# S T #

92.057

Botschaft II über die Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht (Zusatzbotschaft II zur EWR-Botschaft) vom 15. Juni 1992

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen die zweite Zusatzbotschaft über die Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht mit dem Antrag auf Zustimmung.

Die Botschaft umfasst 24 allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse. Davon sind 21 Bundesbeschlüsse gemäss dem Entwurf zu Artikel 20 der Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung, den wir mit dem Bundesbeschluss über den Europäischen Wirtschaftsraum vorgeschlagen haben, dem Referendum entzogen, weil es sich um notwendige Anpassungen des Bundesrechts an das EWR-Recht handelt und diese gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft treten müssen. Dagegen enthalten drei Bundesbeschlüsse im Bereich der Sozialversicherung nicht unerlässliche Anpassungen an das EWR-Recht, sondern Änderungen des innerstaatlichen Rechts, welche wir aus innenpolitischen Gründen als unumgänglich erachten. Diese drei Bundesbeschlüsse müssen dem fakultativen Referendum unterstellt werden. Da sie aber aus materiellen und finanziellen Gründen gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft treten müssen, beantragen wir, sie gemäss Artikel 89 bis BV für dringlich zu erklären.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Juni 1992

520

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Vizepräsident: Ogi Der Bundeskanzler: Couchepin

1992-432

Uebersicht Nach der Botschaß vom 18. Mai 1992 über den Beitritt zum EWR und der ersten Zusatzbotschaft vom 27. Mai 1992 über die Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht unterbreiten wir Ihnen nun die zweite Zusatzbotschqft, welche 24 allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse in den folgenden Bereichen enthält: -

Verfahrensrecht (3 Erlasse) Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland Obligationenrecht (2 Erlasse) Verkehr (4 Erlasse) Fernmeldeverkehr Sozialversicherung (8 Erlasse) Arbeitsrecht (3 Erlasse) Bank- und Börsenwesen (2 Erlasse)

- Bauprodukte Mit diesen 24 allgemeinverbindlichen Bundesbeschllissen werden 28 Gesetze und 2 bestehende allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse geändert sowie 5 neue Erlasse geschaffen. Die neuen Erlasse betreffen die Durchßlhrung von Pauschalreisen, den Personentransport und den Zugang zum Beruf des Strassentransponeurs, die Information und Mitsprache der Arbeitnehmer, den Informationsaustausch im Börsenbereich und das Inverkehrbringen von Bauprodukten.

Drei der Bundesbeschlüsse im Bereich der Sozialversicherung enthalten Rechtsänderungen, die sich nicht notwendigerweise aus der Einführung des EWRRechts ergeben. Die vorgeschlagenen Aenderungen drängen sich jedoch aus sachlichen und finanziellen Gründen auf und sollten zudem auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWR-Abkommens vorgenommen werden. Der Bundesrat beantragt deshalb, sie dringlich zu erklären. Es handelt sich um den Bundesbeschluss über die Änderung des Gesetzes über die Alters- und Hinterbliebenenversicherung, den Bundesbeschluss über die Änderung der Invalidenversicherung sowie den Bundesbeschluss über die Änderung des Gesetzes über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung. Diese Bundesbeschlüsse dürfen folglich nicht dem Referendum entzogen werden.

19 Bundcsblail 143. Jahrgang. Bd.V

521

Inhaltsverzeichnis

l

Einleitung

2

Wissenschaft, Bildung und Kultur

2.1

Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten

3

Soziale Sicherheit und Gesundheit

3.1

Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über die berufliche Hinterlassenen- und Invalidenfürsorge

3.2

Bundesbeschluss über die Aenderung des Krankenversicherungsgesetzes

3.3

Bundesbeschluss über die Aenderung des Unfallversicherungsgesetzes

3.4

Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes Familienzulagen in der Landwirtschaft

522

über die

3.5

Dringlicher Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung

3.6

Dringlicher Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung

3,7

Dringlicher Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung

4

Verkehr und Fernmeldewesen

4.1

Bundesbeschlüsse über die Aenderung des Bundesgesetzes über den Transport im öffentlichen Verkehr, über die Aenderungen des Eisenbahngesetzes und des Bundesgesetzes über die schweizerischen Bundesbahnen;

4.2

Bundesbeschluss über die Personenbeförderung und den Zugang zu den Berufen des Strassentransportunternehmers

4.3

Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über Radio und Femsehen

523

5

Wirtschaft und Abgaben

5.1

Bundesbeschluss über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmer in den Betrieben

5.2

Bundesbeschluss über die Aenderung des Arbeitsgesetzes

5.3

Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes Arbeitsvermittlung und den Personalverleih

5.4

Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen

5.5

Bundesbeschluss über ein Uebergangssystera für den Informationsaustausch im Börsenbereich

6

Rechtsfragen

6.1

Bundesbeschlüsse über die Aenderung des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren, des Bundesrechtspflegegesetzes und des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege

6.2

Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland

6.3

Bundesbeschluss über Pauschalreisen

524

über

die

7

Oeffentliche Bauten

7. l

Bundesbeschluss über das Inverkehrbringen von Bauprodukten

525

Botschaft

l

Einführung

1.1

Zum Inhalt

Nach der Botschaft vom 18. Mai 1992 über das EWR-Abkommen und der ersten Zusatzbotschaft vom 27. Mai 1992 über die Anpassung des Bundesrechts an das EWRRecht unterbreiten wir Ihnen nun die zweite Zusatzbotschaft, welche die 24 folgenden allgemeinverbindlichen Bundesbeschlüsse enthält:

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren,

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesrechtspflegegesetzes,

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland,

Bundesbeschluss über Pauschalreisen, Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege,

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen, Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über den Transport im öffentlichen Verkehr,

Bundesbeschluss über die Änderung des Eisenbahngesetzes,

526

Bundesbeschluss über die Personenbeförderung und den Zugang zu den Berufen des Strassentransportuntemehmers, Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen, Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten, Bundesbeschluss über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmer in den Betrieben, Bundesbeschluss über die Änderung des Arbeitsgesetzes, Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih, Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV, Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung, Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung,

527

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Familienzulagen in der Landwirtschaft,

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen,

Bundesbeschluss betreffend ein Uebergangssystem für den Informationsaustausch im Börsenbereich,

Bundesbeschluss über das Inverkehrbringen von Bauprodukten.

Durch diese 24 allgemeinverbindlichen Bundesbeschlüsse werden 28 Gesetze und zwei bestehende allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse geändert sowie fünf neue Erlasse geschaffen. Die neuen Erlasse betreffen die Durchführung von Pauschalreisen, den Personentrarisport und den Zugang zum Beruf des Strassentransporteurs, die Information und Mitsprache der Arbeitnehmer, den Informationsaustausch im Börsenwesen und das Inverkehrbringen von Bauprodukten.

Der Entwurf zum Beschluss über den Schutz von Topographien von integrierten Schaltungen, welcher ursprünglich in dieser zweiten Botschaft vorgesehen war, muss hier nicht mehr aufgenommen werden, weil die Anpassung des schweizerischen Rechts an das EWR-Recht durch das Topographiengesetz vorgenommen wird (BB1 1989 m 477 ff.). Der derzeitige Stand der parlamentarischen Beratung dieses Gesetzes dürfte eine Inkraftsetzung auf den 1. Januar 1993 erlauben. Der Gesetzesentwurf ist zur Zeit im Differenzbereinigungsverfahren der beiden Kammern. Folglich könnte er vom Parlament in der ausserordentlichen Session vom August und September 1992 verabschiedet werden.

Von diesen Bundesbeschlüssen sind 21 gemäss dem Entwurf von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung, den wir Ihnen mit dem Bundesbeschluss über den Europäischen Wirtschaftsraum vorschlagen, dem Referendum entzogen (vgl. Botschaft vom 18. Mai 1992 über die Genehmigung des Abkommes über den Europäischen Wirtschaftsraum). Dagegen müssen drei Bundesbeschlüsse im Bereich der Sozialversicherung dem Referendum unterstellt werden.

528

1.2

Bundesbeschlüsse im Bereich der Sozialversicherungen

Die Bundesbeschlüsse über die Aenderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, über die Aenderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung und über die Aenderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV enthalten Rechtsänderungen, die sich nicht notwendigerweise aus dem EWR-Recht ergeben. Es handelt sich um Neuerungen in bezug auf die freiwillige Versicherung der Auslandschweizer, die ausserordentlichen Renten, die Hilflosenentschädigungen und die Viertels- und Härtefallrenten. Diese Aenderungen drängen sich aus sachlichen und finanziellen Gründen auf. Insbesondere sollen beachtliche Mehrkosten bei diesen drei Versicherungen verhindert werden. Zu diesem Zweck ist es unerlässlich, dass die Aenderungen bereits zu Beginn des Inkrafttretens des EWR-Abkommens vorgenommen werden. Jeder Verzug in dieser Hinsicht hätte zudem die negative Folge, dass der Bund verpflichtet wäre, für eine befristete Zeit neue Verwaltungsstrukturen aufzubauen, um den Verpflichtungen, die sich aus dem EWR-Abkommen ergeben, im Rahmen des geltenden Rechts nachzukommen. Deshalb schlagen wir Ihnen vor, diese drei Bundesbeschlüsse nach Artikel 89bis der Bundesverfassung als dringlich zu erklären. Gemäss Artikel 89bis Absatz 2 der Bundesverfassung unterliegen diese Beschlüsse dem fakultativen Referendum.

1.3

Politische Bedeutung der Vorlagen und Handlungsspielraum des Gesetzgebers

Von den in dieser zweiten Botschaft dargelegten Entwürfen haben die vorgeschlagenen Aenderungen im Bereich der Alters- und Hinterlassenenversicherung, der Invalidenversicherung und der Ergänzungsleistungen die wichtigsten politischen Auswirkungen, Es handelt sich dabei einerseits um Aenderungen, bei denen der Gesetzgeber über den grössten Handlungsspielraum verfügt, da sie nicht für die Anpassung des Bundesrechts ans EWR-Recht notwendig sind, andererseits sollen die Aenderungen dem fakultativen Referendum gemäss Artikel 89bis Absatz 2 der Bundesverfassung unterliegen, falls sie durch das Parlament genehmigt werden.

529

Die übrigen Entwürfe haben zum Teil eine gewisse politische Bedeutung wie beispielsweise der Entwurf

des Bundesbeschlusses über die Information und

Mitsprache der Arbeitnehmer in den Betrieben. Tatsächlich haben Volk und Stände 1976 sowohl die Volksinitiative der Gewerkschaften wie auch den Gegenentwurf des Parlamentes im Bereich der Mitbestimmung verworfen. Verschiedene spätere Entwürfe haben zu keinem Ergebnis geführt, und im Juni 1990 hat der Nationalrat beschlossen, alle parlamentarischen Vorstösse bezüglich Mitbestimmung von der Geschäftsliste zu streichen. Aus diesem Grund beschränkt sich der Ihnen unterbreitete Entwurf auf das aus der Sicht des EWR-Rechts absolut Unerlässliche. Im übrigen ist der Handlungsspielraum des Gesetzgebers in diesem Bereich eingeschränkt.

Die Aenderung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland ist ebenfalls politisch wichtig, weil ab dem l, Januar 1993 EWRStaatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz das Recht haben werden, hier Grundstücke für ihren Hauptwohnsitz zu erwerben. Unternehmen aus dem EWR werden die für die Ausübung ihrer Tätigkeiten notwendigen Grundstücke erwerben können. Auch hier beschränken sich die vorgesehenen Aenderungen auf das auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens streng Notwendige. In diesem Bereich ist der Handlungsspielraum des Gesetzgebers ebenfalls eingeschränkt.

Der Bundesbeschluss über das Inverkehrbringen von Bauprodukten, der eine Kontrolle der auf den Markt gebrachten Bauprodukte einführt, hat ebenfalls eine gewisse politische Bedeutung, weil er eine Verantwortung des Produzenten für die Prüfung der Bauprodukte und eine Pflicht zur Kontrolle von Bauprodukten einführt. Auch hier beschränkt sich der Entwurf auf das unerlässliche Minimum. Bezüglich des Handlungsspielraums des Gesetzgebers betrifft dieser im wesentlichen die Wahl der Mittel und der Verfahren zur Umsetzung der Richtlinie.

In Bereichen wie denjenigen des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren, die Bundesstrafrechtspflege, die Organisation der Bundesrechtspflege und der Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten sowie des Arbeitsgesetzes ist hingegen die politische Bedeutung beschränkt, da es sich vornehmlich um technische oder formelle Anpassungen handelt.

530

1.4

Legislaturplanung

Die Anpassung des schweizerischen Rechts ans EWR-Recht ist im Bericht über die Legislaturplanung 1991-1995 in Ziffer 2.1.2. (S. 44 ff.) vorgesehen.

1.5

Verfassungsmässigkeit

Die verfassungsmässige Grundlage für die Zuständigkeit des Parlamentes zum Erlass von allgemeinverbindlichen, dem fakultativen Referendum nicht unterliegenden Bundesbeschlüssen ergibt sich aus Artikel 20 der Uebergangsbestimmungen der Bundesverfassung. Dieser Artikel ist Ihnen zusammen mit der Botschaft über das EWR-Abkommen im Bundesbeschluss über den Europäischen Wirtschaftsraum unterbreitet worden.

Hinsichtlich der Entwürfe der Bundesbeschlüsse über die Aenderung der Bundesgesetze über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, über die Invalidenversicherung sowie über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV schlagen wir Ihnen vor, sie in der Form dringlicher Bundesbeschlüsse gemäss Artikel 89bis Absatz 2 der Bundesverfassung zu erlassen. Gemäss Artikel 89bis Absatz 2 der Bundesverfassung unterliegen diese Beschlüsse dem fakultativen Referendum.

531

Wissenschaft, Bildung und Kultur

92.057-27

2.1 Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten

l

Allgemeines

1.1

Ausgangslage

Im Hinblick auf die Gewährleistung eines möglichst freien Warenverkehrs verfolgen die EG eine zielstrebige Politik zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse.

Kernpunkt dieser Politik ist eine länderübergreifende Harmonisierung der technischen Vorschriften und Normen sowie der Konformitätsbewertungsverfahren. Die Grundsätze hiezu sind vom Europäischen Rat in seiner Entschliessung vom 7. Mai 19851 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung skizziert (Neue Konzeption).

1.2

Harmonisierung der Produkteanforderungen

Nach der Neuen Konzeption hat der Rat zur Angleichung des technischen Rechtes unter den Mitgliedstaaten Richtlinien zu erlassen, die nur noch die grundlegenden Anforderungen zu enthalten haben, welche die Produkte zum Schutz der Gesundheit, der Sicherheit, der Umwelt oder der Verbraucher erfüllen müssen (HarmonisierungsrichÜinien). Zur Konkretisierung der grundlegenden Anforderungen wird auf harmonisierte technische Normen verwiesen, die im Auftrag der EGKommission (und der EFTA) vom "Comité Européen de Normalisation (CEN)", vom

1

ABI. Nr. C 136 vom 4.6.1985

532

"Comité Européen de Normalisation Electronique (CENELEC)" oder vom "Européen Télécommunications Standardization Institute (ETSI)" ausgearbeitet werden.

Erfüllt ein Produkt die Normen, auf die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien der EG verwiesen wird, so gilt die gesetzliche Vermutung, dass dieses Produkt den grundlegenden Anforderungen entspricht. Um innovativen Technologien den Zugang nicht zu versperren, ist die Anwendung technischer Normen auch nach Einführung der Neuen Konzeption in der EG freiwillig. Damit soll jeder Hersteller weiterhin die Möglichkeit haben, sein Produkt nach anderen oder überhaupt keinen Normen herzustellen. In diesem Fall findet allerdings eine Umkehr der Beweislast statt, indem nun der Hersteller oder Inverkehrbringer nachweisen muss, dass die grundlegenden Anforderungen auf andere, gleichwertige Weise erfüllt sind.

Der Bereich, der durch Harmonisierungsrichtlinien der EG abgedeckt ist, wird als "harmonisierter Bereich" bezeichnet; der übrige Bereich gilt als nicht harmonisiert.

1.3

Harmonisierung der Verfahren zur Konformitätsbewertung

Eine Harmonisierung der Produkteanforderungen allein genügt jedoch nicht, um alle technischen Handelshemmnisse zu beseitigen. Unterschiedliche nationale Verfahren zur Ueberprüfung der Uebereinstimmung der Produkte mit den grundlegenden Sicherheitsund Gesundheitsanforderungen können sich ebenfalls handelshemmend auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr auswirken. Aus diesem Grund haben die EG in Ergänzung zur Neuen Konzeption im Dezember 1989 eine Entschliessung für die Konformitätsbewertung2 verabschiedet. Diese wurde ein Jahr später durch einen Beschluss des Rates Nr. 90/683 vom 13- Dezember 1990 über die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Module für die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertung vervollständigt (Globales Konzept)3.

Im Globalen Konzept beschreibt die Kommission die verschiedenen Elemente ihrer Konformitätsbewertungspolitik. Zum einen werden die Kriterien einheitlich festgelegt, welche Stellen zu erfüllen haben, die die Konformität von Produkten mit den

2 ABI. Nr. C 10 vom 16.1.1990 3

ABI. Nr. L 380 vom 31.12.1990, S. 13

533

grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen bewerten. Zum andern werden die Verfahren abschliessend bestimmt, Produkten zur Anwendung gelangen.

Konformitätsbewertungsverfahren ist es, die Anerkennung von Prüfergebnissen und

die bei der Konformitätsbewertung von Ziel der Vereinheitlichung der Voraussetzungen für die gegenseitige Konformitätsnachweisen durch die

Mitgliedstaaten zu schaffen. Damit kann ein in einem EG-Land rechtmässig in Verkehr gesetztes Produkt in den andern Mitgliedländern ohne Wiederholung der Konformitätsbewertung frei zirkulieren.

Erfüllt ein Produkt die nach Gemeinschaftsrecht von ihm verlangten Anforderungen und wurden alle für das betreffende Erzeugnis vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt, so ist der Hersteller berechtigt, das Konformitätszeichen "CE" anzubringen. Ohne dieses Zeichen darf in den EG kein Produkt in Verkehr gesetzt werden, das Gegenstand einer Harmonisierungsrichtlinie ist. Damit sind im harmonisierten Bereich die Voraussetzungen sowohl für die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsnachweisen als auch für die Verwendung des Konformitätszeichens einheitlich geregelt.

1.4

Cassis de Dgon-Prinzip4

Für Erzeugnisse, für die auf Gemeinschaftsebene bisher noch keine Harmonisierungsrichtlinien erlassen wurden, also im nicht harmonisierten Bereich, ist der freie Warenverkehr im Rahmen von Artikel 30 EWG-Vertrag5 gewährleistet. Nach konstanter Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes fallen unterschiedliche nationale technische Vorschriften unter die in Artikel 30 EWG-Vertrag verbotenen Massnahmen mit gleicher Wirkung wie die mengenmässige Beschränkung der zulässigen Einfuhr von Produkten. Aufgrund dieses von der Rechtsprechung entwickelten sog. "Cassis de Dijon-Prinzips" ist jedes aus einem Mitgliedstaat eingeführte Erzeugnis grundsätzlich im Hoheitsgebiet des anderen Mitgliedstaates zuzulassen, sofern es rechtmässig hergestellt und in Verkehr gesetzt wurde. Nach dieser Rechtsprechung lassen sich Einschränkungen des freien Güterverkehrs aus Gründen wie z.B. dem Umwelt- oder dem Konsumentenschutz rechtfertigen.

4

Urteil des EuGH vom 20.2.1979 in der Rechtssache 120/78

5

Art. 11 EWR-Abkommen

534

1.5

Die Neue Konzeption im Bereich der Apparate und Maschinen

Der zentrale Erlass der EG zur Realisierung der Neuen Konzeption im Bereich der Apparate und Maschinen ist die Richtlinie Nr. 89/392 des Rates vom 14, Juni 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Maschinen (Maschinenrichtlinie)6. Sie gehört zu dem im EWR-Abkommen festgehaltenen Acquis.

Die weiteren zu übernehmenden Richtlinien im Bereich der Apparate und Maschinen, die vornehmlich die Anforderungen an bestimmte Maschinen oder Maschinengruppen festlegen, sind unter Ziffer 7.2114 der EWR-Botschaft (BB1 1992 IV 1) erwähnt. Da sich die notwendigen Anpassungen auf Gesetzesebene aus der Maschinenrichüinie ergeben, beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen im wesentlichen auf diese Grundsatzrichtlinie und deren Auswirkungen auf die schweizerische Gesetzgebung. Die Anpassungen an die übrigen Richtlinien des Acquis können sodann auf Verordnungsstufe erfolgen.

1.6

Grundzüge der Maschinenrichtlinie

Die Maschinenrichtlinie legt in ihrem Anhang I die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen fest, die bei der Herstellung von Maschinen zu beachten sind.

Vorn Geltungsbereich ausgenommen sind verschiedene spezielle Maschinengruppen, für die separate Richtlinien gelten oder geplant sind (Art. 1), Die Mitgliedstaaten sind gehalten, das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Maschinen, die den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen, in ihrem Gebiet nicht zu verbieten, zu beschränken oder zu .behindern (Art. 4). Sie müssen ausserdem die Fundstellen der nationalen Normen, welche internationale Normen umsetzen, veröffentlichen (Art. 5), Der Hersteller von Maschinen oder sein in der Gemeinschaft niedergelassener Bevollmächtigter muss die Uebereinstimmung mit den Bestimmungen der Richtlinie im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens nachweisen und das EG-Zeichen an der Maschine anbringen (Art. 8 ff.).

6

ABI. Nr. L 183 vom 29.6.1989, S. 9, geändert durch die Richtlinie Nr. 91/368 vom 20.6.1991 (ABI. Nr. L 198 vom 22.7.1991, S. 16)

535

1.7

Vergleich mit der schweizerischen Sicherheit von Maschinen

Gesetzgebung über die

Das Gegenstück zur Maschinenrichtlinie stellt in der Schweiz das Bundesgesetz vom 19. März 1976 über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (STEG)7 dar. Der Geltungsbereich des STEG deckt sich mit demjenigen des hier umzusetzenden Regelungsbereiches (Maschinenrichtlinie sowie die weiteren unter Ziffer 7.2114 der EWR-Botschaft erwähnten Richtlinien). Er umfasst Maschinen, Apparate, Anlagen, Werkzeuge und Schutzausrüstungen, die beruflich und ausserberuflich verwendet werden (Art. 2 Abs. l STEG). In grundsätzlicher Uebereinstimmung mit der Neuen Konzeption der EG geht das STEG davon aus, dass die technischen Einrichtungen und Geräte den anerkannten Regeln der Technik entsprechen müssen (Art. 3 STEG). Ebenso ist vorgesehen, dass Abweichungen von den technischen Bestimmungen möglich sind, wenn nachgewiesen wird, dass auf andere Weise ein genügender Schutz gewährleistet ist (Art. 4 Abs. 2 STEG). Sowohl im STEG wie auch in der Maschinenrichtlinie der EG ist eine nachträgliche Kontrolle (Marktüberwachung) vorgesehen, die erst dann eingreift, wenn festgestellt wird, dass Produkte im Verkehr sind, die nicht sicher sind.

Wie bereits in der Botschaft zum EWR-Abkommen unter Ziffer 7.2114 Buchstabe b ausgeführt ist, kennt die EG-Regelung, neben der weitgehend repressiven Marktüberwachung, wichtige präventive Voraussetzungen für das Inverkehrbringen von Produkten, die im STEG nicht geregelt sind: Im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens wird der Nachweis (allenfalls mittels Prüfungen) der Uebereinstimmung mit den harmonisierten technischen Normen, das Ausstellen einer EG-Konformitätserklärung durch den Hersteller oder seinen in der Gemeinschaft niedergelassenen Bevollmächtigten und das Anbringen des EG-Zeichens an der Maschine verlangt.

1.8

Grundzüge der notwendigen Anpassungen

Da im STEG das Konformitätsbewertungsverfahren nicht verankert ist, muss wenigstens eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die nähere Ausführung des betreffenden Verfahrens durch den Bundesrat ins Gesetz aufgenommen werden. Femer

7 SR 819.1

536

gut es, die im STEG bereits in den Ansätzen vorhandenen gesetzlichen Grundlagen zur Harmonisierung der Produkteanforderungen mit den harmonisierten Vorschriften zu verdeutlichen. Weiter müssen die Bestimmungen für den nicht harmonisierten Bereich dem neuen Konzept angepasst werden; eine unterschiedliche Konzeption für den harmonisierten und den nicht harmonisierten Bereich wäre nämlich nicht praktikabel.

Eine ausdrückliche Regelung des Cassis de Dijon-Prinzipes ist indessen nicht erforderlich, da es sich um einen Entscheid des EG-Gerichtshofes handelt, der für alle EWR-Mitgliedstaaten bindend ist (Art. 6 EWR-Abkommen).

Die Kontrolle der auf dem Markt befindlichen technischen Einrichtungen und Geräte auf ihre Ueberein Stimmung mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen (nachträgliche Kontrolle, Marktüberwachung) kann grundsätzlich im Rahmen der bereits bestehenden Strukturen, wie sie in der Ausführungsverordnung zum STEG geregelt sind, sichergestellt werden. Im Rahmen des Erlasses der Ausführungsverordnung zum angepassten STEG wäre zu prüfen, ob der bisher recht komplizierte Vollzugspluralismus gestrafft und vereinfacht werden könnte. Zur Tragung der Kosten der nachträglichen Kontrolle durch die Vollzugsorgane ist die Möglichkeit, Gebühren zu erheben, gesetzlich vorzusehen. Da mit der Einführung des Konformitätsbewertungsverfahrens, trotz der Beibehaltung der bestehenden Organisation der Marktüberwachung, eine Vermehrung der zu bewältigenden Arbeit zu erwarten ist (grössere Auswahl von Produkten), sind bei den Vollzugs- und Aufsichtsorganen zusätzliche Arbeitskräfte erforderlich. Auf der Ebene des Bundes werden voraussichtlich zwei neue Etatstellen bewilligt werden müssen.

2

Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Aenderungen

Artikel 2 Abssatz 3 Begriffe

Im Zusammenhang mit der Neuen Konzeption spielt der Begriff der harmonisierten Norm eine wichtige Rolle; er soll deshalb im Gesetz umschrieben werden.

20 Bundesblatt 143.Jahrgang. Bd.V

537

2. Kapitel:

Voraussetzungen für das Inverkehrbringen

Aenderung des Gliederungstitels

Neben den zu erfüllenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen wird neu auch das Konformitätsbewertungsverfahren, welches Voraussetzung für das Inverkehrbringen ist, unter dem 2, Kapitel geregelt. Aus diesem Grund schlagen wir eine offenere Formulierung als im bisherigen Gliederungstitel vor.

Artikel 3

Grundsatz

In den Richtlinien über die Apparate und Maschinen, die nach der Neuen Konzeption verfasst sind, wird allgemein auf die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen verwiesen. Um Abweichungen zu vermeiden, soll die gegenüber der geltenden Formulierung kürzere Fassung der Maschinenrichtlinie übernommen werden. Letztere bringt auch den Grundsatz der Neuen Konzeption besser zum Ausdruck (Abs. 1).

Nach dem Globalen Konzept dürfen technische Einrichtungen und Geräte, für die nachgewiesen und bescheinigt ist, dass sie die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen erfüllen, auf den Markt gebracht werden. Dieser Grundsatz ist im Gesetz festzuhalten (Abs. 2). Er bringt zum Ausdruck, dass fortan ausschliesslich der Hersteller von technischen Einrichtungen und Geräten für den Nachweis der Sicherheit seines Produktes verantwortlich ist.

Artikel 4

Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen

Wie unter Ziffer 1.2 ausgeführt wurde, geht die Neue Konzeption davon aus, dass in den Richtlinien der EG nur noch die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen enthalten sein sollen. In diesem harmonisierten Bereich reicht die Uebemahme des EWR-Rechtes aus. Indessen soll die Neue Konzeption der EG, aus Gründen der Praktikabilität, auch im nicht harmonisierten Bereich massgebend sein. Auch hier soll der Bundesrat die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen festlegen können. Es drängt sich deshalb auf, eine

538

generellere Formulierung als im bisherigen Artikel 4 Absatz l STEG zu wählen (Abs.

D-

Bisher haben sich auch die Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit nach Artikel 85 Absatz 2 UVG8 (EKAS) respektive deren technische Fachkommissionen mit der Festlegung von Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen für den beruflichen Bereich befasst. Der Bundesrat wird auch im Rahmen der von der EG zu übernehmenden Neuen Konzeption zur Regelung der Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten weiterhin auf die fachkundige Mitarbeit der EKAS angewiesen sein.

Spezielle bundesrechtliche Bestimmungen, die im Einklang mit den internationalen Vereinbarungen weitergehende Anforderungen stellen, sollen möglich sein und müssen deshalb hier vorbehalten werden (Abs. 2).

Artikel 4a

Erfüllung der Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen

Wie bereits vorne unter Ziffer 12 ausgeführt, gilt nach der Neuen Konzeption die Vermutung, dass diejenigen Maschinen, die nach den massgebenden harmonisierten Normen hergestellt werden, die grundlegenden Anforderungen erfüllen. Weicht der Hersteller von diesen Normen ab, ist ihm die Beweislast Überbunden, dass sein Produkt die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen auf andere Weise erfüllt.

Artikel 4b

Technische Nonnen

Die Uebernahme der Harmonisierungsrichtlinien der EG impliziert auch die Uebernahme der entsprechenden harmonisierten technischen Normen. Hingegen muss für den nicht harmonisierten Bereich eine Regelung getroffen werden, die gewährleistet, dass zu den für diesen Bereich festgelegten grundlegenden Sicherheitsund Gesundheitsanforderungen ebenfalls technische Nonnen bezeichnet oder geschaffen werden, die geeignet sind, die Anforderungen zu konkretisieren. Die so

8

SR 832.20

539

bezeichneten oder geschaffenen Normen sollen, wie die harmonisierten Normen, die Vermutung nach Artikel 4a Absatz l begründen.

Bei der Bezeichnung von massgebenden Normen sollen, wenn immer möglich, bestehende technische Normen auf internationaler Ebene berücksichtigt werden. In der Schweiz beaufragte Ende 1990 der Bundesrat die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) im harmonisierten Bereich mit der Wahrung schweizerischer Interessen in internationalen Normenorganisationen (Art. 5 Notifikationsverordnung)9. Es ist vorgesehen, beim Fehlen internationaler oder schweizerischer Normen gegebenenfalls die SNV zu beauftragen, technische Normen zu schaffen ( Art. 4b Est. b).

Sowohl die EKAS respektive deren technische Fachkommissionen wie auch die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) sind unter dem geltenden Recht mit dem Erlass von Richtlinien zum Stand der Technik normativ tätig. Die normenschaffenden Gremien werden weiterhin auf das wertvolle Fachwissen dieser Institutionen angewiesen sein.

Artikel 5

Verfahren für das Inverkehrbringen

Die nähere Regelung des Verfahrens zur Ueberprüfung der Konformität von technischen Einrichtungen und Geräten mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanfordeningen (Konformitätsbewertungsverfahren) soll dem Bundesrat übertragen werden. Dieser wird auf die massgebenden EG-Richtlinien verweisen, soweit solche bestehen. Ebenso soll dem Bundesrat die Kompetenz eingeräumt werden, die Verwendung des Konformitätszeichens zu regeln.

Artikel 6

Aufsicht und Vollzug

Es liegt nicht im Aufgabenbereich der Vollzugsorgane, Prüfungen für das Inverkehrbringen durchzuführen. Vielmehr sollen sie sich auf die Ueberwachung der Einhaltung des Konformitätsbewertungsverfahrens beschränken und allenfalls nach Artikel 11 vorgehen, wenn sich zeigt, dass technische Einrichtungen und Geräte, die die formellen Voraussetzungen für die Inverkehrsetzung erfüllen, trotzdem nicht sicher

9

SR 632.32

540

sind. Die Vollzugsorgane sollen somit eine "nachträgliche Kontrolle" ausüben. Im übrigen können jedoch die bisherigen Vollzugsstrukturen des STEG grundsätzlich beibehalten werden. Der Gesetzestext muss in diesem Sinne angepasst und eine entsprechende Regelungskompetenz dem Bundesrat übertragen werden.

Artikel 7

Gebühren

Es besteht weder eine rechtliche noch eine praktische Notwendigkeit zur Gebührenerhebung durch Konformitätsbewertungsstellen. Vielmehr sollen diese ihre Kosten nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen in Rechnung stellen können. Die Kompetenz des Departements des Innern, Gebührenordnungen zu erlassen, soll deshalb lediglich für die nachträgliche Kontrolle durch Vollzugsorgane vorgesehen werden.

Artikel 8

Veröffentlichung

Diese Vorschrift muss der Aenderung von Artikel 4 und der Regelung nach Artikel 4b angepasst werden. Die Gebührenordnungen nach Artikel 7 sollen in Zukunft in der Amtlichen und Systematischen Sammlung des Bundesrechts (AS, SR) veröffentlicht werden.

Artikel 10

Auskünfte- und Schweigepflicht

Da die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens nach der Neuen Konzeption in der alleinigen Verantwortlichkeit des Herstellers einer technischen Einrichtung oder eines Gerätes liegt, haben die Vollzugsorgane kein Recht, bevor das Produkt sich auf dem Markt befindet, Besichtigungen und Kontrollen vorzunehmen.

Der bezügliche Passus ist demnach zu ändern (Abs. 1).

Die EG-Konformitätserklärung kann vom Hersteller nur abgegeben werden, wenn die entsprechenden Unterlagen vorliegen. Dasselbe soll im nicht harmonisierten Bereich gelten. Die Pflicht zur Einsichtsgewährung in den Konformitätsnachweis ist deshalb hervorzuheben (Abs. 2).

541

Artikel 11

Verwaltungsmassnahmen

Es besteht kein Raum mehr dafür, dass die Vollzugsorgane im nachträglichen Kontrollverfahren

das Anbringen von Sicherheitsvorrichtungen oder

ähnlichen

Massnahmen verfügen könnten, wenn die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen beachtet werden. Der Absatz l von Artikel 11 ist demnach zu streichen.

Das Departement des Innern soll nicht mehr mit Aufgaben der Marktüberwachung belastet werden. Vielmehr sollen die Vollzugsorgane, die über das notwendige Fachwissen verfügen, direkt handeln können, wenn sie feststellen, dass das vorgeschriebene Konformitätsbewertungsverfahren nicht eingehalten wurde, oder technische Einrichtungen und Geräte wegen mangelhaften technischen Normen nicht sicher sind. Andernfalls wäre eine wirkungsvolle Marktüberwachung nicht möglich (Abs. 2).

Referendum und Inkrafttreten

Die vorgeschlagenen Aenderungen müssen zum gleichen Zeitpunkt wie das EWRAbkommen in Kraft treten. Aus diesem Grund muss die Regelung - auf Gesetzesebene - in der Form eines allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses erlassen werden, für den das Referendum ausgeschlossen ist.

542

Bundesbeschluss Entwurf über die Änderung des Bundesgesetzes über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992'), beschtiesst:

I Das Bundesgesetz vom 19. März 1976 2) über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (STEG) wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung): in Ausführung der Artikel 11 und 13 des Abkommens vom 2. Mai 19923) über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie dessen Anhangs II, der sich auf folgende Richtlinien bezieht: - die Richtlinie Nr. 89/392 des Rates vom 14. Juni 19894) zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Maschinen, - die Richtlinie Nr. 90/396 des Rates vom 29. Juni 19905> zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Gasverbrauchseinrichtungen, - die Richtlinie Nr. 89/686 des Rates vom 21. Dezember 19896), zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für persönliche Schutzausrüstungen, - die Richtlinie Nr. 87/404 des Rates vom 25. Juni 1987 7 > zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die einfachen Druckbehälter, An. 2 Sachüberschrift Abs. 3 Begriffe 1

- Harmonisierte Normen sind technische Normen, die aufgrund eines Auftrages der EG-Kommission sowie der EFTA-Staaten von einer europäischen Normen'> BB1 1992 V 532 > SR 819.1 ·" AS 1993 ...

:

J)

EWRS ...; ABI. Nr. L 183 vom 29.6.1989. S. 9, geändert durch die Richtlinie Nr. 91/368 vom 20. 6. 1991 (EWRS ...: ABI. Nr. L 198 vom 22. 7. 1991, S. 16) * EWRS ... ABI. Nr. L 196 vom 20. 7. 1990. S. 15 " EWRS ... ABI. Nr. L 399 vom, 30. 12. 1989, S. 18 '' EWRS ... ABI. Nr. L 220 vom S. 8. 1987. S. 48

543

Änderung des Bundesgesetzes über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten. BB

Organisation im Hinblick auf die Konkretisierung der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen nach Artikel 4 erarbeitet und deren Fundstellen im EG-Amtsblatt veröffentlicht worden sind.

Gliederungstitel vor Art. 3 2. Kapitel: Voraussetzungen für das Inverkehrbringen An. 3 Grundsatz 1 Technische Einrichtungen und Geräte dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen entsprechen.

2 Wer eine technische Einrichtung oder ein Gerät in Verkehr bringen will, muss die Übereinstimmung mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen nachweisen und bescheinigen.

Art. 4 · Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen ' Der Bundesrat legt nach Massgabe des EWR-Rechtes die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen fest.

1

Vorbehalten bleiben weitergehende spezielle Bestimmungen des Bundesrechts, die im Einklang mit internationalen Vereinbarungen erlassen werden, namentlich zur Abwehr unmittelbarer schwerwiegender Gefährdungen des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, der Umwelt, der Sittlichkeit oder der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

Art. 4a Erfüllung der Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen (neu) 1 Werden die technischen Einrichtungen und Geräte nach harmonisierten Normen oder anderen technischen Normen nach Artikel 4b hergestellt, so wird vermutet, dass die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen erfüllt sind.

2 Technische Einrichtungen und Geräte, die den harmonisierten Normen oder den anderen technischen Normen nach Artikel 4b nicht entsprechen, dürfen nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn der Inverkehrbringer nachweist, dass sie die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen auf andere Weise erfüllen.

Art. 4b Technische Normen (neu) Soweit keine harmonisierten Normen bestehen, kann das Eidgenössische Departement des Innern (Departement): a. technische Normen bezeichnen, welche geeignet sind, die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen zu konkretisieren, oder

544

Änderung des Bundesgesetzes über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten. BB

b. die Schweizerische Normen-Vereinigung beauftragen, solche technische Nonnen zu schaffen.

Art. S Konformitätsbewertung Der Bundesrat regelt das Verfahren zur Überprüfung der Konformität von technischen Einrichtungen und Geräten mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen sowie die Verwendung des Konformitätszeichens.

Art. 6, zweiter Satz ... Der Bundesrat übt die Aufsicht über den Vollzug aus und regelt die nachträgliche Kontrolle von technischen Einrichtungen und Geräten (Marktüberwachung).

Art. 7 Gebühren Für die nachträgliche Kontrolle von technischen Einrichtungen und Geräten durch Vollzugsorgane kann das Eidgenössische Departement des Innern Gebührenordnungen erlassen.

Art. 8 Veröffentlichung Die harmonisierten Normen sowie die anderen technischen Normen nach Artikel 46 werden mit Titel sowie Fundstelle oder Bezugsquelle im Bundesblatt veröffentlicht.

Art. 10 Abs. l und 2 1 Die Beauftragten der Vollzugs- und Aufsichtsorgane können technische Einrichtungen und Geräte, die sich in Verkehr befinden, kontrollieren und nötigenfalls Muster erheben.

2 Den Beauftragten sind alle erforderlichen Auskünfte unentgeltlich zu erteilen und Einsicht in die Unterlagen, insbesondere den Konformitätsnachweis, zu gewähren.

Art. 11 Sachüberschrift, Abs. l und 2 Verwaltungsmassnahmen 1 Aufgehoben 1

Die Vollzugsorgane können im nachträglichen Kontrollverfahren anordnen, dass technische Einrichtungen und Geräte, die den grundlegenden Sicherheitsund Gesundheitsanforderungen nicht genügen, nicht mehr in Verkehr gebracht werden. In Fällen schwerwiegender Gefährdung können sie deren Beschlagnahme oder Einziehung verfügen.

545

Änderung des Bundesgesetzes über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten. BB II 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet,

2

Er unterliegt aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen1%> der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3

Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

5566

'.' AS ...

546

Soziale Sicherheit und Gesundheit

92.057-28

3.1

Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über

die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge

l

Allgemeines

1.1

Verhältnis des EWR-Rechts zum nationalen Recht sowie Verzicht auf formelle Anpassungen im schweizerischen Recht

Nach dem Grundsatz "Völkerrecht bricht Landesrecht" geht das EWR-Recht dem schweizerischen Recht vor. Dieses ist grundsätzlich zwar ebenfalls anzupassen, wenn direkt anwendbare Bestimmungen des EWR-Rechts zu übernehmen sind; im Sozialversicherungsbereich wird ausnahmsweise von dieser Regel abgewichen. Eine formelle Anpassung aller einschlägigen Bestimmungen an das EWR-Recht (es handelt sich um die Verordnungen Nr. 1408/71 und 574/72 sowie die Richtlinien Nr. 79/7 und 86/378) wäre mit einem ausserordentlichen Aufwand verbunden. Sie würde zudem bei Aenderungen des EWR-Rechtes nach Inkrafttreten des EWR-Abkommens zu ständigen Revisionen unseres Rechtes führen. Und schliesslich würden die laufenden Revisionen im Sozialversicherungsbereich dadurch erschwert. Aus materieller Sicht ist jedoch klarzustellen, dass unter den Begriffen "Schweizerische Staatsangehörige" oder "Schweizer" und gleichbedeutenden Ausdrücken nach Inkrafttreten des EWRAbkommens auch "Angehörige von EWR-Staaten" verstanden werden müssen, sofern das Abkommen dies vorschreibt. Das gleiche gilt für allfällige Wohnsitzerfordemisse, die mit dem EWR-Abkommen nicht vereinbar sind.

Die genannten Verordnungen erfassen nur den Bereich der obligatorischen Vorsorge, d.h. das Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenenund Invalidenvorsorge (BVG). Angesichts seiner besonderen Struktur ist die Anwendung einer zwischenstaatlichen Proratisierung bei der Leistungsberechnung

547

nicht möglich. Die Festsetzung der Leistungen erfolgt somit stets nach nationalem Recht, wie dies grundsätzlich auch für die AHV/IV vorgesehen ist. Für die übrigen Auswirkungen siehe Ziffer 1.2.

1.2

Freiwillige Versicherung

Die freiwillige berufliche Vorsorge steht gegenwärtig auch Schweizern im Ausland offen. Zugelassen werden all jene Schweizer, die auch bei der schweizerischen AHV/IV versichert sind. Angesichts der Tatsache, dass die freiwillige AHV/IV im Falle eines Beitrittes der Schweiz zum EWR ausläuft, werden auch keine entsprechenden Neubeitritte zur freiwilligen Versicherung in der beruflichen Vorsorge mehr zulässig sein.

1.3

Koordinierter Lohn

Artikel 8 legt den obligatorisch zu versichernden Teil des Lohnes fest. Die untere Koordinationsgrenze - gegenwärtig 21 '600 Franken1 - bildet dabei die Aufnahmebedingung in die obligatorische berufliche Vorsorge.

Die Richtlinie Nr. 79/7 des Rates vom 19. Dezember 19782 zur schrittweisen Vereinheitlichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit verlangt in Artikel 4 die Gleichbehandlung von Mann und Frau beim Zugang zu den sozialen Systemen. Da Frauen vorwiegend teilzeit arbeiten, kann der Koordinationsabzug, wenn er nicht im Verhältnis zum

1 Artikel 5 der BW 2 vom 18. April 1984 in der Fassung vom 23. Oktober 1991 (SR 831.441.1) 2 ABI. Nr. L 6 vom 10.1.1979, S. 24

548

Beschäftigungsgrad festgelegt wird, zur indirekten Diskriminierung führen3.

Artikel 8, der nur Minimalanforderungen festlegt (Art. 6 BVG), schreibt zwar nicht zwingend vor, dass der Koordinationsabzug dem Beschäftigungsgrad anzupassen sei; viele Vorsorgeeinrichtungen sehen denn auch eine solche Anpassung vor. Es ist daher im Einzelfall festzustellen, ob tatsächlich eine Diskriminierung vorliegt. Artikel 8 braucht hingegen nicht geändert zu werden.

2

Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen

Artikel 30 Absatz 2 Buchstaben a und c

Barauszahlung

Absatz 2 dieser Bestimmung gestattet die Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung in drei Fällen. Zwei davon mussten im Hinblick auf das EWR-Abkommen angepasst werden.

Buchstabe a betrifft die Versicherten, welche die Schweiz definitiv verlassen. Nach der EG-Verordnung Nr. 1408/71 sind Leistungsanwartschaften aufrechtzuerhalten und damit Beitragsrückvergütungen auszuschliessen, solange eine Versicherungspflicht in einem anderen EWR-Staat besteht (Art. 10 Abs. 2 der Verordnung). Somit kann die Freizügigkeitsleistung nicht mehr bereits beim definitiven Verlassen der Schweiz in bar ausbezahlt werden, sondern erst beim Verlassen des EWR. Verlässt hingegen ein Versicherter endgültig den EWR, so kann er nach wie vor die Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung verlangen.

Buchstabe c bestimmt, dass die Freizügigkeitsleistung ebenfalls an eine verheiratete oder vor der Heirat stehende Frau ausbezahlt werden kann, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit aufgibt. Diese Bestimmung widerspricht Artikel 4 der Richtlinie 79/7

3

vgl. die Entscheide RS 96/80 (Jenins/Kingsgate), Slg. 1981, S. 911 ff.; RS 170/84 (Weber von Hartz/Bilka Kaufhaus), Slg. 1986, S. 160 ff., RS 171/88 (RinnerKühn/FWW Spezial-Gebäudereinigung), in: Langenfeld, Ch., Die Gleichbehandlung vom Mann und Frau im Europäischen Gemeinschaftsrecht, Baden-Baden 1990, S. 213

549

zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, Sie ist deshalb ersatzlos zu streichen.

Artikel 47

Ausscheiden aus der obligatorischen Versicherung

Diese Bestimmung gestattet es, die Versicherung weiterzuführen, wenn der Vorsorgenehmer aus der obligatorischen Versicherung ausscheidet, sofem er ihr während mindestens sechs Monaten unterstellt war. Damit widerspricht sie Artikel 9 Absatz 2 der EG-Verordnung Nr. 1408/71, welcher vorsieht, dass die nach den Rechtsvorschriften eines anderen EWR-Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen sind. Dies würde mit andern Worten bedeuten, dass für die Berechnung der Mindestversicherungsfrist von sechs Monaten ausländische Versicherungszeiten anzurechnen wären.

Neben administrativen Erschwernissen würde eine solche Vorschrift zu einer offensichtlichen Ungleichbehandlung unter den Versicherten führen, weil jene von ihnen, die nie im Ausland gearbeitet haben, sich diese Frist von sechs Monaten voll anrechnen lassen müssen, während dies für jene, die bereits einmal im Ausland gearbeitet haben, nicht oder nur teilweise der Fall wäre. Aus diesen Gründen ziehen wir es vor, auf diese Frist von sechs Monaten zu verzichten.

Artikel 60 Absatz 5 (neu)

Auffangeinrichtung

Die Verordnung Nr. 574/72 sieht vor, dass jeder Mitgliedstaat Verbindungsstellen bezeichnet, die die Koordination und Verbindung zu den Verbindungsstellen der anderen Mitgliedstaaten sicherstellen. Die Verbindungsstellen sind im Anhang 4 dieser Verordnung aufzuführen.

Einzig die Verbindungsstelle ist befugt, Informationen an jene der anderen Mitgliedstaaten weiterzuleiten und von diesen Informationen entgegenzunehmen sowie sie von den zuständigen Trägem des betreffenden Mitgliedstaates zusammenzutragen.

Dadurch können die Informationen kanalisiert und das Verfahren vereinfacht werden, da jeder Träger jeweils nur über die Verbindungsstelle seines Landes zu verkehren braucht, um in den Besitz der Angaben zu gelangen, die er für die Leistungsfestsetzung braucht. Auf dem Gebiet der beruflichen Vorsorge ist es naheliegend, hierzu eine

550

Institution

zu

bestimmen,

die

gegenüber

den

Vorsorgeeinrichtungen

und

Aufsichtsbehörden neutral ist und ausserdem bereits besteht. Im weitern ist die Auffangeinrichtung wie die übrigen Vorsorgeeinrichtungen privatwirtschaftlich im Sinn und Geist des BVG ohne behördlichen Charakter strukturiert. In Anbetracht der gegenwärtigen Stellung der Auffangeinrichtung und ihrer speziellen Aufgaben wird es als sinnvoll erachtet, ihr diese neue Aufgabe zu übertragen.

Der neue Absatz 5 von Artikel 60 bildet nun die gesetzliche Grundlage, wonach die Auffangeinrichtung befugt ist, als Verbindungsstelle zu handeln. Die Einzelheiten hierzu werden auf Verordnungsstufe geregelt.

Referendum und Inkrafttreten

Die vorgeschlagenen Aenderungen müssen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWRAbkommens wirksam werden. Darum müssen diese Massnahmen - auf Gesetzesebene durch einen allgemeinverbindlichen Bundesbeschluss geregelt werden, gegen den das Referendum nicht ergriffen werden kann.

551

Bundesbeschluss Entwurf über die Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992 '', beschliesst: I

Das Bundesgesetz vom 25. Juni 19822' über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung): in Ausführung von Artikel 29 des Abkommens vom 2. Mai 19923> über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie dessen Anhang VI, der sich auf folgende Verordnungen bezieht: - Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971") zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, - Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 2I.März 19725> über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in Ausführung von Artikel 70 des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie dessen Anhang XVIII3\ Art. 30 Abs. 2 Bst. a und c 2

Sie wird auch bar ausbezahlt, wenn das Begehren gestellt wird: a. von einem Anspruchsberechtigten, welcher den Europäischen Wirtschaftsraum endgültig verlässt; c. Aufgehoben

') Bßl 1992 V 547

3

> SR831.40

3

> AS 1993 ...

*> EWRS ...; ABI. Nr. L 149 vom 5. 7. 1971, S. 2 V EWRS ...; ABI. Nr. L 74 vom 27. 3. 1972. S. l

552

Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenenund Invalidenvorsorge. BB Art. 47 Ausscheiden aus der obligatorischen Versicherung Scheidet der Arbeitnehmer aus der obligatorischen Versicherung aus, so kann er die Versicherung im bisherigen Umfang bei derselben Vorsorgeeinrichtung, wenn ihre reglementarischen Bestimmungen dies zulassen, oder bei der Auffangeinrichtung weiterführen.

Art. 60 Abs. S (neu) * Die Auffangeinrichtung übernimmt die Aufgabe einer Verbindungsstelle im Sinne von Artikel 3 Absatz l der Verordnung Nr. 574/72. Die ihr daraus erwachsenden Kosten werden vom Bund getragen. Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen.

II 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet.

2

ET untersteht aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen ') der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

5566

'> AS ...

553

92.057-29

3.2

Bundesbeschluss

über

die

Äenderung

des

Krankenversicherungsgesetzes

l

Allgemeines

1.1

Verhältnis des EWR-Rechts zum nationalen Recht sowie zu anderen zwischenstaatlichen Abkommen - Verzicht auf formelle Anpassungen im schweizerischen Recht

Die allgemeinen Ausführungen unter Ziffer 1.1 im Kapitel 3.1 gelten sinngemäss auch für die Krankenversicherung. Soweit es sich dabei um vorbestehende Verträge mit EWR-Staaten handelt, gelten im Verhältnis zwischen diesen Verträgen und dem EWRRecht die von der gemeinsamen Erklärung über die Beziehung zwischen dem EWRAbkommen und bestehenden Staatsverträgen vorgesehenen Regelungen. Sie besagen im wesentlichen, dass das EWR-Recht grundsätzlich den Bestimmungen dieser Verträge vorgeht. Zu ergänzen ist, dass nach Artikel 9 der Verordnung 1408/71 unter gewissen Voraussetzungen ein Recht zum Beitritt in die freiwillige Versicherung eines Staates besteht, wenn die erforderlichen Vorversicherungszeiten im Ausland vorliegen.

Entsprechende Regelungen gelten bereits nach bilateralem Vertragsrecht. Nach Anhang VI zur Verordnung 1408/71 (Teil Schweiz, Ziff. 1) haben im Ausland wohnhafte Familienangehörige eines zur Versicherung in der Schweiz Berechtigten die Möglichkeit, der gleichen schweizerischen Kasse wie der Erwerbstätige beizutreten.

Ziffer 2 stellt den Uebertritt aus dem Ausland dem "Zügerrecht" im Sinne des KUVG gleich. Artikel 18 der genannten Verordnung regelt ähnlich wie die Freizugsregelungen in unseren bilateralen Verträgen die Anrechnung ausländischer Versicherungszeiten für den Anspruchserwerb. Dies bedeutet, dass ausländische Zeiten von den Kassen auf Vorbehalt und Karenzzeit angerechnet werden müssen. Die Artikel 19 bis 36 enthalten Bestimmungen über die gegenseitige Leistungsaushilfe zwischen den Versicherungen der einzelnen Staaten.

554

Dazu ist festzuhalten, dass in diesem Bereich andere direkt-anwendbare völkerrechtliche Verträge bestehen, aufgrund derer ebenfalls keine formellen Anpassungen vorgenommen worden sind, so dass es nicht sinnvoll ist, beim EWRAbkommen eine andere Lösung zu wählen.

1.2

Weitere Auswirkungen

Im KUVG ist ein neuer Artikel aufzunehmen, der einerseits die Organisation der Leistungsaushilfe und andererseits deren Finanzierung regelt (s. nachf. Erläuterung zu Art. 42). Da im übrigen die Richtlinie des Rates Nr. 79/7 (Art. 3, Ziff. l Est. a und Art, 4 Ziff. 1) die Gleichstellung von Mann und Frau fordert, dürfen die Prämien in der Krankenversicherung nicht mehr nach dem Geschlecht abgestuft werden. Das KUVG ist anzupassen, vgl. Erläuterung zu Artikel 6bis.

2

Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen

Artikel 6bis Absatz 2

Mitgliederbeiträge

Das geltende Krankenversicherungsrecht sieht vor, dass die Mitgliederbeiträge unter anderem auch nach dem Geschlecht abgestuft werden können; immerhin begrenzt das Gesetz den Prämienunterschied und schreibt vor, er dürfe 10 Prozent nicht übersteigen (Art. 6bis Abs. 2 KUVG).

In Artikel 4 Ziffer l der Richtlinie 79/7 wird präzisiert, dass das Gleichbehandlungsgebot in der Sozialversicherung das Fehlen jeglicher Diskriminierung aufgrund des Geschlechts voraussetze, namentlich bei der Beitragsfestsetzung. Diesem Prinzip in der Krankenversicherung Folge zu geben, bedeutet, dass in Artikel 6bis KUVG jeder Bezug auf das Geschlecht zu streichen ist (Streichung des Ausdrucks "Geschlecht" in Abs. 2, erster Satz, und auch des letzten Satzes von Abs. 2).

Im Rahmen der Revision der Krankenversicherung (siehe BB11992 I 93 ff. ; Botschaft vom 6. Nov. 1991 über die Revision der Krankenversicherung) haben wir übrigens die Prämiengleichheit in der Krankenversicherung vorgesehen, und zwar für die

555

obligatorische Krankenpflegeversichenmg wie auch für Taggeldversicherung (Art. 53 und 68 des Gesetzesentwurfes).

die

freiwillige

Artikel 42 (neu) Leistungsaushilfe Heute ist eine - übrigens beschränkte - gegenseitige Leistungsaushilfe nur im Rahmen des schweizerisch-deutschen Zweiten Zusatzabkommens vom 2, März 1989 über Soziale Sicherheit vorgesehen, welches seit dem 1. April 1990 in Kraft ist. Die direkte Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 wird die Einführung einer solchen Aushilfe erfordern, allerdings in ausgeweiteter Form (Kreis der berührten Personen; Umfang der Leistungen). Konkret wird die Aushilfe bestehen aus der: a.

Bevorschussung durch die Schweiz von Versicherungsleistungen an Versicherte von Krankenversicherungen anderer EWR-Staaten, die sich in der Schweiz aufhalten, und Rückvergütung der Leistungen durch das betreffende EWR-Land;

b. Bevorschussung von Versicherungsleistungen an einen Versicherten einer schweizerischen Krankenkasse, der sich in einem anderen EWR-Staat aufhält, durch das betreffende EWR-Land, und Rückvergütung der Leistungen durch die Schweiz.

Artikel 42 KUVG beauftragt den Bundesrat damit, die genannte Aushilfe einzurichten (Abs. 1) und eine hiefür zuständige Sozialversicherungsinstitution zu bezeichnen (Abs. 2).

Referendum und Inkrafttreten Die vorgeschlagenen Aenderungen müssen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWRAbkommens wirksam werden. Darum müssen diese Massnahmen - auf Gesetzesebene durch einen allgemeinverbindlichen Bundesbeschluss geregelt werden, gegen den das Referendum nicht ergriffen werden kann.

556

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung

Entwurf

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 19921), beschiiesst:

I Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KUVG)2' wird wie folgt geändert: Jngress (Ergänzung): in Ausführung von Artikel 29 des Abkommens vom 2. Mai 1992 3> über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Anhang VI, der sich auf die folgenden Verordnungen bezieht: - Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971") zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, - Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972« über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in Ausführung von Artikel 70 des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie dessen Anhang XVIII 3>> Art. 6bis Abs. 2 1

Die Mitgliederbeiträge können nach Eintrittsalter und nach örtlich bedingten Kostenunterschieden abgestuft werden; richten sich

') BB1 1992 V 554 -> SR 832.10 ·') AS 1993 ...

·» EWRS ...; ABI. Nr. L 149 vom 5. 7. 1971, S. 2 5 > EWRS .-.; ABI. Nr. L 74 vom 27. 3. 1972, S. l

557

Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung. BB

die Vergütungen für die ärztlichen Leistungen nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Versicherten gemäss den Artikeln 22, 22bis und 22'", so sind die Mitgliederbeiträge entsprechend abzustufen.

P. Leistungsaushilfe

Art. 42 (neu) 1 Der Bundesrat ist mit dem Vollzug der Leistungsaushilfe gemäss den Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und 574/72 beauftragt.

2 Er bezeichnet die hierfür zuständige Sozialversicherungseinrichtung.

3 Die durch die Leistungsaushilfe verursachten Verwaltungskosten sind gemäss einem vom Bundesrat festzulegenden Verteilungsschlüssel durch alle Krankenkassen gemeinsam zu tragen.

4 Der Bund übernimmt die durch die Vorfinanzierung der Leistungsaushilfe entstehenden Zinskosten.

II 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet.

Er untersteht aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen1) der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

2

5566

0 AS ...

558

92.057-30

3.3 Bundesbeschluss über die Aenderung des Unfallversicherungsgesetzes

l

Allgemeines

1.1

Verhältnis des EWR-Rechts zum nationalen Recht sowie Verzicht auf formelle Anpassungen im schweizerischen Recht

Die allgemeinen Erklärungen in Ziffer 1.1 des Kapitels 3.2 gelten sinngemäss auch für die Unfallversicherung. Die Verordnung Nr. 1408/71 regelt hier im wesentlichen die Sachleistungsaushilfe. Entsprechende Regelungen sind bereits bisher praktisch in allen bilateralen Verträgen vorgesehen. Bei Berufskrankheiten in Fällen, in denen der Versicherte in mehreren Staaten dem gleichen Risiko ausgesetzt war, werden die Leistungen ausschliesslich nach den Rechtsvorschriften des letzten dieser Staaten gewährt. Bei sklerogener Pneumokoniose erfolgt indessen eine anteilsmässige Leistungsgewährung durch die Staaten, in denen der Versicherte im betreffenden Risikoberuf beschäftigt war (Art. 57).

1.2

Weitere Auswirkungen

Wie in der EWR-Botschaft erwähnt, bietet die Uebemahme des Acquis communautaire (Verordnung 1408/71/EWG und Richtlinie 79/7/EWG) keine besonderen Probleme und erfordert keine grösseren Aenderungen des UVG, Die heutige Regelung der Leistungsaushilfe (diese Aufgabe ist der SUVA übertragen) kann beibehalten werden.

Dagegen ist der Geltungsbereich der Vorschriften über die Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten zu erweitern, und es ist klarzustellen, dass die Prämien in der Nichtberuf^Unfallversicherung nicht nach dem Geschlecht der Versicherten abgestuft werden dürfen (Art. 92 Abs. 6 UVG).

559

2

Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen

Artikel 81 Absatz l Unfallverhütung

Artikel 81 Absatz l UVG in seiner heutigen Fassung beschränkt den Geltungsbereich der Vorschriften über die Verhütung von Berufsunfallen und Berufskrankheiten (Arbeitssicherheit) auf jene Betriebe, welche Arbeitnehmer beschäftigen, die dem UVG unterstehen. Neu werden die Vorschriften über die Arbeitssicherheit auf alle Betriebe angewandt, die in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen. Diese Anpassung basiert auf mehreren Erlassen, insbesondere der Richtlinie Nr. 89/391 über die Durchführung von Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABI. Nr. L 83 vom 29.6.1989, S. 1)

Artikel 92 Absatz 6 Festsetzung der Prämien

Der Grundsatz der Gleichstellung von Männern und Frauen ist in der Berufsunfallversicherung umfassend verwirklicht, indem in diesem Bereich nur das Risiko des jeweiligen Betriebes für die Festsetzung der Prämien berücksichtigt wird.

Nicht so einfach sind die Verhältnisse in der Nichtberufsunfallversicherung. Da die Versicherer (schon aus rein praktischen Gründen) nicht die individuellen Risiken erfassen können, haben sie ein anderes Kriterium für die Einteilung der Arbeitnehmer in Tarifklassen gewählt, nämlich das Geschlecht der Versicherten. Dieses Kriterium verstösst zwar nicht gegen das Gesetz, ist aber im UVG auch nicht ausdrücklich erwähnt.

Um der Richtlinie des Rates Nr. 79/7 (Art. 3 Ziff. l Est. a und Art. 4 Ziff. 1) zu genügen, ist unter diesen Umständen - wie in der EWR-Botschaft erwähnt - im Gesetz klarzustellen, dass in Zukunft die Prämien der Nichtberufsunfallversicherung nicht mehr nach dem Geschlecht der Versicherten abgestuft werden können. Je nach Versicherer dürfte diese Aenderung eine mehr oder weniger erhebliche Senkung der Prämien für Männer und eine entsprechende Erhöhung der Prämien für Frauen zur Folge haben.

560

Referendum und Inkrafttreten Die Ausführungen zur Krankenversicherung (Ziff. 2 des Kapitels 3.2) gelten sinngemäss.

561

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992 '>, beschliesst: I

Das Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG)2> wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung): in Ausführung von Artikel 29 des Abkommens vom 2. Mai 19923> über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Anhang VI, der sich auf die folgenden Verordnungen bezieht: - Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 4 > zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, - Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 19725) über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in Ausführung der Artikel 67 Absatz l und 70 des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie dessen Anhang XVIII 3 ',

Art. 81 Abs. l 1 Die Vorschriften über die Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten gelten für alle Betriebe, die in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen.

Art. 92 Abs. 6 '> BEI 1992 V 558

-) S R 832.20

·" AS 1993 ...

4

5

> EWRS ...; ABI. Nr. L 149 vom 5. 7. 1971. S. 2 > EWRS ...; ABI. Nr. L 74 vom 27. 3. 1972, S. l

562

Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung. BB

Art. 92 Abs. 6 6 Für die Bemessung der Prämien in der Nichtberufsunfallversicherung können Tarifklassen gebildet werden. Die Prämien dürfen nicht nach dem Geschlecht der versicherten Personen abgestuft werden.

II 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet.

Er untersteht aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen '> der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

2

5566

'> AS ...

563

92.057-31

3.4 Bundesbeschluss über die Âenderung des Bundesgesetzes über Familienzulagen in der Landwirtschaft

1

Allgemeines

1.1

Verhältnis des EWR-Rechts zum nationalen Recht sowie zu anderen zwischenstaatlichen Abkommen - Verzicht auf formelle Anpassungen im schweizerischen Recht

Ziffer 1.1 des Kapitels 3.2 (Unfallversicherung) gilt sinngemäss.

1.2

Begriff des landwirtschaftlichen Arbeitnehmers

Gemäss Artikel l, Absatz 2, Buchstaben a und b, gelten sowohl Verwandte des Betriebsleiters in auf- und absteigender Linie sowie ihre Ehefrauen wie auch Schwiegersöhne des Betriebsleiters, die voraussichtlich den Betrieb zur Selbstbewirtschaftung übernehmen werden, nicht als landwirtschaftliche Arbeitnehmer, sondern als Kleinbauern. Diese Besonderheit erklärt sich historisch u.a. dadurch, dass man Familienbetriebe, in denen Angehörige mitarbeiten, nicht zusätzlich mit Arbeitgeberbeiträgen belasten wollte. Die Ungleichbehandlung von Schwiegersöhnen und Schwiegertöchtern ist zu korrigieren.

2

Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen

Artikel l, Absatz 2, Buchstaben a und b, Bezugsberechtigte Personen

564

Absatz 2 regelt die Stellung der im Betrieb mitarbeitenden Familienangehörigen und lautet wie folgt:

2

Die Familienmitglieder des Betriebsleiters, die im Betrieb mitarbeiten, haben ebenfalls Anspruch auf Familienzulagen mit Ausnahme:

a.

der Verwandten des Betriebsleiters in auf- und absteigender Linie sowie ihrer Ehefrauen.

b.

der Schwiegersöhne des Betriebsleiters, die voraussichtlich den Betrieb zur Selbstbewirtschaftung übernehmen werden.

Die unter den Buchstaben a und b genannten Personen gelten somit nicht als landwirtschaftliche Arbeitnehmer, sondern als Kleinbauern.

An dieser Ordnung soll grundsätzlich festgehalten werden; die Ungleichbehandlung von Schwiegertöchtern und -söhnen jedoch ist zu beseitigen. Unter Buchstabe b sind deshalb auch die Schwiegertöchter zu erwähnen. Würde Buchstabe a unverändert belassen - auch hier findet sich im übrigen eine nichtgeschlechtsneutrale Formulierung -, so wären die genannten Schwiegertöchter unter beiden Buchstaben erwähnt, und zwar unter verschiedenen Voraussetzungen: unter Buchstabe a generell, unter Buchstabe b unter der Voraussetzung, dass sie den Betrieb voraussichtlich zur Selbstbewirtschaftung übernehmen werden. Aus diesem Grunde ist der Zusatz "sowie ihrer Ehefrauen" unter Buchstabe a zu streichen. Neben dem Betriebsleiter ist auch die Betriebsleiterin zu erwähnen.

Referendum und Inkrafttreten Ein Vorgehen, wie unter Ziffer 2, Kapitel 3.3 am Ende beschrieben, könnte sich aus Gründen der allgemeinen Koordination auch hier empfehlen.

565

Bundesbeschluss

Entwurf

über die Änderung des Bundesgesetzes über die Familienzulagen in der Landwirtschaft

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992 '>, beschliesst:

Das Bundesgesetz vom 20. Juni 19522> über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG) wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung): in Ausführung von Artikel 29 des Abkommens vom 2. Mai 19923) über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Anhang VI, der sich auf die folgenden Verordnungen bezieht: - Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971") zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, - Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 2 I.März 19725> über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in Ausführung von Artikel 70 des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie dessen Anhang XVIII 3>, Art. J Abs. 2 1

Die Familienmitglieder des Betriebsleiters oder der Betriebsleiterin, die im Betrieb mitarbeiten, haben ebenfalls Anspruch auf Familienzulagen mit Ausnahme:

') BB1 1992 V 564 > S R 836.1 > AS 1993 ...

2

3

4

5

> EWRS ...; ABI. Nr. L 149 vom 5. 7. 1971, S. 2 > EWRS ...; ABI. Nr. L 74 vom 27. 3. 1972, S. l

566

Änderung des Bundesgesetzes über die Familienzulagen in der Landwirtschaft. BB

a. der Verwandten des Betriebsleiters oder der Betriebsleiterin in auf- und absteigender Linie; b. der Schwiegersöhne und Schwiegertöchter des Betriebsleiters oder der Betriebsleiterin, die voraussichtlich den Betrieb zur Selbstbewirtschaftung übernehmen werden.

II 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet.

Er untersteht aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen ') der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

2

" AS ...

567

92.057-32

3.5

Dringlicher

Bundesbeschluss

über

die

Aenderung

des

Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung l

Allgemeines

1.1

Verhältnis des EWR-Rechts zum nationalen Recht sowie zu anderen zwischenstaatlichen Abkommen - Verzicht auf formelle Anpassungen im schweizerischen Recht

Ziffer 1.1 des Kapitels 3.2 (Krankenversicherung) gilt sinngeraâss.

1.2

Anzuwendende Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71

Im Interesse der Klarheit seien nachstehend die wesentlichen Vorschriften für den Bereich der AHV aufgeführt: Die Gleichbehandlungsbestimmung (Art, 3) verlangt, dass Staatsangehörige aus anderen EWR-Staaten, solange sie in einem EWR-Staat wohnen, bezüglich der schweizerischen Versicherung die gleichen Rechte und Pflichten wie Schweizer Bürger haben. Bisher in den bilateralen Verträgen vorgesehene Ausnahmen von der Gleichbehandlung sind im Rahmen des EWR-Abkommens nicht mehr möglich.

Anderseits bleibt die Möglichkeit des Bezugs schweizerischer Renten für EWRStaatsangehörige auch bei Wohnsitz in Drittstaaten erhalten, sofern der bilaterale Sozialversicherungsvertrag eine entsprechende Regelung enthält. In Anhang III zur Verordnung Nr. 1408/71 wurden entsprechende Eintragungen vorgenommen. Die betreffende Bestimmung des schweizerisch-französischen Sozialversicherungsabkommens konnte indessen nicht beibehalten werden.

568

Artikel 10 Absatz l verpflichtet zur ungekürzten Auslandszahlung der erworbenen Leistungen. Artikel 12 (Antikumulierungsbestimmung) stellt sicher, dass nationale Vorschriften über die Anrechnung anderweitiger Leistungen auch im Verhältnis zum Ausland durchgeführt werden können.

Die Artikel 13-17 grenzen die Versichenmgspflicht zwischen den einzelnen Staaten ab.

Wie nach den bilateralen Verträgen untersteht eine erwerbstätige Person in der Regel dem Recht des Staates, in dem sie ihre Erwerbstätigkeit ausübt (Art. 13 Abs. 2).

Sondervorschriften sorgen (ähnlich wie in den bilateralen Verträgen) in gewissen Fällen dafür, dass der Erwerbstätige auch bei Auslandsbeschäftigung weiterhin in der bisherigen Versicherung verbleiben kann (z. B. sogenannte entsandte Arbeitnehmer, Personen, die im Transportwesen tätig sind, Personen im diplomatischen bzw.

konsularischen Dienst und andere besonders gelagerte Fälle). Bei gleichzeitiger Tätigkeit in mehreren Ländern wird der Erwerbstätige in der Regel nur der Versicherung eines Staates zugeordnet.

Die Artikel 44-51 sowie 77-79 enthalten zwischenstaatliche Koordinationsvorschriften für die Leistungen der AHV. Grundsätzlich hat eine in mehreren Staaten versichert gewesene Person Anspruch auf (Teil)Rente der Rentenversicherung jedes Staates, deren Anspruchsvoraussetzungen sie erfüllt. Stellt sie in einem dieser Staaten einen Rentenantrag, so gilt dieser gleichzeitig als Antragstellung für die Leistungen der Rentenversicherungen aller Staaten. Für die Rentenberechnung hat jeder Staat einerseits die Versicherungszeiten in allen Staaten zu berücksichtigen und dann seine Rente im Verhältnis Gesamtversicherungszeit zur Versicherungszeit im betreffenden Land festzusetzen. Gleichzeitig müss aber auch der allein nach nationalem Recht berechnete Rentenbetrag festgestellt werden. Dem Rentenberechtigten ist dann die höhere der beiden Leistungen auszuzahlen. Nach einer neuen Regelung kann indessen auf die doppelte Leistungsberechnung verzichtet werden, wenn die rein nach nationalem Recht festgesetzte Leistung wenigstens gleich hoch wie der bei zwischenstaatlicher Berechnung zustehende Betrag ist. Dies soll auch für die Berechnung der schweizerischen Renten gelten.

Wie nach nationalem schweizerischen Recht besteht auch nach der Verordnung ein Rentenanspruch nur, wenn in der zuständigen Versicherung wenigstens ein Versicherungsjahr nachgewiesen ist. Eine Sonderregelung gilt für Fälle, in denen eine Person bei Anwendung dieser Vorschrift in keinem Staat leistungsberechtigt würde.

Wie schon in der EWR-Botschaft dargelegt, ersetzen die Regelungen der Verordnung

2l Bundesblau 143.Jahrgang. Bd. V

569

grundsätzlich bestehende bilaterale Verträge. Dies bedeutet, dass die dort vorgesehenen besonderen Regelungen zur Abfindung von Kleinstfenten bzw. die Ueberweisung von schweizerischen Beiträgen an ausländische Versicherungen entfallen. Kinder- und Waisenrenten sind von der zuständigen Versicherung zu gewähren; besteht aber Anspruch auf entsprechende Leistungen mehrerer Staaten, so gewährt der Staat, in dem das Kind wohnt, in der Regel die Leistung allein zu seinen Lasten,

Wie die bilateralen Verträge

enthält auch die Verordnung unter dem Titel

"Verschiedene Bestimmungen" Regelungen über die gegenseitige Zusammenarbeit der Behörden und Durchführungsstellen, die Fristenwahrung, den Zahlungsverkehr, den Rückgriff; neu ist hier auch die Möglichkeit des Beitragseinzugs in anderen Vertragsstaaten

vorgesehen.

Uebergangsvorschriften

regeln

das Vorgehen

bei

bisherigen Leistungsbezügern.

1.3

Freiwillige Versicherung (FV)

Gemäss dem Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung können im Ausland niedergelassene Schweizer Bürger der freiwilligen AHV/IV beitreten. Wegen der kaum abschätzbaren finanziellen Folgen des EWR, bedingt durch die nötige Oeffnung der FV für alle Angehörigen anderer EWR-Staaten, wird die FV auslaufen müssen (vgl. Kap. 7.3.6 der EWR-Botschaft), d.h. vom Tag des Inkrafttretens des EWR-Abkommens an werden keine Neubeitritte mehr zugelassen werden können.

Auslandschweizer, die zusätzlich zur Versicherungsdeckung durch das Sozialversicherungssystem ihres Wohnsitzstaates aufgrund der Bestimmungen des EWR-Rechts bzw. eines allfälligen Sozialversicherungsabkommens zwischen der Schweiz und dem Wohnsitzstaat einen schweizerischen Versicherungsschutz aufrecht erhalten wollen, werden über eine private Versicherungsgesellschaft

individuell

Vorsorgen müssen.

Die zuständigen Stellen prüfen gegenwärtig die Möglichkeit einer solchen, möglichst vorteilhaften Ersatzlösung, welche Interessenten angeboten werden könnte. Zudem besteht

570

weiterhin

die

Möglichkeit

von

Fürsorgebeiträgen

an

hilfsbedürftige

Auslandschweizer aufgrund des Bundesgesetzes vom 21. März Fürsorgeleistungen an Auslandschweizer (SR 825.1).

1.4

1973l

über

Außerordentliche Renten

Es ist unbefriedigend, im gleichen Fall mit zwei Bedarfssystemen - ausserordentliche Renten mit Einkommensgrenzen und EL - zu arbeiten. Da die ausserordentlichen Renten stark an Bedeutung verloren haben, wird in der Botschaft zur 10. AHVRevision die Aufhebung dieser Rentenform und die Ueberführung ins EL-System vorgeschlagen. Dieser Schritt ist aus den in der EWR-Botschaft, Ziffer 7.3.6 bl 2 dargelegten Gründen bereits auf den 1. Januar 1993 vorzunehmen.

1.5

Hilflosenentschädigungen

Die Hilflosenentschädigung ist eine einkommensunabhängige Leistung der AHV/IV (Art. 43bis AHVG und Art. 42 IVG), welche an in der Schweiz wohnhafte Personen ausgerichtet wird, die zufolge ihrer Behinderung für die alltäglichen Lebensvernichtungen dauernd auf die Hilfe Dritter angewiesen sind. Diese Leistung wird von Gesetzes wegen nur bei Wohnsitz in der Schweiz ausgerichtet.

Für diesen Leistungsbereich gelten die Artikel 3 und 10 der Verordnung 1408/71, Somit müssten die Hilflosenentschädigungen an Versicherte (Schweizerbürger wie Angehörige von EWR-Staaten), die im EWR wohnen, ausgerichtet werden.

