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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Bewilligung eines Bundesbeitrages an den Kanton Waadt für die Korrektion des Avançon bei Bex.

(Vom 27. März 1911.)

Tit.

Der wolkenbruchartige Regen, der sich am 16./17. Juli 1910 über die Gegend von Bex ergossen hat, veranlasste unter anderem auch ein ausserordentliches Anschwellen des Avanconbaches.

Dieses Gewässer, das die Ortschaft Bex in ihrer ganzen Länge durchfliesst, wurde bis jetzt als harmlos betrachtet.

In der Denkschrift des Departements der öffentlichen Arbeiten des Kantons "Waadt, die bei Anlass der Landesausstellung in Genf vom Jahre 1896 erschienen ist, spricht sich der Verfasser des Berichtes über die Verbauung der Gryonne wie folgt über den zur Vergleichung herangezogenen Avancon aus : ,,Das Einzugsgebiet des Avançon gleicht demjenigen der Gryonne in keiner Weise. An Stelle eines einheitlich gelegenen, ausgedehnten Gebietes, zerfällt dasjenige des Avancon in eine Anzahl von kleineren, durch hohe Bergketten von einander getrennten Tälern, die sich, im allgemeinen nach Norden öffnen,

849 Diese Zerklüftung des Bachgebietes bewirkt eine günstigere Verteilung der Niederschläge, denn es ist äusserst selten, dass ein starker Regen sich gleichzeitig über die vier Becken erstreckt ; auch darf angenommen werden, dass in einem solchen Falle das Bett des unteren Laufes die Gesamtwassermenge nicht fassen würde. So lange man sich aber erinnern kann, hat eine einigermassen bedeutende Überflutung der Bachufer nie stattgefunden.tt Dieser aussergewöhnliche Fall ist nun im letzten Sommer eingetreten. Das Gewitter vom 16./17. Juli umfasste das Gebiet der Dent de Mordes und des Chamossaire, von St. Maurice bis nach Aigle, so dass alle Einhänge des Avançon gleichzeitig überregnet worden sind.

Das ganze Gebiet des Baches besitzt eine Flächenausdehnung von 80 km2. Nach den in Bex an Ort und Stelle gemachten Messungen berechnet sich die Höchstwassermenge zu 90 m 3 per Sekunde.

Dank der dichten Waldungen, die den FUSS des Grand Huveran bedecken und regulierend auf den Abfluss des Wassers einwirken, hat das Hochwasser, trotz des starken Gefälles, keine wesentlichen Schädigungen im oberen Lauf des Baches verursacht.

Aber oberhalb der Ortschaft Bex, unweit von der Sägereibrücke, hatte die Strömung eine Stützmauer zerstört, auf der ein mit Brettern gefüllter Schuppen stand. Die Trümmer dieses Schuppens und sein ganzer Inhalt wurden von den tosenden Fluten fortgerissen und unter den fast voll laufenden Öffnungen der nächsten zwei Brücken, dem Pont Neut und dem Pont du Kapaz, durchgeschwemmt.

Unterhalb des Pont du Rapaz befindet sich das etwa l m hohe Wehr der Firma Bourgeois. Die über dieses Wehr schwimmenden Bretter und Hölzer stemmten sich mit ihrem unteren Ende am Bachbett auf und lehnten sich mit dem oberen Ende an die unmittelbar unterhalb des Wehres befindliche Eisenbrücke (Pont du Cretel) ; das hierdurch vollständig abgesperrte Bachbett füllte sich nun rasch mit Geschieben an, welche von Uferanbrüchen bei der Mühle Payot und weiter bachaufwärts herrührten.

Das linksseitige Widerlager der Cretelbrücke wurde von dem sich einen Durchpass erzwängenden 'Wasser unterspült, der Eisenträger wurde abgehoben, von den Bretterhaufen, wie von einem Floss getragen, weggeführt und 400 m weiter bachabwärts an einer vorspringenden Hausmauer abgelegt.

