726 Beilage.

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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde von F. und A. Senglet & Cie. und Konsorten in Basel gegen die Verordnung des Regierungsrates des Kantons Baselstadt vom 18. Juli 1908, betreffend den Verkauf von Giften und Arznei- und Geheimmitteln.

(Vom 14. Dezember 1908.)

Der schweizerische Bundesrat hat

über die Beschwerde von F. und A. Sengler&Cie und K o n s o r t e n in Basel gegen die Verordnung des Regierungsrates des Kantons Baselstadt vom 18. Juli 1908, betreffend den Verkauf von Giften und Arznei- und Geheimmitteln, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluss gefasst:

A.

in tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

1.

In Nr. 8 des Kantonsblattes des Kantons Baselstadt vom 25. Juli 1908 wurde ein Beschluss des Regierungsrates vorn 18. Juli 1908 betreifend Abänderung der Verordnung über den Verkauf von Giften und Arznei- und Geheimmitteln vom 30. September 1899 publiziert; durch diesen Beschluss wurden die §§ 2, 3, 4, 6, 7, 9, 10 und 11 der Verordnung vom 30. September 1899 in der Fassung vom 31. Dezember 1907 modifiziert.

727 Mit Eingabe vom 21. September 1908 stellen F. und A.

Senglet und Konsorten, Mitglieder des Vereins Basler Drogisten, beim Bandesrat das Begehren, die baselstädtische Verordnung über dea Verkauf von Giften und Arznei- und Geheimmitteln vom , 30. September 1899 in der Fassung vom 19. Juli 19D8, insbesondere ·deren §§ 9 und 11 sei, soweit sie dem Art. 31 der Bundesverfassung widerspreche, aufzuheben.

Zur Begründung führen die Rekurrenten im wesentlichen folgendes aus : In erster Linie widerspreche § 9 der Verordnung der Handelsund Gewerbefreiheit, weil er zu gunsten der Apotheken dem freien Verkehr folgende Kategorien von Waren entziehe : 1. Zusammengesetzte oder zubereitete Arzneimittel.

2. Medizinische Drogen.

3. Chemische Präparate, die zu Heilzwecken Verwendung finden.

4. Künstliche Mineral wassersalze.

5. Gifte und giftartige Stoffe.

6. Arzneistoffe, die nur gegen Rezept abgegeben werden dürfen.

Für Arzneimittel, die Gifte sind oder in kleinen Gaben und Bach Rezept verkauft werden sollen, sei das Apothekermonopol gerechtfertigt. Eine weitere Beschränkung des freien Handels mit Arzneimitteln verlange das öffentliche Interesse nicht. Da nun Sj 9 keine Legaldefinition der Arzneimittel enthalte., so könnte die Verordnung dahin ausgelegt werden, dass unter Arzneimittel alle Stoffe zu verstehen wären, mit deren Gebrauch ein Heilerfolg bezweckt werde, und es würden dann unter den Begriff Arzneimittel eine Menge von Nahrungs und Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen fallen, deren freier Verkauf aus sanitätspolizeilichen Gründen nicht eingeschränkt werden könne. Um diese Bestimmung mit Art. 31 der Bundesverfassung in Einklang zu setzen, müsste der Vorbehalt zugunsten der Apotheken auf die Arzneimittel beschränkt werden, die in kleinen Gaben zu Heilzwecken Verwendung finden. Ebenso unhaltbar sei die absolute Monopolisierung des Verkaufs medizinischer Drogen zugunsten der Apotheker.

Die Rekurrenten verlangen daher, dass die medizinischen Drogen prinzipiell freigegeben werden, eventuell seien doch die in Beilnge 3 zur Beschwerde aufgezählten Drogen freizugeben. Bei der jetzigen Fassung der Verordnung werde das Publikum gezwungen, eine .grosse Zahl von harmlosen Hausmitteln, die die Leute auf dem Lande sanimela, in den Apotheken zu kaufen, so Faulbaumrinde, Arnikablüte, Wurmsame, Biberklee, Raute, Sennesblätter, Bärentraubenblatt, Storeheosehnabelkraut, Waldmeister, Engelwurz, Bai-

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drianwurzel u. a. m. Widersinnig sei es doch, dass die Verordnungzwar den Verkauf von Arnikatinktur und Baldriantinktur freigebe, aber Arnikablüte und Baldrianwurzeln monopolisiere, und dass siein Beilage II zu § 10 der Verordnung eine Menge von Drogen freigebe, die nicht weniger gefährlich seien als die monopolisierten.

