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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Vermehrung der Mitglieder des eidg. Schulrathes und die Aufhebung des Vorkurses am eidg. Polytechnikum.

(Vom 9. Juni 1881.)

Tit.

Die Gesellschaft ehemaliger Studirender des eidg. Polytechnikums bezeichnete in einer an den Bundesrath gerichteten Petition vom 26. August 1877 als einen wesentlichen Mangel in der Organisation der Schule den Umstand, daß bei Aenderungen im Studienplan, bei den Examen, bei den Diplomertheilungen, bei organisatorischen Maßnahmen, der in der Praxis stehenden Technik und ihren Vertretern keinerlei die Entscheide mitbestimmender Einfluß gewährt sei. Da auch im eidg. Schulrath selbst das fachmännische Element nicht vertreten sei, so mangle, wurde bemerkt, zu einem stetigen und gedeihlichen Fortschritte die nöthige Fühlung mit der praktischen Technik. Hierauf gestüzt, wurde der Wunsch ausgesprochen: Es möge, neben der Gesammtkonferenz der Lehrerschaft und neben dem eidg. Schulrathe, ein Kollegium von Fachmännern konstituirt werden, welches bei der Organisation der Anstalt in technischer Richtung (Studienpläne, Diplomertheilungen etc.) mitzuwirken hätte.

In einer weitern Petition, welche die genannte Gesellschaft in Verbindung mit dem schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein im Oktober 1879 an den Bundesrath richtete, wurde, unter Festhaltung des genannten Postulats, die weitere Ansicht aus-

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gesprochen, daß es im höchsten Interesse des Polytechnikums läge, wenn die Majorität des Schulraths aus Technikern bestände. Wer in den exakten Wissenschaften gründliche Kenntnisse besizt, wurde beigefügt, wird besser als jeder Andere im Falle sein, ihre Anwendungen in der Technik und den darauf gebauten Unterricht der technischen Hochschule im vollen Zusammenhang zu erfaßen.

Von dieser Basis aus würde z. B. der Ingenieur die Bedürfnisse des Mechanikers, der Mechaniker diejenigen des technischen Chemikers leicht verstehen. Ob eine Aenderung des Gründungsgesezes des Polytechnikums im Sinne der Vermehrung der Anzahl der Schulrathsmitglieder gegenwärtig opportun sei, wollten die Petenten nicht weiter untersuchen ; soviel schien denselben aber festzustehen, daß der gewünschte Studienrath nur dann gedeihlich wirken könne, wenn er dauernd als ein Glied in die Organisation der Schule aufgenommen würde.

Die vorbesprochenen Begehren fanden Seitens des Schulraths in seinem Bericht vom November 1879 eine entgegenkommende, eingehende Besprechung.

Der Schulrath glaubt, daß es in der Schweiz schwer halten würde, selbst nach dem 25-jährigen Bestände des Polytechnikums, dem Lehrerpersonal der Anstalt gleich hoch stehende Autoritäten an die Seite zu stellen oder gar überzuordnen. Sodann müßte das ständige Kollegium von Fachmännern für jede der zehn Abtheilungender Schule mindestens zwei Praktiker in Aussicht nehmen, wodurch ein Kollegium von 20 Personen entstehen würde, das neben dem Schulrathe und den Spezialkonferenzen der Lehrer zu amten hätte.

Eine solche Maschine würde doch et-.vas komplizirt sein. Der Schulrath dürfe sich das Zeugniß geben, daß er, neben dem Rath der bewährten Praktiker in Mitten der einzelnen Lehrerkonferenzen, in wichtigen Fragen auch weitern Rath von Experten und Praktikern außerhalb der Schule niemals abgewiesen, vielmehr gesucht habe.

Dennoch sei derselbe in guten Treuen bereit, einen aufrichtigen Versuch zu machen, den Rath vou Praktikern in Organisationsfragen in mehr regelmäßiger und offizieller Weise herbeizuziehen.

Neben größern Organisationsfragen scheinen dem Schulrath namentlich zwei Schulaufgaben von einer solchen Mitwirkung Förderung erhalten zu können. Es seien dieß einmal die Diplomexamen. Von dem Zuzug von Praktikern zu denselben verspricht sich der Schulrath den
Vortheil wohlthätiger Strenge und der Hebung und Anerkennung ihres Werthes bei den Praktikern selbst. Als zweite Aufgabe werden die Detailprogramme des Unterrichts bezeichnet.

Der Schulrath "verhehlt sich nämlich nicht, daß die Abtheilungsvorstände und die Spezialkonferenzen der Schule an die sachliche

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Prüfung solcher Programme nicht mit der wünschbaren Frische herantreten, weil sie nicht gern Kollegen verlezen und die Verantwortlichkeit in der Hauptsache lieber den betreffenden Dozenten überlaßen. In wenig Sachen so sehr, wie in dieser, hat der Schulrath dann und wann das Bedürfniß weiterer Aufklärung gefühlt, und er erklärt sich deßhalb geneigt, in Zukunft, neben dem Dozenten des einzelnen Faches und den Spezialkonferenzen der Abtheilungen, auch hervorragende wissenschaftlich gebildete Spezialisten aus der Praxis zu berathen und deren Wünsche.und Ansichten den Dozenten und Konferenzen vorzulegen, um erst darauf hin die ProgTamrne endgültig zu genehmigen. Der Schulrath hofft, daß sich in dieser Art zwischen Wissenschaft und Praxis manche Anregung ergeben und manche Differenz lösen werde, während gleichzeitig Gelehrte und Praktiker, die Männer der Wissenschaft und die von ihnen dem Lande für Lösung praktischer Aufgaben zugeführten Schüler eines guten, fortdauernden Zusammenhanges und gemeinsamer Interessen sich jeder Zeit bewußt bleiben würden. Hierauf gestüzt, wurde vom Schulrath der Antrag gestellt: ,,Der Schulrath wird in der Regel für die Behandlung ,,wichtiger organisatorischer Fragen Fachmänner, welche im ,,praktischen Leben thätig sind, in geeigneter Weise in Mit,,wirkung ziehen.a Diese Lösung erschien indessen nicht vollkommen befriedigend.

Abgesehen davon, daß die Beiziehung von praktischen Technikern von vornherein auf Behandlung ,,wichtiger"1 organisatorischer Fragen eingeschränkt, dieß noch durch die Beifügung ,,in der Regel" abgeschwächt und dadurch zu viel in das jeweilige Belieben gestellt wurde, erschien es, nach Erfahrungen zu schließen, sehr zweifelhaft, ob unter solchen Verhältnissen jeweilen zur gegebenen Zeit die richtigen Männer gefunden werden können, welche sich der ihnen so gestellten Aufgabe zu unterziehen bereit wären.