850 Das Wehr der Papierfabrik veranlasste eine nochmalige Störung des Abflusses. Die abgeschwemmten Hölzer vertingen sich an den nur 0,57 m hoch gezogenen Fallen, es fand eine zirka 3 m hohe Überstauung des Wasserspiegels statt, die Ufer wurden überflutet und der Bach ergoss sich in die Strassen von Bex.

Die Einwohnerschaft, durch das waadtländische Aufgebot des Genie-Halbbataillons Nr. l verstärkt, machte sich unter der Führung der kantonalen Ingenieure mutig an die ebenso langwierigen als mühsamen Ausräumungsarbeiten.

Nachdem die in Eisenbeton erstellte Rapazbrücke gesprengt worden war, gelang es den Bach nach und nach in sein Bett zurückzudrängen und die im Wasser stehenden Häuser besser zu schützen.

Die Regierung des Kantons Waadt gab uns mit Zuschrift vom 12. August 1910 Kenntnis von dem infolge des Wolkenbruches vom 16./17. Juli im Gebiet des Avancen, der Gryonne und der Grande Eau verursachten Schadens, ersuchte um die Ermächtigung zur Inangriffnahme der dringendsten Hülfsarbeiten und stellte für später, so bald hierfür Zeit vorhanden, die Einreichung von Projekten für die Verbauung und Wiederherstellung dieser Wasserläufe in Aussicht.

Die verlangte Ermächtigung zur Vornahme dieser Arbeiten wurde unverzüglich durch unser Departement des Innern erteilt.

Am 10. Februar abhin sandte uns der Staatsrat das Projekt für die Korrektion des Avancen, mit einem Subventionsbegehrcn zuhanden.der eidgenössischen Räte und ersuchte uns, diesen das Projekt beförderlichst vorzulegen, damit die mit dieser Angelegenheit zu betrauenden Kommissionen möglichst bald bezeichnet und instand gesetzt werden, ihren Bericht ia der nachfolgenden Session der Bundesversammlung abzugeben.

Das Projekt, mit einem Kosten voranschlage im Betrag von Fr. 300,000, zerfällt in eine Reihe kleinerer Strecken, die einzeln zu korrigieren sind, um die angebrochenen Uferböschungen zu sichern und die Abflussverhältnisse zu verbossern, wo das Profil zu eng ist. An diese Arbeiten schliesst sich die Wiederherstellung der zerstörten Brücken und Wehre an.

Das l m oberhalb der Cretelbrücke eingebaute Wehr ,,Bourgeois" wird abgebrochen, wodurch eine Tieferlegung des Bachbettes ermöglicht wird.

851 Die Papierfabrik ist nach der Überschwemmung abgebrannt ; es ist nun nicht unwahrscheinlich, dass das zugehörige Wehr, nachdem es als eines der hauptsächlichsten Abflusshiodernisse erkannt worden ist, nach seiner Zerstörung nicht mehr hergestellt werden wird. Immerhin siud die Kosten für den Wiederaufbau dieses Werkes im Voranschlage enthalten.

Der allgemeine Kostenvoranschlag setzt sich wie folgt zusammen : 1. Uferbauten oberhalb der Brücke von Bévieux Fr.

2. Brücke von Bévieux mit Gesi-hiebesammler . ,, 3. Uferschutzbautea zwischen den Brücken von Bévieux und de la Scie ,, 4 a. Korrektionsarbeiten bei der Säge ,, 5. Fabrikwehr Payot in armiertem Beton ,, 6. Korrektionsarbeiten unterhalb dem Pont des Teintures ,, 7. Quai am rechten Ufer ,,en Beauregarda . . ,, 8./10. Korrektionsarbeiten oberhalb und unterhalb Léchand ,, 9./12. Rapaz- und Cretelbrücken ,, 13. Korrektionsarbeiten oberhalb der Strassenbrücke (Crochet) ,, 14. Wehr der Papierfabrik ,, 15. Stege aus armiertem Beton und andere Arbeiten ,,