Unstatthaft sei auch das Verbot des freien Verkaufs künstlicher Mineralwassersalze; diese werden auch von den Apothekernaus den chemischen Fabriken bezogen und erfahrungsgemäss nur sehr selten geprüft. Das öffentliche Interesse würde genügend geschützt, wenn man die Drogisten anhielte, solche Salze vom Kantonschemiker untersuchen zu lassen, oder wenn man die Geschäfte,, die mit diesen Artikeln handeln, polizeilich überwachte.

Endlich verstosse auch die Bestimmung des § 11 der Verordnung, wonach Geheimmittel und medizinische Spezialitäten nur in Apotheken verkauft werden dürfen, gegen Art 31 der Bundesverfassung. Eine Definition des Begriffs der medizinischen Spezialität zu geben, sei unmöglich; es lasse sich darunter alles mögliche subsumieren. Aber selbst die vom Basler Sanitätsdepartement bisher ausdrücklich als Spezialität bezeichneten Artikel dürfen dem freien Handel nicht entzogen werden. Es seien dies folgende Präparate: Richard Brandts Schweizerpillen, Bradys Mariazeller Magentropfen, Laxalelte Büttner, Kortol, Winkler & Cie. Eisenessenz und Kraftessenz, Ovomaltine, Wohlschmeckender Fischtran der Fischmarktapotheke Basel, Tonika Rordorf, Eisencognac Golliez, Fer Bravais, Thee Chambard, Malzextrakte von Wander mit Ausnahme desjenigen mit Santonin, Thermogene Watte, Ulcerolpaste der Marktapotheke Basel, Scotts Emulsion, Binders Spitzwegerich Brustbonbons, Salmiakpastillen Marke Eléphant, Traubenkur zu jeder Jahreszeit, Gorgass Canabin und Capsicinpflaster, Vin de Vial, Cannabin gegen Hühneraugen, Clavialinpflaster, Apotheker Wagners Boldo Thee, Echte 9 Geister Einreibung, Dr. C. MiniatsMelmaltine, Laxa-Frucht Thee (Wagner und Wiebe), Histosan, Jos. Weidingers Zahnwasser, Pectal Tabletten, Oni-Pillen, Model» Sarsaparill, J. J. Hohls Pectorinen, Valda Pastillen, Poncelet Pastillen, Depuratin der Fischmarktapotheke Basel, Hämorrhoidalsalbe der Fischmarktapotheke Basel, Hefe gegen Zuckerkrankheit, Goudron Guyot, Mosimann Eisenbitter, Bellocs Kohlenpastillen und Kohlenpulver.
Diese Artikel werden in Originalverpackung vom Fabrikanten bezogen. Die Prüfung des Verkäufers beschränke sich hier auf" Verpackung und Marke und könne somit von jedem Handelsmanne vorgenommen werden. Dem Schutz der öffentlichen Interessen werde durch die vor Anpreisung und Verkauf vorzunehmende Untersuchung der Spezialitäten Genüge getan; dass die?

729 Verordnung auch den Verkauf der nicht giftigen oder stark wirkenden und nicht auf Täuschung des Publikums berechneten Präparate auf die Apotheken beschränke, gehe zu weit.

