zu 13.479 Parlamentarische Initiative Klarstellung der langjährigen Praxis beim Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 13. April 2015 Stellungnahme des Bundesrates vom 5. Juni 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 13. April 2015 betreffend Klarstellung der langjährigen Praxis beim Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. Juni 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2015-1439

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die parlamentarische Initiative 13.479 «Klarstellung der langjährigen Praxis beim Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer» wurde am 13. Dezember 2013 von Nationalrat Gasche eingereicht. Mit ihr wird gefordert, das Verrechnungssteuergesetz vom 13. Oktober 1965 (VStG; SR 642.21) sei dahingehend anzupassen, dass eine verspätet eingereichte Meldung einer steuerbaren Leistung nicht mehr dazu führt, dass das Recht auf eine Überprüfung eines Meldeverfahrens verwirkt, wenn die materiellen Voraussetzungen (das Recht zur Nutzung, kein Steuerumgehungstatbestand, korrekte Buchung) für die Gewährung des Meldeverfahrens erfüllt sind.

Die geänderten gesetzlichen Grundlagen sollen ausserdem die Möglichkeit geben, die Verletzung der gesetzlichen Frist mit einer Ordnungsbusse «ahnden» zu können.

Die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen würde stattdessen entfallen. Zudem sollen rechtskräftig verfügte Verzugszinszahlungen rückgängig gemacht und zurückerstattet werden können.

Gleichzeitig wurde im Ständerat eine parlamentarische Initiative mit einem ähnlichen Anliegen eingereicht (parlamentarische Initiative Niederberger, 13.471 «Abbau von bürokratischen Hürden beim Meldeverfahren. Änderung des Verrechnungssteuergesetzes»).

Im Mai 2014 hat die vorberatende Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) mit 15 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen der parlamentarischen Initiative Gasche Folge gegeben. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) hat dem Beschluss ihrer Schwesterkommission an ihrer Sitzung vom 1. Juli 2014 mit 8 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung zugestimmt und gleichzeitig mit 9 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung der parlamentarischen Initiative Niederberger Folge gegeben. Damit wurde die WAK-N nach Artikel 111 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG; SR 171.10) beauftragt, eine Vorlage auszuarbeiten. Die WAK-N gab dazu der Verwaltung den Auftrag, einen Vorentwurf mit möglichen Umsetzungsvarianten sowie den zugehörigen erläuternden Bericht auszuarbeiten. An ihrer Sitzung vom 10. November 2014 hat die WAK-N mit 17 zu 7 Stimmen einen Vorentwurf verabschiedet und beschlossen, eine Vernehmlassung zu eröffnen.

Am 12. Dezember 2014 wurde die Vernehmlassung zum Vorentwurf mit dem erläuternden Bericht eröffnet. Sie endete am 6. März 2015. An ihrer Sitzung vom
13. April 2015 hat die WAK-N von den Vernehmlassungsergebnissen Kenntnis genommen und den beiliegenden Entwurf mit 14 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen zuhanden des Nationalrates verabschiedet.

Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit soll das VStG im Bereich des Meldeverfahrens geändert werden. Eine Minderheit schlägt hingegen vor, nicht auf den Gesetzesentwurf einzutreten. Nach Ansicht der Mehrheit, die eine Änderung befürwortet, sollen im Rahmen dieses Verfahrens künftig Ordnungs- statt Verwirkungsfristen gelten. Für Unternehmen, welche die materiellen Voraussetzungen erfüllen, wird das Meldeverfahren bei steuerbaren Leistungen (Dividenden und geldwerte Leistungen zugunsten des Aktionärs oder Nahestehenden) somit sogar bei Nichteinhaltung der Frist von 30 Tagen nach Fälligkeit der steuerbaren Leistung möglich 5366

sein. In diesem Fall sollen die bei einer Nichteinhaltung der Fristen vorgesehenen Verzugszinsen nur noch beim ordentlichen Steuererhebungsverfahren gelten. Wenn die Formulare nicht fristgerecht eingereicht werden, kann gegen die Unternehmen eine Ordnungsbusse verhängt werden. Eine Minderheit schlägt vor, die Fristen für die Deklaration der Verrechnungssteuer von 30 auf 90 Tage ab Entstehung der Steuerforderung zu verlängern. Gleichzeitig soll nach der Minderheit die Frist zur Geltendmachung des Meldeverfahrens von 30 Tagen auf neu ein Jahr erweitert werden.

Sollte die von der Mehrheit vorgeschlagene Änderung in Kraft treten, sieht eine andere Mehrheit eine Rückwirkung dieser neuen Bestimmungen in all jenen Fällen vor, bei denen die Steuer- oder Verzugszinsforderungen nicht vor dem 1. Januar 2011 verjährt oder in Kraft getreten sind. Eine Minderheit lehnt jede Form von Rückwirkung der allfälligen neuen Bestimmungen ab.

