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Aus den Verhandlungen der Schweiz. Bundesversammlung.

(Vom 5. Dezember 1870.)

Unterm vorstehenden Datum sind die gesezgebenden Räthe der EidGenossenschaft, zufolge Beschlusses vom 22. Dezember 1863, zur For..-.

sezung der ordentlichen Jal..ressession in Bern zusammengetreten.

Der Präsident des Nationalrathes, Herr Regierungsrath Fr. A n d e r w e x t .

aus dem Thurgau, hielt folgende Erofsnungsrede:

Tit. l Die Wiederaufnahme unserer im Juli abgebrochenen Geschäfte erfolgt noch vor Abschluß des grossen nnd gewaltigen Kriegsdramas, welches die Welt in fortwährender Spannung und Erregung erhält. Der Krieg geht seinen ehernen Gang vorwärts und ist noeh nicht an das Ziel

gelangt. So wenig die geistige Fülle und die fortgeschrittene Kultur

unserer Zeit den Ausbruch der Katastrophe verhindern konnte, so wenig vermag ste ihrem Verlaufe Halt zu gebieten. Es ist leider noch nicht abzusehen, wann des Elendes und des vergossenen Blutes endlich genug sein wird.

Roch weniger lassen sich die politischen Resultate des Riesenkampses zur Zeit ganz und klar überschauen. Grosse und ihrer äussern Erscheinung nach mächtige Organisationen hat der Krieg zu Boden geworfen.

und ihre innere Hohlheit und Fäulniss zum Entsezen der Welt aufgedekt. Die V o l k s k r a s t erhebt sich nun an ihrer Stelle und hat in den legten Tagen eine Energie ent.vikelt, welcher wir die Achtung und die Bewunderung nicht versagen konnen, ob sie siegreich oder besiegt aus dem Ringen hervorgehen sollte.

Möge es ihr gelingen, dem unglükliehen Rachbarlande sowohl einen ehrenhasten Frieden zu verschaffen , als auch die Zersezungselemente, welche drohend ihr Haupt erheben, zu bewältigen, und alsdann auf der Grundlage der Freiheit und der Volksbildung ein neues Staatswesen auszurichten , zur eigenen Wohlsahrt und zur Beruhigung .oon Europal Die Tage des Glükes und des Ruhmes werden auch alsdann wiederkehren.

^ Der Krieg übt auf unsere Trattando Deinen t^influss ebenfalls au.... Die gegenwärtige Sizun^ war vorzugsweise für die R e v i s i o n des s c h w e i z e r i s c h e n . G r u n d g e s e z e s bestimmt. Allein wie n..äxe ^ mo^lich, in einem Augenblike, n..o grosse Ereignis^ unsere Aufmerksamkeit abziehen , an eine Arbeit heranzutreten , welche das so ei^enart..^ und sein gegliederte Staatswesen des schweizerischen Bundes naeh versehiedenen Richtungen umgestalten soll, und deshalb vor Allem ruhige Ueberlegung und vollige Sammlung des Geistes in Anspruch nehmen dars^ Die Demokratie kann nicht dem Beispiele vou anderwärts solgen, wo die neuen Organisationen in den Kabineten zusammengeschweißt und den Völkern als fertige Tatsachen ausgelegt werden. Unser...

Reubildungen sollen aus einer sreien und erschöpfenden Diskussion, e.us einem Ueberzengungsprozesse, an dem Volk und Behorden gleichen Antheil nehmen, hervorgehen. Wir sind desshalb auch augewiesen, denWenigen Zeitpunkt sür die Losung einer resormatorischen Versassungsausgabe auszuwählen, der uns die v o l l i g e und u n g e t h e i l t e Hing e b n n g aller mitwirkenden Faktoren, insbesondere des Volkes selbst,

sichert. Damit ist nicht gesagt, dass die Revisionssrag.. in den Hinter-

^rund geschoben werde, gegentheils harren wir des Momentes, wo sie mit ganzer Energie angefasst und durchgeführt werden ka^.n.