In der Besprechung, welche auf Begehren der Vorstände der Gesellschaft ehemaliger Studirender des eidg. Polytechnikums und des Schweiz. Ingenieur- und Architekteuvereins am 11. und 12. Februar 1880 vom Vorstand des eidg. Departements des Innern mit den Delegirten dieser Vereine abgehalten wurde, fand obige Anschauung Ausdruk in dem Postulate : ,,daß in den Schulrath selbst Techniker eingeführt werden sollen, und daß es, abgesehen hievon, ersprießlich
scheine, einen erweiterten Schulrath zu besizen, dessen Aufgabe näher zu bestimmen, dessen Mitwirkung aber bei allen wichtigen Fragen erforderlich wäre, und daß außerdem noch erwägenswerth bleibe, ob nicht in die Fachlehrerkonferenzen des Polytechnikums Techniker

353 aus der Praxis, welche für jede Schule auf eine feste Amtsdauer von fünf Jahren zu bestellen wären, einzuberufen sein werden."1 Ueber dieses Postulat sprach sich der Schulrath unterm 3. Juni 1880 dahin aus, daß er entschiedene Reibereien vorsehe, wenn neben dem Schulrath und neben den Fachkollegien und Fachmännern der Schule noch ein besonderes permanentes Kollegium von Praktikern amten und dem Schulrathe und den Lehrerkonferenzen an die Seite, resp. gegenüber gestellt würde. Er glaubte indessen, daß den kundgegebenen Wünschen durch eine in das zu revidirende Reglement des Polytechnikums aufzunehmende Vorschrift entsprochen werden könnte, etwa des Inhalts, daß in einem angemessenen längeren Zeitraum von beiläufig drei zu drei Jahren jeweilen eine umfassende Enquête über den Zustand der Schule und die wünschbaren Verbesserungen von einer besondern Kommission anzustellen sei, in welcher der Schulrath oder ein Ausschuß desselben säße, sodann die Vorstände aller Abtheilungen, welche den wirklichen .fachlichen Generalstab der Schule bilden, endlich Zuzüger aus hervorragenden, in der Praxis betätigten Technikern, die der Bundesrath selbst bezeichnen könnte. Diese Kommission hätte über das Resultat ihrer Untersuchung einen Bericht zu erstatten, worauf Schulrath und Bundesrath das Nöthige beschließen würden. In seinen Vorschlägen zur Reglementsänderung der polytechnischen Schule vom 31. Januar 1881 gab dann der Schulrath dem vorstehend geäußerten Gedanken folgende präzisere Fassung : ,,Der Schulrath ernennt auf eine Amtsdauer von drei Jahren für die ersten sechs Abtheilungen des Polytechnikums je einen, resp. (für die Fachlehrer- und die landwirtschaftliche und forstwirthschaftliche Abtheilung) je zwei außerhalb der Schule stehende Fachmänner, welche derselbe über Fragen organisatorischer Natur zu Rathe ziehen und zur Abgabe von Gutachten veranlaßen wird. Diese Fachmänner haben das Recht, auch von sich aus ihre Wünsche in organisatorischen Fragen dem Schul rkthe vorzulegen. Dieselben sollen namentlich den Diplomprüfungen, sowie von Zeit zu Zeit den Vortragen und Repetitorien beiwohnen. Sie haben ihre Meinung namentlich auch über die Detailprogramme für den Unterricht abzugeben. Insofern hieraus erhebliche Meinungsdifferenzen gegenüber den Vorschlägen der Lehrerabtheilung sich ergeben, soll der Schulrath
vor seiner Schlußfaßung kontradiktorischen Meinungsaustausch zwischen den Fachmännern der Schule und diesen Experten veranstalten."

Im nämlichen Berichte sprach sich der Schulrath dahin aus, daß ihm die Frage sehr der Erwägung werth scheine, ob nicht der Schulrath um einige Mitglieder vermehrt und dabei den technisch gebildeten Kreisen außerhalb der Schule Rechnung getragen werden

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sollte. Damit, fügte er bei, würde vielleicht auch der proponirte, die Heranziehung von Experten betreffende Reglementsartikel überflüssig, dessen Ausführung gegenüber der Lehrerschaft und mit Rüksicht auf die nicht gesicherte Bereitwilligkeit gerade der bedeutendsten Praktiker doch große Schwierigkeiten voraussehen laße.

Aus dem vorstehend geschilderten Entwiklungsgang der Frage, ob die Mitgliederzahl des eidg. Schulraths zu vermehren sei, resultili deutlich, daß sowohl die schweizerischen Techniker als die nächsten Organe des Polytechnikums selbst die beste und richtigste Lösung in der That in einer Vermehrung der Mitglieder jener Behörde erbliken würden.

Diese von den kompetentesten Personen geäußerten Kundgebungen kann der ßundesrath seinerseits nur unterstüzen, und, unter Verzieht auf weitere Ausführungen, fügt er den namhaft geO ï O O machten Gründen noch zwei Erwägungen bei, welche ihm für die Vermehrung der Mitgliederzahl des Schulraths ausschlaggebend erscheinen. Die polytechnische Schule hat nämlich, im Vergleich zu ihrem ursprünglichen Bestände, durch die Anfügung weiterer Abtheilungen mit der Zeit eine ungeahnte Ausdehnung erhalten, und, wohl nur mit Rüksieht auf die früheren einfacheren Verhältnisse, nicht aber auf die seitherige große Entwiklung, wurde der Schulrath bloß aus einem Präsidenten und vier Mitgliedern, sowie drei Ersazmännern für die leztern bestellt (Art. 20 des Bundesgesezes, betreffend die Errichtung einer eidg. polytechnischen Schule, vom 7. Februar 1854, A. S. IV, i). Eine Vermehrung der Mitgliederzahl des Schulraths ist darum schon durch die Entwiklung und Ausdehnung des Polytechnikums angezeigt. Der leztere Umstand spricht aber auch dafür, für den Schulrath nicht länger mehr das Institut von Suppleantén aufrecht zu erhalten, welches z. B. wohl für ein Gerichtskollegium, wo die Aburtheilung eines einzelnen Falles in Betracht fällt, passend erscheint, nicht aber für eine Verwaltungsbehörde, bei welcher das einzelne Mitglied nothwendig einen Ueberblik über den ganzen Geschäftskreis besizen muß, um mit Verständniß und Erfolg bei der Leitung der ihr anvertrauten Anstalt sich betheiligen zu können.

