10.2.1

Botschaft zur Genehmigung des WTO-Abkommens über Handelserleichterungen vom 14. Januar 2015

1

Grundzüge des Abkommens

1.1

Ausgangslage

Die Schweiz ist eine weltoffene, stark exportabhängige Volkswirtschaft mit diversifizierten Absatzmärkten. Die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) stellt für die Schweiz ­ zusammen mit dem Abschluss von Freihandelsabkommen ­ neben der Marktöffnung im Rahmen der Schweizer Binnenmarktpolitik sowie der wirtschaftlichen Entwicklung in Partnerländern einen der drei Hauptpfeiler ihrer Aussenwirtschaftspolitik1 dar. Die WTO-Mitgliedschaft ermöglicht die Sicherung eines diskriminierungsfreien Zugangs für Schweizer Anbieter zu ausländischen Märkten. Um den diskriminierungsfreien Zugang zu ausländischen Märkten langfristig zu sichern und zu erweitern, sind einerseits der Abbau von Hemmnissen bei der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit und andererseits der Aufbau von transparenten, wirksamen und international kompatiblen Regeln für den Wirtschaftsverkehr anzustreben. Für die Schweiz als mittelgrosse Handelsnation kann dies am wirkungsvollsten im multilateralen Rahmen der WTO, welche den diskriminierungsfreien Marktzugang in vielen Ländern garantiert, erreicht werden. Die WTO ist das rechtliche und institutionelle Fundament des multilateralen Handelssystems. Mit ihren 160 Mitgliedern2 ist sie die einzige multilaterale Institution für die Regelung globaler Handelsbeziehungen mit einer nahezu universellen Mitgliedschaft, welche auch die effektive Durchsetzbarkeit der vereinbarten Handelsregeln garantiert. Das WTO-Regelwerk und die WTO als Verhandlungsforum für dessen Weiterentwicklung, namentlich im Bereich des Marktzugangs, sind für die Schweiz daher unerlässlich. Entsprechend misst die Schweiz dem weiteren Ausbau und der breiten Abstützung des multilateralen Regelwerkes zur Erweiterung und Sicherung des Marktzuganges im Rahmen der WTO eine grosse Bedeutung zu. Diese beiden Ziele sind für die Schweiz im Hinblick auf die Integration und die wirtschaftliche Entwicklung in Partnerländern auch aus entwicklungspolitischer Sicht von Bedeutung.

Das neue WTO-Abkommen über Handelserleichterungen (Agreement on Trade Facilitation, ATF) ist ein multilaterales Abkommen über die Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren und Grenzformalitäten im grenzüberschreitenden Warenverkehr. Das neue Abkommen ist ein wichtiger Schritt im angestrebten Abbau von Hemmnissen in der grenzüberschreitenden
Wirtschaftstätigkeit. Erstmals gilt für sämtliche WTO-Mitglieder ein nahezu universeller Mindeststandard bezüglich der Zollverfahren und Grenzformalitäten im grenzüberschreitenden Warenverkehr, welche durch den Abbau von administrativen Handelshemmnissen im Bereich 1 2

Berichte zur Aussenwirtschaftspolitik 2004 (BBl 2005 1089) und 2011 (BBl 2012 827) Stand Dezember 2014

2014-3086

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der Zollverwaltung zu einer effizienteren und kostengünstigeren Abwicklung der Zollformalitäten beitragen werden. Zudem werden die Entwicklungsland-Mitglieder materiell dieselben Verpflichtungen umsetzen, wie sie auch für Industrieland-Mitglieder gelten (d. h. weder Ausnahmen noch begrenzte Verpflichtungen). Im Gegenzug erhalten diese Länder substanzielle Flexibilität hinsichtlich der zeitlichen Umsetzung des Abkommens, gekoppelt mit technischer Unterstützung. Das ATF wird zudem insbesondere auch für Entwicklungsland-Mitglieder und die am wenigsten entwickelten Mitgliedsländer (least developed countries, LDCs) von Bedeutung sein. Die Umsetzung des ATF wird deren Integration in die Weltwirtschaft fördern sowie wichtige Reformen im Zollbereich anstossen.

Der Abschluss dieses Abkommens ist ein bedeutender Beitrag zum Ausbau des WTO-Regelwerkes und stellt einen wichtigen Meilenstein in den WTO-Verhandlungen der Doha-Runde dar. Der Ministerbeschluss vom 7. Dezember 2013 über den Abschluss der ATF-Verhandlungen war Teil eines Verhandlungspakets (sog. BaliPaket), welches es ermöglichte, verschiedene Themen der WTO-Doha-Runde einzeln und ohne gleichzeitigen Abschluss der gesamten Doha-Runde vorzeitig einem Resultat zuzuführen. Gleichzeitig konnten sich die WTO-Mitglieder mit dem ATF erstmals seit der Gründung der WTO im Jahre 1995 auf ein neues multilaterales Abkommen einigen. Dieses Abkommen trägt somit zur Stärkung der WTO und des multilateralen Handelssystems bei und kann eine Grundlage für weitere Fortschritte in den Doha-Verhandlungen bilden.

1.2

Verlauf der Verhandlungen

Bereits mit der WTO-Gründung 1995 fand das Thema der Handelserleichterungen Eingang in die Diskussionen in der WTO. Vor dem Hintergrund der Abnahme traditioneller Handelshemmnisse durch die weltweite Liberalisierung von Zöllen wuchs das Bewusstsein, dass beschwerliche und zeitintensive Zollverfahren einen bedeutenden Einfluss auf die Transaktionskosten und das Volumen der Handelsflüsse im internationalen Handel haben. Daher gab es Mitte der Neunzigerjahre in der WTO erste Vorstösse zu diesem Thema. Bereits zu Beginn dieser Diskussionen waren die Mitglieder gespalten: Ein Lager (mehrheitlich Industrieland-Mitglieder) wollte in diesem Bereich Verhandlungen über verbindliche Regeln aufnehmen, während das andere Lager (vorwiegend Entwicklungsland-Mitglieder) kurz nach dem Abschluss der Uruguay-Runde keine neuen Verpflichtungen übernehmen wollte. An der ersten WTO-Ministerkonferenz im Jahr 1996 in Singapur wurden daher nur exploratorische und analytische Arbeiten bezüglich der Vereinfachung von Handelsverfahren angestossen. 2001 konnte man sich dann aber darauf einigen, das Thema auf die Agenda der neu lancierten Doha-Verhandlungsrunde zu setzen.

Für die Erarbeitung eines Verhandlungsmandats und die anschliessende Aufnahme von Verhandlungen 2004 war die Einigung über die Eckpunkte bezüglich der besonderen und differenzierten Behandlung für Entwicklungsland-Mitglieder und LDCs entscheidend.

Im Jahr 2005 wurde ein Abkommenstext erarbeitet, der aufgrund teilweise stark divergierender Positionen Gegenstand von zähen Verhandlungen war. Die Differenzen beruhten oft auf unterschiedlichen Auffassungen über das Ausmass der Verpflichtung sowie in der besonderen und differenzierten Behandlung für Entwicklungsland-Mitglieder und LDCs. Vor dem Hintergrund der blockierten Doha1582

Verhandlungen beschlossen die WTO-Mitglieder an der achten WTO-Ministerkonferenz im Dezember 2011, bei jenen Dossiers einen Abschluss anzustreben, bei denen ein Resultat in realistischer Reichweite liegt. Dabei kristallisierte sich als Kernstück bald ein Abschluss der Verhandlungen über ein Abkommen über Handelserleichterungen heraus, welche in den Jahren 2012 und 2013 stattfanden. An der neunten WTO-Ministerkonferenz im Dezember 2013 in Bali einigten sich die Minister auf einen bereinigten Abkommenstext3 und schlossen die Verhandlungen ab.

Nach Beendigung der rechtlichen Überprüfung des Abkommens durch die WTOMitglieder und der Finalisierung der notwendigen Formalitäten wurde das Abkommen am 27. November 2014 durch den WTO-Generalrat formell verabschiedet und den WTO-Mitgliedern zur Annahme unterbreitet.