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Stellungnahme des Bundesrates

Die Verrechnungssteuer erfüllt zwei Funktionen. Bei Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und Schweizer Steuerpflichtigen sichert sie im inländischen Verhältnis im Rahmen der direkten Steuern die korrekte Deklaration des Einkommens und des Vermögens (Sicherungsfunktion der Verrechnungssteuer). Bei Personen mit Wohnsitz im Ausland erfüllt die Verrechnungssteuer einen Steuerzweck, da es sich grundsätzlich um eine definitive Steuererhebung handelt. Vorbehalten bleibt die Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens.

Die Verrechnungssteuer beruht auf dem Grundsatz der Selbstdeklaration (Selbstveranlagungsprinzip). Steuerpflichtig ist der Schuldner der steuerbaren Leistung (Art. 10 Abs. 1 VStG). Der Schuldner der steuerbaren Leistung, die gemäss Artikel 4f. VStG der Verrechnungssteuer unterliegt, hat sich unaufgefordert bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) anzumelden und bei Fälligkeit der Steuer unaufgefordert die vorgeschriebene Abrechnung mit den Belegen einzureichen und gleichzeitig die Steuer zu entrichten oder die an ihre Stelle tretende Meldung zu erstatten (siehe Art. 38 VStG). Die Steuerpflicht wird grundsätzlich durch Entrichtung der Steuer erfüllt. Das Meldeverfahren stellt eine Ausnahme dar (Art. 1 Abs. 1, 11 Abs. 1 und 20 VStG). Der Steuerpflichtige zieht von der ausbezahlten steuerbaren Leistung eine Verrechnungssteuer von 35 % ab und entrichtet die Steuer bei der ESTV innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Fälligkeit der Leistung (Art. 11, 12 und 14 VStG). Der Empfänger der steuerbaren Leistung kann die Rückerstattung der Verrechnungssteuer fordern, die bei juristischen Personen zu seinen Lasten beim Bund oder durch eine korrekte Deklaration der belasteten Erträge und der den steuerbaren Ertrag abwerfenden Vermögenswerte zurückbehalten wurde. Wo es das Gesetz vorsieht, kann die Steuerpflicht erfüllt werden, indem anstelle der Steuerentrichtung die Meldung der steuerbaren Leistung tritt (Art. 1 Abs. 1, 20 VStG und Art. 24 ff. insbesondere Art. 26a VStV). Anders gesagt kann der Schuldner die steuerbare Bruttoleistung (100 %) entrichten und seine Steuerpflicht innert 30 Tagen nach Ablauf der Fälligkeit der Leistung durch die Meldung auf dem amtlichen Formular ersetzen.

Im Rahmen des Meldeverfahrens muss die ESTV zum Rückerstattungsanspruch nicht definitiv Stellung nehmen, wie dies bei einem Rückerstattungsgesuch des Empfängers der steuerbaren Leistung der Fall wäre. Die ESTV muss den Rück5367

erstattungsanspruch lediglich summarisch prüfen und das Meldeverfahren nur bewilligen, wenn der Rückerstattungsanspruch nicht sowieso verwirkt ist. Wenn nach dieser summarischen Prüfung ein Zweifel am Rückerstattungsanspruch des Leistungsempfängers besteht, wird das Meldeverfahren abgelehnt. Die Steuerpflicht muss somit gemäss dem ordentlichen Verfahren, also durch die Entrichtung der Steuer und ihre Weiterleitung an den Begünstigten, erfüllt werden. Dieser hat weiterhin die Möglichkeit, nachträglich die Rückerstattung des rückbehaltenen Betrages zu fordern. Die Ablehnung des Meldeverfahrens beeinträchtigt den Rückerstattungsanspruch nicht.

Das Meldeverfahren gilt insbesondere bei Dividenden im Konzernverhältnis (Art. 26a VStV). Das Bundesgericht hat mehrfach bestätigt, dass bei Zweifeln am Rückerstattungsanspruch das ordentliche Verfahren zur Entrichtung der Verrechnungssteuer zur Anwendung gelangt und der definitive Rückerstattungsanspruch erst nachträglich im Rahmen des Rückerstattungsverfahrens geprüft wird. Im inländischen und grenzüberschreitenden Konzernverhältnis kann, nach den Bestimmungen der internationalen Abkommen und der Verordnung vom 22. Dezember 2004 über die Steuerentlastung schweizerischer Dividenden aus wesentlichen Beteiligungen ausländischer Gesellschaften (SR 672.203), anstelle der Entrichtung der Verrechnungssteuer die Meldung der steuerbaren Leistung treten.

Wenn die steuerbare Leistung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 30 Tagen nach der Fälligkeit gemeldet und entrichtet wird (Art. 12 und 16 VStG), ist auf dem Steuerbetrag ohne Mahnung ein Verzugszins geschuldet (Art. 16 Abs. 2 VStG).

Wenn bei einem Meldeverfahren die Leistung nicht innerhalb von dreissig Tagen nach der Fälligkeit gemeldet wird, muss der Steuerpflichtige (Schuldner der steuerbaren Leistung) die Verrechnungssteuer inkl. Verzugszinsen nachträglich entrichten.

