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Botschaft über die Revision der Krankenversicherung

vom 6. November 1991

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen hiermit unsere Botschaft über die Revision der Krankenversicherung und beantragen Ihnen, dem beigefügten Entwurf zuzustimmen.

Gleichzeitig beantragen wir, folgende parlamentarische Vorstösse abzuschreiben: 1980 P 79.589 Medikamentenabgabe (N 25. 09. 80, Landolt) 1986 M (II) zu 81.044 Krankenversicherung, Finanzierung (N 13. 12. 84 Kommission des Nationalrates; S 04. 12. 86) 1987 M 87.971 KVG-Revision. SPITEX (N 16. 12. 87, Engler) 1987 M 87.805 Bundesgesetz über die Krankenversicherung (N 18.12. 87, Rudolf Hafner) 1989 P 87.947 Krankenversicherung. Stopp der Desolidarisierung (N 15. 12. 89, Leutenegger Oberholzer) 1989 P

1988 P 1988 M 1988 P 1989 P 1989 P 1989 P

1991-739

87.954 Krankenkassenfusionen. Vermehrter Schutz der Versicherten (N 15. 12. 89, Leutenegger Oberholzer) 88.327 Spitalexterne Krankenpflege. Förderung (N 23. 06. 88, Wanner) 88.506 Grenzgänger und Krankenversicherung.

Beschwerderecht (S 29. 11. 88, Jelmini; N 18. 09. 91) 88.564 Alterskosten in der Krankenkasse (S 29. H. 88, Meier Josi) 88.853 Neue Spitäler. Bewilligungspflicht (N 17. 03. 89, Baggi) 89.538 Berücksichtigung der Erfahrungsmedizin in Kommissionen (N 06. 10. 89, Rudolf Hafner) 89.558 Bundesbeiträge an Krankenkassen. Aufteilung (N 06. 10. 89, Aubry) 6 BundesbMt 144.Jabrgang. Bd.I

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1990 P

90.552 Massnahmen gegen die Entsolidarisierung in der Krankenversicherung (N 05.10.90, Reimann Fritz)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

6. November 1991

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Cotti Der Bundeskanzler: Couchepin

Übersicht Das geltende Bundesgesetz über die Krankenversicherung stammt aus dem Jahre 1911. Es hat bisher erst eine eigentliche Revision erfahren (Bundesgeset: vom 13. März 1964), Mit dem Bundesgesetz vom 5. Mai 1977 über Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushaltes (SR 611.04J wurde eine Plafonierung der Bundesbeiträge auf dem Stand des Jahres 1976 beschlossen. Die Plafonierung ist mit dem Bundesbeschluss vom 23. März 1990 zur befristeten Anhebung der Bundesbeiträge an die Krankenkassen (AS 1990 1091) etwas gelockert worden.

Daneben sind eine Reihe von Versuchen zur Revision der Krankenversicherung gescheitert. Erinnert sei an die Volksabstimmung vom 8, Dezember 1974, in welcher Volk und Stände sowohl eine Volks initiative wie einen Gegenvorschlag des Parlamentes abgelehnt haben, sowie an die Volksabstimmung vom 6. Dezember 1987, in welcher das Bundesgesetz vom 20. März 1987 (sog. Sofortprogramm) vom Volk abgelehnt worden ist. Im Anschluss an die Volksabstimmung vom 6. Dezember 1987 hat sich der Bundesrat für eine grundlegende Revision der Krankenversicherung entschieden. Die vorliegende Botschaft stützt sich auf die entsprechenden Vorarbeiten, nämlich auf Revisionsmodelle von vier Experten und auf den Revisionsentwurf einer Expertenkommission.

Das geltende Krankenversicherungsgesetz macht den Krankenkassen bestimmte Auflagen, die bei der Durchführung der Krankenversicherung mindestens einzuhalten sind. Beachten die Krankenkassen diese Auflagen, haben sie Anspruch auf Bundesbeiträge. Daneben geniesst jede Krankenkassen eine weitgehende Autonomie; sie ist aber anderseits auch selbst für die Einhaltung des Gleichgewichtes zwischen Ausgaben und Einnahmen verantwortlich. Die Versicherten können ihre Krankenkasse grundsätzlich frei wählen. Für ältere Versicherte und Personen mit einem schlechten Gesundheitszustand ist ein Wechsel zu einer anderen Krankenkasse aber praktisch ausgeschlossen. Müssen die Versicherten die Kasse wechseln, weil diese ihre Tätigkeit aufgibt, kann die neue Kasse von älteren Versicherten eine höhere Prämie verlangen. Die heutigen Mechanismen der Konkurrenz zwischen den Kassen benachteiligen somit die älteren Versicherten. Durch die Kostensteigerung in der Krankenversicherung und durch die Art der Prämienerhebung (individuelle Kopfprämien) werden diese Benachteiligungen noch
verstärkt.

Die Nachteile des heutigen Systems sollen mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf für die Krankenpflegeversicherung beseitigt werden. Im Vordergrund steht dabei eindeutig die Verstärkung der Solidarität. Das heutige System der individuellen Kopfprämie, das auf die wirtschaftliche Situation der Versicherten keine Rücksicht nimmt, wird zwar beibehalten. Die Prämienunterschiede nach Eintrittsalter, nach Geschlecht und die Sonderprämien in Kollektivverträgen sollen aber aufgehoben werden. Durch die Einführung der vollen Freizügigkeit für alle Versicherten, verbunden mit einem auf zehn Jahre befristeten Risikoausgleich zwischen den Versicherern sollen die Prämienunterschiede zwischen den Versicherern zwar nicht aufgehoben, aber doch auf jenes Mass beschränkt werden, das durch eine effiziente

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Durchföhrung der Versicherung und nicht bloss durch Unterschiede in der Risikostruktur begründet ist. Diese Massnahmen zur Verstärkung der Solidarität erfordern die Einführung eines Versicherungsobligatoriums. Eine Verstärkung der Solidarität wird im weiteren erreicht, indem die Beiträge von Bund und Kantonen gezielt nach der wirtschaftlichen Situation der Versicherten und nicht mehr zur Abgeltung von Auflagen an die Versicherer für generelle Prämiensenkungen eingesetzt werden.

Den zweiten Schwerpunkt der Vorlage bilden die Massnahmen zur Eindämmung der Kosten. Für die Eindämmung der Kosten gibt es kein Patentrezept. Das zeigt allein schon die Tatsache, dass die Kostensteigerung im Gesundheitswesen auch in anderen Staaten ein grosses Problem darstellt. Kosteneindämmung kann nur durch eine Vielzahl von ineinandergreifenden Massnahmen erreicht werden.

Der Entwurf enthält sowohl Massnahmen, die auf eine Einschränkung der Nachfrage (Kostenbeteiligungen, alternative Versicherungsformen usw.) wie auf eine Einschränkung des Angebotes (Spitalplanung, Beteiligung der Kantone an den Spitalkosten, Vertrauensärzte usw.) hinzielen. Von Bedeutung sind im weiteren die Regetungen und Kontrollmechanismen bei der Festsetzung von Tarifen und Preisen. Hier setzt der Entwurf zunächst auf die Vertragsfreiheit, die möglichst freie Konkurrenz und die Selbstverantwortung der Versicherer und Leistungserbringer.

Überhaupt geht der Entwurf davon aus, dass es zunächst Aufgabe der Kantone, der Leistungserbringer, Versicherer und der Versicherten ist, die zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen. Sollte dies nicht der Fall sein, sieht der Entwurf recht massive Eingriffsmöglichkeiten des Bundes vor (Globalbudgetierung des Aufwandes, Zulassungsbeschränkungen für Leistungserbringer).

Im weiteren sollen mit dieser Vorlage seit Jahren wiederholt vorgebrachte Anliegen für einen Ausbau der Leistungen der Krankenversicherung verwirklicht werden.

Im Vordergrund steht die zeitlich unbeschränkte Leistungspßicht bei stationärer Behandlung (heute ist die Leistungspflicht grundsätzlich auf zwei Jahre beschränkt). Sodann sollen insbesondere die Leistungen für die spitalexterne Krankenpflege ausgebaut und in beschränktem Ausmass auch die Krankheitsvorsorge in den Leistungsbereich der Krankenversicherung einbezogen werden.
Die Krankenpflegeversicherung wird weiterhin durch individuelle Prämien der Versicherten, durch Kostenbeteiligungen der Patienten und durch Beiträge der öffentlichen Hand finanziert. Die Beiträge der öffentlichen Hand sollen aber nicht mehr eine generelle, das heisst allen Versicherten zukommende Finanzierungsquelle darstellen, sondern sie sollen für individuelle Prämienverbilligungen verwendet werden. Dies führt zusammen mit den Leistungsverbesserungen zunächst zu einer generellen Prämienerhöhung. Die individuelle Prämienverbilligung führt aber dann je nach wirtschaftlicher Situation der Versicherten wieder zu Senkungen der Prämienbelastung, Die Auswirkungen sind also nicht für alle Versicherten dieselben.

Die Beiträge des Bundes sollen von heute 1,3 auf 2 Milliarden Franken erhöht werden. Die Beiträge der Kantone sollen insgesamt l Milliarde Franken betragen.

Heute entrichten die Kantone und Gemeinden, allerdings in sehr unterschiedli-

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ehern Masse, Beiträge von rund 600 Millionen Franken an die Krankenversicherung.

Neben der Krankenpflegeversicherung bildet die Taggeldversicherung (Erwerbsausfallversicherung) den zweiten Zweig der Krankenversicherung. Die Taggeldversicherung muss daher im neuen Krankenversicherungsgesetz ebenfalls geregelt werden. Nachdem anlässlich des letzten Revisionsversuches der Krankenversicherung (Botschaft vom 19, Aug. 1981) bereits das Parlament die Einführung einer obligatorischen Taggeldversicherung für Arbeitnehmer abgelehnt hat und nachdem sich der Bundesrat mit dieser Vorlage auf die Krankenpflegeversicherung konzentrieren möchte, übernimmt der vorliegende Entwurf die heute geltenden Regelungen über die Taggeldversicherung praktisch unverändert.

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Botschaft I

Allgemeiner Teil

II

Ausgangslage

III

Krankenversicherung und Gesundheitswesen

Die Krankenversicherung bildet die wichtigste Grundlage für den Zugang zu medizinischen Dienstleistungen. Dank der Krankenversicherung kann in unserem Land praktisch jeder Einwohner eine auf hohem Niveau stehende Medizin in Anspruch nehmen. Gleichzeitig darf aber auch festgestellt werden, dass nicht zuletzt dank der Krankenversicherung das Angebot an medizinischen Leistungen in unserem Land sowohl qualitativ wie quantitativ einen auch im internationalen Vergleich hohen Stand hat. Diese gegenseitige Beeinflussung und Abhängigkeit von Krankenversicherung und Gesundheitswesen führt wahrscheinlich auch dazu, dass die Begriffe Krankenversicherung und Gesundheitswesen in Diskussionen oft nicht klar voneinander getrennt werden. Wenn beispielsweise von Kostensteigerung im Gesundheitswesen gesprochen wird, meint man oft die Prämiensteigerung in der Krankenversicherung. Oder man behauptet, unser Gesundheitswesen sei krank, spricht aber damit meistens Probleme in der Krankenversicherung an.

Das Gesundheitswesen in der Schweiz ist keineswegs krank. Wir haben zahlreiche, gut ausgerüstete Spitäler, Unsere Ärzte und die übrigen Medizinalpersonen sind gut ausgebildet. Die Arzneimittelversorgung funktioniert reibungslos. Wir dürfen feststellen, dass die medizinische Versorgung unserer Bevölkerung sich sehen lassen kann, dass die Bevölkerung mit dieser Versorgung im grossen und ganzen zufrieden ist, dass sie diese Versorgung aber auch will und dass sie trotz aller Klagen über die hohen Kosten - im Grunde auch bereit ist, diese Kosten zu tragen. Die Kosten des Gesundheitswesens sind im übrigen im internationalen Vergleich nicht übertrieben hoch. Im Jahre 1989 machten sie 7,8 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus. Die Schweiz liegt damit etwas über dem Durchschnitt der OECD-Staaten (7,4%), wobei beispielsweise die USA (11,5%), Schweden (8,8%), Frankreich (8,8%), Österreich (8,25%) und die BRD (8%) höhere Werte aufweisen, Italien (7%) und Grossbritannien (5,9%) aber darunter liegen (Quelle: OECD, Health Data File).

Die Kosten des Gesundheitswesens (vgl. dazu Ziff. 41 und 411) werden bei weitem nicht allein durch die Krankenversicherung gedeckt. Sie ist allerdings die mit Abstand wichtigste Sozialversicherung für medizinische Leistungen. Die obligatorische Unfallversicherung für Arbeitnehmer, die Invalidenversicherung
und die Militärversicherung decken zusammen etwa einen Zehntel jenes Aufwandes ab, der von der Krankenversicherung erbracht wird. Neben den Sozialversicherungen, die zusammen etwa 45 Prozent der Kosten des Gesundheitswesens decken (davon die Krankenversicherung etwa 40%) werden etwa 30 Prozent durch private Versicherungen und Selbstzahler sowie 25 Prozent direkt durch die öffentliche Hand aufgebracht. Zu den direkten Leistungen der öffentlichen Hand zählen vor allem Beiträge von Kantonen und Gemeinden an Spitäler.

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Diese kurze Übersicht über die Finanzierung des Gesundheitswesens zeigt, dass die Kosten für das Gesundheitswesen zwar nicht mit den Kosten der Krankenversicherung verwechselt werden dürfen, dass über die Krankenversicherung aber doch ein erheblicher Anteil dieser Kosten getragen wird. Eine grosse Bedeutung hat daneben der relativ hohe Anteil der öffentlichen Hand an der Finanzierung des Gesundheitswesens. Dies entlastet auch die Krankenversicherung. Ohne diese direkte Beteiligung der öffentlichen Hand wären die heutigen Probleme in der Krankenversicherung noch grösser und die heute zur Hauptsache auf Kopfprämien der Versicherten beruhende Finanzierung liesse sich kaum aufrechterhalten.

Die heutige, aus verschiedenen Quellen gespiesene Finanzierung von Gesundheitswesen und Krankenversicherung wird oft als intransparent kritisiert. Im Grunde genommen widerspiegelt sie aber einfach den föderalistischen Aufbau unseres Gesundheitswesens, das möglicherweise gerade deswegen von so hoher Qualität ist. Der Föderalismus im Gesundheitswesen findet sein Gegenstück in der Organisation der Krankenversicherung und zwar nicht nur in der Vielzahl von Krankenkassen, sondern auch in den Beziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, die weitgehend auf kantonaler Ebene geregelt werden. Auch hier zeigt sich die gegenseitige Beeinflussung von Krankenversicherung und Gesundheitswesen.

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Geltende Gesetzgebung

Die soziale Krankenversicherung ist durch das Bundesgesetz vom 13. Juni 1911 über die Krankenversicherung (KUVG, SR 832.10) geregelt. Im Gegensatz zu den anderen Zweigen der Sozialversicherung ist die Krankenversicherung freiwillig, jedenfalls auf Bundesebene. Vier Kantone (Freiburg, Neuenburg, Tessin und Basel-Stadt) kennen eine Versicherungspflicht für die gesamte Wohnbevölkerung. In anderen Kantonen ist die Versicherung für bestimmte Personengruppen obligatorisch, vor allem für solche in bescheidenen Einkommensverhältnissen. Obwohl die Versicherung dem Grundsatz nach freiwillig ist, ist fast die gesamte Bevölkerung (99 %) Mitglied einer Krankenkasse.

Die Durchführung der Versicherung liegt in der Hand einer Vielzahl von Krankenkassen (ungefähr 250), unter denen es sogenannte «offene» Kassen (die grossen zentralisierten Kassen und andere Kassen mittlerer Grosse) und «geschlossene» Kassen (Betriebskrankenkassen) gibt. Sie können privatrechtlich (Vereine, Stiftungen usw.) oder öffentlichrechtlich (z. B. Gemeindekassen) organisiert sein. Die Krankenkassen sind grundsätzlich autonom. Das KUVG schreibt ihnen lediglich Mindestleistungen vor und auferlegt ihnen gewisse Pflichten (Aufnahmepflicht, Verbot von länger als fünf Jahre dauernden Vorbehalten, Begrenzung des Prämienunterschieds zwischen Männern und Frauen auf 10%, unbegrenzte Spitalpflege für Invalide usw.), für die der Bund Subventionen ausrichtet. Die Bezeichnung Rahmengesetzgebung zur Gewährung von Subventionen ist durchaus zutreffend. Die Kassen dürfen Zusatzversicherungen mit Leistungen, welche über das gesetzliche Minimum hinausgehen, führen (z. B. Spitalpflege in Privat- oder Halbprivatabteilungen). Von Bedeutung ist die Autonomie vor allem im Bereich der Finanzen. Jede Kasse bildet nämlich eine 99

gesonderte Risikogemeinschaft; es besteht keine Finanzsolidarität zwischen Kassen mit günstigen (junge Versicherte) und solchen mit erhöhten Risiken (betagte Versicherte). Diese Tatsache ist Ursache für eines der Hauptprobleme der geltenden Ordnung (vgl. Ziff. 113).

Grundsätzlich sind die Versicherten frei in der Wahl ihrer Kasse; sie können allerdings durch ihren Arbeitsvertrag gezwungen sein, einer Betriebskrankenkasse oder einer betrieblichen Kollektivversicherung beizutreten. Im Zusammenhang .mit dem Eintritt können die Kassen eine Karenzzeit oder Vorbehalte auferlegen. Während der Karenzzeit hat der Versicherte trotz Beitragszahlung keinen Anspruch auf Leistungen; diese dient dazu, Missbräuche zu verhindern, und darf drei Monate nicht überschreiten. Mit dem Vorbehalt schliesst die Kasse Von der Versicherungsdeckung solche Krankheiten aus, welche bei Eintritt bestehen oder welche vorher bestanden und bei denen ein Rückfallrisiko besteht; Vorbehalte gelten jedoch nicht länger als fünf Jahre. Der Versicherte kann im Prinzip jederzeit die Kasse wechseln. Wenn er zu einem Wechsel gezwungen ist (beispielsweise wenn er deren Tätigkeitsbereich aus beruflichen Gründen oder wegen Wohnortswechsels verlässt), so kommt er in den Genuss der Freizügigkeit. Das bedeutet, dass die neue Kasse ihm weder eine Karenzzeit noch neue Vorbehalte auferlegen kann. Die Freizügigkeit gilt hingegen nicht für die Prämien, das heisst, dass die neue Kasse die betreffende Person diesbezüglich wie irgendeinen neuen Versicherten behandeln kann. Da jede Kasse eine eigenständige Risifcogemeinschaft bildet, gilt jeder neue Versicherte als zusätzliches Risiko. Das Risiko aber steigt mit dem Alter, so dass die Prämientarife nach dem Eintrittsalter der Versicherten abgestuft sind. Wer also mit 30 Jahren einer Kasse beitritt, wird die seinem Alter entsprechende Prämie bezahlen, und zwar so lange, wie er in der Kasse bleibt (selbstverständlich steigt die Prämie mit den Jahren im Verhältnis zu den Kosten der Versicherung). Wer mit 50 Jahren beitritt, wird die diesem Alter entsprechende, erheblich höhere Prämie zahlen. Dieselben Grundsätze gelten für den Übertritt von einer Kasse zu einer anderen; dies führt dazu, dass eine Person, die von einem gewissen Alter an (im allgemeinen ab 40 Jahren) die Kasse wechselt, eine spürbare Prämienerhöhung
in Kauf nehmen muss, und zwar auch dann, wenn sie sagt, warum sie zum Kassenwechsel gezwungen ist (z. B. bei Auflösung der Kasse).

In der Krankenpflegeversicherung kommen die Kassen für die Kosten der ambulanten Behandlung und des Spitalaufenthalts auf. Im ambulanten Bereich vergüten die Kassen die von einem Arzt durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen. Diese Leistungen müssen wissenschaftlich anerkannt, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Es wird unterstellt, dass dies im allgemeinen der Fall ist; lediglich bei Leistungen, deren Wissenschaftlichkeit und/oder Wirtschaftlichkeit umstritten ist, wird überprüft, ob sie von der Krankenversicherung zu übernehmen sind. Ein solcher Entscheid wird vom eidgenössischen Departement des Innern nach Anhörung der Eidgenössischen Fachkommission für allgemeine Leistungen der Krankenversicherung gefällt, welche vor allem aus Ärzten und Vertretern der Krankenkassen besteht. Der Tarif der Krankenpflegeleistungen wird auf kantonaler Ebene in Verträgen zwischen Ärzten und Krankenkassen geregelt. Die Rrankenpflegekosten erhält der Versicherte nach Abzug einer Kostenbeteiligung (von der später noch die Rede sein wird) voll100

umfänglich zurück. Im Prinzip ist der Versicherte frei in der Wahl seines Arztes; faktisch wird die Krankenkasse ihm grundsätzlich nur Leistungen vergüten, die von einem an den kantonalen Vertrag gebundenen Arzt erbracht werden.

Medikamente vergütet die Krankenversicherung, soweit sie von einem Arzt verschrieben sind. Das Bundesamt für Sozialversicherung bezeichnet die von den Kassen zu bezahlenden Medikamente und setzt deren Preise fest. Die so er^ stellte «Spezialitätenliste» umfasst etwas mehr als 2000 der rund 9000 in der Schweiz zum Verkauf zugelassenen Medikamente. Auch bei den Medikamenten hat sich der Versicherte an den Kosten zu beteiligen. Die Leistungen von Personen in paramedizinischen Berufen (Physiotherapeuten/innen, selbständige Krankenschwestern/pfleger usw.) werden ebenfalls nur dann übernommen, wenn sie auf Anordnung eines Arztes erbracht werden (Ausnahme: Chiropraktoren/innen). Die Vergütung der Leistungen dieser Personen wird durch Verträge zwischen den Krankenkassen und den entsprechenden Berufsverbänden geregelt. Auf Kosten der Krankenversicherung können Leistungen nur Personen erbringen, die einen im Gesetz oder in den Verordnungen bezeichneten Beruf ausüben. Diese Personen dürfen zudem nur bestimmte, durch Verordnung festgesetzte Leistungen durchführen. Von einem Arzt verordnete Laboranalysen werden nach einem vom eidg. Departement des Innern bestimmten Tarif vergütet. Zu erwähnen ist noch, dass im Bereich der ambulanten Leistungen zahlreiche Kassen Leistungen über den gesetzlichen Rahmen hinaus erbringen, insbesondere in der Hauspflege.

Der Grundsatz der freien Wahl gilt ebenfalls für die Spitalpflege. Allerdings ist diese Wahl insofern eingeschränkt, als der Versicherte Leistungen lediglich für Spitalaufenthalte in einer vertraglich gebundenen Einrichtung an seinem Wohnort oder der Umgebung erhält. Nimmt er von sich aus die Leistungen einer anderen Einrichtung in Anspruch, so bezahlt die Kasse nur so viel, wie sie für das dem Wohnort des Versicherten oder der Umgebung am nächsten gelegene Spital gezahlt hätte. Ist der Versicherte aus medizinischen Gründen gezwungen, sich in ein Spital ausserhalb seines Wohnorts oder der Umgebung oder in ein nicht vertraglich gebundenes Spital zu begeben, muss ihm die Kasse die gesamten Kosten für die allgemeine Abteilung dieses Spitals
vergüten. Das Gesetz verpflichtet die Kasse nur zur Vergütung von Krankenpflegeleistungen. Bei den «Hotelkosten» sehen die Kassen im allgemeinen für alle Versicherten eine entsprechende Deckung vor. Nur die Pflege in der allgemeinen Abteilung gehört zu den Pflichtleistungen. Für die Privat- (ein Bett) oder Halbprivatabteilung (zwei Betten) kann der Versicherte eine Zusatzversicherung abschliessen. Die Kassen zahlen den Spitälern Pauschalen, welche Gegenstand von Verträgen zwischen ihnen und den verschiedenen Einrichtungen sind. In den meisten Spitälern deckt die Pauschale nur einen Teil der Kosten, den Rest tragen die Steuerzahler über die kantonalen Subventionen. Dieser Fiskalanteil ist nicht in allen Kantonen gleich hoch; das erklärt teilweise wenigstens die Tarifunterschiede zwischen den Kantonen. Das geltende Gesetz sieht für die Spitalpflege nur eine zeitlich beschränkte Leistungspflicht vor, nämlich während 720 Tagen innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen. Hingegen können die Kassen bei Spitalaufenthalt keine Kostenbeteiligung erheben. Schliesslich sei noch daran erinnert, dass das Gesundheitswesen im wesentlichen unter kantonale

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Kompetenz fällt; das ist auch der Grund, warum die Spitalplanung Sache der Kantone ist.

Die Kassen können ebenfalls eine Krankengeldversicherung führen. Gewisse (Betriebs-)Kassen versichern sogar ausschliesslich Krankengeld. Der Mindestbetrag ist 2 Franken. Die Leistungsdauer beträgt wenigstens 720 Tage innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen. Wie bei der Krankenpflegeversicherung müssen die Kassen, welche eine Taggeldversicherung führen, alle beitrittswilligen Personen aufnehmen; die Freizügigkeitsvorschriften sind anwendbar.

Die Krankenversicherung wird hauptsächlich (78%) durch die Prämien der Versicherten finanziert. Anders als in der AHV werden diese nicht im Verhältnis zum Einkommen der Versicherten festgesetzt. Zudem handelt es sich um ProKopf-Prämien, das heisst, dass jede Familie für jedes einzelne Mitglied Beiträge entrichtet (allerdings ist es den Kassen gestattet, für Kinder reduzierte Prämien zu verlangen oder sogar das dritte Kind und die folgenden von den Beiträgen zu befreien). Die Prämien sind je nach Region unterschiedlich, da die Kosten, welche zulasten der Krankenversicherung gehen, nicht überall gleich sind. Ferner sind für Frauen die Beiträge höher als für Männer, jedoch höchstens um 10 Prozent (die Frauen verursachen um ungefähr 50% höhere Kosten als die Männer; die Differenz wird zum Teil über Subventionen ausgeglichen). Wie erwähnt, werden die Prämien nach dem Eintrittsalter in die Kasse abgestuft.

Eine weitere Finanzierungsquelle (7 %) ist die Kostenbeteiligung der Versicherten, welche eine Jahresfranchise von 150 Franken sowie eine Beteiligung von 10 Prozent an den die Franchise übersteigenden Kosten zu tragen haben. Die gesamte Beteiligung darf allerdings 750 Franken im Jahr nicht übersteigen.

Keine Beteiligung wird bei Spitalaufenthalt oder auf Mutterschaftsleistungen erhoben: Der Versicherte kann bei gleichzeitiger Prämienreduktion eine höhere "Franchise wählen (350, 600 oder 1200 Fr.), wobei sich die maximale Gesamtbeteiligung entsprechend erhöht (1750 bzw. 3000 und 6000 Fr.). Die Prämienreduktion richtet sich nach der Höhe des gewählten Franchisenbetrags (12 bzw.

22 und maximal 35%). Der Versicherte kann sich auch für eine Bonus-Versicherung, entscheiden. Dieses System sieht aber keinen Malus wie die Automobilhaftpflichtversicherung vor; die Ausgangsbeiträge
sind jedoch 10 Prozent höher als die ordentlichen Grundversicherungsbeiträge der Kasse. Für jedes Jahr, in dem der Versicherte keine Leistungen beansprucht, reduziert sich die Prämie (Bonus); nach fünf Jahren beträgt die höchstmögliche Reduktion 45 Prozent.

Das ebenfalls von einigen Kassen angebotene HMO-System (Health Maintenance Organization) fusst auf dem Grundsatz des freiwilligen Verzichts des Versicherten auf die freie Arztwahl und der Beschränkung auf eine bestimmte Gruppe von Ärzten, was eine günstigere als die ordentliche Prämie ermöglicht.

Sowohl das Bonus- als auch das HMO-System wurden versuchsweise durch Änderung vom 20. Dezember 1989 der Verordnung V (SR 832.121) eingeführt und sind bis Ende 1995 befristet.

Dritte Finanzierungsquelle: die Subventionen (ungefähr 15% der Ausgaben, wovon 10% Beiträge des Bundes und 5% der Kantone). Die Bundesbeiträge sind 1978 auf dem Niveau von 1976 plafoniert worden. 1990 wurde der Plafond um 300 Millionen auf 1,3 Milliarden Franken erhöht. Seit 1990 ist die

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Bundeshilfe auch besser auf die Kassen mit höherem Durchschnittsalter der Versicherten ausgerichtet. Mit den Bundessubventionen werden die Pflichten abgegolten, welche das Bundesgesetz den Kassen auferlegt. Die Kantone richten Subventionen mit unterschiedlichen Zweckbestimmungen aus, meist um die Prämien von Versicherten in bescheidenen Einkommensverhältnissen zu verbilligen.

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Probleme der geltenden Ordnung

Das Bundesgesetz von 1911 hat kein umfassendes System einer schweizerischen sozialen Krankenversicherung geschaffen. Es enthält lediglich Minimalanforderungen, welche die bestehenden Krankenkassen erfüllen müssen, um eine Finanzhilfe des Bundes zu erhalten. Jede Krankenkasse bleibt eine autonome Risikogemeinschaft. Nun sind aber die Risiken nicht gleichmässig auf alle Kassen verteilt. Die jüngeren Versichertenbestände oder die Versichertenbestände mit mehrheitlich relativ jungen Männern sind weniger «kostspielig» als die älteren oder diejenigen mit einem hohen Frauenanteil. Ältere Personen und Frauen verursachen nämlich überdurchschnittliche Krankheitskosten. Dies führt zu teils erheblichen Prämienunterschieden zwischen den Kassen.

Der Anstieg der Versicherungskosten hat dieses Gefalle noch erheblich vergrössert. Die Prämien von Kassen mit weniger günstiger Struktur sind dabei viel stärker angestiegen als diejenigen der anderen Kassen. Verstärkt wurde dieses Phänomen überdies durch die Tendenz der Jungen, Kassen mit vorteilhafteren Prämien zu wählen. Um dem Einhalt zu gebieten bzw. solchen Auswirkungen vorzubeugen, sahen sich die Kassen zu einer starken Konkurrenz untereinander gezwungen. Dieser Wettbewerb ist jedoch verfälscht, denn nur die Jungen können ohne beträchtliche Prämienerhöhung von einer Kasse zur andern wechseln.

Die Versicherten werden nämlich nach ihrem Eintrittsalter in die Kasse den verschiedenen Prämienstufen zugeteilt, wobei das Alter des Eintritts in eine frühere Kasse im Prinzip nicht berücksichtigt wird. Von einem gewissen Alter an ist eine echte Freizügigkeit also praktisch nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass das Gesetz den Kassen das Recht gibt, Kollektivversicherungen abzuschliessen, die eigentliche «Kassen in der Kasse» bilden. Unter dem Druck des Wettbewerbs haben die Kassen in grossem Mass von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, günstige Prämien durch die Schaffung separater Risikogruppen anbieten zu können. Diese Entwicklung hat zu einer Erhöhung des Durchschnittsalters in gewissen Kassen geführt, die sich daraufhin gezwungen sahen, mit anderen Kassen zu fusionieren. Es handelte sich dabei zunächst vor allem um kleine Kassen. Jetzt trifft es bereits die grösseren Kassen. Solche Fusionen erfolgen aber auf dem Rücken der Betagten, welche dabei den Vorteil des jüngeren
Eintrittsalters, den sie in der sich auflösenden Kasse hatten, ganz oder teilweise verlieren. Diese Personen werden somit durch das System doppelt bestraft: die Auflösung ihrer Kasse mit den ohnehin schon höheren Beiträgen kommt sie im allgemeinen noch teurer zu stehen. Allgemein lässt sich also sagen, dass die geltende Ordnung die Betagten benachteiligt und dass diese Tendenz sich noch verstärken wird.

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Zum anderen wirkt sich die Art der Finanzierung der Krankenversicherung immer belastender auf die bescheidenen Einkommen aus. Die Prämien werden nämlich allgemein pro Kopf festgesetzt, und die Bundessubventionen werden unabhängig vom Einkommen der Versicherten verteilt. Wohl richten verschiedene Kantone Subventionen zur Verbilligung der Prämien von Versicherten in bescheidenen Einkommensverhältnissen aus, aber es besteht nirgends ein Gesamtkonzept einer nach Einkommen differenzierenden Subventionierung. Zur Aushöhlung der Solidarität zwischen Gesunden und Kranken oder Personen mit erhöhten Risiken kommt so noch die Entsölidarisierung zwischen «Reichen» und «Armen».

Die finanzielle Autonomie der Kassen führt auch zu Lücken in der Versicherungsdeckung. In einem solchen System wird nämlich jeder neue Versicherte als ein zusätzliches Risiko betrachtet, das die Kasse allein zu tragen hat. Deshalb setzen die Kassen in ihren Statuten ein Höchsteintrittsalter fest. Zum anderen haben sie das Recht, Vorbehalte zu machen, das heisst, im Zeitpunkt des Beitritts bestehende oder frühere Krankheiten mit Rückfallgefahr von der Versicherung auszuschliessen. Allerdings beschränkt das Gesetz solche Vorbehalte auf fünf Jahre.

Die finanzielle Autonomie der Kassen ist überdies ein Grund dafür, dass keine volle Prämiengleichheit zwischen Männern und Frauen besteht. Bekanntlich verursachen die Frauen in der Krankenversicherung höhere Kosten als die Männer. Nach dem Grundsatz der Gleichstellung von Mann und Frau dürfte diese Tatsache aber nicht zu einer Prämiendifferenzierung führen, denn diese basiert auf dem Geschlecht. Nun ist es aber so, dass die Frauen nicht gleichmassig auf die Kassen verteilt sind. Beispielsweise gibt es Betriebs- oder Berufskrankenkassen, denen mehrheitlich Männer oder, umgekehrt, Frauen angehören. Auch Kollektiwersicherungsverträge mit Betrieben, in denen Männer die Mehrheit bilden, sind ein Eingriff in die Solidarität unter den Geschlechtern innerhalb der betreffenden Kasse. Die Kosten und folglich die Prämien sind also unterschiedlich je nach dem Anteil der Frauen an der Risikogemeinschaft. Dies ist der Grund, warum das geltende Gesetz einen Prämienunterschied zulasten der Frauen gestattet. Doch darf dieser 10 Prozent nicht überschreiten; die verbleibenden zusätzlichen Kosten werden durch
einen Bundesbeitrag teilweise ausgeglichen.

Der. Grundsatz der Freiwilligkeit der schweizerischen Krankenversicherung bringt ebenfalls Nachteile mit sich. Zum einen führt er zu Versicherungslücken bei ungenügend informierten Personen (insbesondere Ausländern, die an ein umfassendes Sozialversicherungssystem gewöhnt sind) oder bei Personen, die nicht in der Lage sind, die Prämien zu zahlen. Ferner lässt das Prinzip der Freiwilligkeit Personen mit guter Gesundheit oder mit einem gut bemessenen Einkommen die Möglichkeit offen, sich der Solidarität, die innerhalb der Kassen zum Tragen kommt, zu entziehen. Richtig ist zwar, dass dies nicht für sehr viele Personen zutrifft. Einer der Gründe, warum fast die gesamte Bevölkerung bei den Krankenkassen versichert ist, liegt in der Tatsache, dass die Prämien nach Eintrittsalter abgestuft sind. Dies bildet einen Anreiz, sich möglichst frühzeitig zu versichern, da der später eintretende Versicherte in eine höhere Prämientarifstufe kommt. Doch wurde weiter oben bereits gezeigt, dass dieses System bei ei104

nem Kassenwechsel, insbesondere bei einer Fusion von Kassen, unerwünschte Wirkungen zeitigt. So gesehen verstärkt die Freiwilligkeit der Krankenversicherung die Entsolidarisierung.

Dies sind die Probleme der geltenden Ordnung, welche den sozialen Charakter der Krankenversicherung in Frage stellen. Andere Aspekte des Systems sind verbesserungsbedürftig, berühren jedoch nicht systeminhärente Probleme. So sollten beispielsweise die Leistungen, namentlich im Bereich der Hauspflege, ausgeweitet und wirksamere Massnahmen zur Eindämmung des Kostenwachstums vorgesehen werden. Auf diese Aspekte ist weiter unten noch einzugehen (vgl. Ziff. 22 und 23).

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Frühere, in der Mehrzahl gescheiterte Gesetzgebungsversuche

Das seit dem Jahre 1914 in Kraft stehende Krankenversicherungsgesetz ist bisher nur in einer einzigen bedeutenden Teilrevision an die Erfordernisse der Zeit angepasst worden, und zwar im Jahre 1964. Die damalige Teilrevision ist sogar ohne Referendumsabstimmung auf den I.Januar 1965 in Kraft getreten. Schon damals war man sich indessen weitgehend bewusst, dass jene Revision keinen Schlusspunkt für eine längere Dauer gesetzt hatte. Man verstand sie vielmehr in erster Linie als eine wichtige Etappe auf dem Weg zu weitergehenden, notwendigen Revisionen. Die Bemühungen um eine Neugestaltung der Krankenversicherung setzen denn auch bereits in den späten sechziger Jahren erneut ein und sind seither mit gewissen Unterbrüchen und in verschiedener Form immer wieder fortgesetzt oder neu aufgenommen worden. In der vorliegenden Ziffer 12 der Botschaft soll nun in gedrängter Übersicht auf die wichtigsten in den vergangenen mehr als 20 Jahren unternommenen, jedoch immer wieder gescheiterten Revisionsversuche in der sozialen Krankenversicherung hingewiesen werden.

Bei dieser Rückschau kann man feststellen, dass nahezu alle möglichen Reformideen und -konzepte schon einmal erwogen oder vorgeschlagen und zum Teil sogar, wenigstens vom Parlament, beschlossen worden sind. Dies entweder in Form von grossen und umfassenden Reformvorhaben (Verfassungsstufe) oder im Rahmen kleinerer Revisionsanläufe (Gesetzesstufe). Dabei hat es weder an der Erkenntnis der bestehenden, sich zunehmend verschärfenden Mängel (vgl. Ziff. 113 hiervor) gefehlt, noch an brauchbaren Vorschlägen zu ihrer Behebung. Man kann sogar mit Fug behaupten, dass die Vielfalt der zur Diskussion gestellten Lösungsvorschläge und -modelle kaum grösser sein könnte. In krassem Gegensatz hiezu steht allerdings die festzustellende Unmöglichkeit oder Unfähigkeit, auch nur irgendeine der vorgeschlagenen dringend notwendigen Reformen tatsächlich durchzuführen. Hiezu hat es bisher in den entscheidenden Momenten an einem genügend starken Konsens und Willen immer wieder gefehlt. Lange Zeit werden sich die interessierten Kreise dieses Spiel allerdings kaum mehr leisten können. Sie machen damit nämlich das bestehende, aber in die Jahre gekommene System, welches zusehends aus dem Tritt kommt, langsam aber sicher kaputt.