Die Schweiz hatte sich stets für die Aufnahme von Verhandlungen über ein ATF bei der WTO eingesetzt und war Teil der sogenannten Colorado-Gruppe4, welche sich für selbiges Ziel sowie später für ein ambitiöses Verhandlungsresultat einsetzte. Die Schweiz hatte stets eine aktive Rolle in den Verhandlungen eingenommen, und mehrere Textteile des Abkommens basieren auf Schweizer Vorschlägen. Gestützt auf das Mandat des Bundesrates vom 13. November 2013, welches den Aussenpolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte im September 2013 unterbreitet wurde, stimmte die Schweizer Delegation im Dezember 2013 in Bali dem Abschluss der Verhandlungen über das ATF zu. Am 28. Mai 2014 genehmigte der Bundesrat den Entwurf des ATF und somit das Verhandlungsresultat, welches die im Mandat des Bundesrates im 2013 abgesteckten offensiven und defensiven Interessen der Schweiz wahrt, und ermächtigte den Ständigen Vertreter der Schweiz bei der WTO in Genf, das ATF unter Ratifikationsvorbehalt anzunehmen respektive sich im WTO-Generalrat dem Beschluss über die Verabschiedung des ATF anzuschliessen.

1.3

Verhandlungsergebnis

Das Ergebnis der multilateralen WTO-Verhandlungen ist ein neues WTO-Abkommen über Handelserleichterungen zwischen den 160 WTO-Mitgliedern. Das ATF wird gemäss Artikel X Paragraph 3 des Abkommens vom 15. April 19945 zur Errichtung der Welthandelsorganisation in Kraft treten, wenn zwei Drittel der WTOMitglieder dem WTO-Generalsekretariat die Annahme des ATF notifiziert haben.

Für die WTO-Mitglieder, welche zum Zeitpunkt der Annahme durch zwei Drittel der Mitgliedsstaaten die interne Ratifikation noch nicht abgeschlossen haben, wird das ATF nach Hinterlegung ihrer Annahmeurkunde beim WTO-Generalsekretariat in Kraft treten.

Das ATF wird mit Inkrafttreten Anhang 1A des genannten Abkommens beigefügt und somit Teil des multilateralen WTO-Regelwerkes. In Anhang 1A, der die multilateralen WTO-Abkommen über den Güterhandel beinhaltet (Annex 1A: Multilateral Agreements on Trade in Goods), befinden sich zusätzlich zum Allgemeinen Zoll-

3

4 5

Agreement on Trade Facilitation ­ Ministerial Decision of 7 December 2013 (WT/MIN(13)/36), einsehbar unter www.wto.org > About WTO > Ministerial conferences > Bali, 3­6 December 2013 > Bali Ministerial Declaration and decisions.

Australien, Chile, Costa Rica, EU, Hong Kong China, Japan, Kanada, Kolumbien, Korea, Mexiko (seit 2012), Neuseeland, Norwegen, Paraguay, Schweiz, Singapur und USA.

SR 0.632.20

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und Handelsabkommen6 (GATT 1994) verschiedene Abkommen, welche gewisse Verpflichtungen des GATT präzisieren (z. B. Übereinkommen über Ursprungsregeln7 oder über Subventionen und Ausgleichsmassnahmen8) und Abkommen, die Bestimmungen zu spezifischen Massnahmen umfassen, welche Handelshemmnisse darstellen könnten (z. B. Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Massnahmen9, über technische Handelshemmnisse10 oder über Einfuhrlizenzverfahren11).

1.4

Überblick über den Inhalt des Abkommens

Das ATF basiert auf dem bei der Lancierung der Verhandlungen im Jahr 2004 durch den Generalrat beschlossenen Verhandlungsmandat. Dieses beauftragte die WTOMitglieder, folgende drei Bestimmungen des GATT 1994 zu klären: Artikel V (Transitfreiheit), Artikel VIII (Zollgebühren und -formalitäten) sowie Artikel X (Veröffentlichung und Verwaltung von Handelsbestimmungen). Dabei sollte die Zusammenarbeit zwischen Zollverwaltungen gestärkt und die technische Unterstützung im Bereich der Handelserleichterungen gefördert werden, mit dem Ziel, den Verkehr, die Zollveranlagung, die Freigabe sowie den Transit von Waren zu beschleunigen.

Gestützt auf dieses Mandat entstand ein Abkommen bestehend aus einer Präambel und drei Teilen. Der erste Teil beinhaltet die substanziellen Bestimmungen und Verpflichtungen des Abkommens, welche im Bereich des Zollwesens Handelshemmnisse abschaffen sowie Massnahmen und Regeln zu einer effizienteren und kostengünstigeren Abwicklung der Grenzformalitäten aufstellen. Der zweite Teil des Abkommens legt die Bestimmungen über die besondere und differenzierte Behandlung für Entwicklungsland-Mitglieder und LDCs fest. Der dritte Teil beinhaltet die institutionellen Vereinbarungen und Schlussbestimmungen. Anhang 1 schliesslich regelt das Format, welches die WTO-Geberländer für die Notifikationen der bereitgestellten Unterstützung für Entwicklungsland-Mitglieder respektieren sollen.

1.5

Würdigung

Das ATF ist das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen. Die grössten Herausforderungen bei diesen Verhandlungen waren die teilweise sehr unterschiedlichen Interessen unter den WTO-Mitgliedern und die Versuche einzelner Mitglieder, bilaterale Probleme, welche im zwischenstaatlichen Verhältnis seit Jahren blockiert sind, im Rahmen dieser Verhandlungen zu lösen (z. B. Handelsembargos, Energiegütertransporte, Zugang zum Landtransportmarkt). Trotz dieser Herausforderungen wurde ein Ergebnis erzielt, welches von sämtlichen 160 WTO-Mitgliedern einstimmig verabschiedet werden konnte.

6 7 8 9 10 11

SR 0.632.20, Anhang 1A.1 SR 0.632.20, Anhang 1A.11 SR 0.632.20, Anhang 1A.13 SR 0.632.20, Anhang 1A.4 SR 0.632.20, Anhang 1A.6 SR 0.632.20, Anhang 1A.12

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Die erleichterte Abwicklung von Zoll- und Grenzformalitäten im internationalen Handel ist ein wichtiger Schritt für den Abbau von Handelshemmnissen und somit für die weitere Liberalisierung des internationalen Handels. In einem multilateralen Handelssystem, in welchem die Zölle weltweit eine starke Liberalisierung erfahren haben, stellen administrative Handelshemmnisse im Zollbereich einen immer gewichtigeren Anteil der Handelskosten dar. Entsprechend wirken sich beschwerliche und zeitintensive Verfahren auf die Transaktionskosten sowie das Volumen der Handelsflüsse aus. Eine Senkung dieser Kosten im internationalen Handel wird den grenzüberschreitenden Handel und dessen Liberalisierung entsprechend weiter fördern. Dies ist insbesondere für mittelgrosse und kleinere Länder sowie für Entwicklungsländer von Bedeutung, welche auf einen geregelten diskriminierungsfreien Marktzugang in möglichst vielen Ländern angewiesen sind.

Mangelnde Transparenz und Vorhersehbarkeit bei der Abwicklung von Grenzformalitäten und Zollverfahren, unnötige Formalitäten sowie beschwerliche und ineffiziente Verfahren stellen für Wirtschaftsbeteiligte eine grosse Unsicherheit und somit einen wichtigen Kostenfaktor dar. Das ATF wird nicht nur eine Verbesserung der Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit im Zollbereich bewirken, sondern auch zu schlankeren, effizienteren und handelsfreundlicheren Verfahren im Zollbereich führen. Eine verbesserte Planbarkeit und vereinfachte Grenzformalitäten werden für die Wirtschaftsbeteiligten zu einer Senkung der Transaktionskosten im internationalen Handel führen. Dadurch wird insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen der Markzugang verbessert. Erste Analysen der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD) gehen davon aus, dass das ATF bei vollständiger Umsetzung sämtlicher Bestimmungen (inkl. jener Bestimmungen, welche zu keinem rechtsverbindlichen Resultat verpflichten, sog. best-endeavour-Bestimmungen) die Transaktionskosten für die Wirtschaftsbeteiligten um insgesamt 12,9 bis 15,1 Prozent senken wird, bei Umsetzung der nur konkret rechtsverbindlichen Verpflichtungen um 11,7 bis 12,6 Prozent. Die grössten Auswirkungen wird das ATF voraussichtlich in Entwicklungsländern und LDCs haben. Genau
für diese Länder ist der potentielle Nutzen der oben beschriebenen Optimierungen am grössten, wobei gleichzeitig auch das erforderliche Engagement für die Implementierung des ATF von diesen Ländern am grössten ist. Die vorgesehenen Massnahmen des Abkommens bedürfen Restrukturierungen und Verfahrensänderungen, für welche der Einsatz von Seiten der Entwicklungsland-Mitglieder und LDCs nicht zu vernachlässigen ist. Sie werden das Abkommen, im Gegensatz zu den IndustrielandMitgliedern, jedoch schrittweise (vgl. Ziff. 2 Art. 24) und unter Inanspruchnahme von technischer Hilfe und Unterstützung zum Aufbau von Kapazitäten (vgl. Ziff. 2 Teil II Art. 13­22) umsetzen können, weshalb einzelne Massnahmen in jenen Ländern erst zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden dürften. Die vollständige Auswirkung des Abkommens wird sich also nach Inkrafttreten des Abkommens schrittweise entfalten. In welchem Zeitrahmen diese Entwicklung erfolgen wird, ist momentan noch schwierig abzuschätzen. Zahlreiche Länder notifizierten bei der Verabschiedung des ATF jedoch bereits, dass sie sämtliche Verpflichtungen, teilweise mit wenigen Ausnahmen, ab Inkrafttreten umsetzen werden (Notifikation über die Kategorie-A-Verpflichtungen, vgl. Ziff. 2). Das heisst, in diesen Ländern wird das Abkommen wie in den Industrieländern ab Inkrafttreten vollständig beziehungsweise nahezu vollständig umgesetzt werden.