Mit erheblichen Mehrausgaben wäre zu rechnen.

1 SR 852.1

2 BB11992 IV l

571

Wir sehen zwei Abhilfemöglichkeiten:

a.

diese Leistungen im AHVG aufzuheben und ins EL-System zu überführen, ihre Ausrichtung jedoch nicht von der Einkommenssituation abhängig zu machen. Am Leistungsumfang wird nichts geändert;

b.

Hilflosenentschädigungen nicht mehr als Fixbeträge, sondern als pro-rataLeistungen auszugestalten. Heute werden Fixbeträge (720 Fr. für eine schwere, 450 Fr. für eine mittlere und 180 Fr. für eine leichte Hilflosigkeit) ausgerichtet, weil ihr Zweck nicht geteilt werden kann. Dies im Gegensatz zu den Renten, wo der Betrag sich nach dem Verhältnis der in der Schweiz zurückgelegten Versicherungszeiten bemisst. Die minimale einfache Rente beträgt demnach heute zwischen 20 Franken (Rentenskala 1) und 900 Franken (Vollrentenskala 44). Bei den Hilflosenentschädigungen ist diese Betrachtungsweise allerdings nur vertretbar, sofern allein der Wohnsitzstaat für die Hilflosigkeit aufkommen muss.

MUSS die Hilflosenentschädigung jedoch exportiert werden, so ist - wie bei der Rente - davon auszugehen, dass jeder Staat für die Hilflosigkeit pro rata aufkommt. Die Hilflosenentschädigung müsste im Verhältnis zu den in der Schweiz zurückgelegten Versicherungszeiten proratisiert werden. Dies ergäbe einerseits trotz Proratisierung beträchtliche Mehrausgaben für die im Gebiet des EWR lebenden Schweizer Bürger und Angehörigen von EWR-Staaten, anderseits geringe Einsparungen bei in der Schweiz wohnenden Teilrentnern, die nur noch eine Teil-Hilflosenentschädigung erhalten würden.

Wir ziehen aus folgenden Gründen Variante a vor:

Für die Festlegung der Anspruchsvoraussetzungen sind schon heute in der Schweiz umfangreiche Abklärungen erforderlich, da genau zu prüfen ist, in welchen Bereichen der Ansprecher hilflos ist (An- und Auskleiden; Aufstehen, Absitzen und Abliegen; Nahrungsaufnahme; die Körperpflege; die Verrichtung der Fortbewegung sowie die Herstellung des Kontaktes zur Umwelt).

Notdurft;

die

Die Abklärung im Ausland würde grosse Probleme bieten. Die Hilflosenentschädigung ist ähnlich den Ergänzungsleistungen eine Leistung, für deren Ausrichtung der Wohnsitzstaat zuständig sein sollte. Die Hilflosenentschädigung deckt ebenfalls gewisse Leistungen ab, die in den Bereich der Krankenversicherung fallen und daher

572

nicht exportpflichtig sind, da bei Verlegung des Wohnsitzes in einen andern Staat sich die zu gewährenden Krankenpflegeleistungen nach dem Recht dieses Staates richten.

2

Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen

Mit der Umwandlung der Randtitel in Sachüberschriften wird dem gleichlautenden Vorschlag in der Botschaft vom 5. März 1990 über die 10. AHV-Revision (BB1 1990 II 1) Rechnung getragen.

Artikel l

Obligatorisch Versicherte

Das Auslaufenlassen der freiwilligen Versicherung für Auslandschweizer (s. Ziff. 1.3) bedingt Anpassungen bei der obligatorischen Versicherung. Um gewisse Härten aufzufangen, möchte der Bundesrat bestimmten Personen, die nicht unter das Obligatorium fallen, in eng umschriebenen Fällen eine Unterstellung unter die obligatorische Versicherung ermöglichen. Freiwillig ist dabei einzig der Entscheid zugunsten der Versicherung in der AHV, ansonsten gelten die gleichen Regeln wie in der obligatorischen Versicherung. Im Unterschied zum aufgehobenen Artikel 2 soll daher nicht von einer freiwilligen Versicherung, sondern von einem Beitritt zur obligatorischen Versicherung gesprochen werden. Diese Möglichkeit ist beschränkt auf Personen mit einem offensichtlichen Anknüpfungspunkt zur Schweiz. Neben Personen mit Wohnsitz in der Schweiz denken wir an Personen, welche die Schweiz bloss vorübergehend zu einer Arbeitsleistung im Ausland verlassen und für die ein Unternehmen in der Schweiz die Beiträge weiterhin abrechnet. Diese Gedanken sind grundsätzlich bereits in den Vorschlägen des Bundesrates zur 10. AHV-Revision (s.

Botschaft vom 5. März 1990, BB1 1990 II l ff.) enthalten. Zur Wahrung der Einheitlichkeit und Widerspruchslosigkeit der Unterstellungstatbestände drängt sich jedoch eine Realisierung auf den l. Januar 1993 auf.

Absatz l Buchstabe c entspricht dem Vorschlag zur 10. AHV-Revision. Gestützt auf die Gleichbehandlungsbestimmungen in den betreffenden zwischenstaatlichen Instrumentarien bleiben neben Schweizer Bürgern auch Staatsangehörige anderer EWR-Staaten sowie jenen durch Sozialversicherungsabkommen gleichgestellte Ausländer dann obligatorisch versichert, wenn sie im Ausland für die

573

Eidgenossenschaft tätig sind. Die Kompetenzdelegation erlaubt es dem Bundesrat, für besondere Verhältnisse den Anwendungsbereich auszudehnen.

Absatz 2 Buchstabe a übernimmt ebenfalls den in der 10. AHV-Revision enthaltenen Vorschlag. Gleich wie die Wiener Uebereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen nimmt auch das EWR-Recht keinen Bezug mehr auf fiskalische Privilegien. Um Unklarheiten zu vermeiden, sollen die völkerrechtlichen Vorrechte daher entsprechend den heutigen Usanzen umschrieben werden.

Absatz 3 ermöglicht gewissen Personenkategorien den Beitritt zur obligatorischen Versicherung. Er bleibt ohne Einfluss auf die zwischenstaatlich statuierte Versicherungspflicht.

Buchstabe a entspricht von der Idee her Absatz 3 des bundesrätlichen Vorschlags zur 10. AHV-Revision, ermöglicht allerdings eine extensivere Ausgestaltung. Anders als im

heutigen

Artikel

Versicherungsverhältnis

l

Buchstabe

vorausgesetzt

c und

wird eine

neu

ein

vorbestandenes

zeitliche

Beschränkung

("vorübergehend") eingerührt. Damit soll erreicht werden, dass der Kreis der im Ausland befindlichen, aber obligatorisch versicherten Personen auf solche mit engen Beziehungen zur Schweiz begrenzt bleibt. Der Wortlaut lehnt sich im übrigen an die bereits heute in den Sozialversicherungsabkommen bestehenden.

Entsandtenbestimmungen an. Bewusst wird nicht von einem entsendenden "Arbeitgeber" gesprochen, da der Arbeitgeber, namentlich in international tätigen Konzernen, häufig nicht eine schweizerische, sondern eine ausländische Gesellschaft ist, wirtschaftlich gesehen bestehen jedoch weiterhin enge Beziehungen zur schweizerischen Gesellschaft. Das abrechnungswillige Unternehmen muss sämtliche Arbeitgeberpflichten übernehmen (Abrechnungs-, Beitragszahlungspflicht, Haftung), Deshalb wird sein ausdrückliches Einverständnis vorbehalten.

Buchstabe b entspricht Absatz 4 des bundesrätlichen Vorschlags zur 10. AHVRevision. Im Unterschied zu Buchstabe a wird hier nur von Schweizer Bürgern gesprochen; aufgrund der zwischenstaatlichen Gleichstellungsklauseln gilt die Bestimmung allerdings auch für Angehörige von EWR-Staaten sowie von weiteren Staaten, mit denen die Schweiz bilaterale Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen

hat.

574

Artikel 2

Die bisherige Regelung der freiwilligen Versicherung entfallt (siehe Ziff. 1.3).

Gewisse Härten des Auslaufenlassens sollen mit den vorstehend erläuterten Aenderungen in Artikel l aufgefangen werden. Die zuständigen Stellen prüfen zur Zeit,

inwiefern

den

Auslandschweizern

eine

Ersatzlösung

ausserhalb

des

Sozialversicherungssystems angeboten werden kann. Im übrigen besteht weiterhin die Möglichkeit von Fürsorgebeiträgen an hilfsbedürftige Auslandschweizer aufgrund des Bundesgesetzes von 1973. Alle unter dem alten Recht der freiwilligen Versicherung beigetretenen und am 31. Dezember 1992 noch versicherten Auslandschweizer können die Versicherung gemäss Uebergangsbestimmung fortführen.

Artikel 20 Absatz 2

Die VerrechnungsmögHchkeit muss auf Rückforderungen Hilflosenentschädigungen, die neu im ELG geregelt sind, ausgedehnt werden.

Artikel 42

von

Bezügerkreis

Die ausserordentlichen Renten mit Einkommensgrenzen werden abgeschafft und durch Ergänzungsleistungen ersetzt. Artikel 42 regelt somit nur noch den Anspruch auf ausserordentliche Renten ohne Einkommensgrenzen. Für weitere Erläuterungen zu dieser Bestimmung vgl. die Bemerkungen zu Artikel 42 in der Botschaft vom 5. März 1990 über die 10. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung.

Artikel 42bis; 42ter Schweizer im Ausland/Anpassung der Einkommensgrenzen

Mit der Aufhebung der ausserordentlichen Renten mit Einkommensgrenzen werden diese Bestimmungen hinfällig.

575

Artikel 43bis

Hüflosenentschädigung

Die Hilflosenentschädigung ist neu geregelt in Artikel 9a-9f ELG. Daher kann diese Bestimmung aufgehoben werden.

Artikel 44-47, 48quinquies, 51, 63 Absatz l Buchstaben b, c und d, 71 Absatz 2, 92 Absatz l und 2 und Übergangsbestimmungen der 9. AHV-Revision Buchstabe b Absatz l

Anpassung wegen der Aufhebung der Hilflosenentschädigung der AHV.

Bundesbeschluss vom 4. Oktober 1985 über den Beitrag des Bundes und der Kantone an die Finanzierung der AHV Um der zu erwartenden zusätzlichen Belastung der Kantone infolge der Einführung der Hilflosenentschädigung im ELG (s. Ziff. 1.2 und 2 des Kapitels 3.7, Ergänzungsleistungen) zu begegnen, schlagen wir vor, deren Beitrag an die AHV zu halbieren. Damit kann davon ausgegangen werden, dass der finanzielle Aufwand aller Beteiligten derselbe ist wie heute, wobei auch derjenige für die Uebernahme der Hilflosenentschädigung der IV einbezogen ist3.

Uebergangsbestimmung zur Aufhebung von Artikel 2

Die Uebergangsbestimmung entspricht im wesentlichen dem heutigen Artikel 2 ohne diejenigen Bestimmungen, die den Beitritt zur freiwilligen Versicherung beinhalten.

Alle unter dem alten Recht der freiwilligen Versicherung beigetretenen und am 31.

Dezember 1992 noch versicherten Auslandschweizer können die Versicherung nach den übrigen unveränderten Bedingungen fortführen. Dies gilt sowohl für die AHV wie

die IV.

1

Diese Lösung wird gegenwärtig mit den Kantonen erörtert

576

Referendum und Inkrafttreten Die dargelegten Neuregelungen müssen gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft treten. Ein auch nur vorübergehendes Weiterbestehen der bisherigen Regelungen würde nämlich aufgrund der Gleichbehandlungsvorschrift bzw. Exportbestimmung der Verordnung Nr. 1408/71 ungewollte Ansprüche für Bürger anderer EWR-Staaten bzw.

Verpflichtungen zur Auslandszahlung von Leistungen bringen, die finanzielle Auswirkungen in beträchtlichem Masse zur Folge hätten und auch nach Inkrafttreten der vorgeschlagenen Regelungen aus Gründen der Besitzstandswahrung weiterhin honoriert werden müssten. Um ein gleichzeitiges Inkrafttreten mit dem EWRAbkommen zu gewährleisten, muss die Form des dringlichen Bundesbeschlusses gewählt werden. Dessen Dauer von zehn Jahren ist abgestimmt auf die wichtigsten anstehenden Gesetzgebungsarbeiten in AHV, IV und EL.

577

Entma Dringlicher Bundesbeschluss f über die Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 341««« der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 19921\ beschliesst: I

Das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) 2> wird wie folgt geändert: An. l Abs. l Bst. c, 2 Bst. a sowie 3 (neu) 1 Versichert nach Massgabe dieses Gesetzes sind: c. die Schweizer Bürger, die im Ausland im Dienste der Eidgenossenschaft oder vom Bundesrat bezeichneter Institutionen tätig sind.

1 Nicht versichert sind: a. ausländische Staatsangehörige, die Privilegien und Immunitäten gemäss den Regeln des Völkerrechts geniessen; 3 Der Versicherung können beitreten: a. Personen, die für ein Unternehmen in der Schweiz vorübergehend zu einer Arbeitsleistung ins Ausland entsandt werden.

Der Beitritt setzt ein vorbestandenes Versicherungsverhältnis sowie das Einverständnis des Unternehmens voraus, die Pflichten eines Arbeitgebers im Sinne dieses Gesetzes zu erfüllen. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten; b. Schweizer Bürger mit Wohnsitz in der Schweiz, die aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarung nicht versichert sind. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

Art.2 Aufgehoben

» BB1 1992 V 568 * SR 831.10

578

Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung. BB

Art. 20 Abs. 2 Forderungen auf Grund dieses Gesetzes und der Bundesgesetze über die Invalidenversicherung1', vom 25. September 1952 ^ über die Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende in Armee und Zivilschutz und vom 20. Juni 1952 3> über die Familienzulagen in der Landwirtschaft sowie Rückforderungen nach dem Bundesgesetz vom 19. März 19854' über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung und von Renten und Taggeldern der obligatorischen Unfallversicherung, der Militärversicherung, der Arbeitslosenversicherung und der Krankenversicherung können mit fälligen Leistungen verrechnet werden.

1

Bezügerkreis

Art. 42 ' Anspruch auf eine ausserordentliche Rente haben Schweizer Bürger mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz, die während der gleichen Zahl von Jahren versichert waren wie ihr Jahrgang, denen aber keine ordentliche Rente zusteht, weil sie bis zur Entstehung des Rentenanspruchs nicht während eines vollen Jahres der Beitragspflicht unterstellt gewesen sind.

Der Anspruch steht auch ihren Hinterlassenen zu.

2 Das Erfordernis des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts ist von jeder Person, für die eine Rente ausgerichtet wird oder die an einer Ehepaarrente beteiligt ist, einzeln zu erfüllen.

3 Der Ehegatte, der mit einem obligatorisch versicherten Schweizer Bürger verheiratet ist und im Ausland lebt, aber gemäss zwischenstaatlicher Vereinbarung oder völkerrechtlicher Übung der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung seines Wohnsitzstaates nicht angehört, ist dem in der Schweiz wohnhaften Ehegatten von Schweizer Bürgern gleichgestellt.

Art. 42bis und 42tcr Aufgehoben Gliederungstitel vor Art. 43bis D. Hilfsmittel

" > V 4 > 2

SR 831.20 S R 834.1 SR 836.1 SR 831.30

579

Änderung des Bundesgesetzes über die Allers- und Hinterlassenenversicherung. BB

Art. 43 bis Aufgehoben

An. 46 Abs. 2 Aufgehoben Art. 48quinquies Abs. 2 Est. e 2

Leistungen gleicher Art sind namentlich: c. Leistungen für Hilflosigkeit nach dem Bundesgesetz vom 19. März 1965'' über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung und Vergütungen für Pflegekosten sowie andere aus der Hilflosigkeit erwachsende Kosten.

Art. 92 Abs. J und 2 erster Satz 1 Bedürftigen Schweizern im Ausland, die der freiwilligen Versicherung beigetreten sind, aber im Alter oder als Hinterlassene keine Rente erhalten, können Fürsorgebeiträge gewährt werden.

2 Der Fürsorgebeitrag darf im Einzelfall den Betrag der zutreffenden ausserordentlichen Rente nicht übersteigen. ...

Streichen eines Ausdrucks In den Artikeln 44, 45, 47, 51 Absätze 2 und 3, 63 Absatz l Buchstaben b, c und d und 71 Absatz 2 wird der Ausdruck «und Hilflosenentschädigungen» gestrichen.

II

Der Bundesbeschluss vom 4, Oktober 1985 2) über den Beitrag des Bundes und der Kantone an die Finanzierung der Alters- und Hinterlassenenversicherung wird wie folgt geändert: Art. 1 Bst. b

Abweichend von Artikel 103 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung beträgt bis zum Inkrafttreten der hälftigen Beteiligung der Kantone am Bundesbeitrag für die Krankenversicherung:

" SR 831.30 > SR 831.100

2

580

Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung. BB

b. der Beitrag der Kantone 4,5 Prozent im Jahre 1986, 4 Prozent in den Jahren 1987 bis 1989, 3 Prozent in den Jahren 1990 bis 1992 und 1,5 Prozent ab 1993».

Übergangsbestimmungen der 9. AHV-Revision Buchstabe b Absatz l Die Bestimmungen über die Berechnung, Höhe und Kürzung der ordentlichen und ausserordentlichen Renten nach Buchstabe a sind von der ersten Rentenanpassung an auch auf Fälle anzuwenden, in denen der Rentenanspruch schon früher entstanden ist.

1

III Übergangsbestimmungen der Änderung vom ...

Für Auslandschweizer, welche am 31. Dezember 1992 in der AHV freiwillig versichert waren, gelten die folgenden Vorschriften: 1. Die Auslandschweizer sind aus der freiwilligen Versicherung ausgeschlossen, wenn sie ihre Verpflichtungen trotz Mahnung nicht erfüllen.

2. Nach diesem Gesetz erworbene Rechte bleiben gewahrt.

3. Der Bundesrat erlässt ergänzende Vorschriften über die freiwillige Versicherung; er ordnet namentlich den Rücktritt und den Ausschluss sowie die Erhebung der Beiträge und die Gewährung der Leistungen. Er kann die Dauer der Beitragspflicht sowie die Bemessung und Anrechnung der Beiträge den Besonderheiten der freiwilligen Versicherung anpassen.

IV 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich.

Er wird nach Artikel 89bis Absatz l der Bundesverfassung als dringlich erklärt und tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

3 Er unterliegt nach Artikel 89bis Absatz 2 der Bundesverfassung dem fakultativen Referendum und ist auf zehn Jahre befristet.

2

5566

;)

Diese Lösungsvariante wird gegenwärtig mit den Kantonen erörtert.

581

92.057-33

3.6

Dringlicher

Bundesbeschluss

über

die

Aenderung

des

Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung

l

Allgemeines

1.1

Verhältnis des EWR-Rechts zum nationalen Recht sowie zu anderen zwischenstaatlichen Abkommen - Verzicht auf formelle Anpassungen im schweizerischen Recht

Ziffer 1.1 des Kapitels 3.2 (Krankenversicherung) gilt sinngemäss auch für die IV.

Die diesbezüglichen Leistungskoordinationsvorschriften der Verordnung Nr. 1408/71 sind in den Artikeln 37-43 geregelt. Sie sehen für die Koordination zwei Systeme vor, das Risikoprinzip und das Prinzip der anteilsmässigen Leistungsaufteilung. Beides findet sich bereits in unseren bilateralen Verträgen. Nach dem Risikosystem, wie es derzeit in unseren Verträgen mit den EG- bzw. EFTA-Ländern Belgien, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden, Norwegen, Portugal und Spanien vorgesehen ist, entschädigt die schweizerische IV nur diejenigen Fälle, bei denen die Invalidität in der Schweiz

eingetreten

ist,

wobei

die Leistung

aufgrund

der

schweizerischen

Versicherungszeiten und der Versicherungszeiten im Partnerstaat festgesetzt wird. Die Verträge mit den übrigen EG- und EFTA-Staaten beruhen dagegen auf dem System der anteilsmässigen Entschädigung. Die schweizerische IV gewährt ihre Leistung hier nur aufgrund der schweizerischen Versicherungszeiten; für die Erfüllung der sogenannten Versicherungsklausel wird indessen eine Zugehörigkeit zur Versicherung des Partnerstaates einer Versicherung in der schweizerischen IV gleichgestellt. Nach der Verordnung Nr. 1408/71 gilt zwischen Staaten, in denen, wie in der Schweiz, die Leistungshöhe von

der

Versicherungsdauer abhängig ist,

und allen

anderen

Partnerstaaten ausschliesslich das System der anteilsmässigen Entschädigung. Die Berechnung erfolgt nach dem gleichen Verfahren wie bei der AHV. Für die Erfüllung der Versicherungsklausel müssen indessen auch hier die Zugehörigkeit zu einer ausländischen

582

Versicherung und ähnliche Tatbestände

der

Zugehörigkeit

zur

Versicherung des zuständigen Staates gleichgestellt werden. Für die Schweiz findet sich in Anhang VI zur Verordnung 1408/71 eine entsprechende Eintragung. Diese Lösung wird künftig somit grundsätzlich alle, d.h. auch die auf dem Risikoprinzip aufgebauten vertraglichen Regelungen ersetzen.

1.2

Freiwillige Versicherung; Hilflosenentschädigungen

außerordentliche

Renten;

Die Ausführungen zur AHV (Ziff. 1.3-1.5 des Kapitels 3.5) gelten sinngemäss.

1.3

Viertels- und Härtefallrenten

Praktisch kein anderes europäisches Land kennt für das Risiko Invalidität Viertelsrenten (Invaliditätsgrad zwischen 40 und 50 %). Es geht davon aus, dass jemand trotz leichter Behinderung in der Arbeitswelt integriert bleibt. Es ist auch äusserst schwierig, Kleinstinvaliditäten zu bemessen. Darum beschränkt man sich weitgehend auf ganze Renten. Es wäre problematisch, wenn die Schweiz eine Ausnahme machen würde. Wir schlagen deshalb vor, die Viertelsrenten, die anlässlich der 2. IV-Revision eingeführt wurden und die keinem grossen Bedarf (nicht ganz 4000 Fälle) entsprechen, aufzuheben.

2

Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen

Artikel l Mit der Aufhebung von Artikel 2 AHVG ist die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung in Artikel l IVG zu streichen.

Artikel 20 Absatz l Satz 2

Da die Hilflosenentschädigung der IV aufgehoben und in das ELG überführt wird, muss der Verweiser entsprechend angepasst werden.

583

Artikel 28 Absätze l, Ibis, Iter und Artikel 29 Absatz l Diese Aendemngen bzw. Aufhebungen sind bedingt durch die Aufhebung der Viertelsrenten der IV.

Artikel 39

Außerordentliche Invalidenrenten

Die im IVO vorgenommenen Aenderungen entsprechen der Neukonzeption der ausserordentlichen Renten im AHVG (Art. 42).

Artikel 40 Absätze 2 und 3 Durch die Aufhebung der ausserordentlichen Renten mit Einkommensgrenzen werden redaktionelle Anpassungen notwendig.

Artikel 42

Hilfloseneutschädigung

Die Hilflosenentschädigung ist neu in den Artikeln 9a - 9f ELG geregelt. Daher kann diese Bestimmung aufgehoben werden.

Artikel 52 Absatz 2 Buchstabe d Anpassung wegen der Ueberführung der Hilflosenentschädigung der IV in das ELG.

Artikel 60 Absatz l Buchstabe c und Artikel 76 Absätze l und 2 Anpassung wegen der Aufhebung der Hilflosenentschädigung der IV,

584

Uebergangsbestimmungen

Die Uebergangsregelung zur Aenderung von Artikel l entspricht derjenigen in der AHV (s.o. Ziff. 3.52 am Ende). Im Zusammenhang mit den Artikeln 28 Absatz l, Ibis und 1ter sowie 29 Absatz l soll den Rentenbezügern der bisherige Besitzstand gewährt werden.

Referendum und Inkrafttreten

Die Ausführungen zur AHV (Ziff. 2 des Kapitels 3.5 am Ende) gelten sinngemäss.

585

Dringlicher Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 34quater der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992'), beschliesst:

I Das Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG)2) wird wie folgt geändert:

An. l Versichert nach Massgabe dieses Gesetzes sind Personen, die gemäss Artikel l des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)3) versichert sind.

An. 20 Abs. l zweiter Satz ' ... Der Beitrag fällt mit der Entstehung des Anspruchs auf eine Rente oder eine Hilflosenentschädigung nach dem Bundesgesetz vom 19. März 19654) über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV dahin.

Art. 28 Abs. l ibis und lter 1 Der Anspruch auf eine ganze Rente besteht, wenn der Versicherte mindestens zu zwei Dritteln, derjenige auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zur Hälfte invalid ist.

1 bis und 1 ter Aufgehoben

') -' 3 > 4 >

BB1 1992 V 582 SR 831.20 SR 831.10 SR 831.30

586

Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung. BB

Art. 29 Abs. l «40 Prozent» wird durch «50 Prozent» ersetzt.

Art. 39 Abs. l und 2 1

Der Anspruch von Schweizer Bürgern auf ausserordentliche Renten richtet sich nach den Bestimmungen des AHVG.

2

Aufgehoben

Art. 40 Abs. 2 und 3 2

Die ausserordentlichen Kinderrenten werden unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfang gekürzt wie in der Alters- und Hinterlassenenversicherung.

3 Die ausserordentlichen Renten für Personen, die vor dem 1. Dezember des der Vollendung des 20. Altersjahres folgenden Jahres invalid geworden sind, entsprechen 133!/3 Prozent des Mindestbetrages der zutreffenden ordentlichen Vollrente.

Gliederungstitel vor Art. 42 Streichen

Art. 42 Aufgehoben Gliederungstitel vor Art. 43

D. Das Zusammenfallen von Leistungen Gliederungstitel vor Art. 46

E. Verschiedene Bestimmungen Art. 52 Abs. 2 Bst. d 2

Leistungen gleicher Art, in deren Rahmen die Ansprüche übergehen, sind namentlich: d. Leistungen für Hilflosigkeit nach diesem Gesetz oder nach dem Bundesgesetz vom 19. März. 1965') über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV und Vergütungen für Pflege- sowie andere aus der Hilflosigkeit erwachsende Kosten.

11

SR 83130 587

Änderung des BundesgeseUes über die Invalidenversicherung. BB

Art. 60 Abs. l Est. e 1 Den Ausgleichskassen der AHV obliegen insbesondere: c. die Auszahlung der Renten und Taggelder.

An. 76 Abs. l und 2 erster Satz 1 Bedürftigen invaliden Schweizern im Ausland, die der freiwilligen Versicherung beigetreten sind, aber für die bestehende Invalidität keine Rente erhalten, können Fürsorgebeiträge gewährt werden.

2 Der Fürsorgebeitrag darf im Einzelfall den Betrag der zutreffenden ausserordentlichen Rente nicht übersteigen, ...

II Übergangsbestimmungen der Änderung vom ...

' Die neue Fassung von Artikel 28 gilt mit folgenden Einschränkungen von ihrem Inkrafttreten an auch für laufende Invalidenrenten: a. Renten, die auf einem Invaliditätsgrad von weniger als 50 Prozent beruhen, sind innert eines Jahres seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in Revision zu ziehen (Art. 41 IVG).

b. Ergibt die Revision einen Invaliditätsgrad von mindestens 40 Prozent, so wird der Betrag der bisherigen Rente weiterhin ausgerichtet, solange die Voraussetzungen des Härtefalles erfüllt sind.

c. Ergibt die Revision einen Invaliditätsgrad von weniger als 40 Prozent, jedoch mindestens 33 W Prozent und erfuhr der Betrag der Rente gestützt auf Absatz! der Übergangsbestimmungen der Änderung vom 9. Oktober 1986 (2. IV-Revision) keine Änderung, so wird der Betrag der bisherigen Rente ebenfalls weiterhin ausgerichtet, solange die Voraussetzungen des Härtefalles erfüllt sind.

2 Für die Änderungen in der freiwilligen Versicherung gilt die Übergangsbestimmung der Änderung des AHVG vom ... sinngemäss.

III 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich.

Er wird nach Artikel 89bis Absatz l der Bundesverfassung als dringlich erklärt und tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

2

3

Er unterliegt nach Artikel 89bis Absatz 2 der Bundesverfassung dem fakultativen Referendum und ist auf zehn Jahre befristet.

588

92.057-34

3.7

Dringlicher

Bundesbeschluss

über

die

Aenderung

des

Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV l

Allgemeines

1.1

Verhältnis des EWR-Rechts zum nationalen Recht sowie zu anderen zwischenstaatlichen Abkommen - Verzicht auf formelle Anpassungen im schweizerischen Recht

Ziffer 1.1 des Kapitels 3.2 gilt sinngemäss auch für die Ergänzungsleistungen. Die wichtigsten Bestimmungen sind hier die Gleichbehandlungsvorschrift (Art. 3) und die neu vorgesehene Möglichkeit, die beitragsunabhängigen Sonderleistungen von der allgemeinen Auslandszahlungsverpflichtung (Art. 10 Abs. 1) der Verordnung Nr, 1408/71 auszunehmen (Art. lOa der Verordnung).

1-2

Ersatz für die Aufhebung von Leistungen der AHV/IV

Es gibt in der Sozialversicherung Leistungen, die für den Export ungeeignet sind, da sie verschiedene Abklärungen erfordern, die grosse administrative Schwierigkeiten mit sich bringen,wenn sie im Ausland vorgenommen werden müssen. Dies betrifft die bis heute auf das Inland beschränkten drei Leistungen, nämlich die ausserordentlichen Renten mit Einkommensgrenzen.die IV-Viertelsrenten und die Hilflosenentschädigung zur AHV und IV (s. hierzu Ziff. 1.4, 1.5 des Kapitels 3.5 und 1.3 des Kapitels 3.6).

Wir schlagen vor, der Aufhebung dieser Ansprüche in der AHV und IV durch eine gewisse Erweiterung des Leistungskataloges bei den Ergänzungsleistungen zur AHV/IV zu begegnen.

589

2

Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen

Artikel 2

Anspruch auf Ergänzungsleistungen

Die Kategorien, die auf EL Anspruch haben, werden gemäss Absatz l zur besseren Uebersichtlichkeit neu in den Artikeln 2a-2c aufgezählt.

Ausländer, die nicht aufgrund zwischenstaatlichen Rechts (einschliesslich EWRAbkommen) den Schweizer Bürgern gleichgestellt sind, haben nach Absatz 2 Anspruch auf EL, wenn sie eine Rente der AHV/IV oder ein Taggeld der IV beziehen und die erforderliche Karenzfrist erfüllt haben.

In Absatz 2bis wird festgelegt, dass der Anspruch auf eine ausserordentliche Rente mit Einkommensgrenze durch den Anspruch auf EL ersetzt wird. Da die fünfzehnjährige Karenzfrist bei den EL nicht wegfallt, muss festgelegt werden, dass bis zum Zeitpunkt ihrer Erfüllung EL und Rente zusammen die Höhe des Mindestbetrages der zutreffenden ordentlichen Vollrente nicht übersteigen dürfen.

Artikel 2 a, 2 b und 2 c

Anspruch für Betagte, Hinterlassene und Invalide

Die Anspruchsberechtigung wird neu nach Kategorien umschrieben,

Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe d Anrechenbares Einkommen

Da die Hilflosenentschädigungen der AHV/IV aufgehoben und in das ELG überführt werden, muss der Verweiser entsprechend angepasst werden.

Artikel 9a

Anprucbsberechtigte Personen

An Altersrentner wird eine Hilflosenentschädigung ausgerichtet, wenn sie in mindestens mittelschwerem Grade hilflos werden (Abs. 1), Hat ein Hilfloser jedoch schon vor dem AHV-Alter eine Hilflosenentschädigung bezogen, so erhält er den Betrag weiterhin garantiert (Abs. 3).

590

Ausländer, die nicht aufgrund zwischenstaatlichen Rechts den Schweizer Bürgern gleichgestellt sind, müssen zusätzlich eine Karenzfrist erfüllen (Abs. 2). Sie ist gleich lang wie diejenige bei den EL (siehe Art. 2 Abs. 2 ELG).

Artikel 9b

Begriff der Hilflosigkeit

Absatz l übernimmt im wesentlichen die Regelung von Artikel 42 Absatz 2IVG.

Absatz 2 definiert den Dauercharakter der Hilflosigkeit. Nach der Rechtsprechung des EVG muss eine von zwei Varianten ausgewiesen sein: bleibende oder langdauernde Hilflosigkeit, Bei den Altersrentnern kann bereits heute der Dauercharakter nur durch die langdauernde Hilflosigkeit nachgewiesen werden. Diese Regelung soll neu bei allen hilflosen Personen gelten.

Artikel 9c

Höhe der Entschädigung

Die Regelung entspricht Artikel 42 Absatz 3 IVG.

Artikel 9d

Anspruchsbeginn

Absatz l übernimmt die Regelung von Artikel 35 Absatz l IVV und Absatz 2 im wesentlichen diejenige von Artikel 48 Absatz 2 IVG. Absatz 3 entspricht dem ersten Teil von Satz 2 in Artikel 42 Absatz l Satz l IVG. Die Begrenzung ist nötig, weil sonst der Kreis der anspruchsberechtigten Personen gegenüber heute zu stark ausgeweitet würde.

Artikel 9e

Ergänzende Vorschriften

Diese Bestimmung lehnt sich stark an Artikel 42 Absatz 4 IVG an. Zusätzlich muss der Bundesrat Vorschriften über die Revision der Hilflosigkeit, die Nachzahlung und Rückforderung von Hilflosenentschädigungen sowie deren Verrechnung mit Ergänzungsleistungen und Leistungen der gemeinnützigen Institutionen erlassen können.

591

Artikel 9f

Sinngemäss anwendbare Bestimmungen

Für die Organisation sind die Kantone zuständig, wie sich aus Artikel 6 Absatz l ELG ergibt. Wer jedoch die Hilflosigkeit zu bemessen hat, legt der Bundesrat fest (Abs. 2).

Diese Bestimmung erlaubt es, die Bemessung zum Beispiel den IV-Stellen zu übertragen.

Artikel 12 Absatz 2

Für die Hilflosenentschädigung gemäss AHVG bzw. IVG ist eine Drittauszahlung möglich, was auch für das ELG gelten soll. Der Bundesrat wird die näheren Bestimmungen erlassen.

Artikel 13 Absatz 3 Ausnahmen von der Schweigepflicht

Im AHVG und IVG gibt es eine solche Bestimmung. Sie soll auch für die Hilflosenentschädigung gelten, wenn sie im ELG geregelt ist.

Artikel 15 Absatz l

Die Kantone können für die Hilflosenentschädigung gewisse Regelungen (vgl. Art. 9f) treffen. Diese sind vom Bund zu genehmigen, wie dies auch bei den Regelungen für die Ergänzungsleistungen vorgesehen ist.

Aenderung des Bundesbeschlusses Staatenlosen in der AHV/IV

über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und

Artikel l Absatz l

Die Aufhebung der Hilflosenentschädigung in der IV ist zu berücksichtigen.

592

Referendum und Inkrafttreten Die Ausführungen zur AHV (Ziff. 1.5 des Kapitels 3.5 am Ende) gelten sinngemäss.

593

Dringlicher Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 34quater der Bundesverfassung sowie Artikel 11 der Übergangsbestimmung zur Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992'), beschliesst: I

Das Bundesgesetz vom 19. März 19652' über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) wird wie folgt geändert: Gliederungstitel vor Art. I 1. Kapitel: Die Leistungen der Kantone 1. Abschnitt: Ergänzungsleistungen Art. 2 Abs. l, 1 quater, 2, 2bis (neu) und 5 1 Den in den Artikeln 2a-2c bezeichneten Schweizer Bürgern mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz ist ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen einzuräumen, soweit das anrechenbare Jahreseinkommen einen im nachstehenden Rahmen festzusetzenden Grenzbetrag nicht erreicht: a. für Alleinstehende mindestens 13 820 und höchstens 15 420 Franken; b. für Ehepaare mindestens 20730 und höchstens 23 130 Franken; c. für Waisen mindestens 6910 und höchstens 7710 Franken.

l quater 1

Aufgehoben

Ausländer mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz haben wie Schweizer Bürger Anspruch auf Ergänzungsleistungen, wenn sie sich unmittelbar vor dem Zeitpunkt, von welchem an die Ergänzungsleistung verlangt wird, ununterbrochen 15 Jahre in der Schweiz aufgehalten haben und Anspruch auf eine Rente der AHV/IV oder ein Taggeld der IV haben; Flüchtlinge und Staatenlose mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz haben

') BBI 1992 V 589 2

> SR 831.30

594

Änderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV. BB

nach fünfjährigem ununterbrochenem Aufenthalt in der Schweiz Anspruch auf Ergänzungsleistungen wie Schweizer Bürger.

2bls

Ausländer, die gestützt auf ein Sozialversicherungsabkommen Anspruch auf ausserordentliche Renten der AHV/IV hätten, haben Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Solange sie die in Absatz 2 festgelegte Karenzfrist nich erfüllt haben, haben sie höchstens Anspruch auf eine Ergänzungsleistung in der Höhe des Mindestbetrages der zutreffenden ordentlichen Vollrente.

5 Aufgehoben Art. 2a

Betagte (neu)

Anspruchsberechtigt im Sinne von Artikel 2 sind Betagte: a. die eine Altersrente der AH V beziehen; b. die die Mindestbeitragsdauer gemäss Artikel 29 Absatz l AHVG nicht erfüllen und das Rentenalter erreicht haben.

Art. 2b

Hinterlassene (neu)

Anspruchsberechtigt im Sinne von Artikel 2 sind Hinterlassene: a. die Anspruch auf eine Witwen- oder Waisenrente der AHV haben; b. die Anspruch auf eine Witwen- oder Waisenrente der AHV hätten, wenn die verstorbene Person die Mindestbeitragsdauer gemäss Artikel 29 Absatz l AHVG erfüllt hätte.

Art. 2c

Invalide (neu)

Anspruchsberechtigt im Sinne von Artikel 2 sind Invalide: a. die Anspruch auf eine IV-Rente haben; b. denen eine Rente nach Buchstabe a zustehen würde, wenn sie die Mindestbeitragsdauer gemäss Artikel 36 Absatz l IVG und die versicherungsmässigen Voraussetzungen gemäss Artikel 6 Absatz l IVG erfüllen würden; c. die ununterbrochen während mindestens sechs Monaten ein Taggeld der IV beziehen. In Abweichung von Artikel 3 Absatz 2 wird das Erwerbseinkommen voll angerechnet.

Art. 3 Abs. 3 Bst. d 3

Nicht als Einkommen anzurechnen sind: d. Hilflosenentschädigungen nach Artikel 9a;

595

Änderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur AHV/1V. BB

Gliederungstitel vor Art. 9a 2. Abschnitt: Hilflosenentschädigung (neu) Art. 9a Anspruchsberechtigte Personen 1 Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung haben Personen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz, die hilflos sind und keinen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung nach dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung 1 ' besitzen. Frauen nach vollendetem 62. und Männer nach vollendetem 65. Altersjahr sind anspruchsberechtigt, wenn sie in mindestens mittelschwerem Grade hilflos werden und Anspruch auf eine Rente der AHV haben, 2 Ausländer, für welche weder ein Sozialversicherungsabkommen noch das EWR-Abkommen etwas anderes vorsehen, müssen sich zudem unmittelbar vor dem Zeitpunkt, von welchem an die Hilflosenentschädigung verlangt wird, ununterbrochen fünfzehn Jahre in der Schweiz aufgehalten haben. Bei Flüchtlingen und Staatenlosen beträgt die Frist fünf Jahre.

3 Hat ein Hilfloser bis zum Ende des Monats, in welchem Männer das 65. und Frauen das 62. Altersjahr zurückgelegt haben, bereits eine Hilflosenentschädigung bezogen, so wird ihm die Entschädigung mindestens im bisherigen Betrag weitergewährt.

Art. 9b Begriff der Hilflosigkeit 1 Als hilflos gilt, wer für die alltäglichen Lebensverrichtungen dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf.

2 Die Hilflosigkeit gilt als dauernd, wenn sie während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch bestanden hat und voraussichtlich weiterhin andauern wird.

Ari. 9c Höhe der Entschädigung Die Entschädigung wird nach dem Grad der Hilflosigkeit bemessen. Sie entspricht mindestens 20 Prozent und höchstens 80 Prozent des Mindestbetrages der einfachen Altersrente gemäss Artikel 34 Absatz 2 AHVG.

Art. 9d Anspruchsbeginn 1 Der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung entsteht am ersten Tag des Monats, in dem sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

2 Meldet sich ein Hilfloser mehr als zwölf Monate nach Entstehen des Anspruchs an, so wird die Hilflosenentschädigung lediglich für die zwölf der Anmeldung vorangehenden Monate ausgerichtet.

') S R 832.20 596

Änderung des Bundesgesetzes über Erganzungsleistungen zur AHV/IV. BB 3

Die Entschädigung wird frühestens vom ersten Tag des der Vollendung des 18, Altersjahres folgenden Monats an gewährt.

Art. 9e Ergänzende Vorschriften Der Bundesrat kann ergänzende Vorschriften erlassen, namentlich über die Bemessung und Revision der Hilflosigkeit, die Nachzahlung und Rückforderung von Leistungen, die Verrechnung mit den übrigen Leistungen dieses Gesetzes sowie über den Anspruch einer Person auf eine Hilflosenentschädigung, wenn diese wegen eines schweren Gebrechens für den Kontakt mit der Umwelt einer besonderen Hilfe in erheblichem Umfang bedarf.

Art. 9f Sinngemäss anwendbare Bestimmungen 1 Die Artikel 6-9 sind sinngemäss anwendbar.

2 Der Bundesrat legt fest, wem die Bemessung der Hilflosigkeit obliegt und wer die Kosten hiefür zu tragen hat. Zudem kann er das Verfahren regeln.

Gliederungstitel vor Art. 10 2. Kapitel: Die Leistungen gemeinnütziger Institutionen GHederungstitel vor Art. 12 3. Kapitel: Gemeinsame Bestimmungen

Art. 12 Abs. 2 (neu) 2 Der Bundesrat kann Vorschriften über die Gewährleistung zweckmässer Verwendung und die Drittauszahlung erlassen.

Art. 13 Abs. 3 (neu) 3 Wo kein schützenswertes Privatinteresse vorliegt, kann der Bundesrat Ausnahmen von der Schweigepflicht bewilligen.

Art. 15 Abs. l erster Satz 1 Kantone, welche auf Grund dieses Gesetzes Beiträge an Ergänzungsleistungen und Hilflosenentschädigungen beanspruchen, haben die einschlägigen Bestimmungen dem Bunde zur Genehmigung zu unterbreiten. ...

597

Änderung des Bundesgesctzes über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV. BB Gliederungstitel vor Art. 17 4. Kapitel: Schlussbestimmungen

II Änderung bisherigen Rechts Der Bundesbeschluss vom 4. Oktober 1962'> über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staatenlosen in der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung wird wie folgt geändert:

An. l Abs. ) 1 In der Schweiz wohnhafte Flüchtlinge haben unter den gleichen Voraussetzungen wie Schweizer Bürger Anspruch auf ordentliche Renten der Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie der Invalidenversicherung.

III 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich.

1

ET wird nach Artikel 89bis Absatz l der Bundesverfassung als dringlich erklärt und tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

3

Er unterliegt nach Artikel 89bis Absatz 2 der Bundesverfassung dem fakultativen Referendum und ist auf zehn Jahre befristet.

5566

'> SR831.131.il 598

Verkehr und Fernmeldewesen

92.057-35; 92.057-36; 92.057-37

4.1

Bundesbeschlüsse über die Anpassung des Bundesgesetzes über

den Transport im öffentlichen Verkehr, des Eisenbahngesetzes und des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen

1

Allgemeiner Teil

Aus Gründen der Rechtssicherheit scheint es zweckmässig, den Ingress der drei eingangs erwähnten Bundesgesetze zu ändern und darin den "Acquis communautaire" zu erwähnen.

Die Benutzer der Gesetze erhalten damit unmittelbar Auskunft über die anwendbaren Bestimmungen.

Der Einfachheit halber sind nur die grundlegendsten Erlasse aufgeführt. Die abschliessende Aufzählung aller dieser Erlasse würde viel zu lang und enthielte das Risiko, dass einer davon vergessen geht. Weiter entstünde der gewichtige Nachteil, dass das nationale Recht bei jeder noch so geringfügigen Aenderung des Gemeinschaftsrechts neu angepasst werden müsste.

2

Besonderer Teil

2.1

Bundesgesetz über den Transport im öffentlichen Verkehr

Zusätzlich zur Aenderung des Ingresses scheint es notwendig, Artikel 12 mit einem zweiten Absatz zu ergänzen, welcher das Bundesamt für Verkehr als

599

Koordinationsstelle für Angelegenheiten zwischen der Kommission und der Schweiz bezeichnet.

2.2

Eisenbahngesetz

In Anwendung der Artikel 28-35 des EWR-Abkommens ist innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes jede Diskriminierung von Personen aus Gründen der Staatszugehörigkeit aufzuheben.

Der bereits heute veraltete Artikel 13 betreffend die Staatsangehörigkeit der Mitglieder der Verwaltung und des Bahnpersonals muss aufgehoben werden.

2.3

Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen

Dieses Gesetz enthält keine mit dem "Acquis" in offenbarem Widerspruch stehende Bestimmung. Der juristischen Klarheit willen und um dem Benutzer die anzuwendenden Erlasse des Gemeinschaftsrechts in Erinnerung zu rufen, wird dennoch der Ingress geändert.

600

Bundesbeschluss

Entwurf

über die Änderung des Bundesgesetzes über den Transport im öffentlichen Verkehr

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992 '>, beschliesst:

I Das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 ^ über den Transport im öffentlichen Verkehr wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung): in Ausführung der Artikel 47-52 des Abkommens vom 2. Mai 19923> über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Anhanges XIII, welcher sich auf folgende Erlasse bezieht: - die Verordnung Nr. 11/60 des Rates vom 27, Juni 19604> über die Beseitigung von Diskriminierungen auf dem Gebiet der Frachten und Beförderungsbedingungen gemäss Artikel 79 Absatz 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, - die Verordnung Nr. 1017/68 des Rates vom 19. Juli 1968S> über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs, - die Verordnung Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 19696) über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs, - die Verordnung Nr. 1108/70 des Rates vom 4. Juni 19707> zur Einführung einer Buchführung über die Ausgaben für die Verkehrswege des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs,

" BBl 1992 V 599

->3 SR 742.40 > AS 1993 ...

4 > > <·> 7 > 5

EWRS...; ABI.

EWRS...; ABI.

EWRS...; ABI.

EWRS...; ABI.

Nr.

Nr, Nr.

Nr.

52 vom 16. 8. 1960. S. 1121 L 175 vom 23. 7. 1968, S. l L 156 vom 28. 6. 1969. S. l L 130 vom 15. 6. 1970, S- 4

22 Bundesblau 143.Jahrgang. Bd. v

601

Änderung des Bundesgesetzes über den Transport im öffentlichen Verkehr. BB

- die Verordnung Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974') über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, - die Entscheidung des Rates Nr. 82/529 vom 19. Juli 1982 2> über die Preisbildung im grenzüberschreitenden Eisenbahngüterverkehr, - die Entscheidung des Rates Nr. 83/418 vom 25. Juli 19833) über die kommerzielle Selbständigkeit der Eisenbahnunternehmen bei der Verwaltung ihres grenzüberschreitenden Personen- und Gepäckverkehrs, Art. 12

Aufsicht und Mitteilung

1

Das Bundesamt übt die Aufsicht über die Tarife aus. Es hebt missbräuchliche Tarife auf.

2

Auf Anfrage teilt es die Tarife der Europäischen Gemeinschaft mit.

H 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich. Er gilt so lange, als das EWR-Abkommen in Kraft ist.

2

Er untersteht aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen4) der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3

Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

5566

'> EWRS...; ABI. Nr. L 3)9 vom 29. 11. 1974, S. l EWRS...; ABI. Nr. L 234 vom 9. 8. 1982, p. 5 EWRS...; ABI. Nr. L 237 vom 26. 8. 1983, S. 32 > AS ...

2 > 3 > 4

602

Bundesbeschluss

Entwurf

über die Änderung des Eisenbahngesetzes

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992'), beschliesst:

I Das Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 19572) wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung) in Ausführung der Artikel 47-52 des Abkommens vom 2. Mai 1992« über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Anhanges XIII, welcher sich auf folgende Erlasse bezieht: - die Verordnung Nr. 1017/68 des Rates vom 19. Juli 19684> über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs, - die Verordnung Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969^ über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs, - die Verordnung Nr. 1192/69 des Rates vom 26. Juni 1969" über gemeinsame Regeln für die Normalisierung der Konten der Eisenbahnunternehmen, - die Verordnung Nr. 1107/70 des Rates vom 4. Juni 19707> über Beihilfen im Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehr, - die Verordnung Nr. 1108/70 des Rates vom 4. Juni 1970B> zur Einführung einer Buchführung über die Ausgaben für die Verkehrswege des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs, ') BBl 1992 V 599 -> SR 742.101 » AS 1993 ...

4 > s

> *) -> w

EWRS...; ABI. Nr.

EWRS...; ABI. Nr.

EWRS...; ABI. Nr.

EWRS...; ABI. Nr.

EWRS...; ABI. Nr.

L L L L L

175 vom 156 vom 156 vom 130 vom 130 vom

23. 7.

28. 6.

2g. 6.

15. 6.

15. 6.

1968, S. l 1969. S. l 1969, S. l 1970, S. l 1970, S. 4 603

Änderung des Eisenbahngesetzes. BB

- die Verordnung Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 ] > über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, - die Richtlinie Nr. 75/130 des Rates vom 17. Februar 1975 2> über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr Schiene/Strasse zwischen Mitgliedstaaten, - d i e Verordnung Nr. 2830/77 des Rates vom 12. Dezember 19773) uber Massnahmen zur Herstellung der Vergleichbarkeit der Rechnungsführung und der Jahresrechnung von Eisenbahnunternehmen, - die Verordnung Nr. 2183/78 des Rates vom 19. September 19784) zur Festlegung einheitlicher Grundsätze für die Kostenrechnung der Eisenbahnunteraehmen, - die Entscheidung des Rates Nr. 83/418 vom 25. Juli 1983 ^ über die kommerzielle Selbständigkeit der Eisenbahnunternehmen bei der Verwaltung ihres grenzüberschreitenden Personen- und Gepäckverkehrs,

An. 13 Aufgehoben II 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet.

2

Er untersteht aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen6' der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3

Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

5566

'> EWRS...; ABI. Nr. L 319 vom 29. 11. 1974, S. l > EWRS...; ABI. Nr. L48 vom 22. 2. 1975, S. 3l « EWRS...; ABI. Nr. L 334 vom 24. 12. 1977, S. 13 *) EWRS...; ABI. Nr. L 234 vom 9. 8. 1982, S. S » EWRS...; ABI. Nr. L 237 vom 26. 8. 1983, S. 32 fi > AS ...

2

604

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 19921}, beschließt:

I Das Bundesgesetz vom 23. Juni 1944^ über die Schweizerischen Bundesbahnen wird wie folgt abgeändert; Ingress (Ergänzung) in Ausführung der Artikel 47-52 des Abkommens vom 2. Mai 19923> über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Anhanges XIII, welcher sich auf folgende Erlasse bezieht: - die Verordnung Nr. 1017/68 des Rates vom 19. Juli 19684) über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs, - die Verordnung Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 19695> über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs, - die Verordnung Nr. 1192/69 des Rates vom 26. Juni 19696) über gemeinsame Regeln für die Normalisierung der Konten der Eisenbahnunternehmen, - die Verordnung Nr. 1107/70 des Rates vom 4. Juni 19707) über Beihilfen im Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehr, - die Verordnung Nr. 1108/70 des Rates vom 4. Juni 1970S) zur Einführung einer Buchführung über die Ausgaben für die Verkehrswege des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs,

') BB1 1992 V 599 > SR 742.31 J > AS 1993 ...

!

4 > 5

> «> 7 > »>

EWRS...

EWRS...

EWRS...

EWRS...

EWRS...

86

ABI. Nr. L ABI. Nr. L ABI. Nr. L ABI. Nr. L ABI. Nr. L

175 vom 156 vom 156 vom 130 vom 130 vom

23.7. 1968. S. l 28. 6. 1969, S. l 28. 6. 1969, S. 8 15. 6, 1970, S. l 15. 6. 1970, S. 4

605

Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen. BB

die Verordnung Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974>> über die Verfolgung»- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die Richtlinie Nr. 75/130 des Rates vom 17. Februar 1975 2> über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr Schiene/Strasse zwischen Mitgliedstaaten, die Verordnung Nr. 2830/77 des Rates vom 12. Dezember 1977 3> über Massnahmen zur Herstellung der Vergleichbarkeit der Rechnungsführung und der Jahresrechnung von Eisenbahnunternehmen, die Verordnung Nr. 2183/78 des Rates vom 19. September 1978") zur Festlegung einheitlicher Grundsätze für die Kostenrechnung der Eisenbahnunternehmen, die Entscheidung des Rates Nr. 83/418 vom 25. Juli 19835) über die kommerzielle Selbständigkeit der Eisenbahnunternehmen bei der Verwaltung ihres grenzüberschreitenden Personen- und Gepäckverkehrs, II 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet.

Er untersteht aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen6) der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

1 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft. , 2

5566

" > ) 4 > 5 > 6 > 2

J

EWRS...; ABI. Nr. L 319 vom 29. 11. 1974, S. l EWRS...; ABI. Nr. L48 vom 22. 2. 1975, S. 31 EWRS...; ABI. Nr. L 334 vom 24. 12. 1977, S. 13 EWRS...; ABI. Nr. L234 vom 9. 8. 1982, S. 5 EWRS...; ABI. Nr. L 237 vom 26. 8. 1983, S. 32 AS ...

606

92.057-38

4.2 Bundesbeschluss über die Personenbeförderung und den Zugang zu den Berufen des Strassentransportunternehmers

l

Ausgangslage

1.1

EWR-Abkommen

1.1.1

Personenbeförderung

Für die Zulassung zum innerstaatlichen Personenverkehr besteht im heutigen Zeitpunkt kein EG-Erlass. Demzufolge entsprechenden Bestimmungen.

enthält

auch

das

EWR-Abkommen

keine

Im Gegensatz dazu bestehen für den grenzüberschreitenden Verkehr mit Autobussen drei Verordnungen, die auch Teil des EWR-Abkommen bilden. Es sind dies:

Die Verordnung Nr. 117/66, die den Gelegenheitsverkehr von jeder Genehmigung durch einen andern Staat als den, in dem das Fahrzeug zugelassen ist, befreit. Im weiteren

entfällt jegliche

Genehmigungspflicht für

Transporte,

die

ein

Unternehmen für seine eigenen Arbeitnehmer ausführt. Sie bedürfen künftig lediglich einer Bescheinigung des Landes, in dem das Fahrzeug zugelassen ist.

Die Verordnung Nr. 516/72, die für den Pendelverkehr zwar eine Genehmigung verlangt, die aber für die gesamte BefSrderungsstrecke Gültigkeit besitzt.

Die Verordnung Nr. 517/72, die für den Linienverkehr in seinen verschiedenen Erscheinungsformen ebenfalls eine Genehmigung voraussetzt, die das Recht zum Befahren der ganzen Strecke mit sich bringt.

607

1.1.2

Zulassung zum Beruf des Strassentransportunternehmers

Zwei Richtlinien regeln die Berufszulassung für Strassentransportunternehmen. Die Richtlinie Nr.

74/561 betrifft

den Güter-, die Richtlinie Nr.

74/562 den

Personenverkehr. Ziel beider Erlasse ist eine bessere Qualifizierung der Unternehmungen, um eine Verbesserung der angebotenen Dienste und eine Gesundung des Verkehrsmarktes zu erreichen. Gleichzeitig soll damit auch ein Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit im Strassenverkehr geleistet werden. Die Richtlinien sind über weite Strecken identisch und machen die Berufszulassung von drei Voraussetzungen abhängig: persönliche Zuverlässigkeit, finanzielle Leistungsfähigkeit, fachliche Eignung.

1.2

Geltendes schweizerisches Recht

1.2.1

Personenbeförderung

Die Personenbeförderung ist heute im Postverkehrsgesetz (PVG; SR 783.0) und den zugehörigen Verordnungen geregelt. Auf Gesetzesebene verankert ist das Postregal (Art. l Abs. l Bst. a PVG) mitsamt seinen Ausnahmen (Art. 2 PVG) und der Möglichkeit, Konzessionen zu erteilen (Art. 3 Abs. l PVG). Die Artikel 61 ff. PVG enthalten die dazu gehörigen Strafbestimmungen.

Das Postregal gilt auch für den grenzüberschreitenden Verkehr. Es können Konzessionen dafür erteilt werden, doch besteht kein Anspruch darauf. Vielmehr entscheidet die zu ständige Behörde in freier Würdigung aller Umstände. Gemäss Artikel 11 Absatz l.der Vollziehungsverordnung II zum Bundesgesetz betreffend den Postverkehr (Automobilkonzessionsverordnung [AKV]; SR 744.11) ist insbesondere massgebend, dass die Fahrten einem Bedürfnis entsprechen müssen, dass öffentliche Transportunternehmungen nicht wesentlich konkurrenziert werden dürfen und dass die Unternehmung Gewähr für die Einhaltung ihrer Verpflichtungen bietet.

608

1.2.2

Zulassung zum Beruf des Strassentransportunternehiners

Dieser Beruf ist bisher in der Schweiz weder für den Güter- noch für den Personenverkehr reglementiert gewesen. Entsprechende Unternehmen können nach dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit gegründet und geführt werden, ohne dass von Rechts wegen irgendwelche Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Eine Möglichkeit zur Einflussnahme besteht höchstens insofern, als bei der Erteilung von Konzessionen für den regelmässigen und gewerbsmässigen Personenverkehr als Kriterium u.a. die Gewähr für die Einhaltung sich ergebender Verpflichtungen statuiert ist. Berufsbezogene Rechtsvorschriften bestehen nur für diejenigen Personen, die das Transportmittel führen, also für die Chauffeure.

1.3

Würdigung der Ausgangstage

Das dargestellte EWR-Recht macht Gesetzesrevisionen in zwei Bereichen notwendig.

1.3.1

Grenzüberschreitender Personenverkehr

Für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit der EG und der EFTA sind die Verordnungen Nr. 117/66, 516/72 und 517/72 als anwendbar zu erklären. Da es sich um EG-Verordnungen und somit um direkt anwendbare Nonnen handelt, erübrigt sich eine Umsetzung in nationales Recht.

1.3.2

Berufe des Strassentransportunternehmers im Personen- und im Güterverkehr

Für die Berufe des Strassentransportunternehmers im Personen- und im Güterverkehr müssen schweizerische Bestimmungen erlassen werden, die den in den Richtlinien Nr.

74/561 und 74/562 enthaltenen Minimalanforderungen genügen. Da sowohl der unter der vorangehenden Ziffer wie der hier erwähnte Bereich Voraussetzungen zur Betätigung im Strassenverkehr zum Gegenstand haben, liegt es nahe, sie im gleichen Erlass zu regeln.

609

Aus diesem Grund und zur Vereinfachung der Anwendung durch die Benutzer wurde die Personenbeförderung aus dem PVG herausgelöst und zusammen mit der Berufszulassung im gleichen, neu zu schaffenden Erlass untergebracht.

2

Rechtsänderungen

2.1

Geltungsbereich (Art. 1)

In Absatz l werden die beiden zu regelnden Bereiche angeführt. Die regelmässige und gewerbsmässige Personenbeförderung wird anschliessend im 2. Abschnitt des Beschlusses behandelt, die Berufszulassung im dritten. Mit der Umschreibung des Gegenstandes soll zum Ausdruck gebracht werden, dass der Beschluss zwei verschiedene Bereiche regelt. Je nach Art der ausgeübten Tätigkeit wird eine Person nur durch einen der beiden Abschnitte, durch beide oder durch keinen betroffen sein.

Weil das bisher im PVG enthaltene Postregal nicht nur für den Strassenverkehr gilt, ist es notwendig, in Absatz 2 die anderen Transportmittel zu erwähnen, für die es auch weiterhin gilt. Mit der im letzten Teilsatz enthaltenen Generalklausel soll Streitigkeiten über die Unterstellung unter das Personenbeförderungsregal vorgebeugt werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf neuartige Beförderungsmittel oder umstrittene Fälle wie z.B. Pferdekutschen.

2.2

Personenbeförderungsregal

2.2.1

Grundsatz (Art. 2)

Diese Bestimmung übernimmt Artikel l Absatz l Buchstabe a des PVG mit folgenden kleinen Aenderungen:

Man spricht nicht mehr vom Postregal, sondern vom Personenbeförderungsregal, weil es in diesem Abschnitt des Beschlusses allein um den Bereich der Personenbeförderung geht. Die neue Bezeichnung entspricht im übrigen auch derjenigen in der AKV.

610

Neu müssen vom Regal die grenzüberschreitenden Fahrten, soweit sie durch die EG-Verordnungen geregelt werden, ausgenommen werden.

Weil sich die Bestimmung nicht mehr in einem Gesetz befindet, muss der Ausdruck "andere Bundesgesetze" durch "andere Erlasse" ersetzt werden,

2.2.2

Ausnahmen (Art. 3)

Diese Bestimmung übernimmt im wesentlichen die bisherige Ausnahmeregelung von Artikel 2 Absatz l Buchstabe a und Absatz 2 PVG.

2.2.3

Bewilligungen,

Konzessionen

und

Fahrordnungsvorschriften

(Art. 4)

Artikel 4 entspricht inhaltlich Artikel 3 Absätze l und 3 PVG.

2.2.4

Haftpflicht (Art. 5)

Absatz l entspricht dem heutigen Artikel 3 Absatz 2 PVG, der Klarheit halber ergänzt mit dem Hinweis darauf, dass dies auch für die PTT gilt.

Eingefügt wird mit Absatz 2 eine Verweisung auf die Haftpflichtbestimmungen des Strassenverkehrsgesetzes (SVG; SR 741.01), die für Motorfahrzeuge zur Anwendung kommen. Bis anhin enthielt eine Fussnote zu Artikel 3 Absatz 2 PVG einen Verweis auf die Artikel 58 und 59 SVG. Er ist zu erweitem, weil er einerseits auch für die PTT gilt und andererseits auch weitere Haftungsbestimmungen des SVG anwendbar sind (Art. 60-62, 69, 80, 83 und 84). Umgekehrt ist im Gegensatz zur erwähnten Fussnote auf eine spezielle Erwähnung von Artikel 59 Absatz 4 SVG zu verzichten, da er in der allgemeinen Formulierung enthalten ist.

611

2.2.5

Grenzüberschreitender Personenverkehr (Art. 6)

Unter den EWR-Staaten gelten die in Ziffer 1.1.1 angeführten drei Verordnungen. Das bisherige schweizerische Recht bleibt nach wie vor für den nationalen Verkehr und den Verkehr mit nicht der EG oder der EFTA angehörenden Ländern vollumfänglich gültig.

2.3

Zugang zu den Berufen des Strassentransportunternehmers im Personen- und im Güterverkehr

2.3.1

Begriffe (Art. 7)

Buchstabe a definiert die Tätigkeit von Unternehmungen, die im Personenverkehr unter die Berufszulassungsregeln fallen: Die Beförderung muss der Allgemeinheit, seien es Einzelpersonen oder Gruppen, offenstehen.

Laut Artikel l Absatz 2 der Richtlinie Nr. 74/562 muss die Beförderung "gegen Vergütung durch die beförderte Person oder durch den Veranstalter der Beförderung" ausgeführt werden. Dies entspricht .dem im schweizerischen Recht bekannten Kriterium der Gewerbsmässigkeit, weshalb auf diesen im Personenverkehr gängigen Ausdruck (Art. 3 AKV) zurückgegriffen werden kann.

Der Richtlinie sind nur Beförderungen ab neun Personen inklusive Fahrer unterworfen. Die gewählte schweizerische Fassung ist mit derjenigen der EG identisch, stützt sich aber begrifflich auf Artikel 3 Absatz l der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV; SR 741.51).

Nicht unter die Definition fallen Unternehmungen, die Reisende nur zu nichtgewerbsmässigen Zwecken befördern oder nur ihre Arbeiter und Angestellten transportieren. Hiermit wird von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, welche Artikel l Absatz 3 der Richtlinie Nr. 74/562 den Staaten bietet, wonach

612

"Unternehmen, die ausschliesslich bestimmte Beförderungen von Reisenden mit Kraftfahrzeugen zu nicht-kommerziellen Zwecken durchführen oder deren Haupttätigkeit nicht im Personenverkehr besteht, von der Anwendung aller oder eines Teils der Bestimmungen dieser Richtlinie" ausgenommen werden können, "sofern ihre Tätigkeit sich nur in geringem Masse auf den Verkehrsmarkt auswirkt".

Buchstabe b gibt die für das Gesetz relevante Tätigkeit im Bereich des Güterverkehrs wieder. Auschlaggebend sind:

die Gewerbsmässigkeit;

das eingesetzte Transportmittel muss entweder ein Lastwagen i.S. von Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe e der Verordnung über Bau und Ausrüstung der Strassenfahrzeuge (BAV; SR 741.41) oder ein Sattelmotorfahrzeug gemäss Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe h BAV sein. Selbstverständlich fallen Lastwagen auch darunter, wenn sie einen Anhänger mitführen und somit als Anhängerzug verkehren.

Buchstabe c verweist auf die bestehende Definition

des Motorfahrzeugs in

Artikel 7 Absatz l SVG.

2.3.2

Berufsausübungsbewilligung (Art. S)

Absatz l enthält den Grundsatz, dass als Strassentransportunternehmung nur tätig sein kann, wer eine Berufsausübungsbewilligung besitzt. Die Verpflichtung der Richtlinien für die Staaten, nur noch solche Unternehmen zum Verkehr zuzulassen, welche die in den

folgenden Artikeln

aufgeführten

Voraussetzungen erfüllen,

verlangt ein

Bewilligungssystem. Andernfalls könnte die Schweiz für die Erfüllung der Richtlinien nicht bürgen, weil jegliches Kontrollmittel fehlte und in der Praxis nach wie vor jedermann zum Markt Zugang hätte. Weil in den meisten EG-Staaten bereits Berufsausübungsregeln existieren, ist das Bewilligungserfordernis in den Richtlinien nicht explizit erwähnt, sondern wird vorausgesetzt. Die restlichen EG-Staaten haben zur Ausführung der Richtlinien ein Bewilligungssystem eingeführt. Fehlte ein solches System in der nationalen Gesetzgebung, so bliebe das Recht toter Buchstabe.

613

Damit die um eine Konzession Nachsuchenden nicht noch an eine weitere Behörde verwiesen werden, erscheint es sinnvoll, als Bewilligungsinstanz das dem EVED angehörende BAV einzusetzen. Den für das Konzessionierungsverfahren bestehenden Zuständigkeiten wird somit Rechnung getragen, ist doch das BAV gemäss Artikel 20 Absatz 2 AKV zuständig für die Durchführung der Vernehmlassungen im Rahmen eines Konzessionsverfahrens, für die Erneuerung und Übertragung der Konzessionen, für die Genehmigung der Betriebsverträge; daneben übt es die Aufsicht über den Betrieb der konzessionierten Unternehmungen aus,

2.3.3

Bewilligungsvoraussetzungen (Art. 9)

Die Bewilligungsvoraussetzungen sind für den Güterverkehr in Artikel 3 Absatz l der Richtlinie Nr. 74/561 und für den Personenverkehr in Artikel 2 Absatz l der Richtlinie Nr. 74/562 zwingend vorgeschrieben; insofern besteht für die vollziehenden Staaten kein Spielraum.

Jede der drei Voraussetzungen wird in einem der folgenden Artikel in ihren Einzelheiten umschrieben.

2.3.3.1

Zuverlässigkeit (Art. 10)

Diese Voraussetzung ist innerhalb der EG seinerzeit mit der angestrebten Gesundung des Marktes begründet worden. Es darf deshalb gemäss Buchstabe a gegen den Bewerber "keine schwere strafrechtliche Verurteilung" vorliegen. Das gilt auch für Verstösse im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts.

Mit den in Buchstabe b enthaltenen Kriterien soll sichergestellt werden, dass die Vorschriften des Verkehrsgewerbes eingehalten, die Dienstleistungen auf einem für den Kunden wie den Arbeitnehmer guten Niveau erbracht werden und auch der Sicherheit im Strassenverkehr ausreichende Beachtung geschenkt wird.

Die Generalklausel in Buchstabe c soll es erlauben, Einzelfälle zu erfassen, die zu Bedenken

Anlass

geben.

Es

versicherungsrechtliche Pflichten bestimmungen zu denken.

614

ist

an Verstösse und

an

gegen

Verletzungen

steuerrechtliche von

oder

Umweltschutz-

2.3.3.2

Finanzielle Leistungsfähigkeit (Art. 11)

Diese Bestimmung soll gewährleisten, dass die zur Aufnahme des Betriebes und zur Führung des Unternehmens erforderlichen Mittel vorhanden sind. Die Berechnung des verlangten Betrages kann gemäss Absatz l auf zwei Arten erfolgen:

bei der Güter- und bei der Personenbeförderung: pro Fahrzeug

-

je nach Gegenstand der Beförderung: bei der Güterbeförderung das Total des zulässigen Gesamtgewichts aller eingesetzten Fahrzeuge und bei der Personenbeförderung pro Sitzplatz aller eingesetzten Fahrzeuge.

Die Beträge sollen vom Bundesrat festgesetzt werden können, um flexibel zu sein und nicht bei jeder Erhöhung dieser Werte im EWR eine Revision des Bundesbeschlusses durchführen zu müssen. Zurzeit belaufen sich die Beträge in der EG auf 3000 ECU je Fahrzeug und auf 150 ECU pro Tonne bzw. pro Sitzplatz.

2.3.3.3

Fachliche Eignung (Art. 12)

Laut beiden Richtlinien muss die fachliche Eignung in einer schriftlichen Prüfung nachgewiesen werden. Jede der beiden Richtlinien nennt in einem Anhang die Fächer, die Prüfungsgegenstand bilden müssen. Den Staaten wird die Möglichkeit eingeräumt, Bewerber von der Prüfung zu befreien, wenn sie eine praktische Erfahrung von fünf Jahren in leitender Stellung in einer Transportuntemehmung nachweisen. Auch steht es den Staaten frei, Inhaber zu bezeichnender Hochschul- und Fachschuldiplome von der Prüfung in denjenigen Fächern zu befreien, die durch den Fachausweis abgedeckt werden.

Um das Prüfungssystem nicht zu starr auszugestalten, soll alles Nähere in einer Verordnung des Bundesrates geregelt werden. Dies ermöglicht bei Bedarf insbesondere eine problemlose Anpassung des Fächerkatalogs. Es ist beabsichtigt, die Durchführung der Prüfungen namentlich an die PTT und an den Schweizerischen Nutzfahrzeugverband ASTAG zu delegieren. Alle mit der Aufgabe betrauten Verbände werden der Aufsicht des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) unterstehen.

Die

PTT

kennen bereits

heute interne Ausbildungsgänge mit

615

Abschlussprüfungen, die den Anforderungen der EG genügen. Die ASTAG ihrerseits hat

bereits

heute

die

Kompetenz,

die

höhere

Fachprüfung

für

den

Transport-Disponenten durchzuführen, deren erfolgreiche Absolventen einen vom BIGA anerkannten Fachausweis erhalten. Die Anforderungen entsprechen zu einem guten Teil denjenigen für die Berufe des Strassentransportunternehmers.

2.3.4

Widerruf der Zulassung (Art. 13)

Die Staaten werden von den Richtlinien her verpflichtet (Art. 6 Abs. 2 bzw. Art. 5 Abs. 2), für die Rücknahme der Berufszulassungsbewilligung zu sorgen, wenn eine der drei Voraussetzungen entfallen ist. In der Widerrufskompetenz ist die Möglichkeit enthalten, vorerst eine Frist zur Einstellung eines geeigneten Ersatzes einzuräumen.

2,3.5

Weiterführung

einer

Unternehmung

bei

Tod

oder

Handlungsunfähigkeit (Art, 14)

Diese Bestimmung soll helfen, Härtefalle zu vermeiden. Wenn die Person, die als einzige in einem Betrieb die Voraussetzungen der Zuverlässigkeit und der fachlichen Eignung erfüllt, durch Tod oder Verlust der Handlungsfähigkeit plötzlich wegfallt, erfüllt auch die Unternehmung als solche die Voraussetzungen nicht mehr.

Personen, die mindestens achtzehn Monaten in der Geschäftsleitung des Betriebs tätig waren, können während einer Übergangsphase von einem Jahr die Unternehmung weiterführen (Abs. 1). Von ihnen kann erwartet werden, dass sie einen finanziell gesunden Betrieb im bisherigen Rahmen weiterzuführen vermögen. Zugleich ist es ihnen in dieser Zeit möglich, ausreichende Kenntnisse zum Nachweis der fachlichen Eignung selbst zu erwerben oder eine Person, welche die Anforderungen erfüllt, zu finden und anzustellen.

2.3.6

Streitigkeiten

Beschwerdeverfahren (Art. 15)

aus der Anwendung des Beschlusses sollen nach den üblichen

Grundsätzen und Zuständigkeiten der Bundesrechtspflege abgewickelt

werden.

Dadurch erfüllt die Schweiz auch die von den Richtlinien vorgeschriebenen

616

Minimalstandards

der

Verwaltungsverfahren

Begründungspflicht [VwVG];

SR

(Art.

172.021)

35 und

Bundesgesetz der

über

das

Gelegenheit

zur

Geltendmachung der Interessen (Art. 30 ff. VwVG).

2.4

Strafbestimmungen (Art. 16-20)

Die Strafbestimmungen entstammen dem PVG. Einzig mit Artikel 17 musste neu die Verletzung von Bestimmungen im Zusammenhang mit der Berufsausübungsbewilligung unter Strafe gestellt werden. Die Artikel 16, 18 und 19 entsprechen den analogen Bestimmungen im PVG (Art. 61, 63 Abs. l, 3 und 4, 66 Abs. 2).

2,5

Schlussbestimmungen

2.5.1

Vollzug (Art. 21)

Artikel 21 bildet die gesetzliche Grundlage für die Ausführungsbestimmungen.

2.5.2

Aufhebung bisherigen Rechts (Art. 22)

Die allein dem Personenbeförderungsregal gewidmeten Artikel sind ins vorliegende Gesetz integriert worden und können deshalb im PVG gestrichen werden.

2.5.3

Änderung bisherigen Rechts (Art. 23)

Mit der Richtlinie Nr. 87/540 werden Berufszulassungsregeln für den Binnenschiffsgüterverkehr aufgestellt. Mit der in diesem Beschluss statuierten sinngemässen Anwendung ist die Grundlage für die Umsetzung der Richtlinie gelegt.

Den Unterschieden kann mit einer separaten Verordnung Rechnung getragen werden.

617

2.5.4

Übergangsbestimmungen (Art. 24)

Für die bereits bestehenden Unternehmungen rechtfertigt es sich, eine Frist zur Anpassung an die Erfordernisse der Richtlinien einzuräumen. Einem grossen Teil der Transportunternehmungen dürfte dies keine Schwierigkeiten bereiten, da sie bereits heute den Bestimmungen genügen. Innerhalb von drei Jahren müsste es auch allen andern möglich sein, die Voraussetzungen zu erfüllen und den entsprechenden Nachweis zu erbringen.

2.5.5

Ausschluss des Referendums (Art. 25)

Der Beschluss muss auf den gleichen Zeitpunkt wie das EWR-Abkommen in Kraft treten. Infolge dieser Dringlichkeit kann er dem fakultativen Referendum entzogen werden.

3

Personelle und finanzielle Auswirkungen

Dank Rationalisierungsmassnahmen und einer möglichst unkomplizierten Abwicklung der Verfahren können die anfallenden Aufgaben möglicherweise mit einem geringen personellen Mehraufwand bewältigt werden.

Die finanziellen Aufwendungen sind schwer abschätzbar. Mit Prüfungs- und Bewilligungsgebühren lassen sich die notwendigen Verfahren möglicherweise kostenneutral durchführen

4

Verfassungsmässigkeit

Die verfassungsmässige Grundlage zum Erlass des vorliegenden Beschlusses bilden Artikel 3 Ibis Absatz 2 und Artikel 34ter Absatz l Buchstabe g der Bundesverfassung.