Zusammenfassend müsse betont werden, dass die angefochtenen Bestimmungen der Verordnung dem Grundsatz widersprechen, wonach die Einschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit im richtigen Verhältnis zu der abzuwehrenden Störung oder Gefährdung der öffentlichen Interessen stehen müssen ; sie seien widerrechtlich, soweit das, was sie wegen der Gesundheitsgefährduugverbieten, mit einer solchen gar nicht verbunden sei. Wenn auch vielleicht zugegeben werden müsse, dass einzelne der Artikel, deren Freigabe verlangt werde, missbräuchlich verwendet werden können,, so würde es zur Abwehr dieser sehr entfernten Gefahr doch genügen, wenn die Geschäfte einer regelmässigen Kontrolle unterworfen würden oder wenn von den Geschäftsinhabern ein Ausweis über die Kenntnis der betreffenden Artikel verlangt würde.

Die Schwierigkeit einer solchen Kontrolle, die übrigens bei weitem nicht so gross wäre, wie man glauben machen möchte, rechtfertige ein absolutes Verbot des freien Verkaufs nicht. Es sei den Rekurrenten gegenüber umsoweniger am Platz, als man ihnen die Qualifikation zum Giftverkauf ja zuerkenne.

II.

In seiner Vernehmlassung vom 17. Oktober 1908 beantragt der Regierungsrat des Kantons Baselstadt Abweisung der Beschwerde.

Der angefochtene Beschluss vom 18. Juli 1908 bringe keiner grundsätzliche Abänderung der Verordnung vom 30. September 1899. Schon in den §§ 9 und 11 dieses Erlasses sei der Verkauf von Arzneimitteln grundsätzlich und der Verkauf sämtlicher Geheimmiltel auf die Apotheken beschränkt, und dieser Grundsatz, sei seither noch nie angefochten worden. Der immer mehr um sieh greifende Geheimmittelschwindel habe eine etwelche Verschärfung des § 11 der Verordnung notwendig gemacht; doch seien bei den Revisionen der Verordnung vom 31. Dezember 1907 und 18. Juli 1908 die Wünsche der Rekurrenten soweit möglich berücksichtigt worden. Im übrigen habe sich der Regierungsrat bei beiden Revisionen streng an den Bundesratsbeschluss vom 12. April 190(3 über die Beschwerde Villiger und das ihm zugrunde gelegte Gutachten einer Expertenkommission gehalten und den freien Verkauf nur aus sanitätspolizeilichen Grüüden beschränkt.

Die Rekurrenten stellen die Tragweite des § 9 der Verordnung schon insofern unrichtig dar, als sie verschweigen, dass.

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·erstens der Handelsverkehr zwischen Kaufleuten und Apothekern von jeder Sehranke frei ist und ausserdem laut Beilage II zur Verordnung 267 in der Pharmakopöe genannte Stoffe dem freien Verkehr überlassen sind (§10 der Verordnung).

Ferner werde in § 9 nur die Abgabe von Giften oder gift«rtigen Stoffen zu H e i l z w e c k e n auf die Apotheken beschränkt, während die Abgabe dieser Stoffe zu gewerblichen Zwecken jedem Handelstreibenden erteilt werde, der sich über die erforderlichen Kenntnisse und Einrichtungen ausweise.

Eine Legaldefinition des Begriffs ,,Arzneimittel" zu geben, sei überflüssig, da nach dem Wortlaut der Verordnung eine Auslegung, wonach eine Menge von Nahrungs- und Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen dem freien Verkehr entzogen werden könnte, wie überhaupt jede Unsicherheit darüber, ob eine in dei% Pharmakopöe genannte Substanz frei oder nur in den Apotheken verkauft werden dürfe, ausgeschlossen sei. Solchen Zweifeln begegne das Verzeichnis der in der Pharmakopöe enthaltenen, aber freigegebenen Substanzen in Beilage II zu § 10 der Verordnung; ausserdem aber falle alles, was nicht in der Pharmakopöe vorkommt, sowie alles, was keine scharf wirkenden Substanzen enthält und nicht unter der Form eines Geheim mittels auftritt, dem freien Handel anheim.