1585

Für die exportorientierte Wirtschaft der Schweiz stellen beschwerliche Zollverfahren bei der Einfuhr von Gütern in vielen Schweizer Exportmärkten ein beachtliches Erschwernis im internationalen Handel dar. Die Einschränkung dieser administrativen Handelshemmnisse im Zollbereich und die Einführung handelserleichternder Massnahmen durch das ATF werden sich auf die Schweizer Wirtschaft positiv auswirken. Das prioritäre Ziel der Schweiz war es, ein Abkommen abzuschliessen, welches für alle Mitgliedstaaten ein sinnvolles Mindestniveau an verbindlichen Verpflichtungen beinhaltet. Die offensiven Interessen der Schweiz zielten daher auf eine erhöhte Transparenz, Rechtsverbindlichkeit und Einklagbarkeit von Rechten im Zollbereich sowie auf verbesserte und vereinfachte Zollverfahren ab. Insbesondere sollte diesbezüglich eine Trennung der physischen Handelsflüsse von den Datenflüssen im Zusammenhang mit Zollformalitäten erreicht werden. Zudem sollte das Abkommen eine möglichst flexible, dafür aber umfassende Umsetzung aller Verpflichtungen auch seitens der Entwicklungsland-Mitglieder mit klaren Umsetzungsfristen ermöglichen. Die Bestimmungen des ATF, einschliesslich des Ansatzes für die spezielle und differenzierte Behandlung für Entwicklungsland-Mitglieder und LDCs, erfüllen diese Ziele unter anderem mit neuen Transparenzbestimmungen, Bestimmungen über vereinfachte Verfahrensmöglichkeiten oder verbesserte Möglichkeiten zur Wahrung der zustehenden Rechte im Zollbereich. Gleichzeitig gelang es der Schweiz in den Verhandlungen, einige wenige, aber wichtige defensive Interessen zu wahren: Im Bereich der Amtshilfe war es für die Schweiz von Wichtigkeit, dass keine Verpflichtung zur Anwendung von Zwangsmassnahmen in das Abkommen aufgenommen und der Datenschutz sowie der Schutz sensitiver Geschäftsinformationen gewährleistet werden. Ferner musste eine klar beschränkte Verwendung der übermittelten Daten sichergestellt und eine Beschränkung des administrativen Aufwandes vorgesehen werden. Entsprechend gelang in diesen Bereichen die Aufnahme mehrerer wichtiger Beschränkungen der Amtshilfeverpflichtungen in das Abkommen, die den erwähnten defensiven Interessen der Schweiz Rechnung tragen.

Zudem wurde das Ziel erreicht, dass das ATF im Bereich der Transitfreiheit die Verlagerungspolitik des Bundes im alpenquerenden
Transit nicht beeinträchtigt.

Schliesslich ist der Abschluss der Verhandlungen über das ATF eine wichtige Grundlage für die Weiterführung der Verhandlungen über die verbleibenden Themen der Doha-Runde und hat die WTO sowie das multilaterale Handelssystem insgesamt gestärkt.

1.6

Innerstaatliche Umsetzung

Das vorliegende Abkommen legt im Bereich der Zollverfahren auf multilateraler Ebene einen wichtigen verbindlichen Mindeststandard fest. Die im ATF festgelegten Anforderungen werden von der Schweiz bereits heute materiell vollständig erfüllt.

Der Schweiz erwachsen daher keine neuen Verpflichtungen, die eine Anpassung des Landesrechts erforderlich machen würden. Das Abkommen wird in der Schweiz einige wenige Anpassungen praktischer Art zu Folge haben: So werden ab Inkrafttreten des Abkommens neue Notifikationspflichten gegenüber der WTO wahrzunehmen sein (Notifikationen betreffend die Veröffentlichung von Informationen und Gesetzgebung sowie betreffend bestimmter Verfahren oder Vorschriften). Ferner ist ein nationales Handelserleichterungskomitee zu etablieren, welches mit der inländischen Koordination wie auch der Umsetzung des Abkommens betraut werden soll.

Dieses Komitee kann in der Schweiz in bestehende Verwaltungsstrukturen einge1586

gliedert werden wie zum Beispiel dem regelmässig tagenden Steuerungsausschuss Zollpolitik, einem informellen verwaltungsinternen Gremium bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO). In Folge der vom ATF unabhängigen Anpassung von Bestimmungen zu Ordnungsfristen wurde eine im ATF verlangte Ordnungsfrist für die Erteilung von Tarif- und Ursprungsauskünften von der EZV bereits umgesetzt. Die entsprechende Anpassung vom 6. Juni 201412 der Zollverordnung vom 1. November 200613 und der Verordnung vom 9. April 200814 über die Beglaubigung des nichtpräferenziellen Ursprungs von Waren ist am 1. September 2014 in Kraft getreten.

Zur möglichen Bereitstellung von Unterstützung zur Umsetzung des ATF in Entwicklungsländern (vgl. Ziff. 2) sind ebenfalls keine Anpassungen auf landesrechtlicher Stufe erforderlich. Diese Unterstützung erfolgt im Rahmen der bestehenden wirtschafts- und handelspolitischen Entwicklungszusammenarbeit.

1.7

Vernehmlassung

Das Ziel des Abkommens ist es, den Verkehr, die Zollveranlagung, die Freigabe sowie den Transit von Waren zu beschleunigen, indem die Zusammenarbeit zwischen Zollverwaltungen gestärkt und die technische Unterstützung im Bereich der Handelserleichterungen gefördert werden. Das Abkommen beinhaltet die Klärung von drei Artikeln des GATT 1994: Artikel V (Transitfreiheit), Artikel VIII (Zollgebühren und -formalitäten) sowie Artikel X (Veröffentlichung und Verwaltung von Handelsbestimmungen).

Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200515 ist bei völkerrechtlichen Verträgen, die dem Referendum unterstehen, grundsätzlich eine Vernehmlassung durchzuführen. Im vorliegenden Fall wurde jedoch auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet, weil keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren. So ist das Abkommen bereits im Landesrecht umgesetzt, und die Positionen der interessierten Kreise sind bereits bekannt. Das Verhandlungsmandat wurde gestützt auf Artikel 4 Absätze 1 und 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 199916 über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes bei den Kantonen und gestützt auf Artikel 152 Absatz 3 des Parlamentsgesetz vom 13. Dezember 200217 bei den Aussenpolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte in eine Anhörung geschickt. Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates hat den Mandatsentwurf des Bundesrates ohne Ergänzungs- oder Änderungsvorschläge zur Kenntnis genommen, während die Aussenpolitische Kommission des Ständerates einen Ergänzungsantrag im Landwirtschaftsbereich machte, der übernommen wurde. Die Kantone haben der Aufforderung der Konferenz der Kantonsregierungen folgend zu dem Mandatsentwurf punktuell Stellung genommen. Gestützt auf die Konsultationsergebnisse wurde das Bestreben verankert, dass die Schweiz eine möglichst baldige Umsetzung aller Verpflichtungen auch seitens der 12 13 14 15 16 17

AS 2014 2051 SR 631.01 SR 946.31 SR 172.061 SR 138.1 SR 171.10

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Entwicklungsländer anstrebt und diesbezüglich die Festlegung klarer Umsetzungsfristen erwartet. Die interessierten Kreise aus der Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft wurden verschiedentlich über den Stand der Verhandlungen informiert und hatten Gelegenheit, sich dazu zu äussern. Die Bemerkungen betrafen die Rolle der Schwellenländer, von denen gewisse nach Auffassung dieser Kreise zu Unrecht von den Privilegien der Entwicklungsländer im Abkommen profitieren. Die Bemerkungen wurden nach Möglichkeit berücksichtigt.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Abkommens

Präambel Die Präambel nimmt Bezug auf die an der WTO-Ministerkonferenz 2001 in Doha lancierte Verhandlungsrunde und ruft die im Zusammenhang mit den Verhandlungen über ein Abkommen über Handelserleichterungen definierten Prinzipien sowie das entsprechende Verhandlungsmandat in Erinnerung. Das angestrebte Ziel, die GATT Artikel V, VIII und X18 im Hinblick auf eine Beschleunigung des Verkehrs, der Zollveranlagung, der Freigabe sowie des Transits von Waren zu klären und zu verbessern, wird erneut festgehalten. Ferner anerkennen die Parteien die besonderen Bedürfnisse von Entwicklungsland-Mitgliedern und LDCs und geben dem Wunsch Ausdruck, die Hilfe und die Unterstützung für den Aufbau von Kapazitäten in diesem Bereich zu verbessern.