ö Wir sehen uns deßhalb veranlaßt, Ihnen, in Abänderung des Gründungsgesezes des Polytechnikums, die Aufhebung der Suppleantenstellen des eidg. Schulraths, dagegen eine
Vermehrung der ständigen Mitgliederzahl dieser Behörde vorzuschlagen.

Durch Nachtragsgesez, betreffend die eidg. polytechnische Schule, vom 29. Januar J859 (A. S. VI, 152) ist der V o r b e r e i t u n g s-

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k ü r s a m P o l y t e c h n i k u m kreirt worden. Bei Gründung des Polytechnikums glaubte man von einem bleibenden Vorkurse Umgang nehmen zu können, weil ein solcher durch die Leistungen kantonaler Anstalten werde entbehrlich gemacht werden und übrigens in den allgemeinen Fächern der VI. oder philosophisch-staatswirthschaftlichen Abtheiluug ein Ersaz dafür vorhanden sei. Diese Annahme erwies sich indessen als eine irrige. Namentlich waren die Zöglinge aus denjenigen Kantonen übel daran, deren Unterrichtsanstalten nicht an das eidg. Polytechnikum anschließen oder nicht an dasselbe hinanreichen. Nur selten kam es vor, daß Angehörige solcher Kantone, denen es an eigenen Vorbereitungsschulen für das Polytechnikum gebricht, sich der Schulen anderer Kantone bedienten. In solchem Falle wurden vielmehr, unter Beiseitlaßung der vaterländischen Anstalt, in der Regel ausländische polytechnische Schulen aufgesucht, welche weniger strenge Eintrittsbedingungen stellen, als unser Polytechnikum laut dem betreffenden Gründungsgesez fordern muß. Im Weitern glaubte man die Erfahrung gemacht zu haben, daß die Schüler aus der welschen Schweiz, welche das Polytechnikum besuchen, nur selten mit der an demselben herrschenden Hauptsprache, nämlich dem Deutschen, so genugsam vertraut seien, um dem darin vorgetragenen Unterrichte mit vollem Verständnisse folgen zu können. Daß hierunter der Erfolg des Unterrichtes leiden muß, versteht sich von selbst. Diesem an keiner andern Anstalt in dem Maße vorkommenden Uebelstande umfaßend und gründlich abzuhelfen, schien nur durch Einführung eines Vorkurses, der sprachliche Ausbildung mit in sich begreift, erreicht werden zu können. Sodann machte man nicht selten die Wahrnehmung, daß junge, meistens 18--20jährige Männer, die ihre Bildung bloß in Sekundärschulen oder durch Privatunterricht erworben hatten, ins eidg. Polytechnikum einzutreten Willens waren, sich aber dafür zu schwach fühlten und dem Mangel ihrer Vorbereitung nicht durch den Besuch von Kantonsschulen abzuhelfen suchten, und zwar hauptsächlich deßhalb nicht, weil sie dadurch ihr Ziel nur auf großem Um weg hätten erreichen können. Es stellte sich dagegen heraus, daß wenn am Polytechnikum selbst ein Vorkurs eingeführt wäre, der den Unterricht auf einige wenige Fächer konzentriren würde und denselben auch weiter unten
beginnen könnte, als dieß bei den obersten Klassen der Kantonsschulen der Fall ist, es solchen auf einer höhern Stufe geistiger Entwiklung stehenden und gewöhnlich von großem Eifer beseelten jungen Männern nicht zu schwer wäre, in e i n e m Jahre bis zu einer Fachschule des Polytechnikums sich empor zu schwingen. In ähnlichem Falle befanden sich junge Leute, die vor der Zeit ihre kantonale Schule verließen, um sich mit ihrem künftigen Berufe frühzeitig praktisch vertraut zu machen, sei es, daß

356 sie bei einem Meister im Baufache, als Mechaniker in eine Werkstätte, als Lehrlinge in eine Apotheke oder als Gehilfen bei einem Ingenieur, Forstmeister u. s. w. eintraten und dort ein bis drei Jahre blieben.

Wenn solche Leute früher oder später die Unzulänglichkeit ihrer theoretischen Kenntnisse einsehen und dieselben vervollkommnen wollen, so möchte ihnen, wurde gefunden, hiezu keine bessere Gelegenheit als durch einen Vorkurs dargeboten werden.

Auf diese Motive gestüzt, wurde der Bundesversammlung durch die bundesräthliche Botschaft vom 12. Januar 1859 (Bundesblatt I, 67) die Errichtung des Vorkurses beantragt. Obwohl dieser Antrag dann zum Beschluß erhoben wurde, so ist hervorzuheben, daß in den gesezgebenden Räthen zahlreiche und gewichtige Stimmen gegen dieses Institut sich geltend machten. Die mit der Vorberathung des Antrages betraute nationalräthliche Kommission selbst sprach sich sogar mit Mehrheit gegen dessen Annahme aus. Es wurde dia Frage aufgeworfen, ob diese Neuerung nicht Nachtheile nach sich ziehen könnte, welche die erhofften Vortheile mehr als aufwägen würden. Man sprach die Befürchtung aus, daß dieses neue Rad einen Rükschritt im Erziehungswesen der Kantone herbeiführen und daß namentlich das Studium der deutschen Sprache da vernachläßigt werden würde, wo das Französische gebräuchlich sei. Die meisten Kantone seien in der Lage, bedeutende Opfer für ihre öffentlichen Bildungsanstalten bringen zu müßen, und die Zahl deidie obern Klassen besuchenden Zöglinge stehe gemeiniglich nicht im Verhältniß mit der Größe dieser Opfer. Es sei nun zu befürchten, daß, sobald man einmal wisse, daß am Polytechnikum ein Vorbereitungskurs bestehe, der das lezte Studienjahr vortheilhaft ersezen könne, die Kantonsregierungen sich veranlaßt finden werden, bisher mit großen Kosten erhaltene Lehrstühle aufzuheben, jedenfalls aber in ihren bisherigen Bestrebungen inné zu halten. -- Man befürchtete auch, es werden, ohne daß man es wolle, die Kantonsschulen ihren Unterricht ein Jahr früher als bisher beendigen, sowie daß die befürwortete Einrichtung für die Zöglinge der Kantonsschulen das werde, was man im täglichen Leben ein Ruhekissen (oreiller de paresse) nenne, und daß die jungen Leute, in der Erwartung, eiu so ernstlicher und anhaltender Fleiß sei nicht mehr nothwendig, nicht einmal für diesen
Vorkurs genügend vorbereitet eintreffen.