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Es ist unseres Erachtens nützlich, den gerafften Rückblick auf die in den letzten gut 20 Jahren gescheiterten Revisionsversuche in den Gesamtkontext der Entwicklung unserer sozialen Krankenversicherung sowie in deren Chronologie hineinzustellen. Diese stellt sich in diesem Sinne wie folgt dar: 26. Oktober 1890: Annahme 'des Artikels 34bis der Bundesverfassung durch Volk und Stände. Der Bund erhält Befugnis und Auftrag, die soziale Kranken- und Unfallversicherung gesetzlich zu regeln. Er kann ein Versicherungsobligatorium einführen, 5. Oktober 1899: Verabschiedung der «Lex Forrer» (Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung mit Einschluss der Militärversicherung) durch die eidgenössischen Räte. Diese Vorlage sah eine obligatorische Krankenversicherung (Krankenpflege und Krankengeld) für Arbeitnehmer bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze vor. Die Finanzierung sollte über Lohnprozente und Bundesbeiträge erfolgen.

20. Mai 1900: Verwerfung der «Lex Forrer» in der Referendumsabstimmung.

13. Juni 1911: Verabschiedung des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) durch die eidgenössischen Räte.

4. Februar 19J2: Bestätigung des KUVG mit nur geringer Mehrheit in der Referendumsabstimmung.

72. März 1912, 15. April 1913 und 1. Januar 1914: Schrittweises Inkrafttreten des KUVG für den Bereich Krankenversicherung. Die damals geschaffene und noch heute gültige Grundordnung einer bundesrechtlich freiwilligen Krankenversicherung mit Bundesbeiträgen an die vom Bund anerkannten Krankenkassen zur Abgeltung des von ihnen erfüllten sozialen Auftrages (insb. Aufnahmepflicht, zeitlich begrenzter Vorbehalt, Gewährung der gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen), also in erster Linie ein Förderungs- und Subventionsgesetz, gilt somit seit mehr als 75 Jahren. - Während annähernd 50 Jahren blieb diese Ordnung unverändert. Lediglich die Höhe der Bundesbeiträge wurde durch separate Erlasse verschiedentlich angepasst.

In den Jahren 1921, 1947 und 1952 prüften Expertenkommissionen Revisionsprojekte des KUVG; diese führten aber zu keiner Revision.

Die erste und bisher einzige wirkliche Revision des KUVG erfolgte, wie bereits erwähnt, erst in der ersten Hälfte der sechziger Jahre. Sie wurde am 13. März 1964 vom Parlament verabschiedet und trat, ohne vorheriges Referendum, auf den I.Januar 1965
in Kraft. Ihre Hauptelemente waren: Erleichterung des Zutritts zur Krankenversicherung; Verbesserungen bei den Leistungen; Anpassung des Tarifrechts; Erhöhung der Bundesbeiträge sowie deren Koppelung an die Krankenpflegekosten; keine Änderung in der Struktur der Krankenpflegeversicherung.

In den darauffolgenden mehr als 20 Jahren wurden dann zahlreiche neue Reformanläufe unternommen. Denn im Bereich der Kostenentwicklung, der Finanzierung, der Freizügigkeit, der versicherten Pflegeleistungen und des Krankengeldes bestand weiterhin ein erheblicher Reformbedarf. Die ersten Reformversuche nach der Teilrevision von 1964 liessen daher nicht lange auf sich warten. Die wichtigsten Daten werden hiernach noch in Erinnerung gerufen. Mitte 106

der siebziger Jahre wurden dann die Bundesbeiträge an die Krankenkassen zunächst gekürzt und später eingefroren. Zusammen-mit den andauernd steigenden Kosten der Krankenpflege verursachte dies ständige Prämienerhöhungen mit sozial zum Teil nur noch schwer zu verkraftenden Konsequenzen (vgl.

Ziff. 113). Angesichts der schleppend vorangehenden Revisionsarbeiten in der zweiten Hälfte der siebziger und in den achtziger Jahren wurden ab Mitte der achtziger Jahre neue Vorstösse für eine Neuordnung der Krankenversicherung eingereicht (vgl. Ziff. 13). Zunächst sollen jedoch noch kurz die einzelnen Reformvorhaben und Massnahmen aus der Zeit von 1969-1987 beleuchtet werden.

20. März 1969: Beginn der Arbeiten der Expertenkommission «für die Neuordnung der Krankenversicherung».

31. März 1970: Einreichung der Volksinitiative «für die soziale Krankenversicherung» durch die Sozialdemokratische Partei (BB1 1973 l 956 957). Sie verlangte ein umfassendes Obligatorium für Krankenpflege- und Krankengeldversicherung mit einer Finanzierung in ähnlicher Art wie die AHV/IV.

U. Februar 1972: Bericht der Expertenkommisssion «für die Neuordnung der Krankenversicherung» (sog. Flimser Modell). Seine Merkmale waren: Einführung einer allgemeinen obligatorischen Spitalversicherung, finanziert durch einen Zuschlag zu den AHV-Beiträgen; Beibehaltung einer freiwilligen Versicherung für die übrige Krankenpflege; Einführung einer obligatorischen Krankengeldversicherung für Arbeitnehmer. - Das «Flimser Modell» fand in der Vernehmlassung eine sehr geteilte Aufnahme. Der Bundesrat beschloss daher, der SP-Initiative einen Gegenentwurf auf Verfassungsstufe gegenüberzustellen.

19. März 1973: Botschaft des Bundesrates zur SP-Initiative mit der Unterbreitung eines Gegenvorschlages, der von der Grundphilosophie des «Flimser Modells» ausging (BB1 1973 l 940 ff.). In der Krankenpflege sah er eine allgemeine obligatorische Versicherung für Grossrisiken (Heilanstaltsbehandlungen und ähnliche aufwendige Untersuchungen und Behandlungen) vor, finanziert durch im Prinzip lohnprozentuale paritätische Beiträge der Versicherten und ihrer Arbeitgeber; die Versicherung für die übrige Krankenpflege sollte weiterhin freiwillig sein. Das Krankengeld sollte durch eine obligatorische Versicherung für Arbeitnehmer, finanziert durch lohnprozentuale paritätische
Beiträge der Versicherten und ihrer Arbeitgeber, abgedeckt werden.

22. März 1974: Bundesbeschluss über die SP-Initiative und den Gegenvorschlag (BB1 7974 I 812). Der hiervor erwähnte bundesrätliche Gegenvorschlag wurde im Parlament grundlegend abgeändert. Die eidgenössischen Räte kehrten insbesondere zur freiwilligen Krankenpflegeversicherung zurück, jedoch mit teilweiser Finanzierung durch einen nach den Regeln der AHV erhobenen allgemeinen obligatorischen Beitrag von maximal 3 Prozent des Erwerbseinkommens für die Verbilligung der Heilanstaltsbehandlung und der Hauspflege sowie für Mutterschaftsleistungen und für präventivmedizinische Massnahmen. Das Obligatorium der Krankengeldversicherung wurde beibehalten.

8. Dezember 1974: Ablehnung der Initiative und des Gegenvorschlags der eidgenössischen Räte durch Volk und Stände.

31. Januar 7975; Bundesbeschluss über den Abbau von Bundesbeiträgen (SR 611.02). Gestützt auf diesen Beschluss wurden die Bundesbeiträge an die Kran107

kenkassen für 1975 und 1976 um 10 Prozent und für 1977 um 11,5 Prozent gekürzt; ab 1977 wurden die Bundesbeiträge an die Krankengeldversicherung aufgehoben.

, ..

26. Mai 1976: Wiederaufnahme der Revisionsbestrebungen auf Gesetzesstufe und zu diesem Zweck Einsetzung einer Expertenkommission «für die Teilrevision der Krankenversicherung».

5. Mai 1977: Bundesgesetz über Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushaltes (SR 611.04). Dessen praktische Konsequenz war die Plafonierung der Bundesbeiträge auf dem Stand des Jahres 1976.

5. Juli 1977: Bericht der Expertenkommission «für die Teilrevision der Krankenversicherung» mit folgenden Grundzügen: freiwillige Krankenpflegeversicherung, finanziert durch Individualbeiträge, (reduzierte) Subventionen und einen allgemein obligatorischen Johnprozentualen Beitrag (maximal 1% des Erwerbseinkommens), der als Ersatz für die gekürzten Subventionen dem Lastenausgleich zugute kommen sollte. Einführung einer obligatorischen Krankengeldversicherung für Arbeitnehmer.

November 1978: Nach der Vernehmlassung über den Expertenbericht 1977 unterbreitete das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) einen Vorentwurf für eine Teilrevision der Krankenversicherung mit weiterhin freiwilliger Krankenpflegeversicherung, aber nunmehr ohne lohnprozentuale Finanzierungskomponente, denn diese war auf breite Ablehnung gestossen. Der Vorentwurf sah einen gezielteren Einsatz der Bundesbeiträge und einen massvollen Leistungsausbau vor, sowie Massnahmen zur Kosteneindämmung. Die Krankengeldversicherung sollte für Arbeitnehmer obligatorisch sein.

19. August 1981: Botschaft des Bundesrates über die Teilrevision der Krankenversicherung (KMVG-Vorlage; BB1 1981 II 1117 ff.).

Die Krankenpflegeversicherung blieb auch in dieser Vorlage freiwillig, sollte aber durch folgende Massnahmen verbessert werden: Erleichterung des Zuganges zur Versicherung; massvoller Leistungsausbau (Aufhebung der zeitlichen Beschränkung der Leistungen bei Spitalpflege; Berücksichtigung der Präventivmedizin und der SPITEX; die Krankenkassen sollten verpflichtet werden, eine Zusatzversicherung für Zahnbehandlung anzubieten; Verbesserung der Leistungen bei Mutterschaft); Neuregelung der Kostenbeteiligung der Versicherten; Massnahmen zur Eindämmung der Kosten (verstärkte Wirtschaftlichkeitsprüfung, Ausgestaltung der
Tarife nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, Abdeckung der Spitalbehandlung durch kostenbezogene Pauschalen); Bundesbeiträge im bisherigen Gesamtumfang, aber gezieltere Verwendung, insbesondere zugunsten der Betagten, der Chronischkranken, der Frauen und der kinderreichen Familien; im Rahmen der Aufgabenteilung Bund/Kantone sollten die Kantone die Hälfte des Bundesbeitrages übernehmen, wofür sie von ihrer Beteiligung an der Finanzierung der AHV entlastet werden sollten.

Die Krankengeldversicherung einschliesslich einem Mutterschaftstaggeld sollte für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen obligatorisch und durch paritätische, lohnprozentuale Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert werden. .

108

5. November 1982: Einberufung einer Nationalen Sparkonferenz im Gesundheitswesen durch den Vorsteher des EDI. Diese beauftragte 4 Arbeitsgruppen mit der Erarbeitung von SparvorschJägen in den Bereichen Spitalwesen und Hauspflege, Ambulante Versorgung und Tarife, Prävention und Prophylaxe, Finanzielle Selbstverantwortung der Patienten und Ausgestaltung des Versicherungssystems.

12. August 1983: Die vier Arbeitsgruppen der Sparkonferenz unterbreiteten der mit der Vorberatung der bundesrätlichen Vorlage für eine Teilrevision der Krankenversicherung betrauten Kommission des Nationalrates ihre Sparvorschläge. Diese wurden weitgehend in die KMVG-Vorlage übernommen.

30. April 1985: Einreichung der Volksinitiative «für eine finanziell tragbare Krankenversicherung (Krankenfcasseninitiative)» mit 390 273 gültigen Unterschriften (s. hienach Ziff. 131).

77. März 1986: Einreichung der Volksinitiative «für eine gesunde Krankenversicherung» durch die Sozialdemokratische Partei und den Schweizerischen Gewerkschaftsbund mit 103 575 gültigen Unterschriften (s. hienach Ziff. 131).

4. Dezember 1986: Im Anschluss an die Beratung der KMVG-Vorlage überweist der Ständerat als Zweitrat die vom Nationalrat bereits am 13. Dezember 1984 angenommene Finanzierungsmotion zur Krankenversicherung. Diese lädt den Bundesrat ein, «dem Parlament eine Vorlage über die Finanzierung der Krankenpflegeversicherung zu unterbreiten, mit dem Ziel, die Bundesbeiträge nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Versicherten auszurichten». Der Grundgedanke dieser Motion ist in das Finanzierungssystem der Vorlage aufgenommen worden, die wir mit dieser Botschaft unterbreiten.

20. März 1987: Verabschiedung der KMVG-Vorlage durch die eidgenössischen Räte (sog. Sofortprogramm). Die Vorlage wurde im Vergleich zum bundesrätlichen Entwurf gestrafft. Die Krankenpflegeversicherung blieb freiwillig; bei der Kostenbeteiligung der Versicherten und den Massnahmen zur Kosteneindämmung wurden die Akzente verstärkt (Ergebnis der Sparkonferenz); die Schaffung von sogenannten Gesundheitskassen (Health Maintenance Organizations HMO) wurde gesetzlich ermöglicht; bei Spitalaufenthalten wurde die von den Krankenkassen zu deckende Quote auf maximal 60 Prozent der Betriebskosten je Patient in der allgemeinen Abteilung limitiert; die Leistungsverbesserungen der
bundesrätlichen Vorlage wurden übernommen; die gezielter einzusetzenden Bundesbeiträge wurden im Vergleich zur bundesrätlichen Vorlage etwas erhöht.

Auf die obligatorische Krankengeldversicherung für Arbeitnehmer wurde dagegen verzichtet; das einstige Zugpferd der Vorlage war nämlich im Laufe der parlamentarischen Beratungen zunehmend unter Beschuss geraten. Statt dessen wurde die Einführung der obligatorischen Versicherung eines Mutterschaftstaggeldes für erwerbstätige und nichterwerbstätige Mütter nach dem System der Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende in Armee und Zivilschutz (EO) beschlossen.

6. Dezember 1987: Ablehnung der KMVG-Vorlage (Sofortprogramm) in der Volksabstimmung mit l 418231 Nein gegen 571 447 Ja (BB1 1988 I 569). Die Probleme der Krankenversicherung, welche sich insbesondere in den Bereichen Finanzierung und Organisation zunehmend verschärften, waren durch den ne109

gativen Volksentscheid natürlich in keiner Weise gelöst. Hierzu bleiben tiefgehende Änderungen auf Gesetzesstufe unerlässlich. Die hängigen Revisionsbestrebungen (vgl. Ziff. 13) machen dies deutlich. Der Bundesrat hat denn auch unmittelbar nach dem negativen Volksentscheid vom 6. Dezember 1987 die notwendigen Schritte für die unerlässlichen und dringenden Reformen eingeleitet.

Über den dadurch ausgelösten neuen Reformanlauf, dessen bisheriges Ergebnis die vorliegende Botschaft ist, legt die Ziffer 14 hienach Rechenschaft ab.

13 131

Revisionsbestrebungen Volksinitiativen

Am 30. April 1985 ist die Volksinitiative «für eine finanziell tragbare Krankenversicherung (Krankenkasseninitiative) mit 390 273 gültigen Unterschriften eingereicht worden. Der Bundesrat hat die Botschaft zu dieser Initiative am 24. Februar 1988 verabschiedet. (BB1 1988II 247). Diese Initiative will am bestehenden System einer freiwilligen Krankenversicherung nichts ändern, sondern sie will in erster Linie durch massiv erhöhte Bundesbeiträge an die Krankenkassen die Prämienlast allgemein vermindern. Diese Massnahme ist aber ungenügend und setzt die falschen Prioritäten. Der Bundesrat und die ihm folgenden eidgenössische Räte (Bundesbeschluss vom 23. März 1990; BEI 1990 l 1594) haben daher Volk und Ständen die Ablehnung der Krankenkasseninitiative ohne formellen Gegenvorschlag empfohlen. Die Initiative wird am 16. Februar 1992 Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet werden.

Am 17. März 1986 ist die Volksinitiative «für eine gesunde Krankenversicherung» mit 103 575 gültigen Unterschriften eingereicht worden (BB1 198611 304).

Diese Initiative strebt die Einführung einer obligatorischen Krankenpflegeversicherung für die ganze Bevölkerung und die Einführung einer für alle Arbeitnehmer obligatorischen Krankengeldversicherung an. Obwohl wir dem Anliegen einer obligatorischen Krankenpflegeversicherung ebenfalls zustimmen, lehnen wir die Initiative ab. Sie würde zu einer grundlegenden Änderung des gesamten Systems der Krankenversicherung führen, die unseres Erachtens gegenwärtig weder notwendig noch wünschenswert ist. Insbesondere würde die angestrebte lohnprozentuale Finanzierung zu einer Zentralisierung der Versicherung und zu einer Aufhebung der finanziellen Selbständigkeit der Versicherungseinrichtungen führen. Sie würde in ihrer Konsequenz auch die Stellung der Kantone im Gesundheitswesen zulasten des Bundes schwächen (vgl. im einzelnen die Botschaft vom 6. Nov. 1991 zur Volksinitiative «für eine gesunde Krankenversicherung; BB1 1991 IV 985). Die hier unterbreitete Vorlage für eine Revision der Krankenversicherung kann als materieller Gegenvorschlag zu dieser Initiative aufgefasst werden.

132

Indirekter Gegenentwurf des Parlamentes zur Krankenkasseninitiative

Anlässlich der Beratungen über die Krankenkasseninitiative erarbeitete die zuständige Kommission des Ständerates unter dem Vorsitz von Herrn Ständerat 110

Hans Jörg Huber, Aargau, einen Gegenentwurf zur Volksinitiative auf Gesetzesstufe. Dieser Entwurf strebte eine Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes an, indem er Teile des am 6. Dezember 1987 vom Volk abgelehnten Bundesgesetzes vom 20. März 1987 wieder aufnahm und durch eigene Vorschläge ergänzte. Die Hauptziele der Vorlage waren Verbesserungen im Leistungsbereich, die Eindämmung der Kosten sowie eine angemessene Erhöhung und ein gezielterer Einsatz der Bundesbeiträge. Gestützt auf den Bericht seiner Kommission (vgl, Bericht der Kommission des Ständerates vom 17. Okt. 1988; BB1 1988 III 1323) hat der Ständerat am 14. Dezember 1988 einen entsprechenden Gegenentwurf beschlossen. Am 13. Dezember 1989 beschloss hingegen der Nationalrat «die Beratungen über den indirekten Gegenentwurf des Ständerates bis zum Vorliegen der Arbeiten der Expertenkommission Schoch zu sistieren.» Am 15. März 1990 hat der Ständerat diesem Beschluss zugestimmt.

Anstelle des Gegenentwurfes des Ständerates nahmen die eidgenössische Räte am 23. März 1990 einen Bundesbeschluss zur befristeten Anhebung der Subventionen an die Krankenkassen an (AS 1990 1091). Mit diesem Bundesbeschluss wurden rückwirkend auf den 1. Januar 1990 die Subventionen an die Krankenkassen auf 1,3 Milliarden Franken erhöht. Zudem sieht dieser Bundesbeschluss neben der bereits bestehenden Abstufung der Beiträge pro Versicherten nach Geschlecht, eine Abstufung nach dem Alter der Versicherten vor. Damit wird ein Ausgleich zugunsten von Krankenkassen mit einem überalterten Versichertenbestand geschaffen. Die Abstufung der Beiträge hat der Bundesrat auf Verordnungsstufe geregelt (Verordnung I vom 22. Dez. 1964 über die Krankenversicherung, SR 832.190; Änderung vom 16. Okt. 1990, AS 1990 1675).

133

Parlamentarische Vorstösse

Mit unserer Botschaft vom 19. August 1981 über die Teilrevision der Krankenversicherung konnten wir eine Standesinitiative sowie mehr als 50, zwischen 1962 und 1981 eingereichte parlamentarische Vorstösse abschreiben (vgl. Ziff.

131 und 132 der Botschaft). Heute beantragen wir Ihnen das gleiche für ein Dutzend parlamentarischer Vorstösse (vgl. die entsprechende Liste am Anfang dieser Botschaft). Ohne auf Einzelheiten einzugehen, soll im folgenden in grossen Zügen die Stossrichtung dieser Vorstösse skizziert werden.

Seit 1981, also im Zeitraum von zehn Jahren, hat sich die Lage der Krankenversicherung verschlechtert. Das - zweifellos flexible - System des KUVG ist an seine Grenzen gestossen. Es ist nicht mehr in der Lage, die - neuen - Probleme zu bewältigen, die sich im wesentlichen aus Struktur und Finanzierung der Krankenversicherung ergeben. Diese Bilanz findet ihren Niederschlag in den nach 1987 eingereichten parlamentarischen Vorstössen. Einerseits zielen sie wohl auf eine Erweiterung des Leistungskatalogs (Aufnahme der Hauspflege oder sogar Öffnung für ergänzende Zweige der Medizin), doch geht es im wesentlichen um eine kurz- bzw. mittelfristige Beseitigung der verheerenden Auswirkungen des heutigen Systems für einen Teil der Versicherten. So fordern verschiedene Vorstösse in einem ersten Schritt Massnahmen gegen die Entsolidarisierung, welche - bedauerlicherweise - zu einem der Hauptmängel unseres 111

Krankenversicherungssystems wird. Andere Vorstösse verlangen mittelfristig eine Überprüfung der Finanzierungsart - das heisst Festsetzung der Prämien und der Bundesbeiträge -, um so ein System zu schaffen, das in geeigneter Weise der Finanzlage der Versicherten Rechnung trägt.

Wir haben diese Postulate und Motionen (gelegentlich in Form von Postulaten) angenommen, weil wir - heute noch mehr als 1981 - der Auffassung sind, dass die Revision der Krankenversicherung von erstrangiger Dringlichkeit ist.

14

Wiederaufnahme der Revisionsarbeiten

141

Die Expertenberichte

Das negative Ergebnis der Abstimmung vom 6. Dezember 1987 konnte nicht als hinreichender Grund dafür dienen, dass der Bundesrat das Dossier Krankenversicherung auf Sparflamme setzte. Das «Nein» des Volkes - das gelegentlich auch als Garantieerklärung für das bestehende System ausgelegt wurde - löst kein einziges der aus dem KUVG resultierenden Struktur- oder Finanzprobleme. Sie wurden durch die Entwicklungen der letzten Jahre noch verschärft.

Der Bundesrat war also unverändert, wenn nicht sogar mehr denn je von der Notwendigkeit einer Revision überzeugt, wünschte jedoch von neuen Grundlagen auszugehen. Er entschied sich daher für einen Ideenwettbewerb und berief vier Experten, welche nicht direkt in die vorangegangenen Revisionsarbeiten involviert gewesen waren.

Mitte Januar 1988 erhielten die Herren Alberto Gianetta, Pierre Gilliand, Heinz Hauser und Peter Zweifel den Auftrag, konkrete Vorschläge zur Revision der Krankenpflegeversicherung auszuarbeiten. Die Experten sollten keine Gemeinschaftsarbeit liefern, sondern jeder einzeln aus seiner Sicht Reformmassnahmen vorschlagen. Der Bundesrat erwartete keine grundsätzlich neuen Ideen in dem Bereich; tatsächlich fehlt es nämlich nicht an Revisionsvorschlägen; es ist vielmehr praktisch unmöglich, für Änderungen die nötige politische Unterstützung zu finden. Der Bundesrat war aber der Meinung, der Weg zur unerlässlichen Stabilisierung der Krankenversicherung sei leichter zu orten, wenn man über vier voneinander unabhängige Konzepte verfügte.

Ende September 1988 lagen die vier Expertenberichte vor und wurden am 13. Oktober 1988 der Presse vorgestellt. Der Bundesrat war in seinen Erwartungen nicht enttäuscht worden. Tatsächlich sahen nämlich die parallelen Untersuchungen der Experten die heiklen Punkte im geltenden System am selben Ort.

Diese sind die Organisation der Versicherung, die Finanzierung, vor allem die Art der Festsetzung der Prämien und der Verteilung der Subventionen sowie die Kosteneindämmung.

Ohne auf die Einzelheiten der vier Berichte einzugehen, seien im folgenden kurz die Vorschläge der Experten vorgestellt, wobei auf die wichtigsten gemeinsamen und divergierenden Punkte eingegangen wird. Wir konzentrieren uns dabei auf die Hauptfragen:

112

Organisation a. Versicherungsobligatorium: drei Experten befürworten ein solches (Gianetta, Gilliand, Hauser). Zweifel setzt sich für ein auf Freiwilligkeit gestütztes, aber solidarischeres System ein (insbesondere Aufhebung der Prämienabstufung nach Eintrittsalter; uneingeschränkte Freizügigkeit; Ausgleich der sozialen Lasten durch ad-hoc-Subventionen).

b. Kreis der Versicherer: zwei Experten schlagen vor, bei einer ausschliesslich von den Krankenkassen getragenen Versicherung zu bleiben. Hauser und Zweifel befürworten eine Beteiligung von Privatversicherern.

c. Freizügigkeit: alle Experten setzen sich für eine maximale Freizügigkeit der Versicherten ein. Gianetta und Gilliand wollen allerdings allzu häufige Wechsel vermeiden. Nach Gianetta, Gilliand und Hauser gestattet nur ein obligatorisches System eine solche Freizügigkeit.

d. Andere Versicherungsformen: alle vier Experten befürworten solche Formen (z.B. HMO-Kassen). Allerdings unterstützt nur Zweifel die BonusVersicherung (verschiedene mögliche Formen).

Finanzierung Die Experten halten an den heutigen drei Finanzierungselementen fest (Prämien, Kostenbeteiligung, Subventionen).

a. Prämien: Die vier Experten fordern die Beibehaltung der individuellen Prämien. Zweifel sieht ausserdem die Möglichkeit einer Familienprämie vor, Gianetta eine Prämienreduktion von 50 Prozent für Kinder und Jugendliche, Gilliand eine völlige Befreiung dieser Personengruppe, Hauser eine totale Prämienbefreiung vom dritten Kind an. Kein Experte schlägt eine Prämienfestsetzung prozentual zum Lohn oder Einkommen vor.

Gianetta und Gilliand befürworten eine Einheitsprämie ohne jede andere ausser einer regionalen Abstufung (verschiedene Möglichkeiten). Hauser schlägt vor, die Beiträge mehr oder weniger stark abzustufen (nach Versicherungsform, tatsächlichem Alter, Geschlecht und Region). Nach Zweifel sollten die Prämien im wesentlichen im Verhältnis zu den Risiken und den Kosten abgestuft werden. Auffallend ist, dass kein Experte am System der Prämienabstufung nach dem Eintritts alter festhält.

b. Kostenbeteiligung: Alle Experten kombinieren ein Grundsystem mit einem wahlweise anwendbaren System, auf das hier nicht im einzelnen eingegangen wird. Die Höhe des Beteiligungsanteils beträgt bei Gilliand 10 Prozent, bei Gianetta und Hauser 20 Prozent und bei Zweifel
(durchschnittlich) ebenfalls 10 Prozent, bei ihm allerdings im Verhältnis zur Höhe der Jahrespräraie. Diese Prozentsätze werden ergänzt durch Jahreslimiten.

c. Beiträge der öffentlichen Hand: Weder bei Gianetta noch bei Gilliand sind direkte Subventionszahlungen an die Versicherer vorgesehen (Gianetta hält allerdings an den Berggebietsbeiträgen und -entschädigungen fest). Hauser spricht sich nach wie vor für diese Art der Subvention aus (zugunsten von Kassen, deren Versichertenbestand von Personen über 65 Jahren oder von Invalidenrentenbezügern über dem Durchschnitt liegt; für die (teilweise)

113

Übernahme von Mutterschaftsleistungen; für die Prämienbefreiung vom 3. Kind an und für Berggebietsentschädigungen). Dasselbe gilt für Zweifel, der diese Beiträge zur Finanzierung der sozialen «Lasten» oder «Risikogruppen» (a priori Frauen, Kinder, Betagte, Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen und chronische Kranke) verwendet sehen will.

Für Gianetta und Gilliand ist also eine Ausrichtung von Subventionen (bei Gilliand geht es um kantonale und kommunale Subventionen) ausschliesslich zur Verbilligung der Prämien und der Kostenbeteiligung von Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen gedacht, was Hauser ebenfalls, allerdings ergänzend vorsieht. Im übrigen schlagen Gianetta, Gilliand und Hauser einen Ausgleich der Lasten unter den Kassen/Versicherern durch deren Eigenmittel vor (Gianetta und Gilliand auf kantonaler, Hauser auf nationaler Ebene). Zweifel sieht implizit einen Ausgleich im Rahmen seines Subventionierungsplans vor (Kriterium des Bestands an Angehörigen von «Risikogruppen»).

Kosteneindämmung In den Grundoptionen gehen die Meinungen der Experten eher auseinander; dagegen herrscht bei verschiedenen konkreten Vorschlägen Übereinstimmung.

Gianetta übernimmt praktisch alle Vorschläge des KMVG von 1987 (insbesondere Spitalplanung, vermehrte Überprüfung der Leistungen auf ihre Wirtschaftlichkeit hin). Hauser schlägt zwei Strategien vor: Massnahmen, die sich auf das geltende System und das KMVG abstützen (aber mit besonderer Betonung der Kostenkontrolle über Vertragstarife), sowie eine Stärkung der Stellung des Versicherten in einem System, in dem der Wettbewerb die Kosteneindämmung fördern sollte. Zweifel behandelt die Kosteneindämmung nicht gesondert; sie ist seiner Ansicht nach die logische Folge einer verstärkten Konkurrenz und einer grösseren Flexibilität des Systems. Gilliand schlägt verschiedene kurzfristige Massnahmen vor (z. B. Planung, Verbot der Selbstdispensation, differenzierte Vergütung von Medikamenten, Kostenstellenrechnung, Stärkung der Stellung der Vertrauensärzte, Rückforderung nicht geschuldeter Leistungen, Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Finanzträgern bei Kauf und Nutzung von Ausrüstungen, Ausbau der Statistik), sodann mittelfristig eine Neustrukturierung des Systems (da der grösste Teil der Ausgaben auf den Spitalsektor
entfällt, hält Gilliand eine Übernahme der gesamten Spitalkosten in der allgemeinen Abteilung durch die Kantone für wünschenswert; Hauser dagegen schlägt vor, diese Kosten voll der Krankenversicherung zu belasten).

Leistungen Kein Experte will das derzeitige Grundleistungsniveau senken. Drei Experten erweitern den Katalog auf der Basis der Botschaft von 1981 - Gianetta, Zweifel - oder des KMVG von 1987, welcher etwas weiter ging (Hauser). Gilliand schlägt eine andersgeartete Grundversicherung vor (darin eingeschlossen wäre die ambulante Behandlung, aber auch die Krankenpflege- und die Medikamentenleistungen anderer Sozialversicherungen - Militärversicherung, Unfallversicherung - sowie die medizinischen Wiedereingliederungsmassnahmen der IV;

114

erwähnt sei auch, dass die Hauspflegeleistungen und die ambulante Behandlung im Spital ebenfalls von dieser Versicherung getragen werden soll). Gianetta ist der Ansicht, dass der Leistungskatalog nicht nur verbindlich, sondern auch abschliessend sein sollte; implizit ist Zweifel derselben Meinung.

Krankengeldvemcherung Drei Experten machen Vorschläge zu diesem ausserhalb ihres Mandats liegenden Thema. Die Vorschläge unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Grundkonzeption (Gilliand: Beibehaltung des geltenden Systems mit Wiederaufnahme einiger 1981 vorgeschlagener Neuerungen, insbesondere der Möglichkeit des Versicherungsbeitritts für Nichterwerbstätige; Ausrichtung der Entschädigung, sobald die Arbeitsunfähigkeit auf die Hälfte gesunken ist; Zweifel: Stärkung der Stellung dieser Versicherung, die allerdings freiwillig bleiben soll).

Die Tatsache, dass jeder der Vorschläge im Vergleich zum geltenden System neue Gesichtspunkte enthält, ist ein Hinweis darauf, dass dieser Bereich nach Auffassung der Experten ebenfalls revisionsbedürftig ist.

142

Die Grundsätze des Bundesrates

Nachdem der Bundesrat die Berichte der vier Experten geprüft hatte, beschloss er am 23. August 1989, gestützt auf die Auswertung durch die Verwaltung, die Revisionsarbeiten fortzuführen. Er setzte daher eine Expertenkommission ein, welche aus 26 Mitgliedern, nämlich Vertretern der interessierten Kreise sowie unabhängigen Experten zusammengesetzt war. Die Kommission erhielt den Auftrag, bis 30. September 1990 einen Vorentwurf für die Revision des KUVG auszuarbeiten; dabei sollte lediglich die Krankenpflegeversicherung berücksichtigt werden.

Wegen der Vielschichtigkeit der Materie erteilte der Bundesrat das Mandat zusammen mit Grundsätzen für die Revision, welche er ebenfalls am 23. August 1989 verabschiedete. Er hielt es in dieser Phase für angezeigt, eine Skizze der «neuen» Krankenversicherung vorzugeben. Die Grundsätze stützten sich sehr weitgehend auf die Punkte der vier Expertenberichte, in denen Übereinstimmung herrschte. Sie bildeten die Leitlinien, welche der Kommission ermöglichten, ihr Projekt sehr gezielt zu erarbeiten, ohne die Diskussion des Problemkreises nochmals von vorn aufzunehmen. Dies umso mehr als den Sachverständigen eine Frist von einem Jahr gesetzt war.

Die Grundsätze wurden am 28. August 1989 der Presse vorgestellt und lauteten wie folgt: I

Organisation

II

Versicherungsträger

Zur Durchführung der Krankenversicherung sind sämtliche Versicherungseinrichtungen zugelassen, die die Bedingungen des Gesetzes erfüllen.

Gewinnorientierte privale Versicherungsgesellschaften sind unter den erwähnten Voraussetzungen ebenfalls zuzulassen.

115

12

Beitritt zur Versicherung

Die Grundversicherung für. Krankenpflege ist für die gesamte Wohnbevölkerung obligatorisch.

13

Wahl des Versicherungsträgers

Die Versicherten haben die freie Wahl des Versicherungsträgers.

Die Versicherungsträger müssen jeden Bewerber ohne Vorbehalte aufnehmen.

Die Versicheningsträger können ihr Tätigkeitsgebiet örtlich beschränken.

Es ist zu prüfen, ob die Beschränkung des Tätigkeitsgebietes auf einen Betrieb weiterhin zulässig sein soll. Betreffend Kollektivversicherung vgl. Ziffer 31. Die Versicherten haben ein Recht auf Freizügigkeit ohne jeden Nachteil bezüglich Versicherungsschutz und Prämie gegenüber den Versicherten der neuen Kasse.

Es ist zu prüfen, ob der Kassenwechsel allenfalls in zeitlicher Hinsicht beschränkt werden soll (Freizügigkeit nach Mindestdauer der Versicherung oder periodisch nach einer bestimmten Anzahl Jahre).

14

Wahl von alternativen Versicherungsangeboten

Die Versicherung^träger können alternative Versicherungsmodelle anbieten, welche die Selbstverantwortung und das Ko.ftenbewusstsein fördern. Durch entsprechende Rahmenbedingungen ist sicherzustellen, dass diese nicht zur Risikoselektion missbraucht werden können.

1

Leistungen

21

Grundversicherung

Die Leistungen der Gnindversicherung sollen mindestens dem heutigen Umfang entsprechen. Statutarische Erweiterungen der Grundversicherung sind ausgeschlossen.

Es ist zu prüfen, wieweit Leistungserweiterungen gernäss Sofortprogramm (keine Aussteuerung bei Spitalaufenthalten, Vergütung von SPITEX-Leistangen und vorsorglichen Massnahmen) Gegenstand des Versicherungsobligatoriums (gemäss Ziff. 12) werden sollen.

Im Sinne einer Beschränkung der Grundversicherung auf grössere Risiken ist zu prüfen, ob die Leistungspflicht der Versicherung erst für Behandlungskosten eintritt, die über einem bestimmten Betrag pro Jahr liegen. Die Kosten bis zu diesem Betrag können durch eine zusätzliche (freiwillige) Versicherung abgedeckt werden (Ziff. 22).

fm weiteren ist zu prüfen, ob der Grenzbetrag für den Eintritt der Versicherung nach dem Einkommen der Versicherten abgestuft werden soll (Modell der Familienfranchise).

22

Zusatzversicherungen

Die Versicherungsträger können neben der obligatorischen Grundversicherung Zusatzversicherungen anbieten. Hier soll eine möglichst grosse Gestaltungsfrei-

116

heil gelten. Für die Zusatzversicherungen haben die Versicherungsträger von der Grundversicherung getrenme Rechnungen zu führen. Den Kassen werden für die Zusatzversicherungen keine Beiträge der öffentlichen Hand gewährt.

Es ist zu prüfen, ob und wieweit Versicherte in wirtschaftlich schwachen Verhältnissen durch Prämienverbilligungen entlastet werden können.

3

Finanzierung

30

Allgemeines

Die Versicherungsträger bleiben grundsätzlich finanziell autonom.

Es ist weiterhin das Ausgabenumlageverfahren mit einem Reservefonds anzuwenden.

31

Beiträge der Versicherten

Die Prämien der Versicherten sind weiterhin als individuelle Kopfbeiträge pro Versicherten festzulegen, das heisst es werden keine lohnprozentualen Beiträge eingeführt. Abstufungen nach Geschlecht und Eintrittsalter sowie die Trennung zwischen Kollektiv- und Einzelversicherung werden aufgehoben. Abstufungen nach Regionen bleiben möglieh.

Es ist zu prüfen, wie eine beschränkte Abstufung nach Alter für Kinder und Jugendliche ausgestaltet werden könnte.

32

Kostenbeteiligung

Eine Form der Kostenbeteiligung (Selbstbehalt und/oder Franchise) ist vorzusehen, Es ist zu prüfen, ob die maximale Belastung durch Kostenbeteiligungen mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten bzw. der Familie zu begrenzen ist.

Es ist zu prüfen, ob bei Einführung einer Grossrisikoversicherung (vgl.

Ziff. 21) unter Umständen eine Kostenbeteiligung in der obligatorischen Versicherung hinfällig wird; ebenso die Wahl von höheren Kostenbeteiligungen gegen Prämienreduktion in der Grundversicherung (vgl. Ziff. 14).

33

Beiträge der öffentlichen Hand

Die Beiträge des Bundes sind in erster Linie für individuelle Prämienverbilligungen zugunsten von wirtschaftlich schwächeren Versicherten zu verwenden.

Sie unterstützen aber auch den Lastenausgleich zwischen den Versicherungsträgern, z. B. zugunsten der Frauen, der Betagten und der Chronischkranken (Ziff. 34).