Teil I (Art. 1­12) Art. 1­3

Transparenzbestimmungen

Die zentralen Transparenzbestimmungen des Abkommens sind in den Artikeln 1­3 enthalten. Die WTO-Mitglieder verpflichten sich, alle relevanten Bestimmungen im Zollbereich auf nicht-diskriminierende und einfach zugängliche Art und Weise umgehend zu veröffentlichen. Eine Beschreibung der wichtigsten Zollverfahren und die dafür benötigten Dokumente sind auch auf dem Internet und, sofern praktikabel, in einer der WTO-Sprachen (Englisch, Französisch, Spanisch) zur Verfügung zu stellen. Neue Bestimmungen und Änderungen von bestehenden Bestimmungen sind, soweit praktikabel, vor Inkrafttreten zu veröffentlichen. Des Weiteren soll Wirtschaftsbeteiligten und anderen interessierten Kreisen vorgängig Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden. Die WTO-Mitglieder sollen zudem regelmässige Konsultationen zwischen den Grenzbehörden und den Wirtschaftsbeteiligten veranlassen. Die WTO-Mitglieder notifizieren dem WTO-Handelserleichterungskomitee, welches das Abkommen nach Inkrafttreten verwalten wird (vgl. Art. 1 Abs. 4), wo die besagten Bestimmungen und Informationen veröffentlicht werden (inkl. Adresse der Internetseite) sowie die Kontaktinformationen für die nachfolgend erwähnte Auskunftsstelle.

Alle Mitglieder sind verpflichtet, eine Auskunftsstelle zu unterhalten, um Anfragen von Wirtschaftsbeteiligten, Regierungen oder anderen interessierten Parteien innert 18

SR 0.632.20, Anhang 1A

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angemessener Frist zu beantworten und Formulare und Dokumente zur Verfügung zu stellen. Die Mitglieder werden angeregt, Anfragen gebührenlos zu beantworten.

Allfällige Gebühren haben das Kostendeckungsprinzip zu respektieren. Schliesslich sind die WTO-Mitglieder verpflichtet, auf Anfrage verbindliche Auskünfte über die zolltarifarische Einreihung und den Ursprung einer Ware zu geben, und sie werden aufgefordert, in diesen Auskünften auch weitere Informationen wie die Methode der Zollwertermittlung oder die Anforderungen für Zollbefreiung anzugeben.

Art. 4

Beschwerde- oder Überprüfungsverfahren

Die WTO-Mitglieder sind verpflichtet, betroffenen Personen bei behördlichen Entscheidungen im Zollbereich die Möglichkeit einzuräumen, bei einer höheren oder unabhängigen Verwaltungsinstanz oder einer gerichtlichen Instanz Beschwerde einzulegen. Das Verfahren kann weitergezogen werden, sollte dieses nicht innert nützlicher oder innert der gesetzlich festgelegten Frist behandelt werden. Zu der im Beschwerdeverfahren getroffenen behördlichen Entscheidung ist der betroffenen Person eine Begründung zu liefern.

Art. 5

Andere Massnahmen zur Erhöhung von Unparteilichkeit, Nichtdiskriminierung und Transparenz

Dieser Artikel legt Regeln zur Handhabung von Systemen zur Warnung vor möglichen Risiken bei Lebens- oder Futtermitteln und Verbraucherprodukten an der Grenze fest. Die WTO-Mitglieder sind verpflichtet, die Meldung über ein mögliches Risiko bei einer bestimmten Ware unverzüglich zu beenden oder zu suspendieren, sobald der Grund, welcher Anlass zur Meldung gab, nicht mehr existiert oder wenn dem Risiko mit weniger handelsbeschränkenden Massnahmen begegnet werden kann. Diese Beendung oder Suspendierung der Meldung ist umgehend und einfach zugänglich zu veröffentlichen, oder das exportierende WTO-Mitglied, respektive den Importeur, zu informieren. Der Importeur oder Spediteur ist unverzüglich zu informieren, wenn Grenzbehörden Güter zur Inspektion zurückhalten.

Die WTO-Mitglieder müssen die Adressen der Labors, welche Tests im Rahmen solcher Inspektionen durchführen, publizieren. Ein WTO-Mitglied kann einem Importeur auf Anfrage die Möglichkeit zur Durchführung eines zweiten Tests gewähren. Das Mitglied muss das Resultat des zweiten Tests bei der Veranlagung und im Hinblick auf die Freigabe der Ware berücksichtigen und kann das zweite Testresultat akzeptieren.

Art. 6

Bestimmungen für Gebühren und Abgaben, die bei oder im Zusammenhang mit der Einfuhr und der Ausfuhr erhoben werden, und Strafen

Gemäss Artikel 6 sind andere Gebühren als Zölle im Zusammenhang mit Importen und Exporten (Steuern und andere innere Abgaben gemäss Art. III des GATT 199419 sind ausgenommen) gemäss der Transparenzbestimmungen in Artikel 1 zu veröffentlichen. Ausser bei Dringlichkeit muss zwischen der Veröffentlichung und dem Inkrafttreten neuer Gebührenvorschriften ein angemessener Zeitraum liegen. Neue Gebühren dürfen nicht erhoben werden, ohne dass im Vorfeld 19

SR 0.632.20, Anhang 1A

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darüber informiert wurde. Die WTO-Mitglieder sollen im Hinblick auf eine Reduktion der Anzahl und Diversität ihrer Gebühren diese regelmässig überprüfen. Gebühren im Zusammenhang mit der Zollabwicklung sind dem Betrag nach ungefähr auf die Kosten der spezifisch im Zusammenhang mit dem jeweiligen Import- oder Exportverfahren erbrachten Dienstleistung zu beschränken.

Bei der Verhängung von Strafen für Verstösse gegen das Zollgesetz vom 18. März 200520 ist sicherzustellen, dass die Strafe nur jener Person auferlegt wird, die für den Verstoss verantwortlich ist. Die Strafe ist gemessen am Ausmass und der Schwere des Verstosses zu verhängen und eine schriftliche Erklärung auszuhändigen. Die WTO-Mitglieder müssen sicherstellen, dass Massnahmen ergriffen werden, um Interessenkonflikte bei der Beurteilung und der Erhebung von Bussen und Abgaben zu vermeiden. Schliesslich soll die freiwillige Offenlegung eines Verstosses vor dessen Entdeckung durch die Behörden bei der Strafmassfestlegung als möglicher mildernder Umstand berücksichtigt werden. Diese Regeln sollen auch für Strafen gelten, welche im Durchfahrtsverkehr (Transit) ausgesprochen werden.

Art. 7­9

Zollveranlagung und Freigabe von Gütern

In den Artikeln 7­9 sind die Bestimmungen und Massnahmen im Zusammenhang mit der Zollveranlagung und der Freigabe von Gütern festgelegt.