38,500 8,200 7,000 43,000 6,900 20,000 43,000 61,500 10,000 9,000 11,300 11,600

Fr. 270,000 Ergangene Kosten für Not- und Schutzarbeiten während und nach der Überschwemmung zirka Zusammen

,,

30,000

Fr. 300,000

In den Voranschlägen der einzelnen Strecken sind 10 °/o der voraussichtlichen Arbeitskosten für Unvorhergesehenes und weitere 10% für allgemeine Unkosten angesetzt worden; die Einheitspreise sind eher höher berechnet als die bis jetzt mit den Unternehmern vereinbarten Preise.

Unser Oberbauinspektorat hat das Projekt geprüft und das Durchflussvermögen derjenigen Strecken berechnet, deren Querprofile ihm für den Abfluss der zu 90 m 8 per Sekunde angenommenen Hochwassermenge nicht genügend schienen.

Nach einem Augenschein, an dem auch der Oberingenieur der II. Abteilung des kantonalen Baudepartements teilnahm und

852 einer Besprechung mit dem Vorsteher dieses Departements wurde beschlossen, vor Eingabe der eigentlichen Ausfübrungsprojekte, das bereits eingereichte Vorprojekt im Sinne der Sohlenverbreiterung und der Erhöhung der Ufer teilweise abzuändern und zwar hauptsächlich in den Strecken Nr. 6, 8/10, 13 und 15.

Drei gewölbte steinerne Brücken (Pont Neuf, Pont de Crochet und Pont de Cotterd), deren Öffnungen zu eng sind, um dem maximalen Hochwasser freien Abfluss zu gewähren, werden durch Eisenbrücken mit genügender Spannweite ersetzt. Das Wehr ,,Payottt und allfällig auch dasjenige der Papierfabrik sollen so umgebaut werden, dass der Abfluss möglichst ungehindert erfolgen kann. Dazu kommen noch die Sicherungsarbeiten beim Elektrizitätswerk ,,en Sublin".

Die Kostenvermehrung für diese Änderungen berechnet sich zu Fr. 175,000, so dass die Summe des Gesamtvoranschlages sich auf Fr. 300,000 + Fr. 175,000 = Fr. 475,000 beziffert.

Wie schon erwähnt, gibt der Zustand des oberen Bachlaufes vorläufig keinen Anlass zur Beunruhigung; es wird sich später zeigen, ob es notwendig sein wird die Korrektion des unteren Laufes durch Verbauungen und Aufforstungen im Gebirge zu vervollständigen.

Die im allgemeinen sehr widerstandsfähige Bachsohle ist von der Strömung nicht angegriffen worden, die abgelagerten Geschiebe rühren von den unmittelbar oberhalb Bex gebildeten Uferanbrüchen her. Es ist übrigens wahrscheinlich, dass ohne den Zusammenbruch des Bretterschuppens und anderer Zufälligkeiten der Abfluss des Hochwassers sich günstiger gestaltet hätte und dass die von der Stauwirkung einzelner Brücken und Wehre herbei, geführte Überschwemmung leichter zu bekämpfen gewesen wäreAus diesen Gründen sind wir der Ansicht, dass das in erwähnter Weise abgeänderte Projekt genehmigt werden kann.

Die Korrektion desAvançon ist unzweifelhaft ein Werk öffentlichen Nutzens und ist daher von der Eidgenossenschaft zu subventionieren.

Mit Rücksicht auf die schweren Lasten, die der Kanton Waadt und besonders die Gemeinde Bex infolge der Anschwellungen des Avancen, der Gryonne und der Rhône zu tragen haben und im Hinblick auf die eidgenössischen Subventionen, die andere von Wasserverheerungen betroffene Kantone erhalten haben, glauben wir Ihnen für die Korrektion des Avançon die Bewilligung eines Bundesbeitrages von 50 °/o vorschlagen zu

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sollen. Die Arbeiten werden in den nächsten 4 bis 5 Jahren ausgeführt, so dass das jährliche Beitragsmaximum auf Fr. 50,000 und die erste Anzahlung auf das Jahr 1912 festzusetzen wären.