Diese beiden Bestimmungen geben dem Bund die Kompetenz, Vorschriften über die Ausübung von Handel und Gewerben sowie über die berufliche Ausbildung, namentlich in Industrie und Gewerbe, zu erlassen. Polizeiliche und sozialpolitische Gründe sprechen dafür, die Ausübung des Berufes als Strassentransportunternehmer

618

von einer Bewilligung abhängig zu machen, die an begründete Voraussetzungen gebunden ist.

619

Bundesbeschluss Entwurf über die Personenbeförderung und den Zugang zu den Berufen des Strassentransportunternehmers

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 24ter, 31bis Absatz 2, 34tcr Absatz l Buchstabe g und 36 der Bundesverfassung, in Ausführung der Artikel 47-52 des Abkommens vom 2, Mai 1992 '' über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Anhanges XIII, der sich auf die folgenden Richtlinien bezieht: - Nr. 74/561 des Rates vom 12. November 19742) über den Zugang zum Beruf des Güterkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr, - Nr. 74/562 des Rates vom 12. November 19743) über den Zugang zum Beruf des Personenkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr, - Nr. 87/540 des Rates vom 9. November 1987 4> über den Zugang zum Beruf des Unternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Binnenschiffsgüterverkehr und über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für diesen Beruf, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 19925>, beschliesst: 1. Abschnitt: Geltungsbereich

Art. l 1 Dieser Beschluss regelt die regelmässige und gewerbsmässige Personenbeförderung auf der Strasse und den Zugang zu den Berufen des Strassentransportunternehmers im Personen- und im Güterverkehr.

2 Der zweite, vierte und fünfte Abschnitt des Beschlusses gelten auch für Luftseilbahnen, Skilifte, Schlittenseilbahnen, Aufzüge und ähnliche Transportanla" AS 1993 ...

> EWRS...; AB). Nr. L 308 vom 19. 11. 1974. S. 18. geändert durch die Richtlinie 89/438 (EWRS...; ABI. Nr. L 212 vom 22. 7. 1989, S. 101) " EWRS...; ABI. Nr. L 308 vom 19. 11. 1974. S. 23, geändert durch die Richtlinie 89/438 (EWRS...; ABI. Nr. L 212 vom 22. 7. 1989, S. 101) 4 > EWRS...; ABI. Nr. L 322 vom 12. 11. 1987, S. 20 » 8B1 1992 V 607 2

620

Personenbeförderung und Zugang zu den Berufen des Strassentransportunternehmers. BB

gen mit Seilantrieb oder Seilfahrbahn sowie für alle andern Transportmittel, soweit diese nicht anderen Erlassen unterstehen.

2. Abschnitt: Personenbeförderungsregal Art. 2 Grundsatz Die Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe haben, unter Vorbehalt der Artikel 3 und 6, das ausschliessliche Recht, Reisende mit regelmässigen Fahrten zu befördern, soweit dieses Recht nicht durch andere Erlasse eingeschränkt ist.

Art. 3 Ausnahmen 1 Vom Personenbeförderungsregal ausgenommen ist die regelmässige Personenbeförderung, die nicht gewerbsmässig betrieben wird oder die einem Nichttransportgewerbe als notwendiger Hilfsbetrieb dient.

2 Der Bundesrat kann weitere Ausnahmen vom Personenbeförderungsregal gestatten.

Art. 4 Konzessionen und Fahrordnungsvorschriften 1 Für die gewerbsmässige Beförderung von Reisenden mit regelmässigen Fahrten kann der Bundesrat Konzessionen erteilen.

1 Der Bundesrat kann für den Verkehr auf Bergstrassen die für die Sicherheit der Fahrten der Post und der konzessionierten Unternehmungen notwendigen Vorschriften erlassen.

Art. 5 Haftpflicht 1 Die Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe und die konzessionierten Unternehmungen sind dem Bundesgesetz vom 28. März 1905'' betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmungen und der Post unterstellt.

2 Für Motorfahrzeuge gelten die Haftpflichtbestimmungen des Strassenverkehrsgesetzes2'.

Art. 6 Grenzüberschreitender Personenverkehr Für den Personenverkehr zwischen der Schweiz und den anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes sind anwendbar:

') SR 221.112.742 » SR 741.01

621

Personenbeförderung und Zugang zu den Berufen des Strassentransportunternehmers. BB

a. die Verordnung Nr. 117/66 des Rates vom 28. Juli 1966 '> über die Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen; b. die Verordnung Nr. 516/72 des Rates vom 28. Februar 19722> über die Einführung gemeinsamer Regeln für den Pendelverkehr mit Kraftomnibussen zwischen den Mitgliedstaaten; c. die Verordnung Nr. 517/72 des Rates vom 28. Februar 19723> über die Einführung gemeinsamer Regeln für den Linienverkehr und die Sonderformen des Linienverkehrs mit Kraftomnibussen zwischen den Mitgliedstaaten.

3. Abschnitt: Zugang zu den Berufen des Strassentransportunternehmers Art. 7 Begriffe In diesem Beschluss gilt als: a. Beruf des Strassentransportunternehmers im Personenverkehr: die Tätigkeit jeder Unternehmung, die eine der Öffentlichkeit oder bestimmten Benutzergruppen angebotene gewerbsmässige Personenbeförderung mit Motorfahrzeugen ausführt, die nach ihrem Bau und ihrer Ausrüstung geeignet und dazu bestimmt sind, mehr als acht Personen ausser dem Lenker zu befördern. Die ausschliessliche Beförderung von Personen mit Motorfahrzeugen zu nicht gewerbsmässigen Zwecken und die Beförderung ihrer Arbeiter und Angestellten durch eine Unternehmung des Nichttransportgewerbes gelten nicht als Tätigkeit im Sinne dieser Begriffsbestimmung; b. Beruf des Strassentransportunternehmers im Güterverkehr: die Tätigkeit jeder Unternehmung, die gewerbsmässig die Güterbeförderung mit Lastwagen oder Sattelmotorfahrzeugen ausführt; c. Motorfahrzeug jedes Fahrzeug im Sinn von Artikel 7 Absatz l des Strassenverkehrsgesetzes *>.

Art. 8 Berufsausübungsbewilligung 1 Wer die Berufe des Strassentransportunternehmers im Personen- oder im Güterverkehr ausüben will, braucht eine Berufsausübungsbewilligung (Bewilligung).

1 Die Bewilligung wird vom Bundesamt für Verkehr (Bundesamt) erteilt.

') > > 4 > 2

3

EWRS...; ABI. Nr. L 147 vom 9. 8. 1966, S. 2688 EWRS...; ABI. Nr. L 67 vom 20. 3. 1972, S. 13 EWRS...; ABI. Nr. L 67 vom 20. 3. 1972, S. 19 SR 741.01

622

Personenbeförderung und Zugang zu den Berufen des Strassentransportunternehmers. BB

Art. 9 Bewilligungsvoraussetzungen 1 Wer eine Bewilligung erlangen will, muss: a. zuverlässig sein (Art. 10); b. finanziell leistungsfähig sein (Art. 11); c. fachlich geeignet sein (Art. 12).

2 Ist der Antragsteller keine natürliche Person, müssen die Voraussetzungen der Zuverlässigkeit und der fachlichen Eignung von der oder den Personen erfüllt werden, welche die Unternehmung ständig und tatsächlich leiten.

Art. 10 Zuverlässigkeit Eine Person gilt als zuverlässig, wenn: a. sie nicht wegen eines Verbrechens verurteilt worden ist; b. sie keine schweren und wiederholten Widerhandlungen begangen hat gegen die Vorschriften: 1. über die für den Berufszweig geltenden Entlöhnungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere die Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer, 2. über die Sicherheit im Strassenverkehr, 3. über Bau und Ausrüstung der Strassenfahrzeuge, insbesondere über die Masse und Gewichte; c. keine anderen Gründe vorliegen, die ernsthafte Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit wecken.

Art. 11 Finanzielle Leistungsfähigkeit 1 Die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Unternehmung ist gewährleistet, wenn Eigenkapital und Reserven zusammen einen bestimmten Betrag erreichen.

Massgebend zu dessen Berechnung ist die Anzahl der Fahrzeuge oder, wenn sich dadurch ein niedrigerer Betrag ergibt, die Anzahl Sitzplätze der Personentransportfahrzeuge beziehungsweise das Total des zulässigen Gesamtgewichts der Gütertransportfahrzeuge.

2 Der Bundesrat legt die Grundbeträge fest.

Art. 12 Fachliche Eignung 1 Zum Nachweis der fachlichen Eignung muss der Antragsteller eine Prüfung über die zur Ausübung des Berufs erforderlichen Kenntnisse bestehen. Wer die Prüfung bestanden hat, erhält einen Fachausweis.

2 Der Bundesrat bezeichnet die für die Durchführung zuständige Behörde und die zu prüfenden Fächer, Er kann Berufsverbände mit der Durchführung betrauen, die der Aufsicht des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) unterstehen.

3 Das BIGA bezeichnet diejenigen Fachausweise und Diplome, deren Inhaberinnen und Inhaber in bestimmten Fächern keine Prüfung ablegen müssen. Die 623

Personenbeförderung und Zugang zu den Berufen des Strassentransportunternehmers. BB

Befreiung erstreckt sich auf die Fächer, deren Sachgebiet durch den Fachausweis bzw. das Diplom abgedeckt ist.

4 Von der Prüfung befreit sind: a. die Inhaberinnen und Inhaber des eidgenössischen Fachausweises für Transport-Disponenten; b. Personen, die mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in leitender Stellung bei einer Strassentransportunternehmung nachweisen, Art. 13 Widerruf der Zulassung Das Bundesamt widerruft die Bewilligung ohne Entschädigung, wenn eine der Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt ist.

Art. 14 Weiterführung bei Tod oder Handlungsunfähigkeit 1 Im Falle des Todes oder der Handlungsunfähigkeit der natürlichen Person, welche die Voraussetzungen der Zuverlässigkeit und der fachlichen Eignung erfüllt, darf eine Strassentransportunternehmung für die Dauer eines Jahres weitergeführt werden.

2 Die ständige und tatsächliche Leitung der Unternehmung muss von einer Person übernommen werden, die zuverlässig ist und mindestens achtzehn Monate in der Geschäftsleitung dieses Betriebes tätig war.

Art. 15 Beschwerdeverfahren Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren ') und dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege2'.

4. Abschnitt: Strafbestimmungen Art. 16 Verletzung des Personenbeförderungsregals 1 Wer ohne Konzession oder Bewilligung oder im Widerspruch dazu Personen befördert, wird mit Haft oder Busse bis zu 10 000 Franken bestraft.

1 Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse bis zu 5000 Franken.

Art. 17 Ausübung des Berufes ohne Bewilligung Wer die Berufe des Strassentransportunternehmers ohne Bewilligung ausübt, wird mit Haft oder Busse bestraft.

') SR 172.021 V SR 173.110

624

Personenbeförderung und Zugang zu den Berufen des Strassentransportunternehmers. BB

Art. 18 Ordnungswidrigkeiten 1 Wer trotz Mahnung und Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels einer Vorschrift dieses Beschlusses oder einer dazu erlassenen Verordnung oder einer auf Grund einer solchen Vorschrift getroffenen amtlichen Verfügung nicht nachkommt, wird mit einer Ordnungsbusse bis zu 1000 Franken bestraft.

2 Geringfügige Ordnungswidrigkeiten können mit einer Verwarnung geahndet werden, mit der Kostenauflage verbunden werden kann.

3 Vorbehalten bleibt die Überweisung an den Strafrichter aufgrund von Artikel 285 oder 286 des Strafgesetzbuches ".

Art. 19 Verfahren und Zuständigkeit Zuständig für die Verfolgung und Beurteilung ist das Eidgenössische Verkehrsund Energiewirtschaftsdepartement. Es kann für bestimmte Widerhandlungen die Verfolgung und Beurteilung sowie den Strafvollzug nachgeordneten Dienststellen übertragen.

Art. 20 Verwaltungsstrafrecht Das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht2) ist anwendbar.

5. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 21 Vollzug Der Bundesrat vollzieht dieses Gesetz und erlässt die Ausführungsvorschriften.

Art. 22 Aufhebung bisherigen Rechts Die Artikel l Absatz l Buchstabe a, 2 Absatz l Buchstabe a, 3 und 61 des Postverkehrsgesetzes vom 2. Oktober 19243> werden aufgehoben.

Art. 23 Änderung bisherigen Rechts Das Bundesgesetz vom S.Oktober 19754) über die Binnenschiffahrt wird wie folgt geändert: Art. 16a Gewerbsmässige Beförderung von Gütern (neu) Insoweit internationales Recht es erfordert, findet für die gewerbsmässige Beförderung von Gütern der 3. Abschnitt des Bundesbeschlusses vom ...5> über die <> -» « "'

SR 311.0 SR 313.0 SR 783.0 SR 747.201

» AS ...

625

Personenbeförderung und Zugang zu den Berufen des Strassentransportunternehmers. BB

Personenbeförderung und die Zulassung zum Beruf des Strassentransportunternehmers sinngemäss Anwendung.

Art. 64 Abs. 3 (neu) 3 Artikel 16a tritt zwei Jahre nach Inkrafttreten des EWR-Abkommens in Kraft.

Art. 24 Übergangsbestimmungen Strassentransportunternehmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beschlusses bereits bestehen, müssen innert drei Jahren nach dessen Inkrafttreten um eine Bewilligung nachsuchen.

Art. 25 Referendum und Inkrafttreten 1 Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet.

2 Er unterliegt aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen l> der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

5566

') AS ...

626

92.057-39

4.3 Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über Radio- und Fernsehen Im Bereich der audiovisuellen Dienste gilt als Bezugstext die Richtlinie Nr. 89/522 des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (Richtlinie zum grenzüberschreitenden Fernsehen). Für den Rundfunk gibt es keine besonderen Bestimmungen; somit kommen die allgemeinen Regeln des EWRAbkommens zur Anwendung.

Die Richtlinie zum grenzüberschreitenden Fernsehen enthält einige Regeln, die für eine direkte Anwendung genau genug formuliert sind: Artikel 7 zur Frist für die Ausstrahlung von Kinofilmen im Fernsehen sowie die Artikel 10 und 18 zur Werbung und zum Sponsoring von Fernsehsendungen. Diese Bestimmungen brauchen daher nicht ins Landesrecht übernommen zu werden, um so weniger als sie im Zusammenhang mit dem Europäischen Uebereinkommen über das grenzüberschreitende Femsehen, das die obgenannten Punkte gleich regelt wie die Richtlinie, in der Schweiz schon gelten.

Die Artikel 4 - 6 über die Förderung der Verbreitung und Herstellung von Fernsehprogrammen, insbesondere europäischer Werke - die sogenannten "Quotenartikel" -, sind dagegem mocjt direkt anwendbar. Sie fordern die Mitgliedstaaten lediglich auf, wenn immer möglich dafür zu sorgen, dass die Rundfunkanstalten bei der Verbreitung von Fernsehsendungen europäischen Werken den Vorzug geben, und sind daher nicht bindend. Dies wirft ähnliche Fragen auf wie Artikel 10 des Uebereinkommens des Europarats über das grenzüberschreitende Fernsehen (siehe die entsprechende Botschaft vom 16. Okt. 1990, BB11990 m 925).

Wir erachten eine starre Regelung dieses Bereichs in der Schweiz nicht als notwendig und ziehen es vor, den Schwerpunkt auf die Förderungsmassnahmen zu legen, z.B.

durch eine stärkere Beteiligung am Eureka-Programm im audiovisuellen Bereich und am Programm MEDIA 95, statt defensive Massnahmen wie Quotenregelungen zu ergreifen. Die übrigen Bestimmungen der Richtlinie erfordern keine Anpassungen des

627

schweizerischen Rechts, da es sich entweder um allgemeine Bestimmungen handelt oder die schweizerische Gesetzgebung den Anforderungen der Richtlinie bereits genügt (z.B. Art. 22 über den Schutz von Minderjährigen und Art. 23 zum Recht auf Gegendarstellung),

Im ganzen gesehen bringt die Richtlinie zum grenzüberschreitenden Femsehen keine wesentlichen Neuerungen für das schweizerische Recht über Radio und Fernsehen, weil dieses von Anfang an auf Europa, insbesondere auf das Uebereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen, ausgerichtet war.

Der Bundesrat hat sich dennoch überlegt, ob sich das Prinzip, den Empfang von Radio- und Fernsehprogrammen der Bewilligungspflicht zu unterstellen, wie es in Artikel 55 des Bundesgesetzes über Radio und Fernesehen (RTVG) vorgesehen ist, mit der Richtlinie des freien Austausches von Programmen vereinbaren lasse und ob der Empfang von EWR-konformen Programmen garantiert sei. Dieses Bewilligungssystem stellt keine wirkliche Beschränkung dar, da jeder, der ein Gesuch stellt, eine Bewilligung erhält. Es muss als ein Administratiwerfahren betrachtet werden, das die Gebührenerhebung erleichtert. Es verletzt die Empfangsfreiheit des Artikels 52 RTVG nicht. Der Bundesrat ist der Meinung, dass dieses Bewilligungssystem verbunden mit einer Empfangsgebühr nicht dem europäischen Recht widerspreche. Er empfiehlt auf diesem Gebiet keine Aenderungen vorzunehmen Die einschlägigen Rechtsgrundlagen der Schweiz, d.h. das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) und die zugehörige Verordnung (RTW) müssen in einigen anderen Punkten angepasst werden. Die beiden Texte sind jedoch mit der Richtlinie weitgehend vereinbar. Im Gesetz sind folgende Aenderungen vorzunehmen:

Artikel 11

Die Beschränkung des Zugangs von Ausländern als Veranstalter in der Schweiz ist mit dem EWR-Abkommen insgesamt unvereinbar (vgl. Art. 4), denn sie diskriminiert die Mitgliedstaaten. Die natürlichen und juristischen Personen der EWR-Staaten müssen die Möglichkeit haben, sich an Rundfunkanstalten zu beteiligen, denen in der Schweiz eine Konzession erteilt wurde.

628

Artikel 26 Absatz 3 muss geändert werden, um eine Diskriminierung der audiovisuellen Prodution der EWR-Staaten auszuschliessen. Zur "schweizerischen" kommt also die "europäische" Produktion hinzu. Dadurch können im Zeichen kultureller Solidarität ausser den EWR-Staaten auch die Länder Mittel- und Osteuropas einbezogen werden.

Artikel 31 Dem gleichen Zweck dient die Aenderung von Absatz 2 Buchstabe c dieses Artikels.

Nach den "schweizerischen" sind auch die "europäischen" Produktionen zu erwähnen.

Artikel 35 Um eine Benachteiligung zu verhindern, muss in Absatz l Buchstabe a die Bedingung gestrichen werden, dass die Konzessionäre schweizerisch beherrschte Aktiengesellschaften sein müssen. Damit wird auch den natürlichen und juristischen Personen der EWR-Staaten eine Kapitalbeteiligung ermöglicht.

Artikel 42 Diese Bestimmung bedarf einer Anpassung, um die Programme der EWR-Staaten den schweizerischen Programmen gleichzustellen. Absatz l wird in diesem Sinn vereinfacht; der zweite Absatz muss konsequenterweise aufgehoben werden. Der dritte Absatz ist anzupassen um jegliche Diskriminierung von Veranstaltern aus EWR-Ländem zu vermeiden.

Artikel 47 Mit dem Ziel, juristisch präziser zu sein und jede diskriminierende Interpretation zu vermeiden, ist es zweckmässig, den Ausdruck "eines schweizerischen Veranstalters" zu ersetzen durch "eines Veranstalters, dem die Konzession im Sinne dieses Gesetzes erteilt wurde".

629

Artikel 48 Bei diesem Artikel drängt sich in Berücksichtigung der Grundregeln für die Weiterverbreitung, wie sie in der Richtlinie zum grenzüberschreitenden Fernsehen enthalten sind, eine Vereinfachung auf. Beibehalten wird allerdings die Erwähnung der Gesetzesumgehung. Die Frage der Werbung für alkoholische Getränke wird im Fall einer Annahme der Initiative zur Verminderung der Alkoholprobleme (BB119901923) durch Volk und Stände zu überprüfen sein.

630

Bundesbeschluss Entwurf über die Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992'>, beschliesst:

I Das Bundesgesetz vom 2I.Juni 1991y über Radio und Fernsehen wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung) in Anwendung der Artikel 36 ff. des Abkommens vom 2. Mai 19923) über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Anhanges X, der sich auf die Richtlinie Nr. 89/552 des Rates vom 3. Oktober 1989") zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (Richtlinie zum grenzüberschreitenden Fernsehen) bezieht, Art. 11 Abs. l Bst. b 1

Die Konzession kann erteilt werden, wenn: b. der Bewerber einem EWR-Staat angehört und in der Schweiz Wohnsitz hat oder eine juristische Person mit Sitz in der Schweiz ist, die von Personen aus EWR-Staaten beherrscht wird.

Art. 26 Abs. 3 3

In ihren Fernsehprogrammen berücksichtigt die SRG die schweizerische und europäische audiovisuelle Produktion.

Art. 31 Abs. 2 Est. c 2

Die Konzession kann insbesondere Auflagen enthalten über:

" BEI 1992 V 627 -> SR 784.40; AS 1992 601 3

> AS 1993 ...

4

> EWRS ...; ABI. Nr. L 298 vom 17. 10. 1989, S. 23

631

Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen. BB

c. den Anteil an Eigenproduktionen, an schweizerischen und europäischen Produktionen, insbesondere an schweizerischen und europäischen Filmen.

Art. 35 Abs. l Bst. a 1 Die Konzession für die Veranstaltung von anderen internationalen Radio- und Fernsehprogrammen kann erteilt werden: a. an Aktiengesellschaften nach den Artikeln 620 ff. Obligationenrecht1', die von Personen aus EWR-Staaten beherrscht werden und deren Aktien auf den Namen lauten und vinkuliert sind; An. 42 Abs. l Bst. a und c. 2 und 3 1

Der Konzessionär muss wenigstens weiterverbreiten: a. die nichtverschlüsselten, terrestrisch verbreiteten schweizerischen und ausländischen Programme, die mit durchschnittlichem Antennenaufwand im Bedienungsgebiet empfangen werden können; c. Aufgehoben 2 Aufgehoben 3 Für die Weiterverbreitung nichtkodierter Programme von Veranstaltern eines EWR-Staates darf der Konzessionär von den Veranstaltern kein Entgelt verlangen.

Art. 47 Einleitungssatz Die zuständige Behörde kann den Betreiber eines Kabelnetzes oder eines Umsetzers verpflichten, das Programm eines Veranstalters, dem eine Konzession im Sinne des vorliegenden Gesetzes erteilt wurde, zu verbreiten, wenn: Art 48 Einschränkungen der Weiterverbreitung 1 Es werden nur Programme weiterverbreitet, die dem für die Schweiz verbindlichen internationalen Fernmelderecht und den für die Schweiz verbindlichen völkerrechtlichen Vorschriften über die Programmgestaltung oder die Werbung entsprechen, insbesondere der Richtlinie über das grenzüberschreitende Fernsehen. Sie dürfen nicht zur Umgehung dieses Gesetzes oder seiner Ausführungsvorschriften gestaltet worden sein.

1 Die zuständige Behörde trifft die zur Durchsetzung dieser Bestimmungen notwendigen Massnahmen.

') SR 220 632

Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen. BB

II 1

Dieser Bundesbeschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet.

Er unterliegt aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen '> der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

2

5556

" AS ...

23 Bundesblatt 143.Jahrgang. Bd.V

633

5

Wirtschaft und Abgaben

92.057-40

5.1 Bundesbeschluss über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmer in den Betrieben (Mitwirkungsbeschluss) l

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Die Mitwirkung ist in der Schweiz bereits seit Jahrzehnten ein rege diskutiertes Thema. Nach langen innenpolitischen Auseinandersetzungen ist eine klassische Pattsituation eingetreten. Obwohl zahlreiche vertragliche Mitwirkungsregelungen bestehen, sind die Versuche einer gesetzlichen Regelung gescheitert. Wie es dazu kam, soll in einem historischen Ueberblick kurz dargelegt werden. Dabei ist es notwendig, vorgängig einige Begriffserklärungen vorzunehmen.

Für die betriebliche Ebene (der Mitbestimmung) wird der Ausdruck "Mitwirkung" verwendet. Für den Unternehmensbereich wird der Begriff "Mitbestimmung" (im engeren Sinn) belassen. Sind beide Ebenen im Sinne eines Gesamtbegriffs gemeint, wird ebenfalls von Mitbestimmung (im weiteren Sinn) gesprochen (s, für weitere Erklärungen: Botschaft des Bundesrates vom 22. Äug, 1973 zum Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend das Volksbegehren über die Mitbestimmung und einen Gegenvorschlag, BEI 1973 H 237, Sonderdruck S. 5 ff.).

Im März 1976 lehnten Volk und Stände sowohl die Volksinitiative der Gewerkschaften wie auch den sich auf die Mitwirkung beschränkenden Gegenvorschlag des Parlaments ab. Ueber die Interpretation dieses doppelten Neins war man sich nicht einig.

634

Noch am Vorabend der Volksabstimmung wurden im Nationalrat zwei parlamentarische Initiativen eingereicht, welche für eine angemessene Mitbestimmung auf Unternehmensebene eine Verfassungsgrundlage schaffen wollten (Initiativen Morel und Egli). Die Nationalratskommission, der diese beiden Vorstösse zugewiesen wurden, erarbeitete in der Folge einen eigenen Verfassungsartikel über die Mitbestimmung in den Unternehmen. Im Herbst 1979 wurde für die drei Lösungsvorschläge ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt, dessen Auswertung insgesamt eher negativ ausfiel. Keiner der Vorschläge fand eine breite Unterstützung.

Nach wie vor zeigte sich ein starker genereller Widerstand gegen die Unternehmensmitbestimmung überhaupt. Eine gewisse Uebereinstimmung bestand hingegen in der grundsätzlichen Befürwortung eines Mitwirkungsgesetzes.

1980 wurden zwei neue parlamentarische Vorstösse eingereicht. Beide stützten sich auf den bestehenden Artikel 34ter der Bundesverfassung und strebten ein Gesetz über die betriebliche Mitwirkung an (Motion Wyss, 1982 abgeschrieben; Initiative Biderbost).

Der Bundesrat hat in der Folge den Entscheid über das weitere Vorgehen der Kommission des Nationalrats überlassen. Diese beschloss, vorerst ein Mitwirkungsgesetz auszuarbeiten und die Untemehmensebene zurückzustellen. Das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement betraute 1981 eine Expertenkommission mit der Erarbeitung eines politisch breit abgestutzten Vorentwurfs.

1983 wurde der Vorentwurf mit Bericht zu einem Bundesgesetz über die Mitwirkung der Arbeitnehmer in den Betrieben veröffentlicht. Im Frühling 1984 wurde ein erneutes Vernehmlassungsverfahren eingeleitet, welches kein einheitliches Bild ergab.

In den Jahren 1986/87 wurden durch eine nationalrätliche Subkommission zwei Mitwirkungsvarianten ausgearbeitet.

Die Kommission lehnte aber beide vorgeschlagenen Entwürfe ab. Der Nationalrat beschloss in der Junisession 1990, sämtliche Vorstösse zur Unternehmensmitbestimmung und zur betrieblichen Mitwirkung abzuschreiben. Der politische Wille zu einer Regelung der Mitbestimmungsfrage auf Gesetzesstufe war nicht vorhanden. Obwohl die Sozialpartner in der Folge eine Wiederaufnahme der Diskussion nicht ausschlössen, fehlten bis heute konkrete Entwürfe.

635

Die Verhandlungen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) haben neue Voraussetzungen geschaffen. Im Rahmen verschiedener europäischer Vorschriften begegnen wir Mitwirkungsregelungen, die zum "acquis communautaire" gehören und damit für die Schweiz im Falle eines Beitritts zum EWR verbindlich werden. Es handelt sich dabei um Informations- und Konsultationsrechte der Arbeitnehmer.

Verschiedene EG-Richtlinien enthalten Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer, so im Bereich Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit sowie bei Kollektiventlassungen und Betriebsübernahmen.

Generell gilt, dass die EG grosses Gewicht auf die betriebliche Information und Konsultation der Arbeitnehmer legen und entsprechende Normen auch weiterhin und vermehrt in ihrer Rechtsetzung verankern werden. Eine Anpassung an das EG-Recht wird deshalb für uns ohne eine entsprechende allgemeine Gesetzgebung (und handle es sich nur um ein Rahmengesetz) je länger desto problematischer werden.

Es geht für die Schweiz nun darum, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit die EWR-bedingten Mitwirkungsrechte überhaupt umgesetzt werden können. Da in der EG das Subsidiaritätsprinzip gerade auch im Sozialbereich massgebend ist und dadurch vieles den unteren Ebenen überlassen wird, müssen minimale Mitwirkungsstrukturen auf der tiefsten, nämlich der betrieblichen Ebene vorhanden sein. Die EG-Richtlinien enthalten zwar nur die konkreten Mitwirkungsrechte, doch setzen sie das Bestehen der entsprechenden institutionellen Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene voraus. Das hat seinen Grund in der Respektierung gewachsener Strukturen, die den Ländern belassen werden. Der vorliegende Entwurf will deshalb lediglich

den

gesetzlichen

Mitwirkungsregelung

Rahmen

schaffen,

ohne

die

eine

keinen Sinn hat. Es sind keine Vorschriften

materielle über die

Mitbestimmung auf Unternehmensebene vorgesehen, zumal auch das europäische Recht bis anhin keine solchen Regelungen vorschreibt.

Der geplante Beschluss über die Mitwirkung soll die abschlägigen parlamentarischen Entscheide in dieser Sache keineswegs umgehen. Er ist als Rahmenbeschluss ausgestaltet und enthält nur ein Minimum an materiellen Bestimmungen, nämlich die Mitwirkungsrechte, die sich aus den einschlägigen EG-Richtlinien ergeben. Konkret handelt es sich um Informations- und Anhörungsrechte der Arbeitnehmer. Der Rest besteht aus formellen Bestimmungen, die eine sinnvolle Mitwirkungsordnung erst ermöglichen bzw. die bestehenden vertraglichen Regelungen untermauern. Gerade im Wissen, dass gesamtarbeitsvertragliche Abreden diesen Beschluss ergänzen, wird

636

darauf verzichtet, Details zu regeln. Den Sozialpartnern wird im Gegenteil sehr viel Spielraum belassen. Dies zeigt sich auch an der geringen Anzahl von zwingenden Bestimmungen. Die Regelung wird schliesslich ergänzt durch eine Bestimmung über die Verschwiegenheitspflicht.

Der Entwurf lehnt sich an frühere Arbeiten in der Mitwirkungsfrage an, insbesondere soweit damals Kompromisslösungen gefunden wurden. Hingegen werden Fragen bewusst offengelassen, die sich als sehr kontrovers erwiesen und zum Scheitern der bisherigen Bemühungen um eine Mitwirkungsgesetzgebung geführt haben. In diesem Sinne verzichtet der Entwurf auf die Regelung solcher Fragen, indem er diese der Praxis überlässt (z.B die Betriebsvereinbarungen). Wie bereits erwähnt, geht es darum, das (aus EWR-Sicht) absolut Notwendige zu regeln. Dieser Einschränkung wird nur das Vorbringen eines Rahmenbeschlusses gerecht.

1.2

Vorverfahren

Das EWR-Abkommen sieht in den hier betroffenen Sachgebieten keine Uebergangsfristen zur Umsetzung der materiellen Bestimmungen in die nationalen Rechte vor. Die entsprechenden innerstaatlichen Regelungen müssen daher gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft treten. Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne ist es nicht möglich, ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren durchzuführen. Aus diesen Gründen kann der vorliegende Entwurf auch nicht dem Referendum unterstellt werden.

Erlasse, mit denen Gesetze unter Ausschluss des fakultativen Referendums geschaffen oder geändert werden, können formell nicht als Gesetz bezeichnet werden. Der Erlass wird deshalb in die Form des allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses gekleidet.

Die Mitwirkung der Arbeitnehmer ist ein sozialpolitisch heikles und aufgrund der bisherigen politischen

Auseinandersetzungen belastetes Thema.

Eine

gesetzliche

Regelung kann nur funktionieren, wenn sie schlussendlich von den Sozialpartnern getragen wird. Obwohl ein umfassendes Vernehmlassungsverfahren unter den gegebenen zeitlichen Voraussetzungen nicht zu realisieren war, wurden die vorgängigen Konsultationsmöglichkeiten weitestgehend ausgeschöpft: nach einer kurzen schriftlichen Konsultation bei Kantonen und Sozialpartnern wurde der Vorentwurf

in der Eidg.

Arbeitskommission eingehend

diskutiert.

In dieser

Kommission sind, nebst den Sozialpartnern, die Kantone, die Frauenorganisationen

637

und die Wissenschaft vertreten. Danach wurde der Entwurf in enger Zusammenarbeit mit Vertretern repräsentativer Sozialpartner-Organisationen bereinigt, im Bestreben, möglichst tragfahige Lösungen zu finden.

1.3

Stellungnahmen Organisationen

der

Arbeitgeber-

und

Arbeitnehmer-

Trotz des Bestrebens aller Parteien, zu einem Kompromiss zu gelangen, blieben nach den Diskussionen Divergenzen bestehen. Eine Einigung konnte nicht in allen Punkten erreicht werden.

Die Arbeitgeberorganisationen

stehen einer Umsetzung des EG-Rechts in einem

Gesamterlass wie dem vorliegenden Beschluss skeptisch gegenüber. Sie ziehen einen Einbau der absolut zwingenden EWR-Vorschriften in die einzelnen Erlasse (OR, ArG, UVG usw.) vor. Der Entwurf für einen Mitwirkungsbeschluss stellt für sie deshalb ein Maximum dar, dem sie noch zustimmen können.

Die Arbeitnehmerorganisationen sind hingegen der Auffassung, dass sich aus den EWR-Bestimmungen nicht nur Informations- und Mitspracherechte, sondern ebenfalls eine Mitentscheidung der Arbeitnehmer ableiten lässt, dies jedenfalls auf den Gebieten des Gesundheitsschutzes und der Arbeitssicherheit (vgl. Ziff. 1.4, sowie die Erläuterungen zu Art. 9 des Entwurfs). Sie verlangen demzufolge eine Aufnahme entsprechender Bestimmungen in den Entwurf.

Die Arbeitnehmerorganisationen möchten ferner, dass den Verbänden allgemein eine stärkere Rolle zukommen sollte. Dies gilt namentlich dort, wo hinsichtlich Mitwirkung keine Regelung zustandekommt oder ein Hausverband einer "zweifelhaften" Mitwirkungsordnung zustimmt (vgl, die Ausführungen zu Art. 2 betreffend die Repräsentativität der Verbände sowie zu Art. 15 betreffend das Verbandsklagerecht).

1.4

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat lehnt eine Verankerung der materiellen Mitwirkungsrechte in den einzelnen Gesetzen schon aus praktischen Gründen ab. Ein solches Vorgehen würde zu Doppelspurigkeiten führen und dem Adressaten das Auffinden der einschlägigen

638

Gesetzesvorschriften erheblich erschweren. Ein einheitlicher Rahmenbeschluss hat demgegenüber den Vorteil, Rechtssicherheit

eine systematische Einheit

zugutekommt.

Es

ist

zwar

durchaus

zu bilden,

was der

möglich,

einzelne

Mitwirkungsregelungen in den verschiedenen Spezialgesetzen zu belassen. Es braucht aber einen Grunderlass, der die institutionellen Voraussetzungen festhält und damit einen Bezug zwischen den vereinzelten Bestimmungen herstellt. Diese Lücke wird mit dem vorliegenden Entwurf geschlossen. Gesetzestechnisch gesehen ist ein Rahmenbeschluss auf jeden Fall vorzuziehen.

Im

Gegensatz

zu

den

Arbeitnehmerorganisationen

ist

der

Bundesrat

nach

entsprechenden Abklärungen zum Schluss gekommen, dass sich aus den EWRVorschriften keine Bestimmungen über die Mitentscheidung ableiten lassen. Eine Ueberprüfung der Richtlinie Nr. 89/391 des Rates vom 12, Juni 19891 über die Durchführung von Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit hat gezeigt, dass diese "lediglich" Informations- und Mitspracherechte enthält. Artikel 11 Absatz l der Richtlinie lautet folgendermassen:

"Die Arbeitgeber hören die Arbeitnehmer bzw. deren Vertreter an und ermöglichen deren Beteiligung bei allen Fragen betreffend die Sicherheit und die Gesundheit am Arbeitsplatz.

Dies beinhaltet:

die Anhörung der Arbeitnehmer;

das Recht der Arbeitnehmer bzw. ihrer Vertreter, Vorschläge zu unterbreiten;

die ausgewogene Beteiligung nach den nationalen Rechtsvorschriften bzw.

Praktiken."

1

ABI. Nr. L 183 vorn 29.6.1989, S. l ff.

639

Die genaue Bedeutung der in der Rahmenrichtlinie Nr. 89/391 erwähnten Beteiligung der Arbeitnehmer ist unklar, insbesondere wird die Art und der Umfang der Beteiligung nicht näher ausgeführt. Dies zeigt auch der sprachliche Vergleich auf.

Während im deutschen Text von "Beteiligung" und im französischen Text von "participation" die Rede ist, lautet der englische Wortlaut von Artikel 11 Ziffer l Absatz l Richtlinie wie folgt: "Employers shall consult workers and/or their représentatives and allow them to take part in discussions on all questions relating to safety and health at work. (...)". Die sprachliche Unklarheit in der Regelung dieses Problems lässt durchblicken, dass eine Einigung über die Mitentscheidung nicht erzielt wurde. Infolge der fehlenden Ausführungsvorschriften in der Richtlinie selbst bleibt es deshalb den einzelnen Staaten überlassen, wie sie diese Mitbeteiligung konkret regeln.

Der Schluss drängt sich auf, dass eine "Beteiligung bei allen Fragen ..." bzw. ein "take part in discussions" nicht mit einer Mitentscheidung gleichgesetzt werden kann.

Eine Interpretation in Richtung Mitentscheidung würde den Wortlaut der Richtlinie sprengen. Artikel 11 der Richtlinie (wie auch Art. 10 des Entwurfs) enthält deshalb nur ein Mitspracherecht.

In den Diskussionen mit den Sozialpartnern zeigte sich, dass eine Stärkung der Stellung der Verbände umstritten war (wie bereits bei früheren Vorlagen). Der Entwurf erfüllt das Anliegen der Sozialpartner teilweise, indem er den Verbänden ein beschränktes Klagerecht einräumt. Im übrigen verzichtet er darauf, diesen Punkt näher zu regeln.

1.5

Kompromissvorschlag

Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass sich im Verlaufe der Vorarbeiten gezeigt hat, dass die Sozialpartner diesen Entwurf als Diskussionsbasis akzeptieren. Es kann somit trotz der oben erwähnten Divergenzen von einem Kompromissvorschlag gesprochen werden. Das gilt insbesondere für die Tatsache, dass ein Ausgleich zwischen den innenpolitischen Gegebenheiten ("Vorbelastung" des Themas) auf der einen und den EWR-bedingten Erfordernissen auf der andern Seite in einem knapp gehaltenen Rahmenbeschluss gesucht wird, der vieles vertraglichen Regelungen überlässt und damit bewusst in Kauf nimmt, dass diverse Fragen offen bleiben.

640

1.6

Geltungsbereich

In einer ersten Fassung des vorliegenden Entwurfs war vorgesehen, den Geltungsbereich nebst dem privaten Sektor auch auf alle öffentlichen Betriebe sowie die Verwaltungen des Bundes und der Kantone (inkl. Gemeinden) auszudehnen.

Aufgrund der Abmachung zwischen Bund und Kantonen, bei der Umsetzung des EWR-Rechts keine Aenderungen an der bestehenden Kompetenzordnung vorzunehmen, wurde dieses Vorhaben in der Folge fallengelassen. Die Mitwirkung im öffentlichen Bereich steht unter anderen Voraussetzungen, und es soll insbesondere nicht in die Regelungs- und Organisationskompetenzen der Kantone eingegriffen werden. Ein solcher Eingriff hätte zu beträchtlichen Problemen geführt, zumal auch die Verfassungsgrundlage (Art. 34ter BV) dazu eher prekär gewesen wäre.

Die obgenannten Einwände gelten hingegen für die Betriebe und Verwaltungen des Bundes nicht oder nur in vermindertem Masse. Für diese ist eine Mitwirkungsregelung wie die hier vorgeschlagene weitestgehend unproblematisch. Da man aber die öffentliche Bundesverwaltung aus verschiedenen Gründen nicht formell in den Geltungsbereich des Mitwirkungsbeschlusses einbeziehen wollte, wird im Rahmen der Schlussbestimmungen das Beamtengesetz angepasst (s. Art. 16 des Entwurfs).

1.7

Verfassungsgrundlage

Der vorliegende Beschlussesentwurf stützt sich auf Artikel 34ter Absatz l Buchstabe b der Bundesverfassung ab. Dieser weist dem Bund die Kompetenz zu, "über das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten" Vorschriften aufzustellen. Die Abklärungen im Zusammenhang mit den früheren parlamentarischen Arbeiten in diesem Bereich haben ergeben, dass diese Bestimmung jedenfalls für die betriebliche Mitwirkung eine ausreichende Grundlage bildet. Alle früher erarbeiteten Entwürfe gehen dementsprechend von dieser Verfassungsgrundlage aus.

Das vorgesehene EWR-Recht beschränkt sich zur Zeit auf einzelne Mitwirkungsrechte auf Betriebsebene. Deren Umsetzung ist daher durch den obgenannten Artikel der Bundesverfassung abgedeckt.

641

2

Besonderer Teil

2.1

Das europäische Recht

Die Mitwirkung der Arbeitnehmer auf Betriebsebene bildet nicht Gegenstand einer gesonderten EWR-Rechtsetzung. Es handelt sich vielmehr um ein Querschnittsthema, das in verschiedenen Zusammenhängen wiederkehrt.

Informations- und Anhörungsrechte der Arbeitnehmer bzw. ihrer gesetzlichen Vertretungen finden sich in einer ganzen Anzahl Richtlinien über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sowie in den Richtlinien über Massenentlassungen und den Uebergang von Unternehmen.

2.1.1

Die Richtlinie Nr. 89/391: Arbeitssicherheit / Gesundheitsschutz

Eine Richtlinie, die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer vorsieht, ist die Richtlinie Nr. 89/391 des Rates vom 12. Juni 19892 über die Durchführung von Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (in der Folge: RL). Sie will den Arbeitnehmern (und Arbeitnehmerinnen: die weibliche Form wird in den EG-Richtlinien jeweils nicht erwähnt; dasselbe gilt für die Arbeitgeber) einen besseren Schutz gewährleisten. Zu diesem Zweck enthält die Richtlinie allgemeine Grundsätze für die Verhütung berufsbedingter Gefahren, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz sowie die Ausschaltung von Risiko- und Unfallfaktoren (vgl. Art. l Abs. l und 2 RL).

Die Richtlinie geht davon aus, dass der Arbeitgeber, aufgrund einer Ermittlung der in seinem Betrieb bestehenden Unfall- und Gesundheitsrisiken, die erforderlichen Schutzmassnahmen treffen muss. Er hat dafür einerseits das erforderliche Fachwissen bereitzustellen (nötigenfalls durch externe Spezialisten). Anderseits hat er die Arbeitnehmer dabei zur Mitwirkung heranzuziehen. Die Richtlinie enthält konkrete Vorschriften über die Informations- und Anhörungspflicht des Arbeitgebers. So hat dieser die Arbeitnehmer oder ihre Vertreter über die Gefahren am Arbeitsplatz und die dagegen ergriffenen Massnahmen zu informieren (Art. 10 Abs. l RL). Ferner hat er die Arbeitnehmer in Fragen betreffend die Sicherheit und Gesundheit anzuhören. Diese haben ihrerseits das Recht, Vorschläge zu unterbreiten. (Art, 11 RL, insb. Abs. l und

2 ABI. Nr. L 183 vom 29.6.1989, S. l ff.

642

3). Eine Anhörung ist auch bei der Planung und Einführung neuer Technologien vorgesehen (Art. 6 Abs. 3 Est. e RL).

2.1.2

Die Richtlinie Nr. 75/129: Massenentlassungen

Der Zweck der Richtlinie Nr. 75/129 des Rates vom 17. Februar 19753 zur Angleichung der Rechtsvorschriften über Massenentlassungen (in der Folge: RL) liegt im Schutz der Arbeitnehmer vor einseitigem Vorgehen des Arbeitgebers. Die Angleichung soll insbesondere hinsichtlich der Voraussetzungen und des Verfahrens sowie der Massnahmen, welche die Folgen dieser Entlassungen für die Arbeitnehmer mildem können, erzielt werden. Die Bestimmungen über den Arbeitsvertrag im Obligationenrecht werden dementsprechend geändert (vgl. Bundesbeschluss über die Aenderung des Zehnten Titels des OR, BB11992 V...).

Materiell sieht die Richtlinie ein Verfahren zur Konsultation der Arbeitnehmervertreter vor (Art, 2 RL). Wer als solcher gut, bestimmt sich nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten. Der Arbeitgeber, der beabsichtigt, eine Massenentlassung vorzunehmen, muss die Arbeitnehmervertreter konsultieren, um mit ihnen zu einer Einigung zu gelangen (Art. 2 Abs. l RL). Die Konsultation muss sich zumindest auf die Möglichkeit erstrecken, die Massenentlassung zu vermeiden, die Zahl der beabsichtigten Kündigungen herabzusetzen, sowie auf die Mittel, die Folgen der Kündigungen zu müdem (Art. 2 Abs. 2 RL). Der Arbeitgeber muss der Arbeitnehmervertretung alle zweckdienlichen Auskünfte erteilen und ihnen in jedem Fall schriftlich die Gründe der Entlassung, die Zahl der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer mitteilen. Mitzuteilen hat er zudem auch den Zeitraum, in dem die Kündigungen erfolgen sollen (Art. 2 Abs. 3 RL). Es handelt sich dabei um Verfahrensvorschriften, die die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers an sich nicht berühren.

3

ABI. Nr. L 48 vom 22.2.1975, S. 29 ff.

643

2.1.3

Die Richtlinie Nr. 77/187: Betriebsübergang

Die Richtlinie Nr. 77/187 des Rates vom 14. Februar 19774 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Uebergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (in der Folge: KL) bezweckt insbesondere die Wahrung dieser Ansprüche für den Fall, dass ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil infolge vertraglicher Uebertragung oder Fusion auf einen Dritten übergeht (vgl. Art. l RL). Auch hier wird das Obligationenrecht den Erfordernissen der Richtlinie angepasst (vgl. Botschaft OR, BB1.

1992V...).

Die Richtlinie sieht ein Verfahren zur Information und Konsultation der Vertreter der betroffenen Arbeitnehmer vor (Art. 6 RL). Dieses muss vor dem Betriebsübergang durchgeführt werden. Der Veräusserer und der Erwerber sind verpflichtet, die Arbeitnehmervertretung über den Grund und die Folgen des Uebergangs sowie über die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Massnahmen zu informieren (Art. 6 Abs. l RL).

2.2

Erläuterung des Entwurfs

In der Folge sollen die einzelnen Bestimmungen des Beschlussesentwurfs kurz erläutert werden.

Artikel l

Geltungsbereich

Der Geltungsbereich wurde in Anlehnung an die EG-Richtlinien weit gefasst, doch fallen die öffentlichen Betriebe und die Verwaltungen nicht unter die vorgeschlagene Regelung (vgl. Ziff. 1.6). Der Beschluss ist demzufolge auf alle privaten Betriebe anwendbar, sofern sie ständig Arbeitnehmer beschäftigen.

Das Wort "ständig" bezieht sich nicht auf die Beschäftigungsdauer einzelner Arbeitnehmer, sondern will lediglich darauf hindeuten, dass der Arbeitgeber dauernd

4 ABI. Nr. L 61 vorn 5.3.1977, S. 26 ff.

644

(d.h. über längere Zeit hinweg) einen oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigen muss, um unter den Geltungsbereich des Beschlusses zu fallen. Das Vorhandensein von Personen in Arbeitnehmerstellung stellt eine unabdingbare Voraussetzung dar, denn ohne Arbeitnehmer kann es in einem Betrieb keine Mitwirkung geben.

Selbstverständlich können die Arbeitnehmer oder ihre Zahl im Laufe der Zeit beliebig ändern, doch müssen im Betrieb ständig Personen in Arbeitnehmerstellung beschäftigt werden.

Artikel 2

Abweichungen durch Gesamtarbeitsvertrag

Die (bestehenden oder neu geschaffenen) vertraglichen Mitwirkungsordnungen sollen die Bestimmungen des Beschlusses ergänzen. Dieses enthält lediglich Rahmenbedingungen. Es soll deshalb möglich sein, durch Gesamtarbeitsvertrag vom Beschluss abzuweichen. Dabei kann durchaus auch ein Hausverband Vertragspartner sein. Hingegen sind rein betriebsinterne Abmachungen nicht zugelassen, wenn sie sich nicht auf einen Gesamtarbeitsvertrag stützen und wenn daran nicht ein Arbeitnehmerverband im Sinne von Artikel 356 Absatz l des Obligationenrechts als Partei beteiligt ist. In diesem Sinne ist Artikel 2 als zwingend anzusehen.

Die Regelung zählt ferner abschliessend diejenigen Bestimmungen auf, von denen nur zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden kann (sog. einseitig zwingende oder relativ zwingende Bestimmungen). Dies ist unerlässlich, um die Umsetzung des EWRRechts sicherzustellen. Es sind jedoch nur wenige zentrale Regelungen zwingend ausgestaltet worden, was den vertraglichen Abweichungen möglichst viel Spielraum belassi.

Die Arbeitnehmerorganisationen möchten Abweichungen vom Beschluss durch gesamtarbeitsvertragliche Mitwirkungsordnungen nur dann zulassen, wenn daran repräsentative Verbände beteiligt sind. Als Kompromissvorschlag sind die Arbeitnehmerorganisationen bereit, auf dieses Anliegen zu verzichten, wenn den Verbänden ein Klagerecht eingeräumt wird. Dem wird in Artikel 15 des Entwurfs in beschränktem Umfang Rechnung getragen.

645

Artikel 3

Anspruch auf Vertretung

Dieser Artikel verleiht den Arbeitnehmern das Recht, Vertretungen zu bestellen. Dabei wird unter Berücksichtigung der bestehenden vertraglichen Mitwirkungsregelungen die Möglichkeit der Bestellung mehrerer Arbeitnehmervertretungen in einem Betrieb vorgesehen

(z.B.

für

die

einzelnen

Betriebsbereiche

oder

verschiedene

Arbeitnehmerkategorien).

Zur Bestellung einer Vertretung wird bewusst auf die Stufe "Betrieb" abgestellt, nicht auf die Stufe "Unternehmung". Dies ermöglicht es z.B., für Filialen eigene Vertretungen vorzusehen. Ausserdem wird dadurch der Dialog dorthin gelegt, wo sich die "Basis" befindet.

Artikel 3 ist zwingender Natur, doch ist er nur auf Betriebe anwendbar, die mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigen. Es wird davon ausgegangen, dass die Beschäftigten in kleineren

Betrieben

keine Vertretung benötigen

und ihre Rechte unmittelbar

wahrnehmen (s. dazu die Bemerkungen zu Art. 4).

Die Mindestzahl von 20 Arbeitnehmer wurde aus praktischen Gründen gewählt. Nach den Zahlen der letzten eidgenössischen Betriebszählung werden damit zirka 6 Prozent der Betriebe sowie 60 Prozent der Arbeitnehmer erfasst. Hätte man die Mindestzahl auf 50 Beschäftigte festgelegt, wären lediglich 2 Prozent aller Betriebe und 42 Prozent der Arbeitnehmer unter die betreffende Bestimmung gefallen. Aus diesen Gründen wurde die Zahl 50 als zu hoch eingestuft.

Der Wortlaut hält schliesslich fest, dass die Vertreter aus der Mitte der Arbeitnehmer zu bestellen sind. Damit ist die Vertretung durch Personen, die nicht im betreffenden Betrieb beschäftigt sind (sog. Fremdvertretung) bewusst ausgeschlossen. Eine solche Vertretung bleibt jedoch im Rahmen einer gesamtarbeitsvertraglichen Abrede gemäss Artikel 2 jederzeit möglich.

Artikel 4

Mitwirkung in Betrieben ohne Arbeitnehmervertretung

Wo keine Vertretung besteht, nehmen die Arbeitnehmer ihre Mitwirkungsrechte (gemäss Art. 9 und 10) gemeinsam und direkt wahr. "Direkt" bedeutet dabei, dass

646

ihnen die Rechte unmittelbar zustehen. Dies im Gegensatz zur Wahrnehmung, wo die Rechte über die Vertreter ausgeübt werden.

"indirekten"

Der Entwurf geht davon aus, dass die Mitwirkungsrechte den Arbeitnehmern gemeinsam zustehen, auch wenn dies im Wortlaut nicht ausdrücklich festgehalten ist.

Es handelt sich also nicht um individualisierte Mitwirkungsrechte jedes einzelnen Arbeitnehmers.

Artikeln 5 und 6

Erstmalige Bestellung und Wahlgrundsätze

Der zweite Abschnitt des Beschlusses befasst sich mit den Arbeitnehmervertretungen.

Die Artikel 5 und 6 regeln deren erstmalige Bestellung und die Wahlgrundsätze. Es wurde darauf verzichtet, das Wahlverfahren in den Einzelheiten zu ordnen. Es wird lediglich sichergestellt, dass die Wahl nach demokratischen Grundsätzen zu erfolgen hat.

Wird es von einem Fünftel der Arbeitnehmer verlangt, ist eine Abstimmung darüber durchzuführen, ob die Mehrheit der Bestellung einer Vertretung zustimmt. Bei grösseren Betrieben bildet diese Mindestgrenze eine verhältnismässig zu grosse Hürde.

In Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten reicht es deshalb aus, wenn die Abstimmung von 100 Arbeitnehmern verlangt wird (Art, 5 Abs. 1). Diese Vorschrift ist nicht zwingend; die Voraussetzungen für die erstmalige Einsetzung einer Arbeitnehmervertretung in den einzelnen Betrieben können durch GAV beliebig anders geregelt werden.

Der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer sollen bei der erstmaligen Bestellung einer Vertretung zur Zusammenarbeit verpflichtet werden. Der Entwurf sieht deshalb vor, dass die Wahl vom Arbeitgeber in Absprache mit den Arbeitnehmern durchzuführen ist (Art. 5 Abs. 2).

Die Wahl der Arbeitnehmervertretung soll frei, direkt und geheim erfolgen. Die geheime Wahl wird zum Schutz der Arbeitnehmer vorgeschrieben. Diese Bestimmung ist zwingend (Art. 6).

647

Artikel 7

Grosse

Der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer bestimmen in Berücksichtigung der Betriebsgrösse gemeinsam die Grosse der Vertretung. Die Vertretung muss jedoch mindestens 3 Personen aufweisen.

Zur Festlegung der Grosse kann Artikel 3 des Gesetzes eine gewisse Hilfe bieten. Eine Vertretung ist dort für Betriebe mit mindestens 20 Beschäftigten vorgesehen. Diese Zahlen wurden nicht zufallig gewählt. Sie sollen ein "gesundes" Verhältnis zwischen der Anzahl Vertreter und der Grosse des Betriebs widerspiegeln (3 : 20). In der Praxis besteht selbstverständlich keine Pflicht, das Verhältnis der beiden Zahlen jeweils gleich zu belassen. Vielmehr wird die relative Grosse der Arbeitnehmervertretung mit zunehmender Betriebsgrösse tendenziell abnehmen und umgekehrt mit zunehmender Komplexität der Betriebsstruktur eher zunehmen.

Artikel 8

Auftrag

Die Arbeitnehmervertretung vertritt die gemeinsamen Interessen der Arbeitnehmer. Sie ist ein kollektives Organ der Belegschaft, ihr Sprachrohr gegenüber dem Arbeitgeber.

Das bedingt, dass sie umgekehrt die vertretenen Personen über ihre Aktivitäten auf dem Laufenden hält.

Artikel 9

Informationsrecht

Die Arbeitnehmervertretung kann die Interessen der Vertretenen nur wahrnehmen, wenn sie hinreichend informiert wird. Dies stellt eine Voraussetzung dar, damit sie im innerbetrieblichen Dialog als gleichwertige Gesprächspartnerin auftreten kann. Der Entwurf sieht deshalb bei den gesetzlichen materiellen Mitwirkungsrechten als Grundlage ein allgemeines Informationsrecht der Arbeitnehmervertretung vor. Der Arbeitgeber hat diese rechtzeitig und umfassend über alle Angelegenheiten zu informieren, "deren Kenntnis Voraussetzung für eine ordnungsgemässe Erfüllung ihrer Aufgaben ist" (Abs. 1). Gemäss Absatz 2 muss er sie zudem "periodisch über den Geschäftsgang sowie über dessen mögliche Auswirkungen auf die Beschäftigung und die Beschäftigten" informieren.

648

Artikel 10

Diese

Mitspracherecht

Bestimmung

enthält

eine

Legaldefinition

der

Mitsprache

der

Arbeitnehmervertretung (Abs. 1), Dies ist für die in Absatz 2 vorgesehenen materiellen Mitwirkungsrechte von Bedeutung, da sich deren Ausübung nach der Definition richtet. Artikel 10 ist zwingend, ein Abweichen ist nur zugunsten der Beschäftigten möglich.

Absatz 2 zählt die Angelegenheiten auf, in denen der Vertretung gemäss den entsprechenden EG-Richtlinien ein Anspruch auf Mitsprache zusteht. Konkret handelt es sich um die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz, Kollektivenüassungen aus wirtschaftlichen Gründen sowie den Uebergang von Unternehmen.

Der Entwurf zählt lediglich die Fälle der Mitwirkung auf, ohne die weiteren Details zu regeln. Welche Ansprüche im Einzelfall der Arbeitnehmervertretung zustehen, ergibt sich aus den entsprechenden EG-Richtlinien bzw. deren Umsetzung ins nationale Recht. Absatz 2 enthält deshalb einen Verweis auf die Spezialgesetzgebung.

Artikel 11

Grundsatz

Der 4. Abschnitt des Entwurfs trägt die Ueberschrift "Zusammenarbeit". Er behandelt die gegenseitigen Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und der Arbeitnehmervertretung. Diese werden verpflichtet, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zusammenzuarbeiten (Art. 11 Abs. 1). Der Arbeitgeber hat die Vertretung zu unterstützen und ihr "im notwendigen Umfang Räume, Hilfsmittel und administrative Dienstleistungen" zur Verfügung zu stellen (Abs. 2). Dies ist eine der Voraussetzungen, damit die durch den EWR vorgegebenen, materiellen Mitwirkungsrechte in der Praxis überhaupt funktionieren können.

Artikel 12

Schutz der Mitglieder der Arbeitnehmervertretung

Artikel 12 schützt die Mitglieder der Arbeitnehmervertretung in der ordnungsgemässen Ausübung ihres Mandats. Sie dürfen nicht behindert oder benachteiligt werden. Artikel 12 ist zwingendes Recht.

649

Sollte ein Arbeitnehmer wegen seiner Tätigkeit in der Vertretung entlassen werden, so sind die Bestimmungen des Obligationenrechts über die missbräuchliche Kündigung anzuwenden. Diese ergänzende Anwendung des OR ist selbstverständlich und wird deshalb im Entwurf nicht besonders erwähnt.

Die Arbeitnehmerorganisationen möchten den Schutz vor Benachteiligung auch auf die Zeitspanne nach Beendigung des Mandats ausdehnen.

Artikel 13

Mitwirkung während der Arbeitszeit

Gemäss Artikel 13 können die Mitwirkungstätigkeiten während der Arbeitszeit ausgeübt werden, soweit dies "nach Art und Grosse des Betriebs zur ordnungsgemässen Wahrnehmung" der Aufgaben erforderlich ist (Abs. 1). Im Sinne eines Interessenausgleichs wird andrerseits Arbeitnehmervertretung den Notwendigkeiten des Rechnung zu tragen hat (Abs. 2).

Artikel 14

festgehalten, betrieblichen

dass die Arbeitsablaufs

Verschwiegenheitspflicht

Artikel 14 regelt die Verschwiegenheitspflicht. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse an der Verschwiegenheit der Mitglieder der Arbeitnehmervertretung. Eine derartige Bestimmung bildet die Voraussetzung für seine Informationsbereitschaft.

Absatz 2 Buchstabe b ist zwingender Natur (Verschwiegenheitspflicht in persönlichen Angelegenheiten der Beschäftigten).

Die Verschwiegenheitspflicht umfasst zwei Stufen. Absatz l umschreibt die Verschwiegenheit gegenüber betriebsfremden Personen. Dieser Grundsatz erfährt insofern eine Lockerung, als die Mitglieder der Arbeitnehmervertretung gegenüber Personen, die zur Wahrung der Interessen der Beschäftigten befugt sind, von der Verschwiegenheitspflicht befreit sind. Zu denken ist dabei etwa an lokale Gewerkschaftssekretäre und Anwälte.

Absatz 2 beinhaltet im Vergleich zu Absatz l eine strengere und weiter gefasste Pflicht zur Verschwiegenheit. Erstens gilt sie gegenüber allen Personen und zweitens wird

650

nebst den Mitgliedern der Arbeitnehmervertretung auch der Arbeitgeber verpflichtet.

Diese Pflicht soll zur Anwendung gelangen:

in Angelegenheiten, bei denen die strengere Form der Verschwiegenheit vom Arbeitgeber oder von der Arbeitnehmervertretung aus berechtigtem Interesse verlangt wird;

in persönlichen Angelegenheiten Arbeitnehmerinnen.

Die Arbeitgeberorganisationen

der

einzelnen

Arbeitnehmer

sind demgegenüber der Auffassung,

und

dass der

Arbeitgeber den Entscheid über die Schweigepflicht selbständig treffen können soll, ohne ein berechtigtes Interesse geltend machen zu müssen.

Artikel 15

Artikel 15 des Vorentwurfs weist die Streitigkeiten aus dem Beschluss oder den vertraglichen Mitwirkungsordnungen dem Zivürichter (genauer gesagt den Arbeitsgerichten) zu. Die vertraglichen Schlichtungs- und Schiedsstellen werden jedoch vorbehalten (Abs. 1).

Klageberechtigt nach Absatz l sind in erster Linie die beteiligten Arbeitgeber und die Arbeitnehmer. Zusätzlich räumt der Entwurf deren Verbänden ein Klagerecht ein, wobei allerdings für diese der Anspruch nur auf Feststellung geht (Abs. 2).

Der vorliegende Entwurf ist als Rahmenbeschluss ausgestaltet und lässt den Vertragsparteien dementsprechend eine grosse Dispositionsfreiheit. Dies zeigt sich u.a.

darin, dass lediglich wenige Bestimmungen zwingender Natur sind. Tragfähige Lösungen können aber erst entstehen, wenn entsprechende vertragliche Regelungen den gesetzlichen Rahmen ausfüllen. Hierbei kommt den Gesamtarbeitsverträgen eine tragende Funktion zu. Dort, wo keine solchen bestehen, bleibt jedoch die Durchsetzung der Regelung grundsätzlich von der Initiative der einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abhängig.

651

Trotz der bisher fehlenden gesetzlichen Normierung der Mitwirkung hat diese im Laufe der Zeit in der Praxis stets zugenommen und inzwischen beachtliche Ausmasse erreicht. Tragende Säule dieser vertraglichen Vereinbarungen sind die Verbände, die in der Mitwirkungsfrage grosse Erfahrung mit sich bringen. Zwar sollen die Betriebe die Mitwirkung ohne Einmischung von aussen organisieren können, weshalb, entgegen gewerkschaftlichen Postulaten, den Verbänden im vorliegenden Entwurf kein Anspruch auf Beteiligung an Organisation und Durchführung der betrieblichen Mitwirkung (z.B.

Einsetzung der Arbeitnehmeryertretung, Durchführung der Wahl) eingeräumt wird.

Um aber der Ordnungsfunktion der Verbände in den verschiedenen Branchen Rechnung zu tragen, sollen die Verbände eine subsidiäre Rolle bei der Durchsetzung des Mitwirkungsbeschlusses erhalten. Dies stellt in gewissem Mass eine Ergänzung zur obgenannten Einzelinitiative der direkt Beteiligten dar. Die Kontrollfunktion der Verbände wird durch das Klagerecht ausgeübt. Weil dieses Recht einen subsidiären Charakter erhalten soll, geht der Anspruch der Verbände nur auf Feststellung. Das Erheben einer Leistungs- oder Gestaltungsklage ist damit ausgeschlossen. Diese Einschränkung gilt selbstverständlich weder für die beteiligten Arbeitgeber noch für die Arbeitnehmer.

Die getroffene Lösung entspricht materiell dem Gesamtarbeitsvertragsrecht (Art. 357b Abs. l Est. a OR). Mit dem Einräumen eines Verbandsklagerechts werden verschiedene andere Begehren der Arbeitnehmerorganisationen hinfällig (vgl. die Bemerkungen zu Art. 2, ferner Ziff.

1.3).

In Anlehnung an Artikel 343 OR hat das Verfahren einfach, rasch und unentgeltlich zu sein. Der Sachverhalt wird von Amtes wegen festgestellt (Abs. 3).

Artikel 16

Aenderung von Bundesgesetzen

Man hat davon abgesehen, die Bundesverwaltung sowie die öffentlichen Betriebe des Bundes formell unter den Geltungsbereich des Mitwirkungsbeschlusses zu stellen.

Dafür wird das Beamtengesetz (BIG) über die Schlussbestimmungen des Entwurfs geändert (vgl. die Ausführungen unter Ziff. 1.6).

Im neuen Artikel 67a BtG wird festgehalten, dass dem Personal ein Anspruch auf Mitwirkung nach Massgabe des EWR-Rechts zusteht. Es handelt sich um Fragen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes sowie beim Uebergang von Unternehmen. Die beiden entsprechenden Richtlinien Nr. 89/391 und 77/187 sind auf

652

die öffentlichen Verwaltungen anwendbar, die erste vollständig, die zweite aus praktischen Gründen lediglich in beschränktem Masse. Im Gegensatz zu Artikel 10 des Entwurfs werden hier die Kollektiventlassungen nicht erwähnt, weil der öffentliche Sektor vom Geltungsbereich der entsprechenden Richtlinie (Nr. 75/129) ausgenommen

ist.

Der Bundesrat regelt die Ausübung dieser Rechte sowie das Verfahren.

Artikel 17

Inkrafttreten

In den Absätzen l und 2 wird festgehalten, dass es sich beim vorliegenden Erlass um einen allgemeinverbindlichen und unbefristeten Bundesbeschluss handelt, der dem Referendum nicht untersteht (vgl. Ziff. 1.2). Das Inkrafttreten des Beschlusses ist auf denselben Zeitpunkt wie das EWR-Abkommen selbst festgesetzt (Abs. 3).

653

Bundesbeschluss Entwurf über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmer in den Betrieben (Mitwirkungsbeschluss)

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 34ter Absatz l Buchstabe b der Bundesverfassung; in Ausführung der Artikel 67 und 68 des Abkommens vom 2. Mai 1992 J > über den Europäischen Wirtschaftsraum, seines Protokolls 31 und seines Anhangs XVIII, der sich auf die folgenden Richtlinien bezieht: - Nr. 89/391 des Rates vom 12. Juni 19892> über die Durchführung von Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, - Nr. 75/129 des Rates vom 17. Februar 1975 3> zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen, - Nr. 77/187 des Rates vom 14. Februar 19774> zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 19925>, beschliesst: 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art-1 Geltungsbereich Der Beschluss gilt für alle privaten Betriebe, die ständig Arbeitnehmer in der Schweiz beschäftigen.

Art. 2 Abweichungen durch Gesamtarbeitsvertrag Durch gesamtarbeitsvertragliche Mitwirkungsordnung kann vom Beschluss abgewichen werden, von den Artikeln 3, 6, 9, 10, 12 und 14 Absatz 2 Buchstabe b jedoch nur zugunsten der Arbeitnehmer.

" AS T993 ...

-> EWRS ... / ABI. Nr. L 183 vom 29. 6. 1989, S. l ff.

3 > EWRS ... / ABI. Nr. L 48 vom 22. 2. 1975, S. 29 ff.

*' EWRS ... / ABI. Nr. L 61 vom 5. 3. 1977, S. 26 ff.

5

> Bßl 1992 V 634

654

Information und Mitspräche der Arbeitnehmer in den Betrieben. BB

Art. 3 Anspruch auf Vertretung In Betrieben mit mindestens 20 Arbeitnehmern können diese aus ihrer Mitte eine oder mehrere Vertretungen bestellen.

Art. 4 Mitwirkung in Betrieben ohne Arbeitnehmervertretung In Betrieben oder Betriebsbereichen ohne Arbeitnehmervertretung stehen die Informations- und Mitspracherechte nach den Artikeln 9 und 10 den Arbeitnehmern direkt zu.

2. Abschnitt: Arbeitnehmervertretung Art. S Erstmalige Bestellung 1 Auf Verlangen eines Fünftels der Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber durch eine geheime Abstimmung festzustellen, ob die Mehrheit der Arbeitnehmer sich für eine Arbeitnehmervertretung ausspricht. In Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten ist die Abstimmung durchzuführen, wenn 100 Arbeitnehmer eine solche verlangen.

2 Befürwortet die Mehrheit der Abstimmenden eine Arbeitnehmervertretung, hat der Arbeitgeber in Absprache mit den Arbeitnehmern die Wahl durchzuführen.

Art. 6 Wahlgrundsätze Die Arbeitnehmervertretung wird in allgemeiner, freier, direkter und geheimer Wahl bestellt.

Art. 7 Grosse 1 Die Grosse der Arbeitnehmervertretung wird durch den Arbeitgeber und die Arbeitnehmer gemeinsam festgelegt. Dabei ist der Grosse und der Struktur des Betriebs angemessen Rechnung zu tragen.

2 Die Vertretung besteht aus mindestens drei Personen.

Art. 8 Allgemeine Aufgaben Die Arbeitnehmervertretung nimmt gegenüber dem Arbeitgeber die gemeinsamen Interessen der Arbeitnehmer wahr. Sie informiert diese regelmässig über ihre Tätigkeit.

3. Abschnitt: Mitwirkungsrechte Art. 9

Informationsrecht

1

Die Arbeitnehmervertretung hat Anspruch auf rechtzeitige und umfassende Information über alle Angelegenheiten, deren Kenntnis Voraussetzung für eine ordnungsgemässe Erfüllung ihrer Aufgaben ist.

655

Information und Mitsprache der Arbeitnehmer in den Betrieben. BB 2

Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmervertretung regelmässig über den Geschäftsgang und über dessen Auswirkungen auf die Beschäftigung und die Beschäftigten zu informieren.

Art. 10 Mitspracherecht 1 Das Mitspracherecht umfasst den Anspruch auf Anhörung und Beratung, bevor der Arbeitgeber einen Entscheid trifft, sowie auf Begründung des Entscheids, wenn dieser den Einwänden der Arbeitnehmervertretung nicht oder nur teilweise Rechnung trägt.

2 Der Arbeitnehmervertretung steht in folgenden Angelegenheiten ein Anspruch auf Mitsprache zu: a. in Fragen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes im Sinne der Richtlinie Nr. 89/391; b. bei Kollektiventlassungen aus wirtschaftlichen Gründen im Sinne der Richtlinie Nr. 75/129; c. beim Übergang von Unternehmen im Sinne der Richtlinie Nr. 77/187.

3 Die Einzelheiten werden von der Spezialgesetzgebung festgelegt.

4. Abschnitt: Zusammenarbeit Art. 11 Grundsatz 1 Der Arbeitgeber und die Arbeitnehmervertretung arbeiten in betrieblichen Angelegenheiten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zusammen.

1 Er hat die Arbeitnehmervertretung in ihrer Tätigkeit zu unterstützen und ihr im notwendigen Umfang Räume, Hilfsmittel und administrative Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.

Art. 12 Schutz der Mitglieder der Aibeitnehmervertretung 1 Der Arbeitgeber darf die Mitglieder der Arbeitnehmervertretung in ihren Aufgaben nicht behindern.

2 Er darf Mitglieder der Arbeitnehmervertretung bei ordnungsgemässer Ausübung ihres Mandats sowie Beschäftigte, die sich zur Wahl in eine Arbeitnehmervertretung bewerben, nicht benachteiligen.

Art. 13 Mitwirkung während der Arbeitszeit 1 Die Arbeitnehmervertretung kann ihre Tätigkeit während der Arbeitszeit ausüben, soweit es nach Art und Grosse des Betriebs zur ordnungsgemässen Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

2 Sie hat dabei auf den Arbeitsablauf des Betriebs Rücksicht zu nehmen.

656

Information und Mitsprache der Arbeitnehmer in den Betrieben. BB

Art. 14 Verschwiegenheitspflicht 1 Die Mitglieder der Arbeitnehmervertretung sind über betriebliche Angelegenheiten, die ihnen in dieser Eigenschaft zur Kenntnis gelangen, zur Verschwiegenheit gegenüber betriebsfremden Personen verpflichtet, sofern diese nicht mit der Wahrung der Interessen der Arbeitnehmer betraut sind.

2 Der Arbeitgeber und die Mitglieder der Arbeitnehmervertretung sind zur Verschwiegenheit gegenüber allen Personen verpflichtet: a. in Angelegenheiten, bei denen dies vom Arbeitgeber oder von der Arbeitnehmervertretung aus berechtigtem Interesse ausdrücklich verlangt wird; b. in persönlichen Angelegenheiten einzelner Arbeitnehmer.

3 Die Pflicht zur Verschwiegenheit bleibt auch nach dem Ausscheiden aus der Arbeitnehmervertretung bestehen.

5. Abschnitt: Rechtspflege Art. 15 1 Über Streitigkeiten, die sich aus dem Beschluss oder einer vertraglichen Mitwirkungsordnung ergeben, entscheiden unter Vorbehalt vertraglicher Schlichtungs- und Schiedsstellen die für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zuständigen Instanzen.

2 Klageberechtigt sind ausser den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern deren Verbände, wobei für diese der Anspruch nur auf Feststellung geht.

3 Das Verfahren ist einfach, rasch und unentgeltlich. Der Sachverhalt wird von Amtes wegen festgestellt.

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 16 Änderung von Bundesgesetzen Das Beamtengesetz vom 30. Juni 1927 '> wird wie folgt geändert: Gliederungstitel vor Art. 63 Dritter Teil: Eidgenössisches Personalamt, Paritätische Kommission, Personalausschüsse, Mitwirkung nach EWR-Recht, verwaltungsärztlicher Dienst

» SR 172.221.10

657

Information und Mitsprache der Arbeitnehmer in den Betrieben. BB

lila. Abschnitt: Mitwirkung nach Massgabe des EWR-Rechts (neu) Art. 67a (neu) 1 Der Bundesrat regelt die Mitwirkung des Personals, die sich aus den folgenden Richtlinien ergibt: a. Richtlinie Nr. 89/391 des Rates vom 12. Juni 1989') über die Durchführung von Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit sowie aus der b. Richtlinie Nr. 77/187 des Rates vom 14. Februar 19772' Zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen.

2 Er bestimmt insbesondere, welche Organe diese Rechte ausüben, und regelt das Verfahren. Er kann diese Befugnisse nachgeordneten Amtsstellen übertragen.

Art. 17 Inkrafttreten 1 Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet.

2 Er untersteht aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen3) der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

5566

') EWRS ... / ABI. Nr. L 183 vom 29. 6. 1989, S. l ff.

> EWRS ... / ABI. Nr. L 61 vom 5. 3. 1977, S. 26 ff.

» AS ...

2

658

92.057-41

5.2 Bundesbeschluss über die Aenderung des Arbeitsgesetzes l

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Mit dem Inkrafttreten des Abkommens über den EWR wird die Schweiz auch den "acquis communautaire" im Bereich Gesundheitsvorsorge und Arbeitssicherheit übernehmen müssen (Art. 67 des Abkommens; Anhang XVIII; vgl. Ziff. 7.9.2 der Botschaft über das EWR-Abkommen). Der Acquis enthält 16 Richtlinien, die ihr schweizerisches Gegenstück in der Gesetzgebung über die Gesundheitsvorsorge (Arbeitsgesetz/ArG und die Verordnung m zum ArG) und die Arbeitssicherheit (BG über die Unfallversicherung/UVG und seine Verordnungen) haben. Diese Richtlinien sind nach ihrem spezifischen Inhalt in das eine und/oder andere Normensystem eingebaut worden. Vier Richtlinien betreffen die Gesundheitsvorsorge. Ihren materiellrechtlichen Anforderungen kann mit einer Revision der Verordnung 3 zum Aibeitsgesetz entsprochen werden. Da der Geltungsbereich unseres Arbeitsgesetzes weniger umfassend als jener der Richtlinien ist, bedarf es jedoch einer Ausdehnung des Geltungsbereichs dieses Gesetzes.