Gemäss Artikel 7 Absätze 1 und 2 sind die WTO-Mitglieder verpflichtet, die Möglichkeit zur Vorab-Zollanmeldung und, soweit praktikabel, zur elektronischen Bezahlung von Gebühren und Abgaben anzubieten. Können die zu bezahlenden Gebühren und Zölle bei Ankunft der Waren an der Grenze nicht möglichst schnell bestimmt werden, so sieht Artikel 7 Absatz 3 unter Hinterlegung einer Garantie die Möglichkeit einer vorzeitigen Freigabe der Waren an der Grenze vor. Der Garantiebetrag, welcher bis zur endgültigen Bestimmung aller geschuldeten Zölle, Gebühren und Abgaben zu hinterlegen ist, darf dabei nicht höher sein als der zu erwartende geschuldete Betrag. Artikel 7 Absatz 4 bestimmt, dass Zollkontrollen so weit als möglich basierend auf einem Risikomanagementsystem durchgeführt werden müssen. Dabei sollen die Zollkontrollen auf Sendungen mit einem höheren Risiko hinsichtlich der Nichteinhaltung von Vorschriften, Umgehung von Zöllen, Abgaben oder Bewilligungen und Ähnlichem konzentriert werden und Sendungen mit tieferem Risiko schneller freigegeben werden. Artikel 7 Absatz 5 verpflichtet die WTOMitglieder, im Hinblick auf eine beschleunigte Freigabe der Waren an der Grenze, die Möglichkeit nachgelagerter Zollkontrollen vorzusehen. Artikel 7 Absatz 6 ermutigt die WTO-Mitglieder, die Average Release Times (durchschnittlich benötigte Zeit bis zur Freigabe der Waren durch die Behörden) ihrer Zollverwaltung regelmässig zu messen und zu veröffentlichen. Artikel 7 Absätze 7­9 verpflichten die Mitglieder, ermächtigten Wirtschaftsbeteiligten sowie für spezifische Sendungen oder verderbliche Waren die Möglichkeit vereinfachter oder beschleunigter Verfahren anzubieten.

Artikel 8 schreibt vor, dass eine Zusammenarbeit aller nationalen Grenzbehörden zu gewährleisten ist und dass möglichst mit den Grenzbehörden angrenzender Länder zu kooperieren ist.

Artikel 9 schliesslich verlangt, dass Verzollungen auch an einer anderen Zollstelle als an jener am Eingangsort durchgeführt werden können (domestic transit).

20

SR 631.0

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Art. 10

Formalitäten im Zusammenhang mit der Einfuhr, Ausfuhr und dem Transit

Artikel 10 Absatz 1 verpflichtet die WTO-Mitglieder, ihre Zollformalitäten zu überprüfen, mit dem Ziel diese möglichst einfach und effizient auszugestalten. Artikel 10 Absatz 2 schreibt vor, dass die WTO-Mitglieder sich bemühen sollen, Kopien von Dokumenten zu akzeptieren. Exportdeklarationen dürfen dabei nicht mehr als zwingende Eingabe für den Import verlangt werden. Artikel 10 Absatz 3 ermutigt die WTO-Mitglieder, internationale Normen für Zollformalitäten und -verfahren anzuwenden. Artikel 10 Absatz 4 verlangt, dass die WTO-Mitglieder sich bemühen, für die Abwicklung aller Zollformalitäten eine einzige Anlaufstelle vorzusehen (Single Window). Artikel 10 Absatz 5 schränkt die obligatorische Verwendung von Vorversandkontrollen ein (keine Verwendung zum Zweck von Tarifierung und Zollwertermittlung), während die WTO-Mitglieder in Artikel 10 Absatz 6 eine Stillhalteklausel bezüglich der obligatorischen Verwendung von Zollagenten (customs brokers) vereinbart haben. Ferner verpflichtet Artikel 10 Absatz 7 zu einer einheitlichen Anwendung von Zollverfahren und Dokumentationsanforderungen, und Artikel 10 Absatz 8 sieht vor, dass Waren, welche an der Grenze aufgrund von Nichteinhaltung sanitärer und phytosanitärer oder technischer Standards zurückgewiesen wurden, dem Exporteur wieder zurückgegeben werden können. Schliesslich verpflichtet Artikel 10 Absatz 9 die WTO-Mitglieder, Zollverfahren für die vorübergehende Verwendung und den Veredelungsverkehr vorzusehen.

Art. 11

Transitfreiheit

Artikel 11 führt die bestehenden Regeln des GATT 1994 zur Freiheit der Durchfuhr weiter aus und präzisiert einzelne thematische Punkte. So ist vorgesehen, dass Regulierungen, Formalitäten und Anforderungen im Transit-Bereich nicht handelsbeschränkender als notwendig sein dürfen und nicht so angewendet werden dürfen, dass sie eine verschleierte Beschränkung des Durchfuhrverkehrs darstellen. Der Durchfuhrverkehr darf einzig mit Abgaben belegt werden, welche den verursachten Verwaltungsausgaben und den Kosten der Dienstleistungen entsprechen. Die WTOMitglieder sollen keine freiwilligen Beschränkungen auf den Durchfuhrverkehr beschliessen. Nationale Regelungen und internationale Abmachungen, die WTOkonform sind, gehen dabei vor. Ferner dürfen Waren auf der Durchfuhr aufgrund einer vorangegangenen Durchfuhr durch das Gebiet eines anderes WTO-Mitgliedes nicht weniger günstig behandelt werden. Güter, welche sich im Durchfuhrverkehr befinden, dürfen weder unnötig aufgehalten oder mit weiteren Gebühren belastet werden, noch sollen sie technischen Regulierungen gemäss dem WTO-Übereinkommen über technische Handelshemmnisse21 unterworfen werden (allfällig notwendige Bewilligungen usw. sind trotzdem einzuholen). Wenn für die Durchfuhr eine Garantie verlangt wird, soll der zu hinterlegende Garantiebetrag für die Zeitspanne des Transits nicht höher sein als die zu erwartenden geschuldeten Abgaben, und die Garantie ist nach Beendigung des Transitverfahrens unverzüglich freizugeben. Garantiedeckungen sollen zudem für mehrere Durchfahrten zulässig sein.

Schliesslich sollen Zollkonvois für sich auf der Durchfuhr befindliche Waren nur erlaubt sein, wenn Hochrisikogüter durch das Zollgebiet geführt werden oder eine Garantie für die Sicherstellung einer regelkonformen Durchfuhr nicht ausreicht.

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SR 0.632.20, Anhang 1A.6

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Art. 12

Amtshilfe im Zollbereich

Artikel 12 regelt die Amtshilfe im Zollbereich (Customs Cooperation). Er schreibt vor, dass im Falle eines begründeten Zweifels über die Richtigkeit oder Genauigkeit einer Import- oder Exportdeklaration auf Gesuch eines WTO-Mitgliedes hin einem Austausch von Informationen im Zollbereich zum Zweck der Überprüfung dieser Import- oder Exportdeklaration stattgegeben werden soll. Gesuche um Amtshilfe können erst an ein anderes WTO-Mitglied gerichtet werden, nachdem das betroffene Mitglied vor Ort eine angemessene Überprüfung der Angaben in der Import- oder Exportdeklaration und in den vorliegenden relevanten Dokumenten durchgeführt hat. Im schriftlichen Gesuch müssen verschiedene Informationen geliefert werden, unter anderem auch die nationalen Bestimmungen über den Datenschutz. Weiter wird das um Amtshilfe ersuchende WTO-Mitglied verpflichtet, alle erhaltenen Angaben, Informationen und Dokumente streng vertraulich zu behandeln und dasselbe Datenschutzniveau wie jenes des um Amtshilfe ersuchten WTO-Mitglieds zu garantieren. Die ausgehändigten Informationen oder Dokumente dürfen nur von der gesuchstellenden Zollbehörde und nur für den jeweils vorliegenden Fall verwendet werden. Ohne spezifische schriftliche Erlaubnis des um Amtshilfe ersuchten Mitglieds dürfen keine Informationen oder Dokumente offengelegt werden. Jegliche fallspezifischen vom ersuchten Mitglied gestellten Bedingungen bezüglich der Einbehaltung und Verwendung vertraulicher Informationen, von Dokumenten oder persönlichen Daten müssen respektiert werden. Das ersuchte Mitglied kann bei der Übergabe der Information zudem eine Versicherung verlangen, dass die gelieferten Informationen und Dokumente nicht in nicht-zollrechtlichen Verfahren verwendet werden.

Das um Amtshilfe ersuchte Mitglied kann in folgenden Fällen entscheiden, nicht auf das Gesuch einzutreten: I) Die Beantwortung eines Gesuchs um Informationsaustausch steht dem öffentlichen Interesse entgegen oder ist gesetzlich nicht möglich.

II) Sie gefährdet eigene Administrativ- oder Ermittlungsverfahren. III) Das Gesuch trifft nach Ablauf der gesetzlich festgelegten Frist für die Datenaufbewahrung ein.