Der Bundesrat hält das bestehende System für ausgewogen. Seiner Ansicht nach ist eine rechtsgleiche Behandlung der Steuerpflichtigen durch die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet. Eine Gesetzesänderung, welche für die Verrechnungssteuer jederzeit ein Meldeverfahren ermöglichen würde, wäre unangemessen. Die verschiedenen Methoden, die den Steuerpflichtigen zur Erfüllung ihrer Steuerpflicht zur Verfügung stehen, wären mit
allzu grossen Ungleichheiten verbunden. Zudem könnte die Gesetzesänderung bezüglich der rechtsgleichen und effizienten Steuererhebung mit Risiken verbunden sein. Der Bundesrat steht aber einer Verlängerung der ­ auch weiterhin verwirkenden ­ Meldefrist von 30 auf 90 Tage für die Einreichung der Formulare sowohl beim ordentlichen Verfahren als auch beim Meldeverfahren nicht ablehnend gegenüber.

Folgende Argumente sprechen gegen eine Gesetzesänderung, wie sie die Kommissionsmehrheit befürwortet Allgemeines Die ESTV sorgt für die rechtsgleiche und effiziente Erhebung der in ihre Zuständigkeit fallenden Steuern (Art. 12 der Organisationsverordnung vom 17. Februar 2010 für das Eidgenössische Finanzdepartement [OV-EFD]; SR 172.215.1). In der Praxis kann die ESTV keine systematische und allgemeine Kontrolle aller potenziellen Steuerpflichtigen vornehmen. Die Erhebung der Verrechnungssteuer wird deshalb im Rahmen eines Massenverfahrens kontrolliert. Wie bereits erwähnt, gilt für die Verrechnungssteuer das Selbstveranlagungsprinzip. Es obliegt somit der steuerpflichtigen Person, ihre Steuerpflicht zu erfüllen, ohne von der Verwaltung dazu 5368

aufgefordert zu werden. Unter diesen Bedingungen kann die ESTV nur Stichprobenprüfungen vornehmen. Was die Gesuche zur Geltendmachung des Anspruchs auf ein Meldeverfahren angeht, ist die Steuerverwaltung stets im Rahmen der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen und ihrer Überprüfungsmöglichkeiten vorgegangen.

Das Bundesgericht genehmigte das Vorgehen der ESTV in seinem Entscheid vom 19. Januar 2011 (BGer 2C_756/2010) und bestätigte, dass die Meldefrist von 30 Tagen ab der Fälligkeit einer steuerbaren Leistung eine gesetzliche Frist und die (ebenfalls auf 30 Tage festgelegte) Frist für die Abgabe eines amtlichen Meldeformulars eine gesetzliche Verwirkungsfrist darstellt. Von Verwirkung ist in der Regel auszugehen, wenn aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Verwaltungstechnik die Rechtsbeziehungen nach Ablauf einer bestimmten Frist endgültig festgelegt werden müssen, ohne dass die Frist durch eine Unterbrechungshandlung verlängert werden kann. Im Gegensatz zu den Verwirkungsfristen weisen Ordnungsfristen den Charakter einer reinen Ordnungsvorschrift auf. Dieser BGE löste bei mehreren Steuerpflichtigen, welche lediglich die Ausschüttung der Dividenden oder anderer steuerbarer Leistungen nicht fristgerecht gemeldet hatten, eine Flut von Meldungen aus. Zahlreiche von der ESTV überprüfte Gesuche betrafen die Meldung steuerbarer Leistungen nach Ablauf der gesetzlich vereinbarten Frist von 30 Tagen. Die ESTV musste die Gesuche von Steuerpflichtigen, deren Anspruch, ihre Steuerpflicht im Rahmen des Meldeverfahrens zu erfüllen, bereits verwirkt war, ablehnen. Die ESTV leitete somit ein ordentliches Verfahren zur Erhebung der geschuldeten Verrechnungssteuer ein. In der Folge wurden auch die Verzugszinsen berechnet und fakturiert, die nach Artikel 16 Absatz 2 VStG bei einer Nichteinhaltung der Fälligkeitstermine gesetzlich vorgesehen sind. Verzugszinsen gehören somit zur Steuerforderung. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil A-1878/2014 vom 28. Januar 2015 betreffend ein Meldeverfahren im nationalen Verhältnis unmissverständlich festgehalten, dass eine Verwirkungsfrist vorliege und diese nicht nur dem Sicherungszweck der Verrechnungssteuer diene, sondern auch eine rechtsgleiche Behandlung mit Fällen gewährleiste, bei denen von Beginn weg das Entrichtungsverfahren zur Anwendung gelange. Die
Pflicht zur Leistung von Verzugszinsen für öffentlich-rechtliche Geldforderung stellt einen unumstrittenen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar. Ein Verzugszins muss nur dann nicht geleistet werden, wenn dies durch eine besondere gesetzliche Regelung ausgeschlossen ist (vgl. statt vieler Häfelin/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, N 755). Das Bundesverwaltungsgericht hat denn auch die Rechtmässigkeit der Erhebung von Verzugszinsen durch die ESTV bestätigt.