Die Ihnen unterbreitete Revision zum Arbeitsgesetz muss gleichzeitig mit dem EWRAbkommen in Kraft treten, denn dieses sieht für die Umsetzung dieser Richtlinien keine Uebergangsfristen für eine Anpassung unserer innerstaatlichen Gesetze zu einem späteren Zeitpunkt vor. Die Revision kann daher nicht dem Referendum unterstellt werden.

1.2

Konsultation

In Anbetracht der Tragweite dieses Revisionsvorhabens haben wir eine Vemehmlassung bei den Kantonen, den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen,

659

der Eidgenössischen Arbeitskommission durchgeführt. Zusammengefasst ergab die Vemehrnlassung : Die überwiegende Mehrheit der Kantone, sowie die Arbeitgeberorganisationen sind mit dem Revisionsvorschlag einverstanden. Die Gewerkschaften sind ebenfalls mit der Revision einverstanden; sie sind jedoch der Meinung, dass bestimmte Regelungen der Rahmenrichtlinie in das Arbeitsgesetz selber und nicht in die Verordnung aufgenommen werden sollten.

Ursprünglich war geplant, den Geltungsbereich der Vorschriften über die Gesundheitsvorsorge auch auf die Verwaltungen der Kantone und Gemeinden auszudehnen. Aufgrund der im Einvernehmen mit den Kantonen beschlossenen Regelung, bei der Uebemahme des EWR-Rechtes keine Aenderung der bestehenden Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen vorzunehmen, wurde jedoch von diesem Vorhaben Abstand genommen.

2

Besonderer Teil

2.1

Gemeinschaftsrecht

Folgende Richtlinien der Gemeinschaft berühren das Arbeitsgesetz: Die Richtlinie Nr. 89/391 des Rates vom 12. Juni 19891 über die Durchführung von Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (Rahmenrichtlinie); die Richtlinie Nr. 89/654 des Rates vom 30. November 19892 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz in Arbeitsstätten (erste Einzelrichtlinie) ;

-

l EWRS...; ABI. Nr. L 183 vom 29.6.1989, S. l 2

EWRS...; ABI. Nr. L 393 vom 30.12.1989, S. l

660

die Richtlinie 89/656 des Rates vom 30. November 19893 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (dritte Einzelrichtlinie);

-

die Richtlinie

Nr.

90/270 des Rates vom 29. Mai

19904

über die

Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (fünfte Einzelrichtlinie).

Die Rahmenrichtlinie weist einen sehr umfangreichen Geltungsbereich auf, da sie auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche Anwendung findet. Einige spezifische Tätigkeiten im öffentlichen Dienst bleiben als Ausnahmen bestehen. Die Einzelrichtlinien beziehen sich alle auf die Rahmenrichtlinie und übernehmen daher weitgehend deren Geltungsbereich, der aber je nach Zweck der Einzelrichtlinien eingeschränkt wird.

2.2

Das geltende Arbeitsgesetz

Auf den ersten Blick hat auch das in Kraft stehende Arbeitsgesetz einen relativ weiten Geltungsbereich; das Gesetz ist grundsätzlich auf alle öffentlichen und privaten Betriebe anwendbar: Ein Betrieb im Sinne des Arbeitsgesetzes liegt dann vor, wenn ein Arbeitgeber dauernd oder vorübergehend eine(n) oder mehrere Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen beschäftigt (Art. l, 2 und 3 ArG).

Die Artikel 2 - 4 sehen dann aber eine Reihe von Ausnahmen im betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich vor. Die Gründe für die Ausnahme sind einmal politischer Natur: Der Gesetzgeber wollte es den Gemeinwesen (Bundesverwaltung, Kantone und Gemeinden) überlassen, die Arbeitsbedingungen für ihre Bediensteten zu regeln; dann juristischer Art (Regelung durch internationale Abkommen, wie etwa für das fliegende Personal der vorwiegend im internationalen Luftverkehr tätigen Betriebe oder die Arbeitnehmer der Rheinschiffahrt oder Personen mit Diplomatenstatus); oder dann Motive rein praktischer Art: Berufe der Landwirschaft und der Fischerei, die

3 EWRS...; ABI. Nr. L 393 vom 30.12.1989, S. 18 4

EWRS...; ABI. L 156 vom 21.6.1990, s. 14

661

vom Wetter abhängig sind oder spezielle Rahmenbedingungen aufweisen (z.B.

Personen geistlichen Standes usw.). Diese Bestimmungen haben zur Folge, dass die ausgenommenen Betriebe und Personen nicht an die Vorschriften über die Arbeitszeit und die Gesundheitsvorsorge gebunden sind.

Da das Gemeinschaftsrecht bis anhin keine Regelung über die Arbeitszeit kennt, beschränkt

sich

die vorliegende

Revision

allein

auf

die

Ausdehnung des

Geltungsbereichs für die Bestimmungen über die Gesundheitsvorsorge (Art. 6 ArG und Verordnung 3).

2.3

Revisionsvorschlag

Um die bestehende Systematik des Arbeitsgesetzes respektieren zu können, musste ein neuer Artikel 3a geschaffen werden, der die Bestimmungen über die Gesundheitsvorsorge auch auf gewisse Betriebsarten und Arbeitnehmer anwendbar erklärt, die bis anhin nicht dem Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes unterstanden. Die Artikel 2 und 3 enthalten daher zugunsten der neuen Bestimmung einen Vorbehalt. Die übrigen Bestimmungen des Arbeitsgesetzes sind weiterhin nicht anwendbar auf die genannten Betriebsarten und Arbeitnehmer. Eine rein sprachliche Anpassung des Artikels 3, Buchstabe e betrifft nur den französischen Text.

Der betriebliche Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes umfasst im Hinblick auf die Vorschriften über den Gesundheitsschutz künftig auch die Verwaltungen des Bundes.

Ein Einbezug der Kantone und Gemeinden unter den Geltungsbereich dieser Vorschriften wäre an sich sinnvoll, da die wenigsten unter ihnen bereits über entsprechende Regelungen verfügen. Diese Lösung hätte ihnen eigene Gesetzgebungsarbeiten erspart und vor allem zu einheitlichen Regelungen geführt: Die Bedürfnisse der Arbeitnehmer im Bereich der Gesundheitsvorsorge werden nicht durch die öffentlich- oder privatrechtliche Natur des Beschäftigungsverhältnisses bestimmt, sondern vielmehr von der Art der ausgeübten Tätigkeit. Wie unter Ziffer 12 erläutert, haben wir jedoch von diesem Vorschlag, der im übrigen auch von den Kantonen begrüsst worden war, abgesehen. Wir haben allerdings vor, diese Vereinheitlichung in einem späteren Zeitpunkt im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren vorzunehmen.

Vorderhand werden jedoch die Kantone legiferieren müssen, damit die Anforderungen der eingangs aufgeführten EWR-Richtlinien erfüllt werden.

662

Der persönliche Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes wird ebenfalls ausgedehnt, indem die Vorschriften über die Gesundheitsvorsorge neu auch anwendbar sind auf Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit oder eine wissenschaftliche oder eine selbständige künstlerische Tätigkeit ausüben; weiter auf Assistenzärzte, Lehrer an Privatschulen sowie auf Lehrer, Fürsorger, Erzieher und Aufseher in Anstalten, Die Anwendung der genannten Bestimmungen auf diese Personen ist sinnvoll und wird allgemein begrüsst; sie wird im Vollzug keine Probleme bieten, da diese Personen in Betrieben arbeiten, in denen die übrigen Arbeitnehmer meistens bereits diesen Vorschriften unterstehen.

Wie aus dem oben Ausgeführten hervorgeht, wird die Anwendung der Vorschriften über die Gesundheitsvorsorge nicht auf alle Betriebe und alle Arbeitnehmer ausgedehnt, die gegenwärtig vom Geltungsbereich ausgenommen sind. Gewisse Ausnahmen im Arbeitsgesetz werden demnach weiterhin Bestand haben. Die weiterhin vom Arbeitsgesetz ausgenommenen Betriebe und Arbeitnehmer sind - was die Anforderungen der EG-Richtlinien über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz betrifft

- alle vom Unfallversicherungsgesetz

erfasst.

Dagegen

betreffen die

Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über die Gesundheitsvorsorge diese nicht, so dass ihr Einbezug in den Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes nicht gerechtfertigt erscheint.

Die Betriebe, die der Bundesgesetzgebung über die Seeschiffahrt unterstehen, sowie jene der Landwirtschaft, der gärtnerischen Pflanzenproduktion und der Fischerei (Art.

2 Abs. l Est. c-f ArG) sollten unseres Erachtens wegen ihrer besonderen Eigenheiten nicht in den Geltungsbereich der Vorschriften über die Gesundheitsvorsorge miteinbezogen werden.

Die Vorschriften über die Gesundheitsvorsorge sollen auch nicht anwendbar sein auf Personen, deren Arbeitsverhältnisse durch internationale Vereinbarungen geregelt sind (diplomatisches Personal, fliegendes Personal des internationalen Luftverkehrs und die Rheinschiffer; An. 3 Bst. b und c ArG); ebenso sollen Personen geistlichen Standes und andere Personen im Dienste der Kirchen oder anderer religiöser Gemeinschaften vom Geltungsbereich ausgenommen werden. Nicht vorgesehen ist die Anwendbarkeit der Vorschriften, die sich aus den Richtlinien ergeben, auf die Heimarbeitaehmer und die Handelsreisenden (Art. 3 Bst. f und g ArG), weil sich diese Vorschriften auf die Arbeitsbedingungen im "normalen" Betrieb beziehen.

663

Die Vorschriften des Arbeitsgesetzes über die Gesundheitsvorsorge sind sinngemäss anwendbar auf die dem Bundesgesetz über die Arbeit in Unternehmen des öffentlichen Verkehrs unterstellten Betriebe (Arbeitszeitgesetz vom S.Okt. 1971/20. März 1981, SR 822.21).

664

Buiidesbeschluss über die Änderung des Arbeitsgesetzes

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992 '', beschliesst:

I Das Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz)2) wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung) in Ausführung der Artikel 67 und 68 des Abkommens vom 2. Mai 1992 V über den Europäischen Wirtschaftsraum, seines Protokolls 31 und seines Anhanges XVIII, der sich auf folgende Richtlinien bezieht: - Richtlinie Nr. 89/391 des Rates vom 12. Juni 19894> über die Durchführung von Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, - Richtlinie Nr. 89/654 des Rates vom 30. November 19895) über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz in Arbeitsstätten (Erste Einzelrichtlinie), - Richtlinie Nr. 89/656 des Rates vom 30. November 19896) über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Dritte Einzelrichtlinie), - Richtlinie Nr. 90/270 des Rates vom 29. Mai 19907) über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (Fünfte Einzelrichtlinie), " BB1 1992 V 659

-> J > ·»!

> «>T >

S R 822.11 AS 1993 ...

EWRS...; ABI. Nr.

EWRS...; ABI. Nr.

EWRS...: ABI. Nr.

EWRS...: ABI. Nr.

L 183 vom L 393 vom L 393 vom L 156 vom

24 Bundesblau 143.Jahrgang. Bd.v

29.6. 1989, S. l 30. 12. 1989. S. l 30. 12. 1989 S. 18 21.6. 1990, S. 14 665

Änderung des Arbeitsgesetzes. BB

Art, 2 Abs. l Einleitungssatz Das Gesetz ist, unter Vorbehalt von Artikel 3a, nicht anwendbar: Art. 3 Einleitungssatz Bst. e Das Gesetz ist, unter Vorbehalt von Artikel 3a, ferner nicht anwendbar: e. Betrifft nur den französischen Text

Vorschriften über die Gesundheitgvorsorge

Art. 3a (neu) Die Vorschriften des Gesetzes über die Gesundheitsvorsorge sind anwendbar: a. auf die Verwaltung des Bundes ; b. auf Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit oder eine wissenschaftliche oder selbständige künstlerische Tätigkeit ausüben; c. auf Assistenzärzte, Lehrer an Privatschulen sowie auf Lehrer, Fürsorger und Aufseher in Anstalten.

II 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet.

Er unterliegt aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen ^ der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

2

5566

'> AS ...

666

92.057-42

5.3 Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih

l

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangstage

1.1.1

Das geltende Arbeitsvermittlungsgesetz vom 6. Oktober 1989

Das Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (AVG; SR 823.11), in Kraft seit 1. Juli 1991, regelt die private und die öffentliche Arbeitsvermittlung sowie den Personalverleih, Es stellt die regelmässige und entgeltliche Arbeitsvermittlung sowie den gewerbsmässigen Personalverleih unter eine staatliche BewilligungspfTicht. Geregelt wird auch das Verhältnis zum Ausland: das Gesetz enthält Vorschriften betreffend die grenzüberschreitende Vermittlungs- und Verleihtätigkeit sowie betreffend Vermittlung und Verleih von ausländischen Arbeitskräften in der Schweiz, In diesen Bereichen geht es von einer erhöhten Schutzbedürftigkeit der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus, weshalb nicht nur die kantonalen, sondern auch die Bundesbehörden Kontrollaufgaben wahrnehmen (vgl. Ausführungen in Kap. 7, Ziff. 7.3.2, Est. b der Botschaft zum EWR-Abkommen).

1.1.2

Der Acquis communautaire

Für den Dienstleistungsverkehr innerhalb der Vertragsstaaten legen die Artikel 36-39 des EWR-Abkommens den Grundsatz des freien Austausches fest. Dieser Grundsatz räumt den Bürgerinnen und Bürgern von EWR-Staaten sowie den Gesellschaften (i. S.

von Art, 34 des EWR-Abkommens), die ihren Sitz in einem EWR-Staat haben, das Recht ein, ihre Dienstleistungen grenzüberschreitend (ohne Verlegung des Sitzes und

667

ohne Gründung von Geschäftsniederlassungen) in einem anderen EWR-Vertragsstaat unter den gleichen Voraussetzungen wie die Angehörigen des Aufnahmelandes zu erbringen. Einschränkungen sind nur aus Gründen des Allgemeininteresses zulässig.

Sowohl die Arbeitsvermittlung als auch der Personalverleih sind Dienstleistungen im Sinne von Artikel 37 des EWR-Abkommens.

Die Bestimmungen des EWR-Abkommens über die Dienstleistungsfreiheit werden im Bereich der Arbeitsvermittlung und des Personalverleihs seitens der EG zur Zeit weder durch eine Verordnung noch durch eine Richtlinie näher konkretisiert. Wichtige Hinweise zur Vertragsauslegung liefern jedoch die Regelungen des Allgemeinen Programms des Rates vom 18. Dezember 1961 zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs (ABI. der EG vom 15. Jan. 1962) und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Arbeitnehmerüberlassung.

Zum relevanten Acquis communautaire gehören für das AVG auch die Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (Art. 28 des EWR-Abkommens; Verordnung EWG Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Okt. 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft) und die Bestimmung von Artikel 31 des EWR-Abkommens, welche den Grundsatz des Rechts auf freie Niederlassung für Selbständigerwerbstätige festhält.

1.2

Auswirkungen des Acquis Arbeitsvermittlungsgesetz

1.2.1

Der freie Dienstleistungsverkehr

communautaire

auf

das

Die vorliegende Revision ist insbesondere bedingt durch die Liberalisierung, die der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Europäischen Wirtschaftsraum anstrebt, Gemäss heute geltendem Recht kann ein ausländischer Vermittlungsbetrieb Arbeitskräfte nur in die Schweiz vermitteln, wenn er dafür keine Bewilligung braucht, das heisst, wenn er nicht regelmässig und gegen Entgelt tätig ist.

Will er dagegen regelmässig und entgeltlich Arbeitskräfte in die Schweiz vermitteln, so muss der Betrieb mit Sitz im Ausland mit einer bewilligten inländischen Agentur zusammenarbeiten oder eine schweizerische Niederlassung gründen. Weiter gehen die

668

Beschränkungen im Bereich des Personalverleihs vom Ausland in die Schweiz. Er ist sofern gewerbsmässig betrieben - aus arbeitsmarküichen Gründen nicht zulässig.

Gleich wie bei der Arbeitsvermittlung ist jedoch auch beim Personalverleih die nicht bewilligungspflichtige (d. h. nicht gewerbsmässige) grenzüberschreitende Tätigkeit bereits heute möglich. Diese Auflagen gegenüber ausländischen Anbietern der entsprechenden

Dienstleistungen

sind

mit

den

Grundsätzen

des

freien

Dienstleistungsverkehrs gemäss Artikel 37 des EWR-Abkommens nicht vereinbar, weshalb sie gegenüber Anbietern aus dem EWR revidiert werden müssen.

Das Prinzip des freien Dienstleistungsverkehrs gilt jedoch nicht schrankenlos.

Beschränkungen dieses Prinzips sind zulässig, sofern sie zwei Voraussetzungen erfüllen. Einerseits müssen sie durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sein, anderseits müssen sie für sämtliche Personen und Unternehmungen verbindlich sein, die diese Dienstleistung im Hoheitsgebiet des die Beschränkungen verfügenden Staates erbringen (dies ergibt sich aus dem grundlegenden Prinzip der Nichtdiskriminierung)1.

Das Allgemeininteresse gebietet, die Ziele des AVG auch gegenüber ausländischen Vermittlern und Verleihern zum Tragen zu bringen (gemäss Art. l bezweckt das AVG unter anderem den "Schutz der Arbeitnehmer, welche die private oder öffentliche Arbeitsvermittlung oder den Personalverleih in Anspruch nehmen").

Vermittler und Personalverleiher mit Sitz im EWR können somit inskünftig ihre Leistung in der Schweiz unter den gleichen Bedingungen erbringen wie Inländer: mit einer eidgenössischen Bewilligung, die ihnen unter den gleichen Voraussetzungen zu erteilen ist wie den Inländern. Eine Ueberprüfung der Bewilligungsvoraussetzungen durch die schweizerische Behörde ist jedoch nur insoweit zulässig, als diese Abklärungen nicht schon im Herkunftsstaat des Dienstleistungserbringers vorgenommen worden sind; denn eine wiederholte Überprüfung derselben Bewilligungsvoraussetzungen könnte wiederum eine diskriminierende Behandlung darstellen.

1

EuGH, Urteil vom 17. Dezember 1981, Rechtssache 279/80, Slg. 1981, S. 3305

669

1.2.2

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und das Recht auf freie Niederlassung der Selbständigerwerbstätigen

Gemäss geltendem Recht darf ein Verleiher nur ausländische Arbeitskräfte anstellen, soweit sie zur Erwerbstätigkeit und zum Stellen- und Berufswechsel berechtigt sind.

Mit dieser Bestimmung wird den meisten neu einreisenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus EWR-Staaten in mit dem Acquis communautaire unvereinbarer Weise der Zugang zu einer Beschäftigung als Leiharbeitnehmer verwehrt. Das AVG setzt mit dieser Bestimmung jedoch kein materielles Recht, sondern es verweist mit dem Hinweis auf die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit auf das Ausländerrecht. Durch die Revision des Ausländerrechts, die durch den Grundsatz des freien Personenverkehrs bedingt ist, werden sich die erforderlichen Liberalisierungen auch im Bereich von Arbeitsvermittlung und Personalverleih ergeben. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass diese Liberalisierung erst nach Ablauf der Uebergangsfristen, die für die Revision des Ausländerrechts zugestanden wurden, stattfinden wird. Bis dann wird Artikel 9 der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer weiterhin angewendet werden können, so dass die Einhaltung der orts- und berufsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen sichergestelt ist.

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft beinhaltet, bezogen auf das AVG, auch den Anspruch EWR-angehöriger Arbeitskräfte auf die Vermittlungs- und Beratungsdienste der öffentlichen Arbeitsvermittlung (Art. 5 der Verordnung 1612/68 EWG). Das geltende Recht knüpft diese Leistungen noch an die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit und zum Berufs- und Stellenwechsel der Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz. Diese Verknüpfung muss aufgegeben werden.

Die Leiterfunktion in einem schweizerischen Vermittlungs- oder Verleihbetrieb ist zur Zeit Schweizer Bürgerinnen und Bürgern oder ausländischen Staatsangehörigen mit einer Niederlassungsbewilligung vorbehalten. Auch diese Regelung ist unter dem Aspekt der Niederlassungsfreiheit Selbständigerwerbstätiger und - im Fall der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Gehaltverhältnis - unter dem Gesichtspunkt des freien Personenverkehrs zu eng gefasst und muss revidiert werden.

670

1.2.3

Zur "Europaverträglichkeit" des AVG

Die vorstehende Auflistung der Punkte, in welchen das AVG mit dem Acquis communautaire noch nicht vereinbar ist, darf nicht zum Schluss verleiten, es habe im EWR an sich keine Daseinsberechtigung mehr. Das Gegenteil ist der Fall. Wohl muss das AVG bezüglich der grenzüberschreitenden Erbringung der entsprechenden Dienstleistungen an neue Rahmenbedingungen angepasst werden. Ein einheitliches, gesamteuropäisches Vermitüungs- oder Verleihrecht aber gibt es nicht und wird es mittelfristig auch nicht geben (zu diesem Schluss kommt auch die nachstehend in Ziff.

4.1. zitierte Untersuchung von EG-Kommission und BIT). Damit stellt das AVG eine mögliche neben verschiedenen anderen Lösungen dar. Indem es der privaten Vermittlungs- und Verleihtätigkeit den Vorrang einräumt, zugleich aber auch eine leistungsfähige öffentliche Arbeitsvermittlung vorsieht, zeigt es ein Modell der Verknüpfung des privaten Sektors mit dem öffentlichen Bereich auf, das in letzter Zeit im angrenzenden Ausland zunehmend Beachtung findet. Einerseits wird ein Expertengremium des Europarates in den kommenden Jahren die Frage des Verhältnisses der öffentlichen zur privaten Arbeitsvermittlung untersuchen. Anderseits hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 23. April 1991 (Rechtssache C41/90) das staatliche Vermittlungsmonopol Deutschlands für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar erklärt, so dass eine Ueberprüfung der geltenden Ordnung in Deutschland unerlässlich geworden ist.

1.3

Die Regelung der Arbeitsvermittlung und des Personalverleihs in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft

1.3.1

Die Arbeitsvermittlung

In neun EG-Staaten stützt sich die gesetzliche Regelung der Arbeitsvermittlung auf das Uebereinkommen (No. 96) der Internationalen Arbeitsorganisation über Büros für entgeltliche Arbeitsvermittlung vom 1. Juli 1949, das am 18. Juli 1951 in Kraft getreten ist (die Schweiz ist ihm nicht beigetreten, vgl. BB1. 1950 860 f.) Das Uebereinkommen lässt den Mitgliedstaaten die Wahl zwischen zwei Regelungsmöglichkeiten: Entweder schrittweise Aufhebung der gewerbsmässigen Arbeitsvermittlungsbüros bei gleichzeitiger Einrichtung einer öffentlichen Arbeitsvermittlungsinstitution, verbunden mit einer Reglementierung der nicht

671

gewinnorientierten Vermittlungsbetriebe, oder aber gesetzliche Reglementierung der gesamten privaten Vermittlungstätigkeit.

Aufgrund dieses Uebereinkommens unterliegt die Arbeitsvermittlung heute in den meisten EG-Ländern einem staatlichen Monopol. Das Uebereinkommen wird allerdings unterschiedlich strikt angewendet, so dass das staatliche VermittlungsMonopol in der Regel nicht absolut ausgestaltet ist. Die Arbeitsverwaltungen können aufgrund der staatlichen Gesetzgebung private Vermittlungsstellen mit der Vermittlung in Teilbereichen beauftragen (z. B. in der Künstlervermittlung) (vgl. den von der EGKommission und dem Bureau International du Travail in Genf ausgearbeiteten Bericht "L'intervention des firmes privées dans le fonctionnement des marchés du travail dans les douze pays de la CEE", 1991, S. 65 ff.).

Drei EG-Staaten haben die Konvention nicht ratifiziert: Grossbritannien (das die private Vermittlung mit einer amtlichen Lizenz ermöglicht), Dänemark (wo die private Arbeitsvermittlung ebenfalls mit einer Bewilligung zulässig ist) und Griechenland (wo die private Vermittlung an sich verboten ist, jedoch zahlreiche Firmen illegal tätig sind).

In Ansätzen gibt es innerhalb der EG-Staaten eine grenzüberschreitende öffentliche Arbeitsvermittlung. Im Rahmen des SEDOC-Systems sollen offene Stellen, die nicht durch die örtliche Arbeitsvermittlung besetzt werden können, und arbeitsuchende Bewerberinnen und Bewerber EG-weit gemeldet werden. Die Resonanz ist aber bisher gering. Ein Anschluss der EFTA-Staaten an dieses SEDOC-System ist deshalb vorderhand nicht vorgesehen.

1.3,2

Der Personalverleih

Die Frage der Zulässigkeit des Verleihs von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist nicht gemeinschaftsrechtlich gelöst worden, sondern wird von den einzelnen EGMitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. In einigen südeuropäischen Staaten ist der Verleih völlig verboten (Griechenland, Italien und Spanien). Bewilligungspflichtig, aber keinen besonderen Einschränkungen unterworfen ist er in Irland, Luxemburg, Portugal, Grossbritannien und Dänemark. Unter besonderen Voraussetzungen erlaubt ist das Erbringen dieser Dienstleistung in Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden, In Deutschland gilt ein Verbot des Verleihs im Baugewerbe, während in

672

den Niederlanden der Verleih grundsätzlich nur in bestimmte Berufssparten erfolgen darf. Hinzu kommen teilweise zeitliche Begrenzungen für den Einsatz in einem Einsatzbetrieb, die zwischen drei und 24 Monaten liegen. Dies bedeutet, dass die Leiharbeimehmerin oder der Leiharbeitnehmer nur für eine bestimmte Zeit in einem anderen Betrieb als in demjenigen des Arbeitgebers selbst beschäftigt werden darf.

Der grenzüberschreitende Verleih ist in Belgien, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Irland, Luxemburg und Grossbritannien zulassig. Deutschland stellt ausländische Verleihunternehmungen mit Sitz in einem EG-Staat, die über die Grenze verleihen wollen, unter Erlaubnispflicht. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Fragen des grenzüberschreitenden Verleihs lässt sich der Schluss ziehen, dass mit einer vollständigen Liberalisierung dieser Dienstleistung auch im Binnenmarkt nach 1992 nicht zu rechnen ist. Gemäss Urteil vom 17. Dezember 1981 - Rechtssache 279/80 - lässt der freie Dienstleistungsverkehr nationale Beschränkungen des Verleihs von Arbeitskräften im Interesse des Arbeitsmarktschutzes zu.

1.3.3

Grenzüberschreitendes Reziprozität

Erbringen

der

Dienstleistungen;

Angesichts der unterschiedlichen Regelungen von Arbeitsvermittlung und Personalverleih in den einzelnen EG-Staaten stellt sich beim grenzüberschreitenden Erbringen dieser Dienstleistung die Frage nach der Reziprozität. Die im EWRAbkommen verankerten Grundfreiheiten verbieten es den Vertragsstaaten, Angehörige aus anderen Vertragsstaaten aufgrund ihrer Nationalität zu diskriminieren. In- und ausländische Personen, die im gleichen Staat dieselbe Dienstleistung anbieten, müssen daher gleich behandelt werden, unabhängig davon, welche Ordnung für den ausländischen Anbieter in dessen Herkunftsstaat gilt.

Auch wenn also die Schweiz ausländischen Vermittlern und Verleihern künftig (in den Grenzen, die auch für Schweizer gelten) Zugang zum schweizerischen Markt gewährt, ist bis auf weiteres doch noch nicht sichergestellt, dass schweizerischen Unternehmungen auch der Zugang zu den Märkten der anderen EWR-Staaten gewährt wird. Der Grundsatz der inländergleichen Behandlung (d. h. der Nichtdiskriminierung) kommt voll zum Zug, der Grundsatz der Reziprozität dagegen im Moment noch nicht.

Mehrere EWR-Staaten mit Vermittlungsmonopol haben allerdings verlauten lassen, dass sie eine Liberalisierung der privaten Arbeitsvermittlung anstreben. Auch im

673

Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) wird zur Zeit eine Revision des Uebereinkommens Nr. 96 vorbereitet, die unter anderem die Aufhebung der staatlichen Vermittlungsmonopole bringen soll. Das Reziprozitätsproblem dürfte sich somit in absehbarer Zeit entschärfen.

1.4

1.4.1

Richtlinienvorschläge und Rechtsgebiete in der EG

Vorschläge

für

Entwicklung

Mindestnormen

in

der

entsprechenden

bezug

atypischen Arbeitsvertragsverhältnisse Wettbewerbsverzerrungen und Arbeitsbedingungen

auf

die

hinsichtlich

Die atypischen Arbeitsverträge (insbesondere befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeitarbeit, Leiharbeit und Saisonarbeit) spielen in der Arbeitswelt eine zunehmend grössere Rolle. Da sie in den einzelnen Mitgliedstaaten jedoch unterschiedlich geregelt sind, verursachen sie insbesondere bei grenzüberschreitenden Arbeiten erhebliche Probleme. Die EG-Kommission hat deshalb schon seit Jahren versucht, auf diesen Gebieten einheitliche Mindestnormen zu schaffen. 1990 hat sie ein Paket von Richtlinienvorschlägen vorgelegt, mit dem unter anderem der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche Normen in diesen Bereichen begegnet werden sollte. Drei Richtlinien sollten zusammen ein Mindestmass an Kohärenz zwischen den sehr unterschiedlichen Formen von Arbeitsverhältnissen gewährleisten, die sich neben dem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis entwickelt haben. Von den drei Richtlinien konnte inzwischen diejenige, welche die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von Zeitarbeitnehmern verbessert, vom Rat verabschiedet werden (vgl. Ausführungen zu Art. 19 im besonderen Teil). Ueber die beiden andern, welche die Arbeitsbedingungen regeln und Wettbewerbsverzerrungen beseitigen sollen, konnte dagegen noch kein Einvernehmen erzielt werden.

Den vorgeschlagenen Massnahmen zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen (Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für bestimmte Arbeitsverhältnisse im Hinblick auf Wettbewerbsverzerrungen und Aenderung des Vorschlages, KÖM (90) 280 SYN, Abi.

Nr. C224 vom 8. Sept. 1990 und Abi. Nr. C 305/8 vom 5. Dezember 1990) liegt die Erkenntnis zugrunde, dass ungleiche Wettbewerbschancen entstehen, wenn Vollzeitund Teilzeitarbeitnehmer hinsichtlich Löhnen und Sozialschutz unterschiedlich

674

behandelt werden. Die Mitgliedstaaten sollen deshalb unter anderem Massnahmen treffen, mit denen sichergestellt wird, "dass mit der Herstellung eines Zeitarbeitsverhältnisses nicht der Zweck verfolgt werden darf, dieses an die Stelle eines bestehenden, auf Dauer angelegten Arbeitsplatzes treten zu lassen". Das AVG setzt der Anstellung einer Arbeitskraft im Leinarbeitsverhältnis keine Schranken. Falls dieser Vorschlag im Rahmen des Acquis communautaire zum Tragen käme, müsste das AVG entsprechend angepasst werden (z. B. durch eine zeitliche Begrenzung eines Verleiheinsatzes, Begründungspflicht etc.) Es wäre im gegebenen Zeitpunkt zu prüfen, ob die Stossrichtung dieses Richtlinienvorschlags mit der schweizerischen, eher liberaleren Wirtschafts- und ArbeitsmarktpolitLk vereinbar wäre.

Der Vorschlag der Kommission bezüglich einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für bestimmte Arbeitsverhältnisse im Hinblick auf Arbeitsbedingungen (KÖM (90) 533 endg. SYN 280, ABI. Nr. C224 vom 8. Sept. 1990) beinhaltet weitgehend Massnahmen, die im schweizerischen Recht bereits verwirklicht sind. Neu wäre allerdings die Vorschrift, dass Arbeitgeber im Zeitarbeitsvertrag den Grund für die Inanspruchnahme dieser Art von Arbeitsverhältnis angeben müssen. Damit soll ein angemessener Schutz der festen Beschäftigungsverhältnisse sichergestellt werden. Würde dieser Vorschlag Teil des Acquis communautaire, so wäre eine Anpassung des OR zu prüfen.

Die private Arbeitsvermittlung und der Personalverleih haben in den einzelnen Staaten der EG eine sehr unterschiedliche Ausgestaltung erfahren (vgl. Uebersicht Ziff. 4).

Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Materie, die in den beiden noch nicht verabschiedeten Richtlinienvorschlägen geregelt werden sollte, in absehbarer Zeit nicht konsensfähig sein wird.

1.4.2

Vorschlag zur Regelung der anwendbaren Arbeitsbedingungen auf Arbeitsverträge entsandter Arbeitnehmer

Ein weiterer Richtlinienvorschlag (Vorschlag vom 1. Aug. 1991 für eine Richtlinie des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von DiensÜeistungen; KÖM (91) 230 endg. - SYN 346, Abi. Nr. C225 vom 30. August 1991) setzt sich mit den auf die Arbeitsverträge entsandter Arbeitskräfte anwendbaren Arbeitsbedingungen auseinander (als entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten sowohl die Arbeitskräfte eines ausländischen Verleihbetriebs als auch diejenigen

675

eines ausländischen Unternehmens, die eine Leistung aufgrund eines Werkvertrags erbringen). Grundsätzlich regelt jeder Staat das auf internationale Verträge anwendbare Recht durch eigene Kollisionsnormen (in der Schweiz ist es das BG vom 18. Dez.

1987 über das internationale Privatrecht, IPRG, SR 291). Die Kriterien für die Entscheidung, welches Recht auf den Arbeitsvertrag entsandter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzuwenden ist, können deshalb von einem Staat zum anderen unterschiedlich sein. Die vorgeschlagene Richtlinie soll nun speziell für die Arbeitsverträge entsandter Arbeitskräfte einheitliche Kollisionsnormen festlegen. Nach diesem Vorschlag untersteht die entsandte Arbeitnehmerin bzw. der entsandte Arbeitnehmer, sofern der Einsatz länger als drei Monate dauert, grundsätzlich den zwingenden Arbeitsbedingungen des Staates, in dem sie/er die Leistung erbringt.

1.5

Ergebnisse des Vorverfahrens

Im Rahmen eines abgekürzten Vernehmlassungsverfahrens wurden acht Bundesstellen, die Kantone sowie die interessierten Organisationen und Verbände zur Stellungnahme eingeladen.

Die Kantone stimmten der vorgschlagenen Neuregelung im wesentlichen zu. Die insbesondere von dieser Seite her eingebrachten materiellen Anregungen zum Vollzug, können erst in die Ueberarbeitung der Ausführungsbestimmungen miteinbezogen werden.

Bei den Branchenverbänden und Organisationen sowie bei einzelnen Kantonen gaben im Zusammenhang mit der vorliegenden Revision vor allem zwei Punkte Anlass zu Diskussionen:

Die Arbeitnehmerorganisationen (Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände und Landesverband freier Schweizer Arbeitnehmer) und einzelne Kantone wiesen mit Nachdruck darauf hin, dass durch die Umsetzung der EG-Normen Lücken im Sozialschutz der vom Ausland in die Schweiz verliehenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entstehen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund beantragte deshalb eine grundlegende Ueberarbeitung der Vorlage in diesem Sinne oder aber deren Rückzug.

676

Der Bundesrat ist bereit, gewisse kompensatorische Massnahmen im Bereich des sozialen Schutzes der Arbeitskräfte zu prüfen. Gemäss den revidierten Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung können jedoch im Rahmen dieses allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses, der unter Ausschluss des Referendums erfolgt, nur die auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWR-Abkommens absolut notwendigen Aenderungen des Bundesrechts vorgenommen werden. Kompensatorische Massnahmen sind daher grundsätzlich im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zu erlassen (vgl. Kap. 3, Ziff. 3.3. zu den Auswirkungen der Revision). Eine Umsetzung des Richtlinienvorschlags Arbeitsbedingungen

auf

der EG-Kommission zur Regelung der anwendbaren Arbeitsverträge

entsandter

Arbeitnehmerinnen

und

Arbeitnehmer fallt, da sie nicht Teil des Acquis bildet, zum jetztigen Zeitpunkt nicht in Betracht.

Die Branchenverbände (Schweizerischer Verband der Unternehmungen für temporäre Arbeit, SVUTA; Verband der Personalberatungsuntemehmen der Schweiz, VPS; Interessengemeinschaft Schweizerischer Impresarios, ISI und Verband der Künstlerund Konzert-Agenten in der Schweiz), sowie der Gewerbeverband begrüssen grundsätzlich die Oeffnung gegenüber Europa. Sie zeigten sich jedoch besorgt über den Umstand, dass infolge der unterschiedlichen rechtlichen Regelungen von Vermittlung und Verleih innerhalb der EWR-Staaten die Reziprozität noch nicht gewährleistet ist.

Die Liberalisierung im Rahmen des EWR im Bereich des freien Personenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs ergibt sich insbesondere aus dem Prinzip der Nichtdiskriminierung von EWR-Staatsangehörigen aufgrund ihrer Nationalität.

Entsprechend dürfen auch aus dem Reziprozitätsgedanken keine Ungleichbehandlungen von Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten gegenüber Inländern abgeleitet werden. Der Bundesrat hat jedoch, um das Problem der mangelnden Gegenseitigkeit weitgehend aufzufangen, die betrieblichen BewiHigungsvoraussetzungen für Verleih- und Vermittlungsbetriebe präzisiert. Der für die Bewilligung erforderliche Handelsregistereintrag am Ort des Sitzes soll Angaben über die Vermittlungs- oder Verleihtatigkeit enthalten. Damit wird ausgeschlossen, dass Anbieter, in deren Herkunftsstaat die private Vermittlung oder der Personalverleih nicht zugelassen sind, eine Bewilligung erhalten können. Der Vorschlag des Kantons Freiburg, aufgrund von bilateralen Abkommen nur Dienstleistungserbringern aus EWR-Staaten, welche die Reziprozität gewähren, Bewilligungen zu erteilen, ist mit dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz nicht vereinbar.

677

Seitens der Branchenverbände wurde bemängelt, es stelle eine Benachteiligung der inländischen Firmen dar, dass diese für die Ausübung einer grenzüberschreitenden Tätigkeit zwei Bewilligungen einholen müssten, während für ausländische Anbieter eine Bewilligung zur Auslandvermittlung des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit genüge. Diesem Einwand hat der Bundesrat Rechnung getragen, indem inskünftig auch inländische Firmen, die ausschliesslich Auslandvermittlung- bzw.

Auslandverleih betreiben wollen, nur noch eine BIGA-Bewilligung benötigen.

SVUTA und VPS verlangten die Streichung von Artikel 21 AVG. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gemäss EWR-Abkommen verlangt, dass Staatsangehörige von Vertragsstaaten im Verleih zugelassen werden. Artikel 21 AVG steht dem nicht entgegen, da diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer künftig nach Ablauf der Übergangsfristen grundsätzlich zur Erwerbstitigkeit sowie zum Stellen- und Berufswechsel berechtigt sein werden. Die Tragweite dieses Artikels verändert sich in bezug auf diese Arbeitskräfte mit den Regelungen im Ausländerrecht (vgl. die einleitenden Ausführungen zu den Auswirkungen des Acquis communataire auf das AVG in Kap. l, Ziff. 1.1. Est. c). Der Verleih von Ausländerinnen und Ausländern aus dem 2. und 3. Kreis soll dagegen unter dem Aspekt einer qualitativen Pflege des Arbeitsmarktes weiterhin nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich sein. Artikel 21 muss deshalb beibehalten werden.

Der VPS forderte in seiner Vemehmlassung eine Bestimmung im Gesetz, die ausländische Vermittler zur Einhaltung der Provisionssätze gemäss AVG verpflichtet.

Auch eine solche Regelung kann nur auf dem Weg der ordentlichen Gesetzgebung erlassen werden, da sie sich nicht notwendigerweise aus der Umsetzung des EG-Rechts ergibt. Die Provisionshöchstsätze gegenüber Stellensuchenden stellen zentrale Schutzbestimmungen des AVG dar. Eine explizite gesetzliche Verpflichtung ausländischer Vermittler zu deren Einhaltung ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen und wird deshalb im Rahmen eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen sein.

678

2

Besonderer Teil: Die einzelnen Bestimmungen

2.1

Die private Arbeitsvermittlung

Artikel 2 , 2bis, aterBewilligungspflicht, Inlandvermittlung, Auslandvermittlung

Die Bestimmung über die Bewilligungspflicht umfasst neu auch den Vermittler mit Sitz im EWR-Raum. Artikel 2 wird deshalb ergänzt und zugleich zur Verbesserung der Verständlichkeit neu gegliedert. Die bisherige Definition der bewilligungspflichtigen Vermittlungstätigkeit wird unverändert übernommen.

Die Vermittlungsleistung von einem ausländischen Sitz aus ist als Auslandvermittlung zu qualifizieren. Entsprechend stellt der neue Artikel 2ter Absatz l klar, dass als Auslandvermittlung jede die Schweizer Grenze überschreitende Vermittlungstätigkeit

gut.

Das Prinzip zweier Bewilligungen (kantonale für Inlandvermittlung, BIGA-Bewilligung für Auslandvermittlung) wird beibehalten. Vermittler mit Sitz in einem EWR-Staat benötigen für ihre grenzüberschreitende Tätigkeit nur eine BIGA-Bewilligung. Um eine Benachteiligung inländischer Anbieter zu vermeiden und gleichzeitig den Vollzug zu vereinfachen, benötigen neu auch inländische Vermittlungsfirmen, die ausschliesslich Auslandvermittlung betreiben, nur noch eine Bewilligung des BIGA.

Gegenüber Vermittlern aus Staaten ausserhalb des EWR wird das bisherige Prinzip beibehalten: Die Direktvermittlung in die Schweiz ist weiterhin nur im nicht bewilligungspflichtigen Umfang möglich. Die Firmen, die ihren Sitz ausserhalb des EWR haben, sind weiterhin gehalten, mit einem inländischen oder einem Vermittler in einem EWR-Staat zusammenzuarbeiten oder in der Schweiz oder in einem andern EWR-Staat eine Niederlassung zu gründen. Der entsprechende Schluss ergibt sich aus den Bewilligungsvoraussetzungen gemäss Artikel 3, der für den Bewilligungsträger den Firmensitz in einem Vertragsstaat voraussetzt. Vermittler aus Staaten ausserhalb des EWR können die Schranke nicht dadurch umgehen, dass sie in einem EWR-Staat einen Briefkastensitz gründen. Briefkastenfirmen können sich nicht auf den freien Dienstleistungsverkehr berufen (so Abschnitt l des Allgemeinen Programms zur

679

Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs; zum gleichen Schluss führt auch Art. 3 Abs. l Est. e AVG).

Artikel 3

Voraussetzungen

Die bisherigen Voraussetzungen gemäss Artikel 3 werden mit einer Ausnahme beibehalten: Der Kreis möglicher verantwortlicher Personen wird nicht mehr beschränkt.

Die betrieblichen Voraussetzungen

Durch die Voraussetzung, einen Handelsregisterauszug beizubringen, der einen Sitz im EWR nachweist, werden Dienstleistungserbringer aus Drittstaaten als Bewilligungsträger weiterhin ausgeschlossen. Der Beschluss präzisiert zudem, dass der Registereintrag Angaben über die Vermittlungstätigkeit enthalten muss. Gesuchsteller, deren Herkunftsstaaten das Erbringen dieser Dienstleistung verbieten, können diese Tätigkeit nicht eintragen lassen und kommen daher als Bewilligungsträger ebenfalls nicht in Frage.

Die persönlichen Voraussetzungen

Die bisherigen Beschränkungen im Zusammenhang mit den verantwortlichen Personen gemäss Absatz 2 Buchstabe a können in dieser Form nicht beibehalten werden. Das AVG verlangte bisher, dass die verantwortliche Leitung von einer Schweizer Bürgerin oder

einem

Schweizer

Staatsangehörigkeit Kriterium

sollte

Bürger

oder

aber

von

einer

Person

ausländischer

mit Niederlassungsbewilligung ausgeübt wurde. Mit diesem die

Vertrautheit

der

verantwortlichen

Personen

mit

den

schweizerischen Verhältnissen, insbesondere mit dem schweizerischen Arbeitsmarkt und dem schweizerischen Ausländerrecht, gewährleistet werden. Im Rahmen der Freizügigkeit des Personen- und des Dienstleistungsverkehrs sind jedoch solche Schranken nicht mehr zulässig. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem EWR können gleich wie Inländerinnen und Inländer eine Leiterfunktion in einem Vermittlungsbüro ausüben, sofern sie über die nötigen Fachkenntnisse verfügen.

680

Eine in einem Vertragsstaat ansässige Vermittlungsfirma mit einer Person aus dem Drittausland in der verantwortlichen Leitung kann aufgrund deren Staatsangehörigkeit nicht daran gehindert werden, ihre Leistung in der Schweiz zu erbringen. Dies würde eine diskriminierende darstellen2.

Belastung

des

ausländischen

Dienstleistungserbringers

Die Schranke des bisherigen Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a könnte daher nur noch gegenüber Drittausländerinnen und - ausländem, welche die verantwortliche Leitung in einem inländischen Betrieb übernehmen, angewandt werden. Deshalb wird die entsprechende Bewilligungsvoraussetzung auch bezüglich Betrieben mit Sitz in der Schweiz fallen gelassen, da sie andernfalls zu einer Ungleichbehandlung und Schlechterstellung derselben führen würde.

Zudem ist sie für die Gewährleistung der beabsichtigten Qualität in der fachlichen Leitung eines Betriebs nicht unentbehrlich, denn unabhängig von deren Nationalität respektive deren Aufenthaltsstatus muss jede für die Leitung verantwortliche Person die Voraussetzungen der bisherigen Buchstabe b und c von Artikel 3 Absatz 2 weiterhin erfüllen. Insbesondere auch im Hinblick auf die Bewilligungsträger mit Sitz im Ausland präzisiert Absatz 3 die Kenntnisse, die in einem Betrieb, der in der Auslandvermittlung tätig ist, vorhanden sein müssen. Der Zugang von Drittausländerinnen und - ausländem zu Leiterfunktionen in Vermittlungsbetrieben wird sich im übrigen aufgrund der ausländerrechtlichen Begrenzungsbestimmungen in Grenzen halten.

2.2

Der Personalverleih

Die Bestimmungen über den Personalverleih werden analog denjenigen über die private Vermittlung geändert.

Gemäss heute geltendem Recht (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 AVG in Verbindung mit Art. 30 der Verordnung vom 16. Jan. 1991 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih, AVV) ist der Personalverleih vom Ausland in die Schweiz nicht

2

EuGH, Urteil vom 3. Februar 1982 in den verbundenen Rechtssachen 62/81 und 63/81, Slg. 1982, S. 223

681

zulässig, sofern er in bewilligungspflichtiger, das heisst gewerbsmässiger Weise ausgeübt wird.

Dieser weitgehende Ausschluss des ausländischen Anbieters vom schweizerischen Markt ist mit dem freien Dienstleistungsverkehr nicht vereinbar. Wie der private Vermittler kann auch der Verleiher mit Sitz in einem EWR-Vertragsstaat inskünftig seine Leistung unter den gleichen Voraussetzungen wie der Inländer grenzüberschreitend erbringen.

Artikel 12, llbis, llter

Bewilligungspflicht, Inlandverleih, Auslandverleih

Die hier eingebrachten Aenderungen und die klarere Gliederung entsprechen denjenigen bezüglich der Artikel 2, 2bis und 2ter. Der neue Absatz 2 von Artikel 12 hebt den bisherigen Artikel 28 AW auf Gesetzesstufe, da sein Gehalt nicht nur auf Verordnungsebene verankert sein sollte, sondern als Beschränkung der Tragweite der Bewilligungspflicht Gesetzesrang verdient.

Artikel 13

Voraussetzungen

In bezug auf die Aenderung dieser Bestimmung wird auf die Ausführungen zu Art. 3 verwiesen.

Artikel 19

Arbeitsvertrag

Gestützt auf Artikel 118a des EWG-Abkommens, wonach sich die Mitgliedstaaten um eine Verbesserung der Arbeitsumwelt bemühen sollen, ist die Richtlinie 91/383/EWG vom 25. Juni 1991 (ABI. der EG Nr. L 206/19 vom 29.7.1991) zur Ergänzung der Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis verabschiedet worden. Ihre Bestimmungen beziehen sich allerdings zum grössten Teil auf das (schweizerische) Arbeitsgesetz und bedingen nur eine einzige Anpassung im AVO. Artikel 7 der Richtlinie verlangt, dass der Verleiher der Leiharbeitnehmerin oder dem Leiharbeitnehmer im Arbeitsvertrag neben den

682

Merkmalen des zu besetzenden Arbeitsplatzes auch die erforderliche berufliche Qualifikation angibt.

2.3

Die Öffentliche Arbeitsvermittlung

Artikel 25

Auslandvermittlung

Bereits heute berät und unterstützt das BIGA nicht nur auswandeningswillige Schweizerinnen und Schweizer, sondern auch in der Schweiz wohnhafte Ausländerinnen und Ausländer, die eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Staat suchen. Es verfasst auch Informationsbroschüren zuhanden von Einwanderungswilligen aus dem Ausland. Die Revision von Artikel 25 Absatz l trägt dem Rechnung.

Interessierte Personen sollen unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit beraten werden.

Artikel 26

Vermittlungspflicht und Unparteilichkeit

Die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft legt in Artikel 5 fest, dass ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates, der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält und dort eine Beschäftigung sucht, die gleiche Hilfe erhalten soll, wie sie die Arbeitsämter dieses Staates den eigenen Staatsangehörigen gewähren, die eine Beschäftigung suchen.

Gemäss heutigem Artikel 26 beschränken sich die Dienste der Arbeitsämter auf die Beratung von schweizerischen sowie von ausländischen Stellensuchenden, die zur Erwerbstätigkeit sowie zum Stellen- und Berufswechsel berechtigt sind.

Grundsätzlich erfüllen Bürgerinnen und Bürger von EWR-Staaten inskünftig diese Kriterien, allerdings erst nach Ablauf der Uebergangsfristen des EWR-Abkommens.

Während dieser Uebergangsfristen können die heute geltenden Beschränkungen der beruflichen und geographischen Mobilität gegenüber Saisonniers, Kurzaufenthaltem und Grenzgängern beibehalten werden. Da die Uebergangsfristen sich nur auf die Regeln bezüglich des Personenverkehrs, nicht aber auf diejenigen bezüglich des Dienstleistungsverkdirs beziehen, stellt die Einschränkung des

683

Dienstleistungsangebotes der Arbeitsämter auf Stellensuchende, die sich frei auf dem Arbeitsmarkt bewegen können, während der Dauer der Uebergangsfristen eine Diskriminierung der genannten Kategorien ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dar. Artikel 26 muss deshalb geändert werden. Die Beratungs- und Vermittlungspflicht der Arbeitsämter muss auf alle Stellensuchenden, die Staatsangehörige eines EWR-Staates sind, ausgedehnt werden. Nur gegenüber Stellensuchenden aus Staaten ausserhalb des EWR wird aus arbeitsmarktpolitischen Erwägungen die heutige Einschränkung aufrechterhalten.

Auch in der Beratungstätigkeit gegenüber Arbeitgebern ist künftig darauf zu verzichten, als Leistungsempfänger nur Schweizer zu berücksichtigen.

3

Auswirkungen der Revision der AVG

3.1

Personelle und finanzielle Auswirkungen

3.1.1

Personelle und finanzielle Auswirkungen auf den Bund

Indem neu auch ausländische Vermittlungs- und Verleihbetriebe Bewilligungen erhalten können, erwächst den betroffenen Behörden ein personeller und finanzieller Mehraufwand. Insbesondere die Bundesbehörden werden vermehrt mit ausländischen Gesuchstellern und Behörden in Kontakt treten müssen, was langfristig Kapazitäten binden wird, die eigentlich nach Abschluss der Einführungsphase des auf den 1. Juli 1991 in Kraft getretenen totalrevidierten AVG neuen Zwecken hätten zugeführt werden können. Auch dürften längerfristig im Zusammenhang mit der Pflicht, ausländische Rechtsordnungen zu studieren und ausländische Gesuche und Bewilligungen zu prüfen, zusätzliche Unkosten aus Uebersetzungen entstehen. Die einzelnen Bewilligungsverfahren könnten, wenn Rückfragen und weitere Abklärungen im Einzelfall erforderlich sind, sehr zeitaufwendig werden. Eine zweite Stelle für den Vollzug des AVG, könnte sich möglicherweise als notwendig erweisen.

684

3.1.2

Die

Personelle und finanzielle Auswirkungen auf die Kantone

Beratungs-

und

Vermittlungspflicht

der

Arbeitsämter

wird

auf

alle

Stellensuchenden, die Staatsangehörige eines EWR-Staates sind, ausgedehnt, was eine bedeutende Mehrbelastung der Behörden bringen wird. Dies wird mit Sicherheit personelle und finanzielle Auswirkungen auf Gemeinden und Kantone haben, allerdings sind diese abhängig von deren heutiger Organisation und Kapazität und können deshalb von Kanton zu Kanton variieren.

3.2

Wirtschaftliche Auswirkungen

In den beiden Branchen der Arbeitsvermittlung und des Personalverleihs haben sich in den vergangenen Jahren sehr vielfältige Formen der entsprechenden Dienstleistungen entwickelt. Zahlreiche Firmen aus den Branchensegmenten Unternehmens- und Personalberatung, Headhunting und Executive Search sind bereits heute weltweit tätig.

Die Personaldienste internationaler Konzerne, oft als eigenständige Profit-Centers ausgestaltet, besetzen offene Stellen bei ihren Tochterfirmen im In- und Ausland oft mit konzerninternem Personal. Die Rekrutierung von Mitarbeitern im Ausland zugunsten von Firmen in der Schweiz war allerdings bisher durch die Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer beschränkt.

Die Anpassung des AVG an den EWR konfrontiert die Unternehmungen der genannten Branchen infolge der Oeffhung der Grenzen für ausländische Vermittler und Verleiher künftig möglicherweise mit einer gewissen ausländischen Konkurrenz, Die Gefahr ungleicher Wettbewerbschancen wird allerdings durch das AVG weitgehend aufgefangen. Es stellt auch sicher, dass die konkurrierenden Anbieter aus dem EWR ihre Leistungen nur unter den gleichen Bewilligungsvoraussetzungen erbringen dürfen wie inländische Dienstleistungserbringer. Damit gewährleistet das Gesetz einerseits den Kunden von Vermittlern und Verleihern eine möglichst einheitlich hohe Qualität der angebotenen Leistungen, anderseits verhindert es, dass die Liberalisierung auf dem schweizerischen Markt einseitig in eine Benachteiligung der inländischen Anbieter umschlägt.

Die EWR-weite Liberalisierung des Personenverkehrs eröffnet zudem inländischen Vermittlern und Verleihern die Chance, ihr Tätigkeitsfeld auszuweiten. Der freie Personenverkehr

ermöglicht es diesen Branchen in Zukunft, für ihre Kunden

685

europaweit Personal zu rekrutieren und sich damit noch stärker auf dem internationalen Markt zu etablieren.

3.3

Kompensatorische Massnahmen

Im Rahmen des vorliegenden Bundesbeschlusses können nur Anpassungen vorgenommen werden, die sich unmittelbar aus der Umsetzung des Acquis communautaire ergeben. Kompensatorische oder flankierende Massnahmen, um anfällige negativen Auswirkungen der Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht zu korrigieren, müssen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen

werden.

Insbesondere der grenzüberschreitende Verleih von Arbeitskräften erfordert gewisse Massnahmen im Kollisionsrecht bezüglich den privatrechtlichen Arbeitnehmerschutzbestimmungen. Wie bereits erwähnt, wird Artikel 9 der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer während der Uebergangsfrist weiterhin angewendet werden können, so dass die Einhaltung der orts- und berufsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen während dieser Zeit sichergestellt ist.

Die Anwendbarkeit von Artikel 19 und Artikel 20 AVG auf den Arbeitsvertrag, der zwischen dem im Ausland domizilierten Verleiher und seinen im Ausland wohnhaften (aber bei einem schweizerischen Einsatzbetrieb eingesetzten) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgeschlossen wird, richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 über das internationale Privatrecht ,(IPRG).

Da der Schwerpunkt dieses Arbeitsvertrags im Ausland liegt, untersteht er ausser bei längerdauemden Einsätzen grundsätzlich nicht dem schweizerischen Recht (Art. 121 IPRG). Gemäss Artikel 18 IPRG können hingegen zwingende privatrechtliche Bestimmungen (OR) mit ausgesprochenem Schutzcharakter - darunter können auch einzelne Elemente von Artikel 19 sowie Artikel 20 AVG fallen - ungeachtet der vom IPRG als anwendbar bezeichneten Rechtsordnung Anwendung finden. Das schweizerische Recht bietet demnach heute schon eine rechtliche Grundlage für die gerichtliche Durchsetzung der wesentlichsten Arbeitnehmerschutzbestimmungen. Der Sozialschutz der vom Ausland in die Schweiz verliehenen Arbeitskräfte und die Gefahr von Lohn und Sozialdumping erfordern nach Ansicht des Bundesrates jedoch explizte Schutznormen, die auf dem ordentlichen Gesetzgebungsweg zu erlassen sein werden.

Eine Anpassung der geltenden Kollisionsnormen wäre zudem auch bei Inkrafttreten der Richtlinie des Rates vom 1. August 1991 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (KÖM (91) 230 endg. - SYN 346), -

686

unter der Voraussetzung, dass sie Bestandteil des Acquis communautaire würde vorzunehmen.

4

Rechtliche Grundlagen

4.1

Verfassungsmässigkeit

Die im Ingress zum AVG genannten Artikel der Bundesverfassung (Art. 3 Ibis Abs. 2, und 34ter Abs. l Bst. a und e, 64 Abs. 2 und 64bis ) werden durch den hier vorgeschlagenen Bundesbeschluss respektiert. Die durch den EWR-Abkommen bedingten Aenderungen des AVG sind verfassungsmässig.

4.2

Allgemeinverbindlicher unbefristeter Bundesbescbluss

Das AVG wird von den Grundfreiheiten unmittelbar berührt und muss deshalb auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWR-Abkommens mit diesem konform ausgestaltet werden. Das AVG wird daher in Form eines allgemeinverbindlichen, nicht befristeten Bundesbeschlusses revidiert.

687

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih

Entwurf

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 19921\ beschliesst: l

Das Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989 2> über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz) wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung) in Ausführung der Artikel 28, 31, 36, 37 und 39 des Abkommens vom 2. Mai 19923' über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Anhänge V und XVIII, die sich auf folgende Erlasse beziehen: - Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968"> über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, - Richtlinie Nr. 91/383 des Rates vom 25. Juni 19915> zur Ergänzung der Massnahmen, zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis, Art. 2 Abs. J, 3 und 4 1 Wer regelmässig und gegen Entgelt Arbeit vermittelt, indem er Stellensuchende und Arbeitgeber zum Abschluss von Arbeitsverträgen zusammenführt (Vermittler), benötigt eine Betriebsbewilligung.

3

und

4

Aufgehoben

') BB1 1992 V 667

2

> SR 823.11

« AS 1993 ...

4 5

> EWRS ...; ABI. Nr. L 257 vom 19. 12. 1968, S. 2 > EWRS ...; ABI. Nr. L206/19 vom 29. 7. 1991, S. 19

Änderung des Bundesgesetzes über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih. BB

Art. 2bis Inlandvermittlung (neu) 1

Inlandvermittlung betreibt, wer seinen Sitz in der Schweiz hat und innerhalb der Schweiz Arbeit vermittelt.

2

Die Bewilligung wird durch das kantonale Arbeitsamt erteilt.

Art. 2'"

Auslandvermittlung (neu)

1

Auslandvermittlung betreibt, wer seine Dienstleistung grenzüberschreitend erbringt.

2

Als Auslandvermittlung gilt auch die Vermittlung eines Ausländers, der sich in der Schweiz aufhält, aber noch nicht zur Erwerbstätigkeit berechtigt ist.

3

Vermittler mit Sitz in der Schweiz, die In- und Auslandvermittlung betreiben, benötigen zusätzlich zur kantonalen Betriebsbewilligung eine Bewilligung des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA).

4 Vermittler mit Sitz in der Schweiz, die ausschliesslich Auslandvermittlung betreiben, und Vermittler mit Sitz im Ausland benötigen nur eine Bewilligung des BIGA.

Art. 3 Abs. l, 2, 3bis (neu) und 4 1

Die Bewilligung wird erteilt, wenn der Betrieb: a. seinen Sitz in der Schweiz oder in einem anderen EWR-Staat hat; b. im Handelsregister eingetragen ist und die Arbeitsvermittlung bezweckt; c. über ein zweckrnässiges Geschäftslokal verfügt; d. kein anderes Gewerbe betreibt, welches die Interessen von Stellensuchenden oder von Arbeitgebern gefährden könnte.

2 Die für die Leitung verantwortlichen Personen müssen: a. für eine fachgerechte Vermittlung Gewähr bieten; b. einen guten Leumund gemessen.

·1bis Bei Firmen mit Sitz in einem andern EWR-Staat, die bereits in ihrem Sitzstaat über eine Vermittlungsbewilligung verfügen, überprüft das BIGA nur noch diejenigen Kriterien der Absätze l und 2, die durch die ausländische Behörde nicht überprüft worden sind.

4

Die Bewilligung für Arbeitsvermittlungsstellen beruflicher und gemeinnütziger Institutionen wird erteilt, wenn die Voraussetzungen der Absätze l Buchstabe d, 2 und 3 erfüllt sind.

Art. 4 Abs. Ì, lbis (neu) und 2 1

Die Bewilligung wird unbefristet erteilt.

lbis

Die Bewilligung zur Inlandvermittlung und die Bewilligung zur Auslandvermittlung des Vermittlers mit Sitz in einem anderen EWR-Staat berechtigen zur Vermittlung in der ganzen Schweiz.

689

Änderung des Bundesgesetzes über die Arbeitsvermittlung und den Personalvcrleih. BB 2

Die Bewilligung zur Auslandvermittlung des Vermittlers mit Sitz in der Schweiz wird auf bestimmte Staaten begrenzt.

Art. 7 Abs. 2 2 Zur Beobachtung des Arbeitsmarktes kann die Bewilligungsbehörde den Vermittler verpflichten, ihr anonymisierte statistische Angaben über seine Tätigkeit zu liefern. Vermittler mit Sitz im Ausland liefern diese Angaben nur bezüglich ihrer die Schweiz betreffenden Tätigkeit.

Art. 12 Abs. l und 2 1 Arbeitgeber (Verleiher), die Dritten (Einsatzbetrieben) gewerbsmässig Arbeitnehmer überlassen, benötigen eine Betriebsbewilligung.

2

Der Personalverleih ist nur in den Formen der Temporärarbeit und der Leiharbeit bewilligungspflichtig. Das gelegentliche Überlassen von Arbeitnehmern an Dritte ist nicht bewilligungspflichtig.

Art. 12bis Inlandverleih (neu) 1 Inlandverleih betreibt, wer seinen Sitz in der Schweiz hat und innerhalb der Schweiz Personal verleiht.

2 Die Bewilligung wird durch das kantonale Arbeitsamt erteilt.

Art. 12ter Auslandverleih (neu) 1 Auslandverleih betreibt, wer seine Dienstleistung grenzüberschreitend erbringt.

2 Verleiher mit Sitz in der Schweiz, die In- und Auslandverleih betreiben, benötigen zusätzlich zur kantonalen Betriebsbewilligung eine Bewilligung des BIGA.

3 Verleiher mit Sitz in der Schweiz, die ausschliesslich Auslandverleih betreiben, und Verleiher mit Sitz im Ausland, die ihre Arbeitnehmer Einsatzbetrieben in der Schweiz überlassen, benötigen nur eine Betriebsbewilligung des BIGA.

Art. 13 Abs. l, 2, 3 und 3bis (neu) 1

2

Die Bewilligung wird erteilt, wenn der Betrieb: a. seinen Sitz in der Schweiz oder in einem anderen EWR-Staat hat; b. im Handelsregister eingetragen ist und den Personalverleih bezweckt; c. über ein zweckmässiges Geschäftslokal verfügt; d. kein anderes Gewerbe betreibt, welches die Interessen von Arbeitnehmern oder von Einsatzbetrieben gefährden könnte.

Die für die Leitung verantwortlichen Personen müssen : a. für eine fachgerechte Verleihtätigkeit Gewähr bieten; b. einen guten Leumund geniessen.

690

Änderung des Bundesgesetzes über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih. BB 1

Die Bewilligung zum Auslandverleih wird nur erteilt, wenn die für die Leitung verantwortlichen Personen ausserdem sicherstellen, dass im Betrieb ausreichende Kenntnisse der Verhältnisse in den entsprechenden Staaten vorhanden sind.

3bis

Bei Firmen mit Sitz in einem anderen EWR-Staat, die bereits in ihrem Sitzstaat über eine Verleihbewilligung verfügen, überprüft das BIGA nur noch diejenigen Kriterien der Absätze l und 2, die durch die ausländische Behörde nicht überprüft worden sind.

Art. 15 Abs. 1. ;*'·' (neu) und 2 1 Die Bewilligung wird unbefristet erteilt.

1bis Die Bewilligung zum Inlandverleih und die Bewilligung zum Auslandverleih des Verleihers mit Sitz im Ausland berechtigen zum Verleih in der ganzen Schweiz.

1 Die Bewilligung zum Auslandverleih des Verleihers mit Sitz in der Schweiz wird auf bestimmte Staaten begrenzt.

Art. 18 Abs. 2 1 Zur Beobachtung des Arbeitsmarktes kann die Bewilligungsbehörde den Verleiher verpflichten, ihr anonymisierte statistische Angaben über seine Tätigkeit zu liefern. Verleiher mit Sitz im Ausland liefern diese Angaben nur bezüglich ihrer die Schweiz betreffenden Tätigkeit.

Art. Ì9 Abs. 2 Est. a 2 Im Vertrag sind die folgenden Punkte zu regeln : a. die Art der zu leistenden Arbeit und die dafür erforderliche berufliche Qualifikation; Art. 25 Abs. ] 1 Das BIGA unterhält einen Beratungsdienst, der interessierten Personen Informationen über Einreise, Arbeitsmöglichkeiten und Lebensbedingungen in der Schweiz und in anderen Staaten vermittelt. Der Beratungsdienst kann die Suche nach Auslandstellen mit weiteren Massnahmen unterstützen.

Art. 26 Abs. l 1 Die Arbeitsämter stellen ihre Dienste allen Stellensuchenden, die Bürger der Schweiz oder eines anderen EWR-Staates sind, und den in der Schweiz domizilierten Arbeitgebern unparteiisch zur Verfügung.

691

Änderung des Bundesgesetzes über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih. BB

Art. 31 Abs. 3 3

Es beaufsichtigt die private Auslandvermittlung und den Auslandverleih.

III 1

Dieser Bundesbeschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet.

Er untersteht aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen1) der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

2

5566

0 AS ...

692

92.057^*3

5.4 Bundesbeschluss über die Aenderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen

Geltungsbereich (Art. 1)

In Artikel l der Richtlinie 77/780/EWG (Erste Bankenrichtlinie) werden Kreditinstitute definiert als Unternehmen, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren. Diese Definition entspricht dem traditionellen Begriff der Bank, wie er für die Schweiz in Artikel 2 Buchstabe a der Verordnung vom 17. Mai 1972 über die Banken und Sparkassen (BankV; SR 952.02) definiert wird; dort werden in Buchstaben b und c auch die grossen Finanzintermediäre und die Emissionshäuser dem Gesetz unterstellt. Das europäische Recht bezweckt indessen nicht, ein einheitliches Bankensystem zu schaffen, sondern will Mindestanforderungen für die Tätigkeit der Banken festlegen. Infolgedessen kann jeder Staat sein eigenes System beibehalten; unter diesem Blickwinkel muss das Bankengesetz nicht geändert werden.

Obwohl die schweizerische Definition der Banken umfassender ist und auch Gesellschaften umfasst, die im Sinne der Bestimmungen der Gemeinschaft nicht als Kreditinstitute betrachtet werden können, sind wir der Ansicht, dass auch diese dem Bankengesetz und der Oberaufsicht der Bankenkommission vollständig unterstellten Gesellschaften alle von der Richtlinie 89/646/EWG (Zweite Bankenrichtlinie) vorgesehenen Bedingungen für die Ausübung des Bankengeschäfts erfüllen, was ja auch letztlich das angestrebte Ziel ist.

Nach Artikel 3 der Zweiten Bankenrichtlinie sind indessen die Staaten verpflichtet, jenen Gesellschaften, die dem Gesetz nicht unterstellt sind, die gewerbsmässige Entgegennahme von Einlagen des Publikums zu untersagen. Ausgenommen sind Fälle, in denen der Schutz der Einleger speziell geregelt ist. Ein System der teilweisen Unterstellung unter das Gesetz ist deshalb vor dem Hintergrund des Ziels einer minimalen Harmonisierung der Tätigkeitsbedingungen nicht mehr akzeptabel. Ein Unternehmen, auf welches die Definition zutrifft, ist eine Bank im vollen Sinne, mit

693

der Konsequenz, dass es alle Anforderungen des Gesetzes erfüllen muss. Daraus folgt, dass das geltende Konzept der Finanzgesellschaft nicht mehr beibehalten werden kann, denn es ist im Gemeinschaftsrecht unbekannt. Die Finanzgesellschaft als solche entspricht nicht der Definition eines Kreditinstituts im Sinne des Gemeinschaftsrechts und erfüllt nicht die Mindestanforderungen für die Ausübung des Bankengeschäfts.

Erfüllt sie die Bedingungen aber, ist sie eine Bank. Ein Zwischenstatus ist nicht möglich. In Anbetracht dieser Ueberlegungen muss Artikel l Absatz 2 Buchstaben a, b und

c

des geltenden

Gesetzes

aufgehoben werden.

In

Zukunft

sind

die

Finanzgesellschaften keiner Bestimmung des Bankengesetzes mehr unterstellt, solange sie nicht eine Tätigkeit ausüben, für die eine Bankbewilligung erforderlich ist. Wenn umgekehrt ihre Tätigkeit unter die Bestimmungen des Bankengesetzes und der Bankenverordnung fallen, sind sie ihnen als Bank voll unterstellt. Die Folgen, die sich daraus für die bestehenden Finanzgesellschaften ergeben, werden nachfolgend erörtert.

Im übrigen kennt das Gemeinschaftsrecht den Begriff des Finanzinstituts, das zwar keine Bank ist, das aber, wenn es bestimmte strenge Bedingungen erfüllt, ebenfalls bestimmte genau umschriebene Tätigkeiten ausüben kann. Artikel l Absatz 2 des Bankengesetzes muss deshalb nicht nur deswegen aufgehoben werden, weil eine teilweise Unterstellung nicht mehr möglich ist, sondern auch, damit jede Verwechslung mit dem Begriff des Finanzinstituts ausgeschlossen ist.

Das generelle Verbot der Entgegennahme von Einlagen des Publikums macht schliesslich die Anpassung der Strafbestimmungen in Artikel 46 Absatz l Buchstabe f BankG erforderlich.

Gegenwärtig gibt es lediglich vier Finan/gesellschaften, auf welche die Definition in Artikel l Absatz 2 Buchstabe a erster Satz BankG (bankähnliche Finanzgesellschaften, sofern sie sich öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen) zutrifft; davon hat eine bereits die Absicht zu einer Aenderung ihres Status bekundet. Tatsächlich entsprechen diese Gesellschaften der geltenden Définition von Banken und sind deshalb, mit Ausnahme von Artikel 4bis Absatz 3 und Artikel 4ter Absatz 2 BankG, fast gänzlich dem Bankengesetz unterstellt. Insoweit sie Einlagen des Publikums entgegennehmen, werden sie vollumfänglich dem Gesetz unterstellt werden müssen und können nicht mehr von den beiden Ausnahmebestimmungen profitieren. Der Wegfall des Begriffs der Finanzgesellschaft bedingt auch die Streichung von Artikel 4bis Absatz 3, Artikel 4ter Absatz 2 und Artikel 7 Absatz 5 BankG und Artikel 14 BankV

694

sowie

die

Anpassung

von

Artikel

15 Absatz

l

BankG.

Diese

Ausnahmeregelungen sind im übrigen bei der Revision des Bankengesetzes im Jahre 1971 im Hinblick auf die Finanzgesellschaften industriellen oder kommerziellen Charakters eingeführt worden, und sie waren schon damals für die oben genannten Gesellschaften nicht gerechtfertigt. Die volle Unterstellung unter das Bankengesetz ist deshalb nur logisch.

Zahlreicher sind dagegen die Finanzgesellschaften, die lediglich unter Artikel 7 und 8 des Bankengesetzes fallen (bankähnliche Finanzgesellschaften, die sich nicht öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen; Art. l Abs. 2 Est. a zweiter Satz). Da keine sonstige Bestimmung des erwähnten Gesetzes auf diese Gesellschaften anwendbar ist, sind sie keinerlei Aufsicht durch die Bankenkommission unterstellt. Jedoch erwecken diese Bestimmungen bedauerlicherweise zuweilen vor allem im Ausland den falschen Eindruck, dass eine solche Aufsicht besteht. Darüber hinaus wird von den betroffenen Kreisen zugegeben, dass Artikel die 7 - 1 0 innerhalb des Bankengesetzes einen Fremdkörper darstellen und im Nationalbankgesetz figurieren sollten. Diese Aenderung ist allerdings im Rahmen von Eurolex nicht möglich. Da jedoch Artikel 8 auf jeden Fall dem Gemeinschaftsrecht angepasst werden muss (siehe unten die Bemerkungen zu Art. 8) und es vorhersehbar ist, dass in Zukunft allein die Institutionen, die dem Bankengesetz voll unterstehen, die Geschäfte ausüben, die der Bewilligung durch die Nationalbank bedürfen, rechtfertigt sich die Beibehaltung dieser Kategorie von Gesellschaften im Bankengesetz nicht mehr. Anzumerken bleibt, dass im Gefolge der am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Aenderung der Bankenverordnung die Zahl der Gesellschaften, auf welche Artikel 7 und 8 des Bankengesetzes Anwendung finden, kleiner geworden ist. Einige wurden in Anwendung von Artikel 2a Buchstabe c dieser Verordnung (Emissionshäuser) in Banken umgewandelt. Es ist darüber hinaus vorhersehbar, dass ihre Zahl sich weiter verringern wird, denn die Uebergangsfrist, die diesen Gesellschaften zur Anpassung an die Bedingungen des Bankengesetzes eingeräumt wurde, falls sie unter die neuen Bestimmungen von Artikel 2a BankV fallen, läuft Ende 1992 ab. Von den übrigen Gesellschaften werden jene, die von der erwähnten Gesetzesänderung nicht betroffen sind, ihre Geschäfte weiterführen können, ohne dass
irgendeine Bestimmung des Bankengesetzes auf sie anwendbar wäre; mit der vorliegenden Gesetzesänderung werden sie so von einer Deregulierungsmassnahme profitieren.

Bis heute existiert keine Gesellschaft, auf die Artikel l Absatz 2 Buchstaben b und c BankG anwendbar sind, so dass sich aus der Streichung dieser Absätze keine Schwierigkeiten ergeben.

695

Zu präzisieren bleibt, dass die Grundsätze der beiden Bankenrichtlinien auf die Zentralbanken der Mitgliedstaaten und die Postcheckämter keine Anwendung finden.

Die Nationalbank und die FTT sind davon also nicht betroffen.

Ferner unterliegen auch die Pfandbriefzentrale der schweizerischen Kantonalbanken und die Pfandbriefbank schweizerischer Hypothekarinstitute einer speziellen Gesetzgebung. Diese Einrichtungen sind keine Banken im Sinne des vorliegenden Gesetzes.

Die Ausgabe von Anleihensobligationen wird ebenfalls, wie früher, nicht als Annahme von Publikumsgeldern im Sinne dieser Bestimmungen betrachtet. Sie steht so auch Unternehmen offen, die nicht Banken sind. Die Interessen der Gläubiger werden in diesem Falle durch das Obligationenrecht (Art. 1156ff.) geschützt. Im übrigen ist eine Gesetzgebung in bezug auf den Primärmarkt geplant, sei es in einem künftigen Börsengesetz, sei es in einem eigenen Gesetz,

Artikel 3 der Zweiten Bankenrichtlinie untersagt den Nichtbanken die gewerbsmässige Entgegennahme von Einlagen des Publikums, präzisiert jedoch gleichzeitig, dass dieses Verbot nicht gilt für die Entgegennahme von Einlagen durch einen Mitgliedstaat, durch regionale Behörden oder durch öffentliche internationale Einrichtungen sowie für in einzelstaatlichen Vorschriften genannte Fälle, wenn dabei der Schutz von Einlegern gewährleistet ist. Daraus ergibt sich, dass sinnvollerweise Artikel l Absatz 2 BankG nicht auf ein einfaches Verbot zu beschränken ist, sondern dem Bundesrat die Möglichkeit von allfälligen Ausnahmen offenzulassen ist, wenn für die betreffenden Tätigkeiten eine angemessene Regelung und Kontrolle besteht.