IV) Das um Amtshilfe ersuchende Mitglied ist nicht in der Lage, die davor aufgezählten Bedingungen bezüglich Datenschutz und Verwendung der Daten einzuhalten. Ferner muss das um
Amtshilfe ersuchende Mitglied den mit seinem Gesuch verbundenen Verwaltungsaufwand berücksichtigen und das Prinzip der Gegenseitigkeit beachten. Bei der Beantwortung des Gesuchs ist das um Amtshilfe ersuchte Mitglied zudem nicht verpflichtet, Dokumente bei den Wirtschaftsbeteiligten einzuholen, welche nicht mit der Import- oder Exportdeklaration eingereicht wurden oder aber den Behörden nicht mehr zur Verfügung stehen. Zudem ist das ersuchte Mitglied nicht verpflichtet, Untersuchungen zu initiieren, um die angefragten Informationen zu erhalten. Weder muss sie die Form oder Sprache der Dokumente anpassen noch die Richtigkeit der Informationen zusätzlich prüfen. Sie ist auch nicht verpflichtet, Information herauszugeben, welche legitime kommerzielle Interessen von privaten oder öffentlichen Unternehmungen beinträchtigen würden.

Teil II (Art. 13­22) Teil II des ATF (Art. 13­22) enthält die Bestimmungen über die besondere und differenzierte Behandlung für Entwicklungsland-Mitglieder und LDCs. Die Ausgestaltung der besonderen und differenzierten Behandlung dieser Länder verfolgt im ATF einen neuartigen Ansatz. Es wird erstmals in einem WTO-Abkommen die vollständige Übernahme und Umsetzung aller Bestimmungen und Verpflichtungen 1592

durch sämtliche WTO-Mitglieder angestrebt. In den bisherigen Abkommen wurde meistens mit Ausnahmen oder weniger weitreichenden oder flexibleren Verpflichtungen für Entwicklungsland-Mitglieder gearbeitet (sog. opt-outs). Im ATF setzen die Entwicklungsland-Mitglieder alle Verpflichtungen zu gleichem Masse um wie die Industrieland-Mitglieder, erhalten im Gegenzug aber substanzielle Flexibilität in der Umsetzung des Abkommens, wobei die LDCs jeweils zusätzlich speziell weitreichende Flexibilität erhalten. Während die Industrieland-Mitglieder das ATF ab Inkrafttreten vollständig umsetzen müssen, erfolgt die Umsetzung in Entwicklungsländern schrittweise (sog. opt-ins). Dabei ist es den betroffenen Ländern erstens überlassen, die Umsetzungsfristen für die einzelnen Massnahmen selbstständig festzulegen. Zweitens können die Entwicklungsland-Mitglieder bestimmen, für welche Massnahmen sie technische Unterstützung benötigen, um die Umsetzung gewährleisten zu können. Wird die notwendige technische Unterstützung nicht anerboten, entfällt die Verpflichtung zur Umsetzung der betroffenen Massnahmen, bis das Land die erforderliche Umsetzungskapazität erlangt hat.

Im ATF ist daher vorgesehen, dass die Verpflichtungen der EntwicklungslandMitglieder in drei Kategorien eingeteilt werden: Die Verpflichtungen, welche die Entwicklungsland-Mitglieder in der Kategorie A notifizieren, müssen ab Inkrafttreten umgesetzt werden. Für die in Kategorie B eingeteilten Verpflichtungen gilt die von dem jeweiligen Entwicklungsland-Mitglied definierte Übergangsfrist; und Kategorie C enthält jene Verpflichtungen, für welche eine Übergangsfrist und technische Unterstützung benötigt wird. Jedes Entwicklungsland-Mitglied entscheidet selbstständig, welche Verpflichtungen des ATF unter welche Kategorie fallen und für die Umsetzung welcher Bestimmungen es mehr Zeit und allenfalls auch Unterstützung benötigt. Die WTO-Geberländer, inklusive der Schweiz, haben sich in diesem Zusammenhang im Abkommen entsprechend dafür ausgesprochen, die Bereitstellung von technischer Unterstützung zur Umsetzung des ATF in Entwicklungsländern zu fördern.

Bezüglich der Kategorie A ist im Minister-Beschluss von Bali vorgesehen, dass bei der formellen Verabschiedung des Abkommens auch die Notifikationen über die Kategorie-A-Verpflichtungen dem Abkommen als Anhang
beigefügt werden sollten.

Entsprechend notifizierten viele Entwicklungsland-Mitglieder im Vorfeld ihre Kategorie-A-Verpflichtungen. Eine grosse Anzahl Länder22 notifizierte alle beziehungsweise nahezu alle Verpflichtungen nach Teil I als Kategorie-A-Verpflichtungen.

Diese Länder werden ab Inkrafttreten somit alle beziehungsweise fast alle Bestimmungen des ATF umsetzen und somit nicht oder kaum von einer besonderen und differenzierten Behandlung Gebrauch machen. Viele der einkommensschwächeren Entwicklungsland-Mitglieder und die LDCs werden einen Grossteil der Verpflichtungen allerdings erst später (Kategorie B) oder nur mithilfe von technischer Unterstützung (Kategorie C) umsetzen und somit erst zu einem späteren Zeitpunkt alle Bestimmungen des Abkommens erfüllen können.

Art. 13

Allgemeine Grundsätze

Die Artikel 1­12 des ATF sollen von Entwicklungsländern und LDCs gemäss den Bestimmungen von Teil II über die besondere und differenzierte Behandlung für Entwicklungsländer und LDCs umgesetzt werden. Für die Umsetzung des Abkommens soll Unterstützung für diese Länder zur Verfügung gestellt werden und bei 22

Vgl. Ziff. 1.5

1593

mangelnden Umsetzungskapazitäten kann diese vom betroffenen Land nicht verlangt werden, bis die notwendige Kapazität erlangt wurde.

Art. 14

Kategorien der Bestimmungen

Dieser Artikel enthält die Definitionen der drei Kategorien A, B und C und bestimmt, dass die Entwicklungsland-Mitglieder und die LDCs individuell bestimmen können, welche Bestimmungen in welcher Kategorie notifiziert werden.

Art. 15

Notifikation und Umsetzung der Kategorie A

Artikel 15 besagt, dass jedes Entwicklungsland-Mitglied ab Inkrafttreten des ATF seine in Kategorie A notifizierten Verpflichtungen umsetzen muss. LDCs können das Handelserleichterungskomitee (nachfolgend «Komitee») bis ein Jahr nach Inkrafttreten über deren Kategorie-A-Verpflichtungen informieren. Die Notifizierungen dieser Verpflichtungen werden zu einem integralen Teil des Abkommens.

Art. 16

Notifikation der endgültigen Termine zur Umsetzung der Kategorien B und C

Artikel 16 legt fest, dass die Entwicklungsland-Mitglieder dem Komitee bei Inkrafttreten des Abkommens notifizieren müssen, welche Verpflichtungen sie in Kategorie B und welche Verpflichtungen sie in Kategorie C einteilen wollen. Ein Jahr nach dem Inkrafttreten sind die Umsetzungsfristen für die Verpflichtungen der Kategorie B zu notifizieren; jene für die Kategorie C zweieinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten. Jedoch ist das Komitee vorgängig über den Stand der Vereinbarungen zwischen den Entwicklungsland-Mitgliedern und den Geberländern bezüglich Unterstützung für die Umsetzung der Kategorie-C-Verpflichtungen zu informieren.

Für LDCs werden die Notifikationsfristen für Kategorie B auf ein Jahr und die Fristen für die Notifikation der Umsetzungsfristen auf zwei Jahre nach Inkrafttreten festgelegt. Die Kategorie-C-Verpflichtungen müssen ein Jahr nach dem Inkrafttreten des ATF und die Umsetzungsfristen spätestens fünfeinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten des ATF notifiziert werden. Auch hier ist das Komitee vorgängig über den Stand der Vereinbarungen bezüglich Unterstützung für die Umsetzung der Kategorie-C-Verpflichtungen zu informieren. Die Notifikationen zu den Kategorien B und C mit den zugehörigen Umsetzungsfristen werden ebenfalls Bestandteil des ATF. Bei Schwierigkeiten, die Notifikationsfristen einzuhalten, können sich die Entwicklungsland-Mitglieder und LDCs vorzeitig ans Komitee wenden.

Art. 17

Frühwarnmechanismus: Erstreckung der Umsetzungstermine für Bestimmungen der Kategorien B und C

Artikel 17 legt das Vorgehen für den Fall fest, dass ein Entwicklungsland-Mitglied oder ein LDC bei der Umsetzung des Abkommens eine seiner unter Artikel 15 notifizierten Umsetzungsfristen nicht einhalten kann. In einem solchen Fall muss das Land dies vorzeitig dem Komitee notifizieren (mind. 120 Tage vor Ablauf der Frist für Entwicklungsland-Mitglieder und mind. 90 Tage vor Ablauf der Frist für LDCs) und darin das Datum der verlängerten Umsetzungsfrist sowie den Grund für die Verzögerung angeben. Beträgt die Verlängerung der Frist weniger als 18 Monate bei Entwicklungsland-Mitgliedern und weniger als 3 Jahre bei LDCs, wird die Verlängerung automatisch gestattet. Ist die angefragte Fristverlängerung länger oder 1594

wird mehrmals um eine Verlängerung angefragt, kann das Komitee entscheiden, ob diesem stattgegeben wird.