Selbstveranlagungsprinzip ­ Auswirkungen des Übergangs zu einer Ordnungsfrist im Rahmen des Meldeverfahrens für den Bund und die Kantone Wie bereits erwähnt, beruht die Verrechnungssteuer auf dem Selbstveranlagungsprinzip. Zwar steht im Bericht, dass das amtliche Deklarationsformular ­ selbst bei einer Änderung, wie sie die Kommissionsmehrheit vorschlägt ­ der ESTV weiterhin innert 30 Tagen nach Entstehung der Steuerforderung unterbreitet und das Gesuch zur Geltendmachung des Anspruchs auf ein Meldeverfahren ebenfalls innert dieser 30 Tage eingereicht werden soll. Die praktischen Auswirkungen könnten aber ganz anders aussehen. Tatsächlich sieht der Mehrheitsantrag vor, dass es sich bei den erwähnten Fristen nur noch um Ordnungsfristen handeln soll. Die Steuerpflichtigen könnten ihre Gesuche zur Geltendmachung des Anspruchs auf ein Meldeverfahren 5369

künftig somit zeitlich unbefristet stellen. Dies steht eindeutig im Widerspruch zum Verrechnungssteuersystem, da der Anspruch auf die Geltendmachung eines Meldeverfahrens bei einer verspäteten Deklaration nicht mehr verwirkt. Ein solches Verfahren würde zu einer faktischen Freiwilligkeit der Deklaration der steuerbaren Leistung und somit auch der Steuerpflicht führen. Das Fehlen dieser Verpflichtung würde sich direkt auf die Deklaration der steuerbaren Leistungen auswirken. Unternehmen, die Dividenden ausschütten, könnten dazu verleitet werden, ihre gesetzliche Deklarationspflicht nicht mehr innerhalb der gesetzlichen Fristen zu erfüllen.

Dies im Wissen darum, dass sie nachträglich immer noch vom Meldeverfahren profitieren könnten, soweit die Anspruchsvoraussetzungen für die Rückerstattung erfüllt sind. Die ESTV könnte ihre gesetzliche Kontrollfunktion somit nicht mehr korrekt erfüllen. Mit der von der Mehrheit vorgeschlagenen Regelung als reine Ordnungsfrist wird es faktisch keine Nichtdeklaration mehr geben, soweit die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Meldeverfahrens erfüllt sind, sondern nur noch verspätete Deklarationen resp. verspätete Geltendmachungen. Damit ergibt sich jedoch eine nicht rechtfertigbare eklatante Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen, da mit dieser Umsetzungsvariante einzig die Fälle bevorzugt behandelt werden, in denen ein Meldeverfahren Anwendung finden kann, Im Normalfall jedoch, den Fällen der Barentrichtung, muss weiterhin innert einer Verwirkungsfrist deklariert und entrichtet werden.

Diese Situation würde sich auch auf die Informationen auswirken, welche die ESTV den Kantonen liefert. Die Deklarationsformulare bei Dividendenausschüttungen von Schweizer Unternehmen sind unerlässlich, um die Plattform Wertschriftenverzeichniskontrolle (WVK) zuhanden der Kantone zu speisen. Ohne diese Informationsquelle würden die für die Kontrolle und korrekte Unternehmensbesteuerung erforderlichen Daten fehlen. Dies wäre nicht nur für die ESTV, sondern auch für die kantonalen Steuerverwaltungen problematisch. Aus Sicht des Bundesrats werden die Auswirkungen der vorgeschlagenen Änderungen sowohl für den Bund wie die Kantone spürbar sein.

Die Anwendung der Ausführungsbestimmungen zu Artikel 20 VStG in der Fassung gemäss Antrag der Mehrheit könnte sich in Zukunft bei
jenen Fällen als schwierig erweisen, in denen das Meldeverfahren nur im Nachgang an eine amtliche Kontrolle zulässig ist.

Deklaration im internationalen Rahmen Auf internationaler Ebene hat sich das nationale und internationale Meldeverfahren für Dividenden bewährt und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz verstärkt. Derzeit untersteht das Meldeverfahren für Schweizer Dividenden, die bei wesentlichen Beteiligungen ausländischer Gesellschaften ausgeschüttet werden, einer vorgängigen Bewilligung. Eine ausländische Gesellschaft, die an einer schweizerischen Gesellschaft beteiligt ist und das Meldeverfahren nutzen möchte, muss bei der ESTV gemeinsam mit der schweizerischen Gesellschaft ein Gesuch einreichen.