Wenn von den medizinischen Drogen Arnika- und Baldriantinktur freigegeben, Arnikablüten und Baldrianwurzeln dagegen auf die Apotheken beschränkt werden, so rühre dieser scheinbare Widerspruch daher, dass die genannten Tinkturen in Basel von jeher frei verkauft werden durften und man an diesem althergebrachten lokalen Gehrauch nichts ändern wollte. Da hinsichtlich der Arnikablüte und der Baldrianwurzel ein solches Herkommen nicht bestehe, so habe man sich für diese Artikel dem Experlengutachren angeschlossen. Von den in Beilage 3 der Rekursschrift aufgezählten 37 sogenannten medizinischen Drogen seien nur 10, die in der Pharmakopöe vorkommen, nämlich: Sennesblätter, Bärentrauben, Arnikablüte, Calmuswurzel, Condurangorinde, .Faulbaumrinde, Engelwurz, Tannenknospen, Baldrianwurzel und Blutreinigungsthee dem freien Verkauf entzogen.

Der Verkauf künstlicher Mineralwassersalze sei in Übereinstimmung mit dem Expertengutachten auf die Apotheken beschränkt worden, weil nur die Apotheker imstande seien, solche Salzmischungen, die vielfach
offen verkauft werden, zweckentsprechend herzustellen und auf ihre Zusammenstellung zu prüfen. Der freie Verkauf dieser Substanzen könnte schwere Gesundheitsschädi-gungen zur Folge haben.

731 Auch die Regelung des Verkaufs von Geheimmitteln und Spezialitäten im angefochtenen Beschluss entspreche vollkommen den Grundsätzen des Expertengutachtens. Eine Beschränkung dieses Handels sei absolut geboten, da der lukrative Vertrieb dieser Artikel erfahrungsgemäss auch Leute, die keinerlei Fachkenntnisse besitzen, nicht nur zum Verkauf, sondern selbst zur Anfertigung solcher Mittel reize. Die Freigabe des Handels würde die durch die öffentliche Gesundheitspflege dringend gebotene Kontrolle einfach verunmöglichen. Wenn aber die Verkaufsstellen im öffentlichen Interesse beschränkt werden müssen, so rechtfertige es sich, den Verkauf auf die hierzu geeignetsten Geschäfte, die Apotheken, KU beschränken, wie dies in den meisten Kantonen der Fall sei.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Die Rekurrenten formulieren ihr Beschwerdebegehren dahin, es sei die angefochtene Verordnung, soweit sie dem Art. 31 der Bundesverfassung widerspricht, insonderheit deren §§ 9 und 11 aufzuheben. Da sieh die Rekurrenten bei der Begründung der Beschwerde auf den Nachweis der Verfassungswidrigkeit der §§ 9 und 11 beschränken, so hat der Bundesrat keinen Anlass, die übrigen Bestimmungen der Verordnung zu prüfen.

II.

Die §§ 9 und 11 der angefochtenen Verordnung lauten: ,,§ 9. Der Verkauf von zusammengesetzten oder zubereiteten Arzneimitteln, von medizinischen Drogen, von chemischen Präparaten, die zu Heilzwecken Verwendung finden, von künstlichen Mineralwassersalzen, die Abgabe von Giften oder giftartigen Stoffen (§ 1) zu Heilzwecken, sowie von Arzneistoffen auf schriftliche Verordnungen von Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten ist ausschliesslich den Apothekeninhabern und den nach § l der Verordnung betreffend das Apothekenwesen zur Selbstdispensation berechtigten Medizinalpersonen gestattet.

,,§ 11. la bezug auf die Ankündigung und den Verkauf von Geheirnmitteln und medizinischen Spezialitäten gelten folgende Bestimmungen : a. . . .

b. . . .

732 d. Der Verkauf der vom Sanitätsdepartement zur Ankündigung und zum Verkaufe zugelassenen Geheimmittel und Spezialitäten darf nur in den Apotheken stattfinden und zwar, falls sie Gifte oder stark wirkende Stoffe enthalten, nur auf ärztliche Verordnung.

Das Sanitätsdepartement wird in jedem einzelnen Falle entscheiden, welche Geheimmittel und Spezialitäten dieser Beschränkung unterworfen sind.