Art. 18

Umsetzung der Kategorien B und C

Artikel 18 legt das Vorgehen für Fälle fest, in welchen ein EntwicklungslandMitglied aufgrund fehlender Umsetzungskapazitäten die Umsetzungsfrist für eine Verpflichtung nicht einhalten kann und keine Fristverlängerung nach Artikel 17 erlangen konnte. Dies ist dem Komitee zu notifizieren. Das Komitee beruft anschliessend umgehend eine Expertengruppe ein. Diese soll den Fall und die vom Entwicklungsland-Mitglied angegebene fehlende Umsetzungskapazität beurteilen und dem Komitee diesbezüglich eine Empfehlung unterbreiten.

Art. 19

Verschiebungen zwischen den Kategorien B und C

Artikel 19 sieht die Möglichkeit vor, in Kategorie B notifizierte Verpflichtungen in die Kategorie C zu verschieben und umgekehrt. Dafür muss das betroffene Mitglied mit einer Notifikation ans Komitee herantreten. Sollte bei einer Verschiebung von B nach C mehr Zeit als ursprünglich notifiziert benötigt werden, so kann auf die Fristverlängerungsmöglichkeit nach Artikel 17 zurückgegriffen oder eine Überprüfung der Anfrage für eine Verlängerung durch das Komitee erwirkt werden.

Art. 20

Karenzfrist für die Anwendung der Vereinbarung über Regeln und Verfahren für die Streitbeilegung

In diesem Artikel legen die WTO-Mitglieder fest, dass den EntwicklungslandMitgliedern bezüglich jenen Verpflichtungen, welche sie in Kategorie A notifiziert haben, während zwei Jahren nach dem Inkrafttreten des ATF eine Schonfrist für die Anwendung des Streitbeilegungsmechanismus gewährt wird. Das heisst, dieser Mechanismus kann auf Verpflichtungen, die in Kategorie A notifiziert wurden, während dieser Zeit nicht angewendet werden. Für LDCs gilt selbiges für deren Kategorie-A-Verpflichtungen während sechs Jahren. Den LDCs wird zusätzlich eine Schonfrist von acht Jahren für die Kategorien B und C zugestanden, welche ab dem Umsetzungszeitpunkt der Verpflichtungen laufen wird.

Art. 21

Erbringung von Hilfe und Unterstützung zum Aufbau von Kapazitäten

Die WTO-Geberländer willigen ein, die Bereitstellung von Hilfe und Unterstützung zum Aufbau von Kapazitäten zu fördern, mit dem Ziel die Umsetzung der Bestimmungen von Teil I des ATF in Entwicklungsländern und LDCs zu unterstützen. Die Mitglieder sollen sich bemühen, wichtige und gängige Prinzipien der Hilfe und Unterstützung zum Aufbau von Kapazitäten anzuwenden, wie die Berücksichtigung der ganzheitlichen Entwicklungssituation eines Landes oder regionaler Herausforderungen sowie die Koordination mit anderen Geberländern oder -institutionen. Ferner wird festgelegt, dass das Komitee mindestens einmal pro Jahr eine Sitzung speziell zum Thema der Hilfe und Unterstützung zum Aufbau von Kapazitäten abhalten soll, um mögliche Probleme zu besprechen und Erfahrungen auszutauschen.

1595

Art. 22

Dem Ausschuss vorzulegende Informationen über Hilfe und Unterstützung zum Aufbau von Kapazitäten

In Artikel 22 wird festgelegt, dass die Geberländer bei Inkrafttreten und danach jährlich, über die in den letzten zwölf Monaten ausgegebene Hilfe und Unterstützung zum Aufbau von Kapazitäten sowie, falls vorhanden, über die für die kommenden zwölf Monate gesprochenen Mittel, informieren. Die Informationen sind in Form der in Anhang 1 angegebenen Vorlage einzureichen. Mitglieder der OECD können die Informationen basierend auf dem Creditor-Reporting-System der OECD vorlegen. Zudem sollen die Geberländer dem Komitee die Kontaktinformationen ihrer zuständigen Behörden und Informationen über die Prozesse für die Beantragung von Unterstützung angeben. Jene Entwicklungsland-Mitglieder und LDCs, die Unterstützung in Anspruch nehmen wollen, notifizieren dem Komitee die Kontaktangaben ihrer zuständigen Behörden.

Teil III (Art. 23­24) Art. 23

Institutionelle Bestimmungen

Artikel 23 etabliert das Komitee, welches mit der Verwaltung des Abkommens betraut ist. Es steht allen WTO-Mitgliedern offen und soll mindestens einmal jährlich tagen, um die mit dem Funktionieren des Abkommens zusammenhängenden Angelegenheiten zu diskutieren. Dem Komitee wird ferner die Aufgabe übertragen, das Funktionieren und die Umsetzung des Abkommens erstmals vier Jahre nach seinem Inkrafttreten und danach periodisch zu überprüfen.

Zudem sieht Artikel 23 die Gründung von nationalen Komitees zur Erleichterung der internen Koordination und der Umsetzung des Abkommens vor.

Art. 24

Schlussbestimmungen

Artikel 24 hält fest, dass sämtliche Bestimmungen dieses Abkommens für alle Mitglieder verbindlich sind und dass Vorbehalte nur mit der Zustimmung aller Mitglieder angebracht werden können. Alle Bestimmungen sind ab Inkrafttreten umzusetzen, wobei Entwicklungsland-Mitglieder von den besonderen und differenzierten Bestimmungen von Teil II (Art. 13­22) Gebrauch machen können. Diesbezüglich wird auch festgelegt, dass für jene Entwicklungsland-Mitglieder, welche das Abkommen erst nach dessen Inkrafttreten ratifizieren, die Fristen für die Notifizierung der Kategorie B und C bereits ab Inkrafttreten laufen. Ferner ist vorgesehen, dass Mitglieder von Zollunionen oder anderen regionalen Vereinbarungen für die Umsetzung des ATF von regionalen Ansätzen Gebrauch machen können. Es wird bestätigt, dass dieses Abkommen die Pflichten des GATT 199423 nicht beschränkt und dass alle Ausnahmen des GATT 1994 und des WTO-Streitschlichtungsmechanismus24 auch auf dieses Abkommen anwendbar sind. Hingegen wird auch festgehalten, dass das ATF die Rechte und Pflichten nach dem WTO-Übereinkommen über technische Handelshemmnisse25 und dem WTO-Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Mass-

23 24 25

SR 0.632.20 SR 0.632.20, Anhang 2 SR 0.632.20, Anhang 1A.6

1596

nahmen26 nicht beeinträchtigt. Schliesslich besagt Artikel 24, dass die Notifikationen der Entwicklungsland-Mitglieder über die Einteilung der Verpflichtungen in die Kategorien A, B und C in einem Anhang zum ATF aufzuführen sind und somit zu einem integralen Teil des Abkommens werden.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Die Annahme des ATF wird für den Bund keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen haben. Es werden dadurch weder Ertragseinbussen noch neue Kosten verursacht, da die Schweiz die Verpflichtungen des Abkommen bereits jetzt materiell erfüllt und keine kostengenerierenden Reformen oder Anpassungen notwendig sind.

Die Zolleinnahmen sind nicht tangiert, und die Zollgebühren dienen nur der Kostendeckung.

Die Unterstützung für Entwicklungsland-Mitglieder bei der Umsetzung des Abkommens wird im Rahmen der bestehenden wirtschafts- und handelspolitischen Entwicklungszusammenarbeit und den dafür zur Verfügung stehenden Mittel finanziert.