Die nach einer Prüfung erteilte Bewilligung ist drei Jahre gültig. Das an die ESTV gestellte Gesuch trägt den Stempel der ausländischen Steuerbehörde. Diese bescheinigt, das Gesuch und das Beteiligungsverhältnis sowie die Möglichkeit der ausländischen Gesellschaft zur Kenntnis genommen zu haben, von der Ausschüttung von Bruttodividenden durch ihre Schweizer Filiale profitieren zu können.

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Die Anwendung der neuen Regelung könnte ausländische Gesellschaften dazu verleiten, die Ausschüttung von Bruttodividenden zu erwirken, von denen die ausländische Steuerbehörde bei Feststellungen anlässlich der Kontrollen durch die ESTV noch keine (oder erst später) Kenntnis hat. Die angestrebte Regelung könnte somit der internationalen Steuerpolitik im Rahmen des Informationsaustauschs zuwiderlaufen und damit dem Image und den Interessen der Schweiz schaden.

Deklaration bei Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens Die Schweiz hat im jetzigen Zeitpunkt mit 89 Ländern ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen. Grundsätzlich ist mit diesen Vertragsstaaten anlässlich von Dividendenausschüttungen aus der Schweiz hinaus das Meldeverfahren möglich, wenn die materiellen Voraussetzungen betreffend die Mindestbeteiligung und die Rückerstattungsberechtigung gestützt auf das anwendbare DBA gegeben sind. Dabei ist jedoch zwingend zu beachten, dass bezüglich des Meldeverfahrens im internationalen Bereich nicht immer die ganze Befreiung von der Verrechnungssteuer vorgesehen ist und, selbst im Anwendungsbereich eines Meldeverfahrens, dennoch eine residuale Steuerbelastung verbleibt.

Für sämtlichen EU-Länder gilt der sog. Nullsatz, wonach grundsätzlich für die ganzen Bruttodividenden bzw. geldwerten Leistungen das Meldeverfahren anwendbar ist. Von den 89 erwähnten DBA beinhalten deren 53 aber keinen entsprechenden Nullsatz, womit ungeachtet der Anwendbarkeit eines Meldeverfahrens die residuale Steuer (der sog. Sockel) stets innerhalb der Frist von 30 Tagen nach der Ertragsfälligkeit zu entrichten ist, andernfalls Verzugszinsen anfallen. Das bedeutet mit anderen Worten, dass gerade bei internationalen Meldeverfahren eine konsequente Selbstdeklaration innert 30 Tagen nach wie vor unabdingbar ist. Die wichtigsten Länder, die keinen Nullsatz geltend machen können sind die USA, Kanada, Russland, China, Singapur und Israel, aber auch das zunehmend an Bedeutung gewinnende Indien. Im Jahr 2014 belief sich die ­ innert einer Frist von 30 Tagen zu deklarierende bzw. zu entrichtende ­ Sockelsteuerbelastung alleine aus Dividendenausschüttungen der wichtigsten Länder auf 596,4 Franken Millionen.

Ordentliches Verfahren und Meldeverfahren ­ Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen Bei Dividenden im Konzernverhältnis
kann der Steuerpflichtige befugt sein, seine Steuerpflicht durch eine Deklaration der steuerbaren Leistung zu erfüllen, wenn die Entrichtung der Verrechnungssteuer zu unnötigen Umtrieben oder einer offenbaren Härte führen würde. Wenn der Steuerpflichtige die materiellen Voraussetzungen erfüllt, um dieses Verfahren in Anspruch zu nehmen, muss er innerhalb von dreissig Tagen nach Entstehung der Steuerforderung den steuerbaren Ertrag deklarieren und der ESTV melden. Nach Ablauf dieser Frist verwirkt der Anspruch auf ein Meldeverfahren für die betreffende Dividende. Die Steuerforderung wird somit gemäss dem ordentlichen Verfahren erhoben. Der Schuldner der steuerbaren Leistung muss die Verrechnungssteuer nachträglich melden und entrichten sowie anschliessend auf den Empfänger der steuerbaren Leistung übertragen. Auf der geschuldeten Steuer wird ein Verzugszins von derzeit 5 % erhoben. Mit der Berechnung dieses Verzugszinses soll die Gleichbehandlung zwischen den Steuerpflichtigen, welche die Steuer korrekt gemeldet und entrichtet haben, und denjenigen, welche die Steuer auf unrechtmässige Weise zurückbehalten haben, sichergestellt werden. Die Erhebung 5371

des Verzugszinses soll somit dazu dienen, den wirtschaftlichen Vorteil der Steuerpflichtigen zu kompensieren, die ihrer Steuerpflicht nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen nachgekommen sind. Dies gilt sowohl für das ordentliche als auch für das Meldeverfahren. Dabei gilt es festzuhalten, dass die Verzugszinsen aller Bareinnahmen im Durchschnitt lediglich 0,15 % ausmachen, womit ebenfalls deutlich wird, dass sich die Kontrollhandlungen der Verwaltung in erster Linie auf das Steuersubstrat richten und die Verzugszinsen einzig eine Nebenfolge davon bilden.

Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechen dem Grundsatz des VStG, wonach die Entrichtung der Verrechnungssteuer bei Kapitalerträgen die Regel und das Meldeverfahren die Ausnahme ist. Das Meldeverfahren kommt für eine gewisse Kategorie von Steuerpflichtigen in Frage, für die der Gesetzgeber unter gewissen Bedingungen eine vereinfachte Erfüllung ihrer Steuerpflichten vorgesehen hat.

Solche Steuerpflichtige erhalten somit gegenüber der grossen Mehrheit der Unternehmen, die den Anforderungen des Meldeverfahrens nicht genügen, eine Vorzugsbehandlung. Im Unterschied zu den meisten Unternehmen müssen sie aber nebst dem amtlichen Formular zur Deklaration der steuerbaren Leistung ein weiteres Formular ausfüllen, damit die Bruttoleistung auf die Empfänger der steuerbaren Leistung übertragen werden kann (Form. 106/108/823). Somit ist zu erwarten, dass diese Steuerpflichtigen innerhalb der gesetzlich vereinbarten Fristen dieser Aufforderung nachkommen werden.

Verwirkungsfrist Die derzeitige Verwirkungsfrist entspricht nicht nur der Sicherungsfunktion der Verrechnungssteuer. Sie ermöglicht auch die Gleichbehandlung zwischen den Gesellschaften, die für ihre steuerbaren Leistungen das Meldeverfahren geltend machen können, und denjenigen, bei denen das ordentliche Verfahren, also die Deklaration und Entrichtung der Verrechnungssteuer, zur Anwendung gelangt.

Dass bei Nichteinhaltung der Verwirkungsfrist im ordentlichen Verfahren weiterhin die Verrechnungssteuer erhoben wird und ein Verzugszins geschuldet ist, führt zu einer Benachteiligung der Fälle der Barentrichtung. Bislang galten für die Fälle eines Meldeverfahrens und für die Fälle der Barentrichtung identische (Verwirkungs-)Fristen. Würde dem Antrag der Mehrheit gefolgt, so würde sich aufgrund
der unterschiedlichen Qualifikation derselben Frist ­ einmal als Verwirkungs- und einmal als Ordnungsfrist ­ auch in diesem Bereich eine Ungleichbehandlung ergeben, die jeglicher Rechtfertigung entbehrt.

Zahl der betroffenen Fälle Sowohl bei der Verrechnungssteuer wie bei den Verzugszinsen geht es um sehr hohe Beträge. Dennoch muss daran erinnert werden, dass diese Steuerforderungen deshalb entstanden, weil der Anspruch gewisser Unternehmen auf ein rechtsgültiges Meldeverfahren verwirkte, da sie die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllten.

Tatsächlich stellt die Einhaltung der Fristen eine materielle Voraussetzung dar, um von einem vereinfachten und weniger kostenaufwendigen Verfahren zu profitieren.

Nach Schätzungen der ESTV wurden im Jahr 2014 im Rahmen dieses Verfahrens weniger als 5 % der amtlichen Deklarationsformulare aller Steuerpflichtigen verspätet eingereicht. Für einen derart geringen Anteil lässt sich eine Gesetzesänderung somit nicht rechtfertigen.

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Ordnungsbusse Der Gesetzesentwurf der Mehrheit sieht eine Ordnungsbusse nach Artikel 64 VStG (bis höchstens 5000 Fr.) vor, um einen Verstoss gegen die Einhaltung dieser Fristen zu ahnden. In der Praxis würden sich die Gesellschaften, die ihrer Steuerpflicht nicht korrekt nachgekommen sind und die nachträglich einen Anspruch auf ein Meldeverfahren geltend machen könnten, wohl kaum durch eine Sanktion in dieser Höhe abschrecken lassen. Ob eine solche Massnahme eine präventive Wirkung entfalten und einen Anreiz schaffen würde, im Bereich des Meldeverfahrens seine Steuerpflichten zu erfüllen, scheint fraglich, und die Auswirkung einer solchen Massnahme auf das Verhalten der Steuerpflichtigen dürften gering sein.

Mit dem vorliegenden Antrag der Mehrheit bleiben die Strafbestimmungen von Artikel 61 VStG grundsätzlich weiterhin anwendbar. Damit steht die Verletzung der Pflicht zur Meldung einer steuerbaren Leistung nach wie vor unter Strafe. Die ESTV müsste deshalb bei jeder verspäteten Deklaration, jedem verspäteten Gesuch um Meldung und jeder verspäteten Meldung nach Artikel 16 Absatz 2bis VStG ein Strafverfahren wegen Hinterziehung im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 VStG führen.