Zweigniederlassungen (Art. 2 Abs. 3)

Die Bestimmungen über die freie Niederlassung und den freien Dienstleistungsverkehr in Artikel 36 des EWR-Abkommens sowie Titel V der Zweiten Bankenrichtlinie führen das wichtige Prinzip der Einheitslizenz ein, gemäss dem eine Bewilligung für das Bankgeschäft, die von einem Staat erteilt wird, von den anderen Staaten anerkannt werden muss. Konkret werden die Kreditinstitute eines EWR-Staates ohne Bewilligung des Aufnahmestaates direkt in einem anderen EWR-Staat ihre Dienste anbieten oder Zweigstellen, Vertretungen oder Agenturen einrichten können. Ausserdem wird die Kontrolle des Geschäftsbetriebs

696

durch das Herkunftsland gewährleistet.

Die

Tätigkeiten, für die die gegenseitige Anerkennung gilt, sind im Anhang der Zweiten Bankenrichtlinie aufgeführt und werden in die Verordnung der Bankenkommission vom 22. März 1984 über die ausländischen Banken in der Schweiz (ABV; SR 952,111) aufgenommen werden. Im übrigen darf eine Bank in einem anderen Mitgliedstaat von den im Anhang aufgeführten Tätigkeiten nur jene ausüben, für die sie im Herkunftsland die Zulassung bekommen hat. Es muss allerdings festgehalten werden, dass diese Regelung nicht auf die Tochtergesellschaften von Auslandbanken anwendbar ist, d.h. auf Institute nach Schweizer Recht, die juristisch unabhängig sind, aber von ausländischen Personen oder Gesellschaften beherrscht werden.

Die gleichen Vorteile sollen im übrigen die Finanzinstitute gemessen, wenn sie bestimmte in der Zweiten Bankenrichtlinie festgelegte Bedingungen erfüllen, wie etwa, dass sie zu mindestens 90 Prozent von einem Kreditinstitut beherrscht werden, dass das Mutteruntemehmen solidarisch für die Verpflichtungen haftet, dass sie in die konsolidierte

Aufsicht

des

Mutterunternehmens

einbezogen

sind,

usw.

Die

Bedingungen, die an die Ausübung der Tätigkeit durch Finanzinstitute aus anderen EWR-Staaten geknüpft sind, werden in die ABV übernommen werden.

Anhang IX zum EWR-Abkommen enthält indessen eine Regelung "sui generis", die Artikel 8 und 9 der zweiten Bankenrichtlinie ersetzt und in zwei Fällen das Prinzip der Einheitslizenz einschränkt:

a.

Wenn in einem Drittstaat quantitative Beschränkungen oder Beschränkungen in bezug auf einen EFTA-Staat bestehen, die für einen Mitgliedstaat der EG nicht gelten, so gilt die Einheitslizenz für die EFTA-Staaten nicht, ausser im Falle, da ein Land einzeln sich für ihre Anerkennung entscheidet.

b. Wenn die EG-Kommission beschliesst, die Zulassung auszusetzen, weil sie der Meinung ist, dass den Mitgliedstaaten der EG in diesem Land keine guten Bedingungen zugestanden werden, ist die Bewilligung nur in dem EFTA-Land gültig, das sie erteilt hat.

Die obige Regelung betrifft indessen nicht die Institute, die beim Inkrafttreten des Abkommens bereits zugelassen sind.

25 Bundesblatt 143.Jahrgang. Bd.V

697

Daraus ergibt sich, dass in Zukunft in der ABV zwei Arten von Regelungen nebeneinander bestehen werden, die eine für die EWR-Staaten, die andere für Geschäftsstellen von Banken aus den übrigen Staaten, die, wie in der Vergangenheit, über eine Bewilligung der Bankenkommission verfügen müssen. Das Verfahren für die Eröffnung einer Zweigstelle in den EWR-Staaten geschieht unter Einbeziehung der Aufsichtsbehörden aus dem Herkunftsland und aus dem Aufnahmeland. Es ist im Einzelnen in Artikel 19 - 21 der Zweiten Bankenrichtlinie geregelt; die Regelung wird in die ABV übernommen werden, die namentlich die Bedingungen aufführen wird, unter denen diese Tätigkeiten im öffentlichen Interesse ausgeübt werden dürfen, welche Angaben durch die betroffenen Banken geliefert werden müssen (beabsichtigte Tätigkeit, Eigenmittel, Name und Adresse der für die Zweigstelle Verantwortlichen) und welche für die Statistik, die Währungspolitik und Liquiditätspolitik notwendigen Angaben die Zweigstellen machen müssen. Die Verpflichtungen der Zweigstellen dürfen jedoch nicht weiter gehen als jene, die von den schweizerischen Instituten erfüllt werden müssen.

Bewilligungsvoraussetzungen (Art. 3)

Die verschiedenen Ergänzungen und Aenderungen in diesem Artikel sind direkt durch die Notwendigkeit zur Anpassung der Bankengesetzgebung an die europäischen Normen im Rahmen des EWR-Abkommens bedingt. Daraus, dass sie in diesem Artikel zusammengefasst sind, ergibt sich indessen, dass sie in Zukunft "erga omnes" angewendet werden, d.h. dass sie nicht nur für die EWR-Banken, sondern für alle Banken generell gelten. Das ist zum einen eine notwendige Folge des Prinzips der Einheitslizenz, denn es ist klar, dass eine in der Schweiz zugelassene Bank, sei es eine schweizerische oder eine ausländische (z.B. eine amerikanische oder eine japanische) Bank, die ihre Dienste über eine Zweigstelle in einem anderen EWR-Staat anbieten möchte, namentlich die Bedingungen für das Mindestkapital, für die solide und umsichtige Geschäftsführung und die Meldepflicht für Beteiligungen erfüllen muss.

Andererseits kommt es nicht in Frage, dass den Banken aus EWR-Staaten - und somit auch aus der Schweiz - strengere Bedingungen auferlegt werden - die im übrigen durchaus gerechtfertigt sind - als den Banken aus anderen Staaten.

69B

Anfangskapital (Art. 3 Abs. 2 Bst. b)

In Artikel 4 der Zweiten Bankenrichtlinie ist ein Mindestanfangskapital von 5 Millionen ECU vorgesehen; dies erfordert die Anpassung von Artikel 4 der Bankenverordnung. Den EWR-Staaten steht es allerdings frei, gewissen Kategorien von Instituten die Bewilligung zu erteilen, deren Anfangskapital kleiner ist. Die Regelung soll gewährleisten, dass die Banken mit einer internationalen Tätigkeit über genügend Kapital verfügen. Die Ausnahmeregelungen betreffen kleine Institute, deren Tätigkeiten und geographischer Geschäftsbereich durch das Gesetz oder die Statuten beschränkt sind. Die Praxis der Bankenkommission, die sich auf Artikel 7 BankV stützt, entspricht bereits dieser Forderung; dort wird verlangt, dass die finanziellen Möglichkeiten einer Bank in Uebereinstimmung mit den Aufgaben stehen.

Die Voraussetzung des Mindestkapitals ist indessen nicht auf Banken anwendbar, die bereits über eine Bewilligung verfügen. Die Eigenmittel dürfen jedoch, wenn sie unter der festgesetzten Mindesthöhe des Anfangskapitals liegen, nicht unter den Betrag im Augenblick der Bekanntgabe der Richtlinie bzw. des Inkrafttretens des EWRAbkommens sinken. Ausserdem müssen die Eigenmittel auf den für das Anfangskapital notwendigen Mindestbetrag erhöht werden, wenn eine andere als die bisherige natürliche oder juristische Person die Kontrolle über das Institut übernimmt. Diese Bestimmungen werden in der Verordnung enthalten sein.

Im übrigen muss die Anforderung der rechtlich verselbständigten Eigenmittel nach Artikel 3 der Ersten Bankenrichtlinie in Zukunft für jede Gesellschaft erfüllt sein, die eine Bankenbewilligung erhalten will. Deshalb ist die Formulierung des geltenden Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe b zu eng gefasst.

Anforderungen an die Aktionäre (An. 3 Abs. 2 Bst. cbis)

Der geltende Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c BankG fordert, dass die mit der Verwaltung und Geschäftsführung betrauten Personen Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten. Artikel 5 und 11 der Zweiten Bankenrichtlinie verlangen darüber hinaus, dass die Aktionäre und Gesellschafter, welche die Geschäftsführung einer Bank beeinflussen können, nicht gegen die Interessen des Instituts handeln dürfen, an dem sie eine Beteiligung haben. Indessen beziehen sich die Artikel nur auf solche Personen, die eine qualifizierte Beteiligung halten; dieser Begriff, der hier

699

übernommen wird, ist relativ weitgehend in Artikel l der Zweiten Bankenrichtlinie definiert. Die Aufsichtsbehörde kann so vor der Aufnahme der Tätigkeit die Bewilligung verweigern und während des Bestehens der Gesellschaft einen Aktionär oder jede Veränderung an Beteiligungen zurückweisen, wenn sie der Auffassung ist, dass der betreffende Aktionär oder Gesellschafter den Ansprüchen nicht genügt.

Gewöhnlich dürfte die Nichterfüllung der Anforderungen durch einen Aktionär im Falle einer bestehenden Gesellschaft nicht zum Entzug einer Bewilligung führen, vor allem nicht im Hinblick auf das Prinzip der Verhältnismässigkeit, wenn andere, weniger einschneidende Massnahmen ausreichen. Jedoch kann in schweren Fällen der Entzug der Bewilligung nicht ausgeschlossen werden. Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn die Aktien direkt oder indirekt im Besitz einer kriminellen Vereinigung wären, was nicht toleriert werden könnte.

Allgemein gesehen sind jedoch die Anforderungen an Aktionäre nicht so streng wie jene an die mit der Verwaltung und Geschäftsführung betrauten Personen. Die Anforderungen an die ersteren müssen hauptsächlich im Hinblick auf die Risiken beurteilt werden, die sie Banken z.B. durch Kreuzbeteiligungen oder -finanzierungen oder Interessenkonflikte bereiten können. Im Einzelfall muss auch dem Einfluss Rechnung getragen werden, den Aktionäre auf eine Bank aufgrund ihrer Kapitalstruktur und ihrer Interessen ausüben können.

Wohnsitz (Art. 3 Abs. 2 Bst. d) Im geltenden Gesetz sollte durch die Anforderung eines schweizerischen Wohnsitzes gewährleistet werden, dass das Unternehmen tatsächlich von der Schweiz aus geleitet wird und dass die leitenden Personen mit den Regeln und Gebräuchen unseres Landes vertraut sind. Ausserdem wurde dadurch der Zugriff auf die Verantwortlichen erleichtert. Die Erste Bankenrichtlinie verbietet jedoch jede diskriminierende Behandlung auf dem Gebiet der Niederlassung und der Dienstleistungen. Die Prinzipien der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sind im übrigen auch in Artikel 31 und 36 des EWR-Abkommens enthalten. Die Bedingung eines Schweizer Wohnsitzes ist deshalb zukünftig unzulässig. Indessen ist die Wahl des Wohnsitzes nicht vollständig frei; dieser muss genügend nahe sein, um die tatsächliche Geschäftsführung zu gewährleisten, was letztlich das angestrebte Ziel ist. So betrachtet ist nicht das Wohnsitzland entscheidend, sondern die geographische Entfernung des

700

Wohnsitzes von der Bank, wo die verantwortlichen Tätigkeiten ausgeübt werden, und von dem ausgeschlossen sein muss, dass er zu weit entfernt ist.

Kantonalbanken (Art. 3 Abs. 4)

Artikel 31quater BV verpflichtet den Bund, in seiner Gesetzgebung "der besonderen Aufgabe und Stellung der Kantonalbanken Rechnung zu tragen". De lege lata bedeutet freilich die Ausnahmeregelung für Kantonalbanken im Bankengesetz nicht, dass diese das Privileg hätten, auf eine angemessene Struktur verzichten zu können. Das Gesetz überlässt lediglich den Kantonen die Möglichkeit, die Organisation in ihrer eigenen Gesetzgebung zu regeln. Im Rahmen des EWR-Abkommens können die Kantonalbanken auch sonst keine privilegierte Behandlung mehr gemessen. Darüber hinaus ist es nach dem europäischen Gerichtshof nicht ausreichend, einfach eine EGRichtlinie in der Praxis anzuwenden; diese muss vielmehr in die Gesetzgebung umgesetzt werden. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, im Bankengesetz zu präzisieren, dass die Kantone in ihrem Bereich angemessene Massnahmen ergreifen müssen. Insbesondere muss eine von der Bank unabhängige Behörde geschaffen werden, welche die Organisation bestimmt und eine einwandfreie Geschäftstätigkeit gewährleistet.

Identität der Aktionäre (Art. 3 Abs. 5 und 6)

Die Meldepflicht

für Aktionäre,

die einen

massgebenden Einfluss

auf die

Geschäftsführung einer Bank haben, entspricht dem Bedürfnis nach Transparenz, Sie leitet sich aus Artikel 11 der Zweiten Bankenrichtlinie ab, der zugleich noch weitere ergänzende Sicherheitsschranken enthält. Die Zweite Bankenrichtlinie geht davon aus, dass mit einer qualifizierten Beteiligung (mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmen) ein maßgebender Einfluss auf die Geschäftsführung möglich ist. Indessen bestimmt letztlich selbstverständlich nicht nur die tatsächliche Beteiligung, sondern auch die Streuung des übrigen Kapitals den effektiven Einfluss eines Aktionärs. So können auch kleinere Beteiligungen zuweilen einen massgebenden Einfluss erlauben.

Dies ist namentlich dann der Fall, wenn mehrere Aktionäre als eine einheitliche Aktionärsgruppe zu betrachten sind oder wenn das Gesellschaftskapital breit gestreut ist.

701

Die Meldepflicht für Beteiligungen, die nach der Zweiten Bankenrichtlinie auch für die Bank gilt, bezweckt, Interessenkonflikte und unangemessene Gruppenstrukturen zu verhindern, welche die Leitung einer Bank nach den Prinzipien einer umsichtigen und soliden Geschäftsführung behindern könnten.

Die Nichterfüllung der Meldepflicht nach diesen beiden Absätzen fallt unter die Strafbestimmung des Verwaltungsstrafrechts nach Artikel 49 Absatz l Buchstabe e BankG.

Internationale Tätigkeit (Art. 3 Abs. 7)

In den EWR-Staaten werden die Banken verpflichtet sein, der Aufsichtsbehörde ihres Landes die Eröffnung einer Zweigniederlassung in einem anderen EWR-Staat zu melden. Darüber hinaus müssen sich nach Artikel 7 der Zweiten Bankenrichtlinie vor der Erteilung einer Bewilligung die Aufsichtsbehörden gegenseitig konsultieren, wenn die betreffende Bank das Tochter- oder Schwesterunternehmen eines zugelassenen Kreditinstituts in einem anderen EWR-Staat ist. Die Bankenkommission muss somit über die Pläne der Banken auf internationaler Ebene informiert werden. Die Anwendung der Bestimmung "erga omnes" ist logisch und notwendig im Hinblick auf eine einheitliche Praxis und namentlich die konsolidierte Aufsicht.

Diese Bestimmung gibt indessen keinen Rechtsanspruch auf eine internationale Ausweitung der Tätigkeit. Artikel 19 der Zweiten Bankenrichtlinie sieht im übrigen ausdrücklich vor, dass die Zustimmung zur Errichtung einer Zweigstelle im Ausland durch die Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes verweigert werden kann, wenn eine Bank nicht über eine angemessene Verwaltungsstruktur und Finanzlage verfügt. Es handelt sich mit anderen Worten um den gleichen Grundsatz, wie er im geltenden Artikel 7 BankV formuliert ist, wo der Bankenkommission die Möglichkeit gegeben wird, die Erweiterung des Aufgabenkreises und des geographischen Geschäftsbereichs zu untersagen, wenn die erforderlichen finanziellen Möglichkeiten und die Verwaltungsorganisation nicht entsprechend sind.

Wie bei den beiden vorangehenden

Absätzen unterliegt die Verletzung dieser

Bestimmung der Strafbestimmung nach Artikel 49 Absatz l Buchstabe e BankG.

702

Tochterunternehmen (Art. Bquater)

Artikel 31 und 34 des EWR-Abkommens verpflichten die EWR-Staaten

zur

Gleichbehandlung natürlicher und juristischer Personen aus den EWR-Staaten. Sie verbieten damit in bezug auf Personen und Unternehmen aus diesen Ländern die Anwendung von Sonderbestimmungen für ausländisch beherrschte Banken, wie sie in Artikel 3bis und 3ter BankG vorgesehen sind. Personen aus einem anderen EWR-Staat, die in der Schweiz eine Bank, d.h. in diesem Zusammenhang ein juristisch unabhängiges Institut nach Schweizer Recht und nicht eine Zweigniederlassung, eröffnen möchten, müssen für die Erteilung einer Bewilligung wie Schweizer behandelt werden und die Zusatzbedingungen nach Artikel 3bis und 3ter nicht mehr erfüllen.

Diese gelten indessen weiterhin für die übrigen Länder.

Freilich muss präzisiert werden, dass nach Schweizer Recht in bezug auf das Gegenrecht, als eine der Bedingungen von Artikel 3bis BankG, nicht in jedem Falle ausreicht, dass der Gründer oder Hauptaktionär seinen Sitz oder Wohnsitz in einem Land hat, welches das Gegenrecht gewährleistet. Wenn diese selbst wieder von anderen natürlichen oder juristischen Personen beherrscht werden, die ihrerseits wirtschaftlich berechtigt sind, müssen letztere ebenfalls auf ihre Herkunft überprüft werden. Diese Regelung muss auch hier sinngemäss angewendet werden.

Dementsprechend sind Artikel 3bis und 3ter auch auf ein grundsätzlich einem schweizerischen Unternehmen gleichgestelltes EWR-Unternehmen anwendbar, das eine Bank gründen oder eine beherrschende Beteiligung erwerben will, wenn festgestellt wird, dass die wirtschaftlich Berechtigten an diesem Unternehmen aus einem Drittland kommen.

Beschränkung von Beteiligungen (Art. 4 Abs. 2bis)

Artikel 12 der Unternehmen, Sicherheit und wirtschaftliche

Zweiten Bankenrichtlinie beschränkt die Beteiligungen der Banken an die ausserhalb des Finanzbereichs sind, einerseits aus Gründen der der Immobilisierung von Aktiven, anderseits wegen der Tatsache, dass Risiken die Bewertung der Zahlungsfähigkeit einer Bank beträchtlich

erschweren können. Diese Beschränkungen haben indessen kaum Konsequenzen für unsere Banken, denn der Eigenmittelunterlegungssatz, der durch die geltende Bankenverordnung von den Banken verlangt wird, schränkt die Beteiligungsmöglichkeiten der Banken an Nichtbanken erheblich ein. Diese Grenzen

703

dürfen allerdings überschritten werden, wenn die Beteiligungen zu 100 Prozent durch Eigenmittel gedeckt sind und sich nicht auf Unternehmen erstrecken, deren Tätigkeitsfeld dem Bankengeschäft benachbart ist (Leasing, Factoring, Verwaltung von Anlagefonds, Informatikdienstleistungen und ähnliche Tätigkeiten). Sie gelten ausserdem nicht für Beteiligungen an Versicherungsgesellschaften. Im übrigen ist die vorübergehende Uebernahme von Aktien oder Anteilen im Hinblick auf die Sanierung oder Rettung eines Unternehmens oder die Uebernahmeverpflichtung Wertpapieremissionen während der normalen Dauer erlaubt.

bei

Eigenmittel (Art. 4 Abs. 4)

Die Berechnungsmethoden der EG-Richtlinien für die Egenmittel unterscheiden sich vom schweizerischen System. Dabei wird jedoch allgemein anerkannt, dass die schweizerischen Vorschriften in diesem Bereich ebenso streng, wenn nicht strenger sind als diejenigen der EG (siehe EBK Bulletin 19 S. 7ff.). Indessen müssen gewisse Mindestanforderungen erfüllt sein, was eine Anpassung der Verordnung nötig machen wird. Die Normen über die Eigenmittel und insbesondere der in der Richtlinie 89/647/EWG festgelegte Solvabilitätskoeffizient von 8 Prozent, der die Eigenmittel zu den Aktiven und zu den ausserbilanzmässigen Geschäften in Beziehung setzt, finden ausnahmslos auf alle Banken Anwendung, so dass die Ausnahme, die in unserer Gesetzgebung für die Privatbankiers gemacht wird, nicht beibehalten werden kann.

Ausser der Rücksichtnahme auf die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche bei der Berechnungsmethode für die notwendigen Eigenmittel gibt es im übrigen keinen Grund, Sonderregelungen zugunsten der Privatbankiers beizubehalten, namentlich, seitdem sie ihre Tätigkeit über die Vermögensverwaltung hinaus ausgedehnt haben, auf die sie sich ursprünglich fast ausschliesslich beschränkt hatten. Eine derartige Ausnahme ist nicht mehr gerechtfertigt.

Konsolidierte Aufsicht (Art. 4 Abs. 4 (neu))

Die Notwendigkeit einer konsolidierten Aufsicht über die Bankenkonzerne und dementsprechend die Notwendigkeit, sowohl die Dachgesellschaft wie deren Aufsichtsbehörde angemessen zu informieren, wird allgemein anerkannt. In diesem Zusammenhang ist es zuweilen notwendig, die Namen gewisser Kunden und dem Bankgeheimnis unterliegende Informationen über diese mitzuteilen. Einige Autoren gestehen zu, dass das Bankgeheimnis den notwendigen internen Kontrollen in einer

704

Bankengruppe zum Schütze der Glaubiger nicht im Wege stehen darf (B. Kleiner, in Bodmer/Kleiner/Lutz, Kommentar zum schweizerischen Bankengesetz, Zürich 1982, Ziff. 96 zu Art. 47). Die schweizerische Tochter einer ausländischen Bank muss somit ihrer Muttergesellschaft Informationen über die Positionen bestimmter einzelner Schuldner zur Verfügung stellen können, ohne dass diese dazu ihr Einverständnis geben müssen, damit die Muttergesellschaft sowie die ausländische Aufsichtsbehörde eventuelle Grossrisiken auf konsolidierter Basis überwachen können. Um jede Unklarheit zu beseitigen und um Artikel 5 Absatz l der Richtlinie 83/350/EWG zu erfüllen, wonach kein juristisches Hemmnis den für die konsolidierte Aufsicht notwendigen internen Informationsfluss in einer Gruppe behindern darf, sollte eine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Eine derartige Norm wurde bereits 1986 in Luxemburg eingeführt; die Gesetzgebung dieses EG-Landes enthält eine strafrechtliche Bestimmung, die u.a. auch das Bankengeheimnis schützt.

Die neue Regelung in Artikel 4 Absatz 4 übernimmt die Bestimmungen der oben erwähnten Richtlinie. Diese wird zwar durch eine neue, im April 1992 durch den EGRat angenommene Richtlinie ersetzt; darin werden aber in bezug auf die Informationsübermittlung die gleichen Verpflichtungen festgesetzt. Im übrigen wird die Notwendigkeit eines derartigen Informationsflusses auch in zwei Empfehlungen über die Bankenkontrolle unterstrichen, die der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht kürzlich beschloss. In diesem Ausschuss sind elf der am meisten industrialisierten Länder, darunter die Schweiz, vertreten. Der Verweis auf Artikel 23sexies, gemäss dem die weitergegebenen Informationen vertraulich behandelt werden müssen und entsprechend dem Prinzip der Spezialität nur zu bestimmten Zwecken verwendet werden dürfen, entspricht ebenfalls den Bestimmungen der Gemeinschaft.

(Siehe auch die Erläuterungen zu Art. 23sexies, insbesondere den zweitletzten Abschnitt der allgemeinen Erläuterungen.)

Artikel 4bis Absatz 3

Aufgehoben; siehe Erläuterungen zu Artikel l (5. Abschnitt)

705

Artikel 4ter Absatz 2

Aufgehoben; siehe Erläuterungen zu Artikel l (5. Abschnitt)

Artikel 7 Absatz 5

Aufgehoben; siehe Erläuterungen zu Artikel l (5. Abschnitt)

Kapitalexport

Artikel S

Artikel 8 BankG beinhaltet in der geltenden Fassung eine Melde- bzw.

Bewilligungspflicht für Kapitalexporte, die von Banken auf eigene Rechnung getätigt oder vermittelt werden. Die Schweizerische Nationalbank hat die Restriktionen, welche gestützt auf Artikel 8 BankG den freien Kapitalverkehr behinderten, stufenweise abgebaut. Im Bereich der Kredite und zum Teil der Fremdwährungsemissionen unterliegen die Banken faktisch nur noch einer nachträglichen Meldepflicht. Dagegen besteht für Schweizerfranken-Emissionsgeschäfte eine wirksame Einschränkung in Form der Syndizierungsregel, welche in einem Merkblatt der Nationalbank zu Artikel 8 BankG enthalten ist. Danach dürfen nur dem Artikel 8 BankG unterstehende Banken und Finanzgesellschaften Mitglieder von Syndikaten für auf Schweizerfranken lautende Emissionsgeschäfte sein. Diese Bestimmung verfolgt den Zweck, SchweizerfrankenEmissionsgeschäfte im Inland zu halten und damit dem Fiskus die daraus fliessenden Stempeleinnahmen zu sichern. Diese Vorschrift widerspricht dem EWR-Recht (Artikel 40-45 des EWR-Abkommens und Richtlinie 88/361/EWR). Die Schweiz hat im Zuge der EWR-Verhandlungen auf eine Übergangsfrist verzichtet, so dass die Syndizierungsregel grundsätzlich auf den 1. Januar 1993 aufzugeben ist. Wie weit Regelungen, wie sie Deutschland kennt, wonach wenigstens die Syndikatsführung einem inländischen Institut obliegen muss, den europäischen Normen entsprechen, ist noch ungeklärt. Der Zusammenhang zwischen der Syndizierungsregel und der Stempelsteuer ist von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung. Sollte es nicht gelingen, gleichzeitig mit der Syndizierungsregel auch die Stempelsteuer auf den Emissionen für ausländische Schuldner abzuschaffen, so ist davon auszugehen, dass das Schweizerfranken-Emissionsgeschäft innert kürzester Zeit auf ausländische Finanzplätze abwandert. Die Folgen für den Finanzplatz Schweiz wären verhängnisvoll: Einerseits ginge ein wichtiges Segment und die entsprechenden

706

Arbeitsplätze verloren, andererseits entgingen dem Fiskus auch so die Einnahmen aus der Stempelsteuer. Selbst wenn es gelänge, die Syndiziemngsregel vorderhand de facto beizubehalten, könnte die Nationalbank nach Inkrafttreten des EWR nicht mehr mit der - zur Durchsetzung unerlässlichen - Unterstützung der anderen europäischen Notenbanken rechnen. Die geschilderten Konsequenzen träten auch in diesem Fall ein.

Der Bundesrat hat gemäss Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b des Bundesgesetz über die Stempelabgaben (Änderung vom 4. Okt. 1991, BEI 1991 III 1584) die Kompetenz zur Aufhebung der Umsatzabgabe auf Emissionen ausländischer Schuldner. Gegen diese Gesetzesrevision ist jedoch das Referendum ergriffen worden. Der Bundesrat wird diese Kompetenz somit nur wahrnehmen können, wenn die Revision durch das Volk angenommen wird.

Auf Kapitalexportregelungen darf jedoch nicht völlig verzichtet werden. Die Schutzbestimmungen des EWR-Rechtes erlauben Vorkehrungen bei starken Spannungen auf den Devisenmärkten oder einer Gefährdung der eigenen Geld- und Devisenpolitik. Schutzvorkehrungen dürfen nur bei Dringlichkeit von den Mitgliedstaaten selbst autonom erlassen werden.

Daraus ergibt sich, dass die im geltenden Artikel 8 Absatz 3 BankG genannten Kriterien der wirtschaftlichen Landesinteressen resp. der Gestaltung des Zinsfusses auf dem Geld- und Kapitalmarkt zu weit gefasst sind. Neu nimmt Artikel 8 deshalb auf die EWR-rechtlichen Kriterien Bezug und bietet gleichzeitig der Schweizerischen Nationalbank die Möglichkeit, nötigenfalls gegen Kapitalexporte der Banken einzuschreiten. Da die völkerrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der vom EWR-Abkommen vorgesehenen Konsultationsmechanismen beim Bundesrat liegt, scheint es sinnvoll, die Kompetenz zur Einführung allfalliger Bewilligungspflichten dem Bundesrat zuzusprechen. Da die von der Nationalbank gestützt auf Absatz 2 gestellten Bedingungen in der Regel genereller Natur sein werden, soll die Nationalbank die Ausführungsvorschriften in Verordnungsform erlassen und darin auch das Verfahren regeln können. Über eine ähnliche Kompetenz verfügt sie bereits bei den gestützt auf Artikel 16Î Nationalbankgesetz erlassenen Massnahmen (übermässiger Zufluss von Geldern aus dem Ausland).

Artikel 15 Absatz l

Geändert; siehe Erläuterungen zu Artikel l (5. Abschnitt)

707

Maßnahmen der Aufsichtsbehörde (Art. 23ter Abs. Ibis)

Artikel 23ter Absatz l ermächtigt die Bankenkommission, die erforderlichen Massnahmen zur Herstellung des ordnungsgemässen Zustands und zur Beseitigung der Missstände zu ergreifen. Artikel 11 der Zweiten Bankenrichtlinie sieht vor, dass die Behörde

geeignete

Massnahmen

ergreifen

kann,

wenn

die

Aktionäre

den

Erfordernissen nicht zu entsprechen scheinen. Diese Massnahmen reichen vom Einspruch, der nur vor dem Erwerb von Beteiligungen möglich ist, bis zur Suspendierung des Stimmrechts. Obwohl die allgemeine Bestimmung in Artikel 23ter Absatz l keine abschliessende Aufzählung enthält und der Bankenkommission erlaubt, entsprechend den Umständen alle erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, wird eine klare gesetzliche Grundlage für die Suspendierung des Stimmrechts geschaffen, weil sie einen bedeutenden Eingriff in die privatrechtlichen Beziehungen darstellt.

Artikel 23sexies

Internationale Zusammenarbeit

Allgemeines

Nach Artikel 16 der Zweite Bankenrichtlinie darf das Berufsgeheimnis, welchem die Bankaufsichtsbehörden unterliegen müssen, einem internationalen Informationsaustausch zwischen diesen Behörden nicht entgegenstehen. Artikel 14 dieser Richtlinie sieht einen Informationsaustausch unter Bankaufsichtsbehörden über ausländische Zweigniederlassungen von Banken vor. Es besteht ein offensichtliches Bedürfnis nach einer internationalen Zusammenarbeit zwischen Bank- und Finanzmarktaufsichtsbehörden.

Nur

so können diese

mit der immer

stärker

international und grenzüberschreitend ausgerichteten Tätigkeit der Banken und Finanzhäuser Schritt halten. Internationale Empfehlungen und Artikel 7 der Zweiten Bankenrichtlinie sehen beispielsweise in folgenden Situationen eine Zusammenarbeit unter Bankaufsichtsbehörden vor:

Vor der Zulassung einer Zweigniederlassung oder einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft einer ausländischen Bank soll sich die Aufsichtsbehörde des Gastlandes routinemässig vergewissern, ob die Behörden des Mutterlandes keine Einwände haben. Die Zweite Bankenrichtlinie Konsultationsverfahren zwingend vor.

708

schreibt

ein

solches

Die Aufsichtsbehörden des Gastlandes sollen diejenigen des Mutterlandes bei erheblichen Problemen der Zweigniederlassung oder der

Tochtergesellschaft

informieren und eventuell auch direkt Kontakt mit der Geschäftsleitung der Bank im Herkunftsland aufnehmen. Insbesondere ein Bewilligungsentzug im Gastland sollte vorgängig mitgeteilt werden. Solche Massnahmen können auch die nicht unmittelbar von solchen Massnahmen betroffenen ausländischen Teile einer Bankgruppe und ihre Kunden massiv berühren und müssen deshalb abgesprochen werden.

Analoges gilt umgekehrt. Die Aufsichtsbehörden des Mutterlandes sollen deshalb diejenigen des Gastlandes über wichtige Fragen der laufenden Aufsicht mit Auswirkungen auf Niederlassungen und Tochtergesellschaften im Ausland ebenfalls informieren (z.B. drohender Bewilligungsentzug).

Eine internationale Zusammenarbeit ist aber auch in den leider nicht seltenen Fällen nötig, in denen Vertreter der Finanzunterwelt versuchen, sich durch eine geschickte internationale Aufteilung ihrer unbewilligten Bankaktivitäten dem Zugriff aller betroffenen Aufsichtsbehörden zu entziehen.

Eine Zusammenarbeit ist aber nicht nur zwischen Bankaufsichtsbehörden unter sich, sondern auch zwischen diesen und ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden notwendig. In einzelnen Staaten wie Belgien vereint eine Behörde sämtliche Aufsichtsfunktionen, in anderen Ländern wie dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten oder Frankreich bestehen getrennte Aufsichtsbehörden. Eine Zusammenarbeit kann nötig werden, wenn schweizerische Universalbanken im Ausland im Wertpapiergeschäft tätig werden wollen und damit der entsprechenden Aufsicht unterstehen. Diese Aufsichtsbehörde hat legitimerweise ähnliche Informationsbedürfnisse wie sie bei der Errichtung einer Bankniederlassung dargestellt wurden. Umgekehrt kann die schweizerische Bankaufsichtsbehörde, welche nach dem Prinzip der Heimatlandüberwachung auch das ausländische Wertpapiergeschäft einer schweizerischen Bank auf konsolidierter Basis zu überwachen hat, auf ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörden angewiesen sein.

Gegenstand des internationalen Austausches bilden in erster Linie und weitaus überwiegend Informationen, welche aussdiliesslich die beaufsichügten Unternehmen

709

selbst betreffen. Zu denken ist an statistisches Material über die Bonität der Institute, wie deren Eigenmittel, Liquidität und Risikostruktur. Wichtig können aber auch nichtstatistische Angaben sein, wie Eindrücke der Aufsichtsbehörde über die Organisation,

inteme

Kontroll-

und Meldeverfahren

oder

die

Qualität des

Management. Der Austausch kann auch Berichte über einzelne für die finanzielle Situation bedeutsame Vorkommnisse umfassen. Solange all diese Informationen keine Kundendaten betreffen, ist die internationale Zusammenarbeit, welche meist im Interesse der betroffenen Institute liegt, weitgehend unproblematisch. Sie wird in eingeschränktem Umfang bereits heute praktiziert, was noch nie zu irgendwelchen Beanstandungen geführt hat.

In seltenen Fällen kann der Informationsaustausch auch oder sogar ausschliesslich Kunden von Banken betreffen. Derartige Daten unterliegen dem Bankgeheimnis. So müssen Grossrisiken sowohl durch einen Bankkonzern selbst

als auch die

Aufsichtsbehörde konzemweit überwacht werden können. Auch die schweizerische Aufsichtspraxis verlangt von schweizerischen Bankkonzemen mit Töchtern im Ausland die Meldung von Grossrisiken auf konsolidierter Basis. Ohne konzernweit geltende Kredit- und Positionslimiten lässt sich ein moderner Bankkonzern nicht führen. Neben der Ueberwachung der Grossrisiken ist in Zukunft aber auch an eine Zusammenarbeit unter Aufsichtsbehörden bezüglich der Kontrolle des Aktionärskreises einer Bank zu denken (vgl. Vorschlag zu Artikel 3 Abs. 5 und 6 BankG).

Es bestehen heute in der schweizerischen Rechtsordnung nur am Rande Vorschriften über Zusammenarbeit und Amtshilfe zwischen Aufsichtsbehörden. Jedenfalls ist jede Anwendung von Zwangsmassnahmen ausgeschlossen. Auch wo solche nicht zur Diskussion stehen, ist fraglich,

wieweit das Amtsgeheimnis einer

Weitergabe

behördeninternen Wissens an ausländische Stellen entgegensteht. Bei international tätigen Bankkonzemen orientiert die Bankenkommission interessierte ausländische Behörden über dringliche Massnahmen, wie z.B. einen Bewilligungsentzug.

Informationen werden vereinzelt auch im Rahmen von Ermittlungen gegen international tätige Gesellschaften mit unerlaubter Banktätigkeit ausgetauscht (vgl. den Bundesgerichtsentscheid vom 11. Nov. 1991, publiziert in EBK Bulletin 22). In der Lehre wurde die Auffassung vertreten, ein derartiger (beschränkter) Informationsaustausch liege im Rahmen der Amtspflichten der Bankenkommission.

Trotz dieser Stimmen drängt sich eine eindeutige gesetzliche Regelung über Zulässigkeit und Schranken der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden auf.

Diese Regelung soll nicht nur für EWR-Vertragsstaaten, sondern für alle Länder ("erga

710

omnes") gelten. Etwas anderes würde für die zahlreichen schweizerischen Auslandsbanken aus Nicht-EWR-Staaten eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung bedeuten.

Erläuterung des Vorschlags Artikel 23sexies Absatz l gibt den Grundsatz wieder, dass die Bankenkommission sowohl ausländische Bank- als auch andere Finanzmarktaufsichtbehörden um Auskünfte ersuchen kann. Nach Absatz S besteht die Möglichkeit, dass der Bundesrat in Staatsverträgen für einzelne Länder diese Behörden genau bezeichnet.

Spontan oder auf Anfrage, welche an keine Form gebunden ist, darf die Bankenkommission ihrerseits an ausländische Aufsichtsbehörden auch Auskünfte erteilen, welche nicht auf öffentlichen Quellen beruhen und deshalb dem Amtsgeheimnis unterstehen (Abs. 2). Es besteht jedoch kein Anspruch ausländischer Behörden. Es kommt ihnen auch keine Parteistellung zu, soweit nach Absatz 3 das Verwaltungsverfahrensgeset/ Anwendung findet. Die Auskunftserteilung ist 2udem an enge im Gesetz genannte Voraussetzungen gebunden: Die ausländischen Behörden dürfen im Sinne der Spezialität die Informationen nur zur direkten Beaufsichtigung von Banken oder andern bewilligungspflichtigen Finanzintermediären verwenden (Abs. 2 Bst. a). Dazu gehört nicht die Durchsetzung reiner Marktüberwachungsvorschriften (z.B. Verbote des Insiderhandels und der Kursmanipulation, Offenlegungspflichten von Beteiligungen an börsenkotierten Unternehmen). Ueber die Amtshilfe für solche Fragen ist im Zusammenhang mit der Schaffung eines eidgenössischen Börsengesetzes zu entscheiden. Institutsbezogene Amtshilfe z.B. über einen ausländischen Effektenhändler oder eine Gesellschaft, welche wahrscheinlich eine unbewilligte Banktätigkeit ausübt, kann dagegen aufgrund des Vorschlags geleistet werden.

Die ausländischen Behörden müssen zudem an das Amts-, beziehungsweise an das Berufsgeheimnis im Falle von privaten Organisationen mit hoheitlichen Aufsichtsfunktionen, gebunden sein (Abs. 2 Bst. b).

711

Darüber hinaus dürfen sie die Informationen nicht ohne Zustimmung der Bankenkommission an Dritte weiterleiten (Abs. 2 Bst. c). Die Bankenkommission wird normalerweise nur zustimmen, wenn die Informationen an Finanzmarktaufsichtsbehörden weitergeleitet werden sollen, welche ihrerseits die Anforderungen von Artikel 23sexies Absatz 2 erfüllen. Es sind aber beispielsweise Fälle denkbar, wo ein legitimes und dringendes öffentliches Interesse eine Veröffentlichung von Informationen verlangt.

Wie die Bankenkommission nach Würdigung aller auf dem Spiel stehenden Interessen Informationen selbst veröffentlichen kann, soll dies auch ausländischen Behörden in Ausnahmefällen nicht verwehrt sein, sogar wenn die Informationen auf Auskünfte aus der Schweiz abstellen. Von solchen Spezialfällen abgesehen kann der Bundesrat in Staatsverträgen mit einzelnen Staaten zum voraus die Behörden oder Stellen genau bezeichnen, an welche Informationen weitergegeben werden dürfen. Eine Weiterleitung von Informationen könnte zum Beispiel darin bestehen, sie als Grundlage für eine Strafanzeige zu verwenden. Dies soll nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein.

Auch die Bankenkommission ist nach Bankengesetz (Artikel 23ter Abs. 4) verpflichtet, strafrechtliche Verstösse gegen das Bankengesetz oder das gemeine Strafrecht bei den zuständigen Behörden anzuzeigen. Es wäre zudem nicht sinnvoll zu verlangen, dass die ausländische Strafjustiz sich die gleichen Informationen auf dem Rechtshilfeweg beschaffen müsste, welche die Aufsichtsbehörde des betreffenden Landes bereits auf dem Weg der Amtshilfe erhalten hat. Die Amtshilfe darf aber nicht dazu dienen, ausländischen Strafjustizbehörden Informationen zu verschaffen, welche sie auf dem Weg der Rechtshilfe in Strafsachen nicht erhalten könnten (Abs. 2 Bst. c, zweiter Satz). Die Bankenkommission hat deshalb in solchen Fällen vor ihrer Zustimmung das für die Rechtshilfe in Strafsachen zuständige Bundesamt für Polizeiwesen zu konsultieren, welches mit der Weiterleitung der Information einverstanden sein muss, (Abs. 2 Bst. c, letzter Satz). Ein vollständiger Vorbehalt der Rechtshilfe in Strafsachen, d.h. ein Auschluss der Weiterleitung von Informationen an Strafbehörden, wäre mit Artikel 16 der Zweiten Bankenrichtlinie nicht vereinbar. Von der Sache her besteht dennoch kaum die Gefahr, dass die Rechtshilfe in Strafsachen umgangen wird.

Die auf dem Weg der Amtshilfe übermittelten Informationen sind aufsichtsbezogen und genügen den förmlichen Beweisanforderungen des Strafrechts in den wenigsten Fällen.

Die ausländischen Strafbehörden werden deshalb nach wie vor auf den Weg der Rechtshilfe in Strafsachen angewiesen sein. Die neue Besümmung erlaubt aber, im Einzelfall unnötigen Zeitverlust und administrativen Aufwand zu vermeiden, ohne die Betroffenen ohne Rechtsschutz zu lassen.

712

Unter diesen strengen Voraussetzungen ist grundsätzlich auch die Weitergabe von Informationen möglich, welche nicht ausschliesslich die Banken selbst, ihre Organe und qualifiziert an ihr Beteiligte, sondern einzelne Bankkunden betreffen. Zu denken ist z.B. an Angaben über Grossschuldner im Rahmen der konsolidierten Uebenvachung einer ausländischen Bankgruppe oder an ausländische Gesellschaften mit unerlaubter Banktätigkeit,

welche

über

ein

Schweizer

Bankkonto

Publikumseinlagen

entgegenehmen. In diesen Fällen hat die Bankenkommission aber den betroffenen Banken und Bankkunden eine nach den Regeln des Verwaltungsverfahrensgesetzes erlassene Verfügung zu eröffnen (Abs. 3). Diese Verfügung ist von allen Parteien mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anfechtbar. Der ausländischen Behörde kommt keine Parteistellung zu. Ein Verzicht auf eine vorherige Anhörung der Betroffenen und eine sofortige Vollstreckung der Verfügung ist nach geltendem Recht zwar möglich. Sie wird aber nur in Ausnahmefällen, z.B. bei einer akuten und schweren Gläubigergefährdung, erfolgen dürfen. Wenn und soweit nötig, kann die Bankenkommission gestützt auf Artikel 23bis Absatz l BankG sichernde Massnahmen treffen. Zu weit ginge es, die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes auch bei der rein institutsbezogenen Amtshilfe zu verlangen, welche einzig die Banken selbst betrifft. Sie muss auch mündlich, formlos und ohne administrative Hindernisse möglich bleiben.

Artikel 15 der Zweiten Bankenrichtlinie verpflichtet die Vertragsstaaten, direkte Kontrollen vor Ort von Zweigniederlassungen von Banken durch die Aufsichtsbehörden des Herkunftsstaates (oder durch ihre Beauftragte) zuzulassen. Dies entspricht dem weltweit in der Barikaufsicht anerkannten Prinzip der Heimatlandkontrolle. Da solchen Kontrollen grundsätzlich Artikel 271 des Strafgesetzbuchs entgegensteht, ist es angebracht, diese Möglichkeit im Gesetz ausdrücklich vorzusehen (Abs. 4). Damit ist auch klargestellt, dass das Bankgeheimnis solchen Kontrollen nicht entgegensteht. Gegenüber Vertragsstaaten des EWR ist die Vorschrift zwingend. Gegenüber andern Ländern soll die Bankenkommission im Einzelfall die gleiche Erlaubnis geben können. Auch hier besteht zudem die Möglichkeit einer bilateralen Regelung der Einzelheiten in einem durch den Bundesrat abzuschliessenden Staatsvertrag (Abs. 5).

Schliesslich enthält der Gesetzesentwurf in Absatz 5 eine Delegation an den Bundesrat, den Informationsaustausch mit ausländischen Aufsichtsbehörden in Staatsverträgen zu regeln. Diese müssen vom Parlament nicht mehr genehmigt werden. Dagegen sind die in Absatz 2 genannten Beschränkungen bezüglich der Verwendung der Informationen

713

durch die ausländischen Aufsichtsbehörden in diesen Verträgen zu beachten. Auch wenn der Gesetzesentwurf die Amtshilfe nicht von derartigen Staatsverträgen abhängig macht, bleiben diese sinnvoll. Einerseits kann darin eine gegenseitige Verpflichtung zur Amtshilfe verankert, andererseits können, wie erwähnt, wichtige Details geregelt werden.

Artikel 46 Absatz l Buchstabe f

Diese Strafbestimmung muss, im Einklang mit dem Verbot nach Artikel l Absatz 2, von der unbefugten Entgegennahme von Spareinlagen zusätzlich auf die unbefugte Entgegennahme jeglicher Art von Publikumsgeldern ausgedehnt werden. Der Hinweis auf den speziellen Begriff "Spareinlage" muss indessen beibehalten werden, denn diese Einlagen weisen einige Besonderheiten auf und gemessen Privilegien im Konkursfall und dürfen nur von Banken entgegengenommen werden, die öffentlich Rechnung ablegen (Art. 15 BankG). Privatbankiers, die ihre Rechnung nicht veröffentlichen, dürfen solche Einlagen nicht entgegennehmen. Die Gelder, die sie entgegennehmen, sind gewöhnliche Publikumseinlagen ohne den Charakter von Spareinlagen.

714

Bundesbeschluss

Entwurf

über die Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992 '>, beschliesst: I

Das Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (BankG)2> wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung) in Ausführung der Artikel 31-46 des Abkommens vom 2. Mai 19923> über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Anhänge IX und XII, die sich auf die folgenden Erlasse beziehen: - die Erste Richtlinie Nr. 77/780 des Rates vom 12. Dezember 1977") zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Erste Bankenrichtlinie), - die Zweite Richtlinie Nr. 89/646 des Rates vom 15. Dezember 19895) zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG (Zweite Bankenrichtlinie), - die Richtlinie Nr. 83/350 des Rates vom 13. Juni 19836) über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis, - die Richtlinie Nr. 88/361 des Rates vom 24. Juni 1988" zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (Kapitalverkehrsrichtlinie),

" BBI 1992 V 693 « SR 952.0 3 > AS 1993 ...

·" EWRS...; ABI. Nr. L 322 vom 17. 12. 1977, S. 30, geändert durch die Richtlinien Nr. 85/345 (EWRS...; ABI. Nr. L 183 vom 16. 7. 1985, S. 19) und Nr 86/524 (EWRS 5

ABI. Nr. L 309 vom 4. 11. 1986, S. 15)

> EWRS...; ABI. Nr. L 386 vom 30. 12. 1989 S l «> EWRS...; ABI. Nr. L 193 vom 18. 7. 1983 S 18 7 > EWRS...; ABI. Nr. L 178 vom 8. 7. 1988, S. 5

715

Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen. BB

- die Richtlinie Nr. 89/117 des Rates vom 13. Februar 1989 >> über die Pflichten der in einem Mitgliedstaat eingerichteten Zweigniederlassungen von Kreditinstituten und Finanzinstituten mit Sitz ausserhalb dieses Mitgliedstaats zur Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen, - die Richtlinie Nr. 89/299 des Rates vom 17. April 1989^ über die Eigenmittel von Kreditinstituten, - die Richtlinie Nr. 89/647 des Rates vom 18. Dezember 1989 3> über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kreditinstitute,

Art. l Ahs. 2 und 4 1 Natürliche und juristische Personen, die nicht diesem Gesetz unterstehen, dürfen keine Publikumseinlagen gewerbsmässig entgegennehmen. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen, sofern der Schutz der Einleger gewährleistet ist.

4 Der Ausdruck «Bank» oder «Bankier», allein oder in Wortverbindungen, darf in der Firma, in der Bezeichnung des Geschäftszweckes und in der Geschäftsreklame nur für Institute verwendet werden, die eine Bewilligung der Eidgenössischen Bankenkommission (im folgenden Bankenkommission genannt) als Bank erhalten haben. Vorbehalten bleibt Artikel 2 Absatz 3.

Art. 2 Abs. 3 (neu) 3 Banken und Finanzinstitute aus einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes können in der Schweiz grenzüberschreitend oder durch Eröffnung einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer Vertretung im Rahmen der anwendbaren Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts sowie des Anhangs IX zum Abkommen ohne Bewilligung der Bankenkommission tätig sein.

Die Bankenkommission regelt die Ausnahmen.

Art. 3 Abs. 2 Bst. b, chis (neu) und d, Abs. 4 und 5-7 (neu) 2 Die Bewilligung wird erteilt, wenn b. die Bank das vom Bundesrat festgelegte voll einbezahlte Mindestkapital aufweist; cbis die natürlichen und juristischen Personen, welche direkt oder indirekt mit mindestens 10 Prozent des Kapitals oder der Stimmen an der Bank beteiligt sind oder ihre Geschäftstätigkeit auf andere Weise massgebend beeinflussen können (qualifizierte Beteiligung), gewährleisten, dass sich ihr Einfluss nicht zum Schaden einer umsichtigen und soliden Geschäftstätigkeit auswirkt;

'> EWRS...; ABI. Nr. L 44 vom 16. 2. 1989, S. 40 y EWRS...; ABI. Nr. L 124 vom 5. 5. 1989, S. 16 » EWRS...; ABI. Nr. L 386 vom 30. 12. 1989, S. 14

716

Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen. BB

d. die mit der Geschäftsführung betrauten Personen der Bank an einem Ort Wohnsitz haben, wo sie die Geschäftsführung tatsächlich und verantwortlich ausüben können.

4

Die Absätze l, 2 und 3 finden keine Anwendung auf die Kantonalbanken. Die Kantone stellen die Einhaltung entsprechender Voraussetzungen sicher. Als Kantonalbanken gelten die durch kantonalen gesetzlichen Erlass errichteten Banken, für deren Verbindlichkeiten der Kanton haftet, sowie die durch kantonalen gesetzlichen Erlass vor 1883 errichteten Banken, für deren Verbindlichkeiten der Kanton zwar keine Haftung übernimmt, die aber unter Mitwirkung der kantonalen Behörden verwaltet werden.

5

Jede natürliche oder juristische Person hat der Bankenkommission Meldung zu erstatten, bevor sie direkt oder indirekt eine qualifizierte Beteiligung nach Absatz 2 Buchstabe cbis an einer nach schweizerischem Recht organisierten Bank erwirbt bzw. veräussert. Diese Meldepflicht besteht auch, wenn eine qualifizierte Beteiligung in solcher Weise vergrössert bzw. verkleinert wird, dass die Schwellen von 20, 33 oder 50 Prozent des Kapitals oder der Stimmen erreicht oder über- bzw. unterschritten werden.

6

Die Bank meldet Personen, welche die Voraussetzungen nach Absatz 5 erfüllen, sobald sie davon Kenntnis erhält, mindestens jedoch einmal jährlich.

7

Nach schweizerischem Recht organisierte Banken müssen der Bankenkommission Meldung erstatten, bevor sie im Ausland eine Tochtergesellschaft, eine Zweigniederlassung, eine Agentur oder eine Vertretung errichten.

Art. SO"*"' (neu)

Die Artikel 3bis und 3'" sind nicht anwendbar, wenn Staatsangehörige aus einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes sowie juristische Personen mit Sitz in einem der Vertragsstaaten eine nach schweizerischem Recht organisierte Bank gründen, übernehmen oder eine qualifizierte Beteiligung daran erwerben. Wird die juristische Person ihrerseits direkt oder indirekt von Staatsangehörigen aus keinem der Vertragsstaaten oder von juristischen Personen ohne Sitz in einem der Vertragsstaaten beherrscht, sind die Artikel 3bis und 3ter anwendbar.

An. 4 Abs. 2bis (neu) und 4 zbis

Die Beiteiligung einer Bank an einem Unternehmen ausserhalb des Finanzbereichs darf 15 Prozent ihrer eigenen Mittel nicht überschreiten. Das Total dieser Beteiligungen darf 60 Prozent der eigenen Mittel nicht überschreiten. Der Bundesrat regelt die Ausnahmen.

"Zur Gewährleistung der konsolidierten Aufsicht dürfen Banken ihren Muttergesellschaften, die ihrerseits von einer Bank- oder Finanzmarktaufsichtsbehörde beaufsichtigt werden, alle notwendigen Informationen übermitteln. Artikel 23sexies Absatz 2 ist sinngemäss anwendbar.

717

Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen. BB

Art. 4bis Abs. 3, 4ter Abs. 2 und 7 Abs. 5 Aufgehoben Art. 8 1 Im Falle von kurzfristigen, aussergewöhnlichen Kapitalabflüssen, welche die schweizerische Geld- und Währungspolitik ernstlich gefährden, kann der Bundesrat anordnen, dass die Banken eine Bewilligung der Schweizerischen Nationalbank einholen, bevor sie eines der folgenden Geschäfte abschliessen oder sich daran beteiligen: a. Plazierung oder Übernahme von Anleihensobligationen, Reskriptionen oder anderen Schuldverschreibungen, die auf einen Schuldner mit Wohnoder Geschäftssitz im Ausland lauten, oder von nicht verurkundeten Rechten mit gleicher Funktion (Wertrechten) oder von abgeleiteten Instrumenten (Derivaten); b. Begründung, Erwerb oder Vermittlung von Buchforderungen jeder Art gegen Schuldner mit Wohn- oder Geschäftssitz im Ausland.

2 Die Nationalbank kann eine Bewilligung verweigern oder an Bedingungen knüpfen, soweit dies notwendig ist, um eine zielgerechte Geld- und Währungspolitik zu führen. Die Prüfung der Risiken eines Geschäfts ist nicht Sache der Nationalbank.

3 Die Nationalbank kann gegebenenfalls zur Verordnung des Bundesrates Ausführungsvorschriften erlassen.

Art. 15 Abs. l 1 Einlagen, die in irgendeiner Wortverbindung durch den Ausdruck «Sparen» gekennzeichnet sind, dürfen nur entgegengenommen werden von Banken, die öffentlich Rechnung ablegen. Alle andern Unternehmen sind zur Entgegennahme von Spareinlagen nicht berechtigt und dürfen weder in der Firma noch in der Bezeichnung des Geschäftszweckes, noch in Geschäftsreklamen den Ausdruck «Sparen» mit Bezug auf die bei ihnen gemachten Geldeinlagen verwenden.

An. 23'" Abs. lbis (neu) lbis Zur Durchsetzung von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe cbis und Absatz 5 dieses Gesetzes kann die Bankenkommission insbesondere das Stimmrecht suspendieren, das an Aktien oder Anteile gebunden ist, die von Aktionären oder Gesellschaftern mit einer qualifizierten Beteiligung gehalten werden.

Art. 23ssxics (neu) 1

Die Bankenkommission kann zur Durchsetzung dieses Gesetzes ausländische Bank- und Finanzmarktaufsichtsbehörden um Auskünfte und Unterlagen ersuchen.

718

Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen. BB

2 Die Bankenkommission darf ausländischen Bank- und Finanzmarktaufsichtsbehörden nicht öffentlich zugängliche Auskünfte und Unterlagen übermitteln, sofern diese Behörden: a. diese Informationen nur zur direkten Beaufsichtigung von Banken oder anderen bewilligungspflichtigen Finanzintermediären verwenden; b. an das Amts- oder Berufsgeheimnis gebunden sind; und c. diese Informationen nicht ohne vorgängige Zustimmung der Bankenkommission oder aufgrund einer generellen Ermächtigung in einem Staatsvertrag gemäss Absatz 5 an Dritte weiterleiten. Die Weiterleitung von Informationen an Strafbehörden ist unzulässig, wenn die Rechtshilfe in Strafsachen ausgeschlossen wäre. Die Bankenkommission entscheidet im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Polizeiwesen.

3 Soweit die von der Bankenkommission zu übermittelnden Informationen einzelne Bankkunden betreffen, ist das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren 1 ' anwendbar.

4

Bei schweizerischen Zweigniederlassungen von Banken mit Sitz in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes können die Bankaufsichtsbehörden des Vertragsstaates oder deren Beauftragte im Rahmen von Absatz 2 direkte Kontrollen vornehmen. Sie haben die Bankenkommission vorher über ihre Absicht zu unterrichten. Im Rahmen der Bedingungen nach den Absätzen 2 und 3 kann die Bankenkommission auch Aufsichtsbehörden aus anderen Staaten zu direkten Kontrollen bei schweizerischen Zweigniederlassungen ermächtigen.

5

Der Bundesrat ist im Rahmen von Absatz 2 befugt, die Zusammenarbeit mit ausländischen Aufsichtsbehörden in Staatsverträgen zu regeln.

Art. 46 Abs. l Bst.f f. unbefugterweise Publikums- oder Spareinlagen entgegennimmt, II 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich. Er gilt so lange, als das Abkommen vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum in Kraft steht.

2 Er unterliegt aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen1) der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

·> SR 172.021 z

> AS ...

719

92.057^14

5.5

Bundesbeschluss

über

ein

Uebergangssystem

für

den

Informationsaustausch im Börsenbereich Die Richtlinien, die hier nur mit den entsprechenden Nummern erwähnt werden, sind im Ingress des Bundesbeschlusses vollständig aufgeführt.

In der Botschaft des Bundesrates zum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum werden im Kapitel über die Finanzdienstleistungen (Ziff. 7.42) alle Bestimmungen des EG-Rechts zu Börse und Effektenhandel erwähnt (Punkt l der Ziff.

7.423), die wir in unser Recht übernehmen müssen. Für deren Umsetzung ist eine zweijährige Uebergangsfrist vorgesehen. Mit dem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG), das zurzeit in Vorbereitung ist (vgl. Est. b des Punktes l, Ziff. 7.433 der bereits erwähnten Botschaft), werden die Bestimmungen im wesentlichen in das schweizerische Recht übertragen.

Der Anhang IX des EWR-Abkommens verlangt indessen, dass der in den Richtlinien festgelegte Informationsaustausch schon während der Uebergangsperiode, d.h. ab Inkrafttreten des Abkommens gewährleistet werden muss. Deshalb wird ein Uebergangssystern für den Informationsaustausch im Börsenbereich geschaffen. Die Beteiligung am Informationsaustausch ist für die EG und unsere EFTA-Partner eine unerlässliche Bedingung, um gleichberechtigt am Finanzdienstleistungsmarkt teilhaben zu können. Den Informationsaustausch nicht garantieren zu können, käme einer Verletzung der durch das EWR-Abkommen eingegangenen Verpflichtungen gleich.

Damit würden wir uns auch Gegenmassnahmen von Seiten der EWR-Staaten in bezug auf den gemeinsamen Finanzdienstleistungsmarkt aussetzen. Im folgenden wird der Bundesbeschluss

über

die

Schaffung

eines

Uebergangssystems

für

den

Informationsaustausch im Börsenbereich erläutert. Er enthält nur Bestimmungen, die für das Funktionieren des Informationsaustauschs während der Uebergangsperiode unabdingbar sind und den Prinzipien unserer Rechtsordnung entsprechen.

720

Artikel l legt den Zweck des Beschlusses fest. Es gilt, während der Uebergangsperiode die internationale Zusammenarbeit, wie sie die im Ingress genannten Richtlinien fordern, sicherzustellen. Im Rahmen unserer Rechtsordnung soll für einen Informationsaustausch zwischen den nationalen Verwaltungsbehörden der EWRStaaten gesorgt werden. Es geht also nicht um die vorzeitige vollständige Umsetzung der sechs Richtlinien. Der in diesen Richtlinien verlangte Informationsaustausch betrifft insbesondere die Informationen, die im Emissionsprospekt enthalten sein müssen, die den zuständigen Behörden für die Zulassung zur Börsennotierung geliefert werden müssen, die beim Erwerb oder der Veräusserung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft veröffentlicht werden müssen sowie Informationen im Zusammenhang mit behördlichen Ermittlungen bei InsiderGeschäften.

In dem Uebergangssystem, das durch den vorliegenden Beschluss geschaffen wird, werden nur öffentlich zugängliche Informationen weitergegeben sowie solche, die in Anwendung der Bestimmungen unserer Rechtsordnung oder nach Uebereinkunft mit den Betroffenen weitergeleitet werden dürfen.

Ziel ist darum nicht die vorzeitige Umsetzung der Richtlinien,

sondern die

Sicherstellung einer Uebergangsordnung. Der vorliegende Beschluss findet also nur Anwendung, wenn die verlangten Informationen auf keinem anderen Weg, insbesondere nicht über den Weg der Rechtshilfe in Strafsachen, weitergeleitet werden können.

Artikel 2 bezeichnet die Behörden, die im Sinne der Richtlinien für die Sicherstellung des Informationsaustauschs mit den Behörden der anderen EWR-Länder zuständig sind. In allen von der Ubergangsfrist betroffenen Richtlinien wird gefordert, dass die Staaten zuständige Behörden bezeichnen, welche die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Zusammenarbeit sicherstellen und untereinander alle dazu verlangten Informationen austauschen können. (Richtlinien Nr. 79/279, Art. 9 und 18; 80/390, Art. 18; 82/121, Art. 9; 88/627, Art. 12; 89/298, Art. 19; 89/592, Art. 8). In der Schweiz gibt es bis heute noch keine Bundesbehörde mit spezifischen Befugnissen im Börsenbereich, die insbesondere den Informationsaustausch sicherstellen könnte.

Die Eidgenössische Bankenkommission behandelt die Informationsgesuche zu Instituten, die unter das Banken- oder das Anlagefondsgesetz fallen (Abs. 1). Für

721

Informationsgesuche, welche nicht Institute betreffen, die dem Banken- oder dem Anlagefondsgesetz unterstehen, ist das Eidgenössische Finanzdepartement zuständig (Abs. 2). Vor dem Inkrafttreten des Börsengesetzes musste schon einmal eine Bundesbehörde als Ansprechpartnerin für ausländische Aufsichtsbehörden über die Börsentätigkeiten bezeichnet werden. So hat der Bunderat kürzlich das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) formell dazu ernannt (vgl. Memorandum of Understanding vom 30. Okt. 1991 zwischen dem EFD einerseits und dem DTI und dem SIB des Vereinigten Königreichs andererseits, BB11991IV 1118-1122), in den Beziehungen zu einem EG-Mitgliedstaat eine ähnliche Funktion wahrzunehmen, wie sie das EWRAbkommen für die Übergangsperiode vorsieht. Das EFD verfügt in der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) über eine Kontaktstelle für die ausländischen Aufsichtsbehörden über die Finanzmärkte. Die EFV erarbeitet im übrigen auch die Erlasse zum Bankenwesen und zu den Finanzmärkten. Daher scheint es nur natürlich, dass die EFV die Beziehungen zu den ausländischen Aufsichtsbehörden über die Börsenmärkte, die nicht durch die Eidgenössische Bankenkommission gewährleistet werden, so lange koordiniert, bis eine Aufsichtsbehörde in Börsenangelegenheiten bestimmt ist. Ein Ad hoc-Rahmen für den Informationsaustausch soll garantiert werden können. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) wird mit dem EFD bei der Ausarbeitung von Memoranda zusammenwirken, die nötigenfalls abgeschlossen werden. Sie werden auf die Uebergangsperiode befristet.

Artikel 3 besagt, dass der vorliegende Bundesbeschluss allgemeinverbindlich (Abs. 1) und nicht dem fakultativen Referendum unterworfen ist (Abs. 2). Absatz 3 legt den Zeitpunkt des Inkrafttretens fest: Der Bundesbeschluss tritt gleichzeitig mit dem EWRAbkommen in Kraft. Damit ist sichergestellt, dass die Schweiz von diesem Augenblick an uneingeschränkten Zugang zum gemeinsamen Finanzdienstleistungsmarkt hat. Der Bundesbeschluss tritt ausser Kraft, sobald das Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel in Kraft tritt. Diese Präzisierung ist dann von Nutzen, wenn das Börsengesetz

vor

Ende

der

im

Anhang

IX

auf

zwei

Jahre

befristeten

Uebergangsperiode in Kraft treten sollte. Dann wäre das Uebergangssystem vollständig ersetzt, zumal das Börsengesetz die umfassende Umsetzung der Richtlinienbestimmungen sicherstellen wird.

722

Bundesbeschluss betreffend ein Übergangssystem für den Informationsaustausch im Börsenwesen

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 31bis und 31 <»»«<* der Bundesverfassung, in Ausführung der Artikel 36-39 des Abkommens vom 2. Mai 1992 ^ über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) und seines Anhangs IX, der einen Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsparteien während der Übergangsperiode vorschreibt und sich auf folgende Richtlinien bezieht: - Nr. 79/279 des Rates vom 5. März 19792) zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse, - Nr. 80/390 des Rates vom 17. März 19803> zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist, - Nr. 82/121 des Rates vom 15. Februar 1982") über regelmässige Informationen, die von Gesellschaften zu veröffentlichen sind, deren Aktien zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zugelassen sind, - Nr. 88/627 des Rates vom 12. Dezember 1988 5> über die bei Erwerb und Veräusserung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen, - Nr. 89/298 des Rates vom 17. April 1989 s> zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle Öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, - Nr. 89/592 des Rates vom 13. November 19897) zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte,

') AS 1993 ...

-> EWRS ...; ABI. Nr. 066 vom 16. 3. 1979, S. 21, geändert durch die Richilinie 88/627 (EWRS ...: ABI. Nr. L 348 vom 17. 12. 1988. S. 62) 3 > EWRS ...; ABI. Nr. L 100 vom 17. 4. 1980, S. 1. geändert durch die Richtlinien 87/345 (EWRS...; ABI. Nr. L 185 vom 1 . 7 . 1987, S. 81) und 90/211 (F.WRS...- ABI Nr L 122 vom 3. 5. 1990, S. 24) J > EWRS ...; ABI. Nr. L 048 vom 20. 2. 1982, S. 26 5 > EWRS ...; ABI. Nr. L 348 vom 17. 12. 1988, S. 62 " EWRS ...: ABI. Nr. L 124 vom 5. 5. 1989, S. 8 T > EWRS ...; ABI. Nr. L334, vorn 18. I I . 1989, S. 30

723

Ubergangssystem für den Informationsaustausch im Börsenwesen. BB

nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992'>, beschliesst: Art. l

Zweck

Zweck dieses Bundesbeschlusses ist es, den aufgrund der im Ingress enthaltenen Richtlinien erforderlichen Informationsaustausch im Börsenbereich zwischen den Verwaltungsbehörden der EWR-Staaten sicherzustellen.

Art. 2

Zuständige Schweizer Behörden

1

Die Eidgenössische Bankenkommission behandelt im Rahmen ihrer Befugnisse Informationsgesuche zu Instituten, die unter das Banken- oder das Anlagefondsgesetz fallen.

1

Informationsgesuche, welche nicht Institute betreffen, die dem Banken- oder Anlagefondsgesetz unterstehen, werden vom Eidgenössischen Finanzdepartement behandelt.

Art. 3 Schlussbestimmungen 1 Dieser Bundesbeschluss ist allgemeinverbindlich.

2 Er unterliegt aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen 2) der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft und gilt bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel.

5566

'> BB1 1992 V 720 » AS ...

724

6

Rechtsfragen

92.057-45; 92.057-46; 92.057-47

6.1 Bundesbeschlüsse über die Aenderung des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG), des Bundesrechtspflegesetzes (OG) und des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege (BStP)

l

Grundsätzliche Uebereinstimmung unseres Verfahrensrechtes mit dem EWR-Recht

Das Verfahrensrecht auf Bundesstufe bedarf nur weniger Anpassungen, die vor allem den diskriminationsfreien Zugang zu unseren Verfahren betreffen. Insbesondere bei den folgenden Bestimmungen haben wir die Frage der Diskrimination von Staatsangehörigen der EWR-Staaten geprüft und befunden, es seien keine Aenderungen notwendig.

Artikel 21 Absatz l VwVG und Artikel 32 Absatz 3 alt bzw. neu 1 OG

Dass eine Partei nach den genannten Bestimmungen eine prozessuale Frist grundsätzlich nur dann wahren kann, wenn sie die Eingabe innerhalb der Frist der zuständigen Behörde einreicht oder zu deren Händen der schweizerischen Post übergibt, ruft der Frage, ob die Vorschrift mit dem EWR-Recht vereinbar ist. Dies deshalb, weil eine Partei mit ausländischem Wohnsitz wegen dieser Vorschrift die Zeitspanne für die Beförderung einer Eingabe vom Ausland in die Schweiz von der Frist abziehen muss und sie insoweit im Vergleich zur inländischen Partei über weniger Zeit für die Rechtsvorkehr verfügt. Weil dieser Umstand typischerweise

l AS 1992 290

725

Ausländer mit Wohnsitz im Ausland trifft, fragt es sich, ob eine verschleierte Diskriminierung vorliege.

Vorab ist festzuhalten, dass das EWR-Recht die Frage für einen bestimmten Bereich ausdrücklich selber regelt. Es handelt sich um Artikel 86 der Verordnung Nr, 1408/71 des Rates vom 14. Juni 197l2 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern.

Diese Bestimmung wird gegebenenfalls zu Aenderungeh im Sozialversicherungsrecht führen.

Für die anderen Bereiche ist zwischen den gesetzlichen und den behördlich angesetzten Fristen zu unterschieden.

Bei den behördlich angesetzten Fristen kann die Behörde dem ausländischen Wohnsitz der Partei Rechnung tragen, indem sie zum vornherein eine längere Frist ansetzt oder die Frist auf Gesuch der Partei erstreckt3.

Im Unterschied dazu können gesetzliche Fristen nicht erstreckt werden4. Das Bundesgericht hat im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde eine kantonale Verfahrensvorschrift, die ebenfalls nur die schweizerische Post als Aufgabestelle anerkennt, unter dem Blickwinkel von Artikel 4 BV überprüft und ist zum Schluss gelangt, sie lasse sich durch ernsthafte Gründe rechtfertigen und sei nicht überspitzt formalistisch5. Allerdings erging dieser Entscheid unter dem alten Recht und konnte daher das Diskriminierungsverbot nach EWR-Recht noch nicht einbeziehen. Auf der anderen Seite werden nach Artikel 21 Absatz l VwVG bereits seit langem für Verwaltungsverfahren des Bundes und neu nach Artikel 32 Absatz 3 OG auch für die Bundesrechtspflege diplomatische und konsularische Vertretungen der Schweiz im Ausland als Aufgabestellen anerkannt. Der Nachteil für eine Partei mit Wohnsitz im

2

EWRS ...; ABI. Nr. L 149 vom 5.7.1971, S. 2

3

vgl. Art. 22 Abs. 2 VwVG und 33 Abs. 2 OG; vgl. auch Art. 66 Abs. 5 SchKG und

BGE 111 III 5 und 106 HI l 4 Art. 22 Abs. l VwVG und 33 Abs. l OG s

BGE 104 la 4

726

Ausland gegenüber einem Inländer wird damit in vielen Fällen kaum mehr erheblich sein. Falls dies nicht genügt, wird die Praxis aufgrund des geltenden Rechts den Weg finden können, etwa dadurch, dass sie in solchen Fällen Zustellungen per Telefax anerkennt, wenn dieser fristgerecht bei der zuständigen inländischen Behörde eingeht und die fehlende eigenhändige Unterschrift nachgebracht wird6. Unter diesen Umständen besteht kein zwingender Grund, VwVG und OG deswegen zu ändern.

Artikel 29 Absatz 4 OG

Bei dieser Bestimmung kann man sich fragen, ob die Pflicht einer Partei mit ausländischem Wohnsitz, in der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu verzeigen, EWRkonform ist. Indessen besteht eine ähnliche Vorschrift auch für die Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften7. Artikel 29 Absatz 4 OG darf daher als EWR-konform gelten, wenn der Begriff des Zustellungsdomizils weit verstanden und jede Person anerkannt wird, die ermächtigt ist und sich bereit erklärt hat, die Zustellungen entgegenzunehmen.

Artikel 63 Absatz 4 VwVG und Artikel 150 Absatz 2 OG

Zu überprüfen sind auch Bestimmungen, die es erlauben, von Personen ohne schweizerischen Wohnsitz Vorschüsse für Verfahrenskosten oder Sicherstellung von Parteikosten zu verlangen, soweit nicht jedermann zum Vorschuss verpflichtet werden kann, wie Artikel 150 Absatz l des neuen OG dies allgemein für Gerichtskosten vorsieht8. Allerdings sind die Artikel 63 Absatz 4 VwVG und 150 Absatz 2 OG als "Kann'-Bestimmung formuliert und erlauben daher den rechtsanwendenden Behörden, von Kostenverschuss oder Sicherstellung abzusehen, wenn EWR-Recht oder anderes internationales Recht dies verlangt. Es besteht daher kein zwingender Grund, VwVG oder OG in diesem Punkt zu ändern.

6

Art. 30 Abs. 2 OG (AS 1992 290), Art. 52 Abs. 2 VwVG

7

Artikel 38 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften

8

AS 1992 299

727

Artikel 108 Absatz l BV und Artikel 2 Absatz l OG

Mit dem EWR-Recht vereinbar ist es, zur Wahl in richterliche Behörden (eidgenössische Gerichte und Rekurskommissionen) nur Schweizer Bürger zuzulassen, weil solche Behörden eine hoheitliche Tätigkeit ausüben9.

2

Erläuterungen zu den Aenderungsvorlagen

2.1

Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG)

Artikel 59a

Dass die Gerichte von Bund und Kantonen in Zukunft häufig EWR-Recht werden auslegen müssen, schafft ohne Zweifel das Bedürfnis, dazu gegebenenfalls das Gutachten des EFTA-Gerichtshofes einzuholen. Artikel 34 Absatz 2 des Abkommens zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Ueberwachungsbehörde und eines Gerichtshofs räumt den innerstaatlichen Gerichten dieses Recht ausdrücklich ein.