Was ganz besonders dazu beitrug, solche Befürchtungen rege zu machen, war, daß der schweizerische Schulrath selbst die Möglichkeit einer merklichen Verminderung der Schüler in den Kantonsschulen zugab. Endlich wurde auf die Uebelstände hingewiesen, welche sich an die Aufnahme von zu jugendlichen Schülern in die

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eidgenößische polytechnische Schule knüpfen. Ein dem proponirten an Wirksamkeit gleichkommendes Mittel, die jungen Leute für die polytechnische Schule vorzubereiten, schien der Mehrheit der nationalräthlichen Kommission in den Privatinstituten zu liegen, welche ohne Zweifel bald in der Nähe von Anstalten, wie unsere polytechnische Schule ist, entstehen würden, Institute, die in allen Hauptstädten der Nachbarländer blühen und gedeihen und die wirkliche Pensionen unter der Leitung eines oder mehrerer Professoren sind.

Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, daß laut Gesez vom 29. Januar 1859 der Vorkurs für Solche eingerichtet wurde, ,,welche wegen mangelhafter Vorkenntnisse oder wegen Sprachschwierigkeiten11' nicht sofort in eine der Abtheilungen der polytechnischen Schule aufgenommen werden können.

Was nun die Entwiklung und Frequenz des Vorkurses betrifft, so gibt hierüber die beigefügte Tabelle Aufschluß.

Die schon erwähnten Petitionen der Gesellschaft ehemaliger Studirender des Polytechnikums, sowie des schweizerischen Ingenieurund Architektenvereins befaßen sich ebenfalls mit dem Vorkurs und wünschen zum Eintritt in denselben namentlich dasselbe Maß von allgemeiner Vorbildung und dasselbe höhere Alter, wie für die Fachschulen, nachdem früherhin, nämlich im Jahre 1864, eine von Natioualrath Bernet aus St. Gallen eingebrachte Motion auf Wiederaufhebung des Vorkurses von den gesezgebenden Räthen abgewiesen worden war.

Diesen Begehren gegenüber betonte der schweizerische Schulrath in seinem ebenfalls schon erwähnten Bericht vom November 1879, daß der Vorkurs, aus der Natur unserer staatlichen Zustände hervorgewachsen, nothwendig und sehr nüzlich sei und sich bewährt habe. Unser Land, bemerkte er, sei in eine große Zahl kleinerer Staatsorganismen aufgelöst, denen ausschließlich alle Befugnisse auf dem in Frage stehenden vorbereitenden Unterrichtsgebiete zukommen, und viele dieser Kantone seien zu klein, um vollständig ausreichende Mittelschulen für den Vorbereitungszwek auf höhere technische Studien zu unterhalten. Jedenfalls aber fordere das Bedürfniß der Sprachvermittlung für unser Land ganz besonders noch für längere Zeit die Einrichtung des Vorkurses. Dieser enthalte zwei Unterabtheilungen, von denen der Unterricht je wesentlich in deutscher und wesentlich in französischer Sprache
gegeben werde. Dazu gebe derselbe, wo nicht genügende Sprachkenntniß ausgewiesen sei, den deutsch Sprechenden Unterrieht in der französischen, den französisch Sprechenden Unterricht in der deutschen

358 Sprache, den italienisch Sprechenden Unterricht in deutscher und französischer Sprache. Der Unterricht am Vorkurs müße auf wenige Fächer konzentrirt bleiben, und der Schulrath vermöge nicht einzusehen, daß angestrebte Veränderungen, Ergänzungen u. s. w. des Unterrichts an den Fachschulen, diesen gegebenen Grundcharakter der Organisation des Vorkurses wesentlich ändern werden.

Die hierauf am 11. und 12. Februar 1880 mit den Delegirten der schweizerischen Techniker stattgehabte Konferenz, in welcher auch der Vorkurs Gegenstand einer eingehenden Diskussion war, gelangte bezüglich dieses Institutes zu der Resolution : ,,Der Vorkurs hatte vor 20 Jahren seine Berechtigung und mag damals einem Bedürfniß entsprochen haben. Seither haben sich die Vorbereitungsschulen der Schweiz verbessert, es ist auch ein Technikum entstanden. Sowie die Verhältnisse jezt liegen und mit Rüksicht auf die angestrebten weitern Verbesserungen, ist kein Grund mehr da, den Vorkurs festzuhalten, zumal da derselbe in überwiegendem Maße nur von Fremden besucht wird, für welche wir keine Vorbereitungsschulen zu halten haben und deren schnelle Vorbereitung zum Besuche des Polytechnikums wir nicht einmal wünschen mögen.'1 Zur Vernehmlaßung über dieses Postulat eingeladen, sprach sich dei- Schulrath u. A. dahin aus : Sind auch einzelne weitere Vorbereitungsanstalten, indessen mehr allgemein abschließende Ge-' werbeschulen, als Vorbereitungsschulen des Polytechnikums, entstanden, an deren allgemeiner Hebung jedoch immer noch zu arbeiten und sie zu kräftigen ein Vergleich mit den Mittelschulen aller uns umgebenden Kulturvölker dringend ma.hnt, so bleiben immer noch eine große Zahl von Kantonen, welche tüchtige Vorbereitungsschulen für höhere technische Bildung nicht besizen und schwerlich in nächster Zeit solche erhalten werden. Wir nennen Wallis, Tessin, Sehwyz, Uri, die beiden Theile von Unterwaiden, Appenzell A. Rh.

und I.-Rh., Baselland, Glarus, bis jezt auch Zug (11 ganze und Halbkantone). Mit dem Tröste, diese sollen ihre Söhne zur Vorbereitung für einige Jahre in Schulen benachbarter größerer Kantone schiken, ist die Sache nicht abgethan. Die Verhältnisse, der Wille der Menschen, ihr Können und Vermögen richten sich nicht immer nach derartigen Weisungen, und es verbleibt eine Summe von anormalen Verhältnissen, welche
auszugleichen ist und für welche der Vorkurs ein zwekdienliches Mittel bietet. Wiederholt wurden auch wieder die Dienste hervorgehoben, welche der ganz spezifisch für die Sprachvermittlurig eingerichtete Vorkurs leiste, wofür die Zahl der Tessiner, die durch den Vorkurs den Uebergang in's Polytechnikum bewerkstelligten, besonders beweiskräftig erscheine.

Der Schulrath hielt dafür, daß alle jene Gesichtspunkte, welche bei

359 Einführung des Vorkurses ausschlaggebend waren, auch heute noch in gleicher Stärke fortbestehen, wie damals. Während einigen Jahren sei allerdings der Zuzug aus österreichischen Realschulen überaus stark gewesen, weil diese Schulen nur sechs Jahreskurse, nach vorausgegangenen fünf bis sechs Primarschulklassen, hatten.