Gleichzeitig hätte sie im Verwaltungsverfahren zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein Meldeverfahren gegeben sind, und dieses dann unter Vorbehalt der Erhebung einer Ordnungsbusse nach Artikel 64 VStG zu gewähren. Unklar bleibt dabei, ob das Strafverfahren nach Artikel 61 VStG dann einzustellen ist. Die vorgesehenen Regelungen sind also nicht nur unklar, sondern sie machen zwei Verfahren nötig, nämlich einerseits das Ordnungsbussen- und andererseits das Hinterziehungsverfahren. Diese sind zeitaufwendig und hätten einen Mehrbedarf an Personal zur Folge, der bisher noch nicht berücksichtigt wurde. Da dies kaum dem Willen der Antragsteller entspricht, wäre eine Erweiterung von Artikel 20 Absatz 3 VStG mit dem Hinweis, dass die Strafbestimmungen von Artikel 61 VStG nicht Anwendung finden, unumgänglich. Dies hätte aber zur Folge, dass der Mehrheitsantrag ohne sachlichen Grund einzelne (wenige) Steuerpflichtige privilegiert (vgl. dazu oben: Ungleichbehandlung): Drohen bei einer nicht rechtzeitigen Deklaration die Strafbestimmungen nach dem vierten Abschnitt des VStG (Art. 61 und 62) Strafen bis zum Dreifachen der hinterzogenen
(nicht deklarierten) Steuer, so würde mit der genannten Erweiterung von Artikel 20 Absatz 3 VStG das Nichtdeklarieren und Nichtmelden einer steuerbaren Leistung im Falle von nach Artikel 20 VStG meldungsberechtigten Steuerpflichtigen lediglich mit einer Ordnungsbusse bestraft.

Rückwirkung Rückwirkende Gesetzesbestimmungen sind ein im schweizerischen Rechtssystem seltenes Phänomen. Rückwirkungen erweisen sich nach den Grundsätzen des Rechtsstaatsprinzips und der Rechtssicherheit als äussert problematisch und sind nur mit grosser Zurückhaltung vorzusehen.

Die echte Rückwirkung von Gesetzen ­ ob die Adressatinnen und Adressaten begünstigend oder belastend ­ ist grundsätzlich unzulässig. Dies bedeutet, dass neues Recht nicht auf Sachverhalte angewendet werden darf, die sich abschliessend vor Inkrafttreten dieses Rechts verwirklicht haben. Das Rückwirkungsverbot ergibt sich aus dem verfassungsmässigen Gebot der Rechtssicherheit, welches aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 5 BV) fliesst. Mit dem Rückwirkungsverbot verbunden sind auch das Gebot der Rechtsgleichheit sowie das Vertrauensschutzprinzip.

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Nach Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die echte Rückwirkung nur gestattet, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: a.

Die Rückwirkung muss ausdrücklich angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses klar gewollt sein.

b.

Die Rückwirkung muss zeitlich mässig sein. Entscheidend sind die besonderen Verhältnisse der betreffenden Regelung. Insbesondere die Voraussehbarkeit der Gesetzesänderung spielt eine grosse Rolle.

c.

Die Rückwirkung muss durch triftige Gründe gerechtfertigt sein. Fiskalische Gründe genügen grundsätzlich nicht, es sei denn, die öffentlichen Finanzen seien in Gefahr.

d.

Die Rückwirkung darf keine stossenden Rechtsungleichheiten bewirken.

e.

Die Rückwirkung muss sich durch überwiegende öffentliche Interessen rechtfertigen lassen.

f.

Die Rückwirkung darf keinen Eingriff in wohlerworbene Rechte darstellen.

Demgegenüber ist die unechte Rückwirkung zulässig, wenn das neue Recht nicht in wohlerworbene Rechte eingreift bzw. nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstösst. Unechte Rückwirkung bedeutet, dass neues Recht auf Sachverhalte angewendet wird, die während der Geltungsdauer des alten Rechts begonnen haben, aber beim Inkrafttreten des neuen Rechts andauern (Dauersachverhalte).

Bei der von der Mehrheit vorliegend beantragten Rückwirkung handelt es sich um eine echte Rückwirkung, welche unzulässig ist: Die Rückwirkung wäre weder zeitlich mässig noch durch triftige Gründe gerechtfertigt. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer solchen Regelung wäre nicht auszumachen. Ausserdem würde es zu stossenden rechtsungleichen Behandlungen von rechtswesentlich vergleichbaren Sachverhalten führen, würden doch bis zum 1. Januar 2011 rechtskräftig festgesetzte Steuerforderungen anders behandelt als bestrittene. Darin liegt eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Aus diesen Gründen spricht sich der Bundesrat gegen die Verankerung einer Rückwirkung im Verrechnungssteuergesetz aus.