Die Anspruchsberechtigung für individuelle Prämienverbilligungen wird durch die Kantone festgelegt. Der Bund setzt Rahmenbedingungen und unterstützt die Kantone.

Der Bundesbeitrag an die Krankenversicherung wird im Vergleich zu heute massvoll erhöht.

Es ist zu prüfen, ob das Konzept der Aufgabenteilung wie im Sofortprogramm (Kantone übernehmen die Hälfte des Bundesbeitrages an die Krankenkassen und werden dafür bei der AHV entlastet) beibehalten werden soll.

117

34

Lastenausgleich zwischen den Versicherungsträgern

Zwischen den Versicherungsträgern ist ein Lastenausgleich einzuführen, um die Solidaritätsleistungen der guten Risiken zugunsten der schlechten Risiken breiter abzustützen und um der Risikoselektion zwischen den Kassen entgegenzuwirken.

4

Kostendämpfung

40

Allgemeines

Die Höhe der Gesundheitskosten ist das Ergebnis der Funktion: Preis der Leistung x Menge der Leistung. Kosteneindämmung bedeutet also Einflussnahme auf diese Faktoren. Zu den kostendämpfenden Massnahmen zählen insbesondere geeignete Vorkehrungen zur Gesundheitsprophylaxe, die Förderung der Selbstverantwortung und Kostenbeteiligung der Versicherten bei voller Freizügigkeit und unter Berücksichtigung einer Wahlmöglichkeit für alternative Versicherungsmodelle, ein vertretbarer Prämien- und Leistungswettbewerb unter den Versicherungsträgern, die Förderung der Behandlungsökonomie bei Wahrung der Behandlungsqualität seitens der Leistungserbringer und die notwendige Transparenz bei der Rechnungsstellung.

41

TarifVereinbarungen

Die Vertragsfreiheit zwischen Versicherungsträgem und Leistungserbringem ist zu stärken. Die Tarifvereinbarungen sollen aufgrund allgemein anerkannter betriebswirtschaftlicher Grundsätze erarbeitet werden. Der Koordination mit den übrigen Sozialversicherungen ist Rechnung zu tragen.

Das Beitrittsrecht von Ärzten und Apothekern zu bestehenden Verträgen soll weiterbestehen, im vertragslosen Zustand soll eine Interventionsmöglichkeit der Behörden beibehalten werden (Kantonsregierungen/Beschwerde an den Bundesrat).

Es ist zu prüfen, wieweit das gesetzliche Beitrittsrecht zur Ermöglichung von alternativen Modellen (Ziff. 14) eingeschränkt werden soll.

Es ist zu prüfen, ob Vorschriften über die Kostenaufteilung zwischen Kantonen und Versicherungsträgern bei Spitalbehandlung in das Gesetz aufzunehmen sind.

42

Behandlungsökonomie

Von Gesetzes wegen soll der Grundsatz des tiers garant gelten, d. h. der Versicherte ist Honorarschuldner. Die Tarifpartner sollen die Möglichkeit behalten, das System des tiers payant zu vereinbaren.

Der Versicherte muss eine für ihn verständliche Rechnung erhalten.

Die Leistungserbringer haben sich an den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Behandlung zu halten. Die Versicherungsträger haben das Recht, die Einhaltung dieses Grundsatzes zu kontrollieren - z. B. durch Vertrauensärzte; Erstellen von Statistiken; Pflicht zu einheitlicher Kostenstellenrechnung in den Spitälern; Bekanntgabe der ärztlichen Diagnose - und bei Verletzung des Grundsatzes Sanktionen zu ergreifen (Rückforderungen; in krassen Fällen Ausschluss von der Kassenpraxis).

Die Wirtschaftlichkeit sollte auch die Prüfung der Frage umfassen, ob eine Behandlung überhaupt sachlich geboten ist.

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43

Zulassung von Medizinalpersonen

Es ist zu prüfen, ob die Zulassung der Medizinalpersoncn zur Erbringung von Leistungen zu Lasten der Versicherungsträger an geeignete Kriterien gebunden werden soll (z. B. Aus- und Weiterbildung zur Sicherung der Leistungsqualität).

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Behördliche Massnahmen

Es ist zu prüfen, ob auf die Genehmigung von Tarifverträgen zu verzichten sei.

Im Sinne der Stärkung der Vertragsfreiheit (Ziff. 41) ist gleichzeitig zu prüfen, ob auf Bundestarife bei Laboranalysen und bei Arzneimitteln verzichtet werden soll.

Es ist zu prüfen, ob vergütungsrechtliche Konsequenzen an die Beachtung kantonaler Planungen (Spitalplanung, Grossgeräteplanung) zu knüpfen sind.

Indem der Bundesrat seine Grundsätze im wesentlichen auf die Organisation der Versicherung, die Finanzierung und die Kosteneindämmung ausrichtete, unterstrich er erneut seinen Willen, dem System die Solidarität zurückzugeben, die für ein optimales Funktionieren unerlässlich ist. In seinen Augen sollte die Solidarität auf vielfältige Weise zum Zug kommen: zwischen Gesunden und Kranken, zwischen den jüngeren und den älteren Generationen, zwischen Personen in guten und solchen in bescheidenen Einkommensverhältnissen, zwischen Männern und Frauen und nicht zuletzt auch unter den Versicherern. Dieser Wille wurde konkret in den kursivgedruckten Grundsätzen formuliert, die für die Experten eine verbindliche Arbeitsgrundlage bildeten (insb.: Versicherungsobligatorium, Vielfalt der Versicherer, uneingeschränkte Freizügigkeit, Möglichkeit anderer Versicherungsformen, keine Subventionen für Zusatzversicherungen, Individualprämien ohne Abstufung nach Geschlecht oder Eintrittsalter, Ausrichtung der Beiträge der öffentlichen Hand vor allem zur Prämiehverbilligung zugunsten von wirtschaftlich schwächeren Versicherten, Lastenausgleich zwischen Versicherern, massvolle Erhöhung der Bundesbeiträge, Einführung verschiedener Massnahmen zur besseren Eindämmung der Kosten, unter anderem verstärkte Kontrolle der Wirtschaftlichkeit der Tarifvereinbarungen, Verpflichtung zum Aufbau von vergleichenden Statistiken, Rückforderungen).

Die übrigen, nicht kursivgedruckten Grundsätze dienten den Experten als Orientierung, welche Probleme zusätzlich noch zu prüfen seien, ohne dass der Bundesrat entsprechende Lösungen skizziert hätte.

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Der Entwurf der Expertenkommission

Die Expertenkommission wendete 20 volle Sitzungstage für ihre Arbeiten auf, welche sie am 16. Oktober 1989 aufnahm und am 2. November 1990 mit der Genehmigung des Gesetzesentwurfs beendete, der als Ergebnis ihrer Beratungen mit 19 gegen 3 Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen worden war; zwei Experten fehlten an dieser Sitzung und nahmen an der Abstimmung nicht teil.

Die Arbeiten der Experten erfolgten in drei Etappen: - vertiefte Analyse der Grundsätze vom 23. August 1989, - Beratung des Gesetzesentwurfs, der von der 119

Verwaltung entsprechend den Grundsatzbeschlüssen der Kommission erstellt worden war, - Erarbeitung des definitiven Entwurfs und des erläuternden Berichts. Für die Reform der Finanzierung der Krankenversicherung stützte sich die Kommission auf die Vorarbeiten einer internen ad-hoc-Arbeitsgruppe.

Welches sind die Grundzüge des 76 Artikel umfassenden Gesetzesentwurfs?

Wir geben im folgenden eine Zusammenfassung:

Organisation Die Kommission befürwortet eine obligatorische Krankenpflegeversicherung, weil das Versicherungsobligatorium ihrer Ansicht nach die wichtigste Grundlage der Solidarität, der vollen Freizügigkeit und der Aufhebung der Versicherungsvorbehalte ist. Sie hält am Grundsatz einer Versicherung mit einer unbeschränkten Zahl autonomer Versicherer fest, dehnt jedoch den Kreis der Krankenversicherer auf die Privatversicherer aus, welche ihre Tätigkeit zu denselben Bedingungen wie die Krankenkassen ausüben müssen; dies bedeutet insbesondere, dass die Privatversicherer keine Gewinne erzielen dürfen. Laut Entwurf kann jede Person sich beim Versicherer ihrer Wahl versichern. Geschieht dies nicht, so versichert die zuständige Behörde sie von Amtes wegen. Ein Wechsel des Versicherers ist grundsätzlich in jedem Alter möglich, da die heute bestehenden Hindernisse für einen solchen Wechsel abgeschafft werden.

Das Versicherungsobligatorium ist von der Kommission so konzipiert, dass kein grosser Verwaltungsapparat nötig sein sollte; die Beitrittskontrolle obliegt den Kantonen, eine Aufgabe, die mit den vorhandenen Einrichtungen, namentlich der Einwohnerkontrolle der Gemeinden bewältigt werden kann.

Finanzierung Die Kommission hält an den heutigen drei Elementen fest: Prämien, Kostenbeteiligungen und Beiträge der öffentlichen Hand.

a. Prämien: Die Experten sehen unverändert Kopfprämien, also Individualprämien vor. Die Versicherer können die Prämien allerdings nur noch nach Region und der Differenz «Erwachsene - Kinder» (bis zum vollendeten 18. Lebensjahr) abstufen. Prämienunterschiede auf Grund von Geschlecht oder Eintrittsalter sind nicht mehr zulässig. Ferner verbietet der Entwurf jeden Prämienunterschied zwischen Individuai- und Kollektiwersicherung.

b. Kostenbeteiligung: Sie besteht unverändert aus einer Jahresfranchise und einem Selbstbehalt von 15 Prozent bis zu einer jährlichen Höchstgrenze, Um die Spitaleinweisung nicht indirekt zu «fördern», sieht die Kommission ebenfalls eine Kostenbeteiligung auf den Kosten für Spitalaufenthalt vor.

c. Beiträge der öffentlichen Hand: Die Kommission will diese zu Zweidritteln für eine individuelle Prämienverbilligung verwendet sehen und zu einem Drittel für den Ausgleich der durch die Betagten verursachten erhöhten Kosten sowie für die Finanzierung der
Mutterschaftsleistungen.

Da der Gesamtbetrag der Subventionen letztlich eine politische Frage ist, enthält sich die Expertenkommission einer Stellungnahme dazu. In den Genuss einer individuellen Prämienreduktion sollen Personen kommen, deren Prämie zu-

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sammen mit derjenigen ihrer Familienmitglieder einen gewissen Prozentsatz ihres steuerbaren Einkommens und Vermögens übersteigt. Diese Subventionen werden vom Bund und von den Kantonen ausgerichtet. Der Anteil der letzteren daran richtet sich nach deren Finanzkraft.

Kosteneindämmung Die Kommission entschied sich für ein Massnahmenpaket, das einerseits zu viel Interventionismus vermeiden, andererseits aber doch die Kosten wirksam bremsen soll- Grössere Transparenz bei den Abrechnungen und das Angebot neuer, kostengünstigerer Versicherungsformen sollen die Versicherten verantwortungsbewusster machen und sie von Überkonsum abhalten. Die Leistungserbringer müssen bereit sein, sich einer direkten oder indirekten Kontrolle zu unterziehen, damit die Wirtschaftlichkeit ihrer Leistungen überprüft werden kann.

Für den zu vereinbarenden Tarif kommt der Festlegung der Tarifstruktur (Bestimmung des relativen Werts einer Leistung durch Bestimmung von Taxpunkten) eine besondere Bedeutung zu. Die Tarifstrukturen sollen Gegenstand gesamtschweizerisch einheitlicher Verträge zwischen Dachverbänden der Leistungserbringer und der Versicherer sein; die Verträge sind dem Bundesrat zur Genehmigung zu unterbreiten. Dagegen werden die Taxpunktwerte weiterhin durch dezentralisierte Vereinbarungen, in der Regel also auf kantonaler Ebene, zwischen Leistungserbringern und Versicherern ausgehandelt.

Einige besondere Massnahmen seien hier noch (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) aufgezählt: - Die Ausgaben der Spitäler und Pflegeheime können durch Einführung eines Globalbudgets begrenzt werden.

- Die Pauschalen sowie allfällige Einzelleistungsvergütungen zulasten der Krankenpflegeversicherung dürfen bei (öffentlichen oder öffentlich subventionierten) Spitälern höchstens 50 Prozent der Betriebskosten decken.

- Für die Vergütung von Spitälern und von Einrichtungen mit teilstationärer Krankenpflege werden für die ganze Schweiz gültige, einheitliche Tarifierungsmodelle erarbeitet, - Kostentransparenz und Kostenvergleich sollen durch die Einführung einer einheitlichen Kostenstellenrechnung und einer Leistungsstatistik in den Spitälern und Pflegeheimen ermöglicht werden. Die Kantonsregierungen oder der Bundesrat (z. B. bei Kantonsspitälern) können Betriebsvergleiche anordnen. Bei überzogenen oder ungenügend ausgewiesenen Kosten
ist es möglich, den Tarifvertrag fristlos zu kündigen, damit der Tarif angepasst werden kann (Reduktion der Pauschale).

Leistungen Der Leistungskatalog soll nach dem Willen der Kommission verbindlich und erschöpfend sein. Alle Versicherer werden also im Rahmen der Krankenpflegeversicherung dieselbe Leistungspalette anbieten. Darüber hinausgehende Leistungen fallen in den Bereich der Zusatzversicherungen, die in Zukunft dem Privatrecht (Gesetz über den Versicherungsvertrag) unterstehen sollen, da sie individuelle Sonderbedürfnisse abdecken.

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Beim Risiko Krankheit stellt die Kommission zunächst einmal ambulante Behandlung und Spitalpflege gleich; das bedeutet, dass die «Leistungsgrenze von 720 Tagen» bei stationärer Behandlung aufgehoben wird. Ausserdem nimmt die Kommission in den Katalog auf: - Pflegemassnahmen ausserhalb des Spitals, bekannt unter dem Namen SPITEX; - der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel und Gegenstände; - Massnahmen der medizinischen Rehabilitation; - die «Hotelkosten» bei Spitalaufenthalt (im Rahmen der Pauschalvergütung für die allgemeine Abteilung und unter Einbezug eines - bescheidenen Tagesbeitrags des Versicherten); - die medizinisch notwendigen Transportkosten sowie die Rettungskosten (bis zu einem Höchstbetrag); - medizinische Präventionsmassnahmen sowie - zahnärztliche Behandlungen, welche durch eine schwere Krankheit oder ihre Folgen bedingt oder zur Behandlung einer schweren Krankheit oder ihrer Folgen notwendig sind.

Ausserdem sind Unfälle, welche nicht von einer Unfallversicherung gedeckt sind, in Zukunft von der Krankenpflegeversicherung zu übernehmen. Dieser subsidiären Unfallversicherung kommt eine besondere Bedeutung zu für Kinder, für Hausfrauen, für Betagte und für Personen «zwischen zwei Anstellungen», die sehr häufig nicht gegen Unfall versichert sind.

All diese Leistungen werden von der Krankenpflegeversicherung übernommen, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: sie müssen von einem Arzt (oder bei bestimmten Leistungen von einem Chiropraktor) verordnet, sie müssen wissen: schaftlich anerkannt und sie müssen wirtschaftlich sein. Mit Ausnahme der Leistungen von Ärzten und Chiropraktoren werden Leistungen, welche ausserdem von der Krankenpflegeversicherung zu übernehmen sind, durch Verordnung abschliessend bezeichnet.

Krankengeldversicherung Die Expertenkommission hat die Krankengeldversicherung keiner detaillierten Prüfung unterzogen, da ihr Mandat sich ausschliesslich auf die Krankenpflegeversicherung bezog. Sie äusserte jedoch den Wunsch, die Krankengeldversicherung sei weiterhin nach dem Grundsatz der Freiwilligkeit und nach gleichen Vorschriften für alle Versicherer zu führen.

Die Kommission hat die skizzierten Vorschläge zwar mit grosser Mehrheit angenommen, doch blieben einige Fragen innerhalb der Kommission kontrovers, wie die Minderheitsanträge zeigen (vgl. S. 145-160 des
Berichts vom 2. Nov.

1990). Es ist unseres Erachtens unerlässlich, die wichtigsten Minderheitsanträge hier zu nennen: Beibehaltung der Freiwilligkeit der Krankenversicherung; Versicherungsobligatorium ex lege; keine Aufnahme von zahnärztlichen Behandlungen in den Leistungskatalog; Ersatz des Kriteriums «wissenschaftlich anerkannt» durch «Wirkungsnachweis»; keine gesamtschweizerisch einheitlichen Tarifstrukturen; Anhörung des Preisüberwachers zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von Tarifvereinbarungen; Ausdehnung des Beschwerderechts in Tarifangelegenheiten auf die Versicherten, allenfalls vermittels ihrer Vertreterorganisationen; Einführung besonderer Massnahmen der Tariffestsetzung in ausserordentlichen Lagen; massgebliche Erhöhung der Jahresfranchise; andere Subventionierungsarten).

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Alle diese Minderheitsanträge machen einmal mehr deutlich, wie schwierig, wenn nicht gar fast unmöglich es ist, breit abgestützte Vorschläge zu machen.

Entwurf und Bericht der Expertenkommission vom 2. November 1990 wurden der Presse am 17. Dezember 1990 vorgestellt. Das Echo war eindeutig positiv.

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Das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Am 15. Februar stellte der Bundesrat den Kommissionsentwurf den Kantonen, politischen Parteien und interessierten Kreisen zur Vernehmlassung zu mit der Bitte um Stellungnahme bis spätestens 15. Mai 1991 (vgl. BB1 1991 l 1159).

Gleichzeitig unterbreitete er ihnen einen Vorentwurf zur Revision der freiwilligen Krankengeldversicherung sowie einen Zusatz über die anwendbare Gesetzgebung und die zuständigen Behörden in Bezug auf die Zusatzversicherungen.

In seinem Begleitschreiben machte der Bundesrat deutlich, dass er den Gesetzesentwurf, der weitgehend den Grundsätzen vom 23. August 1989 entsprach, im wesentlichen unterstütze. Hingegen formulierte er Vorbehalte für die folgenden beiden Bereiche: In Bezug auf die Kosteneindämmung sprach sich der Bundesrat für energischere Massnahmen etwa im Sinn des Minderheitsantrags betreffend Tarif- und Preisfestsetzung (Art. 40a des Entwurfs) sowie allenfalls für eine Globalbudgetierung für ambulante Leistungen bei ausserordentlichem Kostenanstieg aus; ferner für eine grössere Freiheit der Versicherer in Bezug auf das Angebot kostensenkender Versichenmgsmodelle, Hinsichtlich der Subventionen erklärte der Bundesrat, eine Lösung zu bevorzugen, in der durch einfachen Bundesbeschluss der Subventionsbetrag periodisch festgesetzt würde; auf die Subventionen sollten die Kantone im Verhältnis zu ihrer Finanzkraft Anspruch haben, allenfalls verknüpft mit Voraussetzungen betreffend die Höhe der vom Kanton selbst ausgerichteten Beiträge. In einer solchen Lösung würde es den Kantonen obliegen, den Anspruch auf Beiträge für eine individuelle Prämienverbilligung zu regeln, was nach Auffassung des Bundesrates eine angemessenere Lösung als eine gesamtschweizerisch einheitliche Regelung ist.

Die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens wurden am 15. Juli 199) mit einer Pressemitteilung veröffentlicht. Zusammenfassend lassen sich folgende Grundzüge festhalten; in den Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln unseres Entwurfs werden wir auf besondere Forderungen oder Anmerkungen zurückkommen, welche sich aus dem Vernehmlassungsverfahren ergeben haben: Organisation Das Versicherungsobligatorium findet als Grundsatz breite Zustimmung. Allerdings wird diese gelegentlich mit gewissen Vorbehalten verknüpft.

Finanzierung a. Prämien: das neue Prämiensystem ist nicht überschwenglich,
aber im grossen und ganzen doch eher positiv (allenfalls als Kompromisslösung) aufgenommen worden. Die Prämiengleichheit von Mann und Frau stellt die am meisten begrüsste Neuerung dar.

Drei ausserdem vorgeschlagene Varianten sind lohnprozentuale Prämien, Prämienbemessung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sowie Prämien mit Risikoabstufung.

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b. Kostenbeteiligung: die Höhe der Beteiligung hat gute Aufnahme gefunden, doch wird auch vorgeschlagen: eine Beteiligung von 10 Prozent bzw. von 20 Prozent, der Einbau einer Familienkomponente sowie die Beteiligung ohne Jahreshöchstgrenze, c. Beiträge der öffentlichen Hand: - an die Versicherten (Prämienverbilligung) : Der Grundsatz eines sozialen Ausgleichs über eine Prämienverbilligung ist unbestritten; über Ausmass und Modalitäten (Aufteilung Kantone - Bund) dieses Ausgleichs bestehen hingegen sehr unterschiedliche Ansichten; - an die Versicherer (Mitfinanzierung des Risikoausgleichs): Die Antworten sind auch in diesem Punkt sehr unterschiedlich und gegensätzlich, Das Spektrum reicht von Zustimmung bis zu völliger Ablehnung und schliesst auch die Forderung ein, die Beiträge der öffentlichen Hand sollten nur zu diesem Zweck verwendet werden (keine Subventionen für Versicherte) ; -· der Risikoausgleich und die Schaffung eines entsprechenden Fonds werden als eine gute Lösung bewertet, die aber zeitlich beschränkt sein sollte.

Kosteneindämmung In diesem Bereich stehen sich fundamental divergierende Optionen gegenüber; die eine setzt auf eine «Liberalisierung» des Systems und auf die kostendämpferide Wirkung eines stärkeren Wettbewerbs; die andere dagegen hält diesen Effekt eher durch die Einführung mehr «interventionistischer» Massnahmen für erreichbar.

Leistungen Breite Zustimmung findet der neue Leistungskatalog, der umfangreicher als die gegenwärtige Grundversicherung nach KUVG und von der Konzeption her abschliessend ist. Die vereinzelt geäusserten Vorbehalte beziehen sich auf die potentiell höheren Kosten. Dennoch werden auch weitergehende besondere Forderungen gestellt. Andererseits werden Streichungen verlangt (z. B. Präventivmassnahmen, Transport- und Rettungskosten).

(Freiwillige) Taggeldversicherung Der Entwurf der Verwaltung gab Ànlass zu verschiedenen Bemerkungen, bei denen sich drei Tendenzen abzeichnen. Die grosse Mehrheit ist der Meinung, dass die Revision der Taggeldversicherung nicht mit derjenigen der Krankenpflegeversicherung verknüpft werden sollte, was kurz- bis mittelfristig eine Beibehaltung des jetzigen Systems bedeutet. Die beiden anderen Tendenzen sind die folgenden: Einerseits Beibehaltung der Freiwilligkeit entsprechend dem Entwurf der Verwaltung, welcher gewisse
Verbesserungen vorsieht, andererseits Einführung einer obligatorischen Versicherung.

Es versteht sich von selbst, dass wir den Ihnen nun vorliegenden Entwurf unter gebührender Berücksichtigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens erarbeitet haben, welche in den Grundzügen positiv, in einzelnen Punkten jedoch kontrovers waren. Die sehr knappen Resultate haben uns allerdings nicht 124

zu einer Meinungsänderung veranlasst. Wir sind nach wie vor überzeugt, dass eine Revision des KVG unerlässlich ist. Nach den materiellen und formellen Korrekturen am «Entwurf Schoch» sollte es möglich sein, dass unser Gesetzesentwurf als die vernünftigste Lösung der - zweifellos schwerwiegenden - Probleme unseres Krankenversicherungssystems Ihre Zustimmung findet.

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Grundzüge der Vorlage

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Verstärkung der Solidarität

Der Zerfall der Solidarität zwischen Gesunden und Kranken ist eines der Hauptprobleme der geltenden Ordnung; diese trägt ausserdem der Solidarität zwischen «Reichen» und «Armen» (vgl. Ziff. 113) nicht genügend Rechnung.

Der Ihnen vorliegende Entwurf sichert die erstere Solidarität, indem er im Rahmen einer obligatorischen Versicherung die volle Freizügigkeit einführt und verbessert, die zweite, indem er vorsieht, die über einen gewissen Einkommensanteil hinausgehende Prämienlast zu erleichtern.

Für eine echte Solidarität zwischen Gesunden und Kranken braucht es auch die Solidarität zwischen den Versicherern. Das bedeutet, dass die Versicherer, welche über einen Bestand mit geringerem Risiko verfügen, weil ihre Versicherten relativ jung sind, die Last derjenigen Versicherer mittragen sollten, die eine «kostspieligere» Risikostruktur haben, insbesondere weil bei ihnen mehr Betagte und mehr Frauen versichert sind. Zum anderen müssen die Versicherten der letztgenannten Kassen frei sein, sich unabhängig von ihrem Alter, ihrem Geschlecht und ihrem Gesundheitszustand, einem anderen Versicherer anzuschliessen, namentlich einem solchen, der bis anhin dank der Zusammensetzung seines Bestands verhältnismässig günstige Prämien anbieten kann.

Der Entwurf schlägt daher in den Übergangsbestimmungen einen Ausgleich unter den Versicherern vor (beschränkt auf zehn Jahre, um nicht die Beibehaltung ungesunder Strukturen zu fördern) und setzt an die Stelle der nach Eintrittsalter abgestuften Prämien eine Einheitsprämie pro Versicherer (nach Regionen unterschiedlich, damit die Kostenunterschiede genügend berücksichtigt sind). Alle erwachsenen Versicherten derselben Kasse in einer bestimmten Region werden also dieselbe Prämie bezahlen, unabhängig davon, ob sie jung oder alt, Mann oder Frau, gesund oder krank sind. Die Prämiengleichheit macht eine uneingeschränkte Freizügigkeit möglich, das heisst jede Person kann, unabhängig von Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand frei den Versicherer wechseln und insbesondere denjenigen wählen, der die günstigsten Prämien hat. Darüber hinaus wird die heute durch die Kollektiwersicherungen verursachte Entsolidarisierung beseitigt. Einzige Ausnahme von der Einheitsprämie pro Kasse und Region: die Prämien der minderjährigen Versicherten dürfen niedriger sein als diejenigen der
Erwachsenen. Die vollständige Freizügigkeit sollte zwischen den Versicherern zu einem echten Wettbewerb führen, welcher heute ausschliesslich um die «guten Risiken» stattfindet. Ein solches System ist allerdings nur denkbar bei gleichzeitiger Einführung eines Versicherungsobligatoriums. Die Solidarität ist nur dann umfassend und gerecht, wenn alle daran beteiligt sind. In diesem Sinn ist das Versicherungsobligatorium kein Selbstzweck, sondern ein 7 Bundesblau I44Jahrgang. Bd.I

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unverzichtbares Instrument, um die erforderliche Solidarität zu gewährleisten.

Es erlaubt ausserdem, gewisse Nachteile der freiwilligen Versicherung zu beseitigen wie etwa die Auferlegung von Versicherungsvorbehalten oder die Prämienungleichheit von Männern und Frauen. Der obligatorische Charakter einer Versicherung schliesst im übrigen nicht die Konkurrenz der Versicherungsträger untereinander aus. Dies gilt ganz besonders für das Konzept des Gesetzesentwurfs, das die Vielfalt der Versicherer sowie die Festsetzung der Prämie je Versicherer vorsieht. Im übrigen ist das Versicherungsobligatorium so konzipiert, dass daraus keine Aufblähung der Verwaltung resultiert.

Die Solidarität zwischen Personen mit unterschiedlichen Einkommen wird durch das vorgeschlagene Subventionierungssystem spürbar verbessert. Alle Versicherten zahlen den Gesamtbetrag ihrer Prämie, doch wird denjenigen, bei denen die Prämie einen bestimmten Prozentsatz ihres Einkommens übersteigt, vom Staat die Differenz zwischen dieser Grenze und dem effektiven Prämienbetrag zurückerstattet. Sämtliche Bundessubventionen werden, ergänzt durch einen kantonalen Anteil, für diesen sozialen Ausgleich aufgewendet. Gestützt auf die Tatsache, dass die Subventionen aus Steuereinnahmen gespeist werden, darf festgehalten werden, dass nicht nur die erwähnte Art der Prämienverbilligung, sondern auch ihre Finanzierung die Solidarität zwischen «arm» und «reich» stärkt.

22

Kosteneindämmung

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Überblick

Seit Jahren steigen die Kosten im Gesundheitswesen stärker als die Preise und Löhne (vgl. Anhangtabelle 5 und Grafik 1). Die steigenden Prämien bei den Versicherten führen bei einzelnen Bevölkerungsgruppen zu nur schwer oder nicht mehr tragbaren finanziellen Lasten (vgl. Ziff. 113 hiervor). Die Eindämmung der Kostensteigerung im Gesundheitswesen gehört daher zu den Hauptzielen dieser Revision: Der für das Gesundheitswesen aufgewendete Anteil des Volkseinkommens soll nicht immer grösser werden. Mit der Revision des Krankenversicherungsgesetzes kann jedoch nur ein Teil des Gesundheitswesens direkt beeinflusst werden (vgl. Ziff. 111 hiervor). Es können aber entscheidende Impulse für die zukünftige Entwicklung des Gesundheitswesens gegeben werden.

Das Ziel der in dieser Vorlage vorgeschlagenen Kostendämpfungsmassnahmen wäre dann vollständig erreicht, wenn sich die jährliche Zunahme der Gesundheitsausgaben pro Kopf der Bevölkerung der allgemeinen Lohn- und Preisentwicklung anpasst. Dieses Idealziel wird mittelfristig kaum zu erreichen sein.

Hingegen muss es uns gelingen, ein noch stärkeres Auseinanderklaffen von Gesundheitsausgaben und Löhnen zu stoppen, das heisst die Zunahme der Gesundheitsausgaben näher an die Lohnentwicklung heranzubringen. Die Kostendämpfungsmassnahmen werden nach der Einführung des Gesetzes allerdings nicht sofort greifen. Die einzelnen Instrumente entfalten erst im gegenseitigen Zusammenspiel ihre volle Wirkung. Zum Gelingen der Reform beitragen müssen alle Partner im Gesundheitswesen.

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Kostendämpfungsmassnahmen werden nicht nur in der Schweiz diskutiert, sondern in allen westlichen Industrieländern. Verschiedenste Reformversuche haben aufgezeigt, dass es bisher keine Patentrezepte zur Kostendämpfung gibt.

Trotz den hier aufgeführten neuen Instrumenten zur Kostendämpfung werden die Kosten im Gesundheitswesen auch in Zukunft weiter steigen. Folgende Faktoren sind hierfür insbesondere bestimmend: Die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung, die demographische und die allgemeine gesundheitliche Entwicklung, die technologische Entwicklung sowie die Entwicklung der Bedürfnisse der Bevölkerung.

Kosteneindämmung aus der Sicht der Krankenversicherung kann sowohl Einsparung von Kosten als auch Verlagerung von Kosten auf andere Kostenträger (z. B. Kantone, Gemeinden, private Organisationen) bedeuten. Das Schwergewicht muss auf den Massnahmen zur Kosteneinsparung liegen. Es ist jedoch nicht abwegig, auch gewisse Kostenverlagerungen anzustreben. Gerade im Bereich der stationären Krankenpflege in Spitälern und Pflegeheimen wie auch in der Hauskrankenpflege (SPITEX) lassen sich gute Gründe hierfür anführen.

Zum einen sind nämlich die Kosten in diesen Bereichen schon heute besonders hoch und werden auch in Zukunft steigen; dies trotz aller Sparanstrengungen, vor allem wegen der zunehmenden Zahl betagter und hochbetagter Personen.

Zum andern stützt sich die Finanzierung der Krankenversicherung auf die sozial undifferenzierten Kopfprämien; Arm und Reich müssen grundsätzlich gleich hohe Prämien bezahlen (Art. 53, 57, 58). Es scheint daher durchaus gerechtfertigt, einen Teil dieser Kosten aus sozial stärker differenzierten Quellen, nämlich Steuergeldern, zu finanzieren. Der Entwurf sieht denn auch vor, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung beim Aufenthalt des Versicherten in einem öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spital maximal 50 Prozent der in der allgemeinen Abteilung anfallenden Betriebskosten deckt (Art. 42). Der Rest ist aus Steuergeldern zu bezahlen. Beim Aufenthalt in einem Pflegeheim übernimmt die Versicherung die gleichen Kosten wie bei ambulanter Behandlung (Art. 43); die Kosten für Aufenthalt und Verpflegung sollen dagegen aus anderen Quellen finanziert werden, nämlich aus den persönlichen Einkünften der Patienten, namentlich den Renten der AHV/IV/EL (allenfalls
auch aus den Renten der zweiten Säule) und aus Steuergeldern. Eine ähnliche Aufteilung zwischen Krankenversicherung, Rentenversicherung und öffentlicher Hand kann auch für die Finanzierung der SPITEX-Leistungen ins Auge gefasst werden. Soviel zur Kosteneindämmung in der Krankenversicherung durch Kostenverlagerung. Sie hat in erster Linie eine sozialere Lastenverteilung zum Ziel.

Im folgenden werden die Neuerungen im Bereich der Tarif- und Vertragsgestaltung, im Bereich der Leistungserbringung und der Versicherer sowie die ausserordentlichen Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung erläutert.

222

Tarif- und Vertragsgestaltung

Bei den im Gesetz enthaltenen Massnahmen zur Kosteneindämmung handelt es sich vor allem um Instrumente im Bereich der Tarif- und Vertragsgestaltung. So lassen die verschiedenen Arten von Tarifen eine Vielzahl von Regelungen zu,

die einen sparsamen Einsatz der vorhandenen Mittel fördern (vgl. Art. 37 Abs. 2): Neben dem heute vorherrschenden Einzelleistungstarif kann auch ein Zeittarif oder ein Pauschaltarif vereinbart werden. Die einzelnen Tarifierungsarten können zwischen den Versicherern und den Leistungserbringern festgelegt werden und lassen eine Vielfalt an möglichen vertraglichen Lösungen zu (Art. 39). Insbesondere ist mit der Pauschaltarifierung auch die sogenannte prospektive Globalbudgetierung möglich. Dabei wird für die Versorgung einer Gruppe von Versicherten in einem bestimmten Zeitraum durch einen oder mehrere Leistungserbringer vorgängig ein Globalbetrag festgelegt. Im Kanton Waadt wird diese Methode im Bereich der Spitalfinanzierung angewendet. Der Gesamtbetrag wird aufgrund der in der Vergangenheit erbrachten Leistungen und den zu erwartenden Bedürfnissen in Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern festgelegt.

Versicherer können für Versicherte, die bereit sind, sich bei der Wahl des Leistungserbringers einzuschränken (Art. 35 Abs. 4), eine Prämienredufction gewähren (Art. 54). Dies ermöglicht zusammen mit den verschiedenen Tarifierungsarten z. B. die Bildung von sogenannten «PPOs» (Preferred Provider Organizations). Damit sind Versicherungen gemeint, die Verträge mit ausgewählten, besonders kostengünstigen Leistungserbringern abschliessen und ihren Versicherten - die bereit sein müssen, sich auf diese Leistungserbringer zu beschränken eine tiefere Prämie anbieten können. Weiter können damit sogenannte Gesundheitskassen (Health Maintenance Organizations, HMO) eingeführt werden. Die Gesundheitskasse übernimmt eine längerfristige Verantwortung für die Versicherten. Das Angebot umfasst deshalb in der Regel nicht nur die Behandlung im Krankheitsfall, sondern auch Präventions- und Gesundheitsförderungsmassnahmen, z. B. die Beratung durch eine Gesundheitsschwester. Der Versicherte muss Gesundheitsleistungen - soweit vorhanden - bei den für die Gesundheitskasse tätigen Leistungserbringern nachfragen. Für Behandlungen, die die Gesundheitskasse nicht selbst durchführen kann, wird der Versicherte an externe Leistungserbringer verwiesen. Der Einschränkung der freien Wahl des Leistungserbringers steht eine reduzierte Prämie und die Möglichkeit des Wegfalls der obligatorischen Kostenbeteiligung gegenüber (Art. 54
und 56 Abs. 6 Bst. c), Die Gesundheitskasse kann kostengünstiger arbeiten, weil sie einerseits Wert auf die Erhaltung der Gesundheit legt und anderseits Einfluss auf den gesamten Behandlungsprozess - besonders auch die Überweisung an Spezialisten oder in ein Spital - nehmen kann. Schliesslich können auch im Rahmen der ansonst grundsätzlich unveränderten Pflegeversicherung denjenigen Versicherten Prämienermässigungen gewährt werden, die eine höhere Kostenbeteiligung wählen (z. B. die wählbare Jahresfranchise) oder während einer bestimmten Zeit keine Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen (System mit Prämienbonus Art. 54).

Alle Tarifverträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der zuständigen Kantonsregierung; diese prüft den Tarif insbesondere auf seine Wirtschaftlichkeit (Art. 39 Abs. 3). Bei unwirtschaftlicher Tarifierung verweigert sie die Genehmigung. Im vertragslosen Zustand wird der Tarif durch die Kantonsregierung festgesetzt. Gegen die Tarifbeschlüsse der Kantonsregierungen kann Beschwerde an den Bundesrat erhoben werden (Art. 45).

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Für Analysen, Arzneimittel sowie Mittel und Gegenstände, die der Untersuchung oder der Behandlung dienen, werden gesamtschweizerische Tarife durch das Departement oder das Bundesamt festgelegt (Art. 44).

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Leistungserbringer und Versicherer

Die Instrumente im Bereich der Tarif- und Vertragsgestaltung werden ergänzt durch Massnahmen, die die Wirtschaftlichkeit der Behandlung garantieren. Die oben erwähnten kostendämpfenden Massnahmen sollen nicht zu einer «billigen» Medizin führen. Preis und Leistung sollen aber in einem möglichst günstigen Verhältnis stehen. Damit dies garantiert ist, enthält der Entwurf folgende Massnahmen.

Der Leistungserbringer muss dem Schuldner eine transparente Rechnung zustellen und ihm alle Auskünfte erteilen, die zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistung notwendig sind (Art. 36 Abs. 3-5). Die Vertrauensärzte haben weitgehende Möglichkeiten, die Wirtschaftlichkeit der Behandlung zu überprüfen (Art. 49 Abs. 6 und 7). Bei unwirtschaftlicher Behandlung kann die Vergütung verweigert werden (Art. 48 Abs. 2). Leistungserbringer, die hartnäckig gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Behandlung verstossen, können von der Zulassung zur Tätigkeit für die Krankenversicherung ausgeschlossen werden (Art. 51).