Heute sei dies aber anders. Jene Schulen haben nämlich nunmehr sieben bis acht Jahreskurse und der übergroße Zuzug von dorther habe in Folge dessen aufgehört, die daherigen Uebelstände seien verschwunden und werden nicht wiederkehren. Der Schulrath hielt ausdrüklich seine Ansicht fest, daß in unserem Lande nicht nur ein einziger Weg (der Weg streng methodischen Schulbesuches vom 7. --18. Jahre) Anknüpfung an die höhern technischen Studien erhalten dürfe, sondern daß auch andere Wege gleichen Anspruch auf Berüksichtigung haben und zumal ein Anschluß aus der Praxis an die Theorie ermöglicht werden müße. An dieser Sachlage ändere die Existenz sogenannter Technika nichts. Diese bestehen neben den höhern technischen Schulen, stellen sich ein völlig anderes Ziel, knüpfen an geringere theoretische Kenntnisse an und leiten in andere Bahnen, als die höhern technischen Schulen. Auch die bisherigen Resultate, meint der Schulrath, verweisen den Vorkurs nicht zu den Todten. Wenn wohl zu der Zeit der allzugroßen Ueberfüllung die Durchschnittsresultate desselben etwas schwächer gewesen sein mögen, so seien durch den Vorkurs doch eine große Zahl vorzüglicher Schüler in ..das Polytechnikum gekommen, die jezt in hervorragenden Stellungen wirken. Endlich würde, vom finanziellen Standpunkt aus betrachtet, die Aufhebung des Vorkurses einen Ausfall von Einnahmen ergeben, der mindestens so groß wäre als die mögliche Ersparniß.

In derjenigen Konferenz, welche unser Departement des Innern zur Bei'athung eines neuen Aufnahmsregulativs für das eidgenößische Polytechnikum, sowie der dadurch eventuell nothwendig werdenden Reformen in den Programmen der kantonalen Vorbereitungsschulen auf den 24. Januar des laufenden Jahres einberufen hatte, gelangte der Vorkurs neuerdings zur Sprache. Hier wurde von einem Vertreter der welschen Schweiz der Antrag gestellt, es sei der Vorkurs abzuschaffen. Es wurde von dieser Seite gleichzeitig geltend gemacht, daß dieses Institut nur dazu diene, den kantonalen Schulen
Konkurrenz zu machen und daß speziell für die jungen Leute aus der französischen Schweiz der Vorkurs völlig unnöthig erscheine, da dieselben schon Mittel und Wege kennen, sich ohne jenes Institut die Kenntniß der deutschen Sprache anzueignen. An der Hand der in der Beilage mitgetheilten Statistik über die Frequenz des Vorkurses wurde von anderer Seite überdies der Nachweis geleistet,

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daß der Vorkurs aus der deutschen Schweiz einen viel stärkern Zuzug erhalte, als aus der französischen Schweiz, daß es daher mit dessen behaupteter Mission, zur Sprachen Vermittlung absolut nothwendig zu sein, kaum so weit her sein könne, wohl aber, daß derselbe vielmehr dazu diene, Leute an's Polytechnikum zu bringen, denen die nöthige Vorbildung fehle, wodurch allerdings die Quantität der Schüler gesteigert worden sei, die Qualität derselben aber Eintrag erlitten habe.

Der Antrag auf Aufhebung des Vorkurses erhielt darum eine um so größere Bedeutung, weil er vom Erziehungsdirektor eines französischen Kantons ausgegangen war und, kantonsweise zur Abstimmung gebracht, die Zustimmung der Erziehungsdirektoren erhielt, aus welchen hauptsächlich die Delegationen der Kantone bei jener Konferenz bestanden.

Der Bundesrath ist, nach Würdigung der für und gegen die Aufhebung des Vorkurses angeführten Gründe, zu der Ansicht gekommen, daß diese ausnahmsweise Einrichtung nicht länger aufrecht erhalten werden solle.

Wir nennen sie ,,ausnahmsweise Einrichtung"-, weil sie keinen integrirenden Bestandteil der polytechnischen Schule bildet, ebenso gut, als in Zürich, auch anderswo in der Schweiz etablirt sein und sogar an verschiedenen Orten in gleichartiger Weise und in beliebiger Zahl existiren könnte; weil sie als Vorbereitungsschule in die Kategorie der Mittelschulen gehört, welche voll und ganz in die Domaine der Kantone fallen. Leztere haben bekanntlich schon bei der Gründung derselben durch den Bund ernstliche Einwendungen gemacht, Einwendungen, welche indessen damals besondern Rüksichten weichen mußten.

Wenn wir die Entwiklung der im Jahr 1859 gegründeten Vorbereitungsschule von deren Beginn bis Ende des lezten Schuljahres überbüken, so sehen wir in vollem Grade bestätigt, was der Schulrath in einem seiner Berichte sagt, daß der Vorkurs ,,ein unnüzer Knecht jedenfalls nicht gewesen seia. Die Einrichtung wurde bald populär in der Schweiz und in noch höherem Maße außerhalb der Schweiz; die Zahl der Schüler stieg so, daß dieselbe innerhalb 12 Jahren auf das Vierfache angewachsen war, und mit Schluß des Schuljahrs 1879/80 ha.tte der Vorkurs im Ganzen nicht weniger als 1697 Schüler aufgenommen und größtentheils an die Fachschulen des Polytechnikums abgegeben. Es macht dies durchschnittlich per Jahr 80 Schüler,
welche -- bei einem Schulgelde von Fr. 100 -- der Kasse des Polytechnikums jährlich nicht weniger als Fr. 8000 lieferten. Wenn sich das Polytechnikum durch eine

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große Schülerzahl bemerkbar machte und schon von daher in Europa einen nicht geringen Namen hatte, so hat hiezu der Vorkurs uuläugbar wesentlich beigetragen. Und ,,ein unnüzer Knecht tt war der Vorkurs auch insofern nicht, als durch denselben eine schöne Zahl vorzüglicher Schüler in die Fachschulen gekommen und durch dieselben hindurchgegangen sind, Männer, welche bereits in hervortretenden Stellungen wirken.

Ebenso ist gewiß, daß diese Einrichtung manchem jungen Mann den Eintritt in polytechnische Studien ermöglicht hat, dem diese Carrière sonst verschloßen geblieben wäre.