Nach Absatz 3 von Artikel 34 des Abkommens kann ein EFTA-Staat dieses Recht auf Gerichte beschränken, deren Entscheide selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können. Der Bundesrat hat geprüft, ob eine Beschränkung auf letzte nationale Instanzen angezeigt wäre, und kommt zum Schluss, dass die Argumente gegen eine solche Lösung überwiegen. Zwar trifft zu, dass die Einholung eines Gutachtens beim EFTA-Gerichtshof ein erstinstanzliches Verfahren verlängern kann. Wenn erst die oberen Gerichte ein Rechtsgutachten einholen können, wird sich jedoch das Problem einfach verlagern und zur Verlängerung der Rechtsmittelverfahren führen. Der Rechtsuchende wird Zeit und Kosten sparen, wenn er bereits in erster Instanz gerichtlich klären lassen kann, was nach EWR-Recht gilt. Wenn er hiefür den Rechtsweg beschreiten muss, wird dies auch eine zusätzliche Belastung der oberen Gerichte verursachen. Gegen eine Beschränkung spricht weiter das Postulat der Homogenität des EWR-Rechts, das unter anderem verlangt, dass EWR-Recht von allen Gerichten einheitlich und richtig angewendet

9

Art. 32 EWR-Abkommen

728

wird. Wenn alle Gerichte - auch jene erster Instanz - EWR-Recht anwenden müssen, so müssen sie sich auch die nötige Rechtskenntnis verschaffen können. Andernfalls ist zu befürchten, dass sie ihre Verantwortung für die Verwirklichung des EWR-Rechts nicht wahrnehmen können. Gegen eine Beschränkung spricht auch unser föderatives System der Rechtspflege, das den Kantonen Verfahrenshoheit gewährt und dem Bund verbietet, diese ohne Not zu beschränken. Im übrigen bestand jedenfalls im Mai 1992 auch in den nordischen EFTA-Staaten und im Fürstentum Liechtenstein nicht die Absicht, die Möglichkeit zur Einholung eines Gutachtens zu beschränken. Wenn unser Land dieselbe Lösung wählt, so entspricht es damit einem der Ziele des EWRAbkommens, nämlich gemeinsame Regeln für den Europäischen Wirtschaftsraum zu schaffen. Und schliesslich steht diese Lösung im Einklang mit Artikel 177 EWGVertrag, der das Verfahren der Vorabentscheidung für die Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft regelt; darnach sind letztinstanzliche nationale Gerichte verpflichtet, alle anderen Gerichte berechtigt, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Zwar unterscheiden sich Vorabentscheidung nach Gemeinschaftsrecht und Gutachten gemäss Abkommen zwischen den EFTA-Staaten, so insbesondere dadurch, dass das Gutachten rechtlich nicht verbindlich ist. Gemeinsam ist aber beiden Instrumenten der Zweck, zur integralen und einheitlichen Anwendung von Gemeinschaftsrecht bzw. EWR-Recht auf allen Stufen beizutragen. Aus diesen Gründen kommt der Bundesrat zum Schluss, dass alle Gerichte das Recht haben sollen, sich an den EFTA-Gerichtshof zu wenden, was Artikel 59a VwVG-Entwurf und 30a OG-Entwurf festhalten.

Es liegt auf der Hand, dass unsere Gerichte für ihre eigenen Entscheide wissen müssen, welche Fragen dem EFTA-Gerichtshof vorliegen und welche dieser bereits beantwortet hat. Diese Bedürfnisse werden dadurch gedeckt, dass die Fragen und der volle Wortlaut der Gutachten regelmässig veröffentlicht werden. Der Bundesrat ist der Meinung, dass diese Informationen genügen und es nicht nötig ist, ja vielleicht sogar falsch wäre, weiter zu gehen und die von unseren Gerichten gestellten Fragen auf höchster Ebene - beispielsweise durch die beiden eidgenössischen Gerichte - in der einen oder anderen Form koordinieren zu lassen. Zwingende Gründe für eine solche Koordination sind nicht ersichtlich. Auf der anderen Seite würde die Koordination die höchsten Gerichte zusätzlich belasten und den durchaus erwünschten direkten Dialog zwischen unterem nationalem und europäischem Richter beeinträchtigen.

Was unter Gerichten zu verstehen ist, bestimmt sich nach dem Abkommen zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Ueberwachungsbehörde und eines

26 Bundesblau 143.Jahrgang. Bd.V

729

Gerichtshofs, nicht nach Landesrecht. Ohne Zweifel gehören dazu auf der Stufe des Bundes neben den beiden eidgenössischen Gerichten auch die eidgenössischen Rekursund Schiedskommissionen, die in ihrer Tätigkeit unabhängig sind und deren Verfahren sich nach dem VwVG bestimmt10. Um dies zum Ausdruck zu bringen, wird in Artikel 59a die Bezeichnung "richterliche Behörde" verwendet, die auch diese Kommissionen umfasst.

Artikel 61 Absatz 4

Die Pflicht zur Mitteilung von Entscheiden stützt sich auf Artikel 106 Buchstabe a des EWR-Abkommens und gilt auch für letzte richterliche Instanzen der Bundesverwaltungsrechtspflege.

Was unter letzten richterlichen Instanzen zu verstehen ist, bestimmt sich nach EWRAbkommen, nicht nach Landesrecht. Ohne Zweifel gehören dazu die eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen, soweit gegen ihre Entscheide Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ausgeschlossen ist11.

die

Artikel 73 Absatz 2 Buchstabe abis

Nach der Praxis des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist davon auszugehen, dass Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz besteht, wenn sich EG- und EFTA-Bürger auf die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit oder auf den freien Zugang zur Beschäftigung nach EWR-Recht berufen. Dem steht unter Umständen Artikel 73 Absatz l Buchstabe b VwVG entgegen. Die Bestimmung lässt die Beschwerde an den Bundesrat zu gegen Verfügungen letzter kantonaler Instanzen und gegen kantonale Erlasse wegen Verletzung von Bestimmungen über Handels- und Zollverhältnisse, Patentgebühren, Freizügigkeit und Niederlassung in Staatsverträgen mit dem Ausland. Falls das EWR-Abkommen darunter fallt, soweit es vom freien Personen- und Dienstleistungsverkehr handelt, wäre die Rechtsschutzgarantie nicht erfüllt. In solchen Fällen ist daher der Zugang zu den eidgenössischen Gerichten zu

"> Art. 71a Abs. 2 und 71c Abs. l VwVG, AS 1992 306 11

Art. 99 ff. OG

730

gewähren, wenn EWR-Recht angerufen wird, soweit nicht ohnehin ein Rechtsanspruch auf eine Bewilligung der Fremdenpolizei besteht, was schon heute die Zuständigkeit des Bundesgerichts begründet12.

2.2

Bundesrechtspflegegesetz (OG)

Artikel 29 Absätze 2, erster Satz, 2bis sowie 3

Beim öffentlichen Anwaltsrecht handelt es sich um einen Bereich, den heute die Kantone regeln und der unter den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr des EWR-Abkommens fallt13.

Die Bundesrechtspflege ist insofern betroffen, als das Bundesgericht nach Artikel 29 Absatz 2 OG für die Parteivertretung in Zivil- und Strafsachen grundsätzlich nur patentierte

Rechtsanwälte aus den Kantonen zulässt. Träger eines EG/EFTA-

Anwaltsdiploms oder eines Bürgerrechts aus diesen Ländern sind somit grundsätzlich ausgeschlossen, was mit den genannten Freiheiten sowie mit dem Diskriminierungsverbot und dem Gebot der Inländerbehandlung nach EWR-Recht nicht vereinbar ist. Diese Bestimmung wird man daher ändern müssen.

Zunächst ist in Absatz 2 der erste Satz zu ändern: Künftig wird das Bundesgericht auch Rechtslehrer von Hochschulen anderer EFTA-Länder und der EG-Länder zulassen müssen, um dem Diskriminierungsverbot und dem Gebot der Inländerbehandlung zu genügen. Im übrigen ist zu erwähnen, dass als Rechtsanwalt im Sinne dieser Bestimmung künftig auch ein Bürger aus einem EG- oder EFTA-Land auftreten kann, weil er unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Schweizer ein kantonales Anwaltspatent wird erwerben können.

Wichtig ist sodann der neue Absatz 2bis, der die Zulassung ausländischer Rechtsanwälte vor Bundesgericht betrifft. Soweit es sich im Einzelfall um einen EG/EFTA-Rechtsanwalt handelt, der aufgrund des EWR-Rechts über eine kantonale

12

Art. 73 Abs. 2 Est. e VwVG

13

Art. 28 ff.

731

Bewilligung zur Berufsausübung verfügt, wird ihn das Gericht ohne weiteres zum Verfahren vor Bundesgericht zulassen können und müssen. Eine solche Bewilligung kann entweder auf der Richtlinie Nr. 77/249 des Rates vom 22. März 197714 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte beruhen. Oder aber sie kann sich auf die Richtlinie Nr. 89/48 des Rates vom 21. Dezember 198815 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome stützen, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschliessen. Wenn ein solcher Anwalt dagegen vor Bundesgericht eine Partei vertreten will (z.B. in einem direkten Zivilprozess), ohne über eine kantonale Bewilligung zu verfügen, wird man dies als Tätigkeit im Sinne der DienstleistungsRichtlinie betrachten; das Bundesgericht wird ihn zur Parteivertretung zulassen, wenn und solange die zwingenden Voraussetzungen der Richtlinie erfüllt sind (Nachweis des Anwaltspatentes eines EG/EFTA-Staates und der übrigen Voraussetzungen für die Berufsausübung im Sinne von Art. 1-4 und 7 der Richtlinie).

Artikel 5 der Richtlinie nennt zwei weitere Voraussetzungen, die der Aufnahrnestaat für die Parteivertretung verlangen kann. Was zunächst die vorgängige Einführung des ausländischen Anwalts beim Präsidenten des zuständigen Gerichts und gegebenenfalls beim zuständigen Vorsitzenden der Anwaltskarnmer des Aufnahmestaates nach den örtlichen Regeln oder Gepflogenheiten (Abs. 1) betrifft, hält der Bundesrat es nicht für angebracht, dies für Verfahren vor dem Bundesgericht zu verlangen; denn das Gericht kann vom ausländischen Rechtsvertreter verlangen, dass er - gleich wie ein inländischer Rechtsvertreter - seine Eigenschaft als Rechtsanwalt nachweist16. Weder wünschbar noch zweckmässig wäre es im weiteren auch, vom ausländischen Anwalt einvemehmliches Handeln mit einem inländischen Anwalt (Art. 5 Abs. 2) zu verlangen, weil der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften dieses Gebot in seiner Praxis relativiert hat und bestimmte Fragen noch nicht geklärt sind.

14

EWRS ...; ABI. Nr. L 78 vom 26.3.1977, S. 17; Art. 30 EWR-Abkommen und Anhang VII;

15

EWRS ...; ABI. Nr. L 19 vom 24.1.1989, S. 16; Art. 30 EWR-Abkommen und Anhang VII;

16

Art. 7 Abs. l der Richtlinie

732

Schliesslich sieht der Bundesrat auch keinen Anlass, ausländische Anwälte von der Parteivertretung auszuschliessen, die im Arbeitsverhältnis zur vertretenen Partei stehen17, weil unser eigenes Recht in dieser Hinsicht wenig Schranken kennt18.

Der Vorschlag, auf die Voraussetzungen nach Artikel 5 und 6 der Richtlinie zu verzichten, steht im Einklang mit dem Entwurf der zuständigen Kommission des Schweizerischen Anwaltsverbandes vom 24. Februar 1992 zu einem Mustergesetz für die Kantone (Gesetz über die Zulassung von Rechtsanwälten aus dem Europäischen Wirtschaftsraum zur Berufsausübung).

Absatz 3 muss wegen des neuen Absatzes 2bis redaktionell angepasst werden.

Artikel 30a Wir verweisen auf die Bemerkungen zu Artikel 59a VwVG-Entwurf.

Artikel 37 Absatz 4

Wir verweisen auf die Bemerkungen zu Artikel 61 Absatz 4 VwVG-Entwurf.

Artikel 100 Buchstabe b, lOla und 129a Wir haben zu Artikel 73 Absatz 2 Buchstabe abis VwVG-Entwurf ausgeführt, dass nach der Praxis des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz besteht, wenn sich EG/EFTA-Bürger auf die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit oder auf den freien Zugang zur Beschäftigung nach EWR-Recht berufen. Dies kann auch verschiedene Gegenstände und Sachgebiete im Katalog der Ausnahmen von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffen. Zu erwähnen sind namentlich Verfügungen auf dem Gebiete der

17

Art. 6 der Richtlinie

^BGE 113 12279

733

Fremdenpolizei19. In solchen Fällen ist heute die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig. Um der Rechtsschutzgarantie nach EWR-Recht zu genügen, ist künftig in solchen Fällen stets die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulassen, wenn sich die angefochtene Verfügung auf EWR-Recht oder den Bundesbeschluss über Aufenthalt und Niederlassung von Staatsangehörigen von Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums stützt. Wegen der besonderen Tragweite, die dem EWR-Recht bei Verfügungen auf dem Gebiete der Fremdenpolizei zukommen wird, rechtfertigt es sich, diese Gegenausnahmen von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde spezifisch vorzubehalten20.

Was die anderen Bereiche des Ausnahmekatalogs nach Artikel 99-101 und 129 OG betrifft, wird die Bedeutung des EWR-Rechts vermutlich geringer sein, weshalb es genügt, die Gegenausnahmen von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in zwei allgemeinen Auffangbestimmungen vorzubehalten21. Die Bestimmungen werden es erlauben, auch andere Streitfälle aus diesen Bereichen dem Bundesgericht bzw. dem Eidgenössischen Versicherungsgericht zuzuweisen, soweit das EWR-Recht einen Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz einräumt und keine eidgenössische Rekurskommission in der Sache zuständig ist. Wo heute eidgenössische Rekurskommissionen endgültig entscheiden, bleibt es somit dabei, weil diese als richterliche Behörden dem Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz genügen und daher in solchen Fällen kein Grund besteht, den Weg an das Bundesgericht zu öffnen.

In den anderen Fällen des Ausnahmekatalogs, in denen keine eidgenössische Rekurskommission in der Sache zuständig ist, ist dagegen nach den Artikel lOla und 129a OG-Entwurf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht oder an das Eidgenössische Versicherungsgericht zulässig, wenn nach EWR-Recht ein Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz besteht. Die Bestimmung geht insoweit anderen Bundesgesetzen vor, die Verfügungen nachgeordneter Behörden als endgültig erklären22. Der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegen insbesondere auch 19

Einreiseverweigerung, Einreisebeschränkung und Einreisesperre sowie Ausweisung gestützt auf Artikel 70 BV und Wegweisung; Art. 100 Bst. b Ziff. l und 4 OG

20 Art. 100 Est. b OG-Entwurf 21 Art. lOla und 129a OG-Entwurf 22

vgl. auch Art. 74 Bst. e VwVG

734

letztinstanzliche kantonale Entscheide. Dies bedeutet, dass die Kantone nach Artikel 98a und 128 OG innert fünf Jahren ab 15. Februar 199223 für Streitigkeiten nach Artikel lOla und 129a OG-Entwurf richterliche Behörden als letzte kantonale Instanzen bestellen müssen, allerdings nur soweit, als gegen deren Entscheide nicht die Beschwerde an eine andere Bundesbehörde (als das Bundesgericht) offensteht. In Fällen, wo heute der Bundesrat als letzte Beschwerdeinstanz entscheidet, wird das Bundesgericht an seine Stelle treten 24. Falls der Bundesrat dagegen heute als erste Instanzverfügt 25,, wird die Verfügungskompetenz - unter Vorbehalt von Artikel 98 Buchstabe a OG - an das in der Sache zuständige Departemendelegiert 26;6; dessen Verfügung unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.

Was die Abgrenzung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegenüber der staatsrechtlichen Beschwerde angeht, kann auf die Ausführungen in der EWRGenehmigungsbotschaft verwiesen werden 27.

Darnach wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde dort zulässig sein, wo das EWR-Recht den Kantonen keinen Gestaltungsspielraum lässt. Dies gilt auch für das Gebiet der Sozialversicherung.

2.3

Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege (BStP)

Artikel 35 Absätze 3 und 4 Wir verweisen auf die Bemerkungen zu Artikel 29 Absätze 2, 2bis und 3 OG-Entwurf.

23 AS 1992 294 und 300 24 Art. 74 Est, a VwVG 25 Art. 78 VwVG 26

Art. 42 Abs. Ibis Verwaltungsorganisationsgesetz, AS 1992 303 f.

27

Ziff. 7.1122, Bst. b, letzter Absatz

735

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren

Entwur

f

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992 '>, beschliesst: I

Das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG)2) wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung) - in Ausführung von Artikel 3, 4, 28, 31, 36 und 106 Buchstabe a des Abkommens vom 2. Mai 19923) über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) und seines Anhangs V, - in Ausführung von Artikel 34 Absatz 2 des Abkommens vom 2. Mai 19923) zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs, - in Ausführung der Richtlinie Nr. 64/221 des Rates vom 25. Februar 19644) zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, Art. 59a (neu) Va. Gutachten zum EWR-Recht

Ist die Beschwerdeinstanz eine richterliche Behörde im Sinne von Artikel 34 Absatz 2 des Abkommens vom 2. Mai 1992 zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs, so kann sie zur Auslegung von EWRRecht ein Gutachten des EFTA-Gerichtshofes einholen.

» BEI 1992 V 725 -> SR 172.021 3) AS 1993 ...

o EWRS ...; A B I . Nr. L 257 vom 4. 4. 1964, S. 850; An. 28 EWR-Abkommen und Anhang V 736

Änderung des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren. BB

Art. 61 Abs. 4 (neu) Letzte richterliche Instanzen im Sinne von Artikel 106 des EWRAbkommens vom 2. Mai 1992 übermitteln die Entscheide dem Kanzler des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, wenn es um die Auslegung oder die Anwendung von Bestimmungen des EWR-Abkommens und des daraus abgeleiteten Rechts geht, die mit den Bestimmungen des EG-Rechts in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind.

4

Art. 73 Abs. 2 Bst. abis (neu) 2 Die Beurteilung einer Beschwerde im Sinne von Absatz l Buchstabe b oder c steht jedoch dem Bundesgerichte zu, soweit der Beschwerdeführer die Verletzung rügt: abis. von EWR-Recht;

II 1 Dieser Beschluss gilt auch für Verfahren, die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens hängig sind.

2

Er ist allgemeinverbindlich und gilt so lange, als das EWR-Abkommen in Kraft steht.

3

Er unterliegt aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen » der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

4 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

5566

·> AS ...

737

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesrechtspflegegesetzes

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 19921', beschliesst:

I Das Bundesrechtspflegegesetz (OG)2) wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung) - in Ausführung von Artikel 3, 4, 28, 31, 36 und 106 Buchstabe a des Abkommens vom 2. Mai 1992" über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) und seiner Anhänge V und VII, - in Ausführung von Artikel 34 Absatz 2 des Abkommens vom 2. Mai 1992" zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs, - in Ausführung der Richtlinie Nr. 64/221 des Rates vom 25. Februar 19644' zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, - in Ausführung der Richtlinie Nr. 77/249 des Rates vom 22. März 1977" zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienst! eistungsVerkehrs der Rechtsanwälte, - in Ausführung der Richtlinie Nr. 89/48 des Rates vom 2). Dezember 19886) über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschliessen, ') BEI 1992 V 725

3 SR 173.110; AS 1992 288

·<> AS 1993 ...

") EWRS ...; ABI Nr. 1,7.57 vom 4. 4. 1964. S. 850: Art. 28 EWR-Abkommen und Anhang V *i EWRS ...; ABI. Nr. L 78 vom 26.3. 1977, S. 17; Art. 30 EWR-Abkommen und Anhang VII 6 > EWRS ...; ABI. Nr. L 19 vom 24. 1. 1989, S. 16; An. 30 EWR-Abkommen und Anhang VU 738

Änderung des Bundesrechtspflegegesetzes. BB

Art. 29 Abs. 2 erster Satz, 2bh (neu) sowie 3 1

In Zivil- und Strafsachen werden Rechtsanwälte mit einem kantonalen Patent sowie Rechtslehrer an Hochschulen der Schweiz und der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums als Parteivertreter vor Bundesgericht zugelassen. ...

2bis Rechtsanwälte mit einem ausländischen Patent werden zugelassen, wenn sie über eine kantonale Bewilligung zur Berufsausübung verfügen oder die Voraussetzungen nach den Artikeln 1-4 und 7 der Richtlinie Nr. 77/249 des Rates vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte erfüllen.

3

Unter Vorbehalt des Gegenrechts werden Rechtsanwälte mit einem ausländischen Patent ausnahmsweise auch in andern Fällen zugelassen.

Art. 30a (neu) Gutachten zum Die zuständige Gerichtsabteilung und die kantonalen richterlichen EWR-Recht Behörden können zur Auslegung von EWR-Recht gemäss Artikel 34 Absatz 2 des Abkommens vom 2. Mai 1992 zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs ein Gutachten des EFTA-Gerichtshofes einholen.

Art. 37 Abs. 4 (neu) 4

Das Gericht übermittelt gemäss Artikel 106 Buchstabe a des EWR-Abkommens vom 2. Mai 1992 die Entscheide dem Kanzler des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, wenn es um die Auslegung oder Anwendung von Bestimmungen des EWR-Abkommens und des daraus abgeleiteten Rechtes geht, die mit den Bestimmungen des EG-Rechts in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind.

Art. 100 Bst. b Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ausserdem unzulässig gegen: b. auf dem Gebiete der Fremdenpolizei, soweit sich die Verfügung nicht auf EWR-Recht oder den Bundesbeschluss vom ...') über Aufenthalt und Niederlassung von Staatsangehörigen der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes stützt:

» AS ...

739

Änderung des Bundesrechtspflegegesetzes. BB

3ü. Zulässigkeit nach EWR-Recht

c. Zulässigkeit nach EWR-Recht

Art. lOla (neu) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen nach den Artikeln 99-101 ist zulässig, soweit das EWR-Recht einen Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz einräumt und keine eidgenössische Rekurskommission in der Sache zuständig ist.

Art. 129a (neu) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen nach Artikel 129 ist zulässig, soweit das EWR-Recht einen Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz einräumt und keine eidgenössische Rekurskommission in der Sache zuständig ist.

II 1 Dieser Beschluss gilt auch für Verfahren, die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens hängig sind.

2 Er ist allgemeinverbindlich und gilt so lange, als das EWR-Abkommen in Kraft steht.

3 Er unterliegt aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen1) der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

4 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

5566

'J AS ...

740

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Bu ndesstrafrechtspf lege

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen

Eidgenossenschaft,

nach Einsicht in eine Botschaft des.Bundesrates vom 15. Juni 1992'\ be.ichlies.it:

I Das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege 2 ' wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung) - in Ausführung der Artikel 3, 4, 28, 31 und 36 des Abkommens vom 2. Mai 1992') über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) und seines Anhangs VII, der sich auf die folgenden Richtlinien bezieht: - Richtlinie Nr. 77/249 des Rates vom 22. März 1977") zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte, - Richtlinie Nr. 89/48 des Rates vom 21. Dezember 19885' über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschliessen,

An. 35 Abs. 3 und 4 1

Die Partei Vertretung bestimmt sich nach dem (Art. 29 Abs. 1-3).

4

Bundesrechtspflegegesetz 6 '

Aufgehoben

TT 1

Dieser Beschluss gilt auch für Verfahren, die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens hängjg sind.

" BUI 1992 V 725 ' SR 312.0

;

» AS 1993 ...

·'> EWRS ...; ABI. Nr. L 78 vorn 26. 3. 1977, S. 17 5 ) EWRS ...; ABI. Nr. L 19 vom 24. 1. 1989, S. 16 "' SR 173.110; AS 1992 288

741

Änderung des Bundesgesetzes über die Bundesstrafreehtspflege. BB

2

Er ist allgemeinverbindlich. Er gilt so lange, als das EWR-Abkommen in Kraft steht.

3 Er unterliegt aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen ] > der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

4 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

5566

') AS ...

742

92.057-48

6.2 Bundesbeschluss über die Âenderung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland1 l

Einleitende Bemerkungen

Wie in Kapitel 7 der Botschaft über die Genehmigung des EWR-Abkommens dargestellt, erfolgt die Oeffnung des Immobilienmarktes für Angehörige von EWRStaaten schrittweise. In einer ersten Phase werden Angehörige von EWR-Staaten, die in der Schweiz wohnen und/oder arbeiten, durch Einführung einer neuen Liste von Ausnahmen (vgl. Art. 7a) von der Bewilligungspflicht befreit, sofern sie das Grundstück für ihre persönlichen Bedürfnisse erwerben. Ebenfalls von der Bewilligungspflicht ausgenommen werden Personen, welche eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, wie auch Unternehmen, wenn sie ein Grundstück für ihre geschäftliche Tätigkeit erwerben. In einer zweiten Phase - nach Ablauf der fünfjährigen Uebergangsfrist - können die Angehörigen von EWR-Staaten ebenfalls Grundstücke zum Zweck des gewerbsmässigen Immobilienhandels oder als Kapitalanlage erwerben.

Angehörige von EWR-Staaten, welche keinen Wohnsitz in der Schweiz haben, bleiben für den Erwerb von Ferienwohnungen weiterhin der Bewilligungspflicht unterstellt.

Das heute geltende Bewilligungs- und Kontingentierungssystem kann während der Uebergangsfrist unverändert beibehalten werden. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass im Rahmen des Gipfels von Maastricht Dänemark die Ausnahme zugestanden wurde, "seine geltende Gesetzgebung über den Erwerb von Wohnungen, welche nicht das ganze Jahr über belegt sind, beizubehalten2". Offen bleibt die Frage,

1

Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstucken durch Personen im Ausland (BewG oder "Lex Friedrich"), SR 211.412.41

2

Protokoll betreffend verschiedene Bestimmungen im Bereich des Erwerbs von Grundstücken in Dänemark

743

ob nach Ablauf der Uebergangsfrist am Bewilligungssystem für den Erwerb von Ferienwohnungen durch Angehörige von EWR-Staaten, welche nicht in der Schweiz wohnhaft sind, festgehalten werden soll. Wenn dies zuträfe, müsste unser System auf jeden Fall - vergleichbar dem Dänischen Modell3 - nicht diskriminierend ausgestaltet werden.

2

Kommentar zu Artikel 7a

Mit dieser Bestimmung wird der Anwendungsbereich des BewG für Angehörige des EWR teilweise eingeschränkt. Die Ausnahme von der Bewilligungspflicht betrifft aber jene Bereiche, in welchen bis anhin in der Regel die Bewilligung erteilt wurde, mit einer gewissen Ausweitung auf den primären Sektor (insbesondere auf die Landwirtschaft) und auf die Parahotellerie. Die kantonale Gesetzgebung kann hingegen unverändert beibehalten werden4. Nicht betroffen von diesen Bestimmungen werden zudem Personen, welche im Besitz einer Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) sind, da sie schon nach geltendem Gesetz nicht der Bewilligungspflicht unterstehen.

Artikel 7a Absatz l Buchstabe a Buchstabe a betrifft die Angehörigen des EWR, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben und hier einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Sie können bewilligungsfrei

3

Gesetz Nr. 344 vom 23. Dezember 1959 über den Erwerb von Gründstücken durch Ausländer, genehmigt durch das Justizministerium. Das Gesetz regelt den Grundstückerwerb durch Personen, welche zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht in Dänemark wohnhaft sind oder vorgängig mindestens fünf Jahre dort gewohnt haben. Da das dänische Gesetz die Bewilligungspflicht an das Wohnsitzerfordemis knüpft, das BewG hingegen auf das Niederlassungsrecht abstellt (vgl. Art. 5 Abs. l Bst. a BewG), begründet letzteres eine - auf die Nationalität gestützte Diskriminierung.

4

Zusätzliche kantonale Bewilligungsgründe (Art. 9 BewG) und weitergehende kantonale und kommunale Beschränkungen (Art. 13 BewG)

744

Grundstücke für ihre personlichen Zwecke erwerben5,

d.h. Hauptwohnung,

Zweitwohnung - wenn sie ihre Berufstätigkeit nicht an ihrem Wohnort ausüben - und Ferien Wohnungen. Zudem können sie ebenfalls bewilligungsfrei Grundstücke für die Ausübung eines handwerklichen Gewerbes oder eines freien Berufs6 erwerben. Diese Vorschrift ist auch auf Saisonniers anwendbar, nicht aber auf Grenzgänger, welche während einer dreijährigen Uebergangsfrist täglich an ihren Wohnort zurückkehren müssen.

Artikel 7a Absatz l Buchstabe b

Diese Bestimmung bezieht sich auf Personen, welche ebenfalls in der Schweiz Wohnsitz haben, hier aber keiner beruflichen Tätigkeit nachgehen, d.h. selbständig oder unselbständig Erwerbstätige, die ihre Berufstätigkeit aufgegeben haben, Studenten wie auch andere Angehörige von EWR-Staaten, die das Recht haben, sich in der Schweiz aufzuhalten. Die Richtlinien des Rates über das Aufenthaltsrecht7 der vorerwähnten Personen sehen eine Ausnahme für den Erwerb von Ferienwohnungen vor. Daraus folgt, dass die in Buchstabe b geregelte Ausnahme von der Bewilligungspflicht einzig den Erwerb von Hauptwohnungen umfasst.

5

6

Artikel 9, Ziffer l der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABI. Nr. L 257, 1986 S. 2) schreibt vor: "Arbeitnehmer, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt sind, gemessen hinsichtlich einer Wohnung, einschliesslich der Erlangung des Eigentums an der von ihnen benötigten Wohnung, alle Rechte und Vergünstigungen wie inländische Arbeitnehmer. " Allgemeine Programme zur Aufhebung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs (ABI. Nr. 2 vom 15.1.1962,8. 32 und 36)

7

Richtlinie Nr. 90/364 des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht (ABI.

Nr. L 180/26 vom 13.7.1990); Richtlinie Nr. 90/365 des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätigen (ABI. Nr. L 180/28 vom 13.7.1990)

745

Artikel 7a Absatz l Buchstabe c

Diese Bestimmung sieht die Ausnahme von der Bewilligungspflicht für Angehörige von EWR-Staaten vor, welche zwar keinen Wohnsitz in der Schweiz haben, sich hier aber regelmässig zum Zwecke der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit aufhalten.

Diese Personen (mit Kurzaufenthaltsbewilligung) sind von der Bewilligungspflicht für den Erwerb eines Grundstücks befreit, welches ihnen während ihres Aufenthaltes als Wohnung und/oder - falls sie einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen - für ihre beruflichen Zwecke dient (vgl. Fussnote 6). In diesem Zusammenhang haben wir auf die Verwendung des Begriffs "Zweitwohnung" verzichtet, um Verwechslungen mit dem in Artikel 9 Absatz l Buchstabe c BewG verwendeten Begriff der Zweitwohnung8, welcher wesentlich restriktiver interpretiert wird, zu vermeiden.

Jedenfalls bleiben die in Buchstabe c erfassten Personen, sofern sie keinen Wohnsitz in der Schweiz haben, für den Erwerb von Ferienwohnungen dem normalen Bewilligungsverfahren unterstellt.

Artikel 7a Absatz l Buchstabe d

Nach dieser Bestimmung können Betriebsstätten, die ihren Sitz, ihre Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung im EWR haben, ohne Bewilligung Grundstücke erwerben, sofern dies im Zusammenhang mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit (Handels-, Industrie-, Fabrikations- oder anderes Gewerbe) erfolgt. Gesellschaften, welche von Angehörigen aus Nicht-Vertragsstaaten (sog. Drittländern) beherrscht werden, können diese Ausnahme nur im Rahmen der Niederlassungsfreiheit geltend machen (vgl.

Kapitel 7.52 der Botschaft über die Genehmigung des EWR-Abkommens).

Demzufolge sind solche Gesellschaften der Bewilligungspflicht unterstellt, wenn sie ihren Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in der Schweiz oder ausserhalb des EWR haben. Eine solche Diskriminierung widerspricht dem EWRAbkommen nicht; eine weitergehende Liberalisierung in diesem Bereich wird aber im Rahmen einer möglichen Totalrevision der Lex Friedrich zu überprüfen sein. Die Ausnahme von der Bewilligungspflicht gilt sowohl für den direkten Erwerb von Grundstücken wie auch den indirekten mittels Beteiligung an oder Uebernahme von Gesellschaften, deren Aktiven nach ihrem tatsächlichen Wert zu mehr als einem Drittel

8

Vgl. ebenfalls Artikel 6 der Verordnung vom 1. Oktober 1984 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewV; SR 211.412.411)

746

aus Grundstücken in der Schweiz bestehen9. Schon nach geltendem Recht wird der Grundstückerwerb zu wirtschaftlichen Zwecken bewilligt, wenn der Erwerber den Betrieb tatsächlich leitet und branchenkundig ist10. Bestehen die Aktiven der Gesellschaft zu weniger als einem Drittel aus Grundstücken, entfallt die Bewilligungspflicht sogar.

Die Befreiung von der Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken zu betrieblichen Zwecken hat zur Folge, dass auf die Erfordernisse der tatsächlichen Leitung und der Branchenkundigkeit nicht mehr abgestellt werden kann. Es können somit auch branchenfremde Gesellschaften in Unternehmen mit Grundstücken in der Schweiz investieren. Diese Liberalisierung umfasst die Direktinvestitionen im Sinne von Anhang I der Kapitalverkehrsrichtlinie11. Unter Direktinvestitionen sind zu verstehen: Investitionen durch natürliche Personen, Handels-, Industrie- oder Finanzunternehmen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen denjenigen, welche die Mittel bereitstellen, und den Unternehmern

oder Unternehmen,

für

die

die

Mittel

zum

Zwecke

einer

wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind. Der Begriff ist also im weitesten Sinne zu verstehen. Die Grenze bilden hingegen das während einer fünfjährigen Uebergangsfrist (vgl. Art. 7a Abs. 2) geltende Verbot der reinen Kapitalanlage in Grundstücken und des gewerbsmässigen Immobilienhandels.

Im Rahmen der Liberalisierung ausländischer Betriebsstätten werden folglich auch die von ihr errichteten Personalfürsorgeeinrichtungen von der Bewilligungspflicht befreit.

Der Bewilligungsgrund nach Artikel 8 Absatz l Buchstabe c BewG hat zudem seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge12 (BVG) stark an Bedeutung verloren, Stiftungen gemäss BVG dürften prinzipiell schon heute von der Bewilligungspflicht

9

Artikel 4, Absatz l Buchstabe d BewG

10

Artikel 8, Absatz l, Buchstabe a BewG; Artikel 3, Absatz l BewV

11

Richtlinie Nr. 88/361 des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrags (ABI. Nr. L 178 vom 8.7.1988, S. 5)

12

SR 831.40

747

befreit sein13, da in der Regel die grosse Mehrheit der Begünstigten nicht Personen im Ausland sind und gemäss dem in Artikel 51 BVG normierten Paritätsprinzip eine (ausländische) Stifterfirma keine Mehrheit im Stiftungsrat haben kann.

Eine

Oeffnung

bringt

diese

Ausnahmebestimmung

auch

hinsichtlich

der

Versicherungen, welche für die Anlage ihrer technischen Mittel - da dies im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt - nicht mehr den Bewilligungsgrund nach Artikel 8 Absatz l Buchstabe b BewG geltend machen müssen.

Ebenso wird von der Auflage gegenüber Banken und Versicherungen abgesehen, Grundstücke zur Deckung pfandgesicherter Forderungen, welche im Rahmen eines Zwangsverwertungs^ oder Liquidationsverfahrens erworben wurden, innert zweier Jahre wieder zu veräussern14. Einerseits läuft diese Wiederveräusserungspflicht auf eine faktische Schlechterstellung der ausländischen Gesellschaften unter Wettbewerbsgesichtspunkten hinaus, andererseits ist sie von keiner grossen praktischen Bedeutung. So wurde seit Inkrafttreten des BewG am 1. Januar 1985 lediglich viermal eine solche Bewilligung erteilt15. Bei begründetem Gesuch wurde zudem die Wiederveräusserungsfrist erstreckt, so dass ihr im Hinblick auf die auf fünf Jahre limitierte Uebergangsfrist für Kapitalanlagen keine grosse Bedeutung mehr zukommt.

Im

Grundsatz

gilt jedoch,

dass

diese

Ausnahmebestimmung lediglich

den

Grundstückerwerb von der Bewilligungspflicht ausnimmt, für den schon nach geltendem Recht ein Bewilligungsgrund gegeben war. Eine gewisse über diesen Grundsatz hinausgehende Liberalisierung erfahren die Bereiche der Parahotellerie und der Landwirtschaft.

Nach Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe c BewV begründet die Verwendung eines Grundstücks für die gewerbsmässige Vermietung von Wohnraum, der nicht zu einem Hotel oder Apparthotel gehört, keine Betriebsstätte im Sinne des BewG, eine Bewilligung zu diesem Zweck wurde demgemäss nicht erteilt. Demgegenüber betrifft

13

Vgl. Artikel 6, Absatz 2, Buchstabe c BewG

14

Vgl. Artikel 8, Absatz l, Buchstabe d BewG

15

Statistik des Bundesamtes für Justiz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, publiziert in: Die Volkswirtschaft, hrsg. vom Eidg.

Volkswirtschaftsdepartement (für die Jahre 1985-1990)

748

das Diskriminierungsverbot - wie aus den Allgemeinen Programmen des Rates vom 15. Januar 1962 hervorgeht, welche nützliche Hinweise zur Anwendbarkeit der EGBestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr enthalten, und wie auch der Gerichtshof mehrfach hervorgehoben hat - nicht alleine die spezifischen Regeln über die beruflichen Tätigkeiten, sondern auch die für die Ausübung dieser Tätigkeiten notwendigen generellen Freiheiten. Zu diesen gehört zum Beispiel - gemäss den erwähnten zwei Programmen - das Recht, bewegliches und unbewegliches Vermögen zu erwerben, zu nutzen oder darüber zu verfügen. Zudem verlangt die Richtlinie 68/36716 die Niederlassungsfreiheit nicht nur für den Sektor des Hotelleriegewerbes, sondern auch für vergleichbare Unternehmen sowie für Zeltplatzbetriebe. Unter vergleichbaren Unternehmen sind Betriebe zu verstehen, die ständig und gewerbsmässig möblierte oder unmöblierte Räume zur Verfügung stellen.

Solche Unternehmen (z.B. internationale Reiseagenturen wie Club Méditerranée, Robinson Club) können nicht mehr der Bewilligungspflicht unterstellt werden, sofern sie nebst dem Zurverfügungstellen von Ferienwohnraum oder Zeltplätzen weitere damit verbundene Dienstleistungen (z.B. Reiseorganisation, Freizeitgestaltung, Infrastruktur) erbringen. Ohne das Erbringen von weiteren Dienstleistungen würde der Grundstückerwerb für Ferienzwecke eine reine Kapitalanlage darstellen und demnach während der fünfjährigen Uebergangsfrist ausgeschlossen sein. Zudem stellt die Anforderung der Verbindung von Dienstleistungen mit dem zur Verfügungstellen von Ferienwohnraum sicher, dass das für natürliche Personen gestützt auf Artikel 6 Ziffer 4 der Richtlinie 88/361 (vgl. Fussnote 11) weiterhin geltende Kontingentierungssystem für Ferienwohnungen nicht unterlaufen wird.

Artikel 7a Absatz l Buchstabe e

Nach Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe a BewV kann die Bewilligung für den Fjwerb von Grundstücken nicht erteilt werden, wenn diese ausschliesslich dem Betrieb der

16

Richtlinie Nr. 68/367 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten der persönlichen Dienste (aus CITC-Hauptgruppe 85) l. Restaurationsund Schankgewerbe (CITC-Gruppe 852) 2. Beherbergungsgewerbe und Zeltplatzbetriebe (CITI-Gruppe 853) (ABI. Nr. L 260 vom 22.10.1968, S. 16)

749

Landwirtschaft dienen. Diese Bestimmung widerspricht der Richtlinie 63/261l7, die in Artikel 4 den freien Zugang zu Grundstücken vorsieht, welche die Möglichkeit bieten, landwirtschaftliche Tätigkeiten auszuüben. Der freie Zugang gilt nach der erwähnten Richtlinie aber nur zugunsten derjenigen Angehörigen der anderen EG-Mitgliedstaaten, die zwei Jahre lang ohne Unterbrechung in seinem Hoheitsgebiet als landwirtschaftliche Arbeitnehmer gearbeitet haben. Artikel 7a Absatz l Buchstabe e bewirkt demnach eine Oeffnung im Sinne der zitierten Richtlinie. Man kann sich fragen, ob diese Bestimmung wirklich notwendig ist, da das Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht18 (BGBB) eine Beschränkung vergleichbaren Charakters enthält.

So sieht das BGBB für den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken die Selbstbewirtschaftungspflicht vor. Umfang und Definition dieses Begriffs richten sich nach diesem Gesetz. Diese Selbstbewirtschaftungspflicht gilt für jeden Erwerber unabhängig

von

dessen

Staatsangehörigkeit.

Sie

stellt

demnach

eine

nichtdiskriminierende - und somit nach EG-Recht zulässige - Massnahme dar. Falls das Selbstbewirtschaffungsprinzip durch Ablehnung des BGBB hinfällig würde, drängt sich die Uebemahme von Artikel 4 der Richtlinie 63/261 in Artikel 7a auf, welcher im Hinblick auf die Angehörigen der EWR-Staaten zu einem vergleichbaren Ergebnis führt.

Artikel 7a Absatz 2

Während der fünfjährigen Uebergangsfrist können die in Absatz l erfassten Personen und Gesellschaften keine Grundstücke als reine Kapitalanlage erwerben. Unter einer Immobilieninvestition im Sinne der Kapitalverkehrsrichtlinie (vgl. Fussnote 11) versteht man den Kauf von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie den Bau von Gebäuden zu Erwerbszwecken. Diese Kategorie umfasst - gemäss dieser Richtlinie auch die Nutzniessungsrechte, Grunddienstbarkeiten und Erbbaurechte. Die in Absatz l für natürliche Personen oder Gesellschaften vorgesehene Ausnahme von der Bewilligungspflicht entfallt auch, wenn diese ein Grundstück nicht für ihre eigenen

17

Richtlinie Nr. 63/261 des Rates vom 2. April 1963 über die Einzelheiten für die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit in der Landwirtschaft im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats für Angehörige der anderen Länder der Gemeinschaft, die als landwirtschaftliche Arbeitnehmer zwei Jahre lang ohne Unterbrechung in diesem Mitgliedstaat gearbeitet haben (ABI. Nr. L 62 vom 20.4.1963, S. 1323)

18 BEI 1991 HI 1530

750

Bedürfnisse (z.B. der Erwerb eines Miethauses) oder nicht zur Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit erwerben (z.B. Vermietung des ganzen oder eines erheblichen Teils des Grundstücks).

Dasselbe gilt auch für Personen, deren Erwerbstätigkeit vorwiegend im Immobilienhandel besteht, sowie für Immobiliengesellschaften im engen Sinn (einschliesslich für den Erwerb eines Anteils an solchen Gesellschaften). Anders gesagt, gilt die Ausnahme von der Bewilligungspflicht nur für Handels-, Industrieoder Handwerksbetriebe, die sich nicht vorwiegend mit dem Grundstückerwerb befassen, welche aber ohne diesen nicht in der Lage wären, ihre wirtschaftlichen Ziele zu erfüllen19. Im übrigen bleiben die Bestimmungen über die Kapitalanlagen20 während der Uebergangsftist unverändert.

3

Verfahren

Artikel 17 und 18 BewG, welche das Bewilligungsverfahren sowie die Behandlung von Gesuchen auf Eintragung durch den Grundbuchverwalter oder den Handelsregisterführer behandeln, bleiben unverändert. Lediglich im Zweifelsfall wenn die Bewilligungspflicht nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann (z.B.

beabsichtigt der Erwerber, einen Grossteil des Grundstücks zu vermieten, was einer blossen Kapitalanlage gleichkäme und deshalb während der Uebergangsftist verboten ist) - hat der Grundbuchverwalter oder der Handelsregisterführer das Verfahren auszusetzen und den Erwerber an die erstinstanzliche kantonale Bewilligungsbehörde zu verweisen. Diese prüft, ob der vorgesehene Erwerb der Bewilligungspflicht untersteht. Dieses Verfahren ist hingegen nicht allein auf Personen im Ausland anwendbar, sondern ebenfalls auf Schweizer (z.B. in Fällen, in welchen nicht ausgeschlossen werden kann, dass der schweizerische Erwerber treuhänderisch - etwa

19

Zum Begriff der Immobiliengesellschaft, vgl. BGE 115 Ib 102

20

Vgl. Artikel 4, Absatz l, Buchstabe c BewG. Diese Bewilligungspflicht gilt nur für Immobilienanlagefonds, deren Anteilscheine auf dem Markt nicht regelmässig gehandelt werden. Hingegen ist die Uebernahme der Leitung von Immobilienanlagefonds durch ausländische Gesellschaften oder deren Beteiligung an der Fondsleitungsgesellschaft während der fünfjährigen Ucbergangsfrist ausgeschlossen.

751

mangels genügender Eigenmittel - handelt). Durch dieses - nicht diskriminierende Verfahren ist folglich auch keine Verletzung des EWR-Abkommens zu befürchten.

Wie in Kapitel 7 der Genehmigungsbotschaft hervorgehoben, kann die Anwendung der neuen in Artikel 7a enthaltenen Bestimmungen zu einem erhöhten Arbeitsaufwand führen. Das Bundesamt für Justiz wird, um den betroffenen Organen diese Aufgabe zu erleichtern, die entsprechenden Zirkulare und Wegleitungen21 anpassen.

4

Bedingungen und Auflagen

Wie oben ausgeführt, sind Angehörige von EWR-Staaten - je nach beabsichtigtem Grundstückerwerb - nicht der Bewilligungspflicht unterstellt. Diese Ausnahme wird grundsätzlich mit keiner Auflage oder Bedingung verbunden. Diejenigen Auflagen, welche an die nach altem Recht erteilten Bewilligungen geknüpft wurden, können gelöscht werden, wenn der Erwerber in Anwendung des neuen Artikels 7a nicht mehr der Bewilligungspflicht unterstünde. Auf diese Weise soll denn auch eine nachträgliche Ungleichbehandlung von Angehörigen von EWR-Staaten vermieden werden. Schon nach heutiger Praxis können Personen, welchen nachträglich die Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) erteilt wird, sofern kein Rechtsmissbrauch vorliegt, die Streichung der Auflagen verlangen. Im Gegensatz dazu wird die Auflage, die Wohneinheit in einem Apparthotel dem Betriebsinhaber zur Verfügung zu stellen, grundsätzlich nicht aufgehoben. Dies stellt hingegen keine Diskriminierung zwischen Schweizern und Ausländern dar, da die fragliche Auflage, unabhängig von der Person des Erwerbers, direkt an die Wohneinheit gebunden ist. Es spielt somit auch keine Rolle, ob der Erwerber der Lex Friedrich untersteht oder nicht22.

21

Wegleitung für die Grundbuchverwalter betreffend den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 29. Januar 1985; Weisungen an die kantonalen Handelsregisterämter betreffend den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 12. April 1985.

"· Vgl. Artikel 10 BewG und Artikel 7 BewV; vgl. zudem den nichtveröffentlichten Entscheid des Bundesgerichts vom 9.2.1990, i.S. H.-W.

752

5

Militärische Sicherheit

Nach Artikel 5 Absatz 2 BewG unterstehen alle natürlichen Personen ausländischer Staatsangehörigkeit - selbst wenn sie im Besitz einer Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) sind - für den Erwerb von Grundstücken in der Nähe einer wichtigen militärischen Anlage der Bewilligungspflicht. Dieses Bewilligungsverfahren ist im Hinblick auf die Artikel 28 III und 33 des EWR-Abkommens vertretbar, umso mehr, als die entsprechende Praxis des Eidgenössischen Militärdepartements keineswegs restriktiv gehandhabt wird (so wurde in einem Jahr bei 712 überprüften Fällen die Bewilligung lediglich sechsmal verweigert). Zudem überprüft das genannte Departement gegenwärtig generell die Probleme der militärischen Sicherheit. Die entsprechenden Bestimmungen in der Lex Friedrich sind während der Uebergangsfrist zu überprüfen. Wird an ihnen festgehalten, so werden sie in das Bundesgesetz vom 10.

Dezember 194823 über den Schutz militärischer Anlagen übertragen.

6

Schutzklausel

Die eventuelle Anrufung von Schutzmassnahmen verlangt eine konstante Beobachtung der Entwicklung auf dem Immobilienmarkt. Die Notwendigkeit, über verlässliche und kontinuierliche statistische Angaben in diesem Sektor zu verfügen, wurde auch für den innenpolitischen Bereich erkannt, so im Rahmen des Anschlussprogramms "Bodenrecht im Siedlungsbereich" (Veröffentlichung von Eigentumsübertragungen an Grundstücken, Offenlegung der Eigentumsverhältnisse an Immobiliengeschäften; Vorentwürfe im Herbst 1992). Im Hinblick auf die Schutzklausel ist es nötig, diese Informationen durch weitere statistische Angaben zu vervollständigen, wie insbesondere über die grenzüberschreitenden Kapitalzuflüsse und deren Auswirkungen auf nationaler, regionaler oder sektorieller Ebene. Es gilt somit während der Uebergangsperiode, diese Indikatoren zu bestimmen und sie in eine umfassende Bodenstatistik zu integrieren. Das neue Bundesstatistikgesetz24 wird eine gesetzliche Grundlage enthalten, die genügen dürfte, diese Aufgabe zu erfüllen.

23 SR 510.518 24

Vgl. Botschaft zu einem Bundesstatistikgesetz, BEI 1992 I 373

753

Entwur Bundesbeschluss f über die Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1992 '), beschliesst: I

Das Bundesgesetz vom 16. Dezember )983 2) über den Erwerb von Grundstükken durch Personen im Ausland wird wie folgt geändert: Ingress (Ergänzung) in Ausführung der Artikel 4 und 40 des Abkommens vom 2. Mai 19923> über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Anhang XII, der sich auf die Richtlinie Nr. 88/361 des Rates vom 24. Juni 19884) zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages bezieht, Art. 7a 1

Ausnahmen von der Bewilligungspflicht für Angehörige von EWRStaaten (neu) Keiner Bewilligung bedürfen: a. Angehörige von EWR-Staaten mit Wohnsitz in der Schweiz, die eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben, für den Erwerb eines Grundstücks für ihre eigenen Bedürfnisse; b. Angehörige von EWR-Staaten mit Wohnsitz in der Schweiz, die keine Erwerbstätigkeit ausüben, für den Erwerb eines Grundstücks am Ort ihres Wohnsitzes ; c. Angehörige von EWR-Staaten, die sich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zeitweise in der Schweiz aufhalten, für den Erwerb eines Grundstükkes, das ihnen während ihres Aufenthalts als Wohnung oder gegebenenfalls zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit dient; d. Angehörige von EWR-Staaten oder Gesellschaften mit Wohnsitz oder Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in einem EWR-Staat für den Erwerb eines Grundstücks zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit;

" BEI 1992 V 743 » SR 211.412.41 «4 AS 1993 ...

> EWRS...; ABI. Nr. L 178 vom 8. 7. 1988, S. 5

754

Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland. BB

e. Angehörige von EWR-Staaten, die zwei Jahre lang ohne Unterbrechung in der Schweiz als landwirtschaftliche Arbeitnehmer gearbeitet haben, für den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken, 2 Die in Absatz l erfassten Personen und Gesellschaften unterstehen der Bewilligungspflicht, wenn sie ein Grundstück zum Zwecke des gewerbsmässigen Immobilienhandels oder als blosse Kapitalanlage erwerben.

II 1 Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich. Er gilt so lange, als das EWR-Abkommen in Kraft ist.

2

Er unterliegt aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen '> der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

'> AS ...

755

92.057^*9

6.3 Bundesbeschluss über Pauschalreisen l

Die Richtlinie 90/314

Die Richtlinie Nr. 90/314 des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (Abi. Nr.

L 158 vom 23.6.90, S. 59; in der Folge: RL) bezweckt die Angleichung der Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Pauschalreisen - einschliesslich der Pauschalferienreisen und der Pauschalnmdreisen -, die in der EG angeboten werden (vgl. Art. l RL),

Die Pauschalreise ist nach der Richtlinie (vgl. Art. 2 Ziff. 1) eine Verbindung von Dienstleistungen. Die Richtlinie zählt drei Kategorien von Dienstleistungen auf, nämlich Beförderung, Unterbringung und andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen der zwei ersten sind und einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen; als Pauschalreise gilt die im voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei dieser Dienstleistungen, wenn die Gesamtleistung länger als 24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschliesst. Diese Verbindung von Dienstleistungen muss grundsätzlich "zu einem Gesamtpreis verkauft oder zum Verkauf angeboten" werden, aber die Richtlinie ist auch anwendbar bei separater Berechnung der einzelnen Leistungen, wenn diese im Rahmen derselben Pauschalreise erbracht werden.

Als Veranstalter gilt, wer Pauschalreisen nicht nur gelegentlich organisiert und diese direkt oder über einen Vermittler anbietet (vgl. Art. 2 Ziff. 2 RL); der Vermittler bietet die Pauschalreisen an, die der Veranstalter zusammenstellt (vgl. Art. 2 Ziff. 3 RL).

Weit gefasst ist der Begriff "Verbraucher". Er umfasst nämlich den "Hauptkontrahenten", der für sich selbst oder für Dritte die Pauschalreise bucht oder sich zu buchen verpflichtet, wie auch die Personen, in deren Namen der

756

Hauptkontrahent gehandelt hat, sowie die Personen, denen die Pauschalreise zediert wurde (vgl. Art. 2 Ziff. 4 RL).

Beschreibungen einer Pauschalreise dürfen keine irreführenden Angaben enthalten; dies gilt auch in bezug auf den Preis und die übrigen Vertragsbedingungen (vgl. Art. 3 Abs. l EL). Für den Fall des Verstosses gegen diese Vorschrift sieht die Richtlinie keine Sanktion vor.

Prospekte müssen in jedem Fall deutlich lesbare, klare und genaue Angaben zum Preis und zu allfälligen andern Elementen enthalten, die für die betreffende Pauschalreise oder für den konkreten Vertrag relevant sind, wie beispielsweise zum Bestimmungsort, zu den Trasportmitteln, zur Hotelklasse oder zu den Zahlungsmodalitäten (vgl. Art. 3 Abs. 2 RL); die Richtlinie kennt keine Sanktion bei Nichtbeachtung dieser Regelung.

Die Prospektangaben sind für Veranstalter oder Vermittler grundsätzlich verbindlich; deren Aenderung setzt eine ausdrückliche Vorbehaltsklausel im Prospekt selbst und eine klare Mitteilung an den Verbraucher vor Vertragsabschluss voraus oder bedarf der Zustimmung des Verbrauchers (vgl. Art. 3 Abs. 2 RL).

Besondere Aufmerksamkeit schenkt die Richtlinie der Information, die dem Verbraucher gegeben werden muss. So muss er vom Veranstalter und/oder vom Vermittler vor Vertragsabschluss schriftlich oder in anderer geeigneter Form insbesondere über allfällige gesundheitspolizeiliche Formalitäten sowie über Pass- und Visumerfordemisse unterrichtet werden (vgl. Art. 4 Abs. l Bst. a RL). Rechtzeitig vor Beginn der Reise ist er schriftlich oder in einer andern geeigneten Form über alle wichtigen Elemente zu informieren, wie beispielsweise über Zwischenstationen, Kategorie des Platzes im Transportmittel, Adresse des allfälligen Vertreters des Veranstalters oder des Vermittlers am Bestimmungsort und über die Möglichkeiten einer Reiserücktrittsversicherung (vgl. Art. 4 Abs. l Est. b RL).

Für den Vertrag sieht die Richtlinie keine besondere Form vor. Sie schreibt jedoch für den Vertrag einen je nach Art der versprochenen Dienstleistungen unterschiedlichen Mindestinhalt vor (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. a RL) und verlangt, dass alle Vertragsbedingungen dem Verbraucher schriftlich oder in anderer verständlicher und zugänglicher Form übermittelt werden und dass er eine Vertragskopie erhält (vgl. Art.

4 Abs.

2 Bst.

b RL).

Diese Regelung

darf

allerdings

Buchungen und

Vertragsabschlüssen nicht entgegenstehen, die zu spätem Zeitpunkt oder gar "im

757

letzten Augenblick" erfolgen (vgl. Art. 4 Abs. 2 Est. e KL). Für den Fall, dass der Vertrag den inhaltlichen Mindestanforderungen nicht genügt, sieht die Richtlinie keine Sanktion vor.

Eine Aenderung des vertraglichen Preises ist nur bei Aenderung der Beförderungskosten (z.B. der Treibstoffkosten), der Abgaben und Gebühren für bestimmte Leistungen (z.B. Lande- oder Einschiffungsgebühren) und der in Frage kommenden Wechselkurse zulässig, und auch in diesen Fällen nur, wenn der Vertrag einen ausdrücklichen Anpassungsvorbehalt enthält und die Berechnung des neuen Preises genau umschreibt (vgl. Art. 4 Abs. 4 Est. a RL). Ausgeschlossen sind auf jeden Fall Preiserhöhungen in den 20 Tagen vor dem vereinbarten Abreisetermin (vgl.

Art. 4 Abs. 4 Bst. b RL).

Ist der Veranstalter vor der Abreise gezwungen, den Preis oder einen anderen wesentlichen Bestandteil des Vertrags erheblich zu ändern, so muss er den Verbraucher umgehend davon benachrichtigen. Dieser kann dann vom Vertrag zurücktreten - und schuldet keine Vertragsstrafe - oder der Vertragsänderung und ihrer Auswirkung auf den Preis zustimmen; er muss dem Vertragspartner seinen Entscheid umgehend mitteilen (vgl. Art. 4 Abs. 5 RL).

Tritt der Verbraucher vom Vertrag zurück, so kann er "schnellstmögliche Erstattung" aller bezahlten Beträge verlangen; er kann aber auch, falls ihm der Veranstalter und/oder der Vermittler eine solche Möglichkeit bieten, an einer anderen Pauschalreise teilnehmen: Ist diese gleich- oder höherwertig als die ursprünglich gebuchte, schuldet er keine Preisdifferenz; ist sie von geringerer Qualität, hat er Anspruch auf die Preisdifferenz (vgl. Art. 4 Abs. 6 RL). Ob und in welchem Ausmass ihm ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags zusteht, entscheidet sich in beiden Fällen nach nationalem Recht (vgl. Art. 4 Abs. 6 RL).

Diese Regelung gilt auch, wenn der Veranstalter vor dem vereinbarten Abreisetermin die Pauschalreise aus andern Gründen storniert als aus "Verschulden des Verbrauchers"; dieser hat aber keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags, wenn die Stornierung auf höhere Gewalt, wozu die Überbuchung nicht zählt, oder darauf zurückzuführen ist, dass die dem Verbraucher bekannte erforderliche Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht wurde (vgl. Art. 4 Abs. 6

RL).

758

Es kann sich nach Reisebeginn herausstellen, dass ein erheblicher Teil der vereinbarten Leistungen nicht erbracht wird oder vom Veranstalter nicht erbracht werden kann.

Diesfalls muss er angemessene Vorkehrungen treffen, damit die Pauschalreise weitergeführt wird. Werden dabei Leistungen erbracht, die im Vergleich zu den vereinbarten minderen Wertes sind, so schuldet er dem Verbraucher eine Entschädigung in Höhe der Preisdifferenz; er kann aber keinen Preiszuschlag verlangen, wenn die Ersatzleistungen höherwertig sind (vgl. Art. 4 Abs. 7 EL). Es kann auch vorkommen, dass Ersatzmassnahmen nicht möglich sind oder vom Verbraucher aus triftigen Gründen abgelehnt werden. Der Veranstalter muss dann den Verbraucher an den Abreise- oder an einen andern vereinbarten Ort mit einem gleichwertigen Mittel befördern und ihn gegebenenfalls entschädigen (vgl. Art. 4 Abs.

7RL)

Nach der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten die notwendigen Massnahmen zu treffen, damit der Veranstalter und/oder der Vermittler, der Vertragspartei ist, dem Verbraucher fur die ordnungsgemässe Vertragserfüllung haften, unabhängig davon, ob die einzelnen Dienstleistungen von ihnen selbst oder von andern Trägern erbracht werden müssen; dem Veranstalter und dem Vermittler steht ein Regress gegen die betreffenden Dienstleistungsträger zu (vgl. Art. 5 Abs. l RL). Die Haftung des Veranstalters und/oder des Vermittlers, der Vertragspartei ist, wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung des Vertrags besteht allerdings nicht, wenn weder sie noch die einzelnen Dienstleistungsträger ein Verschulden trifft, sondern der Schaden auf Versäumnisse des Verbrauchers, auf unvorhersehbare oder unabwendbare Versäumnisse eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten oder auf höhere Gewalt zurückzuführen sind; abgesehen vom Fall der Versäumnisse des Verbrauchers selbst müssen aber der Veranstalter und/oder der Vermittler, der Vertragspartei ist, dem Verbraucher bei Schwierigkeiten Hilfe leisten (vgl. Art. 5 Abs. 2 RL).

Eine vertragliche Beschränkung der Haftung für Personen- und Sachschäden ist zulässig, wenn sie im Rahmen der Regelung von internationalen Übereinkommen erfolgt, die eine solche Haftungsbegrenzung vorsehen. Sonst kann die Haftung für Personenschäden nicht durch Vereinbarung eingeschränkt werden; für Sachschäden kann hingegen das nationale Recht eine Beschränkung der Haftung zulassen, die allerdings nicht unangemessen sein darf (vgl. Art. 5 Abs. 2 und 3 RL).

Stellt der Verbraucher während der Reise einen Mangel bei der Vertragserfüllung fest, so muss er dies dem betreffenden Leistungsträger sowie dem Veranstalter und/oder

759

dem Vermittler so bald wie möglich schriftlich oder in anderer geeigneter Form mitteilen; der Vertrag muss klar und deutlich auf diese Verpflichtung hinweisen (vgl, Art. 5 Abs. 4 KL). Der Veranstalter und/oder der Vermittler und ihr allfälliger örtlicher Vertreter sorgen dann "nach Kräften um geeignete Lösungen" (vgl. Art. 6 RL).

Die Richtlinie regelt auch den Fall, dass der Verbraucher verhindert ist, an der Pauschalreise teilzunehmen: Er kann seine Buchung auf einen Dritten übertragen, der alle Teilnahmevoraussetzungen erfüllt, muss dies aber dem Veranstalter oder dem Vermittler "binnen einer vertretbaren Frist vor dem Abreisetermin" mitteilen; Verbraucher und Dritter haften dem Veranstalter oder dem Vermittler, der Vertragspartei ist, solidarisch für die Zahlung des noch nicht beglichenen Betrags und für die allfalligen aus der Übertragung entstandenen Mehrkosten (vgl. Art. 4 Abs. 3 RL).

Nach der Richtlinie müssen schliesslich der Veranstalter und/oder der Vermittler, der Vertragspartei ist, den Nachweis erbringen, dass die Rückerstattung der bereits bezahlten Beträge und die Rückreise des Verbrauchers im Fall von Zahlungsunfähigkeit oder Konkurs sichergestellt sind (vgl. Art. 7 RL).

Die Regelung der Richtlinie stellt ein Minimum dar; die Mitgliedstaaten dürfen den Schutz des Verbrauchers durch strengere Vorschriften verstärken (vgl. Art. 8 RL).

2

Das schweizerische Recht

Der Pauschalreisevertrag als solcher ist im schweizerischen Recht nicht ausdrücklich geregelt. Nach herrschender Lehre darf er weder vollständig dem Werkvertrag noch ausschliesslich dem Auftrag zugeordnet werden, sondern ist als Innominatkontrakt zu qualifizieren, der Elemente des Auftrags und vor allem des Werkvertrags aufweist.

In diesem Zusammenhang zu erwähnen ist, dass das Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) ein Verbot irreführender Angaben statuiert, das auch für die Beschreibung von Pauschalreisen gilt. Ferner unterstehen auch Preisangaben für Pauschalreisen der Verordnung vom 11. Dezember 1978 über die Bekanntgabe von Preisen (PBV; SR 942.211).

760

3

Erläuterung des Entwurfs

3.1

Im allgemeinen

Der Entwurf zum Bundesbeschluss über Pauschalreisen übernimmt grundsätzlich die Regelung der Richtlinie.

Eine Ausnahme bildet das von der Richtlinie (Art. 3 Abs. 1) vorgesehene Irreführungsverbot. Dass die Informationen, die dem Verbraucher in bezug auf Beschreibung der Reise, Preis und übrige Vertragsbedingungen vom Veranstalter oder Vermittler geliefert werden, keine irreführenden Angaben enthalten dürfen, ergibt sich bereits aus Artikel 3 Buchstabe b und Artikel 18 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241). Dieser lauterkeitsrechtliche Grundsatz, dessen Verletzung generell mit zivil- und strafrechtlichen Sanktionen bedroht ist (vgl. Art. 9 ff. und 23 ff. UWG), gilt für sämtliche Bereiche und Branchen der Wirtschaft und .nicht nur für Angebote von Pauschalreisen. Deshalb braucht er nicht in den vorliegenden Entwurf übernommen zu werden.

Aehnlich verhält es sich in bezug auf die Bestimmung der Richtlinie (Art. 3 Abs. 2 Bst. a-g), wonach Prospekte, die dem Verbraucher zur Verfügung gestellt werden, "deutlich lesbare, klare und genaue Angaben zum Preis" und zu anderen für die Pauschalreise bedeutenden Elementen enthalten müssen. Diese Verpflichtungen des Veranstalters (und des Vermittlers) von Pauschalreisen sollen nicht in diesem Entwurf, sondern in der Verordnung vom 11. Dezember 1978 über die Bekanntgabe von Preisen (PBV; SR 942.211) verankert werden. Diese Verordnung gilt nämlich grundsätzlich für "die an Konsumenten gerichtete Werbung für sämtliche Waren und Dienstleistungen" (Art. 2 Abs. l Est. d PBV), so dass sie bereits heute Kataloge, Prospekte, Inserate und dergleichen für alle Reisen erfasst, sofern dafür Preise angegeben werden; eine Regelung des Teilbereichs "Pauschalreisen" im vorliegenden Entwurf wäre daher weder der Rechtssicherheit noch der Rechtsvereinheitlichung förderlich. Konkret wird es darum gehen, in Artikel 10 Absatz l PBV, wo der Bundesrat gestützt auf Artikel 16 Absatz l UWG bisher elf Dienstleistungsbereiche der generellen Preisbekanntgabepflicht unterstellt hat, auch die Angebote für Pauschalreisen zu erwähnen; weiter soll die Verordnung die Punkte festlegen, die nach der Richtlinie in den Prospekten enthalten sein müssen, soweit sie für die betreffende

27 Bundesblaii 143.Jahrgang. Bd. v

761

Pauschalreise von Bedeutung sind. Durch diese Lösung wird auch für die Einhaltung der neuen Regelung gesorgt, denn Verstösse gegen die Preisbekanntgabevorschriften sind von Amtes wegen zu verfolgen und werden mit Haft oder Busse bis zu 20'000 Franken bestraft (vgl. Art. 21 PBV i.V.m. Art. 24 UWG).

Wie bereits erwähnt, sieht die Richtlinie keine Sanktion für den Fall vor, dass Veranstalter oder Vermittler die Vorschriften über die Information des Verbrauchers und über den Vertragsinhalt verletzen. Der Entwurf füllt diese Lücke, weil die ganze Regelung sonst keinen Sinn machte und unpraktikabel bliebe. Er tut dies, indem er die Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften als strafbar erklärt.

Eine strafrechtliche Sanktion ist auch für den Verstoss gegen die Pflicht zur Sicherstellung der bereits bezahlten Beträge und der Rückreise des Konsumenten bei Zahlungsunfähigkeit oder Konkurs des Veranstalters oder des Vermittlers vorgesehen.

Für diesen Fall kennt der Entwurf auch eine zivilrechtliche Sanktion, nämlich das Recht des Konsumenten, vom Vertrag zurückzutreten.

Indem er Sanktionen vorsieht, macht der Entwurf Gebrauch von der in Artikel 8 der Richtlinie gewährten Möglichkeit, den Konsumentenschutz zu verstärken. Im Rahmen des EUROLEX-Gesetzgebungsverfahrens, das das Referendum ausschliesst, ist aber auch in bezug auf die Sanktionen grosse Zurückhaltung geboten. So inspiriert sich der Entwurf an bestehenden Modellen (UWG, OR) und verzichtet auf die Kumulierung von Sanktionen, wo dies nicht notwendig ist. Die vorgeschlagene Regelung hat daher vor allem Präventivwirkung und will letztlich bloss erreichen, dass der Konsument eine formell und materiell korrekte Information erhält und dass er, der in der Regel zur Vorleistung verpflichtet ist, vor finanziellen Schwierigkeiten seines Vertragspartners geschützt wird.

Die Richtlinie wendet sich häufig an den Veranstalter "und/oder" den Vermittler. Sie überlässt es den Mitgliedstaaten, ob sie nur den einen davon oder die beiden verpflichten wollen. Bei der Umsetzung der Richtlinie galt es daher, nach einer vernünftigen Verteilung der Verantwortung zu suchen. In Anlehnung an die Richtlinie unterscheidet der Entwurf, ob der Vermittler Vertragspartei ist oder nicht. Im ersten Fall haftet er für die nicht gehörige Vertragserfüllung (vgl. Art. H), muss dem Konsumenten bei gewissen Schwierigkeiten Hilfe leisten (vgl. Art. 15 Abs. 2) und muss ihm nachweisen, dass die Rückerstattung der bezahlten Beträge und die Rückreise

762

sichergestellt sind (vgl. Art. 18); auf der andern Seite besteht in diesem Fall die solidarische Haftung des Zedenten und des Zessionars der Pauschalreise dem Vermittler gegenüber (vgl. Art. 17 Abs. 2). Abgesehen vom Fall des Vermittlers, der Vertragspartei ist, verwendet der Entwurf neutrale Wendungen oder die Formel "Veranstalter oder Vermittler", damit im konkreten Fall die Person erfasst wird, die dem Konsumenten und dem Vertrag am nächsten steht und so ihre Rechte und Pflichten am leichtesten ausüben oder erfüllen kann. In diesem Sinn ist beispielsweise die Information des Konsumenten vor Vertragsabschluss und vor Reisebeginn Aufgabe des Veranstalters oder des Vermittlers (vgl. Art. 4 und 5). Nur der Veranstalter kann eine wesentliche Vertragsänderung vornehmen (vgl. Art. 8 Abs. 1), aber der Konsument kann ihm oder dem Vermittler mitteilen,.ob er sie akzeptiert oder vom Vertrag zurücktritt (vgl. Art. 10 Abs. 2). Festgestellte Mängel muss der Konsument dem Veranstalter oder dem Vermittler mitteilen, und mindestens einer der beiden muss versuchen, sie zu beheben (vgl. Art. 12).

3.2

Oie einzelnen Artikel

Artikel l und 2 Artikel l Absatz l (vgl. Art. 2 Ziff. l KL) definiert die Pauschalreise als eine im voraus festgelegte Verbindung von Dienstleistungen, die zu einem Gesamtpreis angeboten wird, länger als 24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschliesst und mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen erfasst: Beförderung, Unterbringung oder andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen der zwei ersten sind und einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen. Vom Entwurf nicht erfasst sind somit beispielsweise, schon weil die alternative Voraussetzung der über 24stündigen Dauer oder der Unterbringung nicht erfüllt ist, alle eintägigen Ausflüge und Rundreisen, bei denen Zwischenverpflegungen, Mittagessen und allenfalls Abendessen sowie etwaige Besuche im Preis Inbegriffen sind. Dem Entwurf untersteht hingegen beispielsweise eine dreitägige Reise nach Paris, wenn im Pauschalpreis die Fahrt und die zwei Übernachtungen eingeschlossen sind, und dies unabhängig davon, ob im offerierten Paket auch weitere Leistungen (wie Halb- oder Vollpension, Stadtrundfahrt, Museen- und Theaterkarten) enthalten sind. Es versteht sich von selbst und ist deshalb nicht ausdrücklich zu erwähnen, dass der Begriff "Pauschalreise" die Pauschalurlaubsreisen und die Pauschalrundreisen miteinschliesst, so dass auch diese Formen dem Entwurf unterstehen, wenn die erwähnten Voraussetzungen erfüllt sind.

763

Absatz 2 (vgl. Art. 2 Ziff. l RL) erweitert die Definition der Pauschalreise auf die Fälle, in denen einzelne Leistungen nicht in der Pauschale enthalten, sondern getrennt in Rechnung gestellt werden. So fallt eine zweitägige Reise nach Verona unter den Entwurf, selbst wenn die Opernbillette separat berechnet werden.

Nach Artikel 2 Absatz l (vgl. Art. 2 Ziff. 2 RL) gilt jede (natürliche oder juristische) Person als Veranstalter, die nicht nur gelegentlich Pauschalreisen organisiert und sie anbietet, sei es direkt, sei es über einen Vermittler.

Absatz 2 (vgl. Art, 2 Ziff. 3 RL) definiert den Vermittler als (natürliche oder juristische) Person, welche die von einem Veranstalter zusammengestellten Pauschalreisen anbietet.

Absatz 3 (vgl. Art. 2 Ziff. 4 RL) enthält eine weitgefasste Definition des Konsumenten. Konsument im Sinne des Entwurfs ist zunächst, wer - als Hauptkontrahent - die Pauschalreise bucht oder sich zu buchen verpflichtet (Bst. a). Er kann dies für sich selbst oder für einen oder mehrere Dritte tun, so beispielsweise für seine Familienangehörigen oder für die Mitglieder "seines" Vereins. Bucht er für Dritte, so handelt er entweder in deren Namen (Stellvertretung) oder zu deren Gunsten (Vertrag zugunsten Dritter). Auch diese Dritten sind nach dem Entwurf (Bst. b) Konsumenten; ihnen stehen somit - selbst bei einem unechten Vertrag zugunsten Dritter - alle im Entwurf vorgesehenen Rechte zu. Als Konsument gilt schliesslich (Bst. c) jede Person, der die Pauschalreise - vom Hauptkontrahenten selbst oder von einem der erwähnten Dritten - nach Artikel 17 abgetreten wird.

Artikel 3

Artikel 3 (vgl. Art. 3 Abs. 2 RL) hält den Grundsatz fest, dass Veranstalter und Vermittler, die Prospekte veröffentlichen, an die darin enthaltenen Angaben gebunden sind. Diese Angaben können nur dann einseitig geändert werden, wenn der Prospekt diese Möglichkeit ausdrücklich vorbehält und die Aenderung dem Konsumenten vor Vertragsabschluss, zu einem Zeitpunkt also, wo er noch keine Verpflichtung eingegangen ist, klar mitgeteilt wird (Bst. b). Für die Aenderung von Prospektangaben durch Parteiverembarung bestehen hingegen keine Schranken; sie sind stets zulässig (Bst. a).

764

Artikel 4 und 5 Nach Artikel 4 Absatz l (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. b KL) muss der Konsument vor Vertragsabschluss schriftlich über alle Vertragsbedingungen informiert werden.

Dieser Grundsatz wird von Absatz 2 (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. b RL) eingeschränkt, wonach die Information auch in einer andern verständlichen und zugänglichen Form erfolgen kann, vor Vertragsabschluss aber dem Konsumenten durch eine Vertragskopie bestätigt werden muss. Die Pflicht zur Bestätigung fällt nur dahin, wenn deren Erfüllung die Buchung oder den Vertragsabschluss verunmöglichen würde (Abs. 2; vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. b RL). Da eine solche Unmöglichkeit höchst selten vorliegen dürfte, bedeutet die vorgeschlagene Regelung praktisch, dass der Konsument vor Vertragsabschluss über ein Schriftstück verfügt, das alle Vertragsbedingungen enthält.

Absatz 3 (vgl. Art. 4 Abs. l Bst. a RL) zählt einige allgemeine Informationen auf, die dem Konsumenten vor Vertragsabschluss schriftlich oder in einer anderen geeigneten Form gegeben werden müssen, soweit sie für die Pauschalreise von Bedeutung sind.

Es geht um die Pass- und Visumerfordernisse für EWR-Bürger und um die Fristen für die Erlangung dieser Dokumente (Bst. a) sowie um die für die Reise und den Aufenthalt erforderlichen gesundheitspolizeilichen Formalitäten (Bst. b).

Artikel 5 (vgl. Art. 4 Abs. l Bst. b RL) regelt die Information des Konsumenten vor Reisebeginn. Der Veranstalter oder der Vermittler muss ihn schriftlich oder in anderer geeigneter Form rechtzeitig informieren über die Uhrzeiten und Orte von Zwischenstationen und Anschlussverbindungen (Bst. a), den Platz im Transportmittel, z.B. Schlafwagen- oder Liegewagenabteil im Zug (Bst. b), und die Möglichkeit, eine Reiserücktrittsversicherung oder eine Versicherung zur Deckung der Rückführungskosten bei Unfall oder Krankheit abzuschliessen (Bst. e). Dem Konsumenten mitzuteilen sind ferner Name, Adresse und Telefonnummer des örtlichen Vertreters des Veranstalters oder Vermittlers oder, falls es keinen solchen gibt, Name, Adresse und Telefonnummer der Stellen, welche dem Konsumenten bei Schwierigkeiten vor Ort Hilfe leisten können (Bst. c). Wenn auch solche Stellen fehlen, genügen eine Notrufnummer oder Angaben, die dem Konsumenten eine Kontaktaufnahme mit dem Veranstalter oder dem Vermittler ermöglichen (Bst. c).

Befindet sich ein Minderjähriger im Rahmen einer Pauschalreise im Ausland, so ist

765

auch anzugeben, wie eine unmittelbare Verbindung zu ihm oder zu dem an seinem Aufenthaltsort Verantwortlichen hergestellt werden kann (Bst. d).

Artikel 6 Artikel 6 (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. a und Anhang RL) bestimmt den Mindestinhalt des Vertrags. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass die in einem Prospekt vorgesehenen Vertragsbedingungen für den Konsumenten nur verbindlich sind, wenn der Vertrag sie übernommen hat.