Qualitätssicherung trägt zur Kostendämpfung bei, indem sie Ressourcen von den Tätigkeiten abzieht, die unnötig, unwirksam und unzweckmässig sind. Der Begriff der Qualität wird weit gefasst, damit die drei Elemente, Behandlungsergebnisse, Angemessenheit der Leistung und Zufriedenheit des Patienten, von der Qualitätskontrolle erfasst werden können (vgl. Art. 50).

Im Bereich der stationären und teilstationären Krankenpflege enthält der Gesetzesentwurf noch weitere Massnahmen: So ist etwa die Zulassung von Spitälern, Einrichtungen der teilstationären Krankenpflege und Pflegeheimen zur Tätigkeit zulasten der sozialen Krankenversicherung davon abhängig, dass sie der von einem oder mehreren Kantonen gemeinsam aufgestellten Planung für eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung entsprechen und auf einer nach Leistungsaufträgen in Kategorien gegliederten Spitalliste enthalten sind (Art. 33).

Die Pauschalen sowie allfällige Einzelleistungsvergütungen im Spital dürfen bei öffentlichen oder Öffentlich subventionierten Spitälern höchstens 50 Prozent der Betriebskosten decken (Art. 42).

Die Kosten und die Leistungen in Spitälern und Pflegeheimen sollen durch eine einheitliche Kostenstellenrechnung und Leistungsstatistik transparenter werden. Dadurch wird ermöglicht, dass bei massiven Kostensteigerungen im
stationären Bereich Betriebsvergleiche zwischen Spitälern durchgeführt und die Wirtschaftlichkeit der durch sie erbrachten Leistungen überprüft werden können, insbesondere die Wirtschaftlichkeit der Behandlung spezifischer Krankheiten. Solche Betriebsvergleiche können von den Kantonsregierungen oder vom Bundesrat angeordnet werden (Art. 42 Abs. 6 und 7, 48 und 50).

Auch die Versicherer selbst müssen in der Führung der Versicherung ihren Beitrag zur Eindämmung der Kosten leisten. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit gilt

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daher auch für die Verwaltungskosten. In Analogie zu den ausserordentlichen Massnahmen im Tarifrecht (vgl. unten) soll der Bundesrat auch für die Verwaltungskosten vorschreiben können, dass diese nur im Ausmass der allgemeinen Lohnehtwicklung ansteigen dürfen (Art. 17).

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Ausserordentliche Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung

Aus den bisherigen Ausführungen wird ersichtlich, dass der Gesetzesentwurf eine Vielzahl von kostendämpfenden Vorkehren enthält. Diese können jedoch nur wirksam werden, wenn die Beteiligten die angebotenen Möglichkeiten voll ausschöpfen. Sollten diese keine Resultate zeitigen, sind einschneidendere Massnahmen notwendig. Wie bereits einleitend festgehalten worden ist, besteht das Ziel der Kostendämpfungsmassnahmen darin, das Wachstum der Kosten des Gesundheitswesens auf das Niveau der Preis- und Lohnentwicklung zu senken. Der Bundesrat wird daher die ausserordentlichen Massnahmen nur dann einsetzen, wenn die Zunahme der Kosten im Gesundheitswesen massiv über der allgemeinen Preis- und Lohnentwicklung liegt. Da es sich um ausserordentliche Massnahmen handelt, werden sie auch zeitlich befristet. Der Bundesrat kann dabei erstens Globalbudgets festlegen, sei es für einzelne Kantone oder die gesamte Schweiz, sei es für alle oder einzelne Kategorien von Leistungserbringern (Art. 46). Er kann also gezielt dort eingreifen, wo die Probleme am grössten sind. Zweitens hat er die Möglichkeit, die Zulassungen von Leistungserbringern zur Tätigkeit zulasten der sozialen Krankenversicherung einzuschränken und sie insbesondere auch von einem Bedürfnisnachweis abhängig zu machen (Art. 47).

Der Gesetzesentwurf enthält also ein breites Spektrum von Rahmenbedingungen und Massnahmen, die in ihrem Zusammenspiel zu einer wirksamen Kostendämpfung im erwähnten Sinn führen sollten. Dabei legt das Gesetz, wie gesagt, in erster Linie gewisse Rahmenbedingungen für die verschiedenen Partner im Gesundheitswesen fest. Es hängt von ihnen ab, diesen Rahmen auszuschöpfen. Erst als letzte Möglichkeit kann der Bundesrat ausserordentliche Massnahmen treffen.

Zusammenfassend können wir festhalten, dass diese Vorlage bezüglich der Kosteneindämmung weit über das bestehende Recht hinausgeht, und dass wir auch die Vorschläge der Expertenkommission praktisch vollständig übernommen haben (vgl. dazu die Zusammenstellung im Anhang). Oft sind wir überdies unter Berücksichtigung von Minderheitsanträgen in der Expertenkommission und von Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren über die Vorschläge der Expertenkommission hinausgegangen, beispielsweise bezüglich der Stellung des Preisüberwachers. Nicht weiter verfolgt haben wir entgegen einigen
Vernehmlassungen, aber in Übereinstimmung mit der Expertenkommission, den Vorschlag einer Grossrisikoversicherung (vgl. auch Ziff. 242). Schliesslich sind wir auch nicht auf Vorschläge eingetreten, als Massnahme zur Eindämmung der Kosten den Katalog der Leistungen einzuschränken. Gerade bei der Einführung der obligatorischen Versicherung scheint es uns wichtig, dass diese Versicherung den Zugang zu den heute vorhandenen medizinischen Leistungen ermöglicht und vermieden wird, dass die soziale Krankenversicherung lediglich 130

«zweitklassige» Leistungen erbringt. Im übrigen darf man die Bedeutung eines gesetzlichen Leistungskataloges nicht überbewerten. Die Kostensteigerung der vergangenen 20 Jahre ist bei unverändertem gesetzlichem Leistungskatalog entstanden.

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Ausweitung des Leistungskatalogs

In unseren Grundsätzen vom 23. August 1989 (vgl. Ziff. 142, Grundsatz 21) hielten wir fest, dass die Grundleistungen mindestens dem heutigen Katalog des KUVG entsprechen sollen, und fügten hinzu, dass Leistungserweiterungen gemäss Sofortprogramm (KMVG-Entwurf vom 20. März 1987) zu prüfen seien, was auch die Möglichkeit von Leistungserweiterungen über das Programm hinaus einschloss. Die Expertenkommission hat diesem Grundsatz in einem ausgewogenen Katalog (Art. 14-20) Gestalt gegeben, welcher mit unserer Optik übereinstimmt. Der Rahmen des Sofortprogramms wird in gewissem Mass überschritten, was im wesentlichen darin seine Erklärung findet, dass der neue Katalog eine abschliessende Aufzählung ist.

Wir haben daher einen solchen Katalog in unseren Gesetzesentwurf mit geringfügigen Änderungen (Vergütung von Transport- und Rettungskosten, Verzicht auf das Stillgeld) aufgenommen. Neu sind die folgenden in Artikel 19-25 des Entwurfs KVG aufgeführten Leistungen: Pflegemassnahmen ausserhalb des Spitals (Pflege zu Hause oder in einem Pflegeheim), zeitlich unbegrenzte Spitalpflege einschliesslich der «Hotelkosten» in der allgemeinen Abteilung, Mittel und Gegenstände, die der Untersuchung oder Behandlung dienen, Rehabilitationsmassnahmen (Art. 19); Präventionsmassnahmen (Art. 20); subsidiäre Versicherung bei Unfall (Art. 22); unter den spezifischen Leistungen bei Mutterschaft die unbeschränkte Zahl von Kontrolluntersuchungen während und nach der Schwangerschaft sowie die Stillberatung (Art. 23); zahnärztliche Behandlung, welche durch eine schwere Krankheit bedingt oder zu deren Behandlung notwendig ist, sowie, subsidiär, bei Unfall (Art. 25). Diese Leistungen sind neu im Gesetz, werden aber zum Teil schon heute von den Krankenkassen auf anderer Grundlage (statutarische Grundversicherung oder Zusatzversicherungen) übernommen. Im Vernehmlassungsverfahren wurden sie ausserordentlich positiv aufgenommen. Dies gilt insbesondere für die SPITEX-Leistungen, den Verzicht auf die Leistungsbegrenzung bei Spitalaufenthalten auf 720 Tage, die Einbeziehung der Präventivmassnahmen sowie die Übernahme bestimmter Zahnbehandlungen. Soweit Bedenken zum neuen Katalog geäussert wurden - dessen Transparenz allseits begrüsst wird -, beziehen diese sich auf die damit verbundenen Kosten. Tatsächlich kann man sich fragen, ob es nicht
paradox ist, in ein und demselben Gesetz eine Ausdehnung der Leistungen einerseits und die Schaffung von verschiedenen Instrumenten zur Eindämmung der Kosten andererseits vorzusehen.

Diese Bedenken sind zwar verständlich, aber unzutreffend. Die Ausdehnung der Leistungen ist unerlässlich. Damit besteht die Möglichkeit, zum Teil weit zurückliegenden - unbestrittenen - Forderungen Rechnung zu tragen (vgl. Liste der mit unserer Botschaft vom 19. Aug. 1981 über die Teilrevision der Krankenversicherung abgeschriebenen parlamentarischen Vorstösse sowie Ziff. 133 die131

ser Botschaft) und bestimmte stossende Lücken zu beseitigen (z. B. durch Einführung der zeitlich unbeschränkten Übernahme von Spitalpflegeleistungen sowie die Vergütung bestimmter Zahnbehandlungen). Hinzu kommt, dass die Ausdehnung der Leistungen zwingender ist im Rahmen einer obligatorischen Versicherung, welche auf grundsätzlich einheitlichen Prämien basiert und daher allen Versicherten denselben Leistungskatalog bieten muss. Der neue Leistungskatalog nach den Artikeln 19-25 Entwurf KVG ist abschliessend konzipiert. Mit anderen Worten: Alle nicht im Gesetz und seinen Durchführungsbestimmungen aufgeführten Leistungen sind ausschliesslich Gegenstand von Zusatzversicherungen; diese können den Sonderwünschen Rechnung tragen; die Prämien hierfür variieren von Versicherer zu Versicherer.

Es sei daran erinnert, dass die im heute geltenden Gesetz aufgeführten Leistungen (Art. 12 K.UVG) einen Mindestkatalog darstellen, welchen die Krankenkassen ihren Versicherten garantieren müssen. Es steht den Krankenkassen also frei, in ihren Statuten oder Reglementen die Übernahme anderer Leistungen im Rahmen der Grundversicherung vorzusehen. Diese Praxis hat für die betroffenen Versicherten Unbestrittenermassen Vorteile, doch verschärft sie die Ungleichheiten zwischen den Versicherten, verhindert objektive Vergleiche zwischen versicherten Leistungen und Prämien. Eine solche Praxis ist mit einem obligatorischen System, wie wir es Ihnen vorschlagen, nicht mehr vereinbar; das bedeutet aber auch, dass der Leistungskatalog ausgeweitet werden muss.

Wer kennt nicht den Satz «Die Gesundheit ist unbezahlbar, aber sie kostet Geld»? Tatsächlich haben sich die Kosten in den letzten Jahren alarmierend entwickelt. Wir haben daher in unseren Entwurf Massnahmen aufgenommen, von denen wir eine echte Kostendämpfung erwarten (vgl. Ziff. 22). Es gibt Stimmen, die diese Massnahmen für illusorisch halten, wenigstens zum Teil angesichts der Tatsache, dass wir gleichzeitig die Leistungen verbessern; sie vertreten die Meinung, dass die Leistungsausweitung aus sozialen Gründen möglicherweise gerechtfertigt sei, dass sie aber die «Kostenspirale» weiter in Bewegung hält. Nach anderen Äusserungen besteht die einzige wirklich kostendämpfende Massnahme darin, Abstriche an den Leistungen zu machen.

Wir teilen keinen der beiden Gesichtspunkte. Es
ist ein Ding der Unmöglichkeit zu quantifizieren, in welchem Umfang Ärzte die neuen Leistungen verordnen oder durchführen werden, die dann von der Krankenpflegeversicherung zu übernehmen sind. Hingegen lassen sich die finanziellen Auswirkungen des neuen Leistungskatalogs schätzen (vgl. Ziff. 412). Es ist klar, dass die Einführung dieses Katalogs zusammen mit dem Versicherungsobligatorium eine gewisse Kostensteigerung auslösen wird. Diese Schätzungen sind jedoch vorsichtig zu bewerten, da unvorhersehbare Elemente eine Rolle spielen können (z. B.

Entdeckung eines neuen Medikaments, mit dem weitgehende und gewichtige Einsparungen möglich sind oder andererseits das Auftreten einer Krankheit, die eine sehr teure Behandlung erfordert). In diesem Zusammenhang sind auch verschiedene demographische Faktoren zu nennen, die sich einer Beeinflussung entziehen (z. B. Alterung der Bevölkerung und damit verbunden verstärkter medizinischer «Konsum»).

Die Kostensteigerung zu Lasten der Krankenversicherung sollte sich jedoch in vernünftigen Grenzen halten, denn in den - zweifellos umfangreichen - Lei-

stungskatalog wurden Sicherheitsriegel eingebaut (namentlich Bezeichnung von Leistungen durch Verordnung mit Ausnahme der Leistungen von Ärzten und Chiropraktoren ; dreifache Voraussetzung für eine Leistungsübernahme nach Artikel 26; periodische Überprüfung der Technologien, damit nicht für überholte Methoden bezahlt wird). Mit anderen Worten: Wohl werden wir etwas mehr ausgeben aus Gründen, die mit der Struktur der Krankenpflegeversicherung zusammenhängen, dafür werden wir aber auch gezwungen, überlegter auszugeben und heute gelegentlich vorkommende Mängel zu vermeiden, wie unnötige Leistungswiederholungen, Wahl kostspieliger Technologien aus anderen als medizinischen Gründen.

Die Verknüpfung von Leistungserweiterung und Kosteneindämmung im selben Gesetz ist also alles andere als unangebracht. Der hier gewählte Weg gestattet, eine qualitative und quantitative Leîstungsratonierung zu vermeiden, welche mit einem liberalen Gesundheitswesen, wie dem unseren, unvereinbar ist. Jedenfalls stehen wir nach wie vor dazu, dass die Wahlfreiheit des Patienten auf der einen und die Behandlungsfreiheit des Arztes auf der anderen Seite die beiden Eckpfeiler unseres Systems sind und bleiben. Die Aufgabe der Krankenversicherung besteht darin, zwischen diesen beiden Eckpfeilern ein ausgewogenes Leistungskonzept zu erstellen mit dem vorrangigen Ziel, den Versicherten eine qualitativ hochstehende Behandlung zu möglichst günstigen Kosten zu gewährleisten. Leistungserweiterung und Kosteneindämmung sind also integrierender Bestandteil desselben Systems.

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Finanzierung

Im Bereich der Finanzierung bringt der Entwurf keine grundlegenden Änderungen im Vergleich zur geltenden Ordnung. Die Krankenversicherung soll weiterhin durch eine unbestimmte Zahl von Versicherern durchgeführt werden, von welchen jeder finanziell autonom ist. Das Ausgabenumlageverfahren mit einem Reservefonds der einzelnen Versicherer wird beibehalten. Sämtliche Versicherer, also auch die neu hinzutretenden privaten Versicherungsgesellschaften, haben in der Finanzierung der sozialen Krankenversicherung, das heisst der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der freiwilligen Taggeldversicherung, den Grundsatz der Gegenseitigkeit zu beachten. Dies bedeutet, dass die Einnahmen für die soziale Krankenversicherung dieser Versicherung erhalten bleiben müssen. Ein anfälliger Überschuss darf nicht für andere Zwecke verwendet werden, insbesondere dürfen keine Gewinnbeteiligungen ausgeschüttet werden. Der Entwurf kennt wie das geltende Recht für die obligatorische Krankenpflegeversicherung drei Finanzierungsquellen, nämlich die Prämien der Versicherten, die Kostenbeteiligung der Patienten und die Beiträge der öffentlichen Hand.

241

Prämien der Versicherten

Die Prämien der Versicherten bleiben die wichtigste Finanzierungsquelle der Krankenpflegeversicherung. Der Entwurf bleibt bei der individuellen Kopfprä133

mie, das heisst er verzichtet auf die Einführung von lohnprozentualen Prämien.

Die Kopfprämie ist die der heutigen und auch künftig vorgesehenen Organisation der Krankenversicherung entsprechende Art der Prämienerhebung. Wir haben bereits in unserer Botschaft vom 6. November 1991 zur Volksinitiative «für eine gesunde Krankenversicherung» (BEI 1991 IV 985) darauf hingewiesen, dass die Einführung von lohnprozentualen Prämien nach dem Modell der AHV auch Auswirkungen auf die Organisation der Krankenversicherung hätte. Die Krankenversicherer würden dadurch faktisch ihre finanzielle Autonomie verlieren, und es entstünde ein zentralistisch gesteuertes System der Krankenversicherung, das auch Auswirkungen auf die Kompetenzen der Kantone im Gesundheitswesen hätte (vgl. insbesondere Ziff. 233 der Botschaft zur Volksinitiative «für eine gesunde Krankenversicherung»), In Übereinstimmung mit der Expertenkommission verzichten wir deshalb auf die Einführung von lohnprozentualen Prämien.

An der heutigen Art der Prämienfestsetzung soll sich aber doch einiges ändern.

Heute gibt es zwischen den einzelnen Krankenkassen, aber auch innerhalb von Krankenkassen am gleichen Ort und für gleiche Leistungen Prämienunterschiede, die in einer sozialen Krankenversicherung nicht mehr zu rechtfertigen sind. Die heutige gesetzliche Regelung hat zu einer schleichenden Entsolidarisierung zu Lasten der Alten und der Kranken geführt. Dazu trägt vor allem die Tatsache bei, dass faktisch nur junge und gesunde Versicherte die Kassen wechseln und so von günstigeren Prämienangeboten profitieren können, und dass bei einer Auflösung von Krankenkassen ältere Versicherte benachteiligt sind (vgl. Ziff. 113). Eines der wichtigsten Ziele dieser Vorlage ist deshalb die Verstärkung der Solidarität (vgl. Ziff. 21), Dies wirkt sich nun bei der Festlegung der Prämien aus.

Innerhalb eines Versicherers soll es mit Ausnahme der Prämienabstufung zwischen Erwachsenen und Kindern und bei Prämien für besondere Versicherungsformen (vgl. Art. 54) in einer bestimmten Region keine Prämienunterschiede mehr geben. Aufgehoben werden somit die Prämienunterschiede nach Eintrittsalter und nach Geschlecht. Die Einführung der Prämiengleichheit zwischen den Geschlechtern entspricht dem Rechtsetzungsprogramm «Gleiche Rechte für Mann und Frau» (BB1 1986 I 1144 ff.,
Ziff. 4.14.2) Ausdrücklich abgelehnt wird aber auch eine Prämienabstufung nach dem effektiven Alter der Versicherten. Es trifft zwar zu, dass ältere Versicherte höhere Kosten verursachen als jüngere. Dies gilt aber, zwar in etwas geringerem Masse, auch für die Frauen im Vergleich zu den Männern (vgl. dazu die Grafik 2). In einer Sozialversicherung sollen aber unterschiedliche Risiken, vor allem wenn sie vom Versicherten nicht beeinflusst werden können, für die Festsetzung der Prämie keine Rolle spielen. Für eine Prämienabstufung nach dem Alter liesse sich auch nicht ins Feld führen, es gebe heute zahlreiche ältere Personen, die finanziell gut dastünden, und es seien heute oft jüngere Personen, die unter den Lasten der Sozialversicherungen am meisten litten. Eine Prämienabstufung nach dem Alter würde die wirtschaftliche Lage der Versicherten gerade nicht berücksichtigen.

Zugelassen bleiben Prämienabstufungen innerhalb eines Versicherers nach Regionen. Diese Abstufungen sind in erster Linie Ausdruck der Zuständigkeiten der Kantone im Gesundheitswesen. Diese kantonalen Unterschiede können sich

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insbesondere im Bereich der Spitäler und Pflegeheime, aber auch der spitalexternen Krankenpflege auswirken. Zudem erlaubt der vorliegende Entwurf auch bei den Tarifen regionale Unterschiede. Diese sollen sich auch in regional unterschiedlichen Prämien auswirken.

Im weiteren wird die finanzielle Autonomie der Versicherer auch zu unterschiedlichen Prämien zwischen den Versicherern führen. Solche Prämienunterschiede sind vor allem im Interesse einer Konkurrenz zwischen den Versicherern gewollt. Im Gegensatz zum geltenden Recht soll aber durch die volle Freizügigkeit der Versicherten zwischen den Versicherern eine echte Konkurrenz entstehen. Diese Konkurrenz wird die Prämienunterschiede im Vergleich zu heute verringern und auf jenes Mass beschränken, das auf eine effiziente Führung, eine gute Verwaltung und eine umfassende Kostenkontrolle zurückzuführen ist. Heute entstehen die grossen Prämienunterschiede vor allem durch Unterschiede in der Risikostruktur der Krankenkassen. Weil diese Unterschiede mit Inkrafttreten des Gesetzes nicht sofort beseitigt sind, soll zudem zwischen den Versicherern ein zeitlich begrenzter Risikoausgleich eingeführt werden (vgl.

Art. 97).

242

Kostenbeteiligung

Die Kostenbeteiligung soll auch unter dem neuen Recht beibehalten werden. In jeder Versicherung, nicht nur in einer Sozialversicherung, besteht die Tendenz, dass die Versicherten nach Bezahlung ihrer Prämie der Auffassung sind, nun müsse sich der Gegenwert für die Prämie möglichst bald in Form einer Versicherungsleistung wieder einstellen. Die Versicherung selbst kann also ein kostentreibender Faktor sein. Die Kostenbeteiligung ist ein bewährtes Instrument, um dieser Tendenz entgegenzuwirken. Gerade bei der Einführung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung soll dieses Instrument bestehen bleiben.

Über die Ausgestaltung und insbesondere über das Ausmass der Kostenbeteiligung gehen die Meinungen sehr stark auseinander. Auf der einen Seite wird die Kostenbeteiligung als unsozial bezeichnet, weil sie in ihrer konkreten Ausgestaltung auf die wirtschaftliche Situation der Versicherten keine Rücksicht nimmt.

Auf der anderen Seite wird von einer deutlichen Erhöhung der Kostenbeteiligung erwartet, dass sie das Kostenbewusstsein der Versicherten stärkt und so zur Kosteneindämmung beiträgt. Eine deutliche Erhöhung der Kostenbeteiligung könnte unseres Erachtens nur eingeführt werden, wenn sie gleichzeitig nach der wirtschaftlichen Situation der Versicherten abgestuft würde. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang sogar, die Kostenbeteiligung so zu erhöhen, dass die Krankenpflegeversicherung zu einer Grossrisikoversicherung wird. In unseren Grundsätzen zuhanden der Expertenkommission (vgl. Ziff. 142) haben wir angeregt, die Frage einer Grossrisikoversicherung zu prüfen. Die Expertenkommission hat diesen Gedanken aber verworfen. Ausschlaggebend war in erster Linie die Befürchtung, dass mit einer Grossrisikoversicherung, selbst bei einer Abstufung nach dem Einkommen der Versicherten, zu grosse Lücken im Versicherungsschutz entstehen würden. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass eine Abstufung des Versicherungsschutzes nach den Einkommen für die Versicherer mit einem grossen administrativen Aufwand verbunden wäre.

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243

Beiträge der öffentlichen Hand

Die heute vom Bund den Krankenkassen ausgerichteten Beiträge haben zum Zweck, die im Gesetz enthaltenen Auflagen (Pflicht zur Aufnahme unabhängig vom Gesundheitszustand; Beschränkung von Versicherungsvorbehalten auf fünf Jahre; Ausschluss von risikogerechten Prämien; Beachtung des gesetzlichen Leistungskatalogs usw.) mitzufmanzieren. Nur so kann in einer freiwilligen Versicherung, in welcher die Versicherer untereinander und mit Versicherern, für welche die gesetzlichen Auflagen nicht gelten, in Konkurrenz stehen, die gesetzlich angestrebte Solidarität erreicht werden. Die Bundesbeiträge sichern somit in einer freiwilligen Versicherung die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken ab.

Mit der Revision des KUVG vom Jahre 1964 (Bundesgesetz vom 13. März 1964) wurden einerseits die erwähnten gesetzlichen Auflagen auf den heute noch geltenden Stand gebracht und anderseits die ursprünglich für jedes Mitglied als feste Beiträge in Franken definierten ßundesbeiträge in Prozenten der Kosten der Krankenversicherung festgelegt. Die je Versicherten und für bestimmte Leistungen (Mutterschaft, Behandlung Invalider) ausgerichteten Bundesbeiträge sind damit jährlich im Verhältnis der Krankenpflegekosten und der Zunahme der Zahl der Versicherten angestiegen. Mit Bundesgesetz vom 5, Mai 1977 über Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushalts (SR 611.04) wurde diese automatische Anpassung der Bundesbeiträge an die Kostensteigerung in der Krankenversicherung wieder aufgehoben. Die Bundesbeiträge wurden auf dem Stand des Jahres 1976 plafoniert. Sie stiegen deshalb in der Folge nur noch mit der Zahl der Versicherten an. Mit Bundesbeschluss vom 23. März 1990 zur befristeten Anhebung der Subventionen an die Krankenkassen (AS 1990 1091) wurde diese Plafonierung etwas gelockert. Danach betragen die Bundesbeiträge an die Krankenkassen in den Jahren 1990-1994 pro Jahr 1,3 Milliarden Franken. Gleichzeitig wurde neben der Abstufung der Bundesbeiträge nach Geschlecht eine Abstufung nach Alter eingeführt, um so der unterschiedlichen Risikostruktur der einzelnen Krankenkassen Rechnung zu tragen.

Wie bereits die Expertenkommission festgestellt hat, muss in einer obligatorischen Versicherung die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken nicht durch Beiträge der öffentlichen Hand abgesichert werden. Wenn der Kreis der Versicherten
durch das Gesetz umschrieben wird, kann auch die zwischen den Versicherten angestrebte Solidarität durch das Gesetz festgelegt werden. Die Expertenkommission sah trotzdem noch vor, den Versicherern Bundesbeiträge für Leistungen bei Mutterschaft und zugunsten von älteren Personen auszurichten. Im vorliegenden Entwurf wird dieser Vorschlag der Expertenkommission nicht aufgenommen. Wenn solche Beiträge in einer obligatorischen Versicherung nicht mehr nötig sind, dann sollen sie konsequenterweise auch nicht mehr ausgerichtet werden. Dies vor allem deshalb, weil damit Mittel der öffentlichen Hand für die zweite Art der Solidarität verlorengehen, nämlich die Solidarität zugunsten von wirtschaftlich schlechter gestellten Versicherten. Wir fühlen uns in dieser Auffassung auch durch eine Motion der eidgenössischen Räte bestärkt. In dieser anlässlich der Beratungen über das Bundesgesetz vom 20. März 1987 angenommenen Motion wird der Bundesrat «eingeladen, dem Parlament 136

eine Vorlage über die Finanzierung der Krankenversicherung (Krankenpflege) zu unterbreiten, mit dem Ziel, die Bundesbeiträge nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Versicherten auszurichten». Genau dies soll nun geschehen, indem wir vorschlagen, die Bundesbeiträge, verbunden mit Beiträgen der Kantone, ausschliesslich zur individuellen Verbilligung der Prämien einzusetzen.

Der Bericht der Expertenkommission ging, bezogen auf das Jahr 1990, von einem Gesamtbetrag der Bundesbeiträge zugunsten der Krankenversicherung von 1536 Millionen Franken aus. Damit würden die Bundesbeiträge im Vergleich zur geltenden Ordnung um gut 200 Millionen Franken erhöht. Im vorliegenden Entwurf wird, bezogen auf die geschätzten Kosten des Jahres 1993, ein Bundesbeitrag von 2 Milliarden Franken pro Jahr vorgesehen. Gegenüber dem heutigen, noch bis zum Jahre 1994 geltenden Bundesbeitrag ist dies eine Erhöhung um 700 Millionen Franken. Dabei ist aber gleich anzufügen, dass dieser Jahresbeitrag nach den Vorstellungen des Bundesrates für vier Jahre konstant bleiben soll und anschliessend vom Parlament neu festzusetzen ist. Diese Erhöhung des Bundesbeitrages scheint uns aus den folgenden Gründen gerechtfertigt. Die Krankenversicherung ist die einzige Sozialversicherung mit individuellen Kopfprämien der Versicherten, also einer Finanzierungsart, welche nicht bereits von sich aus einen Ausgleich nach der wirtschaftlichen Situation der Versicherten bewirkt. Die Krankenversicherung ist heute jene Sozialversicherung, die am dringendsten einer Verstärkung der Solidarität bedarf. Dies kann aber nicht heissen, die Bundesbeiträge ohne zusätzliche Reformen massiv zu erhöhen. Aus diesem Grund lehnen wir zusammen mit dem Parlament die Volksinitiative «für eine finanziell tragbare Krankenversicherung» (Krankenkasseninitiative) ab.

Wenn es indessen gelingt, die Krankenversicherung umfassend zu reformieren, wie dies mit dem vorliegenden Entwurf angestrebt wird, dann scheint es uns richtig, dass auch der Bund seinen Beitrag zu einem guten Gelingen leistet.

Bei der Gesetzgebung zur Krankenversicherung trifft die Kompetenz des Bundes zur Einrichtung dieser Versicherung (Art. 34bis BV) auf die Kompetenzen der Kantone im Bereich des Gesundheitswesens. Sowohl im geltenden Recht wie im Entwurf kommt dieses Zusammenspiel vor allem in den
Bereichen Leistungserbringer und Tarife (Art. 29 ff. des Entwurfes) zur Geltung. Das heutige Recht (Art. 2 KUVG) ermächtigt zudem die Kantone, die Krankenversicherung allgemein oder für einzelne Teile der Bevölkerung obligatorisch zu erklären.

Einzelne Kantone entrichten eigene Beiträge an die Krankenversicherung. Dabei gibt es allerdings grosse Unterschiede. Insgesamt werden den Krankenkassen von den Kantonen und Gemeinden jährlich rund 600 Millionen Franken ausgerichtet, etwa je zur Hälfte als generelle Beiträge und als Beiträge für individuelle Prämienverbilligungen.

Der Entwurf verpflichtet nun die Kantone, Beiträge an die Krankenversicherung auszurichten, und zwar wie der Bund Beiträge zur individuellen Prämienverbilligung. Bundes- und Kantonsbeiträge sind deshalb in ein einheitliches Prämienverbilligungskonzept einzubinden. Danach richtet der Bund seine Beiträge den Kantonen aus. Gleichzeitig werden die Kantone verpflichtet, diese Beiträge aus eigenen Mitteln in einem bestimmten Ausmass zu erhöhen und den Gesamtbetrag nach den im Gesetz festgelegten Grundsätzen zur individuellen Prämienverbilligung zu verwenden (vgl. Art. 57 und 58 des Entwurfes). Ins137

gesamt sollen die Kantone l Milliarde Franken für individuelle Prämienverbilligungen aufbringen. Verglichen mit den 600 Millionen, die Kantone und Gemeinden schon heute den Krankenkassen ausrichten, hält sich diese Steigerung etwa im gleichen Rahmen wie die Steigerung der Bundesbeiträge von 1300 auf 2000 Millionen Franken. Ausgehend von den heutigen Regelungen der einzelnen Kantone wird die Nettobelastung der Kantone aber sehr unterschiedlich ausfallen.

Nach dem Bundesgesetz vom 20. März 1987 hätten die Kantone ebenfalls Beiträge zur individuellen Prämienverbilligung entrichten müssen. Dabei wäre ihnen allerdings die Ausgestaltung und die Höhe der Beiträge freigestellt gewesen. Zudem hätten sie sich noch zur Hälfte am Bundesbeitrag an die Krankenkassen beteiligen müssen. Im Rahmen der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen war dafür eine Entlastung der Kantone beim Beitrag an die Altersund Hinterlassenenversicherung vorgesehen. Nachdem nun der Bund im Gegensatz zum geltenden Recht und zum Bundesgesetz vom 20. März 1987 den Versicherern nicht mehr Beiträge zur Abgeltung von gesetzlichen Auflagen ausrichtet, sondern seine gesamten Beiträge zur individuellen Prämienverbilligung verwenden kann und der Anteil des Bundes an diesen Beiträgen so zwei Drittel beträgt, verzichtet der vorliegende Entwurf auf eine Kompensation der Kantone in anderen Bereichen.

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Taggeldversicherung

Bereits in der ursprünglichen Fassung des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung wurde den Krankenkassen vorgeschrieben, ihren Mitgliedern entweder «ärztliche Behandlung und Arznei oder ein tägliches Krankengeld zu gewähren». In der heute noch geltenden Fassung vom 13. März 1964 wird zwischen der Krankenpflegeversicherung (Art. 12 Abs. 2 KUVG) und der Krankengeldversicherung (Art. 12bis KUVG) unterschieden. Die Krankengeldversicherung, das heisst die Versicherung des Erwerbsausfalles bei Krankheit, wurde also von Beginn an einerseits als Teil der Krankenversicherung gleichzeitig aber auch als besonderer Zweig dieser Versicherung verstanden. Bei diesem Konzept bleibt auch der vorliegende Entwurf, wobei uns der Ausdruck «Taggeldversicherung» angemessener erscheint als «Krankengeldversicherung», weil die Leistungen nicht nur bei Krankheit, sondern auch bei Mutterschaft und subsidiär auch bei Unfall zu erbringen sind (vgl.

Art. l Abs. 2).

Die Taggeldversicherung war nicht Gegenstand der Beratungen der Expertenkommission. Auch der Expertenkommission war indessen klar, dass das Gesetz Bestimmungen zur Taggeldversicherung enthalten muss. Sie sah dies in der Systematik des Gesetzes ausdrücklich vor. Ein völliger Verzicht auf Bestimmungen über die Taggeldversicherung würde nämlich bedeuten, dass das Risiko eines Erwerbsausfalles wegen Krankheit und Mutterschaft künftig nicht mehr im Rahmen einer Sozialversicherung abgedeckt werden könnte. Insbesondere wären bei einem Verzicht auf eine gesetzliche Regelung das Recht auf Abschluss der Versicherung, die zeitliche Beschränkung von Versicherungsvorbehalten, die Leistungsdauer, die Prämiengestaltung und der Einschluss der Mutterschaft 138

künftig nicht mehr garantiert, sondern einem privatrechtlichen Versicherungsvertrag überlassen. Im Vernehmlassungsverfahren unterbreitete das Eidgenössische Departement des Innern deshalb einen Vorschlag zur Revision der Taggeldversicherung. Dieser sah im Rahmen der weiterhin freiwilligen Versicherung ein Recht auf Abschluss einer Versicherung bis zu 80 Prozent des Erwerbseinkommens vor. Zudem hätte auch nicht erwerbstätigen Personen der Zugang zur Taggeldversicherung in grösserem Ausmass als heute ermöglicht werden sollen (Versicherung der Aufwendungen für eine Ersatzkraft). Im weiteren sah dieser Vorschlag Verbesserungen im Bereich der Mutterschaft vor, nämlich eine Ausdehnung der Leistungsdauer des Taggeldes bei Mutterschaft von heute 10 auf 16 Wochen sowie für alle Mütter eine Finanzierung des Taggeldes bis zu einem Betrag von 30 Franken durch Beiträge der öffentlichen Hand.

In zahlreichen Vernehmlassungen wurde gegen den Vorschlag des Eidgenössischen Departementes des Innern vorgebracht, dieser belaste die Vorlage zu stark. Insbesondere werde mit den Vorschlägen im Bereich der Leistungen bei Mutterschaft ein Thema angeschnitten, welches wesentlich zur Ablehnung des Bundesgesetzes vom 20. März 1987 beigetragen habe. Andererseits wurde aber auch die Einführung einer obligatorischen Taggeldversicherung für alle Arbeitnehmer verlangt.

Die Einführung eines Versicheningsobligatoriums für Arbeitnehmer kann nach Ansicht des Bundesrates im Rahmen dieser Vorlage nicht verwirklicht werden.

Mit der Botschaft vom 19. August 1981 über die Teilrevision der Krankenversicherung hat der Bundesrat einen entsprechenden Antrag gestellt. Dieser Teil der Vorlage wurde indessen bereits vom Parlament abgelehnt. Für den Bundesrat steht zur Zeit die Revision der Krankenpflegeversicherung im Vordergrund.

Ein gleichzeitig gestellter Antrag auf Einführung einer obligatorischen Taggeldversicherung würde die Vorlage zu stark belasten. Aus dem gleichen Grund verzichten wir aber auch auf punktuelle Verbesserungen im Rahmen einer freiwilligen Versicherung. Der enge Zusammenhang zwischen Erwerbsausfallversicherung und Arbeitsverhältnis erlaubt es, solche zumindest teilweise auch im Rahmen von Arbeitsverträgen vorzunehmen. Aus diesem Grund sehen wir insbesondere davon ab, in der Taggeldversicherung eine individuelle
Prämienverbilligung einzuführen. Faktisch würde damit eine Beteiligung der öffentlichen Hand an der Finanzierung der Lohnfortzahlung bei Krankheit eingeführt. Nachdem in dieser Vorlage bewusst darauf verzichtet wird, eine Mitfinanzierung der Arbeitgeber bei der Krankenpflegeversicherung einzuführen, scheint es uns auf der anderen Seite auch richtig, dass in der Taggeldversicherung keine Subventionen der öffentlichen Hand für Prämienverbilligungen eingeführt werden. Solche Subventionen würden im Ergebnis ohnehin den Betrag für Prämienverbilligungen der Krankenpflegeversicherung schmälern.

Aufgrund der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens verzichtet der Bundesrat aber auch darauf, mit dieser Vorlage gewisse Verbesserungen bei Mutterschaft im Rahmen einer freiwilligen Versicherung zu beantragen. Mit den in einer freiwilligen Taggeldversicherung möglichen Verbesserungen können die Forderungen auf Verwirklichung eines umfassenden Schutzes der Mutterschaft nicht erfüllt werden. Eine Standesinitiative des Kantons Genf vom 29. Februar 1988 verlangt sogar eine von der Krankenversicherung unabhängige Mutter139

Schaftsversicherung. Bei der Behandlung dieser Initiative haben Ständerat und Nationalrat mit gleichlautenden Postulaten (Postulat des Ständerates vom 14. Dez. 1989; Postulat des Nationalrates vom 13. Dez. 1990) den Bundesrat «eingeladen zu prüfen und zu berichten, wie unverzüglich ein von der Krankenversicherung unabhängiger Entwurf für die Mutterschaftsversicherung ausgearbeitet werden kann». Der Bundesrat sieht dies für die Legislaturplanung 1991-1995 vor. Es scheint ihm deshalb am konsequentesten, im Zusammenhang mit der Taggeldversicherung bei Krankheit die Diskussion über Verbesserungen beim Schutz der Mutterschaft gar nicht zu eröffnen, also auch die heutigen Regelungen über das Taggeld bei Mutterschaft vorläufig nicht zu ändern. Hingegen soll auch in der Taggeldversicherung der Grundsatz der Prämiengleichheit zwischen Männern und Frauen eingeführt werden. Dies entspricht dem Rechtsetzungsprogramm des Bundesrates «Gleiche Rechte für Mann und Frau» (BB1 19861 1144 ff. Ziff. 4.14.2).

