am wenigsten mit körperlicher Züehtignug, indem darin indirekt ein Zwaugsmittel zum Geständnisse läge . denu eine kor-

perliche Züchtigung des Jne.uisiten für das Schweigen ist kaum zu

uuterseheideu von einer körperlichen Züchtigung sür das Läugnen.

Jedensalls würde es schwer sein, einem Jna^.isiteu deu Unterschied klar zu machen.

Endlich hat der Grosse Rath des Kantons A p p e n ^ e l l J.

Rh.

in seiner Sizung vom 17/18. März 1870 in Betracht, dass die Folter.

(Zwangsmassregeln zur Erpressung eines Geständnisses in Untersuehungs-

630 fällen) den heutigen Zeitbildungsverhältnissen widerspricht ; dass dieselbe seit geraumer Zeit im Strafuntersuchungsversahren in Jnnerrhoden nicht mehr zur Anwendung gekommen ; dass sie aber nicht unmöglich gemacht ist, da weder eine allgemeine noch besondere Gegenverordnung besteht, beschlossen : dass Zwangsmassregeln zur Erwirkung eines Geständnisses im appenzell-innerrhodischen^ Strasuntersuchungsversahreu zu keiner Zeit uud in keiner W^ise mehr zur Anwendung kommen sollen.

Dieses find die Resultate der uns vom Ständerathe am 22. D^ zember 18.^9 aufgetragenen Untersuchung. Jndem wir hierüber den gewünschten Bericht erstatten, gereicht es uns zum Vergnügen, konstatiren zu konneu, dass gegenwärtig in keinem Danton mehr Zwangsmittel bestehen, um die Untersnchu..gsgefangenen ^um Geständnisse zu nolhigen, uud dass insbesondere die körperliche Züchtiguug zu diesem Zweke ganz-

lich abgeschasst ist. Die Teudenz der fraglichen Motion ist somit voll-

kommen erreicht. Wir sehen uns daher zu keineu bezüglichen Anträgen veranlasst und glauben, es sei lediglich von diesem Berichte Vormerkung am Protokoll zu nehmen.

Genehmigen Sie , Tit. , die erneuerte Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 6. Mai 1870.

Jm Ramen des schweizerischen Bundesrathes:

Der Bundespräsident: .Dr. .^. Dnbs.

Der .Kanzler der Eidgenossensehast: Schieß.

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Bericht des schweizerischen Bundesrathes an die h. Bundesversammlung betreffend die Anwendung körperlicher Zwangsmittel gegen Untersuchungsgefangene. (Vom 6. Mai 1870).

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18.06.1870

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