Absatz l legt fest, was im Vertrag über eine Pauschalreise unabhängig von den angebotenen Leistungen enthalten sein muss. Anzugeben sind in jedem Fall: Name und Adresse des Veranstalters (Bst. a), Datum, Uhrzeit und Ort von Beginn und Ende der Reise (Bst. b) - der Anhang zur Richtlinie spricht von "Ort der Abreise und Rückkehr", aber es können durchaus zwei verschiedene Orte sein -, Preis der Pauschalreise sowie Zeitplan und Modalitäten für dessen Zahlung (Bst. e), Frist, innert welcher der Konsument allfäHige Beanstandungen wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung des Vertrags erheben muss (Bst. g).

In jedem Fall anzugeben ist ferner, ob für das Zustandekommen der Pauschalreise eine Mindestteilnehmerzahl erforderlich ist und, wenn dies zutrift, wann spätestens dem Konsumenten mitgeteilt wird, ob die Reise annulliert wird (Bst. d). Zum notwendigen Vertragsinhalt gehört auch der Hinweis auf das Recht des Konsumenten, den Nachweis der Sicherstellung der Rückerstattung der von ihm bezahlten Beträge sowie seiner Rückreise zu verlangen (Bst. f). Der Entwurf weicht in diesem Punkt von der Richtlinie ab, die keinen Hinweis auf dieses Recht des Konsumenten verlangt; er tut dies, damit Veranstalter und Vermittler durch eine wirksame zivilrechtliche Sanktion (vgl. Art. 18) besser zur Einhaltung ihrer Sicherstellungspflicht motiviert werden.

Andere Angaben sind nur nötig, wenn sie im konkreten Fall Gegenstand des Vertrags bilden. Dies gilt für die anfälligen Sonderwünsche des Konsumenten, die vom Veranstalter oder vom Vermittler akzeptiert wurden (Bst. c), sowie für den Namen und die Adresse des allfälligen Vermittlers (Bst. a) und des allfälligen Versicherers

(Bst. h).

766

Gewisse Angaben müssen selbstverständlich nur dann im Vertrag enthalten sein, wenn sie für den Konsumenten aufgrund der angebotenen Leistungen von konkreter Bedeutung sind. Absatz 2 zählt sie auf. Zu dieser Kategorie gehören die Bestimmungsorte sowie die Dauer und die Termine der einzelnen Aufenthalte (Bst. a), die Reiseroute (Bst. b), die Transportmittel, ihre Merkmale und Klasse (Bst. c), die Anzahl der Mahlzeiten, die im Preis inbegriffen sind (Bst. d), die Lage, die Kategorie oder den Komfort und die Hauptmerkmale der Unterbringung sowie deren Zulassung und touristische Einstufung gemäss den Vorschriften des EWR-Gaststaates (Bst. e), die Besuche, die Ausflüge und die sonstigen Leistungen, die im Preis inbegriffen sind (Bst. f). Der Vertrag muss ferner die Voraussetzungen angeben, unter welchen eine Preiserhöhung (vgl. Art. 7) möglich ist (Bst. g), und die Abgaben erwähnen, die für bestimmte Leistungen (z.B. Lande-, Ein- oder Ausschiffungsgebühren und Aufenthaltsgebühren) entrichtet werden müssen und nicht im Preis inbegriffen sind (Bst. h) .

Für den Fall, dass die Bestimmungen über den Mindestinhalt des Vertrags nicht eingehalten werden, sieht der Entwurf eine strafrechtliche Sanktion vor (vgl. Art. 20).

Dies bedeutet allerdings nicht, dass solche Verstösse in zivilrechtlicher Hinsicht stets irrelevant sind. Vielmehr gibt es Fälle, in denen der Veranstalter oder der Vermittler bei Verletzung der Inhaltsvorschriften Ansprüche verliert. Enthält beispielsweise der Vertrag keine Mindestteilnehmerzahl-Klausel (vgl. Art. 6 Abs. l Bst. d), so kann sich der Veranstalter oder der Vermittler nicht auf Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe a berufen und schuldet dem Konsumenten Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags, selbst wenn die Reise wegen Nichteneichung der erforderlichen Teilnehmerzahl annulliert wird.

Artikel 7-10

Es ist schwierig zu verstehen, warum die Richtlinie (Art. 4 Abs. 4) verlangt, dass alle Aenderungen, also auch die Senkungen des vertraglich festgelegten Preises nur dann zulässig sind, wenn der Vertrag die Möglichkeit der Preisänderung (Erhöhung oder Senkung) ausdrücklich vorsieht und genaue Angaben zur Berechnung des neuen Preises enthält. Will damit verhindert werden, dass mit der Senkung unlautere Ziele verfolgt werden, so liegt ein Fall von Irreführung über den tatsächlichen Wert der Leistung vor, der durch das UWG erfasst ist (vgl. Art. 3 Bst. b, f und g UWG). Im übrigen darf davon ausgegangen werden, dass Senkungen der Beförderungskosten, der

767

Abgaben für Lande- und ähnliche Gebühren sowie Aenderungen der Wechselkurse, die die Reise verbilligen, dem Konsumenten zugute kommen sollen, soweit Auftragsrecht anwendbar ist (vgl. Art. 400 Abs. l OR).

Auf jeden Fall regelt Artikel 7 die Preissenkungen nicht und behandelt nur die Preiserhöhungen. Die Bestimmung legt die Bedingungen fest, unter denen eine Erhöhung

des vertraglichen

Preises

zulässig

ist.

Der

Vertrag

muss

einen

entsprechenden Vorbehalt enthalten und genau angeben, wie der neue Preis zu bestimmen ist (Bst. a). Weiter ist eine Preiserhöhung nur in wenigen, abschliessend aufgezählten Fällen möglich, nämlich bei Erhöhung der Beförderungskosten (einschliesslich der Treibstoffkosten), bei Erhöhung der Abgaben und Gebühren für bestimmte Leistungen wie Lande-, Einschiffungs- und Ausschiffungsgebühren in Häfen und entsprechende Gebühren auf Flughäfen und bei Aenderung der für die Pauschalreise massgebenden Wechselkurse (Bst. c). Selbst in diesen Fällen und bei Vorliegen eines ausdrücklichen Erhöhungsvorbehalts im Vertrag sind Preiserhöhungen ausgeschlossen, die in den letzten drei Wochen vor dem vereinbarten Abreisetermin erfolgen (Bst. b).

Die Richtlinie (vgl. Art. 4 Abs. 5) gewährt dem Konsumenten gewisse Rechte, wenn der Veranstalter

vor dem Abreisetermin den Preis (oder andere wesentliche

Bestandteile des Vertrags) "erheblich" ändert.

Was unter "wesentlicher Vertragsänderung" zu verstehen ist, ergibt sich aus Artikel 8 Absatz l (vgl. Art. 4 Abs. 5 RL). Danach gelten als wesentliche Vertragsänderungen die erheblichen Aenderungen, die einen wesentlichen Punkt des Vertrags betreffen.

Der Preis ist stets ein wesentliches Vertragselement; seine Erhöhung ist nach der unwiderlegbaren Vermutung von Absatz 2 eine erhebliche - und somit eine wesentliche Vertragsänderung -, wenn sie mehr als 10 Prozent beträgt.

Ist der Veranstalter vor dem Abreisetermin gezwungen, eine wesentliche Vertragsänderung vorzunehmen, so muss er nach Artikel 9 den Konsumenten so bald wie möglich darüber informieren und ihm den neuen Preis mitteilen. Diese Verpflichtung trifft den Veranstalter beispielsweise, wenn der Preis bei gleich bleibenden Leistungen um mehr als 10 Prozent erhöht wird oder wenn wichtige Leistungen dahinfallen oder durch erheblich minderwertige ersetzt werden müssen; im

768

ersten Fall ist dem Konsumenten der höhere, im zweiten der tiefere Preis bekanntzugeben.

Artikel 10 Absatz l (vgl. Art. 4 Abs. 5 RL) legt das Wahlrecht des Konsumenten fest, der wesentlichen Vertragsänderung zuzustimmen oder ohne jegliche Entschädigung vom Vertrag zurückzutreten. Nach Absatz 2 (vgl. Art. 4 Abs. 5 RL) muss er dem Veranstalter oder dem Vermittler so bald wie möglich mitteilen, für welche Variante er sich entschieden hat.

Fällt seine Wahl auf den Rücktritt vom Vertrag, so hat er nach Absatz 3 (vgl. Art. 4 Abs. 6 RL) grundsätzlich Anspruch auf umgehende Rückerstattung der Beträge, die er gemäss Vertrag bezahlt hat (Bst. c). Es kann vorkommen, dass der Veranstalter oder der Vermittler dem Konsumenten die Teilnahme an einer anderen Reise anbietet.

Nimmt der Konsument das Angebot an, so schuldet er keine Preisdifferenz, wenn die neue Reise höherwertig als die ursprüngliche ist (Bst. a); ist die neue Reise von minderem Wert, so kann er die Preisdifferenz verlangen (Bst. b).

Absatz 4 (vgl. Art. 4 Abs. 6 RL) gewährt dem Konsumenten einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm aus der Nichterfüllung des (ursprünglichen) Vertrags entstanden ist.

Artikel 11

Artikel 11 (vgl. Art. 4 Abs. 6 RL) regelt die Annullierung der Reise durch den Veranstalter. Erfolgt die Annullierung aus Gründen, die nicht vom Konsumenten zu vertreten sind, so hat er nach Absatz l grundsätzlich die gleichen Rechte, die ihm bei wesentlicher Vertragsänderung zustehen (vgl. Art. 10). Konkret geht es um die Teilnahme an einer andern, gleich-, höher- oder minderwertigen Reise, um die Vergütung der anfälligen Preisdifferenz oder um die Rückerstattung bereits bezahlter Beträge und um den Ersatz des aus der Nichterfüllung des Vertrags entstandenen Schadens.

In bezug auf den Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags kennt Absatz 2 zwei Ausnahmen. Zum einen besteht dieser Anspruch nicht, wenn die Reise annulliert wird, weil die erforderliche Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht wurde, und

769

der Konsument innert der vertraglich vorgesehenen Frist darüber informiert wurde (Bst. a). Es folgt daraus, dass der Veranstalter Schadenersatz schuldet, wenn er den Konsumenten nicht fristgerecht unterrichtet. Gleiches gilt übrigens auch, wenn der Vertrag keine Mindestteilnehmerzahl-Klausel enthält (vgl. Art. 6 Abs. l Bst. d). Zum zweiten besteht kein Schadenersatzanspruch des Konsumenten, wenn die Annullierung der Reise auf höhere Gewalt zurückzuführen ist (Bst. b). Im Sinne der Richtlinie stellt der Entwurf ausdrücklich klar, dass die Überbuchung nicht als höhere Gewalt gilt; er übernimmt hingegen nicht die Präzisierung der Richtlinie, wonach als höhere Gewalt ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse zu verstehen sind, "auf die derjenige, der sich auf höhere Gewalt beruft, keinen Einfluss hat und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können", weil dies selbstverständlich ist.

Artikel 12-16

Die Artikel 12 bis 16 regeln Rechte und Pflichten von Konsumenten, Veranstalter und Vermittler bei Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung des Vertrags.

Nach Artikel 12 Absatz l (vgl. Art. 5 Abs. 4 RL) rnuss der Konsument, der während der Reise einen Mangel bei der Vertragserfüllung feststellt, den Mangel so bald wie möglich gegenüber dem betreffenden Leistungsträger sowie dem Veranstalter oder dem Vermittler schriftlich oder in anderer geeigneter Form beanstanden; diese Verpflichtung besteht allerdings nur, wenn der Vertrag sie klar und deutlich vorsieht.

Absatz 2 hält den Veranstalter, den Vermittler oder seinen anfälligen örtlichen Vertreter an, geeignete Lösungen zu finden.

Artikel 13 (vgl. Art. 4 Abs. 7 RL) ist den Ersatzmassnahmen gewidmet. Diese müssen nach Absatz l vom Veranstalter getroffen werden, wenn nach Reisebeginn festgestellt wird, dass ein erheblicher Teil der vereinbarten Leistungen von deren verantwortlichen Trägern nicht erbracht wird oder vom Veranstalter selbst nicht erbracht werden kann.

Zu den Ersatzmassnahmen zählen alle angemessenen Vorkehrungen, die eine Weiterführung der Pauschalreise ermöglichen. Haben die dabei erbrachten Leistungen einen tieferen Wert als die ursprünglich vereinbarten, so hat der Konsument Anspruch auf die Preisdifferenz. Im Fall, dass die Ersatzleistungen einen höheren Wert haben, schuldet er aber gemäss Absatz 3 keinen Preiszuschlag.

770

.

Ist es unmöglich, Vorkehrungen zur Weiterführung der Pauschalreise zu treffen, so muss der Veranstalter nach Absatz 2 den Konsumenten an den Abreise- oder an einen andern, mit diesem vereinbarten Ort befördern - und zwar mit einem gleichwertigen Mittel - und ihn gegebenenfalls entschädigen. Die gleiche Pflicht trifft den Veranstalter, wenn der Konsument die vorgeschlagenen Ersatzmassnahmen aus wichtigen Gründen ablehnt. Absatz 3 schliesst aus, dass der Konsument in diesen Fällen einen Preiszuschlag bezahlt.

Artikel 14 (vgl. Art. 5 Abs. l RL) regelt die Haftung des Veranstalters und des Vermittlers. Nach Absatz l haftet der Veranstalter für die gehörige Erfüllung des Vertrags, und dies selbst, wenn die einzelnen Dienstleistungen nicht von ihm persönlich, sondern von andern Personen erbracht werden müssen. Die gleiche Haftung ist für den Vermittler vorgesehen, der Vertragspartei ist. Gehaftet wird bei Ausbleiben oder mangelhafter Erbringung einer jeden der versprochenen Leistungen, insbesondere auch derjenigen, die auf Wunsch des Konsumenten in den Vertrag übernommen wurden oder die in anwendbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen sind.

Veranstalter und Vermittler, die vom Konsumenten belangt werden, können nach Absatz 2 gegen den betreffenden Dienstleistungsträger regressieren.

Die Haftung nach Artikel 14 ist insofern keine uneingeschränkte, als Absatz 3 (vgl.

Art. 5 Abs. 2 RL) die Anwendung internationaler Übereinkommen vorbehält, die die Schadenersatzansprüche des Konsumenten bei Schlecht- oder Nichterfüllung des Vertrags beschränken. Zu denken ist insbesondere an das Warschauer Übereinkommen vom 12. Oktober 1929 zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (BS 13 653), von der Schweiz am 9. Mai 1934 genehmigt, das Berner Übereinkommen vom 9. Mai 1980 über den internationalen Bahnverkehr und deren Anhänge A und B (AS 1985 505), von der Schweiz am 8. November 1983 ratifiziert, und an das Athener Übereinkommen vom 13. Dezember 1974 über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See (AS 1988 1144), von der Schweiz am 20. März 1987 genehmigt. Nicht zu den von Absatz 3 anvisierten internationalen Übereinkommen zählen die lATA-Bedingungen, die kein internationales Übereinkommen im Sinne der Richtlinie und des Entwurfs, sondern bloss private Vereinbarungen sind.

771

Artikel 15 Absatz l (vgl. Art. 5 Abs. 2 KL) schliesst die Haftung des Veranstalters und des Vermittlers in drei Fällen aus. Sie haften nicht, wenn die Nichterfüllung oder die nicht gehörige Erfüllung des Vertrags auf Versäumnisse des Konsumenten (Bst. a), auf unvorhersehbare oder nicht abwendbare Versäumnisse eines an der Vertragserfüllung nicht beteiligten Dritten (Bst. b) oder schliesslich auf höhere Gewalt zurückzuführen ist (Bst. c). In den zwei letzten Fällen sind Veranstalter und Vermittler zwar von der Haftung befreit, aber nach Absatz 2 zur Hilfeleistung verpflichtet, wenn sich der Konsument in Schwierigkeiten befindet.

Artikel 16 bestimmt, ob und wie weit vertragliche Beschränkungen der Haftung zulässig sind. Absatz l schliesst jede Einschränkung der Haftung für Personenschäden aus. Absatz 2 (vgl. Art. 5 Abs. 2 und 3 KL) verbietet eine vertragliche Begrenzung der Haftung für absichtlich oder grobfahrlässig verursachte Sachschäden; für anders verursachte Sachschäden legt er fest, dass das vertragliche Maximum der Haftung nicht weniger betragen kann als das Zweifache des Preises der Pauschalreise. Dadurch wird die Bestimmung der Richtlinie konkretisiert, wonach das nationale Recht keine unangemessene Begrenzung der Haftung für Sachschäden zulassen darf.

Artikel 17 Artikel 17 Absatz l (vgl. Art. 4 Abs. 3 KL) gewährt dem Konsumenten das Recht, die Pauschalreise auf einen Dritten zu übertragen, der alle Teilnahmebedingungen erfüllt; der Konsument muss dies dem Veranstalter oder dem Vermittler innert angemessener Frist vor dem Abreisetermin mitteilen, damit sie die allßllig notwendigen Vorkehrungen treffen können. Entstehen daraus dem Veranstalter oder dem Vermittler Mehrkosten, so haften nach Absatz 2 der Konsument und der Dritte solidarisch dafür; Solidarität der beiden ist auch für den Fall vorgesehen, dass der Konsument den Preis noch nicht oder noch nicht ganz bezahlt hat. Zu erwähnen ist, dass die Regelung des Entwurfs - anders als die der Richtlinie (Art. 4 Abs. 3) - keine Teilnahmeverhinderung des Konsumenten verlangt und somit auch dann anwendbar ist, wenn dieser die Reise nicht antreten will. Auf die Voraussetzung der Verhinderung wird verzichtet, weil es unangebracht, ja schikanös wäre, dem Konsumenten den Nachweis von Krankheit, Unfall, beruflichen Verpflichtungen oder ähnlichem aufzuerlegen, wo die schützenswerten Interessen von Veranstalter und Vermittler, insbesondere die finanziellen, durch die Übertragung der Buchung nicht gefährdet, sondern dank der Solidarität sogar besser befriedigt werden.

772

Artikel 18

Die Richtlinie (Art. 7) verlangt vom Veranstalter und vom Vermittler, der Vertragspartei ist, den Nachweis, dass sie für den Fall von Zahlungsunfähigkeit oder Konkurs die Rückerstattung der vom Konsumenten bereits bezahlten Beträge und seine Rückreise sichergestellt haben.

Der Entwurf legt in Artikel 18 Absatz l den Grundsatz der Sicherstellungspflicht von Veranstalter und Vermittler, der Vertragspartei ist, fest. Sicherzustellen für den Fall von Zahlungsunfähigkeit oder Konkurs ist einerseits die Rückerstattung der Beträge, die der Konsument bereits bezahlt hat, und anderseits die Rückreise des Konsumenten.

Wie der Nachweis der Sicherstellung erfolgen muss, wird von der Richtlinie den Mitgliedstaaten überlassen. Am wirksamsten wäre es, im Rahmen eines Bewilligungssystems zu verlangen, dass die Sicherstellung gegenüber der Zulassungsbehörde nachzuweisen ist. Bei einem Gesetzgebungsverfahren ohne Referendumsmöglichkeit wie dem vorliegenden ist es aber angezeigt, sich mit weniger weit gehenden Massnahmen zu begnügen.

Aus diesem Grund sieht Absatz 2 vor, dass die Sicherstellung - beispielsweise die Bürgschaft, Hinterlegung oder Versicherung - dem Konsumenten nachzuweisen ist, der es verlangt. Wird seinem Wunsch nicht entsprochen, so kann er vom Vertrag zurücktreten, muss dies aber nach Absatz 3 dem Veranstalter oder dem Vermittler vor dem Abreisetermin mitteilen, und zwar schriftlich. Indem dem Konsumenten die Möglichkeit eingeräumt wird, vor der Abreise vom Vertrag zurückzutreten, falls ihm die Sicherstellung nicht nachgewiesen worden ist, führt der Entwurf eine zivilrechtliche Sanktion ein, die - zusammen mit der strafrechtlichen (vgl. Art. 20) das Ziel der Bestimmung verwirklichen sollte.

Artikel 19

Aus Gründen der Rechtssicherheit hält Artikel 19 ausdrücklich fest, dass die Bestimmungen des Bundesbeschlusses relativ zwingendes Recht sind, also dass von ihnen nicht zuungunsten des Konsumenten abgewichen werden darf.

773

Artikel 20-22

Die Artikel 20, 21 und 22 enthalten die Strafbestimmungen, Die Normen über die Information des Konsumenten (Art. 4 und 5), über den Inhalt des Pauschalreisevertrags (Art. 6) und über die Sicherstellung (Art. 18) sind besonders wichtig; ihre Einhaltung wird daher durch eine strafrechtliche Sanktion gewährleistet.

Die vorgeschlagene Lösung lehnt sich an die Artikel 23 ff. UWG an, also an ein Gesetz, das ein ähnliches Ziel verfolgt wie der vorliegende Entwurf.

Artikel 20 Absatz l bestimmt, dass derjenige, der vorsätzlich gegen die Vorschriften über die Information des Konsumenten (vgl. Bst. a), über den Inhalt des Pauschalreisevertrags (vgl. Bst. b) oder über die Sicherstellung (vgl, Bst. c) zuwiderhandelt, auf Antrag des Konsumenten mit Haft oder Busse bis zu 20'000 Franken bestraft wird. Hat der Täter fahrlässig gehandelt, so sieht Absatz 2 als Strafe Busse vor. Gemeint ist die Busse nach Artikel 106 des Strafgesetzbuchs (SR 311.0), die grundsätzlich 5000 Franken nicht überschreiten darf.

Nach Artikel 21 sind die Artikel 6 und 7 des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes (SR 313,0) anwendbar, wenn die Widerhandlung in Geschäftsbetrieben erfolgt. Artikel 6 dieses Gesetzes umschreibt den Kreis dieser Personen; Artikel 7 sieht - in Abweichung von Artikel 6 - die Möglichkeit vor, statt dieser Personen den Geschäftsbetrieb zu bestrafen, falls die in Betracht fallende Busse 5000 Franken nicht übersteigt und die notwendigen Untersuchungsmassnahmen in keinem Verhältnis mit der verwirkten Strafe stehen.

Nach Artikel 22 ist die Strafverfolgung Sache der Kantone.

Artikel 23

Artikel 23 enthält die Klausel, die das Referendum ausschliesst (Abs. 1), und sieht vor, dass der Bundesbeschluss gleichzeitig mit dem EWR-Abkomrnen in Kraft tritt (Abs. 2).

774

Bundesbeschluss über Pauschalreisen

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 31sexies, 64 und 64bis der Bundesverfassung, in Ausführung von Artikel 72 des Abkommens vom 2. Mai 1992 '' über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Anhangs XIX, der sich auf die Richtlinie Nr. 90/314 des Rates vom 13. Juni 19902) über Pauschalreisen bezieht, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 19923', beschtiesst: 1. Abschnitt: Begriffe Art. 1 Pauschalreise 1 Als Pauschalreise gilt die im voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen, wenn sie zu einem Gesamtpreis angeboten wird und länger als 24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschliesst: a. Beförderung; b. Unterbringung; c. andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen von Beförderung oder Unterbringung sind und einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen.

2 Dieser Beschluss ist auch anwendbar, wenn im Rahmen derselben Pauschalreise einzelne Leistungen getrennt berechnet werden.

Art. 2 Veranstalter, Vermittler und Konsument 1 Als Veranstalter gilt jede Person, die nicht nur gelegentlich Pauschalreisen organisiert und sie direkt oder über einen Vermittler anbietet.

2 Als Vermittler gilt die Person, welche die vom Veranstalter zusammengestellte Pauschalreise anbietet.

3 Als Konsument gilt: a. jede Person, die eine Pauschalreise bucht oder zu buchen sich verpflichtet;

" AS 1993 ...

-> EWRS...: ABI. Nr. L 158 vom 23. 6. 1990, S. 59 3

> BB1 1992 V 756

775

Pauschalreisen. BB

b. jede Person, in deren Namen oder zu deren Gunsten eine Pauschalreise gebucht oder eine Buchungsverpflichtung eingegangen wird; c. jede Person, welcher die Pauschalreise nach Artikel 17 abgetreten wird.

2. Abschnitt: Prospekte

Art. 3 Wenn ein Veranstalter oder ein Vermittler einen Prospekt veröffentlicht, so sind die darin enthaltenen Angaben für ihn verbindlich; sie können nur geändert werden: a. durch spätere Partei Vereinbarung; b. wenn der Prospekt ausdrücklich auf die Änderungsmöglichkeit hinweist und die Änderung dem Konsumenten vor Vertragsschluss klar mitgeteilt wird.

3. Abschnitt: Information des Konsumenten Art. 4 Vor Vertragsschluss 1 Der Veranstalter oder der Vermittler muss dem Konsumenten vor Vertragsschluss alle Vertragsbedingungen schriftlich mitteilen.

2 Die Mitteilung nach Absatz l kann dem Konsumenten auch in einer anderen verständlichen und zugänglichen Form übermittelt werden; in diesem Fall muss sie ihm vor Vertragsschluss durch eine schriftliche Kopie bestätigt werden. Die Pflicht zur schriftlichen Bestätigung fällt dahin, wenn ihre Erfüllung eine Buchung oder einen Vertragsschluss verunmöglichen würde.

3 Soweit dies für die Pauschalreise von Bedeutung ist, muss der Veranstalter oder der Vermittler den Konsumenten vor Vertragsschluss schriftlich oder in einer anderen geeigneten Form allgemein informieren: a. über die Pass- und Visumerfordernisse für Staatsangehörige der betreffenden Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR-Staaten), insbesondere über die Fristen für die Erlangung dieser Dokumente; b. über gesundheitspolizeiliche Formalitäten, die für die Reise und den Aufenthalt erforderlich sind.

Art. 5 Vor Reisebeginn Der Veranstalter oder der Vermittler muss dem Konsumenten rechtzeitig vor dem Abreisetermin schriftlich oder in einer anderen geeigneten Form mitteilen: a. Uhrzeiten und Orte von Zwischenstationen und Anschlussverbindungen; b. den vom Reisenden einzunehmenden Platz; c. Name, Adresse und Telefonnummer der örtlichen Vertretung des Veranstalters oder des Vermittlers oder, wenn eine solche Vertretung fehlt, der 776

Pauschalreisen. BB

örtlichen Stellen, welche dem Konsumenten bei Schwierigkeiten Hilfe leisten können; fehlen auch solche Stellen, so sind dem Konsumenten auf jeden Fall eine Notrufnummer oder sonstige Angaben mitzuteilen, mit deren Hilfe er mit dem Veranstalter oder dem Vermittler Verbindung aufnehmen kann; d. bei Auslandreisen und -aufenthalten Minderjähriger Angaben darüber, wie eine unmittelbare Verbindung zu dem Minderjährigen oder dem an seinem Aufenthaltsort Verantwortlichen hergestellt werden kann; e. Angaben über den möglichen Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung oder einer Versicherung zur Deckung der Rückführungskosten bei Unfall oder Krankheit.

4. Abschnitt: Inhalt des Vertrags

Art. 6 1 Unabhängig von der Art der vereinbarten Leistungen muss der Vertrag angeben: a. den Namen und die Adresse des Veranstalters und des allfälligen Vermittlers; b. das Datum, die Uhrzeit und den Ort von Beginn und Ende der Reise; c. die Sonderwünsche des Konsumenten, die vom Veranstalter oder vom Vermittler akzeptiert wurden; d. ob für das Zustandekommen der Pauschalreise eine Mindestteilnehmerzahl erforderlich ist, und, wenn dies der Fall ist, wann spätestens dem Konsumenten eine Annullierung der Reise mitgeteilt wird; e. den Preis der Pauschalreise sowie den Zeitplan und die Modalitäten für dessen Zahlung; f. das Recht des Konsumenten, den Nachweis der Sicherstellung der Rückerstattung der von ihm bezahlten Beiträge und seiner Rückreise zu verlangen (Art. 18); g. die Frist, innert welcher der Konsument allfällige Beanstandungen wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung des Vertrags erheben muss; h. den Namen und die Adresse des allfälligen Versicherers.

2 Je nach Art der vereinbarten Leistungen muss der Vertrag auch angeben: a. den Bestimmungsort und, wenn mehrere Aufenthalte vorgesehen sind, deren Dauer und Termine; b. die Reiseroute; c. die Transportmittel, ihre Merkmale und Klasse; d. die Anzahl der Mahlzeiten, die im Preis der Pauschalreise inbegriffen sind; e. die Lage, die Kategorie oder den Komfort und die Hauptmerkmale der Unterbringung sowie deren Zulassung und touristische Einstufung gemäss den Vorschriften des EWR-Gaststaates ;

777

Pauschalreisen. BB

f. die Besuche, die Ausflüge und die sonstigen Leistungen, die im Preis der Pauschalreise Inbegriffen sind; g. die Voraussetzungen einer allfälligen Preiserhöhung nach Artikel 7 ; h. anfällige Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Landegebühren, Einoder Ausschiffungsgebühren in Häfen und entsprechende Gebühren auf Flughäfen und Aufenthaltsgebühren, die nicht im Preis der Pauschalreise Inbegriffen sind.

5. Abschnitt: Preiserhöhungen und wesentliche Vertragsänderungen Art. 7 Preiserhöhungen Eine Erhöhung des vertraglich festgelegten Preises ist nur zulässig, wenn: a. der Vertrag diese Möglichkeit ausdrücklich vorsieht und genaue Angaben zur Berechnung des neuen Preises enthält; b. die Erhöhung mindestens drei Wochen vor dem Abreisetermin erfolgt; und c. sie mit einer Erhöhung der Beförderungskosten, einschliesslich der Treibstoffkosten, einer Erhöhung der Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Landegebühren, Ein- oder Ausschiffungsgebühren in Häfen und entsprechende Gebühren auf Flughäfen, oder mit einer Änderung der für die Pauschalreise geltenden Wechselkurse begründet ist.

Art. 8

Wesentliche Vertragsänderungen a. Begriff 1 Als wesentliche Vertragsänderung gilt jede erhebliche Änderung eines wesentlichen Vertragspunktes, die der Veranstalter vor dem Abreisetermin vornimmt.

2 Eine Preiserhöhung von mehr als 10 Prozent gilt als wesentliche Vertragsänderung.

Art. 9 b. Mitteilungspflicht Der Veranstalter muss dem Konsumenten so bald wie möglich jede wesentliche Vertragsänderung mitteilen und ihre Auswirkung auf den Preis angeben.

Art. 10 c. Rechte des Konsumenten 1 Der Konsument kann eine wesentliche Vertragsänderung annehmen oder ohne Entschädigung vom Vertrag zurücktreten.

1

Er muss den Veranstalter oder den Vermittler so bald wie möglich über seine Entscheidung informieren.

3 Tritt der Konsument vom Vertrag zurück, so hat er Anspruch:

778

Pauschalreisen. BB

a. auf Teilnahme an einer anderen gleichwertigen oder höherwertigen Pauschalreise, wenn der Veranstalter oder der Vermittler ihm eine solche anbieten kann; b. auf Teilnahme an einer anderen minderwertigen Pauschalreise sowie auf Rückerstattung des Preisunterschieds; oder c. auf schnellstmögliche Rückerstattung aller von ihm bezahlten Beträge.

4 Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags.

6. Abschnitt: Annullierung der Pauschalreise Art. 11 1

Annulliert der Veranstalter die Reise vor dem Abreisetermin aus einem nicht vom Konsumenten zu vertretenden Umstand, so stehen diesem die Ansprüche nach Artikel 10 zu.

2 Der Konsument hat jedoch keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags: a. wenn die Annullierung erfolgt, weil die Anzahl der Personen, welche die Pauschalreise gebucht haben, nicht die geforderte Mindestteilnehmerzahl erreicht, und die Annullierung dem Konsumenten innert der im Vertrag angegebenen Frist schriftlich mitgeteilt wurde; oder b. wenn die Annullierung auf höhere Gewalt zurückzuführen ist; die Überbuchung gilt nicht als höhere Gewalt.

7. Abschnitt: Nichterfüllung und nicht gehörige Erfüllung des Vertrags Art. 12 Beanstandung 1 Der Konsument muss jeden Mangel bei der Erfüllung des Vertrags, den er an Ort und Stelle feststellt, so bald wie möglich schriftlich oder in einer anderen geeigneten Form gegenüber dem betreffenden Dienstleistungsträger sowie gegenüber dem Veranstalter oder dem Vermittler beanstanden, wenn der Vertrag dies klar und deutlich vorsieht.

1 Im Fall einer Beanstandung bemüht sich der Veranstalter, der Vermittler oder sein örtlicher Vertreter nach Kräften um geeignete Lösungen.

Art. 13 Ersatzmassnahmen 1 Wird nach der Abreise ein erheblicher Teil der vereinbarten Leistungen nicht erbracht oder stellt der Veranstalter fest, dass er einen erheblichen Teil der vorgesehenen Leistungen nicht erbringen kann, so hat er angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit die Pauschalreise weiter durchgeführt werden kann, und den dem Konsumenten entstandenen Schaden zu ersetzen; die Höhe des Scha775»

Pauschalreisen. BB

denersatzes entspricht dem Unterschied zwischen dem Preis der vorgesehenen und der erbrachten Dienstleistungen.

2 Können keine Vorkehrungen nach Absatz l getroffen werden oder lehnt sie der Konsument aus wichtigen Gründen ab, so hat der Veranstalter gegebenenfalls für eine gleichwertige Beförderungsmöglichkeit zu sorgen, mit welcher der Konsument zum Ort der Abreise zurückkehren oder an einen anderen mit ihm vereinbarten Ort reisen kann, und den dem Konsumenten daraus entstandenen Schaden zu ersetzen.

3 Die Massnahmen nach den Absätzen l und 2 begründen keinen Preisaufschlag.

Art. 14

Haftung von Veranstalter und Vermittler a. Grundsatz 1 Der Veranstalter oder der Vermittler, der Vertragspartei ist, haftet dem Konsumenten für die gehörige Vertragserfüllung unabhängig davon, ob er selbst oder andere Dienstleistungsträger die vertraglichen Leistungen zu erbringen haben.

2 Der Veranstalter und der Vermittler können gegen andere Dienstleistungsträger Rückgriff nehmen.

3 Vorbehalten bleiben die in internationalen Übereinkommen vorgesehenen Beschränkungen der Entschädigung bei Schäden aus Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung des Vertrags.

Art. 15 b. Ausnahmen 1 Der Veranstalter oder der Vermittler haften dem Konsumenten nicht, wenn die Nichterfüllung oder die nicht gehörige Erfüllung des Vertrags zurückzuführen ist: a. auf Versäumnisse des Konsumenten; b. auf unvorhersehbare oder nicht abwendbare Versäumnisse eines Dritten, der an der Erbringung der vertraglich vereinbarten Leistungen nicht beteiligt ist; c. auf höhere Gewalt oder auf ein Ereignis, welches der Veranstalter, der Vermittler oder der Dienstleistungsträger trotz aller gebotenen Sorgfalt nicht vorhersehen oder abwenden konnte.

2 In den Fällen nach Absatz l Buchstaben b und c muss sich der Veranstalter oder der Vermittler, der Vertragspartei ist, darum bemühen, dem Konsumenten bei Schwierigkeiten Hilfe zu leisten.

Art. 16 c. Beschränkung und Wegbedingung der Haftung 1 Die Haftung für Personenschäden, die aus der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung des Vertrags entstehen, kann vertraglich nicht beschränkt werden.

780

Pauschalreisen. BB

2

Für andere Schäden kann die Haftung vertraglich auf das Zweifache des Preises der Pauschalreise beschränkt werden, ausser bei absichtlich oder grobfahrlässig zugefügten Schäden.

8. Abschnitt: Abtretung der Pauschalreise Art. 17 1

Der Konsument kann die Pauschalreise an eine andere Person abtreten, die alle an die Teilnahme geknüpften Bedingungen erfüllt, wenn er zuvor den Veranstalter oder den Vermittler innert angemessener Frist vor dem Abreisetermin darüber informiert.

2 Diese Person und der Konsument haften dem Veranstalter oder dem Vermittler, der Vertragspartei ist, solidarisch für die Zahlung des Preises sowie für die gegebenenfalls durch diese Abtretung entstehenden Mehrkosten.

9. Abschnitt: Sicherstellung Art. 18 1 Der Veranstalter oder der Vermittler, der Vertragspartei ist, muss für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung bezahlter Beträge und die Rückreise des Konsumenten sicherstellen.

2 Auf Verlangen des Konsumenten muss er die Sicherstellung nachweisen. Tut er es nicht, so kann der Konsument ohne Entschädigung vom Vertrag zurücktreten.

3 Der Rücktritt muss dem Veranstalter oder dem Vermittler vor dem Abreisetermin schriftlich mitgeteilt werden.

10. Abschnitt: Zwingendes Recht

Art. 19 Von den Bestimmungen dieses Beschlusses darf nicht zuungunsten des Konsumenten abgewichen werden.

11. Abschnitt: Strafbestimmungen Art. 20 Verletzung der Artikel 4, 5, 6 und 18 1 Wer vorsätzlich: a. die Vorschriften über die Information des Konsumenten (Art. 4 und 5) verletzt;

781

Pauschalreisen. BB

b. die Vorschriften über den Inhalt des Pauschalreisenvertrags (Art. 6) verletzt; c. die Sicherstellung der Erstattung bezahlter Beträge oder der Rückkehr des Konsumenten (Art. 18) unterlässt; wird auf Antrag des Konsumenten mit Haft oder Busse bis zu 20 000 Franken bestraft.

1 Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse.

Art. 21 Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben Für Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben sind die Artikel 6 und 7 des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes '> anwendbar.

Art. 22 Strafverfolgung Die Strafverfolgung ist Sache der Kantone.

12. Abschnitt: Referendum und Inkrafttreten

Art. 23 1 Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich und nicht befristet.

2 Er untersteht aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen1) der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

3 Er tritt gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

5566

') SR 313.0 > AS ...

2

782

7

Oeffentliche Bauten

92.057-50

7.1 Bundesbeschluss über das Inverkehrbringen von Bauprodukten l

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Das Weissbuch der EG aus dem Jahre 1985

Das Weissbuch der EG-Kommission über die Vollendung des Binnenmarktes, das vom Europäischen Rat im Juni 1985 gebilligt worden ist, sieht eine allgemeine Politik zur Beseitigung der technischen Schranken im Warenverkehr vor. In Ziffer 71 des Weissbuches ist der Handel mit Waren und Materialien in der Bauwirtschaft besonders erwähnt.

1.1.2

Die Bauprodukterichtlinie als Richtlinie des "New Approach"

Entsprechend der Entschliessung des EG-Ministerrates 85/C 136/01 vom 7. Mai 1985 über "eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung' (New Approach; EG-Amtsblatt Nr. C 136 S. l vom 4. Juni 1985) sollen in Harmonisierungsrichtlinien nur noch die wesentlichen sicherheitsrelevanten Anforderungen festgelegt werden, die nähere Festlegung der technischen Anforderungen aber der Normung des Europäischen Komitees für Normung (CEN), oder des Europäischen Komitees für elektrische Normung (CENELEC) überlassen bleiben. Die in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden und gerechtfertigten Schutzniveaus sollen dabei nicht verringert werden. Beiden Vorgaben entspricht die am

783

21. Dezember 1988 verabschiedete Bauprodukterichtlinie (89/106/EWG)1, die dem vorliegenden Beschluss zugrunde liegt.

2

Grundzüge der Bauprodukterichtlinie

Die Bauprodukterichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, das Inverkehrbringen nur solcher Bauprodukte zu gestatten, die im Sinne der Richtlinie brauchbar sind, d.h. so geartet sind, dass die mit ihnen errichteten Bauwerke den wesentlichen Sicherheitsanforderungen genügen können. Die Anforderungen an Bauwerke und die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen von Bauprodukten werden in einem gewissen Rahmen harmonisiert. Diese Harmonisierung soll den freien Warenverkehr mit Bauprodukten ermöglichen.

Nach der Bauprodukterichtlinie haben die Mitgliedstaaten im weiteren Massnahmen gegen Produkte zu ergreifen, die nicht den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen.

2.1

Geltungsbereich der Bauprodukterichtlinie

Die Bauprodukterichtlinie gilt gemäss ihrem Artikel l umfassend für alle Bauprodukte, die hergestellt werden, um dauerhaft in Bauwerke des Hoch- oder Tiefbaus eingebaut zu werden. Als Bauprodukte gelten dabei gemäss Protokollerklärung Nr. 3 zur Bauprodukterichtlinie unter anderem auch vorgefertigte Bauwerke, die als solche auf den Markt kommen, wie z.B. Fertighäuser, Fertiggaragen und Silos.

2.2

Wesentliche Anforderungen an Bauwerke

Die Bauprodukterichtlinie unterscheidet sich in einem zentralen Punkt von andern produktebezogenen Richtlinien: Die in der Bauprodukterichtlinie (Art. 3 Abs. l, Art.

12 und Anhang I) festgelegten wesentlichen Anforderungen beziehen sich nicht auf die

1

Richtlinie des Rates vom 21, Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte; EWRS..; ABI. NR.

L 40 vom 11.2.1989, S. 12

784

Bauprodukte selbst, sondern auf Bauwerke. Dies deshalb, weil Eigenschaften von Bauprodukten nicht losgelöst von Anforderungen, die durch Bauwerke zu erfüllen sind, definiert werden können.

Als wesentliche an Bauwerke gerichtete Anforderungen erwähnt die Richtlinie folgende Bereiche:

1.

Mechanische Festigkeit und Standsicherheit

2. Brandschutz 3. Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz

4.

Nutzungssicherheit

5.

Schallschutz

6. Energieeinsparung und Wärmeschutz Diese Anforderungen werden in sogenannten Grundlagendokumenten (vgl. Ziff. 2.3), in harmonisierten oder anerkannten Nonnen sowie in europäischen technischen Zulassungen für Bauprodukte näher präzisiert. Um unterschiedliche geographische, klimatische oder lebensgewohnheitliche Bedingungen sowie unterschiedliche Schutzniveaus soweit wie möglich zu berücksichtigen, sieht die Richtlinie vor, dass die wesentlichen Anforderungen in Klassen oder Leistungsstufen gegliedert werden. Damit soll auf die bisherigen Anforderungen in den jeweiligen Mitgliedstaaten Rücksicht genommen und gleichzeitig ermöglicht werden, dass bisherige, rechtmässig erzeugte Produkte, nach Möglichkeit weiterhin in Verkehr gebracht werden können.

Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, wesentliche Anforderungen im Sinne der Richtlinie zu stellen, wenn dies bisher nicht der Fall war. Bestehen hingegen solche Anforderungen, haben sich die einzelnen Staaten an die erwähnten Leistungsstufen bzw. Leistungsklassen zu halten (Art. 6 Abs. 3 der Bauprodukterichtlinie) bzw.

anzupassen. Es bleibt in diesem harmonisierten Rahmen aber weiterhin den

785

zuständigen Behörden überlassen, die für ihren Bereich geltenden Anforderungen an Bauwerke und Bauprodukte festzulegen.

2.3

Grundlagendokumente

Die wesentlichen Anforderungen an Bauwerke sind in der Bauprodukterichtlinie ausserordentlich generell festgelegt. Aus diesem Grunde sieht die Bauprodukterichtlinie vor, diese in sogenannten Grundlagendokumenten (Art. 12 der Bauprodukterichtlinie) näher zu präzisieren.

Die Grundlagendokumente dienen wiederum als Basis für Mandate, welche die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die EFTA Staaten entweder CEN oder CENELEC zur Erarbeitung von Normen oder der Organisation der europäischen Zulassungsstellen (EOTA) zur Erarbeitung von Leitlinien für europäische technische Zulassungen erteilen. Ferner werden diese Grundlagendokumente beigezogen, wenn es darum geht, bisherige nationale Normen auf europäischer Ebene als mit den wesentlichen Anforderungen übereinstimmend zu anerkennen. Liegen Leitlinien für europäische technische Zulassungen nicht vor, spielen die Gnmdlagendokumente ebenfalls eine Rolle bei der Frage, ob trotz Fehlens von Leitlinien für ein bestimmtes Bauprodukt oder eine Bauproduktefamilie eine europäische technische Zulassung ausgestellt werden kann.

2.4

Brauchbarkeit und Konformität von Bauprodukten

Ein Bauprodukt muss nach der Bauprodukterichtlinie brauchbar sein. D.h. es muss so geartet sein, dass das Bauwerk, für welches es verwendet werden soll, die von der Richtlinie festgelegten wesentlichen Anforderungen erfüllen kann (vgl. Art. 2 Abs. l der Bauprodukterichtlinie).

Da aber die wesentlichen Anforderungen, wie bereits erwähnt, an Bauwerke gestellt werden, die Anforderungen in der Richtlinie zudem sehr generell gehalten sind, ist die Beurteilung der Brauchbarkeit eines Bauprodukts allein auf der Basis der wesentlichen Anforderungen und allenfalls der Grundlagendokumente (auch "direkte Zertifizierung" genannt) kaum möglich. Die Bauprodukteiichtlinie sieht diese direkte Zertifizierung, mit einer Ausnahme (Art. 4 Abs. 4), jedenfalls nicht ausdrücklich vor.

786

Gemäss der Bauprodukterichtlinie ist die Brauchbarkeit eines Bauprodukts durch den Nachweis seiner Konformität mit einer harmonisierten oder anerkannten Norm oder einer europäischen technischen Zulassung (technische Spezifikationen im Sinne der Richtlinie) zu belegen.

Entspricht ein Bauprodukt einer technischen Spezifikation, so gilt die Vermutung, dass es im Sinne der Richtlinie brauchbar ist. Solange ein Bauprodukt von einer solchen technischen Spezifikation nur unwesentlich abweicht, ist noch eine Entsprechung anzunehmen. Entspricht ein Bauprodukt keiner technischen Spezifikation, entweder weil eine solche nicht vorliegt, oder weil eine wesentliche Abweichung gegeben ist, bedarf das Bauprodukt in der Regel eines besonderen Brauchbarkeitsnachweises.

Dieser ist die europäische technische Zulassung, die in Abweichensfällen bei Bauprodukten von geringerer Sicherheitsrelevanz durch ein besonderes Verfahren ersetzt wird (vgl. Ziff. 2.16).

2,5

Harmonisierte Nonnen

Auf der Basis der Grundlagendokumente erteilen die EFTA-Staaten und die EGKommission den Europäischen Normungsorganisationen CEN/CENELEC das Mandat, für ein bestimmtes Bauprodukt eine harmonisierte Norm auszuarbeiten (Art. 7 Abs. l der Bauprodukterichtlinie). Vor Erteilung des Mandats hat die Kommission den Ständigen Ausschuss für das Bauwesen (vgl. Ziff. 2.18) zu konsultieren. In dem Mandat sollen die erforderlichen Klassen und Leistungsstufen dann festgelegt werden, wenn sie noch nicht in den Grundlagendokumenten enthalten sind (Art. 20 Abs. 2 Bst.

a der Bauprodukterichtlinie).

Die harmonisierten Normen haben die Grundlagendokumente und die Mandate zu berücksichtigen und sind soweit wie möglich in Form von Leistungsanforderungen an die Bauprodukte abzufassen (Art. 7 Abs. 2 der Bauprodukterichtlinie). Nach Erstellung der Normen durch CEN/CENELEC veröffentlicht die Kommission deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Art. 7 Abs. 3 der Bauprodukterichtlinie). Diese Normen werden anschliessend in nationale Normen umgesetzt. Deren Fundstelle ist vom Mitgliedstaat zu veröffentlichen (Art. 4 Abs. 2, Satz 2, Bst. a der Bauprodukterichtlinie).

787

2.6

Anerkannte Normen

Vor allem für eine Uebergangszeit sieht Artikel 4 Absatz 3 der Bauprodukterichtlinie ein Verfahren vor, mit dem nationale Nonnen als mit den wesentlichen Anforderungen übereinstimmend anerkannt werden können. Der Ständige Ausschuss für das Bauwesen ist bei diesen Anerkennungsverfahren von der Kommission einzuschalten (Art. 5 Abs.

2 Satz 2 der Bauprodukterichtlinie). Die Fundstellen der anerkannten Normen werden ebenfalls veröffentlicht.

2.7

Europäische technische Zulassung

Liegen für ein Bauprodukt weder harmonisierte noch anerkannte Normen vor, kann auf der Grundlage von Leitlinien eine europäische technische Zulassung ausgestellt werden. Das gleiche gilt, wenn das Bauprodukt wesentlich von einer harmonisierten oder anerkannten Norm abweicht (sogenannter "Abweichungsfall"; Art. 8 Abs. 2 der Bauprodukterichtlinie). In Ausnahmefallen ist die Ausstellung einer europäischen technischen Zulassung auch ohne Leitlinie möglich. Diesfalls ist allerdings die Zustimmung der in der EOTA vertretenen Zulassungsstellen, allenfalls diejenige des Ständigen Ausschusses für das Bauwesen nötig (Art. 9 Abs. 2 der Bauprodukterichtlinie).

Die Bauprodukterichtlinie bezeichnet die europäische technische Zulassung - nebst den Normen - als "technische Spezifikation", gleichzeitig aber auch als eine "positive technische Beurteilung der Brauchbarkeit eines Produkts" (Art. 4 Abs. l und Art. 8 Abs. l der Bauprodukterichtlinie).

Nach Auffassung der Kommission und der EG-Mitgliedstaaten ist die europäische technische Zulassung keine Allgemeinverfügung in dem Sinne, dass auch andere Hersteller - vorbehaltlich zivilrechtlicher Einschränkungen - nach ihr erzeugte Bauprodukte in den Verkehr bringen könnten, ohne erneut eine Zulassung zu benötigen.

Die europäische technische Zulassung wird auf Antrag eines Herstellers ausgestellt.

Das betreffende Bauprodukt ist der Zulassungsstelle zur Vornahme von Untersuchungen und Prüfungen zur Verfügung zu stellen. Diese gibt gestützt darauf

788

eine Beurteilung bezüglich seiner Brauchbarkeit ab und legt in der Zulassung gleichzeitig fest, welches Verfahren der Konformitätsbescheinigung (vgl. Ziff. 2.9) für die in der Folge gemäss der Zulassung erzeugten Bauprodukte zur Anwendung kommen soll, damit diese in Verkehr gebracht werden dürfen.

Die europäischen technischen Zulassungen werden von den Zulassungsstellen veröffentlicht; diese geben allen anderen Zulassungsstellen davon Kenntnis (Anhang II, Ziff. 5 der Bauprodukterichtlinie).

2.8

Leitlinien für die europäische technische Zulassung

Die europäische technische Zulassung wird in der Regel auf der Grundlage von Leitlinien ausgestellt (Art. 9 Abs. l der Bauprodukterichtlinie). Diese Leitlinien für die europäische technische Zulassung werden vom Gremium der für die Erteilung europäischer technischer Zulassungen von den Mitgliedstaaten bestimmten Zulassungsstellen (EOTA) erarbeitet. Voraussetzung dafür ist ein entsprechender Auftrag der Kommission, wobei der Ständige Ausschuss für das Bauwesen vorgängig mit diesem Auftrag zu befassen ist (An. 11 Abs. l der Bauprodukterichtlinie). Die Leitlinien sind von den Mitgliedstaaten zu veröffentlichen (Art. 11 Abs. 3 der Bauprodukterichtlinie).

2.9

Bescheinigung der Konformität mit technischen Spezifikationen

Die Konformität eines Bauprodukts mit einer technischen Spezifikation ist in einem Verfahren der Konformitätsbescheinigung nachzuweisen (Art. 13 - 15 der Bauprodukterichtlinie), das der Prüfung, Ueberwachung oder Zertifizierung des Bauprodukts oder der Produktionskontrolle dient (Art. 13 in Verbindung mit Anhang III der Bauprodukterichtlinie).

Die Bauprodukterichtlinie enthält eine abschliessende Aufzählung der Verfahrenselemente, welche in den technischen Spezifikationen zur Kontrolle der Konformität vorgeschrieben werden können. In Anhang III, Ziffer 2 der Bauprodukterichtlinie sind die wichtigsten Systeme der Konformitätskontrolle modulartig zusammengestellt. In deren Rahmen können zugelassene Prüf-, Ueberwachungs- und Zertifizierungsstellen vorgesehen werden (vgl. Ziff. 2.11).

789

Das

Verfahren

der

Konformitätsbeschemigung

führt

entweder

zu

einer

Konformitätserklärung für ein Bauprodukt durch den Hersteller (Herstellererklärung) oder zur Erteilung eines Konformitätszertifikats durch eine zugelassene Zertifizierungsstelle (Art. 14 Abs. l der Bauprodukterichtlinie).

Die Verfahrenselemente und Systeme der Konformitätskontrolle für ein Produkt oder eine Produktfamilie werden von der Kommission nach Konsultation des Ständigen Ausschusses für das Bauwesen festgelegt und in Mandaten, technischen Spezifikationen oder in deren Veröffentlichung angegeben (Art. 13 Abs. 4 der Bauprodukterichtlinie).

2.10

Das CE-Zeichen

Die Konformitätserldärung des Herstellers und das Konformitätszertifikat für ein Bauprodukt berechtigen und verpflichten den Hersteller dazu, das CE-Zeichen auf dem Bauprodukt anzubringen (Art. 14 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang in der Bauprodukterichtlinie). Das CE-Zeichen nach der Bauprodukterichtlinie besagt, dass das Bauprodukt mit den technischen Spezifikationen übereinstimmt und das Konformitätsverfahren ordnungsgemäss durchgeführt worden ist (Art. 4 Abs. 2 und 6 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 der Bauprodukterichtlinie). Zum CE-Zeichen können zusätzliche Angaben gefordert werden, wie unter anderem die Klassen und Leistungsstufen, denen das Bauprodukt entspricht.

2.11

Prüf-, Ueberwachungs-, Zertifizierungs- und Zulassungsstellen

Die Aufgaben als Prüf-, Ueberwachungs- oder Zertifizierungsstelle können nach Anhang m, Ziffer 3 der Bauprodukterichtlinie von ein und derselben oder von verschiedenen Stellen wahrgenommen werden, und zwar abhängig von den nationalen Anerkennungen. Die von diesen Stellen zu erfüllenden Mindestanforderungen sind in Anhang IV der Bauprodukterichtlmie enthalten. Die von dem jeweiligen Mitgliedstaat anerkannten Stellen sind der Kommission unter Angabe der produktspezifischen Zuständigkeiten und Aufgaben mitzuteilen (Art. 18 der Bauprodukterichtlinie).

Artikel 10 der Bauprodukterichtlinie enthält die Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, den andern Mitgliedstaaten und der EG-Kommission diejenigen Stellen mitzuteilen, welche sie zur Erteilung von europäischen technischen Zulassungen ermächtigen. Die

790

Zulassungsstellen müssen gewisse, in der Richtlinie festgelegte Bedingungen erfüllen.

Das Verzeichnis der Zulassungsstellen wird im EG-Amtsblatt veröffentlicht.

2.12

Besondere Fälle

Die Bauprodukterichtlinie sieht verschiedene Abweichungen vom eben geschilderten System für das Inverkehrbringen von Bauprodukten vor.

2.13

Option für den nationalen Weg

Eine wichtige Ausnahme ist in Artikel 6 Absatz 2 der Bauprodukterichrlinie enthalten.

Dieser erlaubt es den Mitgliedstaaten, auf ihrem Gebiet das Inverkehrbringen von Bauprodukten auch dann zu gestatten, wenn zwar (europäische) technische Spezifikationen gemäss der Bauprodukterichtlinie vorliegen, der Hersteller aber weiterhin nach den bisherigen nationalen Vorschriften erzeugte Bauprodukte in den Verkehr bringen will.

Dieser Weg ist allerdings dann nicht möglich, wenn er in harmonisierten Normen oder in der dem Hersteller erteilten, europäischen technischen Zulassung ausdrücklich ausgeschlossen ist. Die Regelung des Artikels 6 Absatz 2 der Bauprodukterichtlinie hat aber auch Bedeutung für sogenannte regionale oder lokale Produkte, die in ihrer Verbreitung räumlich beschränkt sind und daher nicht in andere Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes gelangen sollen. Der Begriff der regionalen oder lokalen Produkte ist in der Bauprodukterichtlinie nicht vorgesehen. Aufgrund der erkannten Notwendigkeit, für diese Produkte eine Lösung zu finden, ist die EG zur Zeit daran, die Behandlung dieser Produkte näher zu regeln.

2.14

Produkte, die in bezug auf die wesentlichen Anforderungen nur eine untergeordnete Rolle spielen

Bauprodukte, für welche die wesentlichen Anforderungen nur eine untergeordnete Rolle spielen, können in eine Liste aufgenommen werden. Diese wird von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Konsultation des Ständigen

791

Ausschusses erstellt, verwaltet und regelmässig überarbeitet (Art. 4 Abs. 5 und Protokollerklärung Nr. 8 zur Bauprodukterichtlinie).

Die Bauprodukte dieser Liste können in den Verkehr gebracht werden, wenn der Hersteller erklärt, das Bauprodukt entspreche den allgemein anerkannten Regeln der Technik, die in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes gelten. Diese Bauprodukte dürfen das CE-Zeichen nach der Richtlinie nicht tragen (Art. 4 Abs. 5 und Abs. 6, Satz 4 der Bauprodukterichtlinie).

2.15

Einzelanfertigungen Bauprodukte

und

nicht

serienmässig

hergestellte

Aus der Protokollerklärung Nr. 2 zur Bauprodukterichtlinie folgt, dass die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Bauprodukten, die nur zur Verwendung für einen einzelnen spezifischen Anwendungsfall vorgesehen sind, auch dann gestatten können, wenn dieses Bauprodukt den Bestimmungen der Richtlinie nicht entspricht.

Wird ein Bauprodukt nicht nur für den Einzelfall hergestellt, auf der anderen Seite aber auch nicht in Serie angefertigt, ist nach Artikel 13 Absatz 5 der Bauprodukterichtlinie ein Konformitätsbescheinigungsverfahren einfacher Stufe möglich, es sei denn, in den technischen Spezifikationen ist ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Diese in der Bauprodukterichtlinie enthaltene Regelung wird auch als sogenannte "Handwerkerklausel" bezeichnet.

2.16

Besonderer Brauchbarkeitsnachweis

Eine besondere Regelung trifft auch Artikel 4 Absatz 4 der Bauprodukterichtlinie für den Fall, dass ein Hersteller sein Produkt nicht oder nur teilweise nach technischen Spezifikationen hergestellt hat. Sehen diese technischen Spezifikationen bestimmte Konformitätsverfahren einfacher Stufe vor, so ist er nicht gezwungen, eine europäische technische Zulassung zu beantragen. Vielmehr kann der Hersteller ein ebenfalls von der Richtlinie vorgeschriebenes einfaches Konformitätsbescheinigungsverfahren durchlaufen, in welches allerdings eine Drittstelle eingeschaltet werden muss.

792

2.17

Schutzklauseln

Die Richtlinie sieht besondere Verfahren für die Fälle vor, dass ein Mitgliedstaat der Auffassung ist, harmonisierte oder anerkannte Normen, europäische technische Zulassungen, Mandate für Normen oder Aufträge zur Erarbeitung von Leitlinien oder Leitlinien selbst entsprächen z.B. nicht den wesentlichen Anforderungen (Art. 5 der Bauprodukterichtlinie) oder ein Bauprodukt sei unrechtmässig mit dem CE-Zeichen gekennzeichnet oder entspreche nicht den Bestimmungen der Richtlinie (Art. 15 und 21 der Bauprodukterichtlinie),

Artikel 21 als Schutzklausel im eigentlichen Sinne, aber auch Artikel 15 verpflichtet die Mitgliedstaaten, in diesen Fällen die geeigneten Massnahmen zu treffen, d.h. u.a. das Inverkehrbringen von entsprechenden Bauprodukten zu verbieten, diese allenfalls aus dem Markt zu nehmen oder ihren freien Verkehr einzuschränken.

2.18

Der Ständige Ausschuss für das Bauwesen

Eine zentrale Stellung beim Vollzug der Richtlinie kommt dem in Artikel 19 der Bauprodukterichtlinie vorgesehenen Ständigen Ausschuss für das Bauwesen zu. In ihm sind die Mitgliedstaaten vertreten; den Vorsitz führt ein Vertreter der Kommission.

Der Ständige Ausschuss berät einerseits die Kommission beim Vollzug der Richtlinie, andererseits hat er aber in gewissen Fragen auch Entscheidungsbefugnisse.

2.19

Sonderverfahren

Da die Richtlinie ihre Wirkungen erst allmählich entfalten wird, sieht sie in den Artikeln 16 und 17 ein Sonderverfahren vor für diejenigen Produkte, für welche es noch keine harmonisierten oder anerkannten Normen gibt und für die auch keine technischen Zulassungen erteilt werden können. Das Sonderverfahren soll die Anerkennung von Prüfungen erleichtern, die in einem bestimmten Mitgliedstaat nach den technischen Bestimmungen des Importlandes durchgeführt worden sind.

Hierzu benennt der Mitgliedstaat des Herstellers zugelassene Prüf-, Ueberwachungsoder Zertifizierungsstellen. Diese können die Bauprodukte des Herstellers nach den Regeln des Importlandes prüfen und überwachen. Das Importland hat diese Prüfungen

28 Bundesblau 143Jahrgang. Bd.V

793

und Ueberwachungen auf Antrag zu anerkennen; wenn es keine begründeten Bedenken vorbringen kann.

2.20

Verhältnis zu anderen Produkterichtlinien

Die Bauprodukterichtlinie enthält keine präzise Abgrenzung zu anderen Produkterichtlinien. Die Regelungen in Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Bauprodukterichtlinie sowie die Protokollerklärungen dazu belegen jedoch den Willen der EG-Kommission, die Anwendung von zwei Richtlinien auf ein Produkt möglichst zu vermeiden. Die dazu notwendigen Abgrenzungen und Zuordnungen werden von der Kommission bei der Erarbeitung neuer Richtlinienentwürfe sowie unter Einschaltung des Ständigen Ausschusses für das Bauwesen bei Erteilung von Mandaten für die Normung oder zur Ausarbeitung von Leitlinien für die europäische technische Zulassung getroffen.

2.21

Verknüpfung mit Beschaffungswesen

den

Richtlinien

im

öffentlichen

Die Richtlinien im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens, welche die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge regeln, sehen vor, dass sich öffentliche Auftraggeber bei der Ausschreibung von Bauaufträgen grundsätzlich auf europäische technische Spezifikationen gemäss der Bauprodukterichtlinie beziehen müssen. Die öffentlichen Auftraggeber sind daher insoweit an die in den technischen Spezifikationen enthaltenen Klassen und Leistungsstufen gebunden.

3

Stand der Umsetzung der Bauprodukterichtlinie in der EG

3.1

Einige ausgewählte Aspekte

Die Bauprodukterichtlinie ist als Rahmenrichtlinie konzipiert. Sie lässt verschiedene Fragen offen. Dies hat zu Verzögerungen in der praktischen Umsetzung geführt. Um mit Blick auf die jeweiligen nationalen Umsetzungsarbeiten einen gewissen Konsens der Mitgliedstaaten zu erreichen, ist der Ständige Ausschuss dazu übergegangen, sogenannte "Guidance papers" zu erstellen, welche im Sinne einer Richtschnur

794

besondere, unklare Fragen behandeln. Diese Guidance papers haben keine Grundlage in der Bauprodukterichtlinie. Es ist aber abzusehen, dass sie für die Auslegung der Bauprodukterichtlinie eine gewisse Bedeutung erhalten werden. Soweit ersichtlich sind diese "Guidance papers" bis heute noch nicht verabschiedet worden. Sie sind deshalb mit Vorsicht zu betrachten. Immerhin liefern sie Hintergrundinformationen über die Ueberlegungen innerhalb der zuständigen EG-Gremien,

3.2

Wesentliche Anforderungen und Grundlagendokumente

Entgegen dem vorgesehenen Zeitplan ist die EG mit der Erstellung der Grundlagendokumente, welche die wesentlichen Anforderungen näher präzisieren sollen, um dann u.a. als Basis für die Mandate für Normen und Leitlinien für europäische technische Zulassungen zu dienen, in Verzug geraten. Die Grundlagendokumente liegen heute noch nicht definitiv vor. Offen ist zudem die Frage der rechtlichen Qualifikation dieser Grundlagendokumente. Darauf wird in der Protokollerklänmg Nr. 11 zur Bauprodukterichtlinie verwiesen, in welcher die Kommission erklärt: "Falls Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Rechtswirksamkeit der Grundlagendokumente in bezug auf die wesentlichen Anforderungen auftreten sollten, wird die Kommission in Absprache mit dem Ständigen Ausschuss geeignete Massnahmen treffen und erforderlichenfalls dem Rat entsprechende Vorschläge einschliesslich Vorschläge für Richtlinien des Rates bzw.

der Kommission unterbreiten. "

3.3

Festlegung der Verfahren Konformitätsbescheinigung

und

der

Systeme

der

Wie oben ausgeführt (vgl. Ziff. 2.9) ist es, nach Konsultation des Ständigen Ausschusses, Sache der Kommission die einzelnen Elemente des Verfahrens der Konformitätsbescheinigung und der entsprechenden Systeme je Produkt oder Produktfamilie festzulegen. Die Arbeiten sind in der Anfangsphase. Dabei geht es primär darum, ein geeignetes Evaluationsverfahren zu erstellen, das je nach Produkt oder Produktefamilie zu wirtschaftlich und sicherheitsmässig adäquaten Ergebnissen führt.

795

Auch was einzelne Elemente des Verfahrens der Konformitätsbescheinigung betrifft, sind innerhalb der EG Diskussionen im Gange, welche sich zum Beispiel um den Begriff

der

"werkseigenen

Produktionskontrolle"

drehen.

Ausgangspunkt der

Ueberlegungen bildet dabei die europäische Norm EN 29'002.

Die Wahl des Verfahrens der Konformitätsbescheinigung hat Auswirkungen auf die betroffenen Hersteller. Der Rechtsdienst der EG-Kommission hat deshalb vorgeschlagen, diese Wahl in Form von Verordnungen zu erlassen. Die Entscheidung darüber ist noch nicht gefallen.

Schliesslich ist die Frage des Verhältnisses der in der Bauprodukterichtlinie enthaltenen Systeme der Konformitätsbescheinigung zum sogenannten "Global approach"2 ungeklärt, welcher ein allgemeingültiges System von Verfahren Konformitätsbescheinigung enthält. Da dieser "Global approach" nach

der der

Bauprodukterichtlinie verabschiedet wurde, bestehen gewisse Inkompatibilitäten.

3.4

Harmonisicrte Nonnen

Es ist festzustellen, dass das CEN bereits eine ganze Reihe von Mandaten zur Normung erhalten hat und mit grosser Dynamik die Arbeiten vorwärtstreibt. Solange aber weder die Grundlagendokumente noch die Wahl der Verfahren der Konformitätsbescheinigung bzw. der entsprechenden Systeme definitiv verabschiedet sind, können auch die bereits in Auftrag gegebenen Normungsarbeiten nicht abgeschlossen werden. Es wird deshalb auch im Bereich der Normung mit gewissen Verzögerungen gerechnet.

2

Beschluss des Rates vom 13. Dezember 1990 über die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Module für die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahren (90/683); ABI. Nr. L 380 vom 31.12.1990, S. 13

796

3.5

Leitlinien für die europäische technische Zulassung

Das von der Bauprodukterichtlinie vorgesehene Gremium der Zulassungsstellen (EOTA) hat sich konstituiert. Mandate zur Erarbeitung von Leitlinien für europäische technische Zulassungen liegen zur Zeit noch nicht vor.

3.6

Prüf-, Ueberwachungs- und Zertifizierungsstellen

In der Bauprodukterichtlinie sind die Anforderungen an die vorgenannten Stellen im Sinne von Mindestanforderungen festgehalten. Im Guidance paper Nr. 6 des Ständigen Ausschusses wird versucht, die in der Bauprodukterichtlinie an Prüf-, Ueberwachungsund Zertifizierungsstellen gestellten Anforderungen in Beziehung zur Normenserie EN 45'000 zu bringen. Aus dem Guidance paper ist vorläufig zu entnehmen, dass die vorgenannten Stellen die entsprechenden EN 45'000 nicht in jeder Hinsicht zu erfüllen haben. Soweit ersichtlich sind die diesbezüglichen Diskussionen innerhalb der EG noch nicht abgeschlossen.

3.7

CE-Zeichen

Die EG-Kommission bereitet zur Zeit eine Verordnung über das EG-Zeichen vor.

Diese soll insbesondere auch die Probleme lösen, welche sich aus der Tatsache ergeben, dass gewisse Produkte unter verschiedene Richtlinien fallen. Es lasst sich zur Zeit nicht abschätzen, in welcher Hinsicht diese Verordnung nach ihrer Verabschiedung die entsprechenden Bestimmungen der Bauprodukterichtlinie tangieren wird. Schon heute kann aber gesagt werden, dass auch die Anwendung des CEZeichens auf der Basis der Bauprodukterichtlinie zu unterschiedlichen Interpretationen geführt hat. Der Ständige Ausschuss für das Bauwesen versucht eine einheitliche Handhabung zu regem.

4

Die Uebernahme der Bauprodukterichtlinie Abkommen

in das EWR-

Die Bauprodukterichtlinie wurde integral und ohne Uebergangsfrist in das EWRAbkommen übernommen. Da die EFTA-Staaten gemäss EWR-Abkommen bei

797

Entscheidungen innerhalb der von der Bauprodukterichtlinie vorgesehenen Gremien kein

Stimmrecht

haben,

ergeben

sich

gewisse

Informations-

und

Koordinationsschwierigkeiten. Dies betrifft insbesondere das von den europäischen Zulassungsstellen gebildete Gremium (EOTA). Den EFTA-Staaten wurden zwei Sitze mit Beobachterstatus gewährt. Auf der technischen Ebene ist die Mitarbeit gesichert.

Im übrigen ist die EFTA zur Zeit daran, Strukturen zu schaffen, welche die den jeweiligen EG-Gremien zugeordneten Funktionen übernehmen und die Koordination und den Informationsaustausch mit diesen sicherstellen sollen.

5

Die heutige Situation bezüglich Bauprodukten in der Schweiz

Generell kann gesagt werden, dass im öffentlichrechtlichen Baurecht der Schweiz Bestimmungen über die Anforderungen an Baustoffe und Baumaterialien weitgehend fehlen. Häufig wird durch Generalklauseln auf die anerkannten Regeln der Technik verwiesen, die bei der Erstellung von baulichen Anlagen zu beachten sind. Vor allem im Baunebenrecht werden jedoch zum Teil explizit bestimmte Materialanforderungen und/oder eine Prüf-, Bewilligungs- oder Zulassungspflicht vorgeschrieben. Dies betrifft beispielsweise folgende Bereiche:

a.

Produkte/Bauteile für die Luftschutzräume; Rechtgrundlagen: Bundesgesetz vom 23. März 1962 über den Zivilschutz (Zivilschutzgesetz, SR 520.1) und entsprechende kantonale Bestimmungen,

b.

Tankanlagen; Rechtsgrundlagen: Bundesgesetz vom 8. Oktober 1971 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (Gewässerschutzgesetz, SR 814.10) und entsprechende kantonale Bestimmungen.

c.

Baustoffe, Bauprodukte und Bauteile, die in den Geltungsbereich der feuerpolizeilichen Vorschriften fallen; Rechtsgrundlagen: kantonale Gesetze und Verordnungen über den Feuerschutz und Wegleitungen der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF),

d.

798

Elektrische Niederspannungserzeugnisse; Rechtsgrundlagen: Bundesgesetz vom 24. Juni 1902 betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen

(Elektrizitätsgesetz,

SR 734.0) und die Verordnung vom 24. Juni 1987 über

elektrische Niederspannungserzeugnisse (NEV, SR 734.26).

e.

Installationsmaterial und Apparate für den Bereich Gas, Wasser und Abwasser; Rechtsgrundlagen: die in kantonalen Gesetzen und Verordnungen (z.B. über Feuerschutz) sowie kommunalen Reglementen oder Werkvorschriften als verbindlich erklärten Richtlinien, Leitsätze und Zulassungsempfehlungen des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfachs (SVGW) und des Verbandes Schweizerischer Abwasserfachleute (VSA).

Ein mittelbarer Zwang zu "sicheren" Produkten wird im weiteren über das schweizerische System ausgeübt, wonach Hersteller und Verwender von Produkten allenfalls zivil- oder strafrechtlich belangt werden können, falls sich in einem Schadenfall herausstellt, dass die anerkannten Regeln der Technik, festgelegt etwa in privaten Normen, nicht befolgt worden sind.

Grobbeurteilung der Auswirkungen der Bauprodukterichtlinie auf die Schweiz

6.1

In grundsätzlicher Hinsicht

Die Uebemahme der Bauprodukterichtlinie in das schweizerische Recht bringt eine grundsätzliche Systemänderung mit sich.

Die Konzeption der Bauprodukterichtlinie ist eine präventive. Grundsätzlich können nur noch Bauprodukte auf den Markt gelangen, für welche im Rahmen eines Verfahrens der Konformitätsbescheinigung nachgewiesen worden ist, dass sie im Sinne der Bauprodukterichtlinie brauchbar sind. Für die Durchführung dieser Bescheinigungsverfahren fehlt in der Schweiz zur Zeit noch die von der Bauprodukterichtlinie vorgesehene entsprechende Infrastruktur (akkredierte Prüf-, Ueberwachungs- und Zertifizierungsstellen; Zulassungsstellen). Das gleiche gilt mindestens teilweise - für den Bereich der in der Bauprodukterichtlinie geregelten "Marktüberwachung", die zum Verbot bzw. Rückzug von Produkten führen kann, welche nicht den Anforderungen der Richtlinie, bzw. der Normen und Zulassungen entsprechen.

799

Im Bereich der wesentlichen Anforderungen werden sowohl eidgenössische wie kantonale Kompetenzen tangiert werden. In welchem Ausmass wird sich allerdings erst beurteilen lassen, wenn europäische harmonisierte Normen oder Leitlinien für die europäischen technischen Zulassungen vorliegen. Diese werden die Klassen und Leistungsstufen je Produkt oder Produktfamilie sowie die Verfahren der Konformitätsbescheinigung enthalten. Erst in diesem Zeitpunkt wird der Handlungsspielraum des jeweiligen, sachlich zuständigen schweizerischen Gesetzgebers

eingeschränkt

werden,

und

zwar

insofern,

als

dieser

keine

Anforderungen aufstellen darf, die über diejenigen der Bauprodukterichtlinie bzw. der technischen Spezifikationen hinausgehen (Art. 6 Abs. 3 i.V. m. Art. 13 der Bauprodukterichtlinie).

Erste Reaktionen, gestützt auf die provisorisch vorliegenden Grundlagendokumente, haben auf Bundesebene ergeben, dass im Bereich der wesentlichen Anforderungen keine grösseren Schwierigkeiten bzw. Anpassungen zu erwarten sind. Eine Umfrage im Jahre 1989 unter den Kantonsarchitekten und -ingenieuren hat im damaligen Stadium das gleiche Bild ergeben. Tatsächlich hat sich gezeigt, dass Bund und Kantone in ihren baubezogenen Vorschriften weitgehend auf die heutigen Normen der Baufachverbände verweisen (SIA, VSS, etc.), die in Zukunft in ihrer Mehrheit durch europäische Normen abgelöst werden dürften.

Zu beachten ist femer, dass die Richtlinien im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens den öffentlichen Auftraggebern (und diesen gleichgestellten Stellen) die Pflicht auferlegen, auf das u.a. von der Bauprodukterichtlinie vorgesehene System von technischen Spezifikationen Bezug zu nehmen. Sofern nicht die Ausnahmen der Bauprodukterichtlinie zur Anwendung kommen, können öffentliche Auftraggeber bei ihren Ausschreibungen grundsätzlich nur noch Bauprodukte berücksichtigen, die gemäss den Vorschriften der Bauprodukterichtlinie hergestellt worden sind.

6.2

In zeitlicher Hinsicht

Die Bauprodukterichtlinie und mit ihr der vorliegende Bauproduktebeschluss werden erst allmählich ihre volle Wirkung entfalten. Dies geschieht im wesentlichen in dem Umfang, in dem die Grundlagendokumente verabschiedet und damit harmonisierte

800

Normen von CEN/ CENELEC erstellt oder Leitlinien von der EOTA erarbeitet und Zulassungen ausgestellt werden können.