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Besonderer Teil: Erläuterungen der einzelnen Bestimmungen

Geltungsbereich und Begriffe

Artikel l

Geltungsbereich

Das Gesetz regelt die soziale Krankenversicherung, nicht aber die Zusatzversicherungen; diese unterliegen dem Privatrecht, auch wenn sie von Krankenkassen betrieben werden (unter Vorbehalt der Bestimmungen über die Krankenkassenaufsicht; s. Art. 16 Abs. 3). Es wird klar unterschieden zwischen der sozialen Versicherung mit einem umfassenden Leistungsangebot (inkl. des wesentlichen Teils der «Hotelkosten» bei Spitalaufenthalt in der allgemeinenAbteilung) und der Zusatzversicherung für besondere Wünsche, wie Unterkunft in der privaten oder halbprivaten Abteilung. Daher gibt es keinen Grund, die Zusatzversicherungen der Sozialgesetzgebung zu unterstellen. Sie werden in Zukunft auf privatrechtlichen Verträgen basieren, was unter anderem den Vorteil hat, dass sie nicht mehr einseitig durch eine Krankenkasse abgeändert werden können. Die Unterstellung der von den Krankenkassen angebotenen Zusatzversicherungen unter das Privatrecht drängt sich auch aus einem anderen Gesichtspunkt auf, nämlich wegen der Gleichbehandlung von Krankenkassen und Privatversicherern, die neu ebenfalls zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung berechtigt sein sollen (s. Art. 8). Bei der Unfallversicherung sind Sozialversicherung und Zusatzversicherung bereits heute unterschiedlich geregelt, ohne dass sich daraus besondere Probleme ergeben haben. Wohl werden die Kassen bei den Zusatzversicherungen bestimmte Grundsätze der sozialen Krankenversicherung nicht mehr beachten müssen (sie werden z. B. Versicherungsvorbehalte für mehr als fünf Jahre anbringen können); man muss aber betonen, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung einen breiteren Schutz gewähren wird als die Grundversicherung nach geltendem Recht.

Die soziale Krankenversicherung umfasst eine obligatorische Krankenpflegeversicherung und eine freiwillige Taggeldversicherung. Die letztere ist insofern 140

sozial, als die im geltenden Gesetz vorgesehenen Garantien bezüglich Zugang zur Versicherung aufrechterhalten werden (s. Erläuterungen zu den Artikeln 59-69). Die zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung berechtigten Versicherer werden verpflichtet sein, beide Versicherungsarten anzubieten (Art. 10 Abs. 2 Bst. d).

Die soziale Krankenversicherung deckt nicht nur die Krankheit ab, sondern auch den Unfall und die Mutterschaft. Unfälle sind jedoch nur gedeckt, soweit sie nicht von einer obligatorischen oder privaten Unfallversicherung übernommen werden. In diesem Bereich ist die soziale Krankenversicherung subsidiär, das heisst sie kann zur Deckung von Kosten gezwungen sein, die nicht von einer Unfallversicherung getragen werden. Die meisten Krankenkassen kennen heute schon die subsidiäre Deckung von Unfallkosten. Die Haftpflichtversicherung ist hier nicht angesprochen; sie ist Gegenstand von Artikel 71 (Rückgriff).

Auf den im Vernehmlassungsverfahren unterbreiteten Vorschlag, den gemäss Gesetz über die Unfallversicherung Versicherten den Prämienanteil für das Unfallrisiko zu erlassen, wurde nicht eingetreten, denn es entstünde dabei die Gefahr schwerwiegender Versicherungslücken bei Beginn, Unterbruch, Einschränkung oder Aufgabe der Berufstätigkeit. Die Unfallversicherung ist nämlich nicht verpflichtet, für die Folgen eines vor Deckungsbeginn eingetretenen Unfalls aufzukommen. Daher soll hier eine gewisse Solidarität zwischen Erwerbsund Nichterwerbstätigen spielen, umso mehr als es sich bei den letzteren oft um Familienmitglieder erwerbstätiger Personen handelt.

Da die Mutterschaft zum Geltungsbereich des neuen Gesetzes gehört, wird die Schweiz nun über eine obligatorische Mutterschaftsversicherung für medizinische Leistungen verfügen. Die Taggeldversicherung dagegen bleibt freiwillig.

Artikel 2 Begriffe Die Definitionen von Krankheit, Unfall und Mutterschaft sind den Artikeln 3 Absatz l, 4 Absatz l und 5 des Entwurfs für einen Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, Entwurf in der Fassung der Kommission des Ständerates vom 27. Sept. 1990) entnommen. Diese stützen sich ihrerseits auf die Rechtsprechung.

Obligatorische Krankenpflegeversicherung

Artikels Versicherungspflichtige Personen Die Krankenpflegeversicherung ist für die gesamte Bevölkerung obligatorisch.

Die Gründe für diese wesentliche Neuerung sind in Ziffer 21 dargelegt. Das Gesetz sieht eine Versicherungspflicht und nicht eine automatische Versicherung vor. Dadurch wird der Verwaltungsaufwand begrenzt, und es kann auf eine Ersatzkasse verzichtet werden. Obwohl die Versicherung nicht von Gesetzes wegen besteht, lässt sich mit der Beitrittskontrolle und der Zuweisung an einen Versicherer (Art. 6), mit der Unmöglichkeit, ein Versicherungsverhältnis ohne Bestätigung des neuen Versicherers zu beenden (Art. 7) und mit dem finanziellen Nachteil bei verspätetem Beitritt (Art. 5 Abs. 2) erreichen, dass tatsächlich die ganze Bevölkerung versichert ist.

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Jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz ist versicherungspflichtig; Minderjährige sind durch den gesetzlichen Vertreter zu versichern. Für den Begriff Wohnsitz gilt die Definition gemäss Artikel 23-26 Zivilgesetzbuch. Die Versicherungspflicht kann auf dem Verordnungsweg auf. Personen ausgedehnt werden, die nicht in der Schweiz wohnhaft sind (Grenzgänger, Saisonniers, Asylsuchende usw.) oder die vorübergehend ihren Wohnsitz im Ausland haben (entsandte Arbeitnehmer und ihre Familien). Andererseits sind - wie bei der AHV und der Unfallversicherung - einzelne Personen vom Versicherungsobligatorium ausgenommen, insbesondere das Personal ausländischer diplomatischer Missionen und die Beamten internationaler Organisationen.

Die Versicherungspflichtigen müssen sich (und in der Schweiz wohnhafte Minderjährige) innert drei Monaten bei einem Versicherer im Sinne dieses Gesetzes versichern. Wird diese Frist eingehalten, gilt die Versicherung gemäss Artikel 5 Absatz l rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Wohnsitznahme (bzw. der Geburt) in der Schweiz. Die Folgen eines verspäteten Beitritts oder der Zuweisung an einen Versicherer sind in Artikel 5 Absatz 2 erwähnt.

Artikel 4 Wahl des Versicherers Die Versicherungspflichtigen können unter den Versicherern im Sinne dieses Gesetzes wählen, das heisst nicht nur unter den Krankenkassen, sondern auch unter den zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung berechtigten Privatversicherern (Art. 8). Bei Zuweisung an einen Versicherer (Art. 6 Abs. 2) gilt der Grundsatz der freien Wahl jedoch nicht.

Die Versicherer sind verpflichtet, alle Versicherungswilligen in ihrem örtlichen Tätigkeitsgebiet aufzunehmen. Es können ihnen demnach keine Bedingungen bezüglich Höchsteintrittsalter oder Zugehörigkeit zu einem bestimmten Beruf bzw. Betrieb mehr gestellt werden. Auch Karenzzeiten und Versicherungsvorbehalte kommen nicht mehr in Frage, da sie mit dem System des Versicherungsobligatoriums unvereinbar sind (s. Ziff. 21), Aus demselben Grund darf auch kein Versicherter ausgeschlossen werden.

Wenn z. B. jemand seine Prämien nicht bezahlt, muss sich der Versicherer mit den ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln um das Inkasso bemühen (Betreibung, Verrechnung mit Versicherungsleistungen).

Berufs- und Betriebskassen können weiterbestehen, werden jedoch zu «offenen» Kassen
und müssen auch Personen aufnehmen, die nicht oder nicht mehr zum entsprechenden Beruf oder Betrieb gehören. Der Fortbestand «geschlossener» Kassen widerspräche dem auf der vollen Freizügigkeit aller Versicherten der obligatorischen Versicherung beruhenden System. Dies ist bei regionalen Kassen (z. B. Gemeindekassen) nicht der Fall, denn sie versichern im betreffenden Gebiet alle Personenkategorien. Versicherer können deshalb nur das örtliche Tätigkeitsgebiet als Grund für die Nichtaufnahme geltend machen.

Artikel 5 Beginn und Ende der Versicherung Bei rechtzeitigem Beitritt bzw. Anmeldung durch den gesetzlichen Vertreter innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme oder der Geburt in der Schweiz (gemäss Art. 3 Abs. 1) beginnt die Versicherung im Zeitpunkt der Wohnsitznahme bzw. der Geburt. Der gewählte Versicherer deckt die Krankheitskosten 142

seit diesem Zeitpunkt und fordert rückwirkend die Prämien. Dehnt der Bundesrat die Versicherungspflicht auf Personen aus, die ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz haben (Art. 3 Abs. 3), muss er auch entsprechende Vorschriften über den Beginn der Versicherung erlassen.

Bei verspätetem Beitritt oder Zuweisung an einen Versicherer (gemäss Art. 6 Abs. 2) nach der Frist von drei Monaten gilt die Versicherung nicht rückwirkend; sie beginnt im Zeitpunkt des Beitritts. Vor diesem Datum entstandene Krankheitskosten sind vom Versicherten zu tragen. Es können aber auch keine Prämien rückwirkend eingefordert werden. Der Versicherer wird von verspätet Beigetretenen hingegen eine höhere Prämie verlangen als von den übrigen Versicherten. Er bestimmt den Beitragszuschlag selber, muss dabei aber die vom Bundesrat in Form von Richtsätzen vorgegebenen Grenzen beachten. Bei der Festlegung der Richtsätze sind die Höhe der Prämien bei allen Versicherern der betreffenden Region und die Dauer der Verspätung zu berücksichtigen, also die Kosten der Krankenpflegeversicherung in der Region und das Mass, in dem der Versicherte nicht zur Versicherungssolidarität beigetragen hat. Ist die Verspätung einem schwerwiegenden Hinderungsgrund wie Krankheit oder Unfall zuzuschreiben, wird kein Beitragszuschlag erhoben. Wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist, der Beitragszuschlag für den Betroffenen aber eine Notlage zur Folge hätte, muss der Versicherer den Zuschlag herabsetzen und dabei der Lage des Versicherten (Finanzlage, Familiensituation usw.) und den Umständen der Verspätung (z. B. Unkenntis der Sprache) angemessen Rechnung tragen.

Der zweite Satz von Artikel 5 Absatz 2 wird zweifellos eine abschreckende Wirkung auf diejenigen haben, die versucht sein könnten, das System zu missbrauchen und erst beizutreten, wenn sie kostspielige Pflege brauchen oder krankheitsanfälliger werden. Missbräuche dieser Art dürften allerdings selten vorkommen, da sie voraussetzen, dass die Betroffenen der Beitrittskontrolle und der Zuweisung an einen Versicherten entgangen sind (siehe Art. 6). Ausserdem sind für Versicherungspflichtige, die der obligatorischen Versicherung nicht rechtzeitig beitreten, Strafbestimmungen vorgesehen (s. Art. 83).

Die obligatorische Versicherung endet, wenn die Bedingungen dafür nicht mehr erfüllt sind, das heisst
insbesondere beim endgültigen Verlassen der Schweiz oder beim Tod des Versicherten.

Artikel 6 Kontrolle des Beitritts und Zuweisung an einen Versicherer Wie bei der Unfallversicherung obliegt die Beitrittskontrolle den Kantonen. Sie können diese nach Belieben gestalten und z. B. ihre Aufgaben ganz oder teilweise an die Gemeinden delegieren. In den Kantonen, die bereits über eine allgemeine obligatorische Krankenversicherung verfügen, hat sich erwiesen, dass sich der Verwaltungsaufwand in der Praxis durch einen zweckmässigen Einsatz der vorhandenen Einrichtungen, wie die kantonalen Dienststellen für die Krankenversicherung und die Einwohnerkontrollen der Gemeinden, begrenzen lässt.

Zahlreiche Kantone beschäftigen heute schon Beamte im Krankenversicherungsbereich, insbesondere für die Zuteilung der Kantonsbeiträge an die Kassen.

Sobald die zuständige Behörde feststellt, dass sich jemand nicht rechtzeitig versichert hat, erfolgt ohne weitere Frist die Zuweisung an einen Versicherer. In 143

diesem Fall ist die freie Wahl des Versicherers aufgehoben (unter den in Art. 7 erwähnten Bedingungen ist jedoch später ein Wechsel möglich). Die Betroffenen werden nach einem vom Kanton nach Anhören der Versicherer festgelegten Verteilungsschlüssel zugewiesen. Das Instrument der Zuweisung von Amtes wegen hat sich bei der Unfallversicherung und in den Kantonen mit einer obligatorischen Krankenversicherung bewährt.

Die Bestimmung von Artikel 7 Absatz 3, die bei einem Wechsel den Versicherern die Vermeidung von Versicherungslücken überträgt, erleichtert die Kontrolle beträchtlich. Die Kantone brauchen nur die Unterstellung unter die obligatorische Versicherung zu überwachen, während die Versicherer dafür zu sorgen haben, dass auch bei einem Wechsel niemand der obligatorischen Versicherung entgeht.

Artikel 7 Wechsel des Versicherers Die Versicherten müssen den Versicherer wechseln können. Dies folgt aus dem Grundsatz der freien Wahl des Versicherers und fördert einen gesunden Wettbewerb. Aus verwaltungstechnischen Gründen kann der Versicherte seinen Versicherer jedoch nur am 31. Juli oder am 31. Dezember und unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist verlassen. Bei Prämienanpassungen beträgt die Kündigungsfrist einen Monat, und der Versicherer muss diese mindestens zwei Monate im voraus ankündigen. Ist der Versicherte gezwungen, einen Versicherer zu verlassen, weil sein Arbeitsvertrag den Beitritt zu einer Betriebsversicherung vorsieht, weil er seinen Wohnort ausserhalb des örtlichen Tätigkeitsgebietes des Versicherers verlegt oder weil der Versicherer die soziale Krankenversicherung nicht mehr durchführt, müssen diese Fristen und Bedingungen nicht eingehalten werden. In diesem Fall endet das Versicherungsverhältnis im Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme, des Wohnortswechsels oder des Entzugs der Anerkennung bzw. der Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung. Dagegen können die Versicherten der in Artikel 54 vorgesehenen speziellen Versicherungsforroen («HMO», Versicherungen mit Bonussystem usw.) verpflichtet sein, während einer Mindestfrist von mehr als einem halben Jahr bei diesem Versicherer zu bleiben; dabei ist aber nicht zu vergessen, dass sie diese Versicherungsform frei gewählt haben.

Es ist äusserst wichtig, dass ein Wechsel des Versicherers keinen Unterbruch in
der Zugehörigkeit zur obligatorischen Versicherung verursacht. Deshalb bestimmt Artikel 7 Absatz 3, dass der Versicherte einen Versicherer erst verlassen kann, wenn diesem bestätigt wurde, dass ein anderer Versicherer die Versicherung übernommen hat. Solange er diese Bestätigung nicht erhalten hat, muss der Versicherer den Betroffenen auch über den Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme oder des Wohnortswechsels hinaus weiterversichern. Unterlässt es der neue Versicherer, die Aufnahme des Versicherten zu bestätigen, muss er diesem eine allfällige Prämiendifferenz zurückvergüten. Gibt ein Versicherer aus freien Stükken oder aufgrund eines behördlichen Entscheids die soziale Krankenversicherung auf, tritt der Entzug der Anerkennung bzw. der Bewilligung zur Durchführung der Krankenversicherung erst in Kraft, wenn alle Versicherten von einem anderen Versicherer übernommen worden sind (Art. 10 Abs. 3).

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Organisation Artikel 8 Art der Versicherer Wie bisher wird eine Vielzahl von Versicherern die Krankenversicherung betreiben. Zu den Krankenkassen kommen nun die Privatversicherer hinzu. Dieses System hat sich bei der Unfallversicherung bewährt. Selbstverständlich müssen alle Versicherer, die sich am Vollzug des KVG beteiligen, die soziale Krankenversicherung nach denselben Bestimmungen durchführen, das heisst von den übrigen Versicherungen völlig getrennt und ohne Erwerbszweck. Zudem werden die Prämien aller Versicherer in das vorgesehene Verbilligungssystem einbezogen. Die Krankenkassen sind in Artikel 9 definiert (die offizielle Anerkennung gehört mit zur Definition), während sich die übrigen Versicherer nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz konstituieren. Sie müssen berechtigt sein, die private Krankenversicherung zu betreiben und die gemäss Artikel 10 erteilte Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung beantragt und erhalten haben.

Artikel 9 Krankenkassen Wie die übrigen gemäss Versicherungsaufsichtsgesetz anerkannten Versicherer bedürfen auch die Krankenkassen einer Anerkennung, und zwar wie bisher aufgrund der Gesetzgebung über die Krankenversicherung. Es sind die Krankenkassen im Sinne des geltenden Rechts. Sie können die Form eines Vereins (gemäss Art. 60 Zivilgesetzbuch, ZGB), einer Stiftung (Art. 80 ZGB), einer Genossenschaft (Art. 828 und 829 Obligationenrecht) oder einer Person des kantonalen öffentlichen Rechts annehmen (öffentliche Kassen, je nach kantonalem Recht auch auf Gemeindeebene). Unabhängig von ihrer juristischen Form zeichnen sich die Krankenkassen dadurch aus, dass sie, auch im Bereich der Zusatzversicherungen, keinen Erwerbszweck verfolgen. Sie sind ausserdem ihrem Wesen nach Institutionen der Sozialversicherung, das heisst die soziale Krankenversicherung muss ihre Haupttätigkeit sein. Die Anerkennung durch die Bundesbehörde schliesslich ist für eine Krankenkasse im Sinne des KVG eine unerlässliche Bedingung. Beschränkt sich eine Kasse auf private Krankenversicherungen, ist sie dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) unterstellt und muss die darin festgelegten Bedingungen erfüllen. Eine Ausnahme bilden nichtanerkannte betriebliche Personalversicherungseinrichtungen (Art. 4 Abs. 1 Bst. c VAG); diese sind jedoch selten und beschränken sich in der Regel
auf Taggeldversicherungen.

Die Krankenkassen werden weiterhin Zusatzversicherungen anbieten und bescheidene Kapitalabfindungen gewähren können. Aus den oben erwähnten Gründen (Erläuterungen zu Art. 1) werden diese Versicherungen künftig durch das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag geregelt. Die Zusatzversicherungen sollen definitionsgemäss ähnliche Leistungen umfassen wie sie die Kassen im Rahmen der Sozialversicherung erbringen. Es geht dabei vor allem um den Spitalaufenthalt in der halbprivaten oder privaten Abteilung. Da künftig für diese Versicherungen die Vertragsfreiheit gilt, können die Kassen sie nicht mehr für «obligatorisch» erklären (s. Art. 28 Abs. 1).

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Die Geldleistungen, welche die Krankenkassen auch in Zukunft gewähren können, entsprechen den Bestimmungen der Verordnung vom 22. November 1989 über den Betrieb anderer Versicherungsarten durch anerkannte Krankenkassen (S R 832.122). Es handelt sich um Entschädigungen im Todesfall und bei Invalidität, für die vom Bundesrat Höchstsätze festgelegt sind (z. B. 6000 Fr. Sterbegeld oder Invaliditätsentschädigung, 70 000 Fr. bei Lähmungsinvalidität).

Der Vollständigkeit halber wird in Artikel 9 Absatz 2 daran erinnert, dass die Krankenkassen auch die Unfallversicherung im Sinne des UVG betreiben dürfen. Diese Möglichkeit wird jedoch durch Artikel 70 Absatz 2 UVG auf die Heilbehandlung und die Taggelder beschränkt; die Rentenleistungen werden von einem anderen Versicherer erbracht, mit dem die Kasse eine Vereinbarung treffen muss, Zusatzversicherungen und beschränkte Kapitalversicherungen können beim gleichen Versicherer wie die soziale Krankenversicherung oder bei einem anderen Versicherer abgeschlossen werden. Es kann anderseits auch vorkommen, dass ein Versicherter unter den in Artikel 7 erwähnten Bedingungen den Versicherer für die soziale Krankenversicherung wechseln kann, aber durch einen Zusatzversicherungsvertrag noch für eine gewisse Zeit an den ersten Versicherer gebunden bleibt.

Artikel 10 Anerkennung und Durchführungsbewilligung Die Versicherer, die sich am Vollzug des KVG beteiligen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, was durch die Behörde zu bestätigen ist. Bei den Krankenkassen ist es die Anerkennung, die es ihnen erlaubt, die soziale Krankenversicherung sowie die Zusatzversicherungen und die beschränkten Kapitalversicherungen im Sinne von Artikel 9 Absatz 2 zu betreiben. Andere, gemäss Versicherungsaufsichtsgesetz bereits anerkannte Versicherer brauchen eine Durchführungsbewilligung, die sich nur auf die soziale Krankenversicherung bezieht, da diese Versicherer schon zur Durchführung von Zusatzversicherungen berechtigt sind.

Die Versicherer müssen allen Gesetzesanforderungen (Art. 10 Abs. 1) gerecht werden und insbesondere den Bedingungen von Artikel 10 Absatz 2 genügen.

Dazu einige Erläuterungen: - Im Rahmen der sozialen Krankenversicherung sind die Versicherer dem Grundsatz der Gegenseitigkeit verpflichtet, was im wesentlichen bedeutet, dass sie bei dieser Versicherung keinen
Gewinn erzielen dürfen (die übrigen Merkmale dieses Prinzips ergeben sich aus der neuen Ausgestaltung der Versicherung mit Einheitsprämien pro Kasse und einem festen Leistungskatalog). Ausserdem ist auch der verwaltungsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten. Schliesslich haben die Versicherer dafür zu sorgen, dass die soziale Krankenversicherung selbsttragend ist.

- Die Versicherer müssen sich so organisieren, dass sie ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen können, indem sie z. B. ihre Verwaltung der Anzahl der Versicherten und dem Tätigkeitsgebiet anpassen. Wichtig ist auch, dass die Organisation gut funktioniert und die Verantwortlichen die zur 146

Durchführung einer Sozialversicherung nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen.

- In finanzieller Hinsicht müssen die Versicherer insbesondere über die vorgeschriebenen Reserven und Liquiditäten verfügen. Eine minimale Ausgangsreserve (Eigenkapital zu Beginn der Tätigkeit als Sozialversicherer) wird auf dem Verordnungsweg festgelegt. Die finanziellen Anforderungen müssen jederzeit erfüllt sein; bei ungenügenden Einnahmen der sozialen Krankenversicherung sind die Prämien zu erhöhen. Zu den Pflichten der Versicherer gehören nicht nur die Auszahlung der Versicherungsleistungen und die Schaffung von Reserven, sie müssen auch Beiträge an die in Artikel 15 vorgesehene gemeinsame Einrichtung entrichten.

- Versicherer, die sich für die Durchführung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung entscheiden, sind verpflichtet, auch die freiwillige Taggeldversicherung gemäss KVG anzubieten. Aus den in Ziffer 25 erwähnten Gründen muss dieser (von der grossen Mehrheit der Kassen heute durchgeführte) Versicherungszweig im Rahmen der sozialen Krankenversicherung beibehalten werden, denn er wäre ohne Durchführungspflicht nicht garantiert.

- Ausländische Versicherer können die soziale Krankenversicherung nicht direkt betreiben. Der öffentlich-rechtliche Charakter der Versicherung bedingt einen Sitz in der Schweiz. Bei der Durchführung der sozialen Krankenversicherung handeln die Versicherer als Organe der schweizerischen Sozialversicherung, denen ein Teil der öffentlichen Gewalt eingeräumt wird. Daher ist eine ständige Präsenz auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft erforderlich.

Die Anerkennung bzw. die Durchführungsbewilligung kann entzogen werden, wenn der Versicherer auf die Durchführung der sozialen Krankenversicherung verzichtet oder wenn die Behörde feststellt, dass er seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommt, insbesondere bei grober Missachtung der geltenden Bestimmungen oder schlechter Geschäftsführung (vgl. Art. 16 Abs. 4).

Da beim Versicherungswechsel keine Lücke in der obligatorischen Versicherung auftreten darf (s. Erläuterungen zu Art. 7), wird der Entzug der Anerkennung bzw. der Durchführungsbewilligung erst wirksam, wenn die Behörde sich vergewissert hat, dass alle Versicherten von anderen Versicherern im Sinne des Gesetzes übernommen worden sind.

Artikel 11 Rückversicherung
Für bestimmte Versicherer, insbesondere für diejenigen mit kleinen Versichertenbeständen, kann es sich als notwendig erweisen, ihre Leistungen teilweise rückzuversichern. Dieser Anteil darf jedoch nicht so hoch sein, dass der Versicherer nicht mehr als vollwertiger Sozialversicherungsträger gelten kann. Deshalb sieht Artikel 11 die Rückversicherung zwar vor, beauftragt aber den Bundesrat, das Mindestrisiko festzulegen, das die Versicherer selber zu tragen haben.

Das Rückversicherungsverhältnis beruht auf einem Vertrag, der den Bestimmungen des KVG unterliegt. Er kann abgeschlossen werden mit: - einem anderen Versicherer, der am Vollzug des Gesetzes beteiligt ist, - einem einer Krankenkasse ähnlichen Rückversicherer, 147

- einem Rückversicherer im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder einem Versicherer im Sinne des genannten Gesetzes, der die soziale Krankenversicherung nicht als direkter Versicherer betreibt.

Falls sie nicht schon als direkte Versicherer über eine Anerkennung bzw. eine Durchführungsbewilligung verfügen, brauchen die Rückversicherer, je nach ihrer Art, eine Anerkennung bzw. eine Bewilligung zur Durchführung der Rückversicherung im Rahmen dieses Gesetzes. Dafür müssen sie die gleichen Voraussetzungen erfüllen wie die direkten Versicherer, das heisst in erster Linie das KVG beachten (Art. 10 Abs. 1). Daher gelten dessen Bestimmungen sinngemäss auch für die Rückversicherung, soweit sie diese betreffen.

Artikeln Haftung Artikel 12 entspricht dem jetzigen Artikel 29 Absatz 3 KUVG. Unabhängig von der Rechtsform des Versicherers haften die Versicherten nicht persönlich für dessen Verbindlichkeiten.

Artikel 13 Aufklärung und Beratung Artikel 13 stützt sich auf Artikel 35 des Gesetzesentwurfs über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Die Pflicht der Versicherer, alle interessierten Personen (Versicherte, Leistungserbringer usw.) zu informieren, erstreckt sich von Informationen allgemeiner Art, z. B. in Publikationen, bis zu individuellen Auskünften. Die Interessenten haben Anrecht auf diese Information.

Artikel 14 Steuerfreiheit Artikel 14 stützt sich auf Artikel 88 des Gesetzesentwurfs zum ATSG und damit indirekt auf die Artikel 94 AHVG und 71 UVG. Die Krankenkassen sind heute schon von der Steuerpflicht ausgenommen. Wie bei der Unfallversicherung geniessen auch Privatversicherer für die Durchführung der sozialen Krankenversicherung Steuerfreiheit.

Artikel 15 Gemeinsame Einrichtung Einzelne Aufgaben sind nur gemeinsam zu bewältigen. Zu diesem Zweck ist die Schaffung einer gemeinsamen Einrichtung der Versicherer vorgesehen, deren Zuständigkeiten in den Absätzen 2, 3 und 4 geregelt sind. Dazu folgende Erläuterungen: - Wie bei der beruflichen Vorsorge und der Unfallversicherung muss für das Risiko der Zahlungsunfähigkeit eines Versicherers ein Fonds geäufnet werden. Dieser Fall dürfte allerdings selten eintreten, denn die Behörde hat die Möglichkeit, die Anerkennung bzw. die Durchführungsbewilligung zu entziehen, bevor es soweit kommt (s. Art. 16 Abs. 4 Bst. b).

- Gemeinsame
Aufgaben können sich auch aus Bestimmungen ergeben, die der Bundesrat erlässt. Der gemeinsamen Einrichtung kann z. B. die internationale Verwaltungshilfe übertragen werden (d. h. die Erstattung von in der Schweiz angefallenen Pflegekosten für Personen, die der Sozialgesetzgebung eines anderen Staates unterstellt sind), wenn sie in einem Übereinkommen 148

über die soziale Sicherheit oder einem anderen internationalen (oder europäischen) Abkommen vorgesehen ist, das auch die Schweiz bindet.

- Die gemeinsame Einrichtung ist als flexibles und offenes Instrument konzipiert; dies ist daraus ersichtlich, dass der Entwurf den Versicherern die Möglichkeit gibt, sie mit Aufgaben von gemeinsamem Interesse zu betrauen.

Dazu ist allerdings die Zustimmung aller Versicherer oder ihrer Vertreter erforderlich.

In den Übergangsbestimmungen (Art. 97) wird der gemeinsamen Einrichtung noch eine andere Aufgabe übertragen, nämlich während zehn Jahren den Risikoausgleich zwischen den Versicherern durchzuführen.

Absatz l von Artikel 15 über die Schaffung und die Organisation der gemeinsamen Einrichtung lehnt sich an Artikel 72 Absätze l und 2 UVG (Ersatzkasse) an. Die Finanzierung wird von den Versicherern übernommen, da die Einrichtung ihrem gemeinsamen Interesse dient.

Aufsicht und Statistik

Artikel 16 Allgemeine Aufsicht Der Bundesrat überwacht den Vollzug des Gesetzes und erlässt entsprechende Bestimmungen. Den Kantonen obliegt die Beitrittskontrolle (Art. 6). Als für die Durchsetzung der Vollzugsbestimmungen gegenüber den Versicherern zuständige Verwaltungsstelle wird das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) bezeichnet. Es kann namentlich allgemeine oder besondere Weisungen erlassen, von den Versicherern Auskünfte und Unterlagen verlangen (woraus eine entsprechende Pflicht der Versicherer folgt) und Kontrollen beim Versicherer selbst durchführen. Die Versicherer sind verpflichtet, dem BSV ihre Jahresberichte und -rechnungen vorzulegen. Die Prämientarife der sozialen Krankenversicherung sind nur nach der Genehmigung durch das BSV gültig. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts wird die Genehmigung also eine rechtsbegründende Wirkung haben.

Diese Zuständigkeiten des BSV gelten für die von den Krankenkassen und den anderen Versicherern durchgeführte soziale Krankenversicherung sowie für die von den Krankenkassen betriebenen Zusatzversicherungen und beschränkten Kapitalversicherungen (Art. 9 Abs. 2 Bst. b und c).

Da das Gesetz von zweierlei Versicherern anzuwenden ist, musste der Zuständigkeitsbereich der Aufsichtsbehörden abgegrenzt werden. Die institutionelle Aufsicht über die Versicherer obliegt für die Krankenkassen dem BSV und für die übrigen Versicherer dem Bundesamt für Privatversicherungswesen (BPV).

Mit der Überwachung der Versicherungspraxis bei der sozialen Krankenversicherung ist für beide Arten von Versicherern das BSV betraut. Bei den Zusatzversicherungen und übrigen Versicherungen (darunter von den Krankenkassen betriebene Kapitalversicherungen) ist das BSV für die Praxis der Krankenkassen, das BPV für diejenige der übrigen Versicherer zuständig. Da die Zusatzund Kapitalversicherungen nun dem Privatrecht unterliegen, sind die Grundsätze und die Praxis des BPV gemäss VAG für diesen Sektor massgebend. Das BSV muss daher die Krankenkassen bei diesen Versicherungen nach denselben

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Grundsätzen und im Einvernehmen mit dem BPV überwachen. Diese Regel entspricht dem Prinzip der Gleichbehandlung von Krankenkassen und Privatversicherern. Die gemeinsame Einrichtung und die Rückversicherer im Sinne von Artikel 11 Absatz l Buchstabe b sind der Aufsicht des BSV unterstellt, die Rückversicherer im Sinne von Artikel 11 Absatz l Buchstabe c derjenigen des BPV.

Bei Missachtung der Gesetzesvorschriften kann das BSV sowohl gegenüber den Krankenkassen als auch gegenüber den Privatversicherern behördliche Zwangsmassnahmen ergreifen oder beim Eidgenössischen Departement des Innern den Entzug der Anerkennung bzw. der Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung beantragen.

Artikel 17 Kontrolle der Verwaltungskosten Angesichts der Versicherungspflicht können die Versicherten berechtigterweise eine möglichst wirtschaftliche Geschäftsführung erwarten. Zudem beeinflussen die Verwaltungskosten auch die Prämien, von deren Höhe wiederum die Öffentlichen Beiträge zugunsten der Versicherten abhängen (Art. 58). Aus diesen Gründen verpflichtet das Gesetz die Versicherer, die Verwaltungskosten auf das für eine wirtschaftliche Durchführung der Versicherung notwendige Mass zu beschränken und gibt der zuständigen Behörde ein Interventionsrecht.

Der Anteil der Verwaltungskosten der Krankenkassen an den Versicherungskosten insgesamt ist mit der heutigen Regelung zwar seit mehreren Jahren stabil geblieben (rund 7%). Dabei ist aber zu bemerken, dass der Anstieg der Versicherungskosten wesentlich ausgeprägter ist als die Lohnerhöhungen im allgemeinen. Da die Personalkosten bei den Verwaltungskosten am stärksten ins Gewicht fallen, kann der Bundesrat nun vorschreiben, dass die letzteren nicht rascher ansteigen als die Löhne im allgemeinen. Eine solche Massnahme hätte grundsätzlich für alle Versicherer zu gelten; es müssten aber Abweichungen möglich sein (z. B. wenn ein Arbeitgeber sich nicht mehr an den Verwaltungskosten einer Betriebskrankenkasse beteiligt). Deshalb kann der Bundesrat diese Zuständigkeit ganz oder teilweise an das Departement des Innern oder das BSV übertragen.

Artikel 18 Statistik Angesichts der im Gesundheitswesen allgemein und bei der Krankenversicherung im besonderen involvierten Geldbeträge sind im Bereich der Statistik Verbesserungsmassnahmen, vor allem eine bessere
Koordination geboten. Es obliegt dem Bundesrat, die notwendigen Bestimmungen für die Erfassung, Auswertung und Analyse der Daten zu erlassen. Selbstverständlich können zuverlässige Statistiken nicht ohne die Mitwirkung der am Gesundheitswesen Beteiligten erstellt werden. Deshalb ist eine Verpflichtung der Versicherer sowie der Kantons- und Bundesbehörden zur Mitarbeit vorgesehen. Ausserdem ist der Bundesrat befugt, nach vorheriger Anhörung andere Organisationen oder Personen (z. B. Leistungserbringer) beizuziehen. Es wird ebenfalls Aufgabe des Bundesrates sein, die Veröffentlichung der Statistiken zu regeln. Beim Erlass der entsprechenden Bestimmungen und bei ihrem Vollzug ist der Persönlichkeitsschutz zu wahren.

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Leistungen Artikel 19 Umschreibung des Leistungsbereichs Allgemeines Die im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu erbringenden Leistungen sind in den Artikeln 19-25 des Gesetzes im Detail aufgeführt. Diese abschliessende Aufzählung im Leistungskatalog, der vorwiegend aufgrund der neuen Versicherungsstruktur (Obligatorium, Finanzierung durch Einheitsprämien) umfassender ist als der Katalog gemäss Artikel 12 KUVG, gewährleistet den Zutritt aller Versicherten zu einheitlichen Leistungen. Die Versicherer können weitere Leistungen nur im Rahmen der Zusatzversicherungen anbieten, bei denen zwischen den Versicherern Unterschiede im Leistungsspektrum und in den Prämienansätzen zulässig sind (s. auch Erläuterungen zu Art. 28).

Die Gestaltung des Leistungskatalogs entspricht der in der Vernehmlassung unbestrittenen Systematik des «Entwurfs Schoch» und unterscheidet sich nur wenig von der heute gültigen Gliederung (Art. 12, I2"uat" und 14 KUVG). Vor allem im Bestreben, den Leistungskatalog für die Versicherten klarer und verständlicher zu machen, haben wir eine Systematik gewählt, die einige Wiederholungen bedingt, da die Leistungen für gewisse Versicherungsfälle (Geburtsgebrechen, Unfall, Mutterschaft, strafloser Schwangerschaftsabbruch) jeweils in bezug auf die Leistungen bei Krankheit definiert werden, zum Teil durch Gleichstellung (Geburtsgebrechen, strafloser Schwangerschaftsabbruch), zum Teil durch Analogie (Unfall, Mutterschaft). Die Krankheit soll der Angelpunkt bleiben, von dem aus die in anderen Versicherungsfällen zu erbringenden Leistungen bestimmt werden. Eine Sonderstellung nehmen nur die Präventivmassnahmen und die zahnärztliche Behandlung ein (siehe Erläuterungen zu Art. 20 und 25).

Zu bemerken ist hier noch, dass das Gesetz von der Übernahme der Kosten durch die Versicherung spricht. Damit wird klar, dass im Rahmen dieser Gesetzgebung keine Sachleistungen in Betracht kommen. Zur Vereinfachung haben wir diesen Begriff in den Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln allerdings nicht immer wiederholt.

Absatz l In Artikel 2 Absatz l wird die Krankheit in bezug auf die Notwendigkeit einer medizinischen Untersuchung oder Behandlung definiert. Artikel 19 Absatz l regelt die Einzelheiten und stellt den Grundsatz auf, wonach die Versicherung die drei Elemente Diagnose, Therapie im
engeren Sinne und Rehabilitation deckt.

Theoretisch wäre diesen drei Elementen die Prävention noch beizufügen. Angesichts der Bedeutung, die ihr in einer Sozialversicherung zukommen kann, wird ihr hier jedoch eine Sonderstellung verliehen (s. Erläuterungen zu Art. 20).