Diesen Lichtseiten der fraglichen Einrichtung treten nun aber Schattenseiten gegenüber, welche erst allmälig, aber schließlich so deutlich zürn Bewußtsein gekommen sind, daß wir die aus der Schule hervorgegangenen Techniker sowohl, als die Erziehungsbehörderi der Kantone, welche höhere, vorbereitende Schulen besizen und pflegen, mit auffallender Uebereinstimmung gegen den Vorkurs sich erheben sehen.

Der Vorkurs trägt in der That die Mitschuld an dem Mangel, den die aus den technischen Kreisen des Landes hervorgegangenen Petitionen in allererster Linie signalisiren, den die Konferenzen aller Abtheilungen der Schule bestätigen, den auch der Schweiz.

Schulrath anerkennt und mit Recht als einen sehr gewichtigen betrachtet, nämlich an dem allzutiefen Stand allgemeiner Bildung einer großen Anzahl von Schülern bei ihrem Eintritte und -- scheuen dies Polytechniker nicht zu gestehen -- auch nach durchlaufener Schule. Um zunächst nur von den eintretenden Schülern zu sprechen, so mag es schon richtig sein, was der Bericht des Schulraths vom November 1879 bei Beginn seiner Erörterung erwidert, daß nämlich ,,die Hebung jenes in gewissem Grade nicht zu läugnenden Mangels offenbar nicht das Polytechnikum besorgen könne, diese Aufgabe vielmehr den Mittelschulen zufalle, von denen selbstverständlich das Polytechnikum immer die Großzahl seiner Schüler erhalten werde" ; aber wenn auch das Polytechnikum selbst dabei nicht in Frage steht, so steht doch der Vorkurs in Frage, für sich selbst und für die Rükwirkung, die er auf die Mittelschulen der Kantone ausübte und gemäß seiner Stellung ausüben mußte. Der Werth, den der Vorkurs auf allgemeine Bildung legte bei der Aufnahme der Schüler und bei deren Vorbereitung auf die polytechnischen Studien,
bestimmte die Behandlung der bezüglichen Fächer auch bei den vorbereitenden kantonalen Mittelschulen. Nun proklamiren die Jahresprogramme der polytechnischen Schule als Zwek des Vorbereitungskurses ^ Kandidaten, ,,welche aus der Praxis kommen tt oder ,,wegen

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mangelnder Vorkenntnissea oder ,,wegen Sprachschwierigkeiten'1 nicht sofort in die Fachschulen aufgenommen werden können, ,,in e i n e m Jahre zum Eintritte in dieselben zu befähigen"1! Diese Aufgabe war nur dadurch zu lösen, daß man die Postulate allgemeiner Bildung in den Hintergrund treten ließ und den Unterricht auf wenige, wesentlich mathematische und naturwissenschaftliche Fächer (Elementarmathematik, Physik, anorganische Chemie, Zeichnen) beschränkte, welche dann auch bei den Aufnahmsexamen in die Fachschulen unbedingt den Ausschlag gaben. Mag auch wiederholt betont worden sein, daß der Vorkurs nicht den Anspruch mache, Vorbereitungsschule zu sein : Thatsache ist, daß er die abschließende Vorbereitung für alle möglichen Bildungsstudien übernahm ; daß er alljährlich mehr Schüler in's Polytechnikum lieferte, als irgend ein Realgymnasium oder eine Kantonsschule des Landes, und daß er bei seiner Vorbereitung die Pflege der allgemeinen Bildung als durchaus untergeordnet behandelte. Und die mehr oder minder bewußte Konsequenz war die, daß auch bei den kantonalen vorbereitenden Schulen, wie der Bericht des Schulraths sagt, eine ,,auffällige Hintansezung tüchtiger allgemeiner Bildung" eintrat, welche Verirrung, wie wir aus den Eingaben der Vereine der schweizerischen Techniker ersehen, ihre schädlichen Wirkungen bis tief in das praktische Leben hinein fühlbar werden läßt.

Wir haben nun allerdings die Initiative ergriffen, um die Kantone zu einer Reform ihrer Mittelschulen im Sinne einer ernstlichen Vertiefung ihres Unterrichts und zwar vorab nach der Richtung allgemeiner Bildung zu veranlaßen, und dürfen, nach den Ergebnissen einer mit Delegirten der Regierungen abgehaltenen Konferenz, nicht daran zweifeln, daß die gestellten Postulate auch ihrerseits als begründet angesehen und die möglichsten Anstrengungen werden gemacht werden, um höhern Anforderungen in angedeutetem Sinne zu entsprechen ; aber wir glauben, daß diese Bestrebungen gelähmt, durchkreuzt, geschädigt werden, wenn der Vorkurs des Polytechnikums auch in Zukunft, wie bisher, bestehen bleibt.

Es war anfänglich nur von einer Reorganisation des Vorkurses O o die Rede. Auch er sollte,' den an die Vorbereitungsschulen der ~ Kautone gestellten Postulaten Rechnung tragend, seinen Plan ändern und den Fächern allgemeiner Bildung die zur
Vorbereitung für die polytechnischen Studien ihnen gebührende Bedeutung einräumen.

Allein dieses Ansinnen wurde von der Lehrerkonferenz der Abtheilung und ebenso vom Schulrathe als unmöglich abgelehnt.

Und nicht ganz mit Unrecht. Denn wenn der Vorkurs wirklich die Aufgabe erfüllen soll, all' die verschiedenen Leute, die aus irgend einem Grunde, wesentlich wegen mangelnder Vorkenntnisse,

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in die Fachschulen nicht eintreten können, in e i n e m Jahre zur Aufnahme zu befähigen, so kann wirklich keine Rede davon sein, eine irgendwie erklekliche Zeit auf Bildung ihres Denkens, ihrer Sprachgewandtheit, auf literarische und historische Studien zu verwenden. Alles dieses muß zurüktreten gegenüber dem Einen unumgänglich Nothwendigen, der konzentrirten summarischen Ausrüstung mit den mangelnden mathematischen und naturwissenschaftlichen Vorkenntnissen. An eine Umgestaltung des Vorkurses aber zu einer eigentlichen, ordentlichen, die Vorbildung des Polytechnikers v o l l s t ä n d i g übernehmenden Vorbereitungsschule von zwei oder drei Jahreskursen darf nicht gedacht werden : schon deßhalb nicht, weil damit eine Zentralvorbildungsschule geschaffen würde, die weder der Bund wollen, noch die Kantone dulden könnten, und auch deßhalb nicht, weil die Erfahrung in allen Ländern, welche mit ihren polytechnischen Anstalten sokhe Vorbereitungsschulen verbunden hatten, ohne Ausnahme zu deren vollständiger Abschaffung geführt hat.