Erst mit der Veröffentlichung der Normen, der Leitlinien sowie der Liste der Bauprodukte, welche bezüglich der wesentlichen Anforderungen nur eine untergeordnete Rolle spielen, werden die ansonsten geltenden nationalen Vorschriften über Bauprodukte aufgrund

der Bestimmungen dieses Beschlusses weitgehend

verdrängt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind diese nationalen Vorschriften für die jeweiligen Bauprodukte dagegen weiterhin anwendbar.

Sind für ein Bauprodukt Normen oder Leitlinien gemäss der Bauprodukterichtlinie veröffentlicht, kann ein Hersteller zudem auch weiterhin nach den bisherigen nationalen Vorschriften Bauprodukte in der Schweiz in den Verkehr bringen, wenn in den technischen Spezifikationen nicht etwas anderes bestimmt ist (vgl. Ziff. 2.13).

7

Gründe für die teilweise Umsetzung der Bauprodukterichtlinie auf das Inkrafttreten des EWR-Abkommens

Wie oben ausgeführt, ist die Bauprodukterichtlinie zur Zeit nicht in vollem Umfange operabel, da die von ihr dazu vorausgesetzten nötigen weiteren Arbeiten noch nicht alle abgeschlossen sind. Folgende Gründe sprechen aber dennoch dafür, die Richtlinie soweit wie möglich bereits auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWR-Abkommens in schweizerisches Recht umzusetzen:

a.

Das EWR-Abkommen sieht für die Umsetzung der Bauprodukterichtlinie keine Uebergangsfrist vor.

b.

Die Arbeiten innnerhalb der EG laufen mit grosser Dynamik weiter. Es ist nicht abzuschätzen, wann die Grundlagendokumente und in deren Folge europäische Normen und Leitlinien für die europäische technische Zulassung vorliegen werden. Dies kann bereits kurz nach Inkraftreten des EWR-Abkommens der Fall sein. Mit dem vorliegenden Beschluss wird die Grundlage dafür gelegt, dass die Schweiz nicht durch die Entwicklung auf europäischer Ebene überrollt wird. Der Beschluss bildet die Basis zur Schaffung der nötigen Infrastruktur, welche schweizerischen Bauprodukteherstellern erst erlauben wird, von den durch die

801

Richtlinie eröffneten Marktmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Dies ist um so dringender,

als ab dem 1. Januar 1994 die schweizerischen

Auftraggeber nur noch Bauprodukte berücksichtigen dürfen, Anforderungen der Richtlinie erfüllen.

c.

öffentlichen welche

die

Verwaltung und Bauwirtschaft benötigen für den Aufbau der nötigen Infrastruktur (Prüf-, Ueberwachungs-, Zertifizierungs- und Zulassungsstellen) eine gewisse Zeit. Ein Verzicht auf die Umsetzung im jetzigen Zeitpunkt könnte unliebsame zeitliche Verzögerungen zur Folge haben, welche zum schweizerischen Bauprodukteindustrie ausschlagen könnten.

d.

Nachteil

der

Die im Beschluss vorgesehene beratende Kommission für Bauprodukte könnte ihre Arbeit nach Inkrafttreten des vorliegenden Erlasses bald einmal aufnehmen.

Aufgrund der Komplexität der Materie wird dieser Kommission grosses Gewicht beim weiteren Vollzug des Beschlusses zukommen. Der Sachverstand dieses Gremiums sollte genutzt werden können, um im Hinblick auf die weiteren Entwicklungen einen sachgerechten Vollzug zu gewährleisten.

e.

Schliesslich

kann

darauf

hingewiesen

werden,

dass

die

Bundesrepublik

Deutschland ein ähnliches Umsetzungskonzept, wie es dem vorliegenden Beschluss zugrunde liegt, gewählt hat. Dies u.a. eben auch mit dem Ziel, die Vorbereitungen im Hinblick auf die kommenden technischen Spezifikationen zu intensivieren.

8

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Der Entwurf zu einem Bundesbeschluss für das Inverkehrbringen von Bauprodukten wurde an rund 70 Institutionen der Bauwirtschaft und allen

Kantonen zur

Vernehmlassung zugestellt. Trotz ausserordentlich kurzer Fristen gingen eine ganze Reihe von Stellungnahmen ein.

8.1

Stellungnahmen der Bauwirtschaft

Von selten der Bauwirtschaft wurde generell festgehalten, dass der Entwurf im wesentlichen der Richtlinie entspreche. Bemängelt wurde hingegen seine schwere Verständlichkeit, wobei angemerkt wurde, dass dies weitgehend eine Folge der

802

komplexen Materie und des Richtlinientextes sei. Im weiteren wurden Befürchtungen geäussert, dass die Umsetzung der Bauprodukterichtlinie in der Schweiz buchstabengetreuer erfolge als in den übrigen EWR-Staaten und dass Weine und mittlere

Unternehmen

aufgrund

der

neu

erforderlichen

werkseigenen

Produktionskontrolle und des damit verbundenen Aufwandes aus dem Markt fallen könnten. Ausdrücklich gefordert wurde, dass an der im Beschlussesentwurf vorgesehenen beratenden Kommission für Bauprodukte festgehalten werde.

8.2

Stellungnahmen der Kantone

Einige Kantone bezweifelten in ihren Stellungnahmen die Notwendigkeit der Umsetzung der Bauprodukterichtline auf das Inkrafttreten des EWR-Abkommens.

Verschiedentlich wurde auch unter Bezug auf den Bericht "Anpassung des kantonalen Rechts an das EWR-Recht" vom Dezember 1991, Seite 152, die Frage der Verfassungsmässigkeit des Entwurfs gestellt. Schliesslich wurde darauf hingewiesen, dass die Kantone im Bereich der Kontrollaufgaben Schwierigkeiten erwarteten.

8.3

Schiiissfolgerungen

Der in die Vemehmlassung geschickte Entwurf wurde stark überarbeitet, mit dem Ziel, die Verständlichkeit zu erleichtern und den Text von Vorschriften zu entlasten, welche auf Verordnungsebene erlassen werden können.

Was die Befürchtung bezüglich der Produktionskontrolle bei kleinen und mittleren Unternehmungen anbetrifft, so kann der vorliegende Beschluss keine Regelungen treffen. Der Begriff der werkseigenen Produktionskontrolle wird auf europäischer Ebene näher präzisiert werden. Es wird Sache der schweizerischen Vertreter aus Verwaltung und Wirtschaft sein, in den entsprechenden Gremien dafür zu sorgen, dass angemessene Lösungen gefunden werden. Es kann darauf hingewiesen werden, dass für diese Frage auf europäischer Ebene eine gewisse Sensibilität besteht. Entsprechend der nachdrücklichen Forderung der Wirtschaft sieht der vorliegende Beschluss im übrigen weiterhin eine beratende Kommission für Bauprodukte vor.

Was die Aeusserungen der Kantone zum Umsetzungszeitpunkt betrifft wird auf die Ausführungen unter Ziffer 7 verwiesen. Zur Verfassungsmässigkeit der Vorlage enthält

803

Ziffer 9.3, l nähere Ausführungen. Schliesslich sei bezüglich der Kontrollaufgaben der Kantone auf die Erläuterungen zu Artikel 15 des vorliegenden Beschlusses verwiesen.

9

Besonderer Teil

9.1

Grundzüge des Bauproduktebeschlusses

9.1.1

Die Umsetzungskonzeption

Der Bauproduktebeschluss soll die Bauprodukterichtlinie lediglich hinsichtlich des Inverkehrbringens von Bauprodukten und der dazu nötigen Infrastruktur umsetzen. Die Umsetzung der wesentlichen Anforderungen an die Bauwerke und der Grundlagendokumente soll hingegen den jeweiligen, sachlich zuständigen Stellen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene überlassen bleiben.

Diese Lösung drängt sich auch deshalb auf, weil, wie oben ausgeführt, die wesentlichen Anforderungen erst in den Grundlagendokumenten sowie in den europäischen Nonnen und technischen Zulassungen definitiv formuliert werden. Da diese noch nicht vorliegen, ist es nicht möglich, Umsetzungen vorzunehmen, bzw. zu beurteilen, wo allenfalls Anpassungen notwendig sein werden.

9.1.2

Einige Prinzipien des Beschlusses

Die Bauprodukterichtlinie ist eine Rahmenrichtlinie. Wie oben verschiedentlich dargelegt, wird sie ihre Wirkung erst allmählich voll entfalten, abhängig von den Fortschritten in den Bereichen u.a. der Erstellung der Grundlagendokumente, der Normen, der Leitlinien für europäische technische Zulassungen und nicht zuletzt der Konstituierung aller dazu notwendigen organisatorischen Gremien.

Es hat sich gezeigt, dass die EG-Kommission und die EG-Mitgliedstaaten bei der praktischen Umsetzung der Richtlinie einen gewissen Pragmatismus an den Tag legen.

In verschiedener Hinsicht wird erst die (europäische) Praxis und der noch zu erreichende Konsens unter den FG- und F.FTA-Staaten die praktische Konkretisierung der Bauprodukterichtlinie ermöglichen. Die Grundsätze hingegen stehen fest.

804

Der vorliegende Beschluss richtet sich nach diesen Vorgaben, Er soll insbesondere die organisatorischen Grundlagen dafür schaffen, dass, entsprechend dem Fortschreiten der Arbeiten auf europäischer Ebene, die weiteren Umsetzungsarbeiten in der Schweiz erfolgen können. Die Konkretisierung des Beschlusses hängt demnach weitgehend von zukünftigen Ergebnissen auf europäischer Ebene ab. Fragen, welche die Bauprodukterichtlinie offen lässt, können selbstverständlich nicht durch den vorliegenden Beschluss gelöst werden, solange auf europäischer Ebene kein entsprechender Konsens gefunden wurde.

Was den Vollzug des Beschlusses anbetrifft, soll dieser auf Bundesebene soweit wie möglich durch bereits bestehende Behörden wahrgenommen werden. Das gleiche gilt dort, wo die Mitwirkung der Kantone vorgesehen ist.

9.1.3

Prüf-, Ueberwachungs-, Zertifizierungs- und Zulassungsstellen

Die Bauprodukterichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes dazu, ein Verzeichnis der Namen und Adressen der Prüf-, Ueberwachungs- und Zertifizierungsstellen (Drittstellen), die sie zur Durchführung von Aufgaben im Rahmen der Bauprodukterichtlinie bzw. des entsprechenden Umsetzungserlasses vorgesehen haben, der EG-Kommission bzw. dem entsprechenden EFTA-Organ zu übermitteln (Art. 18 der Bauprodukterichtlinie). Das gleiche gilt für die Zulassungsstellen, welche zusätzlich direkt den andern Mitgliedstaaten mitzuteilen sind. Sowohl für die Drittstellen wie auch für die Zulassungsstellen stellt die Bauprodukterichtlinie Mindestanforderungen auf. Ferner müssen bezüglich der Drittstellen die Produkte angegeben werden, welche deren Zuständigkeit unterliegen und die Art der Aufgaben, die ihnen übertragen werden sollen.

Die Bauprodukterichtlinie sieht kein eigentliches Akkreditierungssystem vor. Es ist aber unbestritten, dass den auf der Basis der entsprechenden EN-Normen (EN 45'000) akkreditierten Stellen auf europäischer Ebene die Vermutung zukommt, dass sie über die technischen Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben verfügen. Die eben erwähnte Normenserie stellt jedoch Anforderungen, welche über diejenigen der Bauprodukterichtlinie hinausgehen. Der Ständige Ausschuss für das Bauwesen versucht deshalb zur Zeit, die Anforderungen der Bauprodukterichtlinie in Beziehung zur sogenannten EN 45'000 Serie zu bringen.

805

In Anbetracht der Tatsache, dass in der Schweiz ein Akkreditierungssystem bereits besteht (Verordnung vom 30.

Okt.

1991 über das schweizerische Akkreditierungssystem; SR 941.291) und unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen, setzt dieser Beschluss für die Bezeichnung der Drittstellen die Akkreditierung gemäss der entsprechenden Verordnung und selbstverständlich die Erfüllung der Anforderungen der Bauprodukterichtlinie voraus. Einzelheiten sollen auf dem Verordnungswege geregelt werden, sobald die Entwicklung auf europäischer Ebene Präzisierungen zulässt.

Artikel 10 Absatz l der Verordnung über das schweizerische Akkreditierungssystem enthält einen sogenannten indirekten Verweis auf die Normen der EN-Reihe 45'000.

Das bedeutet, dass die in diesen Normen enthaltenen Akkreditierungsanforderungen nicht absolut gelten. Vielmehr müssen bei der Akkreditierung von Stellen, die im Rahmen von Verfahren der Konformitätsbescheinigung für Bauprodukte taug werden, die durch die Bauprodukterichtlinie festgelegten Anforderungen berücksichtigt werden, die sich nicht in allen Teilen mit der EN-Reihe 45'000 decken. Selbstverständlich bleibt es einer Stelle unbenommen, sich integral nach der für sie in Frage kommenden EN 45'000 akkreditieren zu lassen.

9.1.4

Marktüberwachung

Die Richtlinie sieht besondere Verfahren für die Fälle vor, dass ein Mitgliedstaat der Auffassung ist, harmonisierte oder anerkannte Normen, europäische technische Zulassungen, Mandate für Normen oder analog Aufträge zu Erarbeitung von Leitlinien oder Leitlinien selbst entsprächen z.B. nicht den wesentlichen Anforderungen (Artikel 5 Bauproduktenrichtlinie) oder ein Bauprodukt sei unrechtmässig mit dem CE-Zeichen nach der Bauprodukterichtlinie gekennzeichnet (Art. 15 und 21 Bauprodukterichtlinie).

Für all diese Fälle ist ein hier unter dem Begriff "Marktüberwachung" zusammengefasstes System zu regeln. Der vorliegende Beschluss geht von der Konzeption aus, dass diese Aufgaben der Marktüberwachung möglichst von den bisher in den Bereichen des Baurechts und Baunebenrechts für Kontrollen sachlich zuständigen eidgenössischen oder kantonalen Instanzen wahrgenommen, werden sollen, vorzugsweise durch die Bauaufsichtsbehörden.

806

Hingegen soll aus Gründen der nationalen und internationalen Koordination die Kompetenz zur Verfügung von Verwaltungsmassnahmen auf Bundesebene angesiedelt werden.

9,1,5

Beratende Kommission für Bauprodukte

Die Bauprodukterichtlinie hat eine ausserordentlich technische und vielschichtige Materie zum Gegenstand. Die Arbeiten zur Konkretisierung der Richtlinie sind auch innerhalb der EG aufgrund der Vielzahl der offenen Fragen noch im Fluss. Es ist deshalb aus diesen Gründen angezeigt, eine Kommission für Bauprodukte zu schaffen, welcher beim Vollzug dieses Beschlusses beratende Funktion zukommen soll.

9.2

Die Artikel des Beschlusses im einzelnen

9,2.1

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Artikel l

Ziel

Entsprechend der Umsetzungskonzeption (vgl. Ziff. 9.1.1) soll der vorliegende Beschluss nach Artikel l die Bauprodukterichtlinie nur insoweit umsetzen, als das Inverkehrbringen von Bauprodukten zu regeln ist.

Der Beschluss verzichtet auf eine nähere Definition des Begriffes des Inverkehrbringens. Dieser ist auch innerhalb der EG noch nicht definitiv festgelegt.

Die Auslegung des Begriffes wird sich nach der europäischen Praxis richten müssen.

Artikel 2

Begriffe

Absatz l definiert den Begriff der Bauprodukte in Übereinstimmung mit Artikel l Absatz 2 und teilweise mit der Protokollerklärung Nr. 3 zur Bauprodukterichtlinie. Zu beachten ist, im Beschluss aber nicht besonders erwähnt, dass danach zu den Bauprodukten auch Anlagen und Einrichtungen und ihre Teile für Heizung, Klima,

807

Lüftung, sanitäre Zwecke, elektrische Versorgung und Lagerung umweltgefährdender Stoffe gehören.

In Absatz 2 wird in Anlehnung an Artikel 4 der Bauprodukterichtlinie der Begriff der technischen Spezifikation definiert.

Absatz 3 umschreibt das wichtigste Harmonisierungsinstrument der Richtlinie, die harmonisierte Norm (vgl. Ziff. 2.5).

Bei den anerkannten Nonnen nach Absatz 4 handelt es sich um produktbezogene Normen der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (vgl. Ziff. 2.6).

Ihnen gleichgestellt sind nach der Protokollerklärung Nr. 7 zur Bauprodukterichtlinie z.B. auch die in nationale Normen umgesetzten CEN-Normen, welche nicht auf Mandaten gemäss der Bauprodukterichtlinie beruhen,

Absatz 5 enthält schliesslich eine Definition der europäischen technischen Zulassung, wie sie in Artikel 8 Absatz l der Bauprodukterichtlinie enthalten ist (vgl. Ziffer 2.7),

Die in Absatz 6 angesprochenen Leitlinien für die europäische technische Zulassung sind im Regelfall Voraussetzung für die Erteilung europäischer technischer Zulassungen (vgl. Ziff. 2.8). Ob und wie sich die EFTA-Staaten an Mandaten zur Erarbeitung dieser Leitlinien beteiligen können und werden, ist zur Zeit noch ungeklärt.

Absatz 7 definiert den Begriff des Herstellers. Als Hersteller gilt danach nicht nur derjenige, welcher ein Produkt herstellt, sondern auch sein im Europäischen Wirtschaftsraum ansässiger Bevollmächtigter oder der Importeur von Bauprodukten.

808

9.2.2

2. Abschnitt: Inverkehrbringen von Bauprodukten

Artikel 3

Grundsätze

Die Absätze 1-3 enthalten die in der Bauprodukterichtlinie enthaltenen Grundsätze für das Inverkehrbringen von Bauprodukten.

Absatz 4 regelt den Fall, dass für ein Bauprodukt noch keine harmonisierten oder anerkannten Normen vorliegen und die Ausstellung einer europäischen technischen Zulassung mangels Leitlinien nicht möglich ist. Dies wird auch nach Inkrafttreten des vorliegenden Beschlusses für viele Bauprodukte die Regel sein.

In diesen Fällen soll der Hersteller von Bauprodukten die Möglichkeit haben zu entscheiden, ob er sich eine Zulassung ohne Leitlinie gemäss Artikel 9 Absatz 2 der Bauprodukterichtlinie ausstellen lassen oder ob er sein Produkt nach den übrigen schweizerischen Vorschriften in Verkehr bringen will. Im letzten Fall ist er nicht berechtigt, das CE-Zeichen zu verwenden. Will er diese Produkte dennoch in ein EWR-Land exportieren, so steht ihm ein Sonderverfahren zur Verfügung, das den freien Warenverkehr erleichtem soll (Art. 14).

Artikel 4

Besondere Fälle

Absatz l setzt Artikel 4 Absatz 4 der Bauprodukterichtlinie um. Danach bedarf es bei Bauprodukten, welche wesentlich von einer technischen Spezifikation abweichen, keiner europäischen technischen Zulassung, wenn in der technischen Spezifikation eine bestimmte einfache Form des Verfahrens der Konformitätsbescheinigung vorgeschrieben ist, die das Bauprodukt als weniger sicherheitsrelevant ausweist. In diesen Fällen tritt an die Stelle der sonst erforderlichen europäischen technischen Zulassung ein Brauchbarkeitsnachweis im Rahmen des Verfahrens der Konformitätsbescheinigung durch eine bezeichnete Prüfstelle. Dieses Verfahren wird in einem Papier des Ständigen Ausschusses als spezielles Verfahren bezeichnet, welches eine dafür besonders geeignete Prüfstelle erfordere. Da die Einzelheiten noch nicht feststehen, wird der Bundesrat gestützt auf die weiteren Entwicklungen das Nähere in einem späteren Zeitpunkt regeln.

809

Absatz 2 dient der Danach können die Produkte enthalten anerkannten Regeln Erklärung bestätigt.

technischen Regeln

Umsetzung von Artikel 4 Absatz 5 der Bauprodukterichtlinie.

Produkte, welche in der Liste der minder sicherheitsrelevanten sind, in den Verkehr gebracht werden, wenn sie allgemein der Technik entsprechen und der Hersteller dies durch eine Unter allgemein anerkannten Regeln der Technik sind diejenigen zu verstehen, die in einem Mitgliedstaat des Europäischen

Wirtschaftsraumes allgemein anerkannt sind. Diese technischen Regeln müssen nicht auch im Sitzland des Herstellers anerkannt sein. Ueber Inhalt und Form der Erklärung des Herstellers enthält die Bauprodukterichtlinie und ihr folgend der Bauproduktebeschluss keine Aussagen. Der Bundesrat wird die näheren Einzelheiten unter Berücksichtigung der Entwicklung auf europäischer Ebene regeln.

Absatz 3, der sich auf Artikel 6 Absatz 2 der Bauprodukterichtlinie abstützt, weist auf einen wichtigen Spezialfall hin: Liegt für ein Bauprodukt eine technische Spezifikation vor, können dennoch Bauprodukte in den Verkehr gebracht werden, die ausschliesslich nationalen Vorschriften über das Inverkehrbringen oder die Verwendung des Bauprodukts entsprechen (nationaler Weg). Dieser Weg steht dann nicht offen, wenn die harmonisierte Norm oder die dem Hersteller erteilte, europäische technische Zulassung diese Möglichkeit ausdrücklich ausschliesst, was in der Regel im Sinne einer zeitlich befristeten Uebergangsregelung geschehen soll. Durch anerkannte Normen kann der nationale Weg nicht ausgeschlossen werden,

Falls der Hersteller diese Möglichkeit des Inverkehrbringens von Bauprodukten wählt, gelten die nationalen Konformitätsvorschriften, sofern solche bestehen. Dies bedingt allerdings, dass mit der Veröffentlichung von harmonisierten Normen oder Zulassungen die bisherigen nationalen Vorschriften oder Normen nicht ersatzlos zurückgezogen werden. Die Bauprodukte gemäss diesem Absatz dürfen das CEZeichen nicht tragen.

Absatz 4 setzt Artikel 13 Absatz 5 der Bauprodukterichtlinie um. Dieser beinhaltet die sogenannte "Handwerkerklausel". Die Regelung des Absatzes 4 betrifft Bauprödukte, die nicht in Serie, sondern einzeln angefertigt werden. Diese Produkte unterliegen einem Konformitätsbescheinigungsverfahren der einfachsten Stufe, das heisst einer Erstprüfung des Bauprodukts durch den Hersteller

in Verbindung mit einer

werkseigenen Produktionskontrolle. Diese Regelung gilt allerdings nur insoweit, als technische Spezifikationen diesen Fall nicht anders regeln.

810

Absatz 5 betrifft diejenigen Bauprodukte, welche nur für einen einzelnen spezifischen Anwendungsfall verwendet werden sollen. Massgeblich für diese Bauprodukte sind dann die jeweiligen eidgenössischen oder kantonalen Vorschriften über deren Verwendung.

9.2.3

3. Abschnitt: Europäische technische Zulassung

Artikel 5

Voraussetzungen

Artikel 5 legt fest, in welchen Fällen gemäss Artikel 8 Absätze 2 und 3 der Bauprodukterichtlinie eine europäische Zulassung ausgestellt werden kann.

Artikel 6

Verfahren

Artikel 6 regelt in Uebereinstimmung mit Artikel 8 Absatz 4 und Artikel 9 Absatz 3 sowie Anhang II der Bauprodukterichtlinie das Verfahren zur Ausstellung von europäischen technischen Zulassungen. Die Einzelheiten werden gestützt auf Anhang n der Richtlinie von der EOTA ausgearbeitet und der EG-Kommission sowie dem Ständigen Ausschuss für das Bauwesen zur Genehmigung unterbreitet werden.

Artikel 7

Grundlagen der europäischen technischen Zulassung

Artikel 7 entspricht Artikel 9 Absätze l und 2 der Bauprodukterichtlinie.

Artikel 8

Inhalt der europäischen technischen Zulassung

Artikel 8 ist eine Vorschrift, welche sich an die Zulassungsstelle richtet und den Mindestinhalt der europäischen technischen Zulassung festhält. Die Bestimmung von Absatz l Buchstabe c entspricht Artikel 13 Absatz 4 Satz 3 der Bauprodukterichtlinie.

Anzumerken ist, dass auch eine europäische technische Zulassung einer Zulassungsstelle eines anderen Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes Grundlage für ein Verfahren der Konformitätsbescheinigung in der Schweiz bilden kann.

811

9.2.4

4. Abschnitt: Verfahren der Konformitätsbescheinigung

Artikel 9

Voraussetzungen

Absatz l entspricht Artikel 13 Absatz 3 der Bauprodukterichtlinie. Zu beachten ist, dass sowohl eine Zertifizierung des werkseigenen Produktionskontrollsystems als auch des Bauprodukts selbst vorgesehen werden kann (Bst. b), und dass für ein Verfahren der Konformitätsbescheinigung in jedem Fall eine werkseigene Produktionskontrolle des Herstellers nötig ist. Der Begriff der werkseigenen Produktionskontrolle ist in Anhang HI, Ziffer l, letzter Absatz der Bauprodukterichtlinie generell umschrieben.

Der Ständige Ausschuss für das Bauwesen ist zur Zeit daran, einheitliche Kriterien zur weiteren Konkretisierung zu entwickeln, welche dann in Normen und Zulassungen übergeführt und dort definitiv festgelegt werden sollen. Absatz 2 gibt dem Bundesrat die Kompetenz, die nötigen Umsetzungen in schweizerisches Recht auf Verordnungsebene vorzunehmen.

Artikel 10

Arten der Konformitätsbescheinigung

Absatz l stützt sich auf Artikel 14 Absatz l der Bauprodukterichtlinie. Aus diesem ergibt sich im übrigen, dass auch im Falle der Zertifizierung des werkseigenen Produktionskontrollsystems eine Konformitätserklärung des Herstellers für ein bestimmtes Bauprodukt in Betracht fallt (vgl. Anhang III, Ziff. 2, ii, Möglichkeit l, Bst. b). Ein Konformitätszertifikat für das Bauprodukt selbst ist nur notwendig, falls technische Spezifikationen die Zertifizierung desselben vorsehen.

Absatz 2 entspricht der Regelung in Artikel 13 Absatz 2 der Bauprodukterichtlinie.

Absatz 3 gibt dem Bundesrat die Kompetenz, die näheren Einzelheiten bezüglich der beiden Arten der Konformitätsbescheinigungen zu regeln. Grundlage dazu wird insbesondere Anhang III, Ziffern 4.2 - 4.4 der Bauprodukterichtlinie bilden.

812

Artikel 11

CE-Zeichen

Artikel 11 regelt die letzte Stufe des Verfahrens der Konformitätsbescheinigung. Wenn dieses die Uebereinstimmung des betreffenden Bauprodukts mit einer technischen Spezifikation ergeben hat und demzufolge mit einer Konformitätserklärung des Herstellers oder einem Konformitätszertifikat abgeschlossen wurde, so hat der Hersteller das betreffende Bauprodukt nach Absatz l mit dem CE-Zeichen und den vorgeschriebenen Angaben zu kennzeichnen. Einzelheiten und allenfalls Erfordernisse über darüber hinausgehende Angaben sollen auch diesbezüglich auf Verordnungsebene geregelt werden (Abs. 4).

Absatz 2 stützt sich auf Artikel 4 Absatz 6 und Artikel 14 Absatz 2 Satz l der Bauprodukterichtlinie.

Obschon die Richtlinie nur von einer Berechtigung zum

Anbringen des CE-Zeichens spricht, ist es auf europäischer Ebene und in den EGMitgliedstaaten unbestritten, dass auch eine entsprechende Verpflichtung besteht.

Absatz 3 setzt Artikel 15 Absatz 3 der Bauprodukterichtlinie um.

Absatz 4 ermächtigt den Bundesrat, die weiteren Vorschriften über die Verwendung des CE-Zeichens zu erlassen. Grundlage dazu wird in erster Linie Anhang III, Ziffer 4.1 der Bauprodukterichtlinie bilden. Die EG ist im weiteren zur Zeit daran, eine Verordnung über die Anbringung und Verwendung des CE-Zeichens auf Industrieerzeugnissen vorzubereiten. Dieser EG-Erlass wird für den Bundesrat deshalb ebenfalls massgebend sein.

9.2.5

5. Abschnitt: Prüf-, Ueberwachungs-, Zertifizierungs- und Zulassungsstellen

Artikel 12

Prüf-, Ueberwachungs- und Zertifizierungsstellen

Absatz l stützt sich auf Artikel 18 Absatz l der Bauprodukterichtlinie, welcher die einzelnen Staaten verpflichtet, Prüf-, Ueberwachungs- und Zertifizierungsstellen vorzusehen und der Kommission bzw. dem entsprechenden EFTA-Organ Name und Adresse dieser sogenannt "zugelassenen Stellen" zu übermitteln.

813

Die Bezeichnung all dieser Stellen soll durch eine vom Bundesrat bestimmte Behörde erfolgen. Dabei ist zwischen allgemeinen Prüfstellen im Rahmen des Konformitätsbescheinigungsverfahrens und Prüfstellen zu unterscheiden, die in Fällen gemäss Artikel 4 Absatz 4 der Bauprodukterichtlinie (Abweichung eines Produkts von Normen oder Zulassungen, welche ein Verfahren der Konformitätsbescheinigung einfacher Stufe vorsehen) einen besonderen Brauchbarkeitsnachweis im Rahmen des Verfahrens der Konformitätsbescheinigung ausstellen können (vgl. Art. 4 Abs. l dieses Beschlusses), Absatz 2 gibt der vom Bundesrat bestimmten Behörde die Möglichkeit, soweit wie möglich auf die bereits bestehende Infrastruktur zurückzugreifen.

Bezüglich Absatz 3 wird auf die Ausführungen in Ziffer 9.1.3 verwiesen. Der Verzicht auf die vorherige Akkreditierung soll nur in Ausnahmefällen möglich sein. Die entsprechende Bestimmung in Absatz 3 ist vor allem für eine Uebergangszeit vorgesehen, in welcher für bestimmte Bauprodukte schweizerischer Hersteller keine akkreditierten Stellen vorhanden sind. Der Hersteller soll nach Möglichkeit nicht gezwungen sein, an entsprechende ausländische Stellen gelangen zu müssen. Vielmehr soll ihm ermöglicht werden, auf schweizerische Stellen zurückgreifen zu können, welche bisher entsprechende Tätigkeiten ohne Akkreditierung ausgeführt haben. Die Anforderungen der Richtlinie müssen selbstverständlich trotzdem erfüllt werden.

Artikel 13

Zulassungsstellen

Absatz l ermächtigt den Bundesrat, einer oder mehreren Stellen die Befugnis zu übertragen, europäische technische Zulassungen auszustellen. Angesichts der Wichtigkeit dieser Stellen und der Tatsache, dass nur wenige Stellen für diese Aufgaben in Betracht fallen werden, belassi dieser Beschluss die Kompetenz zur Aufgabenübertragung beim Bundesrat.

Absatz 2 verweist auf die Anforderungen, welche die Bauprodukterichtlinie bezüglich Zulassungsstellen stellt. Diese ergeben sich generell einmal aus den Voraussetzungen für die Erteilung einer europäischen technischen Zulassung (Art. 9 Abs. l der Bauprodukterichtlinie). Danach muss die Zulassungstelle über die fachliche Kompetenz verfügen, ein bestimmtes Produkt aufgrund von Untersuchungen und Prüfungen im Lichte der wesentlichen Anforderungen, der Grundlagendokumente und - falls

814

vorhanden - der Leitlinien für das Produkt oder die entsprechende Produktfamilie zu beurteilen. Da ein Produkt häufig nicht nur bezüglich einer der an Bauwerke gestellten wesentlichen Anforderungen relevant ist, sollte die entsprechende Zulassungsstelle grundsätzlich in der Lage sein, ein solches unter allen Aspekten zu beurteilen.

Artikel 10 Absatz 2 der Bauprodukterichtlinie fordert darüber hinaus, dass die Zulassungsstellen insbesondere in der Lage sein müssen

die Brauchbarkeit neuer Produkte aufgrund von wissenschaftlichen und praktischen Kenntnissen zu beurteilen;

gegenüber den Interessen der betreffenden Hersteller oder deren Beauftragten unparteiisch zu entscheiden; und

die Beiträge aller beteiligten Parteien zu einer ausgewogenen Bewertung zusammenzufassen.

Absatz 3 gibt dem Bundesrat die Kompetenz, diejenige Zulassungsstelle zu bezeichnen, welche die schweizerischen Interessen im Gremium der europäischen Zulassungsstellen (EOTA) vertritt.

Absatz 4 stützt sich auf Anhang II, Ziffer 2, Satz 3 der Bauprodukterichtlinie. Danach obliegt dem Mitgliedstaat, im Falle dass er mehrere Zulassungsstellen bezeichnet hat, die Koordinierung derselben. Diese Aufgabe soll die Zulassungsstelle übernehmen, welche die schweizerischen Interessen in der EOTA vertritt.

9,2.6

6, Abschnitt: Sonderverfahren für die Ehi- und Ausfuhr von Bauprodukten

Artikel 14 regelt in Grundzügen das in der Bauprodukterichtlinie in den Artikeln 16 und 17 vorgesehene Sonderverfahren (vgl. dazu Ziff. 2.19), das den Verkehr mit Bauprodukten auf der Basis der jeweiligen nationalen Vorschriften erleichtern soll, bis entsprechende (europäische) technische Spezifikationen vorliegen. Der Ständige Ausschuss für das Bauwesen ist zur Zeit daran, dieses Verfahren, das nicht zum CEZeichen führt, zu präzisieren.

815

In Abhängigkeit von der europäischen Entwicklung wird deshalb der Bundesrat die entsprechenden Ausführungsvorschriften erlassen und eine Koordinationsstelle bezeichnen, um die Abwicklung der Verfahren zu vereinfachen. Im Einvernehmen mit den Kantonen sollen, soweit Gründe der Zweckmässigkeit dafür sprechen, kantonale Stellen zur Abwicklung des Sonderverfahrens als zuständig bezeichnet werden. Zu denken ist dabei etwa an den Bereich des Brandschutzes, welcher auf kantonaler Ebene weitgehend vereinheitlicht ist.

9.2.7

7. Abschnitt: Verwaltungsmassnahmen

Artikel 15

Kontrolle

Die Bauprodukterichtlinie verpflichtet die einzelnen Staaten, für die korrekte Verwendung des CE-Zeichens zu sorgen (Art. 15 Abs. l der Bauprodukterichtlinie).

Dies ist nur möglich, wenn eine gewisse Kontrolle der in Verkehr gebrachten Bauprodukte gewährleistet ist. Diese rechtfertigt sich zudem auch aus polizeilichen Gründen sowie mit Blick auf ausländische Produkte, welche in Zukunft auf den schweizerischen Markt kommen werden.

Absatz l ermächtigt deshalb den Bundesrat, das Nötige zu regeln. Bei der Durchführung der Kontrollen ist die Mitwirkung der Kantone unabdingbar. Der Bundesrat hat deshalb die Kompetenz, diese beizuziehen. Dabei wird in erster Linie die bereits bestehende Infrastruktur zu berücksichtigen sein.

Absatz 3 erlaubt den Kontrollbehörden, Organisationen ausserhalb der Verwaltung mit Kontrollaufgaben zu betrauen. Dies rechtfertigt sich aufgrund der ausgesprochen technischen Materie. Der ausserhalb der Verwaltung vorhandene technische Sachverstand soll genutzt werden. Die Aufsichtskompetenz der Kontrollbehörde bleibt allerdings vorbehalten.

Artikel 16

Verwaltungsmassnahmen

Absatz 2 stützt sich auf Artikel 15 Absatz 2 und Artikel 21 Absatz l der Bauprodukterichtlmie.

816

9.2.8

8. Abschnitt: Weitere Vorschriften

Artikel 22

Gebühren

Die Bauprodukterichtlinie sieht in Anhang H, Ziffer 6 vor, dass die durch das Verfahren der europäischen technischen Zulassung bedingten Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen sind. Artikel 22 nimmt darauf Bezug und regelt die Gebührenerhebung zusätzlich auch für Fälle, in welchen Bauprodukte in Verkehr gebracht wurden, bei welchen sich herausstellt, dass sie den Bestimmungen dieses Beschlusses nicht entsprechen und die deshalb die Anordnung von Verwaltungsmassnahmen erforderlich machen. Die Kosten für die Kontrolle sollen diesfalls dem Verursacher auferlegt werden.

Um mögliche Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, wird dem Bundesrat die Kompetenz eingeräumt, die Gebühren gesamtschweizerisch festzulegen. Er wird dies im Sinne einer Rahmenordnung tun, um örtlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen.

9.2.9

9. Abschnitt: Rechtspflege

Artikel 23

Beschwerdeverfahren

Nach der Konzeption dieses Beschlusses handeln Prüf-, Ueberwachungs- und Zertifizierungsstellen rein privatrechtlich im Auftrage eines Herstellers.

Zertifizierungen und Berichten dieser Stellen kommt demgemäss kein Verfügungscharakter zu.

Hingegen sind europäische technische Zulassungen Verfügungen im Sinne des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren. Mit der europäischen technischen Zulassung wird gegenüber einem bestimmten Hersteller, bezogen auf ein bestimmtes Produkt, einseitig und verbindlich festgelegt, welches Verfahren der Konformitätsbescheinigung zur Anwendung kommen muss, wenn der Hersteller das entsprechende Produkt in der Folge in Verkehr bringen will.

817

Zur Erledigung von Beschwerden gegen Verfügungen, die sich auf diesen Beschluss stützen, ist eine Rekurskommission für Bauprodukte vorgesehen. Diese wird neu zu schaffen sein, da für die ausserordentlich technische Materie keine bestehende Rekurskommission in Frage kommt. Vorbehalten bleibt Absatz 3. In Fällen, in denen aufgrund anderer Bundeserlasse bereits Vorschriften bestehen, die für das Inverkehrbringen von Bauprodukten massgeblich sind, bleibt der Rechtsweg im bisherigen Rahmen weiterbestehen. Die nach diesen Bestimmungen zuständigen Behörden entscheiden weiterhin nach den für sie geltenden Vorschriften über Beschwerden.

9.2.10

10. Abschnitt:

Strafbestimmungen

Die Bestimmungen dieses Abschnittes lehnen sich an die entsprechenden Regelungen in Artikel 13 des Bundesgesetzes über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten an (SR 819.1), das vergleichbare Sachverhalte erfasst.

9.2.11

11. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Artikel 26

Vollzug

Absatz 2 sieht vor, dass Bundesbehörden, denen aufgrund anderer Bundeserlasse der Vollzug von Vorschriften obliegt, die für das Inverkehrbringen von Bauprodukten relevant sind, im Rahmen der bisherigen Zuständigkeiten soweit zweckmässig auch die Vorschriften des vorliegenden Beschlusses zu vollziehen haben.

Damit wird eine unnötige Erweiterung der Verwaltungsstrukturen vermieden. Nur dort, wo sich erweist, dass dieses Vorgehen nicht zweckmässig ist, soll der Bundesrat entsprechende Vorschriften erlassen.

Diese Konzeption rechtfertigt sich auch dadurch, dass zuerst Erfahrungen mit den neuen Vorschriften und Abläufen gesammelt werden müssen.

818

9.3

Rechtliche Grundlagen

9.3.1

Die verfassungsrechtliche Basis für den Bauproduktebeschluss

Dieser Beschluss stützt sich auf Artikel 31 bis Absatz 2 der Bundesverfassung. Danach kann der Bund unter Wahrung der allgemeinen Interessen der schweizerischen Gesamtwirtschaft Vorschriften erlassen über die Ausübung von Handel und Gewerben.

Diese Bestimmung schliesst die umfassende Befugnis des Bundes zum Erlass wirtschaftspolizeilicher, das heisst handels- und gewerbepolizeilicher Vorschriften ein.

Umfassend bedeutet: Der Bund ist bei der Ausübung dieser wirtschaftspolizeilichen Befugnisse nicht auf bestimmte Sachgebiete beschränkt; vielmehr kann er wirtschaftliche Tätigkeiten in jedem Bereich polizeilichen Einschränkungen unterwerfen. Darunter sind Gebote und Verbote über die Art und Weise, wie bestimmte Erwerbstätigkeiten zur Vermeidung bestimmter polizeilicher Gefahren auzuüben sind, zu verstehen. Polizeiliche Vorschriften, welche sich ausschliesslich auf Artikel 31 bis Absatz 2 der Bundesverfassung stützen, können den Bürger insofern verpflichten, als er von der Handels- und Gewerbefreiheit Gebrauch macht, das heisst marktwirtschaftschaftlich als Hersteller von Gütern, Erbringer von Dienstleistungen als Verteiler oder Verkäufer erwerbstätig ist (vgl. zum Ganzen VPB 44/94, S. 445 mit entsprechenden Verweisen auf Lehre und Rechtsprechung). So stützt sich auch etwa das Bundesgesetz über die Sicherheit von technischen Geräten und Einrichtungen (SR 819,1) auf Artikel 31 bis Absatz 2 ab.

Die Vorschriften der Bauprodukterichtlinie und des vorliegenden Beschlusses über die (formellen) Voraussetzungen über das Inverkehrbringen von Bauprodukten zielen darauf ab, im Sinne polizeilicher Regelungen dieser Verantwortung für Sicherheit und Gesundheit nachzukommen.

Im Bericht "Anpassung des kantonalen Rechts an das EWR-Recht" vom Dezember 1991, Seite 152, wurde darauf hingewiesen, dass dem Bund die Kompetenz zur Umsetzung der Bauprodukterichtlinie fehle. Die diesbezüglich erwähnte Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz vom 25. Juni 1991 ging allerdings davon aus, dass die Bauprodukterichtlinie integral, d.h. mit den an Bauwerke gestellten wesentlichen Anforderungen umgesetzt würde. In diesem Fall hätte dem Bund tatsächlich die umfängliche Kompetenz zur Umsetzung gefehlt. Der vorliegende Beschluss regelt jedoch aus den dargelegten Gründen nur das Inverkehrbringen von Bauprodukten.

819

Insoweit erweist sich Artikel 31 bis Absatz 2 der Bundesverfassung als genügende Grundlage.

Artikel 32 Absatz 2 der Bundesverfassung sieht vor, dass der Vollzug von Bundesvorschriften, die sich auf Artikel 31 bis stützen, in der Regel den Kantonen zu übertragen ist. Angesichts der notwendigen Vollzugskoordination zwischen Bund und Kantonen einerseits und mit den anderen EWR-Staaten andererseits, siedelt der vorliegende Beschluss die Vollzugszuständigkeit im wesentlichen beim Bundesrat an.

Die Kantone können beigezogen werden. Eine andere Lösung würde die Gefahr der uneinheitlichen Handhabung der Vorschriften, insbesondere aber auch der Kontrollen und Verwaltungsmassnahmen, in sich bergen, welche es mit Blick auf die europäischen Implikationen zu vermeiden gilt., Hingegen ist die Wahrnehmung der Kontrollaufgaben ohne Mitwirkung der Kantone undenkbar.

Die Strafbestimmungen stützen sich auf Artikel 64 bis Absatz l der Bundesverfassung.

9.3.2

Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen an den Bundesrat

Der Beschluss sieht in verschiedenen Bestimmungen die Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen an den Bundesrat vor. Diese gehen grundsätzlich nicht über die allgemeinen Delegationsschranken hinaus.

Die Grundsätze der Bauprodukterichtlinie bezüglich des Inverkehrbringens von Bauprodukten sind im Beschluss enthalten. Auf Verordnungsebene sollen - insbesondere unter Berücksichtigung der Entwicklung auf europäischer Ebene - die weiteren vor allem technischen Details geregelt werden. Dabei wird die Regelungskompetenz des Bundesrates zu wichtigen Fragen jeweils ausdrücklich im Bundesbeschluss verankert.

Die generelle Vollzugskompetenz in Artikel 26 Absatz l bezieht sich im Sinne einer subsidiären Norm also nurmehr auf technische Details. Es wäre zudem zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht möglich, alle Fragen zu regeln. Die Ermächtigungen sind aus Gründen der erforderlichen Flexibilität geradezu unumgänglich. In diesem Zusammenhang sei überdies erwähnt, dass der beratenden Kommission für Bauprodukte bei der Erarbeitung der künftigen Verordnungen eine wichtige Rolle zukommen wird.

820

Bundesbeschluss über das Inverkehrbringen von Bauprodukten (Bauproduktebeschluss)

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 31bis Absatz 2 und 64bis Absatz l der Bundesverfassung, in Ausführung von Artikel 23 Buchstabe a des Abkommens vom 2. Mai 19921 '> über den Europäischen Wirtschaftsraum und dessen Protokoll 12 sowie Anhang II, der sich auf die Richtlinie Nr. 89/106 des Rates vom 21. Dezember 1988Z) zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (Bauprodukterichtlinie) bezieht, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 19923), beschließt: 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. l Ziel Dieser Beschluss regelt das Inverkehrbringen von Bauprodukten im Sinne der Bauprodukterichtlinie.

Art. 2 Begriffe 1 Bauprodukte sind: a. Produkte, die hergestellt werden, um dauerhaft in Bauwerke des Hochoder Tiefbaus eingebaut zu werden (Art. l Abs. 2 der Bauprodukterichtlinie); sowie b. vorgefertigte Bauwerke, die als solche auf den Markt kommen, wie Fertighäuser, Fertiggaragen und Silos.

2

Technische Spezifikationen sind harmonisierte oder anerkannte Normen, deren Fundstellen im EG-Amtsblatt veröffentlicht worden sind, sowie europäische technische Zulassungen.

3

Harmonisierte Normen sind technische Normen, die aufgrund eines Auftrags der EG-Kommission und der EFTA-Staaten von einer europäischen Normungsorganisation im Hinblick auf die wesentlichen Anforderungen gemäss Anhang I der Bauprodukterichtlinie erarbeitet worden sind.

'> AS 1993 ...

2

> EWRS ...; ABI. Nr. L 40 vom 11.2. 1989, S. 12

» BB1 1992 V 783

821

Inverkehrbringen von Bauprodukten. BB

4

Anerkannte Normen sind technische Normen, die in Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes gelten und von denen aufgrund des nach Artikel 4 Absatz 3 der Bauprodukterichtlinie durchgeführten Verfahrens anzunehmen ist, dass sie mit den wesentlichen Anforderungen gemäss Anhang I der Bauprodukterichtlinie übereinstimmen.

5 Eine europäische technische Zulassung ist eine positive technische Beurteilung der Brauchbarkeit eines Bauprodukts hinsichtlich der Erfüllung der wesentlichen Anforderungen für Bauwerke, für die das Produkt verwendet werden soll (Art. 8 Abs. l der Bauprodukterichtlinie).

6 Leitlinien sind vom Gremium der Zulassungsstellen gemäss Anhang II der Bauprodukterichtlinie erarbeitete Grundlagen für die Erteilung europäischer technischer Zulassungen.

7 Als Hersteller gilt, wer Bauprodukte herstellt oder in Verkehr bringt.

2. Abschnitt: Inverkehrbringen von Bauprodukten Art. 3 Grundsätze 'Bauprodukte dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie brauchbar sind.

2 Bauprodukte sind brauchbar, wenn die Bauwerke, für welche sie zweckentsprechend verwendet werden sollen, die gestützt auf Anhang I der Bauprodukterichtlinie auf europäischer Ebene näher konkretisierten wesentlichen Anforderungen erfüllen können.

3 Die Brauchbarkeit eines Bauprodukts wird vermutet, wenn es mit einer technischen Spezifikation konform ist. Die Konformität ist zu bescheinigen.

4 Besteht für ein Bauprodukt keine harmonisierte oder anerkannte Norm und liegt keine Leitlinie für eine europäische technische Zulassung vor, so kann das Verfahren nach Artikel 9 Absatz 2 der Bauprodukterichtlinie eingeleitet oder das Produkt nach den übrigen schweizerischen Vorschriften in Verkehr gebracht werden.

Art. 4 Besondere Fälle 1 Bauprodukte, die von technischen Spezifikationen im Sinne von Artikel 4 Absatz 4 der Bauprodukterichtlinie abweichen, dürfen in Verkehr gebracht werden, wenn der Nachweis ihrer Brauchbarkeit aufgrund der werkseigenen Produktionskontrolle des Herstellers und einer Erstprüfung des Bauprodukts durch eine hierfür bezeichnete Priifstelle erfolgt ist. Der Bundesrat regelt die weiteren Anforderungen und das Verfahren.

'L tun Bauprodukt, das auf der Liste gemäss Artikel 4 Absatz 5 der Bauprodukterichtlinie eingetragen ist, darf in Verkehr gebracht werden, wenn eine Erklärung des Herstellers über die Übereinstimmung des Bauprodukts mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik vorliegt, die in einem Mitgliedstaat des Euro822

Inverkehrbringen von Bauprodukten- BB

päischen Wirtschaftsraumes gelten. Dieses Bauprodukt darf das CE-Zeichen nicht tragen.

3 Bauprodukte, die ausschliesslich schweizerischen Vorschriften entsprechen, dürfen in der Schweiz weiterhin in Verkehr gebracht werden, es sei denn, die harmonisierten Normen oder die europäischen technischen Zulassungen bestimmten etwas anderes. Diese nach schweizerischen Vorschriften hergestellten Bauprodukte dürfen das CE-Zeichen nicht tragen.

4 Ein Bauprodukt, das nicht in Serie hergestellt wird, darf aufgrund einer Konformitätserklärung des Herstellers nach erfolgter Erstprüfung des Produkts durch den Hersteller und einer werkseigenen Produktionskontrolle in Verkehr gebracht werden, sofern die technischen Spezifikationen nicht etwas anderes bestimmen.

5 Soll ein Bauprodukt nur für einen einzelnen speziellen Anwendungsfall in Verkehr gebracht werden, ist Artikel 3 nicht anwendbar.

3. Abschnitt: Europäische technische Zulassung Art. 5 Voraussetzungen Eine Zulassungsstelle (Art. 13) kann eine europäische technische Zulassung ausstellen: a. wenn für ein Bauprodukt weder eine harmonisierte oder anerkannte Norm noch ein Mandat für eine harmonisierte Norm vorliegt; b. wenn ein Bauprodukt wesentlich von harmonisierten oder anerkannten Normen abweicht; c. in den übrigen Fällen gemäss Artikel 8 Ziffern 2 und 3 der Bauprodukterichtlinie.

Art. 6 Verfahren 1 Die europäische technische Zulassung wird auf schriftlichen Antrag ausgestellt.

2 Ein Antrag kann nur bei einer einzigen dafür bestimmten Zulassungsstelle des Europäischen Wirtschaftsraumes gestellt werden.

3 Die europäische technische Zulassung wird für eine bestimmte Frist ausgestellt, die in der Regel fünf Jahre beträgt.

4 Die übrigen Verfahrensregeln für die Antragstellung, die Vorbereitung, die Ausstellung und den Widerruf der Zulassungen richten sich nach der Bauprodukterichtlinie und den durch das Gremium der Zulassungsstellen gemäss Anhang II Ziffer 2 der Bauprodukterichtlinie erarbeiteten Bestimmungen.

5 Europäische technische Zulassungen von dafür bestimmten Zulassungsstellen anderer Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes gelten auch in der Schweiz.

823

Inverkehrbringen von Bauprodukten. BB

Art. 7 Grundlagen der europäischen technischen Zulassung 1 Die europäische technische Zulassung für ein Bauprodukt beruht auf Untersuchungen, Prüfungen und einer Beurteilung der Brauchbarkeit auf der Basis der Grundlagendokumente gemäss Artikel 3 Absatz 3 der Bauprodukterichtlinie sowie der Leitlinien für dieses Produkt oder die entsprechende Produktfamilie.

2 Liegen keine Leitlinien vor, so kann eine europäische technische Zulassung unter Berücksichtigung der wesentlichen Anforderungen gemäss Anhang I, der Grundlagendokumente gemäss Artikel 3 Absatz 3 sowie der einvernehmlichen Stellungnahme des Gremiums der Zulassungsstellen gemäss Anhang II Ziffer2 der Bauprodukterichtlinie ausgestellt werden.

Art. 8 Inhalt der europäischen technischen Zulassung 1 Die europäische technische Zulassung enthält: a. die Ergebnisse der Untersuchungen und Prüfungen sowie die Beurteilung des Bauprodukts; b. die Feststellung der Brauchbarkeit des Bauprodukts; c. das massgebliche Verfahren der Konformitätsbescheinigung.

2 Sie kann, auch nachträglich, mit Auflagen und Bedingungen versehen werden.

4. Abschnitt: Verfahren der Konformitätsbescheinigung Art. 9 Voraussetzungen ' Die Bescheinigung der Konformität eines Bauprodukts mit einer technischen Spezifikation kann nur erfolgen, wenn: a. der Hersteller über ein werkseigenes Produktionskontrollsystem verfügt, um sicherzustellen, dass die Produktion mit den einschlägigen technischen Spezifikationen übereinstimmt; oder, b. bei besonderen, in den jeweiligen technischen Spezifikationen bestimmten Produkten, eine hierfür bezeichnete Prüf-, Überwachungs- oder Zertifizierungsstelle (Art. 12) in Beurteilung und Überwachung der Produktionskontrolle oder des Produkts, zusätzlich zur werkseigenen Produktionskontrolle, einbezogen wird.

2 Der Bundesrat regelt Inhalt, Form und Umfang der werkseigenen Produktionskontrolle.

824

305

Inverkehrbringen von Bauproduktcn. BB

Art. 10 Arten der Konformitätsbescheinigung 1 Die Bescheinigung der Konformität eines Bauprodukts mit technischen Spezifikationen erfolgt durch eine Konformitätserklärung des Herstellers oder, auf dessen Antrag, durch ein Konformitätszertifikat einer Zertifizierungsstelle.

2 Bei einem Bauprodukt, für welches eine Konformitätsbescheinigung vorliegt, wird die Übereinstimmung mit der angegebenen technischen Spezifikation vermutet.

3 Der Bundesrat erlässt Vorschriften über Inhalt und Form sowie die Aufbewahrungs- und die Vorlegepflicht von Konformitätsbescheinigungen.

Art. 1l CE-Zeichen 1 Ist für ein Bauprodukt die Konformität bescheinigt worden, so muss der Hersteller das Bauprodukt mit dem dem CE-Zeichen und den Angaben gemäss Anhang III Ziffer 4. l der Bauprodukterichtlinie kennzeichnen. Der Bundesrat kann weitere Angaben vorschreiben.

2 Bauprodukte, für die keine Konformitätsbescheinigung vorliegt, dürfen nicht mit dem CE-Zeichen versehen werden, 3 Kennzeichen, die mit CE-Zeichen verwechselt werden können, dürfen nicht verwendet werden.

4 Der Bundesrat erlässt weitere Vorschriften über die Verwendung des CE-Zeichens.

5. Abschnitt: Prüf-, Überwachungs-, Zertifizierungs- und Zulassungsstellen Art. 12 Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstellen 1 Die vom Bundesrat bestimmte Behörde bezeichnet die Prüf-, Überwachungsund Zertifizierungsstellen im Sinne von Anhang III Ziffer 3 der Bauprodukterichtlinie.

2 Sie kann private Institutionen oder, im Einvernehmen mit den betroffenen Kantonen, kantonale Stellen als Prüf-, Überwachungs- oder Zertifizierungsstellen bezeichnen.

3 Die bezeichneten Stellen müssen mindestens die Voraussetzungen gemäss Anhang IV der Bauprodukterichtlinie erfüllen und akkreditiert sein. Der Bundesrat kann weitere Anforderungen vorschreiben. Er kann vorsehen, dass in begründeten Einzelfällen für eine begrenzte Dauer auf die Akkreditierung verzichtet werden kann.

4

Die Stellen, welche von andern Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes der EG-Kommission oder dem zuständigen EFTA-Organ gemeldet worden sind, sind den schweizerischen gleichgestellt.

29 Bundesblatt 143Jahrgang. Bd.V

825

Inverkehrbringen von Bauprodukten. BB

Art. 13 Zulassungsstellen 1 Der Bundesrat überträgt amtlichen oder privaten Stellen die Befugnis, europäische technische Zulassungen auszustellen.

2 Die Zulassungsstellen müssen mindestens die Anforderungen gemäss Artikel 10 Absatz 2 der Bauprodukterichtlinie erfüllen. Der Bundesrat kann weitere Anforderungen vorschreiben.

3 Der Bundesrat bezeichnet die Zulassungsstelle, welche die schweizerischen Interessen und Aufgaben im Gremium der Zulassungsstellen gemäss Anhang II Ziffer 2 der Bauprodukterichtlinie wahrnimmt.

4 Diese Zulassungsstelle stellt die Koordination mit andern schweizerischen Zulassungsstellen sowie die Information über europäische technische Zulassungen und deren Veröffentlichung sicher.

6. Abschnitt: Sonderverfahren für die Ein- und Ausfuhr von Bauprodukten

Art. 14 1

Bauprodukte, für die keine technischen Spezifikationen bestehen, können auf Antrag eines Herstellers aus einem andern Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes in der Schweiz in Verkehr gebracht werden, wenn: a. sie den schweizerischen Vorschriften entsprechen; b. Prüfungen und Überwachungen durch eine im betreffenden Mitgliedstaat zugelassene Stelle durchgeführt worden sind; und c. die Prüfungen und Überwachungen nach schweizerischen oder als gleichwertig anerkannten Verfahren durchgeführt worden sind.

2 Der Bundesrat regelt das Verfahren für die Ein- und Ausfuhr von Bauprodukten gemäss Artikel 16 und 17 der Bauprodukterichtlinie und bestimmt die zuständigen Behörden sowie eine Koordinationsstelle.

3

Er kann im Einvernehmen mit den betroffenen Kantonen kantonale Stellen als zuständig bezeichnen.

7. Abschnitt: Verwaltungsmassnahmen Art. 15 Kontrolle 1 Der Bundesrat erlässt Vorschriften über die Kontrolle der Bauprodukte, die sich im Verkehr befinden. Er bezeichnet die Kontrollbehörden. Er kann für Kontrollaufgaben die Kantone beiziehen.

2 Den Kontrollbehörden ist zu den üblichen Geschäfts- und Betriebszeiten Zutritt zu Geschäfts- und Betriebsräumen sowie Einsicht in Unterlagen zu gewähren.

826

Inverkehrbringen von Bauprodukten. BB

3

Die Kontrollbehörden können öffentlich-rechtliche oder private Institutionen mit Kontrollaufgaben betrauen, Art. 16

Verwaltungsmassnahmen

1

Der Bundesrat erlässt Vorschriften über die Bauprodukte, die den Bestimmungen dieses Beschlusses nicht entsprechen, 2

Er kann insbesondere vorsehen, dass: a. das Inverkehrbringen von Bauprodukten verboten oder beschränkt wird ; b. Bauprodukte, die sich im Verkehr befinden, zurückgezogen werden; c. die Verwendung des CE-Zeichens verboten wird.

8. Abschnitt: Weitere Vorschriften Art. 17

Einleitung von Verfahren auf europäischer Ebene

Der Bundesrat regelt die Zuständigkeiten und die Einleitung des Verfahrens: a. gemäss Artikel 4 Absatz 3 der Bauprodukterichtlinie zur Anerkennung von Normen ; b. gemäss Artikel 5 der Bauprodukterichtlinie bei begründeter Annahme, dass technische Spezifikationen oder entsprechende Mandate den wesentlichen Anforderungen gemäss Anhang I der Bauprodukterichtlinie nicht genügen.

Art. 18 Veröffentlichungen 1 Im Bundesblatt werden mit Titel sowie Fundstelle oder Bezugsquelle veröffentlicht: a. die Grundlagendokumente gemäss Artikel 12 der Bauprodukterichtlinie; b. die schweizerischen Normen, in welche die harmonisierten Normen umgesetzt worden sind, sowie die anerkannten Normen ; c. die Leitlinien für die europäischen technischen Zulassungen; d. die Liste der Bauprodukte, die gemäss Artikel 4 Absatz 5 der Bauprodukterichtlinie in bezug auf Gesundheit und Sicherheit nur eine untergeordnete Rolle spielen.

2 Der Bundesrat kann Vorschriften über die integrale Veröffentlichung dieser Texte erlassen.

Art. 19

Beratende Kommission für Bauprodukte

1

Der Bundesrat bestellt eine Kommission für Bauprodukte, welche die für den Vollzug zuständigen Behörden berät (beratende Kommission für Bauprodukte).

Sie setzt sich aus Vertretern von Wissenschaft, Wirtschaft sowie aus den Verwaltungen des Bundes und der Kantone zusammen, 2

Der Bundesrat regelt die Aufgaben und die Organisation der Kommission im einzelnen.

827

Inverkehrbringen von Bauprodukten. BB

Art. 20

Auskunftspflicht

Die Hersteller sind verpflichtet, den Behörden die für den Vollzug erforderlichen Auskünfte unentgeltlich zu erteilen.

Art. 21

Schweigepflicht

Die mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragten Personen sowie die Mitglieder von Kommissionen und beigezogenen Experten unterstehen der Schweigepflicht.

Art. 22 Gebühren 1 Die Zulassungsstellen erheben für ihre Tätigkeit Gebühren.

2

Ebenso erheben die Kontrollbehörden Gebühren, wenn die Kontrollen zu Verwaltungsmassnahmen führen.

3

Der Bundesrat legt die Gebühren fest.

9. Abschnitt: Rechtspflege Art. 23 Beschwerdeverfahren 1 Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

2 Erstinstanzliche Verfügungen, die sich auf diesen Beschluss stützen, unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission für Bauprodukte.

1 Vorbehalten bleiben abweichende Verfahrensvorschriften, die nach Artikel 26 Absatz 2 anwendbar sind.

10. Abschnitt : Straf bestimmungen Art. 24 Übertretungen 1 Wer das CE-Zeichen unbefugt verwendet oder die zusätzlichen Angaben dazu nicht macht, wer ein Bauprodukt mit einem mit dem CE-Zeichen verwechselbaren Zeichen kennzeichnet, wer den zuständigen Behörden den Zutritt zu Geschäfts- und Betriebsräumen verweigert, wird, wenn er vorsätzlich handelt, mit Haft oder Busse bestraft.

2

Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse.

828

Inverkehrbringen von Bauprodukten. BB 3

Das Strafgesetzbuch ') und Artikel 6 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht 2) ist anwendbar.

Art. 25

Strafverfolgung

Die Strafverfolgung ist Sache der Kantone.

11. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 26

Vollzug

1

Der Bundesrat regelt den Vollzug dieses Beschlusses und erlässt die zur Durchführung der Bauprodukterichtlinie notwendigen weiteren Vorschriften.

2

Bundesbehörden, die aufgrund anderer Bundeserlasse bereits Vorschriften vollziehen, die für das Inverkehrbringen von Bauprodukten massgeblich sind, sorgen in ihrem Zuständigkeitsbereich und entsprechend den für sie gültigen Verfahrensvorschriften auch für den Vollzug dieses Beschlusses; eignet sich dieses Vorgehen nicht, regelt der Bundesrat den Vollzug und sorgt für die Koordination unter den interessierten Stellen.

Art. 27

Referendum

1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich und gilt so lange, als das Abkommen vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum in Kraft steht.

2

Er untersteht aufgrund von Artikel 20 der Übergangsbestimmungen3) der Bundesverfassung nicht dem Referendum.

Art. 28

Inkrafttreten

1

Dieser Beschluss tritt mit Ausnahme von Artikel 23 Absatz 2 gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen in Kraft.

2

Artikel 23 Absatz 2 wird vom Bundesrat durch separaten Beschluss in Kraft gesetzt.

5566

" SR311.0 -) SR 313.0 -·» AS ...

829

ZUSAMMENSTELLUNG DER GESETZESPAKETE

1. Paket SR 142.20

BG vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer

SR 170.512

BG vom 21. März 1986 über die Gesetzessammlungen und das

SR 172.221.10

Beamtengesetz vom 30. Juni 1927 (BtG)

SR 220

BG vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht)

Bundesblatt (Publikationsgesetz)

Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen (Art. 40 Bst. b-e OR) Arbeitsvertrag (Art. 319 ff OR) Entwurf zu einem AVBB über die Produktehaftpflicht Entwurf zu einem AVBB über den Konsumkredit SR 221.229.1

BG vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag

SR 241

BG vom 19, Dezember 1986 gegen unlauteren Wettbewerb

SR 451

BG vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz

SR 631.0

Zollgesetz vom 1. Oktober 1925 (ZG)

SR 632.111.72

BG über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten

SR 680

BG vom 21. Juni 1932 über die gebrannten Wasser (Alkoholgesetz)

SR 704

BG vom 4. Oktober 1985 über FUSS- und Wanderwege

SR 732.0

BG vom 23. Dezember 1959 über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz (Atomgesetz, AtG)

SR 732.44

Kemenergiehaftpflicntgesetz vom 18. 3. 1983

Entwurf zu einem AVBB über die Energie SR 741.01

830

BG vom 19. Dezember 1958 über den Strassenverkehr

SR 746.1

BG vom 4. Oktober 1963 über Rohrleitungsanlagen zur Beförderung

SR 747.30

BG vom 23. September 1953 über die Seeschiffahrt unter der Schweizer Flagge

SR 748.0

BG vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz LFG)

SR 814.01

BG vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz [USGJ)

SR 814.20

BG vom 8. Oktober 1971 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung

SR 814.80

Giftgesetz vom 21. März 1969

SR 818.101

BG vom 18. Dezember 1970 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiegesetz)

SR 910.1

BG vom 3. Oktober 1951 über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes (Landwirtschaftsgesetz)

SR 916.40

Tierseuchengesetz vom 1. Juli 1966 (TSG)

SR 923

BG vom 21. Juni 1991 über die Fischerei

SR 941.20

BG vom 9. Juni 1977 über das Messwesen

SR 944.0

BG vom S. Oktober 1990 über die Information der Konsumentinnen und Konsumenten

SR 961.01

BG vom 23. Juni 1978 betreffend die Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen (Versicherungsaufsichtsgesetz)

SR 961.02

BG vom 4. Februar 1919 über die Kautionen der Versicherungsgesellschaften

SR 961.03

BG vom 25. Juni 1930 über die Sicherstellung von Ansprüchen aus Lebensversicherungen inländischer Lebensversicherungsgesellschaften

flüssiger oder gasförmiger Brenn oder Treibstoffe (Rohrleitungsgesetz)

Entwurf zu einem AVBB über die direkte Lebensversicherung

SR ...

BG vom 20. März 1992 über die Schadenversicherung

2. Paket SR 172,021

BG vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren

SR 173.110

BG vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege

831

SR 211.412.41

BG vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG)

Entwurf zu einem AVBB über die Pauschalreisen SR 312.0

BG vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege

SR 742.31

BG vom 23. Juni 1944 über die schweizerischen Bundesbahnen

SR 742.40

BG vom 4. Oktober 1985 über den Transport im öffentlichen Verkehr

SR 742.101

Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957

SR 747.201

BG vom 3. Oktober 1975 über Binnenschiffahrt

SR 783.0

Postverkehrsgesetz vom 2. Oktober 1924 (PVG)

Entwurf zu einem AVBB über die Personenbeförderung und den Zugang zu den Berufen des Strassenstransportuntemehmers SR 784.0

BG vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen

SR 819.1

BG vom 19, März 1976 über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten

Entwurf zu einem AVBB über die Information und Mitspräche der Arbeitnehmer in den Betrieben SR 822.11

BG vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz)

SR 823.11

BG vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih

SR 831.10

BG vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)

SR 831.100

BB vom 4. Oktober 1985 über den Beitrag des Bundes und der Kantone an die Finanzierung der AHV

SR 831.131.11

BB vom 4. Oktober 1962 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staatenlosen in der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung

SR 831.20

BG vom 19. Juni 1989 Über die Invalidenversicherung (TVG)

SR 831.30

BG vom 19. März 1965 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG)

SR 831.40

BG vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-Hinterlassenenund Invalidenvorsorge (BVG)

SR 832.10

BG vom 13. Juni 1911 über die Krankenversicherung

SR 832.20

BG vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)

832

SR 836.1

BG vom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG)

SR 952.0

BG vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen EFV

Entwurf zu einem AVBB über die Uebergangsregelung des Informationsaustauches im Bereich der Börsen Entwurf zu einem AVBB über das Inverkehrbringen von Bauprodukten

833

BERICHTIGUNG ZUR BOTSCHAFT DES BUNDESRATES VOM 18. MAI1992 ZUR GENEHMIGUNG DES ABKOMMENS UEBER DEN EUROPAEISCHEN WIRTSCHAFTSRAUM Infolge eines Fehlers bei der Fertigstellung des Botschafttextes sind die folgenden Anmerkungen, die sich auf die Rechtsprechung des EuGH beziehen, im Bundesblatt nicht wiedergegeben worden (vgl. den Hinweis in BBI. 1992 IV S. 1/115).

7.221 Zölle und Abgaben gleicher Wirkung (BBI. 1992 IV 132 ff.)

Artikel 10 des EWR-Abkommens, welcher Artikel 12 EWGV entspricht, ist direkt anwendbar; vgl. EuGH, Urteil vom 5. 2.1963, Rs., 26/62, Van Gend en Loos. Slg. 1963, S.

1ff., S. 27.

Zu Artikel 22 des EWR-Abkommens siehe Entscheid Kommission/Luxemburg. Belgien, wo der EuGH die Abgaben gleicher Wirkung folgendermassen definiert hat: "Nach alledem kann die Abgabe mit zollgleicher Wirkung im Sinne von Artikel 9 und 12 unabhängig von ihrer Bezeichnung und von der Art ihrer Erhebung als eine bei der Einfuhr oder später erhobene, einseitig auferlegte Belastung angesehen werden, die dadurch, dass sie speziell die aus einem Mitgliedstaat eingeführten Waren, nicht aber gleichartige einheimische Waren trifft, jene Waren verteuert und damit die gleiche Auswirkung auf den Warenverkehr hat wie ein Zoll."

EuGH, Urteil vom 14. 12.1962, verbundene Rs. 2 und 3/62, Kommission/Luxemburg.

Belgien, "pain d'épices", Slg. 1962, S. 867ff., S.882.

7.223 Mengenmässige Beschränkungen und Massnahmen gleicher Wirkung (BBI.

1992 IV 134ff.)

Die Artikel 11 und 12 des EWR-Abkommens, welche den Artikeln 30 und 34 EWGV entsprechen, sind direkt anwendbar; vgl. EuGH, Urteil vom 29. 11. 1978, Rs. 83/78, Pigs Marketing Board. Slg. 1978, S. 2347ff., § 65, 66.

Zum Begriff der Massnahme gleicher Wirkung vgl. EuGH, Urteil vom 11.7. 1974, Rs. 8/74, Dassonville. Slg. 1974, S. 837ff., § 5: "Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ist als Massnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung anzusehen."

Für eine vollständige Uebersicht derjenigen Sachverhalte, welche unter den Begriff "Massnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung" fallen, vgl.

Richtlinie Nr. 70/50 der Kommission vom 22. Dezember 1969, ABI. Nr. L 13 vom 19. 1.

1970,8.29.

Zum Prinzip "Cassis de Dijon" vgl. EuGH, Urteil vom 20. 2. 1979, Rs. 120/78, Cassis de Dijon, Slg. 1979, S. 649ff, § 8. In einer Mitteilung hat die Kommission die in diesem Urteil erlassenen Grundsätze folgendermassen zusammengefasst: "Jedes aus einem Mitgliedstaat eingeführte Erzeugnis ist grundsätzlich im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten zuzulassen, sofern es rechtmässig
hergestellt worden ist, d. h.

soweit es der im Ausfuhrland geltenden Regelung oder den dortigen verkehrsüblichen, traditionsmässigen Herstellungsverfahren entspricht und in diesem Land in den Verkehr gebracht worden ist." ABI. Nr. C 256 vom 3.10.1980, S. 2; Anhang II zum EWRAbkommen, Kapitel XX.

834

7.224 Staatliche Handelsmonopole (BBI. 1992 IV 137ff.)

Vgl. in diesem Zusammenhang die folgenden Entscheide: EuGH, Urteil vom 17. 2.1976, Rs. 91/75, Göttingen. Slg. 1976, S. 217ff., § 8; EuGH, Urteil vom 30. 4. 1974, Rs. 155/73, Saachi. Slg. 1974, S. 409ff., § 10; EuGH, Urteil vom 3. 2. 1976, Rs. 59/75, Manghera. Slg.

1976, S. 91ff. § 14-16.

7.27 Nichtdiskriminierende Inlandsteuem (BBI. 1992 IV 149ff.)

Artikel 14 des EWR-Abkommens entspricht Art. 95 EWGV und ist direkt anwendbar; vgl.

EuGH, Urteil vom 16. 6. 1966, Rs. 57/65, Lütticke. Slg. 1966, S. 257ff.

Was die Begrenzung der Importabgaben auf die Höhe der Abgabenlast auf gleichartigen inländischen Erzeugnissen betrifft, vgl. EuGH, Urteil vom 27. 2.1980, Rs. 168/78, Kommission/Frankreich. Slg. 1980. S. 347, § 5, wo der EuGH festgelegt hat, dass als gleichartig Waren anzusehen sind, die in den Augen des Verbrauchers die gleichen Eigenschaften haben und denselben Bedürfnissen dienen.

7.33 Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung (BBI. 1992 IV 232ff.)

Zur engen Auslegung der Ausnahme bei der Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung vgl. EuGH, Urteil vom 16. 6. 1987, Rs. 225/85, Kommission/Italien. Slg. 1987, S. 2625; EuGH, Urteil vom 17.12.1980, Rs. 149/79, Kommission/Belgien. Slg. 1980, S. 3881ff.; EuGH, Urteil vom 27.11. 1991, Rs. C-4/91, Bleis/ Ministère de l'Education nationale, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht.

7.45 Transportdienstleistungen (Art. 47 bis 52 EWR-A) (BBI. 1992 IV 31 Off.)

Vgl. in diesem Zusammenhang die folgenden Entscheide: EuGH, Urteil vom 4. 4.1974, Rs.

167/73. Kommission/Frankreich. Slg. 1974, S. 359ff.; EuGH, Urteil vom 22. 5. 1985, Rs.

13/83, Parlament/Rat. Slg. 1985, S. 1513ff.; EuGH, Urteil vom 12.10.1978, Rs. 156/77, Kommission/Belgien. Slg. 1978, S. 1881ff.

7.86 Geistiges Eigentum (BBI. 1992IV 376ff.)

Vgl. in diesem Zusammenhang die folgenden Entscheide: EuGH, Urteil vom 31. 10. 1974, Rs. 15/74, Centrafarm. Slg. 1974, S. 1147ff.; EuGH, Urteil vom 8. 6.1971, Rs. 78/70, Deutsche Grammophon. Slg. 1971, S. 487ff.

835

Inhaltsverzeichnis Sene Übersicht

521

1

Einleitung

526

2

Wissenschaft, Bildung und Kultur

532

2.1

Bundesbeschluss .über die Änderung des Bundesgesetzes über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten 532

3

Soziale Sicherheit und Gesundheit

3.1

Bundesbeschluss über die Änderung der Bundesgesetzes über die berufliche Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge 547

3.2

Bundesbeschluss über die Änderung des Krankenversicherungsgesetzes . . 554

547

3.3

Bundesbeschluss über die Änderung des Unfallversicherungsgesetzes . . . . 559

3.4

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Familienzulagen in der Landwirtschaft 564

3.5

Dringlicher Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung 568

3.6

Dringlicher Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung 582

3.7

Dringlicher Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung 589

4

Verkehr und Fcrnmeldewesen

4.1

Bundesbeschlüsse über die Änderung des Bundesgesetzes über den Transport im öffentlichen Verkehr, über die Änderung des Eisenbahngesetzes und über die schweizerischen Bundesbahnen 599

4.2

Bundesbeschluss über die Personenbeförderung und den Zugang zu den Berufen des Strassentransporlunternehmers 607 Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesctzcs über Radio und Fernsehen 627

4.3

599

5

Wirtschaft und Abgaben

5.1

Bundesbeschluss über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmer in den Betrieben 634

634

5.2

Bundesbeschluss über die Änderung des Arbeitsgesetzes

5.3

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih 667

5.4

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen 693

5.5

Bundesbeschluss über ein Übergangssystem für den Informationsaustausch im Börsenbereich 720

6

Rechtsfragen

6.1

Bundesbeschlüsse über die Änderung des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren, des Bundesrechtspflegegeselzes. und des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege 725

836

659

725

Seite

6.2

Bundesbeschluss über die Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland 743

6.3

Bundesbeschluss über Pauschalreisen

756

7

Öffentliche Bauten

783

7.1

Bundesbeschluss über das Inverkehrbringen von Bauprodukten

783

5566

837

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft II über die Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht (Zusatzbotschaft II zur EWR-Botschaft) vom 15. Juni 1992

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1992

Année Anno Band

5

Volume Volume Heft

35

Cahier Numero Geschäftsnummer

92.057

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

01.09.1992

Date Data Seite

520-837

Page Pagina Ref. No

10 052 346

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.