Absatz 2 Buchstabe a Diese Bestimmung gibt summarisch an, «wer» die Leistungserbringer sind (Ärzte, Chiropraktoren, «medizinische Hilfspersoneri» im weiteren Sinne) und 151

«wo» sie zulasten der Krankenpflegeversicherung intervenieren (ambulant, im weiteren Sinne beim Versicherten zu Hause, im Spital oder in einer anderen Einrichtung). Diese Punkte werden anschliessend einzeln wiederaufgenommen.

Artikel 29 enthält eine detaillierte Liste der Leistungserbringer. In den Artikeln 33-34 werden die Spitäler und anderen Einrichtungen (teilstationäre Institutionen und Pflegeheime) sowie die Heilbäder definiert.

Wie aus der neuen Formulierung deutlich ersichtlich wird, besteht die wichtigste Neuerung in der Gleichstellung der ambulanten und der Spitalbehandlung; dies bedeutet, dass die Versicherung bei Spitalaufenthalt die Kosten unbefristet übernimmt; die heutige Begrenzung auf 720 Tage (Art. 12 Abs. 2 Ziff. 4 KUVG) wird also aufgehoben. Damit wird zahlreichen, schon vor einigen Jahren gestellten Anträgen entsprochen (s. Botschaft vom 19. Aug. 1981 über die Teilrevision der Krankenversicherung; Erläuterungen zu Art. 12 Abs. l Ziff. 2 und Abs. 3); die Neuerung wurde übrigens in der Vernehmlassung stark unterstützt.

Die Versicherung übernimmt auch die Aufenthaltskosten im Spital - natürlich in der allgemeinen Abteilung. Es handelt sich dabei um die sogenannten «Hotelkosten», das heisst die Kosten für Verpflegung und Unterkunft im Spital (Art. 19 Abs. 2 Bst. e KVG).

Als zweite wesentliche Neuerung wird die Hauskrankenpflege im weiteren Sinne (diese umfasst die unter der Abkürzung SPITEX bekannte Pflege ausserhalb des Spitals) in den Leistungskatalog aufgenommen. Die einzelnen Leistungen werden in den Vollzugsbestimmungen genannt werden. Zu den wenigen Pflegeleistungen zu Hause, die heute schon gedeckt sind (V VI; SR 832.156.1 und V7 des EDI; SR 832.141.Jl), werden zusätzliche Leistungen hinzukommen, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie von einem Arzt verordnet sind. Ausser Frage steht jedoch, dass die Versicherung alle Leistungen der Hauskrankenpflege übernehmen wird (Haushaltshilfen z. B. sind ausgeschlossen). Auch diese Neuerung wurde in der Vernehmlassung begrüsst.

Während der Leistungskatalog ausgeweitet wird, bleibt die jeweilige Rolle des Arztes, des Chiropraktors und der «medizinischen Hilfspersonen» (frühere Bezeichnung) anverändert, das heisst das Verschreibungsrecht steht grundsätzlich dem Arzt und für bestimmte Leistungen auch dem Chiropraktor zu.
Buchstabe b Neben den Analysen und Medikamenten, die auf besonderen Listen aufgeführt werden (s. Art. 44) und wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein müssen (s. Art. 26), übernimmt die Versicherung auch Kosten für Mittel und Gegenstände, die der Diagnose oder der Behandlung dienen. Diese werden in einer Liste aufgezählt werden (s. Art. 27 Abs. 2 und Art. 44).

Heute übernimmt die Versicherung nur Endoprothesen, die einen integralen Bestandteil des Körpers bilden (z. B. Herzschrittmacher). Prothesen, die vom Körper getrennt und ohne besonderen Eingriff (Operation) wieder eingesetzt werden können (Ectoprothesen), gehören dagegen nicht zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen. In Zukunft werden einzelne dieser Prothesen zu den Mitteln und Gegenständen gezählt, deren Kosten die Versicherung trägt; das gleiche gilt beispielsweise für Pumpen zur kontinuierlichen Verabreichung von Medikamenten.

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Buchstabe c Obwohl im Vernehmlassungsverfahren wiederholt verlangt wurde, die Versicherung solle alle von einem Arzt verordneten Kuren tragen (inkl. Luftkur), werden, wie beim heutigen System, nur Badekuren berücksichtigt. Da bei der Verschreibung solcher Kuren häufig Missbrauch getrieben wird, ist anzunehmen, dass der Bundesrat (gemäss Art. 27 Abs. 2) keinen Tagesbeitrag mehr festsetzt, sondern z. B. einen jährlich begrenzten oder einen während einer gewissen Dauer, gegebenenfalls innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zu gewährenden Beitrag.

Für den Begriff Heilbad siehe Artikel 34 und die dazugehörigen Erläuterungen.

Buchstabe d Die Prävention erfolgt vor der Behandlung einer Krankheit, die Rehabilitation danach, obwohl sie oft noch dazugerechnet wird. Im Hinblick auf einen umfassenderen und erschöpfenden Leistungskatalog rechtfertigt sich die Übernahme der Kosten von Rehabilitationsmassnahmen. Der Bundesrat wird diese auf dem Verordnungsweg nach dem im Gesetz festgelegten Verfahren bezeichnen (Art. 27).

Rehabilitationsmassnahmen haben die Besserung körperlicher oder geistiger Fähigkeiten zum Ziel, die durch eine Krankheit oder deren Behandlung (z. B.

Operation) beeinträchtigt wurden. Dazu zählt beispielsweise die nach einer Herzkrankheit oder bei Lähmung verordnete Gymnastik. Einzelne Massnahmen dieser Art werden heute schon aufgrund einer extensiven Auslegung des Begriffs Behandlung übernommen.

Im Gegensatz zur Invalidenversicherung (Art. 12 IVO; SR 831.20), die auf die berufliche Rehabilitation abzielt, handelt es sich hier um weitergehende Massnahmen, die auch eine funktionale und soziale Wiedereingliederung bezwecken.

Buchstabe e Siehe Erläuterungen zu Buchstabe a.

Buchstabe/ Wiederum im Kontext einer Versicherung mit einem einheitlichen Leistungskatalog, die subsidiär auch bei Unfall einspringt, wird die Übernahme der Transportkosten bei Notfällen und der Rettungskosten eingeführt, und zwar in Form eines vom Bundesrat festzulegenden Kostenbeitrags (s. Art, 27 Abs. 2). Es kommen verschiedene Lösungen in Betracht (insbesondere jährlich begrenzter Beitrag; Beitragsmarge; degressiver Beitrag). Im Vernehmlassungsverfahren war die Einführung dieser neuen Leistung umstritten, weshalb hier nur ein Kostenbeitrag vorgesehen ist. Dieser scheint uns jedoch sowohl im Krankheitsfall als auch
subsidiär bei Unfall angezeigt.

Artikel 20 Medizinische Prävention Neben der Kostendeckung für Diagnose, Therapie und Rehabilitation nach einer Krankheit ist zur Vervollständigung des Leistungskatalogs noch eine Lücke zu schliessen, wie es in den Erläuterungen zu Artikel 19 angedeutet wurde. Es geht um die Prävention, deren Aufnahme in den Leistungskatalog zahlreiche 153

Vernehmlasser befürworteten, wobei einzelne sogar verlangten, dass dieser Art von Leistungen ein noch grösseres Gewicht beigemessen werde.

Im geltenden KUVG ist die Prävention als solche nicht aufgeführt, was einzelne Krankenkassen jedoch nicht daran hindert, in ihren eigenen Bestimmungen die Übernahme der Kosten bestimmter Präventionsmassnahmen vorzusehen, sei es im Rahmen der statutarischen Grundversicherung (z. B. gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen) oder in den Zusatzversicherungen (z. B. Jahreskostenbeiträge für zahnärztliche Kontrollen; dreijährliche Kontrolluntersuchungen beim Arzt, sogenannte «Check-ups», bis zu einem bestimmten Betrag; prophylaktische Impfungen).

Damit alle Versicherten in den Genuss der gleichen Leistungen kommen, wird die Prävention nun in den Leistungskatalog der obligatorischen Versicherung ·aufgenommen. Es obliegt dem Bundesrat, diese Leistungen in den Vollzugsbestimmungen im einzelnen festzulegen (s. auch Erläuterungen zu Art. 27 Abs. 2).

Im vorliegenden Gesetzesentwurf ist die Prävention im engen Sinn gemeint, nämlich individuelle, von einem Arzt zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in regelmässigen Abständen, ohne Vorliegen konkreter Symptome durchgeführte oder verordnete Massnahmen. Zum Beispiel: periodische Kontrollen für die Früherkennung von Krebs in Berücksichtigung der Familienanamnese; Verschreibung von Arzneien zur Verhinderung oder zumindest Verzögerung von Knochenkrankheiten (z. B. Osteoporose). Unabhängig von der sozialen und medizinischen Bedeutung der Prävention scheint es nur logisch, Massnahmen in die Versicherung aufzunehmen, die geeignet sind, das «Deckungsrisiko» jedenfalls mittelfristig zu verringern.

Im Rahmen der Vernehmlassung wurden nicht nur Präventionsmassnahmen gefordert, sondern Massnahmen für eine eigentliche Gesundheitserziehung. Ausserdem wurde auch wiederholt vorgeschlagen, einen - bescheidenen - Prozentsatz der Prämien für die Finanzierung der Prävention im weiteren Sinne, wie Informations- und Sensibilisierungskampagnen zu verwenden. Diese Vorschläge sind zwar interessant, wurden hier aber nicht berücksichtigt, weil sie unseres Erachtens nicht in das vorliegende Gesetz gehören. Präventionsmassnahmen im weiteren Sinn wie eben Informations-, Sensibilisierungs- oder auch Impf- und Kontrollkampagnen müssen wie bisher dem Gesundheitswesen,
das heisst den Kantonen und Facheinrichtungen unterstehen.

Ein stärkeres Engagement der Sozialversicherung im Bereich der Prävention sowie die Anerkennung eines Rechtes auf Präventivmassnahmen werden auch als Zielvorgaben in der Empfehlung R (84) 24 vom 7, Dezember 1984 des Ministerkomitees des Europarates genannt (vgl, insb. Ziff. 6 und 9 dieser Empfehlung über den Beitrag der sozialen Sicherheit zu Präventivmassnahmen).

Artikel 21 Geburtsgebrechen Seit der Revision des KUVG im März 1964 sind Geburtsgebrechen der Krankheit gleichgesetzt (Art. 14 Abs. l VO III; SR 832.140). Die Kosten der erforderlichen Massnahmen werden demnach von der Krankenversicherung getragen, soweit sie nicht von der Invalidenversicherung gedeckt sind (Art. 17 Abs. l V III). Vor der Revision kamen die Krankenkassen für die Behandlung von Ge154

burtsgebrechen nur auf, wenn es in ihren eigenen Bestimmungen ausdrücklich vorgesehen war.

Wir übernehmen hier diesen Grundsatz, und zwar nicht mehr in den Vollzugsbestimmungen, sondern im Gesetz selber. Obwohl die erwähnte Gleichsetzung schon einiges aussagt, scheint eine Verdeutlichung angebracht. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten der erforderlichen Leistungen, sobald das Geburtsgebrechen nicht mehr unter die Invalidenversicherung fällt, sei es, weil der Versicherte volljährig wird (Art. 13 Abs. l IVO; SR 831.20 und Art. l Abs. 4 GgV; SR 831.232.21) oder weil das Geburtsgebrechen als geringfügig gilt und daher aus der GgV gestrichen worden ist (Art. 13 Abs. 2 IVG). Diese letztere Bestimmung gilt für minderjährige Versicherte. Mit andern Worten, die obligatorische Krankenpflegeversicherung löst in zwei Fällen die Invalidenversicherung ab, wovon der eine hypothetischen Charakter hat, aber trotzdem geregelt werden muss.

Artikel 22 Unfälle Gemäss Artikel l Absatz 2 Buchstabe b übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung auch Unfallkosten, die durch keine Unfallversicherung gedeckt sind. Die Tragweite dieser Neuerung wurde schon in den Erläuterungen zu Artikel l KVG besprochen.

Der Entwurf Schoch sah die Deckung von Unfallkosten vor, soweit diese nicht durch eine Unfallversicherung gedeckt sind; wir haben diesen Grundsatz hier bekräftigt, denn er schliesst unserer Meinung nach eine grosse Lücke. Wichtig ist diese Unfallversicherung vor allem für Kinder, Hausfrauen, Betagte und Personen «zwischen zwei Anstellungen». Diese Neuerung wurde allerdings in der Vernehmlassung nicht einhellig begrüsst. Während einzelne Vernehmlasser die Aufnahme des Grundsatzes in das KVG befürworteten, verlangten andere aus Kostengründen die Streichung der Bestimmung.

Abgesehen davon, dass zahlreiche Krankenkassen von der heute gesetzlich schon gegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht haben (Art. 14 Abs. 2 V III; SR 832.140), scheint der mit dieser allgemeinen Subsidiaritätsklausel eingeführte Mechanismus deutlich mehr Vor- als Nachteile aufzuweisen (s. auch Botschaft vom 19. August 1981; Erläuterungen zu Art. l Abs. 3). Er soll daher beibehalten werden.

Artikel 23 Mutterschaft Allgemeines Dieser Artikel übernimmt das heutige Prinzip, demgemäss bei Mutterschaft einerseits Anrecht
auf die gleichen Leistungen besteht wie bei Krankheit (Art. 14 Abs. l KUVG) sowie anderseits auf spezifische Leistungen (Art. 14 Abs. 2 KUVG). Durch die Versicherungspflicht verfügen wir nun über eine eigentliche Mutterschaftsversicherung für medizinische Leistungen. Die allfällige Gewährung von Mutterschaftszulagen oder -beitragen, das heisst die Vergütung des Mutterschaftsurlaubes auf einer neuen Grundlage, wird dagegen nicht im Rahmen des vorliegenden Gesetzes geregelt (s. Ziff. 25).

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Absatz l Wie oben erwähnt, wird hier ein bereits eingeführter Grundsatz übernommen.

Infolge des Versicherungsobligatoriums fallen jedoch alle gesetzlichen Fristen weg, an welche die Kostendeckung heute noch gebunden ist. Die in Artikel 14 Absatz l KUVG erwähnte Wartefrist von 270 Tagen (ohne Unterbrechung von mehr als drei Monaten) wird somit abgeschafft.

Absatz 2 Allgemeines In diesem Absatz werden die spezifischen Leistungen bei Mutterschaft aufgezählt, die zusätzlich zu den Leistungen gemäss Absatz l gedeckt sind. Da die Versicherung nun obligatorisch wird, besteht keine Notwendigkeit mehr, unter den Leistungen bei Mutterschaft auch spezielle Leistungen für das Kind vorzusehen (Beitrag an Pflegekosten bzw. an Pflege- und Behandlungskosten gemäss Art. 14 Abs. 2 Ziff. 3 KUVG). Das Stillgeld (Art. 14 Abs. 5 KUVG) wurde, wie von mehreren Vernehmlassern gefordert, ebenfalls abgeschafft. Diese bescheidene und daher eher symbolische Entschädigung wird vorteilhaft durch die Kostendeckung der Stillberatung ersetzt.

Buchstabe a Die Anzahl der Kontrolluntersuchungen während und nach der Schwangerschaft, deren Kosten von der Versicherung zu decken sind, werden nicht mehr wie heute auf höchstens vier während der Schwangerschaft und eine in den zehn Wochen nach der Entbindung begrenzt (Art. 14 Abs. 2 Ziff. 4 KUVG), Dieser Entscheid basiert auf dem neuen Konzept des umfassenden und einheitlichen Leistungskatalogs. Einzelne Krankenkassen übernehmen heute schon eine unbegrenzte Anzahl solcher Kontrollen. Es sollen allerdings nur medizinisch gerechtfertigte Untersuchungen gedeckt werden. Aus diesem Grund werden sie auf dem Verordnungswege im Detail bezeichnet (s. auch Erläuterungen zu Art. 27 Abs. 2).

Buchstabe b Die Entbindungskosten werden von der Versicherung übernommen, und zwar für die Entbindung zu Hause, in einem Spital oder in einer Einrichtung der teilstationären Krankenpflege (s. Art. 19 Abs. 2 Buchst, a KVG). Die Versicherte hat hier die freie Wahl.

Die Versicherung trägt auch die Kosten der vom Arzt selber oder von einer Hebamme geleisteten Geburtshilfe. Die Rolle der Hebammen wird nicht in Frage gestellt. Sie sind dank ihrer Ausbildung nämlich in der Lage, Geburten zu leiten, die kein ärztliches Eingreifen erfordern, oder mit dem Arzt zweckdienlich zusammenzuarbeiten, was bei Hausgeburten,
z. B. in abgelegenen Gebieten, nicht zu unterschätzen ist.

Buchstabe c Wie oben erwähnt, wird das Stillgeld durch die Deckung der Kosten für eine allfällige Stillberatung ersetzt. Im Vernehmlassungsverfahren wurden diesbezüg-

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lieh Zweifel geäussert. Einige Vernehmlasser erachteten diese Bestimmung als überflüssig, eine Meinung, die wir nicht teilen.

Konkret geht es um ,die Beratung nach der Entbindung, allenfalls auch noch, nachdem die Versicherte nach Hause zurückgekehrt ist. In den Vollzugsbestimmungen soll festgelegt werden, wer neben den Ärzten und Hebammen zulasten der Pflegeversicherung Beratungen erteilen darf.

Die Übernahme der Beratungskosten liegt im Sinn einer vollständigeren Pflegeversicherung auch bei Mutterschaft.

Artikel 24 Strafloser Abbruch der Schwangerschaft Dieser Artikel übernimmt den Grundsatz, der aufgrund einer Gesetzesänderung vom 9. Oktober 1981 seit dem 1. März 1982 in Artikel I2iuater KUVG verankert ist. Die Krankenkassen sind verpflichtet, mindestens die Kosten der in Artikel 12 KUVG erwähnten Leistungen zu übernehmen, wenn die Versicherte belegen kann, dass sie sich einem straflosen Schwangerschaftsabbruch gemäss Artikel 120 Strafgesetzbuch (SR 311.0) unterzogen hat. Sie sind demnach an die Aussagen der zwei Ärzte gebunden, die sich von Gesetzes wegen zum Gesuch um Schwangerschaftsabbruch zu äussern haben, das aufgrund der kantonalen Vollzugsbestimmungen zum Schweizerischen Strafgesetzbuch der zuständigen Behörde einzureichen ist. Dasselbe muss gelten, wenn die Bewilligung nachträglich erteilt wird (Art. 120 Ziff. 2 StGB). Mit andern Worten, jedem straflosen Schwangerschaftsabbruch liegt eine Krankheit - ein krankhafter Zustand zugrunde.

Artikel 25 Zahnärztliche Behandlungen Allgemeines Dies ist nicht der erste Versuch, bestimmte zahnärztliche Behandlungen in den Leistungskatalog einer - obligatorischen oder freiwilligen - Krankenversicherung aufzunehmen (s. Art. 12 Abs. 2 des Entwurfs vom 19. Aug. 1981; Art. 12 Abs. 2 des Entwurfs zum Bundesgesetz vom 20. März 1987 über die Krankenund Mutterschaftsversicherung KMVG). In der Vemehmlassung waren die Meinungen zu dieser Neuerung denn auch geteilt. Als Hauptargumente dagegen wurden einerseits die Kosten vorgebracht, andererseits der Einwand, dass zahnärztliche Behandlungen meistens durch mangelnde Zahnhygiene bedingt sind, für welche die Versicherten selber verantwortlich sind.

Der heute übliche Ausschluss zahnärztlicher Behandlungen von der Leistungspflicht der Krankenversicherung (ausser wenn in den Bestimmungen der Krankenkassen
vorgesehen; die Prämien der Zusatzversicherungen für Zahnbehandlung sind jedoch sehr hoch und deshalb eher abschreckend) kann schwerwiegende Folgen haben, wie es aus zwei neueren Entscheiden des Eidgenössischen Versicherungsgerichts hervorgeht (s. EVGE vom 12. März 1990 und EVGE vom 17. April 1990, erschienen in RKUV, Zeitschrift für Rechtsprechung und Verwaltungspraxis in der Kranken- und Unfallversicherung, herausgegeben vom BSV, Heft 3, Nrn. 836 und 839). Wir möchten diese spürbare Lücke im heutigen System schliessen (Art. 25 Abs. 1) und logischerweise auch die subsidiäre Über8 Bundesblatt 144.Jahrgang. Bd.I

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nähme der Kosten von unfallbedingten Zahnschäden einschliessen (Art. 25 Abs. 2).

Absatz l Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten von Zahnbehandlungen in zwei Fällen: erstens, wenn sie zur Behandlung einer schweren Krankheit notwendig sind (z. B. Zahnextraktion vor einer Herzoperation zur Vermeidung von Infektionen); zweitens, wenn sie durch eine schwere Krankheit oder ihre Folgen bedingt sind (z. B. Wiederherstellung nach Zahnverlust wegen Strahlentherapie).

Die in Frage kommenden schwerden Krankheiten werden in den Vollzugsbestimmungen aufgezählt (s. Art. 27 Abs. 2), so dass Missbräuche ausgeschlossen sind.

Absatz 2 Zahnärztliche Behandlungen nach einem Unfall gehen subsidiär ebenfalls zulasten der Krankenpflegeversicherung, was folgerichtig erscheint, da sie ja auch bei nicht gedeckten Unfällen einspringt (Art. l Abs. 2 Bst. b).

Artikel 26 Voraussetzungen der Kostenübernahme Absatz l Diese Bestimmung enthält eine wichtige Neuerung hinsichtlich der Voraussetzungen für die Kostenübernahme durch die Versicherung, die in der Vernehmlassung vielfach verlangt wurde: Die Aufgabe des Kriteriums der wissenschaftlichen Anerkennung zugunsten des Wirksamkeitskriteriums.

Heute sind die für eine Versicherungsdeckung gesetzten Kriterien nicht im Gesetz selber enthalten, sondern auf verschiedene Vollzugsbestimmungen verteilt (für die allgemeinen Leistungen in Art. 21 und 21 a V III, SR 832.140; für die Medikamente in Art. 4 Abs. l V Vili, SR 832.141.2; für die Analysen in Art. 7 Abs. 2 V VIII, SR 832.141.2}. Etwas unterschiedlich formuliert, sind es jeweils dieselben grundlegenden Kriterien der wissenschaftlichen Anerkennung, der Zweckmässigkeit und der Wirtschaftlichkeit.

Das erste dieser Kriterien ist in den letzten Jahren stark in Zweifel gezogen worden; dies war auch in der Vernehmlassung wieder der Fall. Der Begriff der wissenschaftlichen Anerkennung wird heute als ungeeignet und zu ungenau angesehen; er soll daher durch denjenigen der Wirksamkeit ersetzt werden. Wir haben diesen Schritt hier getan. In Zukunft müssen die Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein, um von der Versicherung getragen zu werden.

Der Effizienznachweis - der die wissenschaftliche Anerkennung ersetzt - kann den Anschein erwecken, als öffne er neben der klassischen Medizin vielen anderen
«Medizinen» Tür und Tor. Es wird daher befürchtet, dass die Kosten von Massnahmen übernommen werden könnten, die nicht auf einem seriösen medizinischen Ansatz beruhen. Diese Befürchtung ist unbegründet. Um eine solche Auswirkung zu verhindern, wurden im KVG mehrere Sicherheitsbarrieren eingebaut. So müssen die Leistungen nicht nur wirksam sein (d. h. im allgemeinen 158

die angestrebte Wirkung erzielen), sondern auch zweckmässig (d. h. im Einzelfall die angestrebte Wirkung in angemessener Form hervorrufen) und wirtschaftlich (d. h, ein angemessenes Kosten-/Nutzenverhältnis aufweisen, was nicht bedeutet, dass kostspielige Massnahmen von der Leistungspflicht ausgenommen sind). Eine Leistung soll von der Versicherung nur gedeckt werden, wenn sie alle drei Kriterien gleichzeitig erfüllt (s. auch Erläuterungen zu Art. 27, insb. Abs. 3). Dadurch können «unvernünftige» oder zumindest «zweifelhafte» Leistungen ausgeschlossen werden.

Absatz 2 In Absatz l werden die Voraussetzungen erwähnt, denen die im Katalog aufgeführten Leistungen genügen müssen. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass mit der Zeit gewisse Leistungen infolge des medizinischen Fortschritts als überholt gelten, zum Teil sogar relativ schnell (z. B. der Einsatz bestimmter Geräte für magnetische Kernresonanz als bildgebendes Verfahren), und somit die kumulativen Anforderungen von Artikel 26 Absatz l nicht mehr erfüllen.

Daher muss im Gesetz das Prinzip einer periodischen Neubeurteilung der Leistungen vorgesehen sein. Dies bringt keinen Unsicherheitsfaktor und bedeutet auch kein Misstrauen. Im Gegenteil sollten dadurch diejenigen Leistungen aus dem Katalog gestrichen werden können, deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist. Das Gesetz zielt in erster Linie auf ein anforderungsgerechtes Leistungsangebot und damit auf die Ausmusterung medizinisch nicht mehr zweckmässiger Leistungen ab, Falls sich bei der Neubeurteilung herausstellt, dass Leistungen zu streichen sind, werden die Beschlüsse sachgemäss gefällt; der Bundesrat entscheidet erst nach Anhören der Fachkommissionen (s. Erläuterungen zu Art. 27 Abs. 4).

Die ständige Überprüfung der Technologien ist eine international anerkannte Norm (s. Empfehlung R [90] 8 des Ministerkomitees des Europarats vom 30. März 1990, insbesondere Anhang Ziff. 5).

Artikel 27 Bezeichnung der Leistungen Absatz l Nach Anhören der Fachkommissionen (Abs. 4) kann der Bundesrat die von einem Arzt oder Chiropraktor erbrachten Leistungen benennen, die nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen von der Versicherung gedeckt sind.

Im Vernehmlassungsverfahien wurde diese Bestimmung ziemlich häufig falsch ausgelegt, nämlich als ein
Misstrauenszeichen gegenüber den Ärzten und den ihnen in diesem Versicherungssystem gleichgestellten Chiropraktoren. Dabei ist diese Kann-Bestimmung im Gegenteil als positive Vermutung zu werten. Sie bedeutet nämlich, dass im Prinzip die von Ärzten und Chiropraktoren erbrachten Leistungen als voraussetzungskonform betrachtet werden. Daher kann es auch keinen abschliessenden positiven Katalog dieser Leistungen geben, sondern nur einen beschränkten, «Ausschluss-» oder «Voraussetzungskatalog».

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass diese Kann-Bestimmung, die nun aus Gründen der Systematik und Transparenz im Gesetz selber steht, keineswegs neu ist. Sie entspricht der heutigen Praxis bei den allgemeinen

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Leistungen, die im übrigen nicht in Frage gestellt wurde (Art. 21 V III, SR 832.140; V 9 des EDI, SR 832.141.13). Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist anzunehmen, dass lediglich neue oder umstrittene Leistungen Anlass zu einer Nichtübernahme bzw. zu einer nur teilweisen oder provisorischen oder bedingten Kostenübernahme geben werden (z. B. wenn eine Leistung nur in einer bestimmten Einrichtung erbracht werden kann, weil andere nicht über die notwendige Erfahrung verfügen). Siehe auch Erläuterungen zu Absatz 3.

Absatz 2 Es obliegt dem Bundesrat, die «andern» Pflichtleistungen der obligatorischen Krankenpflegeverischerung in den Vollzugsbestimmungen zu bezeichnen («Grundleistungen» gemäss Art. 19 Abs. 2; Präventionsmassnahmen; spezifische Leistungen bei Mutterschaft; zahnärztliche Behandlungen). Bei einigen dieser Leistungen geht es nur um die Festlegung eines Betrags (z. B. Kostenbeitrag für Badekuren; Beitrag an Transport- und Rettungskosten), bei anderen müssen Listen erstellt werden (z. B. für Medikamente, Analysen, Mittel und Gegenstände) oder sogar eigentliche «Unterkataloge» (z.B. Präventionsmassnahmen, zahnärztliche Behandlungen).

Die Unterstützung der Fachkommissionen wird es dem Bundesrat ermöglichen, den detaillierten Leistungskatalog mit der gebotenen Sachkenntniss aufzustellen (Abs. 4).

Auch hier handelt es sich nicht um eine materielle Neuerung. Derselbe Grundsatz gilt heute schon gemäss Artikel 12 Absätze 5 und 6 KUVG, und es besteht kein Grund, ihn aufzugeben.

Absatz 3 In Artikel 26 sind die Voraussetzungen formuliert, denen die Leistungen genügen müssen, damit die Versicherung die Kosten deckt. Nun kann es vorkommen, dass einzelne Leistungen sie noch nicht oder nicht mehr erfüllen; daher die unbedingte Notwendigkeit von Überprüfungen und Neubeurteilungen.

Konkret wird es darum gehen, für Leistungen, die sich in der Abklärung befinden, aber die Voraussetzungen von Artikel 26 noch nicht erfüllen, eine teilweise oder provisorische Kostendeckung vorzuschreiben. Dasselbe gilt für schon «anerkannte» Leistungen, bei denen jedoch umstritten ist, ob sie den Voraussetzungen von Artikel 26 noch völlig entsprechen. Auf diese Weise kann bei der Neubeurteilung die Versicherungsdeckung für medizinisch nicht mehr gerechtfertigte Massnahmen aufgehoben werden.

Auch hier soll der Bundesrat
die Stellungnahme der Fachkommissionen einholen (Abs. 4). Dabei ist anzunehmen, dass Gesuche um eine provisorische oder teilweise Kostendeckung durch die Versicherung aus den obgenannten Gründen in den meisten Fällen von den Medizinern selber ausgehen werden.

Diese Bestimmungen betreffen alle in den Artikeln 19-25 erwähnten Leistungen.

Absatz 4 Der heute geltende Grundsatz, nach dem der Bundesrat sich durch Fachleute beraten lässt, um im einzelnen den Katalog der Leistungen zulasten der Kran160

kenpflegeversicherung aufzustellen (Art. 12 Abs. 5 und 6 KUVG), wird beibehalten. Die in den bestehenden Kommissionen gemachten Erfahrungen in bezug auf die allgemeinen Leistungen, die Medikamente und die Analysen sind überzeugend. Dieses System ermöglicht es dem Bundesrat, bei der Erstellung des Leistungskatalogs gleichzeitig die Entwicklung in der Medizinwissenschaft und die Voraussetzungen der Kostenübernahme durch die Versicherung zu berücksichtigen. Es ist daher beizubehalten (Abs. 4).

Die Zusammensetzung der Fachkommissionen wird in den Vollzugsbestimmungen behandelt (Verordnungen des Bundesrats). Es werden Vertreter der Leistungserbringer und der Versicherer Einsitz nehmen, allenfalls mit einer anderen Verteilung als heute (s. Art. 26 V III; SR 832.140 und Art. 8 V Vili; SR 832.141.2), Im Vernehmlassungsverfahren wurde auch eine Vertretung der Versicherten - dass heisst der «Konsumenten» der Versicherungsleistungen - vorgeschlagen. Dies kann durchaus in Betracht gezogen werden. Vertretern von Patienten- und/oder Konsumentenorganisationen kann die Möglichkeit eingeräumt werden, in bestimmten Kommissionen mitzuwirken.

Absatz 4 sieht ausserdem vor, dass der Bundesrat für die notwendige Koordination zwischen den Fachkommissionen sorgt. Wir nehmen an, dass es wie heute mehrere, gegebenenfalls neue Kommissionen oder Unterkommissionen geben wird. Die mit dem bisherigen System gemachten Erfahrungen haben wiederholt die Notwendigkeit einer vermehrten Koordination gezeigt.

Es ist also wichtig, dass der Grundsatz der Koordination im Gesetz erwähnt ist, wobei verschiedene Konkretisierungsmöglichkeiten denkbar sind. Die eine wäre die Schaffung einer «Eidgenössischen Kommission für die Leistungskoordination bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung» ; eine andere ganz einfach ein systematischer Informationsaustausch oder die gleichzeitige statt getrennte Prüfung eines Problems im Zusammenhang mit Versicherungsleistungen durch die betroffenen Kommissionen.

Absatz J In den Absätzen 1-4 werden dem Bundesrat verschiedene Aufgaben übertragen, die wir oben näher erläutert haben. Der Bundesrat kann sie an das Eidgenössische Departement des Innern oder an das Bundesamt für Sozialversicherung delegieren. Auch dies ist keine materielle Neuerung, sondern die ausdrückliche gesetzliche Verankerung einer
möglichen Delegierung und Weiterdelegierung.

Dieser Grundsatz ist in der Praxis schon weitgehend konkretisiert worden (z. B.

V 7 des EDI, SR 832.141.11; V 8 des EDI, SR 832.141.12; Zuständigkeit des BSV für die Spezialitätenliste, Art. l Abs. 3 V VIII, SR 832.141.2).

Artikel 28 Umfang Absatz l Wir haben diese Bestimmung bewusst an das Ende des Kapitels über die Leistungen gesetzt, denn sie soll daran erinnern, dass der gesetzliche Leistungskatalog im Sinne der Artikel 19-27 verbindlich und erschöpfend ist.

Da es sich um ein neues Konzept handelt, verdient es besondere Betonung. Wie bereits hervorgehoben, ist es im Rahmen einer nunmehr obligatorischen Versi161

cherung mit grundsätzlich gleich hohen Prämien gerechtfertigt. Alle übrigen Leistungen werden in die Zusatzversicherungen verwiesen, deren Abschluss im Ermessen der Betroffenen liegt. Das Leistungsangebot der Zusatzversicherungen und die entsprechenden Prämienansätze können zwischen den Versicherern variieren.

Absatz 2 Das Territorialitätsprinzip gilt für die soziale Krankenversicherung weiterhin; das hat uns indes nicht davon abgehalten, die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen vorzusehen. Mehrere Krankenkassen haben bereits erste Schritte in diese Richtung getan.

Die nun im Gesetz verankerte Neuerung hat den - bedeutenden - Vorteil, alle Versicherten gleichzustellen. Sie gilt insbesondere für Leistungen, die aus medizinischen Gründen (gemäss Art. 19 Abs. 2 oder Art. 23) im Ausland erbracht werden müssen. Dafür kommen einerseits Notfälle in Frage, andererseits Leistungen, die in der Schweiz nicht gleichwertig angeboten werden. Die zweite vorgesehene Ausnahme ist die Entbindung im Ausland aus anderen als medizinischen Gründen. Wir denken hier vor allem an Geburten, die zum Erwerb der Staatsbürgerschaft im Ausland stattfinden müssen (Anwendung des Prinzips des jus soli).

Der Bundesrat ist ermächtigt, die Kostenübernahme zu begrenzen; für die Systematik könnte man sich hier nach der Lösung in den Artikeln 10 Absatz 3 UVG (SR 832.20) und 17 UVV (SR 832.202) richten.

Leistungserbringer Das Kapitel über die Leistungserbringer enthält sechs Abschnitte, welche die folgenden Fragen regeln: - Wer ist berechtigt, zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung Leistungen zu erbringen (1. Abschnitt, Art. 29-34)?

- Welche Freiheit haben die Versicherten bei der Wahl des Leistungserbringers, und wieweit werden dabei die Kosten durch die Versicherung übernommen (2. Abschnitt, Art. 35)7 - Wer schuldet dem Leistungserbringer die Vergütung? Ist es der Versicherer (Direktvergütung; System des Tiers payant) oder ist es der Versicherte, mit einem Anspruch auf Rückerstattung gegen den Versicherer (Rückvergütung; System des Tiers garant) (3. Abschnitt, Art. 36)?

- Wie werden die Tarife und Preise festgelegt, nach denen die Leistungen zu vergüten sind (4. Abschnitt, Art. 37-45)?

- Welche Hebel hat der Bundesrat, um bei einer überbordenden Kostenentwicklung die Notbremse zu ziehen (5, Abschnitt, Art. 46 und 47)?

- Was wird zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit und der Qualität der Leistungen vorgekehrt (6. Abschnitt, Art. 48-51)?

162

Zulassung der Leistungserbringer Artikel 29

Grundsatz

Wie das geltende Recht kennt die Vorlage folgende Medizinalpersonen und Einrichtungen, welche als Leistungserbringer zugelassen sein müssen, um für die obligatorische Krankenpflegeversicherung (Versicherung) tätig werden zu können: Ärzte; Apotheker; Chiropraktoren; Hebammen; Personen, die auf ärztliche Anordnung hin Leistungen erbringen können, und die sie beschäftigenden Organisationen (heute: die sog. medizinischen Hilfspersonen); Laboratorien; Spitäler (heute: die sog. Heilanstalten) und Heilbäder. Neu hinzu kommen sollen: Abgabenstellen für Mittel und Gegenstände, die der Untersuchung oder Behandlung dienen; Einrichtungen, die der teilstationären Krankenpflege dienen; Pflegeheime. Die Erweiterung im Kreis der Leistungserbringer sowie die beiden erwähnten Neubezeichnungen - «Spitäler» statt «Heilanstalten» einerseits und «Personen, die auf ärztliche Anordnung hin Leistungen erbringen, und Organisationen, die solche Personen beschäftigen» statt «medizinische Hilfspersonen» anderseits - stehen im Zusammenhang mit den sich aus den Artikeln 19-28 ergebenden Neuerungen und Abrundungen im Bereich der medizinischen Grundversorgung, welche die obligatorische Krankenpflegeversicherung abzudecken hat. Hierauf wird, soweit nötig, in den Erläuterungen zu den Artikeln 30-34 noch näher eingegangen. Diese Bestimmungen regeln, unter welchen Voraussetzungen die Leistungserbringer zur Tätigkeit für die soziale Krankenversicherung zugelassen sind.

Mit dem in den Artikeln 19-28 (Leistungen) und 29-51 (Leistungserbringer) enthaltenen Versorgungsangebot wird eine zeitgemässe und umfassende medizinische Grundversorgung für die gesamte Bevölkerung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung abgedeckt. Diese Grundversorgung für die Patienten soll, wie auch heute, in erster Linie unter der Obhut und Führung des Arztes erbracht werden, der sozusagen in einer «Scharnierfunktion» den Leistungsbedarf und die Bedarfsdeckung in zweckmässiger und optimaler Form (vgl.

auch Art. 48-51) zusammenführen soll. Er kann und wird dies im Zusammenwirken mit den anderen Leistungserbringern tun. In ähnlicher, aber auf sein Gebiet zugeschnittener Form wird dies, wie auch heute schon, der Chiropraktor tun (vgl. An. 19 Abs. 2 Bst. a und b).