Wir erlauben uns somit, Ihnen den folgenden Beschlussentwurf zu unterbreiten und zur Genehmigung zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

achtung.

Bern, den 27. März 1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Buchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Zusicherung eines Bundesbeitrages an den Kanton Waadt für die Korrektion des Avancen bei Bex.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Schreiben der Regierung des Kantons Waadt vont 12. August 1910 und vom 10. Februar 1911; einer Botschaft des Bundesrates vom 27. März 1911; auf Grund des Bundesgesetzes betreffend die Wasserbaupolizei im Hochgebirge vom 22. Juni 1877, besehliesst: Art. 1. Dem Kanton Waadt wird für die Korrektion: des Avancon bei Bex ein Bundesbeitrag zugesichert.

Dieser Beitrag wird auf 50 °/o der wirklichen Kosten festgesetzt, bis zum Maximum von Fr. 237,500, als 50 °/o der Kostenvoranschlagssumme von Fr. 475,000.

Art. 2. Für die Ausführung dieser Korrektionsarbeiten: wird eine Bauzeit von fünf Jahren von dem Inkrafttreten der Beitragszusicherung (Art. 8) an gerechnet, eingeräumt.

855Art. 3. Das Ausführungsprojekt und der definitive Kostenvoranschlag bedürfen der Genehmigung des Bundesrates.

Art 4. Die Ausbezahlung der Subvention erfolgt im: Verhältnis des Fortschreitens der Arbeiten gemäss den von der Kantousregierung eingesandten und vom eidgenössischen Departement des Innern geprüften Kostenansweisen ; dasährliche Maximum beträgt Fr. 50,000 und ist zum erstenmal, im Jahr 1912 zahlbar.

Art. o. Bei Berechnung des Bundesbeitrages werden' berücksichtigt die eigentlichen Baukosten, einschliesslich die Expropriationen und die unmittelbare Bauaufsicht, dann die Kosten der Anfertigung des Ausführungsprojektes und der speziellen Kostenvoranschläge, ferner die Kosten der Aufnahme des Perimeters ; dagegen sind nicht in Anschlag zu bringen irgendwelche andere Präliminarien, die Funktionen von Behörden, Kommissionen und Beamtungen (von den Kantonen laut Art. 7 a des Wasserbaupolizeigesetzes zu bestellenden Organe), auch nicht die Kosten für die Geldbeschaffung und die Verzinsung.

Art. 6. Dem eidgenössischen Departement des Innern, sind jährliche Bauprogramme zur Genehmigung einzusenden.

Art. 7. Der Bundesrat lässt die planmässige Bauausführung und die Richtigkeit der Arbeits- und Kostenausweise kontrollieren. Die Kantonsregierung wird zu obigem Zwecke dem Beauftragten des Bundesrates die nötige Auskunft und Hülfeleistung zukommen lassen.

Art. 8. Die Zusicherung des Bundesbeitrages tritt erst in Kraft, nachdem vom Kanton Waadt die Ausführung der Arbeiten dieser Korrektion gesichert sein wird.

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Für die Vorlegung des bezüglichen Ausweises wird der Regierung eine Frist von einem Jahre, vom Datum dieses Beschlusses an gerechnet, gesetzt.

Der Bundesbeschluss fällt dahin, wenn der geforderte Ausweis nicht rechtzeitig geleistet wird.

Art. 9. Der Unterhalt der subventionierten Arbeiten ist gemäss dem eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetze ·vom Kanton Waadt zu besorgen und vom Bundesrate zu überwachen.

Art. 10. Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

Art. 11. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung desselben beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Bewilligung eines Bundesbeitrages an den Kanton Waadt für die Korrektion des Avançon bei Bex. (Vom 27.

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