Finanzielle Auswirkungen Hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen stellt der Bundesrat fest, dass die angegebenen Zahlen vorab eine Schätzung der Entwicklungstendenzen von Verzugszinsen wiedergeben. Der Bundesrat lehnt die vorgeschlagene Rückwirkung nicht nur aufgrund der oben geäusserten verfassungsmässigen Bedenken, sondern auch aufgrund der dadurch entstehenden finanziellen Auswirkungen von mindestens 600 Millionen Franken ­ abhängig vom Auftauchen weiterer unter die Bestimmung fallender Fälle ­ ab. Die Rückvergütung der bereits erhobenen Verzugszinsen werden im Budgetjahr des Inkrafttretens sowie im Folgejahr aufgrund der angespannten Haushaltsperspektiven grundsätzlich vollumfänglich durch Ausgabenkürzungen in anderen Aufgabenbereichen zu kompensieren sein. Insbesondere in Abhängigkeit von der zu erwartenden zeitlichen Verteilung ist allerdings zu klären, ob die Ausgaben gemäss Bestimmungen zur Schuldenbremse als ausserordentliche Ausgaben im Sinne von Zahlungsspitzen zu behandeln wären.

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Zudem erachtet der Bundesrat die Gefahr als hoch, dass in Zukunft aufgrund der von der Mehrheit beantragten Regelung auch das Steuersubstrat abnehmen wird, wenn den Steuerpflichtigen aufgrund der gesetzlichen Verankerung einzig einer Ordnungsfrist die Möglichkeit eingeräumt wird, zu einem beliebigen Zeitpunkt zu deklarieren. Die ESTV wird nicht mehr die Gewissheit haben, dass ihr innert 30 Tagen die geschuldete Verrechnungssteuer spontan selbst deklariert wurde.

Sodann darf nicht aus den Augen verloren werden, dass die residualen Steuern (Sockelbelastung) basierend auf den allein im Jahr 2014 ins Ausland ausgeschütteten Dividenden 596,4 Millionen Franken betrugen, deren spontane Deklaration mit der von der Mehrheit beantragten Änderung nicht mehr gewährleistet wäre.

Verlängerung der Frist auf 90 Tage Der Antrag einer Kommissionsminderheit, die Frist zur Einreichung des amtlichen Deklarationsformulars von 30 auf 90 Tage zu verlängern, stellt eine Änderung dar, die weder die Verrechnungssteuersystematik noch den verwirkenden Charakter der Deklarationsfrist in Frage stellt. Im Sinne einer Gleichbehandlung würde diese Verlängerung sowohl für das ordentliche wie für das Meldeverfahren gelten. Der genannte Vorschlag umfasst zudem die Möglichkeit, die Verwirkungsfrist zur Einreichung des amtlichen Formulars zur Geltendmachung des Anspruchs auf ein Meldeverfahren auf maximal ein Jahr (statt wie bisher 30 Tage) zu verlängern.

Dieser Vorschlag erweist sich damit ohne Weiteres als rechtsgleich, indem die Frist zur ordnungsgemässen Deklaration generell, d.h. auch auf Barentrichtungen bezogen, ausgeweitet werden soll.

Durch diese Verlängerung wird den Steuerpflichtigen mehr Zeit eingeräumt, als dies im Rahmen des geltenden Gesetzes der Fall ist. Alle betroffenen Unternehmen hätten somit mehr Zeit, um ihre Steuerpflicht vorschriftsmässig zu erfüllen. Gleichzeitig liessen sich die Risiken und Unwägbarkeiten im Bereich der Organisation und konzerninternen Kommunikation verringern.

Nach Ansicht des Bundesrats ist eine Verlängerung der Fristen, ohne Umbau des bestehenden Systems, eine denkbare und kohärente Lösung für die Probleme im Zusammenhang mit den Meldeverfahren. Zudem respektiert dieses Vorgehen das verfassungsmässige Gebot der Rechtsgleichheit.

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Schlussfolgerungen

Der Bund ist in seinem Handeln unter anderem an den verfassungsmässigen Grundsatz der Rechtsgleichheit gemäss Artikel 8 BV gebunden. Demnach muss Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden. Hinsichtlich des Antrags der Mehrheit ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass dieser sich explizit nur auf Meldeverfahrens-Konstellationen bezieht und damit zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen führt, da die darin vorgeschlagenen Anpassungen nur bei Fällen im Anwendungsbereich eines Meldeverfahrens greifen sollen. Der Bundesrat ist ferner gegen die Verankerung einer Rückwirkung im Gesetz.

Als zielführend erachtet der Bundesrat hingegen den Antrag der Minderheit. Dieser stellt das geltende System der Selbstdeklaration und die Natur der Verwirkungsfrist nicht in Frage, und trägt gleichzeitig mit der Verlängerung sowohl der Deklarations5375

frist als auch der Frist für die Geltendmachung des Anspruchs auf ein Meldeverfahren dem Umstand Rechnung, dass sich 30 Tage in der Praxis in gewissen Fällen als eher kurz erweisen. Der Antrag der Minderheit, welcher eine Verlängerung der Frist zur Deklaration auf 90 Tage und eine Verlängerung der Frist zur Geltendmachung des Meldeverfahrens auf ein Jahr vorsieht, stellt überdies die rechtsgleiche Behandlung der Steuerpflichtigen sicher.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt, dem Antrag der Minderheit der WAK-N vom 13. April 2015 zur Verlängerung der massgebenden Fristen zuzustimmen.

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