Für die anderen, im Gesetz bewusst nicht abschliessend aufgezählten medizinisch-therapeutischen
Berufe und Berufe der spitalextemen sowie der Hauskrankenpflege gilt demgegenüber, wie heute, dass sie nur auf ärztliche Anordnung hin für die soziale Krankenversicherung tätig werden sollen. Angestrebt wird damit eine möglichst gute Koordination von Diagnose und Therapie, was der Qualitätssicherung und der Wirtschaftlichkeit der Leistungen, und damit letztlich dem Interesse der Versicherten und der Patienten dienen soll.

Aus diesen Überlegungen heraus sind wir auch den hier und dort in den Vernehmlassungen geäusserten Wünschen nicht gefolgt, die darauf abzielten, die Psychotherapeuten, die Physiotherapeuten, die diplomierten Krankenschwestern und Krankenpfleger, das Spitexpersonal, die anerkannten Heilpraktiker, die Logopäden, die Diätberaterinnen, die Diabetesberaterinnen, die Psychomotoriktherapeuten usw. als dem Arzt gleichgestellte Leistungserbringer in die

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Vorlage aufzunehmen. Wir sind überdies der Auffassung, dass es wenig sinnvoll wäre, die «paramedizinischen» Leistungserbringer im Gesetz abscbliessend zu nennen. Damit wäre letztlich niemandem gedient. Zu stark ist in diesen Leistungsbereichen die Entwicklung im Fluss. Ihr kann sich die Verordnung schneller und besser anpassen. Die hierfür grundlegende Formulierung im Gesetz steckt denn auch ganz bewusst einen ausreichenden Rahmen ab. Indem sie von «Personen, die auf ärztliche Anordnung hin Leistungen erbringen», sowie von den «Organisationen, die solche Personen beschäftigen» spricht, lässt sie für die in der heutigen Ordnung vorherrschende selbständige Tätigkeit auf eigene Rechnung (V VI vom 11. März 1966 über die Krankenversicherung ; SR 832.156.1) ebenso Raum wie für die Tätigkeit als Angestellte(r) z. B. eines SPITEX-Dienstes, einer Diabetesberatungsstelle, einer Enterostomieberatungsstelle, eines Ambulatoriums, einer Gemeinde, einer Vereinigung für Hauskrankenpflege usw. Damit soll dem heute in diesen Bereichen bestehenden Potential an Strukturen, Kräften und Erfahrungen sowie seiner möglichen Weiterentwicklung Rechnung getragen und sein Einsatz im Rahmen der sozialen Krankenversicherung in koordinierter Form und in vernünftigem Ausmass sichergestellt werden.

Verzichtet wurde anderseits in dieser Vorlage auf ein ebenfalls im Vernehmlassungsverfahren vorgetragenes Postulat, das durchaus auch gewisse positive Ansätze für die medizinische Versorgung und die Kosteneindämmung enthielte.

Danach hätte sich im Normalfall jeder Versicherte, der Versicherungsleistungen beanspruchen will, zunächst an den für ihn zuständigen Allgemeinpraktiker zu wenden. Dieser würde ihn soweit möglich selber betreuen und bei Bedarf einem Spezialisten, einer geeigneten Institution oder einem paramedizinischen Berufsspezialisten zuweisen. Dies ist im Grunde nichts anderes als das System des früheren Haus- oder Farailienarztes. Nun ist es aber unseres Erachtens so, dass man ein solches System des zuweisenden Allgemeinpraktikers, wie es andere Länder kennen, nicht unbedingt zwingend im Gesetz vorschreiben muss. Die Praxis kann es vielmehr dort, wo es gewünscht und frei gewählt wird, von sich aus schaffen. Auch im System der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.

Es ist hier insbesondere an die möglichen alternativen
Versicherungsformen, wie z. B. die Gesundheitskassen, die sog. Health Maintenance Organizations (HMO) zu erinnern, die gerade auch unter diesem Gesichtspunkt von den Versicherten, den Versicherern und den Leistungserbringern als echte Alternative gewählt und zu nutzbringender Wirkung gebracht werden können (vgl, hiervor Ziff. 22 sowie Art. 35 Abs. 4, 37 Abs. 2, 54 und 56 Abs. 6 Bst. c).

Artikel 30 Ärzte Wie nach heutigem Recht sind die Ärzte zur Tätigkeit für die soziale Krankenversicherung zugelassen, wenn sie das eidgenössische Diplom besitzen. Nach der Vorlage müssen sie zudem nachweisen, dass sie eine vom Bund anerkannte Weiterbildung absolviert haben (Abs. 1). Dies soll der Erhöhung der Leistungsqualität der in die Berufspraxis eintretenden Mediziner dienen. Es wird dadurch eventuell auch der Zustrom zur Kassenpraxis etwas gemässigt werden.

Dafür wird in Zukunft auf das nach heutigem Recht erlaubte Karenzjahr für Ärzte, die ihre Praxis eröffnen, verzichtet.

164

Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Arzt mit einem anderen wissenschaftlichen Befähigungsausweis als dem eidgenössischen Diplom zu Lasten der Krankenversicherung tätig werden darf, bestimmen heute die Kantone. In Zukunft soll dies der Bundesrat tun, damit einheitliche Zulassungsvoraussetzungen und die Abstimmung mit dem europäischen Recht gewährleistet sind (Abs. 2). Mit den hier vorgezeichneten Zulassungsvoraussetzungen haben auch Ärzte, welche im Bereich der Komplementär- oder Alternativmedizin (z. B. Homöopathie, anthroposophisch orientierte Medizin, eine die Pflanzenheilkunde oder die Akupunktur berücksichtigende Medizin) praktizieren, eine faire Zulassungschance; genau wie die von ihnen erbrachten Leistungen (vgl. Art. 26).

Zahnärztliche Leistungen werden nicht generell, sondern nur in beschränktem Umfang von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vergütet (Art. 25).

Für dieses Tätigkeitsfeld sind die Zahnärzte unter den gleichen Voraussetzungen zugelassen wie die Ärzte (Abs. 3).

Artikel 31 Apotheker Die Apotheker sind, genau wie nach heutigem Recht, zugelassen, wenn sie das eidgenössische Diplom besitzen (Abs. 1). Wie bei den Ärzten und aus den gleichen Gründen soll aber, statt den Kantonen, in Zukunft der Bundesrat bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen Apotheker mit einem anderen wissenschaftlichen Befähigungsausweis zugelassen sind (Abs. 2). Ebenfalls durch den Bundesrat, und nicht mehr durch die Kantone, soll in Zukunft die ärztliche Selbstdispensation von Medikamenten zu Lasten der Krankenversicherung geregelt werden. Hier gilt es, sowohl der Kosteneindämmung als auch der optimalen Bedarfsdeckung Rechnung zu tragen (Abs. 3). Der selbstdispensierende Arzt darf die Medikamente höchstens zu den Tarifen und Preisen der vom Bund erstellten Arzneimittellisten in Rechnung stellen (Art. 44). Die bundesrätliche Verordnung, welche die Voraussetzungen der Selbstdispensation regelt, wird auch geeignete Übergangsbestimmungen für die Ärzte vorsehen müssen, die nach altem Recht zur apothekergleichen Medikamentendispensation zugelassen waren, es aber nach neuem Recht nicht mehr sein werden.

Artikel 32 Andere Leistungserbringer Für Chiropraktoren, Hebammen, Personen, die auf ärztliche Anordnung hin Leistungen erbringen, und die Organisationen, die solche Personen beschäftigen
(letztere sind insbesondere in der SPITEX von Bedeutung), für Laboratorien sowie Abgabestellen für Mittel und Gegenstände, die der Untersuchung oder Behandlung dienen, wird der Bundesrat die Zulassungsvoraussetzungen auf Verordnungsstufe regeln. Hier wird es, entsprechend der Ausgestaltung des Leistungsspektrums in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Art. 19 ff.), insbesondere darum gehen, den Bereich der spitalexternen Krankenpflege (SPITEX) angemessen zu berücksichtigen. Zu den Grundlagen dieses Artikels und zur Bedeutung, die einem flexiblen und für Innovationen zugänglichen Verordnungsrecht hier zukommt, wurde das Entsprechende bereits bei den Erläuterungen zu Artikel 29 ausgeführt.

Artikel 33 Spitäler und andere Einrichtungen Wer nach geltendem Recht feststellen will, welche Anforderungen ein Spital er* füllen muss (Gesetz und Verordnung verwenden heute den Begriff «Heilanstalt»), um als Leistungserbringer mit der sozialen Krankenversicherung abrechnen zu können, findet im geltenden Gesetz keinen Anhaltspunkt und in der Verordnung nur den knappen Hinweis, es müsse sich um Anstalten oder Abteilungen davon handeln, «die der Behandlung von Kranken unter ärztlicher Leitung dienen». Diese allzu knappe Umschreibung ist von der Rechtsprechung im Laufe der Jahre ergänzt und präzisiert worden. Hierauf stützt sich denn auch die in die Vorlage aufgenommene Definition. Sie ergänzt aber die von den Gerichten herausgearbeiteten Kriterien um Elemente, welche einerseits der Unterscheidung und anderseits der Koordinierung der verschiedenen Kategorien von Spitälern und sonstigen Einrichtungen der stationären oder teilstationären Krankenpflege dienen und damit auch zu einer verbesserten Übersicht über das Leistungsangebot und zur Eindämmung der Kostenentwicklung beitragen sollen. Dies ist besonders wichtig, weil das Spital für gewöhnlich (Ausnahme 1989) der Leistungserbringer mit dem am stärksten ins Gewicht fallenden Kostenanstieg ist. Ansätze für eine solche Begriffsumschreibung fanden sich bereits in der bundesrätlichen Vorlage vom 19. August 1981 (BEI 1981II 1117 ff. 1248), in dem in der Referendumsabstimmung vom 6. Dezember 1987 abgelehnten Sofortprogramm (Änderung des KUVG vom 20. März 1987; BEI 1987 I 985 ff.

992) sowie im ständerätlichen Gegenentwurf auf Gesetzesstufe vom 17. Oktober 1988 zur «Krankenkasseninitiative» (BB1 1988 III 1323 ff. 1330).

Die Vorlage unterscheidet die folgenden drei Kategorien von Einrichtungen: - Spitäler, als Anstalten (oder Abteilungen davon), welche der stationären Behandlung akuter Krankheiten oder der stationären Durchführung von medizinischen Rehabilitationsmassnahmen dienen (Abs. ) erster Satz); - teilstationäre Institutionen, als Anstalten, Einrichtungen oder deren Abteilungen, die der teilstationären Krankenpflege dienen (Abs. 2 Bst. a); - Pflegeheime, als Anstalten, Einrichtungen oder deren Abteilungen, die der Pflege und medizinischen Betreuung sowie der Rehabilitation von Langzeitpatienten dienen (Abs. 2 Bst. b).

Aus diesen Umschreibungen ergibt
sich auch, dass ein und dieselbe Institution in sich unterschiedliche Spitalabteilungen sowie auch Abteilungen für teilstationäre Krankenpflege und solche mit Pflegeheimcharakter vereinigen kann. Dies kann durchaus zweckmässig sein und ist auch in der Praxis gar nicht so selten.

Um für die Tätigkeit zu Lasten der sozialen Krankenversicherung zugelassen zu sein, müssen die genannten Anstalten, Einrichtungen oder Abteilungen in einer ihrem spezifischen Aufgabengebiet entsprechenden Form die folgenden Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen: - ausreichende ärztliche Betreuung gewährleisten sowie über das erforderliche Fachpersonal und über zweckentsprechende medizinische Einrichtungen verfügen (Dienstleistungs- und Infrastrukturvoraussetzung; Abs. l Bst. a-c); - der von einem oder mehreren Kantonen gemeinsam aufgestellten Planung für eine bedarfsgerechte Versorgung entsprechen, wobei private Trägerschaften angemessen in die Planung einzubeziehen sind (Bedarfsdeckungs- und Koordinationsvoraussetzung; Abs. l Bst. d); 166

- in der nach Leistungsaufträgen in Kategorien gegliederten Liste des Kantons für die entsprechenden Einrichtungen enthalten sein (Publizitäts- und Transparenzvoraussetzung; Abs. l Bst. e).

Mit Hilfe dieser Voraussetzungen soll ein wichtiger Schritt in Richtung Koordination der Leistungserbringer, optimale Ressourcennutzung und Eindämmung der Kosten getan werden. Es wird dabei entscheidend auf die zweckentsprechende Planung sowie auf die Zusammenarbeit der verschiedenen Leistungserbringer untereinander und mit den Versicherern und den Versicherten ankommen. Der gesetzliche Rahmen hiefür wird zur Verfügung gestellt. Seine zielund verantwortungsbewusste Ausfüllung durch die Praxis ist allerdings notwendig.

Die Vorlage verzichtet bewusst darauf, Begriffe, wie «akute Krankheit», «stationäre Behandlung», «teilstationäre Krankenpflege», «Langzeitpatienten» näher zu definieren oder sie sogar mit rigiden zeitlichen Rahmen zu versehen.

Diese Begriffe sind nämlich in der Praxis geläufig, und man weiss auch, dass bei ihrer Handhabung ein gewisser, vernünftig zu gebrauchender Spielraum nötig ist. Dies schon wegen der unterschiedlichen Arten von Krankheiten und den sich daraus ergebenden Behandlungsnotwendigkeiten, die sich überdies mit der Zeit und dem Erkenntnisfortschritt wandeln. Bei der «stationären Behandlung» geht man z. B. davon aus, dass prinzipiell der Klinikaufenthalt «rund um die Uhr» das typische Merkmal darstellt. Aber jedermann weiss auch aus Erfahrung, dass dieses Kriterium nicht absolut zu setzen ist, insbesondere nicht in der Rekonvaleszenzphase. Was unter einer «akuten Krankheit» zu verstehen ist, lässt sich, wie die Praxis zeigt, nicht mit einer präzisen Fristsetzung umschreiben. Je nach Art und Verlauf bestimmter Krankheiten können hier beträchtliche Unterschiede bestehen. Manche Krankheiten haben ihre akuten und ihre latenten Phasen. Chronisch gewordene Leiden können von akuten Phasen verschärft oder durch akute Erkrankungen überlagert werden usw. Als «teilstationäre Krankenpflege» wird man insbesondere die Behandlung und medizinische Versorgung in sogenannten Tages- oder Nachtkliniken oder auch in Einrichtungen der sogenannten «One-day-surgery» qualifizieren. Hier ist der einmalige oder wiederholte Klinikaufenthalt von prinzipiell kürzerer Dauer als «rund um die Uhr» ein typisches
Kennzeichen. Die zuvor angesprochenen Abgrenzungskriterien beziehen sich selbstverständlich in der jeweils entsprechenden Form auf somatische wie auf psychische Erkrankungen, und natürlich ebenso auf die vielen Krankheitsformen, in denen beide Elemente eine Rolle spielen. Wir betonen das ausdrücklich, weil im Vernehmlassungsverfahren diesbezüglich immer wieder Fragen gestellt wurden.

Ob und wann eine «akute Krankheit» vorliegt, ob man es mit einem «Langzeitpatienten» zu tun hat, sowie die Frage, ob der Patient der ambulanten, der teilstationären oder der stationären Krankenpflege bedarf, wobei auch die Möglichkeit einer Krankenpflege zu Hause (SPITEX) in die Überlegungen einzubeziehen ist, entscheidet sich in der Praxis stets im konkreten Einzelfall. Wesentlich ist dabei einerseits, dass die notwendigen, den Leistungsaufträgen entsprechenden Medizinalpersonen und -Institutionen vorhanden sind und zweckentsprechend zusammenarbeiten und dass anderseits der Patient ihnen in der seinen krankheitsbedingten Bedürfnissen optimal entsprechenden Art zugewiesen 167

wird. Hierbei kommt dem behandelnden Arzt eine wichtige «Scharnierfunktion» zu (vgl. hiezu die Erläuterung zu Art. 29 hiervor). Im Verhältnis zum Versicherer kann und soll dabei auch der Vertrauensarzt (Art. 49) den Beteiligten sachkundige und von allseitigem Vertrauen getragene Entscheidungshilfe leisten. Flankierende Bestimmungen (Art. 35 Abs. l erster Satz: Wahl des geeigneten Leistungserbringers; Art. 42 Abs. 3: Vergütung nach Massgabe der effektiv notwendigen Behandlung, vor allem im Verhältnis Spital/Pflegeheim; Art. 48-50 Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit und der Qualität der Leistungen) sollen dabei als Wegweiser dienen. Dies allenfalls auch für die Gerichte, welche bei einem Rechtsstreit für die Anwendung des Gesetzes und damit auch für die Auslegung von Artikel 33 Sorge zu tragen haben.

Artikel 34 Heilbäder Nach geltendem Recht hat der Versicherte Anspruch auf einen Kurbeitrag, wenn er eine ärztlich verordnete Badekur in einem unter ärztlicher Leitung stehenden inländischen Heilbad absolviert. Die Vorlage will in diesem Bereich keine weittragenden Neuerungen einführen. Die in andern Ländern zum Teil gemachten Erfahrungen zeigen nämlich, dass aus einer allzu grosszügig gehandhabten Kurverschreibungspraxis erhebliche Kostenprobleme für die Krankenversicherung entstehen können, die dann ein Zuriickbuchstabieren des Gesetzgebers notwendig machen. Aus diesem Grund wurde auch auf die im Vernehmlassungsverfahren zum Teil geforderte Einbeziehung der «Kurorte» in diese Bestimmung verzichtet. Hingegen will die Vorlage auf der Verordnungsstufe einen gewissen Spielraum für eine massvolle Neuerung und Öffnung lassen. In diesem Sinne präzisiert Artikel 34, dass die anerkannten Heilbäder die in der Verordnung umschriebenen Voraussetzungen bezüglich ärztlicher Leitung, Heilanwendungen und Heilquellen erfüllen müssen. Anerkennungsbehörde ist das Eidgenössische Departement des Innern. In diesem Rahmen können nach Bedarf auch ausländische Heilbäder anerkannt werden. Verordnungsgeber und Anerkennungsbehörde werden aber dafür Sorge tragen, dass eine Angebotserweiterung im Bereich der Badekuren sich in den Grenzen hält, die sich aus dem Zweck der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ergeben, nämlich der Sicherstellung der notwendigen, qualitativ hochstehenden Grundversorgung für die gesamte
Wohnbevölkerung. Was darüber hinaus als Wahlbedarf oder Komfort gewünscht wird, gehört dagegen in den Bereich der freien Zusatzversicherungen.

Artikel 35 Wahl des Leistungserbringers und Kostenübernahme Die Frage der Wahlfreiheit des Versicherten, der einen Leistungserbringer aufsuchen will oder muss, hängt ganz entscheidend mit davon ab, in welchem Umfang der Versicherer, je nach getroffener Wahl, zur Übernahme der Kosten verpflichtet ist. Die Vorlage regelt daher diese beiden Fragen im gleichen Artikel.

Heute ist das Wahlrecht des Versicherten mit Bezug auf die verschiedenen Leistungserbringer bald enger und bald weiter ausgestaltet, ohne dass hierfür stets zwingende sachliche Gründe ersichtlich sind. Artikel 35 schlägt daher eine weitgehende Vereinheitlichung vor. Der Versicherte soll die freie Wahl unter den für die Behandlung seiner Krankheit geeigneten (vgl. hiezu insb. auch die Er168

läuterungen zu Art. 33) und zugelassenen Leistungserbringern haben. Der Versicherer hat jedoch die Kosten grundsätzlich nur bis zur Höhe des Tarifs zu übernehmen, der am Wohn- oder Arbeitsort des Versicherten oder in deren Umgebung gilt (ambulante Behandlung), bzw. der im Wohnkanton des Versicherten gilt (stationäre und teilstationäre Behandlung) (Abs. 1). Übt der Versicherte sein Wahlrecht in diesen Grenzen aus, so geniesst er den vollen Tarifschutz (vgl.

Art. 38). Beansprucht er dagegen, ohne dass medizinische Gründe dies erfordern, einen auswärtigen Leistungserbringer, so hat er die allfällige Kostendifferenz zwischen dem auswärtigen Tarif und dem Tarif am Wohn- oder Arbeitsort oder im Wohnkanton selber zu tragen (Abs. 1). Der auswärtige Leistungserbringer darf aber immerhin keine höhere als die dem auswärtigen Tarif gemässe Vergütung verlangen. Es besteht also auch hier ein Tarifschutz für den Versicherten (vgl. Art. 38 in Verbindung mit Art. 39 und 40 Abs. 2). Hier liegt eine nicht unbedeutende Neuerung; besteht doch nach heutigem Recht in solchen Fällen keine gesetzlich gesicherte Leistungspflicht. Die vorgesehene Verbesserung für den Versicherten ist die Kehrseite seiner Versicherungspflicht.

Greift der Versicherte aus medizinischen Gründen (der Entwurf sagt in Abs. 2, was darunter zu verstehen ist) auf die Dienste eines auswärtigen Leistungserbringers zurück, so hat der Versicherer sich an den auswärtigen Tarif zu halten und die Leistung nach diesem zu vergüten, auch wenn dieser höher ist als derjenige am Wohn- oder Arbeitsort bzw. im Wohnkanton (Abs. 2). Ist der auswärtige Leistungserbringer allerdings ein öffentliches oder ein öffentlich subventioniertes Spital, welches für ausserkantonale Patienten nach einem höheren Tarif abrechnet als für Kantonseinwohner (vgl. Art. 42 Abs. l und 2), so ist diese Differenz durch den Wohnkanton des Versicherten zu übernehmen (Abs. 3).

Diese Regelung soll dem Lastenausgleich und der verstärkten Koordination zwischen den Kantonen dienen. Einige Kantone haben sich im Vernehmlassungsverfahren gegen diese Lösung ausgesprochen. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Kantone nicht gezwungen sind, diesen Abrechnungsmodus für die stationäre Behandlung ausserkantonaler Patienten zu wählen. So können z. B. Kantone mit Spitälern, die eine Zentrumsfunktion
erfüllen, mit ihren Nachbarkantonen Finanzierungsabsprachen treffen, wonach die Nachbarkantone sich an der Finanzierung des betreffenden Spitals beteiligen, da ja auch ihre Einwohner von dessen Leistungsangebot profitieren. Dann rechtfertigt es sich, dass ein solches Zentrumsspital für kantonale und ausserkantonale Patienten die gleichen Tarife anwendet. Artikel 42 Absatz l und 2 erlauben dies durchaus. In diesem Fall stellt sich das Problem von Artikel 35 Absatz 3 gar nicht mehr. Der finanzielle Ausgleich zwischen den Kantonen kann also entweder autonom, auf Grund einer interkantonalen Absprache, oder gemäss der Regel von Artikel 35 Absatz 3 erfolgen. Diese kann und soll somit einen gewissen Druck auf die Kantone ausüben zur Koordination bei der Planung, Finanzierung und Belegung der Spitäler. Die Kantone befürworten übrigens in ihren Vernehmlassungen die Koordination. Artikel 35 Absatz 3 liegt damit auf der bereits in Artikel 33 vorgezeichneten Linie: Optimierung der Ressourcennutzung und Kosteneindämmung. Dies einerseits durch die Vermeidung der Schaffung unnötiger Kapazitäten und anderseits durch die koordinierte und bedarfsgerechte Bereitstellung und gemeinsame Verwendung der effektiv benötigten Kapazitäten.

1fiQ

Artikel 35 schützt die Wahlfreiheit der Versicherten; sie darf also von den Versicherern nicht einseitig eingeschränkt werden. Hingegen können beide Seiten miteinander vereinbaren, dass die Auswahl sich auf bestimmte Leistungserbringer beschränken soll, die sich zu kostengünstigeren Formen der medizinischen Versorgung bereitfinden (Art. 35 Abs. 4). Das soll den Versicherern erlauben, im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung alternative Versicherungsangebote zu machen, z. B. nach dem Modell der Preferred Provider Organizations (PPO) oder nach demjenigen der Gesundheitskassen oder Health Maintenance Organizations (HMO) (vgl. Ziff. 22 hievor). Solche Versicherungsangebote sollen die Beteiligten zu kostensparendem Verhalten motivieren, dürfen jedoch nicht zu einer Risikoentmischung und Aufhebung der für die soziale Krankenversicherung grundlegenden Solidarität führen. Deswegen gilt auch für diese Versicherungsformen der Grundsatz der Freizügigkeit und der Teilnahme am Risikoausgleich. Die Artikel 39 Absätze l und 2, 54 Absätze l und 3 und 56 Absatz 6 dritter Satz Buchstabe c schaffen im Bereich der Tarife, der Prämien und der Kostenbeteiligung den nötigen Spielraum zur Ausgestaltung solcher Versicherungsmodelle. Selbstverständlich gelten auch für diese Versicherungsmodelle die Artikel 48-51 über die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und der Qualität der Leistungen. Die Rahmenbedingungen für neue Verhaltensweisen und echte Verbesserungsmöglichkeiten im Sinne einer qualitäts- und kostenbewussten medizinischen Versorgung sind somit gegeben.

Artikel36 Schuldner der Vergütung; Rechnungstellung Die Vorlage legt Wert darauf, die Verantwortung und das Kostenbewusstsein der Versicherten zu stärken. Sie stellt daher das System des Tiers garant in den Vordergrund. Danach schuldet der Versicherte dem Leistungserbringer die Vergütung und hat gegenüber seinem Versicherer Anspruch auf deren Rückerstattung. Diese Regel gilt, wie schon heute, wenn nichts anderes zwischen Versicherer und Leistungserbringer vereinbart wird (Abs. 1). Beide können indes auch vorsehen, dass der Versicherer der direkte Schuldner des Leistungserbringers ist (System des Tiers payant; Abs. 2).

Der Schuldner der Vergütung hat Anspruch darauf, dass der Leistungserbringer ihm eine genügend aufgeschlüsselte und verständliche Rechnung
zustellt und ihm diejenigen Angaben macht, die er benötigt, um die Festsetzung der Vergütung und gegebenenfalls auch die Wirtschaftlichkeit der Leistung überprüfen zu können (Abs. 3). Ist der Versicherer Schuldner der Vergütung, so kommt es ihm zu, dem Versicherten eine Kopie der Rechnung zuzustellen, damit dieser sie überprüfen und sich über die entstandenen Kosten Rechenschaft ablegen kann.

Ist der Versicherte Vergütungsschuldner, so wird er die vom Leistungserbringer erhaltene Rechnung oder deren Kopie an den Versicherer weiterleiten, um von ihm die Rückerstattung zu bekommen. Dieser kann dann ebenfalls die hiervor erwähnten Angaben vom Leistungserbringer verlangen. Der Versicherer ist nach Absatz 5 zudem berechtigt, bei der Abklärung seiner Pflicht zur Kostenübernahme allenfalls auch eine genaue Diagnose oder zusätzliche medizinische Auskünfte zu verlangen. Er kann ausserdem anstelle des Versicherten allenfalls zuviel bezahlte Beträge zurückfordern (Art. 48 Abs. 2 Bst. a), und er hat, im Streitfall, den Versicherten auf eigene Kosten vor dem kantonalen Schiedsgericht 170

(Art. 81 Abs. 3) zu vertreten. Es ist also dafür gesorgt, dass der Rechtsschutz für den Versicherten im System des Tiers garant nicht schlechter ist als im System des Tiers payant.

Unter den Angaben, welche der Leistungserbringer dem Versicherer zu machen hat, sind notgedrungen zahlreiche Angaben mit medizinischem Inhalt. Solche Angaben können mit Bezug auf den Persönlichkeitsschutz des Patienten ein sehr unterschiedliches Gewicht haben. Eher banale Daten wird der Leistungserbringer normalerweise direkt an die Verwaltung des Versicherers leiten. Verlangt jedoch der Versicherte, dass der Leistungserbringer die medizinischen Angaben nur gegenüber dem Vertrauensarzt macht, so ist dieser Wunsch rechtlich verbindlich (Abs. 4). Der Vertrauensarzt wirkt gegenüber den Verwaltungsstellen des Versicherers wie ein Filter. Er gibt ihnen diejenigen Angaben weiter, die sie für ihre Arbeit benötigen, und wahrt die Persönlichkeitsrechte der Versicherten (Art. 49 Abs. 7). Hinzu kommt, dass alle an der Durchführung der sozialen Krankenversicherung Beteiligten - also nicht nur die Leistungserbringer, sondern auch das Personal der Versicherer - der Schweigepflicht unterstehen (Art. 75), deren Verletzung strafbar ist (Art. 83). Durch das Zusammenspiel dieser verschiedenen Bestimmungen sollen zwei zum Teil gegenläufige Zielsetzungen in möglichst optimaler Weise erreicht werden, nämlich eine effiziente Kontrolle der Kosten und ein zuverlässiger Schutz der Persönlichkeitsrechte.

Tarife und Preise

Der Abschnitt über Tarife und Preise (4. Abschnitt) regelt einen zentralen Bereich im Kapitel über die Leistungserbringer. Von der Art und Weise, wie Tarife und Preise für die Vergütung der Leistungen in der sozialen Krankenversicherung gebildet und gehandhabt werden, gehen entscheidende Impulse für die Kostenentwicklung in der Krankenversicherung aus, welche ihrerseits einen wichtigen Teil der Gesamtkostenentwicklung im Gesundheitswesen ausmacht.

Dieser zentrale Abschnitt wird durch die beiden folgenden Abschnitte über ausserordentliche Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung (5. Abschnitt) und über die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und der Qualität der Leistungen (6. Abschnitt) ergänzt. Diese drei Abschnitte zusammen enthalten die wesentlichen normativen Grundlagen für ein kostendämpfendes Eigenverhalten der Tarifpartner (Leistungserbringer und Versicherer) einerseits und für graduell abgestufte Kostendämpfungsmassnahmen der zuständigen Behörden anderseits. Alle für die Kosteneindämmung Mitverantwortlichen - die Versicherten Inbegriffen - werden durch diese Bestimmungen angesprochen. Sie sind gemeinsam zu kostenbewusstem und kosteneindämmendem Verhalten aufgerufen und können bei Bedarf dazu angehalten werden.

Der Abschnitt über Tarife und Preise umfasst die folgenden hauptsächlichen Regelungsgegenstände : - begriffliche Grundlagen und allgemeine Grundsätze für das Tarifwesen (Art. 37), - Wirkung des Tarifschutzes (Art. 38), - allgemeine Regeln für den Tarifvertrag (Art. 39), - allgemeine Regeln für den vertragslosen Zustand (Art. 40), 171

-

besondere Regeln für Tarifverträge mit Ärzteverbänden (Art. 41), besondere Regeln für Tarifverträge mit Spitälern (Art. 42), besondere Regeln für Tarifverträge mit Pflegeheimen (Art. 43), besondere Regeln für die Vergütung von Analysen, Arzneimitteln sowie Mitteln und Gegenständen, die der Untersuchung oder der Behandlung dienen (Art. 44), - Recht zur Beschwerde an den Bundesrat über kantonale Tarifbeschlüsse (Art.' 45).

Das geltende Tarifrecbt ist nicht sehr übersichtlich ausgestaltet. Auch seiner Terminologie fehlt es an Einheitlichkeit und Transparenz. Schon aus diesem Grund drängte sich im Rahmen einer Gesamtrevision eine formale Überarbeitung dieses Rechtsgebietes auf. Überdies galt es, verschiedene «alte Zöpfe» abzuschneiden, die in einer modernen obligatorischen Krankenpflegeversicherung für die gesamte Wohnbevölkerung nichts mehr zu suchen haben. So insbesondere die Möglichkeit der Anwendung unterschiedlicher Tarife oder gar der Wegfall des Tarifschutzes bei wirtschaftlich besser oder sehr gut gestellten Versicherten. Schliesslich waren vorab allgemeine Grundregeln für das Tarifwesen sowie für die Tarifverträge und für deren Fehlen oder Wegfall aufzustellen und diese dann durch geeignete Sonderbestimmungen in den Bereichen zu ergänzen, wo dies angezeigt erschien (vgl. die zusammenfassende Übersicht hievor).

Nicht zuletzt aber galt es, dem Element der Kosteneindämmung mehr Entfaltungsmöglichkeit zu verschaffen als heute. Diese Anforderungen führten im Ergebnis zu einer vollständigen Neugliederung und Neuformulierung der tarifrechtlichen Bestimmungen, wobei materielle Elemente aus dem geltenden Recht übernommen werden konnten, soweit sie den soeben erwähnten Anforderungen im wesentlichen entsprachen.

Artikel 37 Grundsatz Grundlage für die Rechnungstellung durch den Leistungserbringer, das heisst für die Berechnung der Vergütung der erbrachten Leistungen einerseits (vgl.

Art. 36), und für die Kostenübernahme durch den Versicherten bzw. den Versicherer (vgl. Art. 35 und 38) anderseits, sind die in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung verbindlichen Tarife oder Preise (Abs. 1). Diese werden in der Regel durch Verträge zwischen den Versicherern und den Leistungserbringern festgelegt (Absatz 4, sowie Art. 39, Art. 42-43 und Art. 44 Abs. 2 Satz 2).

Dies ist schon heute so. In den
gesetzlich vorgesehenen Fällen (Art. 38 Abs. 3, 40, 41, 42 Abs. 7, 44, 45 und 46) wird der rechtlich verbindliche Preis oder Tarif von der hierfür zuständigen Behörde festgelegt. Dies geschieht z. B. dann, wenn kein Vertrag zustandekommt, wenn überhaupt kein Vertrag besteht oder wenn eine Vertragserneuerung misslingt (Art. 40 und 41). Dabei handelt es sich also um Lücken im Vertragssystem oder um Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Tarifpartnern oder allenfalls um eine krisenartige Situation (Art. 38 Abs. 3), also um Ausnahmesituationen. Ein behördlich festgelegter Tarif oder Preis ist demgegenüber der Regelfall für die Vergütung von Analysen und Arzneimitteln (Art. 44 Abs. l Bst. a Ziff. l und 2 und Bst. b) - dort ist dies heute schon der Fall - sowie neu nunmehr in Form der Festsetzung von Festpreisen (Umfang der Vergütung) bei Mitteln und Gegenständen, die der Untersuchung oder Behandlung dienen (Art. 44 Abs. l Bst. a Ziff. 3).

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Absatz 2 von Artikel 37 umschreibt in allgemeiner Form die Funktion des Tarifs als Instrument für die Bemessung der Vergütung und verweist gleichzeitig in einer nicht abschliessenden Aufzählung auf die drei hauptsächlichen Tarifarten, nämlich auf den Zeittarif, den Einzelleistungstarif und den Pauschaltarif. Den Pauschaltarif kennt man heute insbesondere bei der Abgeltung der Spitalaufenthalte. Dies kann und soll durchaus auch in Zukunft so sein (vgl. Art. 42). Es ist aber gut vorstellbar und würde überdies den Gesichtspunkten der Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit entsprechen, wenn Pauschaltarife und Zeittarife in Zukunft vermehrt auch in der ambulanten Behandlung, insbesondere im Bereiche der Hauskrankenpflege und der spitalexternen Krankenpflege (SPITEX) und, wenigstens auch zum Teil, im Bereich der teilstationären Krankenpflege zur Anwendung kämen. Die Praktizierung von alternativen Versicherungsformen, wie z. B. der Gesundheitskassen bzw. Health Maintenance Organizations (HMO) (vgl. Erläuterungen zu Art. 35 Abs. 4) dürfte zusätzlich zu einer Verbreitung solcher oder ähnlicher Tarifierungs- bzw. Vergütungsformen führen. Dies würde einen Vergleich zwischen den Konsequenzen, insbesondere den Vor- und Nachteilen, der unterschiedlichen Tarifierungsarten ermöglichen.

Es trüge auch bei zu der in zahlreichen Vernehmlassungen gewünschten Öffnung hin zu mehr Wettbewerb und Innovation.

Heute steht bei den ambulanten Leistungen noch die Einzelleistungstarifienmg im Vordergrund. Dabei wird jeder tarifierten Leistung eine bestimmte Anzahl Taxpunkte zugewiesen. Daraus ergibt sich der abstrakte Wert jeder Leistung und die Wertrelation der Leistungen untereinander (sog. Tarifstruktur). Multipliziert man dann den (in Franken und Rappen definierten) Taxpunktwert mit der Anzahl Taxpunkte einer Leistung, so erhält man ihren konkreten Wert, den Preis. In der heutigen Ordnung werden Tarifstruktur und Taxpunktwert meist dezentral festgelegt, und zwar in der Regel auf kantonaler Ebene durch Verbandsverträge zwischen Leistungserbringern und Versicherern. Was die Tarifstruktur betrifft, macht dies wenig Sinn. Es ist nämlich kaum einzusehen, warum z. B. das Anlegen eines Verbandes, die Anfertigung einer Röntgenaufnahme, eine Injektion, die Blutdruckmessung, die Entfernung eines Abzesses usw. im Kanton Graubünden
eine «wertvollere» (mehr Taxpunkte) oder «weniger wertvolle» (weniger Taxpunkte) Leistung darstellen soll, als z. B. im Kanton Genf. Was die Tarifstrufctur betrifft, ist es demnach angezeigt, diese auf gesamtschweizerischer Ebene einheitlich festzulegen, und zwar durch Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern. Dieses Vorgehen ist denn auch in Absatz 4 zweiter Satz vorgesehen. Die Festlegung der Taxpunktwerte soll mit Rücksicht auf die regionalen Kostenunterschiede (Lohn- und Preisgefälle) dagegen weiterhin durch dezentrale Vereinbarungen erfolgen. Dabei dürfen und sollen derartige Vereinbarungen durchaus dezentraler, vielgestaltiger und flexibler erfolgen als heute (Art. 39). Dies könnte nämlich zu einer Verstärkung von Wettbewerb und innovativem Verhalten führen. Durch die Transparenz und Vergleichbarkeit der Leistungsangebote bei Leistungserbringern und Versicherern, durch die volle Freizügigkeit der Versicherten (vgl. Art. 7) und durch die freie Wahl der Leistungserbringer durch die Versicherten (vgl. Art. 35) würde sich auch der Druck in Richtung auf eine möglichst kostengünstige Leistungserbringung verstärken.

Dies entspricht einem in zahlreichen Vernehmlassungen zum Ausdruck ge173

brachten Wunsch. Dem soeben umschriebenen Einzelleistungstarif haftet, wenn er korrekt festgesetzt wird (vgl. Abs. 5 und 6 sowie Art. 39 Abs. 3), eine gewisse leistungsbezogene Angemessenheit oder Gerechtigkeit an. Das dürfte sein hauptsächliches Qualitätsmerkmal sein. Die Erfahrung hat aber auch gezeigt, dass der Einzelleistungstarif gewisse Anreize zur Leistungserbringung, und damit zur Mengenausweitung in sich trägt. Gerade die Mengenausweitung spielt aber bekanntlich bei der Kostenentwicklung eine entscheidende Rolle. Deshalb dürfte es unter dem Aspekt der Kosteneindämmung angezeigt sein, den Möglichkeiten zur Pauschaltarifierung genügend Spielraum zu lassen. Dies tut die Vorlage denn auch.