Wir finden uns sonach vor die Alternative gestellt, entweder den Vorkurs auch ferner so, wie er war und ist, festzuhalten oder ihn aufzuheben. Geschieht das Erste, so haben wir mit Sicherheit zu gewärtigen, daß auch in Zukunft die gleichen Ursachen die gleichen Wirkungen zu Tage fördern werden. Es wird nicht gelingen, den aus den technischen Kreisen des Landes erhobenen Klagen über mangelhafte Vorbildung der Polytechniker Abhülfe zu schaffen : der Vorkurs wird für diese Vorbildung nichts Wesentliches mehr leisten, als er bis jezt geleistet hat, und an dem Bunde und seiner Schule werden die Kantone ein Exempel nehmen. Je mehr die Anforderungen für die andern wissenschaftlichen Berufsarten bezüglich gründlicher humanistischer und realistischer Vorbildung gesteigert werden, desto fühlbarer wird das Zurükbleiben für die Polytechniker sein, und je allseitiger gebildet die Techniker des Auslandes sein werden, desto mehr werden die schweizerischen, weniger vollkommen ausgerüsteten Techniker der Konkurrenz der erstem weichen müßen.

Wir halten es an der Zeit, daß das Polytechnikum sich auf seine eigentliche Aufgabe zurükziehe; daß es seine Aufnahmsbedingungen nach jeder Richtung auf die erforderliche Höhe stelle, um allseitig wohl vorbereitete, geistig gereifte Schüler zu erhalten ;
daß es streng über die Erfüllung dieser Aufnahmsbedingungen ·wache und nicht durch eigene Haltung einer Vorschule der Autorität gegenüber den Kantonen sich beraube, noch viel weniger durch Haltung einer den Anforderungen normaler und vollständiger Vorbildung nicht entsprechenden Vorschule das Niveau dieser Vor-

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bildung herunterdrüke, die Bestrebungen der zu Besserem bereiten Kantone erschwere und den Fortschritt hindere.

Den Gründen, welche für die Aufrechterhaltung des Status quo angeführt werden, können wir große Bedeutung nicht beimessen.

Was zunächst die Kandidaten betrifft, die aus der Praxis kommen, so soll denselben das Polytechnikum durchaus nicht verschießen werden. Allein es dürfte doch kaum gerechtfertigt sein, denen, welche für gut befunden haben, ihren vorbereitenden humanistischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Studiengang zu unterbrechen, um sich in Werkstatt und Laboratorium umzuthun, dadurch ein besonderes Privilegium zu gewähren, daß man für sie eine eigene Schule einrichtet, in welcher man sie, unter Beiseitlaßung aller Disziplinen allgemeiner Bildung, in kürzester Frist mit den notwendigsten mathematischen und naturwissenschaftlichen Kenntnissen ausrüstet, damit sie in der Fachschule mit ihren ehemaligen Genoßen der kantonalen Vorbereitungsschule wieder zusammentreffen. Die regulären Aufnahmsbedingungen müssen auch diesen Irregulären gegenüber aufrecht erhalten werden, und die gegenwärtige Organisation der VI. und VII. Abtheilung gibt ihnen alle nur wünschbaren Mittel an die Hand, um sich die, durch jene Bedingungen geforderte Vorbildung zu verschaffen.

Im Fernern soll der Vorkurs aufrecht erhalten werden für junge Leute aus Kantonen, welche keine eigenen , auf das Polytechnikum vorbereitenden Schulen besizen. Gewiß hat der Bund, indem er die polytechnische Schule gründete, nicht gleichzeitig die Pflicht übernommen, für die Angehörigen dieser Kantone noch eine Mittelschule zu gründen und zu unterhalten. Sollte er aber denselben aus freien Stüken diese ausnahmsweise Rüksicht schenken wollen, so müßte er es als seine Pflicht erachten , diesen Leuten eine nach allen Richtungen wohl organisirte und namentlich auch die allgemeine humanistische Vorbildung ernsthaft berüksichtigende Schule zu bieten. Kann er dies nicht -- und wir haben oben gesehen, daß und warum er es nicht kann -- so ist es in jeder Beziehung besser gethan, jene Jünglinge ihre Vorbildung an tüchtigen Vorbereitungsschulen anderer Kantone suchen zu laßen.

Noch weniger Bedeutung dürfte dem Motiv beizumessen sein, daß es hin und wieder junge Leute gebe, welche nach vollständig absolvirten humanistischen Gymnasialstudien
einem technischen Berufe sich zuzuwenden wünschen, und daß es nothwendig sei, diesen eine Uebergangsschule zu bieten, in welcher sie ihre mathematische und naturwissenschaftliche Bildung auf die zum Eintritt in das Polytechnikum erforderliche Höhe ergänzen könnten. Wir halten dafür, daß die Staatsbehörde in ihrer laudes väterlich en Sorge zu

365 ·weit geht, wenn sie bei Organisation der öffentlichen Schulen solche ausnahmsweise!! Velleitäten von Einzelnen besonders in Betracht ziehen zu müssen glaubt. So wenig man irgendwo Solchen, welche nach begonnenem und theilweise absolvirtem technischem Studiengange, ihren Lebensplan ändernd, die juridische, medizinische, theologische Carrière zu ergreifen sich entschließen, Extraanstalten zur Disposition stellt, zum Zweke, ihnen die rasche Erwerbung der für das Maturitätsexamen erforderlichen philologischen, historischen und philosophischen Kenntnisse zu sichern , so wenig scheint uns dies nöthig zu sein für Leute, welche sich im umgekehrten Falle befinden. Man darf ihnen die Sorge für die nöthige Ergänzung ihrer Vorstudien um so ruhiger selbst überlaßen, als es an Gelegenheit hiezu überall nicht mangelt und im Uebrigen Aspiranten, welche Maturitätszeugnisse gut organisirter Gymnasien vorweisen , für die Aufnahme in's Polytechnikum von vornherein die Begünstigung gewährt wird, daß von ihnen nur ein ergänzendes Examen über diejenigen Fächer verlangt wird, über welche der nöthige Kenntnißbesiz durch das Maturitätszeugniß nicht nachgewiesen ist.

Ganz besonderes Gewicht wird schließlich auf die Mission des Vorkurses gelegt, ,,der Sprachvermittlung" zu dienen.