Von obigen Bestimmungen ausgeschlossen sind die sogenannten kosmetischen Mittel (Mittel zur Haut-, Haar- und Zahnpflege), insofern dieselben keine gesundheitsschädlichen Stoffe enthalten. a Nach § 10 der Verordnung ist von jeder Beschränkung frei der Handelsbetrieb der Kaufleute und Apothekeninhaber unter sich, sowie der Verkauf der in Beilage II der Verordnung aufgeführten Stoffe. In dieser Beilage werden 267 in der Pharmakopöe aufgeführte Stoffe freigegeben und ausserdem die Chemikalien für technische Zwecke, die Farbwaren, die Kometica und Parfümerien, sofern sie keine gesundheitsschädlichen Substanzen enthalten, die Mineralwasser uod natürlichen Mineralwassersalze, die medizinischen Seifen und imprägnierten Verbandstoffe mit Ausnahme der sublimathaltigeo, die Nährpräparate, der reine Malzextrakt und der mit Eisen, Kalk und Lebertran, endlich das poröse Capsicumpflaster.

Da die Rekurrenten selbst die Vorschrift des § 9 für berechtigt erklären, soweit sie die Abgabe von Giften zu Heilzwecken und von Arzneimitteln auf Grund von schriftlichen ärztlichen Verordnungen auf die Apotheken beschränkt, so bleibt nur zu untersuchen, ob auch der Detailverkauf der Arzneimittel, medizizinischen Drogen und chemischen Präparate, die zu Heilzwecken Verwendung finden, sowie der Verkauf der künstlichen Mineralwasser und der Geheimmittel und Spezialitäten ohne Verletzung des Art. 3l der Bundesverfassung auf die Apotheken beschränkt werden kann.

Einschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit auf diesem Gebiete sind nur zulässig, soweit sanitätspolizeiliche Gründe für sie sprechen. Anlässlich zweier Drogistenrekurse hat sich eine vom schweizerischen Justizdepartement bestellte Expertenkommission, bestehend aus dem Direktor des eidgenössischen Gesundheitsamtes, einem Pharmakologen und einem Drogisten, in ihrem Gutachten vom 6. Februar 1906 darüber ausgesprochen, welche Beschränkungen des freien Handels im Interesse der
öffentlichen Gesundheitspflege geboten sind (vgl. sanitarisch-demographisches Wochenbulletin Nr. 30, 31 und 32 vom 2., 9. und 16. August 1906). Die dort von sachkundiger unparteiischer Seite aufgestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Falle zu befolgen (vgl.

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auch Entscheid des Bundesrates in Sachen Villiger und Konsorten, Bundesbl. 1906, H, 944 ff.).

Bei der Prüfung der anfochtenen Verordnung zeigt sich nun, dass die Ausscheidung der auf die Apotheken zu beschränkenden und der freizugebenden Artikel im allgemeinen genau nach den im Gutachten aufgestellten Grundsätzen vorgenommen worden ist.

Abweichungen finden sich nur zugunsten des freien Handels, indem z. B. mit Rücksicht auf den Lokalgebrauch Substanzen freigegeben werden, die in dem jenem Gutachten beigegebenen Verzeichnis der freizugebenden Arzneistoffe fehlen. Namentlich aber ist zu betonen, dass die vorerwähnte Ausscheidung mit Hülfe der Beilage II zu § 10 der Verordnung so klar ist, dass kein Zweifel darüber entstehen kann, was frei ist und was nicht. Nach der Verordnung verbleiben im freien Verkehr alle Substanzen und Präparate, die nicht in der schweizerischen Landespharmakopöe genannt sind, sofern sie keine stark wirkenden Substanzen enthalten und nicht in der Form von Geheimmitteln auftreten und ferner von den in der Pharmakopöe genannien Stoffen die in der Beilage II zu § 10 der Verordnung aufgezählten.

Nach dem vorstehenden ist zu den einzelnen Beschwerdepunkten noch folgendes zu bemerken : .