Entsprechend ergeben sich auch in diesem Zusammenhang keine finanziellen Auswirkungen.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Die Amtshilfeverpflichtungen nach dem ATF könnten nach Inkrafttreten des Abkommens zu einem Anstieg von Amtshilfegesuchen an die EZV führen. Diese Annahme gründet einerseits auf den im ATF neu geschaffenen Rechten und Pflichten, andererseits ist bekannt, dass einzelne Länder (z. B. Russland oder Indien) der Schweiz bereits ihr Interesse bekundet haben, ein bilaterales Amtshilfeabkommen (ausserhalb der WTO) abschliessen zu wollen. Es ist davon auszugehen, dass diese Länder die Amtshilfe nun über den multilateralen Weg auf Basis des ATF in Anspruch nehmen werden. Zudem erhält die Schweiz bereits heute Gesuche um Amtshilfe, welche mangels Rechtsgrundlage nicht beantwortet werden können. Künftig werden diese aber auf der Grundlage des ATF beantwortet werden müssen. Allerdings sieht das ATF im Bereich der Amtshilfe auch eine bedeutende Anzahl an Ausnahmen und Begrenzungen vor, welche es den nationalen Zollbehörden erlaubt, auf entsprechende Gesuche nicht einzutreten und diese zurückzuweisen.

Insgesamt dürfte jedoch mit einem Anstieg von Gesuchen zu rechnen sein, welcher allenfalls eine personelle Verstärkung der EZV verlangen könnte. Da es diesbezüglich noch kaum Erfahrungswerte gibt, ist es derzeit schwierig die personellen Auswirkungen genau zu quantifizieren. Zudem kann heute noch nicht festgelegt werden, ab wann diese allfälligen zusätzlichen Ressourcen notwendig wären, da noch nicht bekannt ist, wann das Abkommen in Kraft treten wird und bis wann das Abkommen vollständig umgesetzt sein wird. Ein allfälliger zusätzlicher personeller Mehrbedarf

26

SR 0.632.20, Anhang 1A.4

1597

bei der EZV wird nach der parlamentarischen Beratung evaluiert und gegebenenfalls beim Bundesrat beantragt.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Das ATF hat auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete keine finanziellen oder personellen Auswirkungen. Demgegenüber werden an den in Ziffer 3.3 erwähnten volkswirtschaftlichen Auswirkungen grundsätzlich alle Landesteile partizipieren.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Das ATF wird zu wichtigen Vereinfachungen der Zollverfahren und Zollformalitäten im grenzüberschreitenden Handel führen. Dieser Abbau von administrativen Hemmnissen im Zollbereich bedeutet für die Schweizer Wirtschaftsbeteiligten im internationalen Handel nicht nur eine effizientere Abwicklung der Grenzformalitäten, sondern durch den Aufbau von transparenten und fast global gültigen Regeln vor allem auch eine Erhöhung der Rechts- und Planungssicherheit sowie eine massgebliche Senkung der Transaktionskosten. Dies ist für alle international tätigen Schweizer Firmen, insbesondere auch für KMU, welche den Standort Schweiz nachhaltig prägen und stützen, eine wichtige Erleichterung.

Für die Schweiz als export-orientierte Volkswirtschaft, die jeden zweiten Franken im Ausland verdient und deren Wohlstand zu einem beträchtlichen Teil auf der Exportwirtschaft und dem internationalen Handel basiert, bedeutet der Abschluss des ATF daher eine wichtige Stärkung des Standortes Schweiz und dessen Fähigkeit, Wertschöpfung zu generieren und Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen.

Die Reduktion von Transaktionskosten im internationalen Handel kann zudem längerfristig die Konkurrenzfähigkeit von Schweizer Produkten auf ausländischen Märkten steigern sowie für Schweizer Unternehmen die Beschaffungskosten reduzieren und eine Entlastung für Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten darstellen.

Die durch den Abschluss des Abkommens erreichte systemische Stärkung der WTO und des multilateralen Handelssystems ist für die Volkswirtschaft Schweiz, die ihre Aussenwirtschaftspolitik stark auf die WTO und das multilaterale Handelssystem stützt, zudem eine wichtige indirekte Stärkung ihrer Aussenwirtschaftspolitik und somit des Standortes Schweiz.

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Das ATF ist in erster Linie ein Wirtschaftsabkommen, das die Rahmenbedingungen in der Abwicklung der Formalitäten im grenzüberschreitenden Warenverkehr verbessert. Die Umsetzung des Abkommens hat in der Schweiz kaum Auswirkungen auf die bisherige Praxis, da die Schweiz das Abkommen bereits jetzt erfüllt und keine Anpassungen auf Gesetzes- oder Verordnungsebene notwendig sind. Das 1598

Abkommen beeinträchtigt daher weder die Sicherheit, Gesundheit oder Identität der Menschen, noch hat es direkte Auswirkungen auf Kultur, gesellschaftliche Werte oder Ressourcen.

Die auf der Vereinfachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs basierenden Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und den Wirtschaftsstandort Schweiz (vgl.

Ziff. 3.3) haben indirekt auch positive Auswirkungen auf die Gesellschaft. Diese Vorteile für die Schweizer Wirtschaft (insbesondere KMU) wie auch die damit verbundene Stärkung des Wirtschaftsstandortes Schweiz wird zur Erhaltung des Wohlstandes der Schweiz sowie zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. Dies kommt letztlich auch der Gesellschaft zugute.

3.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Wirtschaftstätigkeit eines Landes, darunter auch der Handel, hat grundsätzlich Auswirkungen auf die Umwelt. Wie diese die Umwelt konkret beeinflusst, wird einerseits durch nationale Regulierungen und andererseits durch die Wahl der Sektoren, in welcher die Wirtschaftstätigkeit oder der Handel eines Landes angesiedelt wird, abhängen (z. B. ob Wirtschafts- oder Handelstätigkeiten im Bereich von umweltfreundlichen Produktionsweisen oder in Sektoren mit höherer Umweltbelastung betrieben werden). Die nationalen Regulierungen werden durch das ATF nicht beeinflusst und erfahren keine Änderung aufgrund des Abkommens. Die Wahl der Sektoren, in welchen Handel betrieben wird, wird durch dieses Abkommen ebenfalls nicht beeinflusst, denn das Abkommen betrifft alle Zollverfahren gleichermassen.

Ferner werden die gemäss den WTO-Regeln und den Bestimmungen von multilateralen Umweltabkommen bestehenden Möglichkeiten, den Handel mit besonders gefährlichen oder umweltschädlichen Gütern zu beschränken, durch das neue Abkommen nicht tangiert.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage fällt unter die in der Botschaft vom 25. Januar 201227 zur Legislaturplanung 2011­2015 und im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201228 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigte Massnahme «Stärkung der WTO».

4.2

Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

Das ATF entspricht der Aussenwirtschaftsstrategie, die der Bundesrat im Bericht vom 12. Januar 200529 zur Aussenwirtschaftspolitik 2004 definiert und im Bericht vom 11. Januar 201230 zur Aussenwirtschaftspolitik 2011 bestätigt hat.

27 28 29 30

BBl 2012 481, hier 552 und 553 BBl 2012 7155, hier 7159 BBI 2005 1089, hier 1108 und 1125 BBI 2012 827, hier 846

1599

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)31, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199732 ).

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Verpflichtungen im Rahmen des vorliegenden Abkommens setzen einen Mindeststandard im Bereich der Handelserleichterungen. Dieser ist mit sämtlichen bestehenden internationalen Verpflichtungen der Schweiz, insbesondere auch mit den Verpflichtungen gegenüber der EU vereinbar, unter anderem den Verpflichtungen gemäss dem Abkommen vom 25. Juni 200933 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Erleichterung der Kontrollen und Formalitäten im Güterverkehr und über zollrechtliche Sicherheitsmassnahmen. Wie die Schweiz wird auch die EU als Mitglied der WTO die entsprechenden Standards umsetzen, beziehungsweise gewährleisten.

5.3

Geltung für das Fürstentum Liechtenstein

Das Fürstentum Liechtenstein ist eigenständiges Mitglied der WTO und wird das ATF entsprechend bei der WTO ratifizieren. Aufgrund des Vertrags vom 29. März 192334 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentum Liechtensteins ans schweizerische Zollgebiet wird die Umsetzung des ATF auch im Hoheitsgebiet Liechtensteins von den schweizerischen Behörden gewährleistet werden.

5.4

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom

31 32 33 34

SR 101 SR 172.101 SR 0.631.242.05 SR 0.631.112.514

1600

13. Dezember 200235 gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrages dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Wichtig kann eine solche Bestimmung sein, wenn ihr Regelungsgegenstand im Landesrecht als grundlegende Bestimmung gelten würde.

Die Schweiz setzt das Abkommen bereits heute materiell vollständig um. Auch enthält es im Vergleich zu früheren internationalen Abkommen (Freihandelsabkommen, GATT 1994) nicht wesentliche neue Verpflichtungen. Da es sich aber um ein multilaterales Abkommen handelt, welches die gesamten globalen grenzüberschreitenden Warenflüsse erfasst, ist es zweckmässig, den Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

35

SR 171.10

1601

1602