Es kann dies mit Rüksicht darauf, daß die Kurse am Polytechnikum fast ausschließlich in deutscher Sprache gegeben werden, nur den Sinn haben, daß die Aspiranten aus der romanischen Schweiz in dem Vorkurse hinlänglich deutsch lernen, um den Vorträgen in den Fachschulen folgen zu können. Da nun aber der Vorkurs aus zwei Abtheilungen besteht, einer deutschen und einer französischen, die Hauptdisziplinen sowohl deutsch als französisch vorgetragen und die Repetitorien ebenfalls in beiden Sprachen abgehalten werden, und da ohne Zweifel die Schüler die Vorträge in der Sprache besuchen, welche ihnen geläufig ist, die Deutschen die deutschen Kurse und die Welschen die französischen, so fällt die Hauptaufgabe der Sprachvermittlung wohl wesentlich dem Kursus deutscher Sprache zu, welcher in 6 Stunden für die Angehörigen der französischen und italienischen Zunge gegeben wird.

Wenn man sich nun vergegenwärtigt, wie außerordentlich verschieden die Stufen sind, auf denen sich die mit einander in den Vorkurs Eintretenden bezüglich ihrer deutschen Sprachkenntnisse
befinden, so kann man sich nur schwer einen Begriff davon machen, wie e i n Lehrer in wöchentlich 6 Stunden allen diesen Leuten einen den verschiedenen Stufen angepaßten, fruchtbringenden Sprachunterricht soll ertheilen können , beziehungsweise wie der Vorkurs die betonte Mission der Sprachvermittlung ernsthaft und reell zu erfüllen im Stande sein soll.

Bundesblatt. 33. Jahrg. Bd. III.

24

366

Wenn wir sehen, wie die deutsch-schweizerischen Hochschulen,, namentlich Bern und Zürich , fortwährend von zahlreichen Angehörigen der romanischen Schweiz besucht werden, obschon dort in keinerlei Weise für Sprachvermittlung gesorgt wird, so müssen wir annehmen, daß leztere auch für das Polytechnikum nicht von der Bedeutung ist, welche ihr beigemessen wird, und wenn man darüber noch einen Zweifel haben könnte , so ist derselbe durch die Erklärungen beseitigt worden, welche in der Konferenz über das neue Aufnahmsregulativ von den Delegirten der Kantone Waadt, Neuenburg , Genf und Freiburg abgegeben worden sind und ganz entschieden dahin lauteten, daß der Vorkurs aufzuheben sei.

Indem wir uns auf diese Erörterungen beschränken, beehren wir uns,j nachstehenden Gesezentwurf Ihrer Genehmigung zu emO O pfehlem, und benuzen den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten.

Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 9. Juni

1881.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Droz.

Der Kanzler der Eidgenoßenschaft : Schieß.

Zur Seite 366.

Statistik der Frequenz des Vorbereitungskurses seit dessen Gründung.

l

Schweizer.

1859/60 1860/61 1861/62 1863/63 1863/64 1864/65 1865/66 1866/67 1867/68 1868/69 1869/70 1870/71 1871/72 187:2/73 1873/74 1874/75 1875/76 1876/77 1877/78 1878/79 1879/80

2 1

Aargau Appenzell Basel

1

2-

4

3

1

Solothurn . . .

St. Gallen Tessin Thurgau .

3 1

5 1 1 1

1

1

2

1 3

9 1

5

2

1 2

6

2

2 2 3 3 1

4

3 2

1 5 2 1

3 2 2 3 5

5 4 1

2 6 .1

1

2 2

2 4

3

1

1

3 2

4 1 1

2 1 3

1

1 5 1

1 1

2 1

1

1

4

2

2

1

4

1

3

4

4 2

1

2 1 1 1 3 1

1 1

1

1· 2 1

1 1

i

1 1

1

2

2 2 1

2

1

2 2

2

I_

1

3

3 2 2 2

4

5

3

1

Freiburg Genf Glarus .

Grau bünden Luzern Neuen bürg Schaffhausen Schwyz

4

2 1 5

1

6 1

4 1 2

2 2 1

2 2 1

3

5

4 1

2

3

3

1

1

3

4 1

3

1 1 1 1 3

1 1

4

2 4 1

1 1

3 5

2

1

6 1

1

1

1 5

2 2

1 1

1

1

1 1

i 12 3

3 4

3 1

2 1 1

4

1

1

41 6 10 55 18 24 11 30 19 30 25 8 9 18 63 10 2 ·i

1

11

5

8

9

11

8

15

·4

9

8

6

6

9

2

8

6

5

2

1

6

46 15 3 140

35 20

40 27

39 31

33 39

35 43

36 57

37 44

27 61

28 70

22 82

23 100

20 101

45 84

26 58

30 62

25

Ausländer

21 9

66

26 53

14 40

8 35

14 31

584 1112

Total

30

55

67

70

72

78

93

81

88

98

104

123

121

129

84

92

91

79

54

43

45

1697

Wallis Zug Zürich

1 1

1

Total Schweizer ,,

2

2

1 3 1

1

2

1

1

Waadt

1

2

1

Unterwaiden [Jri

2 1

Total.

1

367

(Entwurf)

Bundesgesez betreffend

Erhöhung der Mitgliederzahl des eidgenößischen Schulraths und Aufhebung des Vorbereitungskurses am eidgenößischen Polytechnikum.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 9. Brachmonat 1881, beschließt: Art. 1. Der Schulrath besteht aus einem Präsidenten und sechs Mitgliedern.

Er wird vorn Bundesrathe aus allen Schweizerbüi-gern, welche bei den Wahlen in den Nationalrath stimmberechtigt sind, gewählt.

Der Schulrath kann nur gültig verhandeln, wenn außer dem Präsidenten oder dessen Stellvertreter wenigstens drei Mitglieder anwesend sind.

Art. 2. Der Vorbereitungskurs an der polytechnischen Schule wird mit Ende des laufenden Schuljahres aufgehoben.

Art. 3. Die Artikel 20 und 23 des Bundesgesezes betreffend die Errichtung einer eidgenößischen polytechnischen Schule, vom 7. Hornung 1854 (A. S. IV, 1), und der Artikel l des Nachtragsgesezes betreffend die eidgenößische polytechnische Schule, vom 29. Jänner 1859 (A. S. VI, 152), sind aufgehoben.

Art. 4. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesezes vom 17. Brachmonat 1874 die Bekanntmachung dieses Gesezes zu veranstalten und den Beginn desselben festzusezen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Vermehrung der Mitglieder des eidg. Schulrathes und die Aufhebung des Vorkurses am eidg.

Polytechnikum. (Vom 9. Juni 1881.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1881

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

27

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

25.06.1881

Date Data Seite

350-367

Page Pagina Ref. No

10 011 128

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Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

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