1. Die Befürchtung der Rekurrenten, es könnte mangels einer Definition des Begriffs Arzneimittel durch weitgehende Auslegung des § 9 die Verkaufsbeschränkung auch auf ganz ungefährliche Nahrungs- und Genussmittel und Gebrauchsgegenstände Anwendung finden, ist unbegründet. Aber selbst, wenn sie richtig wäre, so würde doch die blosse Möglichkeit einer solchen Auslegung nicht dazu berechtigen, die angefochtene Bestimmung schon heute in ihrem ganzen Umfange als verfassungswidrig zu erklären. Dagegen bleibt es den Rekurrenten vorbehalten, neuerdings an den Bundesrat zu rekurrieren, wenn die angefochtene Bestimmung zu Unrecht ausgedehnt werden sollte (vgl. Entscheid des Bundesrates vom 12. April 1906 in Sachen Villiger und Konsorten, Bundesbl. 1906, II, 944 ff.). Die Umschreibung der vom freien Verkehr ausgeschlossenen Arzneimittel durch den von den Rekurrenten vorgeschlagenen Zusatz f)die in kleinen Gaben zu Heilzwecken Verwendung finden", würde den Begriff nicht besser abgrenzen.

2. Von der Freigabe der medizinischen Drogen kann nach dem Expertengutachten nicht die Rede sein. Von den 37 in Beilage
III zur Rekursschrift aufge/Uhrten Drogen, die nach Ansicht der Rekurrenten freigegeben werden müssten, sind 27 tatsächlich frei, weil sie nicht in der Pharmakopöe figurieren. Die Beschränkung der übrigen 10, nämlich Sennesblätter, Bärentrauben, Arnikablüte, Cahnuswur/.el, Condurangorinde, Faulbaumrinde, Engelwurz,

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Tannenknospen, Baldrianwurzel und Blutreinigungstee, die sämtlich in der Pharmakopöe vorkommen, ist aus sanitätspolizeilichen Gründen gerechtfertigt. Fraglich kann hier nur sein, ob sich die Beschränkung von Arnikablüte und Baldrianwurzel auf die Apotheken rechtfertigen lasse, trotzdem'Arnikati n k tur und Baldriant i n k t u r frei verkauft werden dürfen. Diese Frage ist zu verneinen; denn, da es keinem Zweifel unterliegen kann, dass die genannten Tinkturen gefährlicher sind, als die Naturprodukte, aus welchen sie gewonnen werden, so ist es willkürlich, jene freizugehen, diese aber nicht. Die verschiedene Behandlung der Urprodukte und der Tinkturen ist vom sanitätspolizeilichen Standpunkt nicht zu rechtfertigen. Wenn man den Ortsgebrauch, wonach die Tinkturen frei sind, berücksichtigen wollte, müsste man auch die Urprodukte frei geben.

3. Was die künstlichen Mineralwassersalze betrifft, so ist auch die Beschränkung des Verkaufs dieser Substanzen auf die Apotheken nach dem mehrgenannten Expertengutachten gesundheitspolizeilich vollständig begründet. Das Gutachten geht sogar weiter und weist auch die nach der Basler Verordnung freigegebenen natürlichen Mineralwassersalze ausschliesslich den Apotheken zu.

4. Gegen § 11 der angefochtenen Verordnung ist vom Standpunkte des Art. 31 der Bundesverfassung ebenfalls nichts einzuwenden. Die dort vorgesehene Regelung des Verkaufs von Geheimmitteln und medizinischen Spezialitäten stimmt mit den Grundsätzen des Expertengutachtens überein. Sie ist gerechtfertigt, weil konsequenterweise diese Arzneimittel nicht anders behandelt werden können als die gewöhnlichen, und weil einzig bei der Beschränkung auf die Apotheken der Verkauf solcher Waren wirksam kontrolliert und der Geheimmittelschwindel eingedämmt werden kann.

Demgemäss wird erkannt: Die Beschwerde wird gutgeheissen soweit sie die Freigabe des Verkaufs von Arnikabliite und Baldrianwurzel verlangt ; in> übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

B e r n , den 14. Dezember

1908.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde von F. und A. Senglet & Cie. und Konsorten in Basel gegen die Verordnung des Regierungsrates des Kantons Baselstadt vom 18. Juli 1908, betreffend den Verkauf von Giften und Arznei- und Geheimmitteln. (Vom 14. D...

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