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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Rekurs des Ami Julien Croix in Genf gegen den Bundesratsbeschluss vom 19. Dezember 1910 betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit.

(Vom 6. Juni 1911.)

Tit.

I.

Wir haben mit Beschluss vom 19. Dezember 1910 den Staatsrat des Kantons Genf für berechtigt erklärt, dem Ami Julien C r o i x die von ihm beanspruchte allgemeine Bewilligung zur Ausübung des Berufs eines Fussarztes so lange zu verweigern, bis der Rekurrent durch die Ablegung einer Prüfung bewiesen hat, dass er die für die Ausübung dieses Berufes notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt. Die nähern Verumständungen des Falles und die Gründe, die uns zur Abweisung des Rekurses veranlassten, gehen aus dem beigedruckten Entscheid hervor, auf den wir Sie verweisen

574 II.

Ami Julien Croix hat unsern Beschluss mit einer vom 15. Februar datierten und am gleichen Tag der Post übergebenen Eingabe an die Bundesversammlung weitergezogen und das Begehren gestellt, Ihre hohe Versammlung wolle den Bundesratsbeschluss vom 19. Dezember 1910 und, soweit nötig, auch den angefochtenen Beschluss des Staatsrates des Kantons Genf vom 1. Mai 1910 aufheben und den Rekurrenten berechtigt erklären, in Genf den Beruf eines Fussarztes auszuüben, und zwar ohne jede einschränkende Bedingung.

Zur Begründung seines Rekurses beruft sich Ami Julien Croix auf die gleichen Argumente, die er schon in seiner Beschwerdeeingabe an den Bundesrat geltend gemacht hat und die wir in unserm Entscheid vom 19. Dezember 1910 unter II der tatsächlichen Feststellungen wiedergegeben haben. Ferner macht er geltend : der Staat dürfe die Erlaubnis zur Ausübung gewisser Berufsarten nicht -- wie im vorliegenden Fall -- von Bedingungen abhängig machen, deren Erfüllung objektiv unmöglich sei. Tatsächlich bestehe in Genf keine Prüfungsbehörde, vor der sich die Fussärzte über ihre Kenntnisse ausweisen könnten. Dieselben müssten sich daher damit begnügen, den Behörden andernorts erlangte Fähigkeitsausweise vorzulegen. Da auch der Rekurrent ein solches Zeugnis vorgewiesen habe, hätte ihm die Ausübung seines Berufs ohne weiteres gestattet werden sollen.

III.

Der Staatsrat des Kantons Genf beantragt in seiner Eingabe vom 14. März 1911, mit Nachtrag vom 25. März 1911, die Abweisung der Beschwerde. Er beruft sich im wesentlichen auf die in unserm Beschluss vom 19. Dezember 1911 enthaltenen rechtlichen Erwägungen, denen er noch folgendes beifügt : Wenn man an dem Beschluss des Staatsrates vom 13. Mai 1910 etwas aussetzen könne, so sei es das, dass er dem Rekurrenten aus Nachsicht die Ausübung seines Berufes in seiner Badeanstalt gestatte. Allein es sei offenkundig, dass die zufällige Behandlung in einer Badeanstalt nicht auf gleiche Linie gestellt werden könne mit der Eröffnung eines Sprechzimmers, in dem der Fussarzt Leute mit eigentlichen Fusskrankheiten empfange, und mitunter schmerzhafte und nicht immer ungefährliche Operationen vornehme. Die dem Rekurrenten gegenüber geübte Nachsicht lasse

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sich daher in gewissem Sinne rechtfertigen. Unter keinen Umständen aber könne sie dazu führen, den Staatsrat zu zwingen, dem Rekurrenten die verlangte unbeschränkte Bewilligung zur Ausübung seines Berufes -- eine Bewilligung, die der Staatsrat für gefährlich hielte -- zu erteilen.

Bis jetzt habe der Direktor des kantonalen Gesundheitsamtes die von den Gesuchstellern vorgewiesenen Ausweise geprüft. Die genferischen Behörden seien aber bereit, die Abnahme eines vom Rekurrenten beantragten Examens anzuordnen.

IV.

Da der Rekurrent zu seiner Beschwerde an Ihre hohe Versammlung im wesentlichen nichts Neues vorgebracht hat, können wir uns darauf beschränken, auf die rechtlichen Erwägungen unseres Entscheides vom 19. Dezember 1910, sowie auf das in diesem Entscheid wiedergegebene Gutachten des eidgenössischen Gesundheitsamtes zu verweisen. Der vom Rekurrenten in der Beschwerdeeingabe hervorgehobene Umstand, dass in Genf keine regelmässigen staatlichen Prüfungen für Fussärzte abgehalten werden, ist irrelevant. Denn es wird vom Rekurrenten nicht verlangt, dass er im Kanton Genf eine staatliche Prüfung ablege.

Was von ihm verlangt wird und im Interesse der öffentlichen Gesundheit verlangt werden darf, ist, dass er irgend eine Prüfung besteht, durch die nach dem Urteil medizinischer Sachverständiger der Ausweis erbracht wird, dass er die für die Ausübung des Berufes eines Fussarztes notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt. Der Staatsrat des Kantons Genf ist übrigens bereit, dem Rekurrenten Gelegenheit zu geben, durch ein Examen sich über seine Kenntnisse und Fähigkeiten auszuweisen, sobald der Rekurrent um die Abnahme der Prüfung nachsucht. Dass die Genfer Behörden nicht verhalten werden können, das in unserm Entscheid sub I der tatsächlichen Feststellungen erwähnte Zeugnis des Ch. Tschäppät, der in Lausanne ohne behördliche Bewilligung und Kontrolle den Beruf eines Fussarztes ausübt, als genügenden Ausweis gelten zu lassen, bedarf keiner weiteren Erörterungen.

Wir beehren uns daher, Ihnen gestützt auf die Ausführungen, mit denen wir unsern Entscheid vom 19. Dezember 1910 begründet haben, die Abweisung der Beschwerde des Ami Julien Croix zu beantragen.

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Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 6. Juni

1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Ruchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

l Beilage.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Rekurs des Ami Julien Croix in Genf gegen den Bundesratsbeschluss vom 19. Dezember 1910 betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit. (Vom 6. Juni 1911.)

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14.06.1911

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