Der Bundesrath wird in dieser Sizung seinen Bericht über die znm Sehuze der schweizerischen Neutralität ergriffenen Massregeln vorlegen. Es ist von vornherein anzuerkennen, mit welcher Raschheit und .Bereitwilligkeit unsere Wehrmänner unter die ^al.^uen geeilt sind , mit .welcher Ausdauer und Mannszucht ste den strengen Anforderungen des

Militärdienstes, zumal in frostiger Winterszeit, obliegen. Sie ermog-

liehen durch ihre pflichttreue vor Europa den Beweis zu leisten , dass die, wenn auch kleine, aber thatkrästige Schweiz wohl in der Lage sich befindet, die Jutegrität ihres Gebietes zn schüzen.

Die Truppenaufstellungen dieses Jahres haben unzweifelhaft eine nicht unbedeuteude Reihe von ^üken und Unvollkommenheiten in dem schweizerischen Heerwesen ausgedekt und ins Licht gesezt. Dadurch ist den Behorden der Kantone und des Bundes zur ernsten Bricht erwachsen, Rundschau in dem Materiellen wie Versonnen des Kriegswesens zu halten, Mangelndes zu ergänzen, Unzulänglichkeiten zu entfernen , fehlerhaste Organisationen zu beseitigen und durch Besseres zu ersezen. Den Wehrmann und insbesonders den O s s i z i e r wird die jüngste Kriegsgeschichte von der Rotl,wendigkeit überzeugt haben, seine Kenntnisse erweitern und sich sür seine militärische Ausgabe gründlicher vorbereiten zu müssen, als es bisher der Fall sein mochte. Die schwei-

zerische Ration endlich wird die finanziellen Opser, welche sür Hebung

der Wehrkraft zu bringen sind, nicht karg abwägen und bedauern dürfen, indem abermals die Ersahrungen der legten Zeit eindringlich

782 lehren, dass nur ein Volk, bei dem die .^nnst der W a f f e n -

führung Gemeingut Aller ist und tüchtige Bflege findet, ruhi^ den Ereignissen entgegensehen kann.

Jch erkläre die zweite Abtheilung der ordentlichen Sizungsperiode von 1870 ^l... eröffnet.

Als neue Mitglieder der Räthe sind etngetreten : a.

Jm R a t i o n a l r a t h e .

Herr Auguste Adolphe K l a ^ e , von Reuenstadt, in Münster (Bern), gewählt am 21. August d. J. im .^. eidg. Wahlkreise, in Ersezung des verstorbenen Hrn. Earlin.

,, Fridolin Müller. von Mosnang und W^l, in W.^l (St. Gallen),

gewählt im ^.^. eidg. Wahlkreise am 13. Rovember d. J.,

an der Stelle des verstorbenen Hrn. .Landammann Sailer.

b.

Für Gens:

Jm S t ä n d e r a t h e.

Herr Brosessor ^arl V o g t , von und in Vlainpalais, ,, Fürsprecher Gaspard Z urlind e n, von und in Eau^Vive....

(Vom 10. Dezember 1870.)

Die an diesem Tage vereinigte Bundesversammlung hat gewählt: als .Bundespräsident sur das Jahr 1871: Hrn. .^arl S c h e n k , von Signau (Bern), Vizepräsident des Bundesrathes im Jahr 1870 ,

,, Vizepräsident des Bundesrathes sür das Jahr 1871: Hrn. Bnndesrath l^mil W e i t i, von Zurzaeh (.^lrgau), ,, Präsident des Bundesgeriehtes sür 1871: Hrn. Dr. Joh. Jakob

Blu mer, von und in Glarus, Vizepräsident im Jahr 1870; " Vizepräsident des Bundesgerichtes sür 1871 : .^rn. Bnndesriehter Eugene B o re l, von und in Reuenburg.

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Jahr

1870

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

52

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

10.12.1870

Date Data Seite

780-782

Page Pagina Ref. No

10 006 712

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