Bei den Pauschaltarifen wird zwischen zwei Konzepten unterschieden (Art. 37 Abs. 3). Die Partner können Pauschalen vereinbaren, die sich auf die Behandlung eines einzelnen Patienten beziehen: z. B. eine pauschale Vergütung für eine Behandlung (Fallpauschale) oder einen Spitaltag (Tagespauschale). Hier spricht man von einer Patientenpauschale. Möglich ist es aber auch, Pauschalen zu vereinbaren, die unabhängig von der Behandlung eines Versicherten sind.

Hier garantiert der Leistungserbringer lediglich die Versorgung einer Versichertengruppe, und zwar unabhängig davon, welche Versicherten innerhalb der Gruppe dann tatsächlich behandelt werden (Versichertenpauschale).

Eine spezielle Variante dieser Versichertenpauschale ist das prospektive Globalbudget. Hier wird die Höhe der Pauschale aufgrund der in der Vergangenheit erbrachten Leistungen und der zu erwartenden Bedürfnisse festgelegt. Es wurde deshalb darauf verzichtet, diese Möglichkeit in einem speziellen Gesetzesartikel zu regeln. Es gibt aber eine Vielzahl anderer Möglichkeiten, die Höhe der Versichertenpauschale festzulegen: Zu denken wäre hier etwa an die Möglichkeit, dass die Vergütungen der sozialen Krankenversicherung an die SPITEX-Leistungen festgelegt werden nach der Anzahl der in einem bestimmten Gebiet wohnhaften Versicherten - eventuell abgestuft nach deren Alter. Die Höhe einer Versichertenpauschale muss sich also, wie es hier der Fall ist, nicht nach den in der Vergangenheit erbrachten Leistungen richten. Sie muss aber auch nicht prospektiv, das heisst zum vornherein festgelegt werden; es sind Versichertenpauschalen denkbar, die von einer
unteren und oberen Grenze ausgehen und die endgültige Höhe dann aufgrund von Kriterien der laufenden Entwicklung festlegen. Die Tarifpartner haben hier also eine ausserordentlich breite Auswahl von Gestaltungsmöglichkeiten.

Welches auch die gewählte Tarifierungsart sei, die Vertragspartner und die zuständigen Behörden müssen stets darauf achten, dass die Tarifierung dazu beiträgt, eine qualitativ hochstehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten sicherzustellen (Abs. 5). Diese Bestimmung zielt im Tarifbereich auf die genau gleiche Zwecksetzung hin wie Artikel 26 bei der Umschreibung der Pflichtleistungen und die Artikel 48-51 bei der Erbringung der einzelnen Leistungen. Auf allen drei Ebenen - Leistungsdefinition, Tarifierung und Leistungserbringung - liegt die Sicherstellung hoher Qualität und Wirtschaftlichkeit letztlich im Interesse der Versichertengemeinschaft, und zwar der Patienten wie der Gesunden.

Damit die Tarife der angegebenen Zielsetzung möglichst gerecht werden, kann der Bundesrat auf Verordnungsstufe Grundsätze für eine wirtschaftliche Bemes174

sung und eine sachgerechte Struktur der Tarife sowie für ihre Anpassung aufstellen. Er hat dabei für die Koordination mit den Tarifordnungen der anderen Sozialversicherungen zu sorgen (Abs. 6).

Artikel 38 Tarifschutz Die Festlegung der Tarife und Preise für die Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Art. 37-45) macht nur dann Sinn, wenn auch ihre Einhaltung sichergestellt wird, und zwar nicht nur zwischen den Tarifpartnern (Leistungserbringer und Versicherer), sondern vor allem auch mit Wirkung für die Versicherten. Das nennt man den Tarifschutz.

Im geltenden Recht ist er nicht einheitlich abgesichert. Ärzte und Kassen dürfen einen nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Versicherten abgestuften Tarif und Tarifschutz vorsehen (Art. 22-22ter KUVG). Ein solches System ist aber unseres Erachtens mit einer als Volksversicherung ausgestalteten obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht mehr vereinbar. Wir haben deshalb trotz dem erklärten Wunsch der Ärzteschaft im Vernehmlassungsverfahren, diese Abstufungsmöglichkeiten beizubehalten, hiervon Abstand genommen und ein einheitliches System des Tarifschutzes unter Wahrung der Gleichbehandlung der Versicherten vorgesehen. Dies ist nicht zuletzt auch das Gegenstück und die logische Ergänzung zur allgemeinen Versicherungspflicht. Wir sind der Ärzteschaft dagegen dort entgegengekommen, wo uns dies mit den Gegebenheiten einer modernen sozialen Krankenversicherung vereinbar erschien, nämlich in der Regelung des vertragslosen Zustandes mit Ärzteverbänden (vgl. hiezu die Erläuterungen zu Art. 41).

Der Tarifschutz muss im System des Tiers garant (Art. 36 Abs. 1) genau so gut spielen wie im System des Tiers payant (Art. 36 Abs. 2). Versicherer und Versicherte müssen sich auf den Tarifschutz auch angesichts der weiten, dem Versicherten in Artikel 35 eingeräumten Wahlfreiheit bezüglich der für die Behandlung der Krankheit geeigneten Leistungserbringer verlassen können. Das ist ein wesentliches Element dieser Vorlage; es bildet, wie bereits gesagt, ein logisches Gegenstück zur allgemeinen Versicherungspflicht (vgl. Erläuterungen zu Art. 35).

Unter Tarifschutz versteht man, dass die Leistungserbringer - erstens bei der Rechnungstellung die in den Tarifverträgen vereinbarten (Art. 39, 42 und 43) oder von den zuständigen Behörden festgelegten
Tarife und Preise (Art. 38 Abs. 3, 40, 41, 42 Abs. 7 letzter Satz, 44, 45 und 46) einhalten und - zweitens, dass sie für Leistungen nach diesem Gesetz keine weitergehenden Vergütungen berechnen dürfen.

Letzteres ist für die Versicherten insbesondere von Bedeutung im System des Tiers garant (Art. 36 Abs. 1), wo sie ja selber Schuldner der Vergütung sind.

Aber auch im System des Tiers payant, wo der Versicherer Direktschuldner ist, schützt es sie davor, dass der Leistungserbringer ihnen für Leistungen nach diesem Gesetz etwa noch zusätzlich Rechnung stellt. Der Tarifschutz gilt für den Versicherten überdies, selbst wenn er ohne besonderen medizinischen Grund einen auswärtigen Leistungserbringer aufsucht (vgl. Art. 35 Abs. l ; sowie Erläute175

rungen dazu). In diesem Fall ist der Versicherer zwar nur gehalten, die Vergütung maximal bis zum ortsnahen Tarif zu übernehmen. Die etwaige Differenz zum auswärtigen Tarif hat der Versicherte in diesem Fall selber zu bezahlen.

Aber er ist dann immer noch mit seiner restlichen Vergütungspflicht durch den auswärtigen Tarif geschützt. Sollte hierfür kein Tarifvertrag zugrundeliegen, so gilt in diesem Fall der behördlich festgesetzte Tarif (Art. 40 Abs. 2). Vermutlich wird die Kantonsregierung für solche Fälle den kantonalen Verbandstarif für anwendbar erklären.

Sozusagen doppelt abgesichert ist der Tarifschutz für den Bereich der stationären Behandlung; und dies hat seinen Grund. Auch für diese Behandlungen gilt der Grundsatz von Artikel 38 Absatz 1. Da aber in Artikel 42 Absätze l und 2 vorgesehen ist, dass in öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern für Kantonseinwohner höchstens 50 Prozent der anrechenbaren Kosten je Patient oder Versichertengruppe in der allgemeinen Abteilung durch die soziale Krankenversicherung zu übernehmen sind, hält Artikel 42 Absatz 4 ausdrücklich fest, dass damit alle Ansprüche des Spitals für die allgemeine Abteilung abgegolten sind. Das Spital darf also für die allgemeine Abteilung weder dem Versicherer noch dem Versicherten darüber hinaus Rechnung stellen. Wendet ein solches Spital für ausserkantonale Patienten einen Tarif von mehr als 50 Prozent der anrechenbaren Kosten an - bzw. von mehr als dem für Kantonseinwohner geltenden Tarif, welcher ja auch niedriger als 50 Prozent sein kann so ist die Differenz vom Wohnkanton des auswärtigen Patienten zu übernehmen (zur Bedeutung dieser Bestimmung, vgl. Erläuterungen zu Art. 35 Abs. 3), Der Tarifschutz ist somit auch in diesem Leistungsbereich mit seiner gemischten Finanzierung vollumfänglich sichergestellt (zur sozial- und finanzpolitischen Bedeutung dieser Mischfinanzierung vgl. hiervor Ziff. 22), In einem ganz spezifischen Leistungsbereich kann und soll der Tarifschutz nach Artikel 38 nicht die volle hiervor geschilderte Wirkung entfalten (Abs. l zweiter Satz), Es handelt sich um den Bereich der Mittel und Gegenstände, die der Untersuchung oder Behandlung dienen (vgl. Art. 19 Abs. 2 Bst. b und Art. 44 Abs. l Bst. a Ziff. 3). Für diese therapeutischen oder diagnostischen Geräte oder Apparate soll weder ein
eigentlicher Tarif noch ein Preis festgesetzt werden.

Vielmehr soll das Departement hier jeweils für ganz bestimmte Gruppen von Geräten (z. B. Pacemaker, Neuroschrittmacher, Blutzuckermessgeräte, Monitoren, Inhalationsapparate usw.) Bestimmungen über die Leistungspflicht und über den Umfang der Vergütung festlegen. Das entspricht einem System von Festpreisen; d. h. von behördlich fixierten Preisen, welche die Versicherung maximal für bestimmte Geräte- oder Apparategruppen zu bezahlen hat, auch wenn der Preis des einzelnen Gerätes oder Apparates allenfalls höher ist. Will der Versicherte das teurere Gerät, hat er die Differenz selber zu tragen. In einer obligatorischen Krankenpflegeversicherung, die den notwendigen Grundbedarf abzudecken hat, lässt sich dies gerade im Bereich der Mittel und Gegenstände gut vertreten. Zu vergüten ist das, was in einfacher und zweckmässiger Weise dem Untersuchungs- oder Behandlungsziel dient. Hierfür genügen die Festpreise, Was darüber hinaus geht, ist dem Wahlbedarf (Selbstzahlerschaft, Zusatzversicherung) zuzurechnen. Die Anbieter auf dem Markt werden sich dabei, schon aus Konkurrenzgründen, weitgehend an diesen Festpreisen orientieren. Wie

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ausländische Erfahrungen mit Festpreisen für bestimmte Leistungsgruppen (z. B. für Medikamente der gleichen Wirkstoffgruppen) zeigen, geht von den Festpreisen eine allgemeine Signalwirkung zur Preissenkung aus. Dieser Effekt dürfte für die Versicherten im Endergebnis kaum weniger wertvoll sein als der Tarifschutz; für die Eindämmung der Kostenentwicklung dürfte er überdies eine durchaus erwünschte Wirkung ausüben.

Der hiervor beschriebene Tarifschutz nach Artikel 38 spielt einzig gegenüber solchen Leistungserbringern nicht, die in den Ausstand getreten sind (Abs. 2).

Das sind Leistungserbringer, die gegenüber der von der Kantonsregierung zu bezeichnenden Stelle offiziell und generell erklärt haben, dass sie bei der Durchführung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht mitmachen, das heisst dass sie keine Leistungen nach diesem Gesetz erbringen wollen.

Sie haben folgerichtigerweise auch keinen Anspruch auf eine Vergütung nach diesem Gesetz; weder gegenüber dem Versicherten (Art. 36 Abs. 1) noch gegenüber dem Versicherer (Art. 36 Abs. 2). Sie können den von ihnen behandelten Patienten aber nach allgemeinem Recht privat Rechnung stellen, wenn sich beide Parteien hierüber einig sind. Es ist für einen Patienten daher wichtig, dass ein in den Ausstand getretener Leistungserbringer ihn vor Beginn der Behandlung hierauf hinweist. Der Leistungserbringer ist hiezu denn auch gesetzlich verpflichtet (Absatz 2 zweiter Satz). Er muss dabei den Patienten darüber informieren, dass keine Kostenübernahme durch die soziale Krankenversicherung stattfindet, sondern dass der Patient die Kosten der Leistungen entweder als Selbstzahler zu tragen oder aus zusätzlichen Versicherungen (Zusatzversicherungen, die mit Versicherern nach diesem Gesetz abgeschlossen wurden; private Versicherungen) abzudecken hat. Diese Ordnung mit Bezug auf Leistungserbringer, die in den Ausstand getreten sind, besteht schon im geltenden Recht (Art. 22bis Abs. 5 KUVG).

Man wird annehmen dürfen, dass ein Ausstand von Leistungserbringern, wie auch heute, der relativ seltene Ausnahmefall bleiben wird. Manche Universitätsdozenten legen z. B. Wert darauf, ausschliesslich privat abzurechnen. Die Leistungserbringer sind aber in der Regel daran interessiert, mit der sozialen Krankenversicherung zusammenzuarbeiten, bietet sie ihnen doch
erfahrungsgemäss eine zuverlässige und gute Existenzgrundlage. Sollte es nun aber, z. B. wegen einer eigentlichen Vertrauenskrise zwischen Tarifpartnern (Leistungserbringern und Versicherern), dazu kommen, dass zufolge eines massiven Ausstandes von Leistungserbringern die Behandlung der Versicherten nach diesem Gesetz in einem oder mehreren Leistungssektoren oder in bestimmten Fachspezialitäten nicht mehr gewährleistet ist, so müsste die Kantonsregierung, nach Anhören der Leistungserbringer und Versicherer, befristete Massnahmen ergreifen, um die Behandlung der Versicherten nach diesem Gesetz unter Einhaltung des Tarifschutzes trotzdem sicherzustellen. Es ist dies eine Art ultima ratio, in der Annahme und mit dem Ziel, den Normalzustand so schnell wie möglich wiederherzustellen. Diese Aufgabe der Notstandsbewältigung gehört in den angestammten Kompetenzbereich der Kantone im Gesundheitswesen. Deshalb sieht schon das geltende Recht hier die primäre Zuständigkeit der Kantonsregierung vor (Art. 22ter KUVG). Da ein solcher Notstand allerdings möglichst im Rahmen und mit den Mitteln der sozialen Krankenversicherung überwunden wer177

den soll, überträgt die Vorlage dem Bundesrat ausdrücklich die Befugnis, ergänzende Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Man wird hier wohl insbesondere an Vorkehren zu denken haben wie z. B. eine allfällige Heranziehung von Leistungserbringern aus anderen Kantonen oder gegebenenfalls aus dem Ausland oder auch an eine möglichst gleichmässige Verteilung der Belastungen, die z. B. mit der Sicherstellung von qualitativ und quantitativ genügenden Bereitschafts- und Versorgungsdiensten verbunden sind. Auch dieser notstandsmässige Behelf für Extremfälle, die eine seltene Ausnahme bleiben dürften - der geltende Artikel 22ter KUVG über die Sicherstellung der Behandlung ist im Laufe von mehr als 25 Jahren äusserst selten zur Anwendung gekommen - gehört als notwendiges Instrument zur sozialen Krankenversicherung und stellt seinerseits eine logische Ergänzung zur allgemeinen Versicherungspflicht im Rahmen einer Volksversicherung dar. Mit Rücksicht darauf haben wir auch hier, anders als im geltenden Recht, auf eine Unterscheidung zwischen «wirtschaftlich schwächeren» und anderen Versicherten verzichtet. Auch hier soll das Grundprinzip des gleichen Tarifschutzes für alle Versicherten gelten.

Artikel 39 Tarifvertrag In den Erläuterungen zu Artikel 37 wurde bei der Darstellung der Grundsätze des Tarifrechtes bereits auf die Bedeutung des Tarifvertrages als Hauptinstrument1 für die Festlegung der in der obligatorischen Krankenversicherung geltenden Tarife verwiesen. Dabei wurden auch die hauptsächlichen Typen von Tarifen und Tarifverträgen vorgestellt und die Grundphilosophie, auf der das Tarifvertragsrecht der Vorlage beruht, näher erklärt. Auf diesen Erläuterungen baut die nachfolgende Kommentierung der einzelnen Absätze von Artikel 39 auf. Sie kann sich daher weitgehend auf ergänzende Ausführungen beschränken.

Absatz l bietet die Möglichkeit zum Abschluss von Tarifverträgen zwischen einzelnen oder mehreren Tarifpartnern, wie auch zum Abschluss von Verbandstarifverträgen. Dies entspricht den schon im geltenden Recht bestehenden Möglichkeiten. In der heutigen Praxis überwiegen die Verbandsverträge auf Kantonsebene. Sie werden vermutlich auch weiterhin in der Praxis eine wichtige Rolle spielen. Hiergegen ist unseres Erachtens prinzipiell auch nichts einzuwenden. Verbandsverträge erlauben ja eine durchaus
wünschenswerte Konzertierung, Harmonisierung und Rationalisierung im Tarifwesen. Ausserdem werden sie in der Regel von ungefähr gleich gewichtigen Partnern ausgehandelt. Dies erhöht die Chance einer weitgehenden Ausgewogenheit ihres Inhaltes.

Aus den erwähnten Überlegungen kann sogar der Abschluss von Verbandstarifverträgen auf gesamtschweizerischer Ebene wünschbar sein (vgl. diesbezüglich insb. auch die Erläuterungen zu Art. 37 Abs. 4 zweiter Satz). In anderen Sozialversicherungen (Unfallversicherung, Invalidenversicherung, Militärversicherung) ist dies übrigens die Regel. Wenn gesamtschweizerische Verbandsverträge in der Krankenversicherung - wo es sie durchaus auch gibt (z. B. mit Physiotherapeuten, Ergotherapiezentren, Apothekern usw.) - weniger verbreitet sind, dann rührt dies in erster Linie von der traditionell dezentralen Struktur unseres Krankenkassen- und Gesundheitswesens her. Wie bereits in den Erläuterungen zu Artikel 37 gezeigt, steht die Vorlage im übrigen solchen gesamtschweizerischen Verträgen durchaus positiv gegenüber. Sie befürwortet in Artikel 37 Ab178

satz 6 denn auch ausdrücklich die Harmonisierung und die Koordination mit den Tarifordnungen der anderen Sozialversicherungen. Sie verordnet jedoch nicht den Gleichschritt, sondern lässt den Tarifpartnern die Freiheit, den bestmöglichen Rahmen für ihre Tarifordnungen weitgehend selber abzustecken. Es steht somit das Prinzip der Vertragsfreiheü im Vordergrund, auf welches in vielen Vernehmlassungen grosser Wert gelegt wurde.

Diesem Wunsch trägt insbesondere auch Absatz 2 erster Satz Rechnung. Er sieht, anders als die Vorlage der Expertenkommission, vor, dass Verbandsverträge nicht automatisch und obligatorisch die Tarifbeziehungen der Verbandsmitglieder regeln (kein Verbandszwang). Vielmehr sind solche Verträge für die Verbandsmitglieder nur verbindlich, wenn diese ihren Beitritt zu dem betreffenden Vertrag erklärt haben. Damit werden abweichende Vereinbarungen möglich. Ja sie sind sogar erwünscht, wenn sie zur Eindämmung der Kosten beitragen. Dies erhofft man sich auch einerseits von dem durch die Vertragsfreiheit verstärkten Wettbewerb und anderseits durch die Wahl bestimmter Versicherungsvarianten (wie z. B. PPO oder HMO; Versicherungen mit Prämien-Bonus oder mit wählbaren Franchisen; vgl. Ziff. 22 hievor sowie die Erläuterungen zu den Art. 35, 37 und 54), denen man eine verstärkte kosteneindämmende Wirkung zutraut. Man erkennt somit aus den vorangehenden Erläuterungen folgendes: Die Vertragsfreiheit soll den Tarifpartnern die Möglichkeit eröffnen, wo dies angezeigt und wirksam ist, mit dem Mittel der Harmonisierung und der Koordination zur Kosteneindämmung beizutragen; dort, wo sich Differenzierung und Wettbewerb als geeigneter hiefür erweisen, sollen sie diesen Weg wählen und beide Vorgehensweisen optimal miteinander kombinieren können. Daraus sieht man auch, dass die Vorlage ganz bewusst zunächst einmal auf die Fähigkeit und die Bereitschaft der Tarifpartner setzt, in freiheitlicher und verantwortungsbewusster Tarifgestaltung zur Eindämmung der Kosten in der Krankenversicherung beizutragen. Erst wenn dies nicht gelingen sollte, müsste gegebenenfalls mit Massnahmen der Kantone und allenfalls auch des Bundes, welche bei Bedarf sehr einschneidend sein könnten (vgl. Ziff. 22 hiervor sowie die Erläuterungen zu den Art. 40, 42 Abs. 7, 45, 46, 47 und 38 Abs. 3), ein stärker kostendämpfendes Verhalten
sichergestellt werden.

Es wurde soeben erläutert, dass und warum kein Verbandszwang bei Tarifverträgen mit Verbänden besteht. Das Grundprinzip ist vielmehr, dass die Tarifbindung von Verbandsverträgen nur für die dem Vertrag beigetretene Mitgliedern gelten soll. Man kann also Verbandsmitglied sein, aber durchaus einen anderen als den Verbandstarifvertrag abgeschlossen haben oder abschliessen. Umgekehrt soll der Beitritt zum Verbandsvertrag auch Nichtverbandsmitgliedern offenstehen, wenn sie im Vertragsgebiet tätig sind (Abs. 2 zweiter Satz). Damit will man Diskriminierungsmassnahmen von Verbänden im Tarifbereich verhindern. Es soll also ein möglichst offener «Tarifvertragsmarkt» herrschen. Der Verbandstarifvertrag darf allerdings vorsehen, dass beitretende Nichtverbandsmitglieder einen angemessenen Beitrag an die Unkosten des Vertragsabschlusses zu leisten haben (Abs. 2 dritter Satz). Dies wurde im Vernehmlassungsverfahren gewünscht. Es erscheint auch als recht und billig und entspricht den Gepflogenheiten beim Beitritt zu Gesamtverträgen in anderen Bereichen (z, B. im kollektiven Arbeitsrecht). Die Modalitäten des Beitritts zu, wie auch des Rück179

trittes von Verbandstarifverträgen sind in diesen zu regeln (Abs. 2 vierter Satz).

Für den Rücktritt gilt dabei die allgemeine Kündigungsfrist von Tarifverträgen nach Absatz 4, das heisst mindestens sechs Monate.

Um ihre Wirksamkeit entfalten zu können, bedürfen die Tarifverträge - gleichviel ob Einzel- oder Kollektivverträge - der Genehmigung durch die zuständige Kantonsregierung. Das ist auch nach gegenwärtigem Recht so. Soll ein Tarifvertrag landesweite Wirkung entfalten, bedarf er der Genehmigung durch den Bundesrat. Vor der Genehmigung prüft die zuständige Behörde, ob der Tarifvertrag mit dem Gesetz und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit in Einklang steht (Abs. 3). Sie darf und soll dabei durchaus einen strengen Massstab anlegen, geht es doch darum, dem in Artikel 37 Absatz 5 genannten Ziel nachzukommen, das heisst darauf zu achten, dass eine qualitativ hochstehende und zwecfcrnässige Versorgung zu möglichst günstigen Kosten erreicht wird.

Die Genehmigungsbehörde hat überdies, bevor sie den ihr unterbreiteten Tarifvertrag genehmigt, den Preisüberwacher anzuhören. Dies ergibt sich aus Artikel 14 Absatz l des Preisüberwachungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (PüG; SR 942,20), Gemäss dieser Bestimmung kann der Preisüberwacher beantragen, auf eine Tariferhöhung ganz oder teilweise zu verzichten oder einen missbräuchlich beibehaltenen (i. e. zu hohen) Tarif zu senken. Die Genehmigungsbehörde hat die Stellungnahme des Preisüberwachers in ihrem Genehmigungs(oder Nichtgenehmigungs-)Beschluss bekanntzugeben und eine etwaige abweichende Haltung ihrerseits zu begründen (Art. 14 Abs. 2 PüG). Mit dieser Art der konzertierten Prüfung der Tarifverträge nach klaren im Gesetz vorgegebenen Massstäben sollte es möglich sein, bei Bedarf auf ein mass- und verantwortungsvolles Tarifgebaren der Tarifpartner hinzuwirken.

Der Beschluss der Genehmigungsbehörde - gleichgültig ob es sich um eine Genehmigung oder Ablehnung des unterbreiteten Vertrages handelt - kann nach Artikel 45 durch eine Beschwerde an den Bundesrat angefochten werden. Somit ist im Zweifel der Bundesrat die letztverantwortliche Instanz, welche über die Einhaltung der hiervor erwähnten Tatifierungsgrundsätze nach Artikel 37 Absatz 5 und nach Artikel 39 Absatz 3 zweiter Satz zu sorgen hat.

Die in Artikel 39 für den Tarifvertrag aufgestellten
allgemeinen Regeln gelten für alle Tarifverträge nach diesem Gesetz. Darüber hinaus sind gegebenenfalls noch die besonderen Bestimmungen zu beachten bezüglich Tarifverträgen mit - Ärzteverbänden (Art. 41), - Spitälern (Art. 42), - Pflegeheimen (Art. 43).

Artikel 40 Fehlen eines Tarifvertrages Wie in den Erläuterungen zu den Artikeln 37 und 39 gezeigt wurde, stellt die autonome Tariffestsetzung durch die Tarifpartner mit Hilfe von Tarifverträgen den Regelfall bei der Tarifierung der Leistungen dar. Es kann nun aber vorkommen, dass dieses Instrument aus irgendeinem Grunde nicht spielt. Sei es, dass trotz Verhandlungen und Abschlussversuchen kein Vertrag zustandekommt (Abs. 1); oder dass für bestimmte Fälle - z. B. für die Beanspruchung auswärtiger oder ausserkantonaler Leistungserbringer (vgl. Art. 35) - keine vertragliche 180

Regelung vorliegt (Abs. 2); oder dass die Erneuerung eines bestehenden aber gekündigten (Art. 39 Abs. 4) Tarifvertrages misslingt (Abs. 3). Für solche Fälle muss das Gesetz eine geeignete Abhilfe vorsehen, insbesondere wegen des für die Versicherten unerlässlichen Tarifschutzes (vgl. Art, 38).

Nach geltendem Recht ist für das Fehlen eines Tarifvertrages, (sog. vertragsloser Zustand) eine unterschiedliche Regelung vorgesehen, je nach dem ob es sich um Tarifverhältnisse mit Ärzten (Art. 22bis und 22ter KUVG), oder mit anderen Leistungserbringern (Art. 22iuater KUVG) handelt. Dieser Unterschied rührt vor allem daher, dass im geltenden Recht für die Vergütung der Ärzte unterschiedliche Tarife und auch ein unterschiedlich weitgehender Tarifschutz je nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Versicherten vorgesehen werden dürfen; es darf ein Ein-, Zwei- oder sogar Dreiklassensystem vorgesehen werden. Diese im Vertragszustand nach geltendem Recht möglichen Unterscheidungen wirken sich bis zu einem gewissen Grade auch im vertragslosen Zustand aus. In einer als Volksversicherung ausgestalteten obligatorischen Krankenpflegeversicherung sind jedoch solche Unterscheidungen nicht mehr angängig (vgl. diesbezüglich die Erläuterungen zu Art. 38). Daher haben wir in der Vorlage - entsprechend der allgemeinen Bestimmung über Tarifverträge (Art. 39) - auch eine allgemeine Regel für den vertragslosen Zustand (Art. 40) vorgesehen. Genau wie Artikel 39 gilt daher auch Artikel 40 im Grundsatz für alle Tarifpartner. Besondere Regeln gelten lediglich für das Tarifverhältnis mit Ärzteverbänden und einen allfälligen vertragslosen Zustand in diesem Zusammenhang (vgl. hienach die Erläuterungen zu Art. 41).

Fehlt aus einem der zuvor erwähnten Gründe ein Tarifvertrag, so kommt es der Kantonsregierung, als der im Regelfall für die Genehmigung von Tarifverträgen zuständigen Behörde (Art. 39 Abs. 3), zu, nach Anhören der Beteiligten den Tarif festzusetzen. Dabei hat sich die Kantonsregierung - genau wie dies im Falle eines Vertragsschlusses für die Tarifpartner gilt - an die Grundsätze nach Artikel 37 Absätze 5 und 6 zu halten. Es steht der Kantonsregierung dabei frei, die ihr am besten geeignet erscheinende Tarifierungsmodalität nach Artikel 37 Absätze 2 und 3 zu bestimmen. Der Tarifentscheid der Kantonsregierung im
vertragslosen Zustand kann - genau wie der Beschluss der Kantonsregierung, einen Vertrag zu genehmigen oder nicht zu genehmigen (Art. 39 Abs. 3) - durch Beschwerde beim Bundesrat angefochten werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 45).

Im Falle gescheiterter Vertragsverhandlungen nach der Kündigung eines bestehenden Vertrages (Art. 39 Abs. 3) kann die Kantonsregierung auch beschliessen, den gekündigten Vertrag um ein Jahr zu verlängern, um den Tarifpartnern eine zusätzliche Chance zur autonomen Lösung ihres Konfliktes einzuräumen (Abs. 3 erster Satz). Kommt auch dann kein neuer Vertrag zustande, wird der Tarif durch die Kantonsregierung festgesetzt (Abs. 3 zweiter Satz). Auch diese Beschlüsse der Kantonsregierung sind nach Artikel 45 rekursfähig.

Wenn die Tarifpartner sich nicht auf eine gesamtschweizerisch einheitliche Tarifstruktur für Einzelleistungstarife nach Artikel 37 Absatz 4 zweiter Satz einigen können, so trifft der Bundesrat die nötigen Vorkehren. Er wird zuvor die Spitzenverbände der beteiligten Tarifpartner anhören (Abs. 4).

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Die bei Artikel 39 Absatz 3 gemachten Ausführungen über die Mitwirkung des Preisüberwachers nach Artikel 14 des Preisüberwachungsgesetzes (PüG); SR 942.20) gelten sinngemäss für die Tariffestsetzung durch die Kantonsregierung oder allenfalls des Bundesrates im vertragslosen Zustand.

Artikel 41 Tarifverträge mit Ärzteverbänden Für die Tarifverträge mit Ärzteverbänden wurde das Instrument des Rahmentarifs aus dem geltenden Recht (Art. 22bis KUVG) übernommen. Es hat sich in der Praxis im allgemeinen nicht schlecht bewährt und läuft bei einem vernünftig gezogenen Rahmen den Bemühungen um Kosteneindämmung nicht zuwider, vergrössert dafür aber den Autonomiebereich der Tarifpartner. Den Ärzten war denn auch sehr daran gelegen, dass dieses Instrument auch unter dem neuen Recht weiter bestehen bleiben kann. Da, wie gesagt, eine vernünftige Handhabung des Rahmentarifs ihre Vorteile haben und da sie im Zusammenspiel zwischen Tarifpartnern und Genehmigungsbehörden auch sichergestellt werden kann, spricht unseres Erachtens nichts gegen eine Beibehaltung des Rahmentarifes für Tarifverträge mit Ärzteverbänden. Die diesbezügliche Regelung in Artikel 41 lehnt sich weitgehend an das heutige Recht (Art. 22bis KUVG) an. Sie verzichtet jedoch auf die Beibehaltung der im geltenden Recht bestehenden Abstufungsmöglichkeit der Rahmentarife nach den Einkommensund Vermögensverhältnissen der Versicherten. Diese wäre unseres Erachtens mit einem Versicherungsobligatorium in Form einer allgemeinen Volksversicherung, wie es diese Vorlage vorsieht, nicht vereinbar (vgl. auch die diesbezüglichen Erläuterungen zu Art. 38 und 40).

Der Rahmentarif wird von der Genehmigungsbehörde (Art. 39 Abs. 3) bei der Genehmigung eines Tarifvertrages, an dem ein oder mehrere Ärzteverbände beteiligt sind, festgelegt. Er weist Höchst- sowie Mindestansätze auf, die über bzw.

unter dem genehmigten Vertragstarif liegen (Abs. 1). Der Rahmentarif ist gewissermassen ein Reservetarif. Er kommt beim Wegfall des Tarifvertrages nach dessen Kündigung (Art. 39 Abs. 4) zur Anwendung (Abs. 2 erster Satz) und stellt damit sozusagen ein erstes Auffangnetz für die Tarifpartner im vertragslosen Zustand dar. Die Tarifpartner können nunmehr innerhalb dieses Tarifrahmens ihre Vergütungen verrechnen. Sie dürfen also, vereinfacht gesagt, ihre Leistungen etwas billiger
oder etwas teurer anbieten als unter dem geltenden Vertrag, müssen aber den Rahmen einhalten. Es liegt auf der Hand, dass die Verfügbarkeit eines solchen Rahmens die Autonomie der Tarifpartner, insbesondere diejenige der am Verbandsvertrag beteiligten Ärzte vergrössert. Die Konkurrenz sollte daher mit dafür sorgen, dass der Rahmen nicht nur nach oben beansprucht wird. Für die Versicherten ist dabei entscheidend, dass sie innerhalb des von der Kantonsregierung vorgegebenen und von den Tarifpartnern einzuhaltenden Rahmens vollen Tarifschutz gemessen (Art. 38). Dies ist eine Neuerung und Verbesserung im Vergleich zum geltenden Recht, wo - wie gesagt - ein nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Versicherten unterschiedlicher Tarifschutz möglich ist.

Der Rahmentarif bleibt zunächst einmal ein Jahr lang nach dem Wegfall des Tarifvertrages in Geltung (Abs. 2 zweiter Satz). Dies gibt den Tarifpartnern Zeit und Gelegenheit, einen neuen Tarifvertrag auszuhandeln. Nach Ablauf dieses 182

Jahres kann die Genehmigungsbehörde die Initiative ergreifen und, ohne Rücksicht auf den früheren Vertragstarif, einen neuen Rahmen festsetzen (Abs. 2 zweiter Satz). Hierbei kann sie durchaus kostendämpfende Impulse geben. Der Beschluss einer Kantonsregierung, einen neuen Rahmen anzusetzen, kann nach Artikel 45 durch Beschwerde beim Bundesrat angefochten werden. Im Grunde genommen müssen die Tarifpartner sich bei dem durch Artikel 39 vorgegebenen Szenarium jedoch relativ schnell um den Abschluss eines neuen Tarifvertrages zu vernünftigen Bedingungen bemühen, da die Genehmigungsbehörde sie, wie gezeigt, unter Druck setzen kann. Es ist selbstverständlich, dass auch für den Rahmentarif die wegleitenden Grundsätze nach Artikel 37 Absätze 5 und 6 und nach Artikel 39 Absatz 3 (qualitativ hochstehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten) sowie die Mitwirkungsbefugnisse des Freisüberwachers nach Artikel 14 des Preisüberwachungsgesetzes (PüG; SR 942.20) gelten.

Ein Rahmentarif kann von der Genehmigungsbehörde ausnahmsweise auch als Ausgangs- (und nicht als Reserve- oder Auffang-)Tarif festgesetzt werden, falls ein Tarifvertrag mit einem Ärzteverband von Anfang an nicht zustandekommt.

Dies geschieht aber nur, wenn die Tarifpartner dies beantragen (Abs. 3). Indem die Genehmigungsbehörde einen eher bescheidenen Rahmen vorgibt, kann sie die Tarifpartner dazu veranlassen, sich verstärkt um eine autonome Tarifierung zu bemühen. Auch hier gelten die soeben in Erinnerung gerufenen allgemeinen tarifrechtlichen Grundsätze, Absatz 4 stellt klar, unter welchen Voraussetzungen ein geltender Rahmentarif ausser Kraft tritt. Ein solcher Tarif verliert seine Rechtsverbindlichkeit für diejenigen Parteien, die einen neuen Tarifvertrag abgeschlossen haben, sobald dieser nach Artikel 39 Absatz 3 genehmigt ist, gleichviel, ob es sich dabei um einen Kollektiwertrag handelt oder um Verträge zwischen einzelnen oder zwischen mehreren Tarifpartnern.

Artikel 42 Tarifverträge mit Spitälern Artikel 42 gehört zusammen mit Artikel 33 und mit Artikel 43 zu den Bestimmungen, denen in dieser Vorlage eine besonders grosse Bedeutung zukommt (vgl. auch Ziff. 22 hievor sowie die Erläuterungen zu den soeben genannten Bestimmungen). Die erwähnten Normen sollen in ihrem Zusammenwirken sowie im Zusammenspiel
mit den Artikeln 48-51 (vgl. auch die Erläuterungen zu diesen Artikeln) dazu beitragen, dass in dem seit Jahren besonders kostenträchtigen Sektor der stationären Versorgung die Zielsetzung von Artikel 37 Absatz 5 möglichst weitgehend verwirklicht wird, nämlich eine qualitativ hochstehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten anzubieten. Artikel 42 sieht hierfür verschiedene Spielregeln und Massnahmen vor, von denen wesentliche Elemente bereits in der Teilrevisionsvorlage (Sofortprogramm) vom 20. März 1987 (81.044 Bundesgesetz über die Krankenversicherung, Änderung vom 20. März 1987; BB1 19871 985 ff. 992-993, 995-996), die in der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1987 verworfen wurde, enthalten waren. Sie sind dann im Gegenentwurf auf Gesetzesstufe zur Krankenkasseninitiative (88.014 Volksinitiative für eine finanziell tragbare Krankenversicherung [Krankenkasseninitiative], Bericht der Kommission des Ständerates Über einen

Gegerientwurf auf Gesetzesstufe (Entwurf vom 17. Okt. 1988 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung; BEI 79*5111 1323 ff. 1330-1333) wieder aufgenommen worden, weil ihre Notwendigkeit nie ernstlich bestritten worden war. Sie hatten im Gegenteil bei den sonst in wichtigen Einzelfragen eher uneinigen Partnern im Gesundheitswesen sowie bei den massgebenden politischen Kräften erstaunlich viel Unterstützung gefunden. Man sah in ihnen sogar in der seit vielen Jahren geführten Reformdiskussion ein besonders wichtiges und vorrangig einzuführendes Massnahmenpaket zum Zwecke der Eindämmung des Kostenanstiegs in diesem sehr kostspieligen Leistungssektor. An dieser grundsätzlichen Haltung hat sich auch im Vernehmlassungsverfahren zum Entwurf der Expertenkommission nichts wesentliches verändert. Das hindert allerdings nicht, dass es nach wie vor zum «Wie» oder zum «Wieviel» von einzelnen Vorkehren in diesem Bereich divergierende und zum Teil vielfältige Meinungen gibt und wohl immer geben wird. Wir werden hierauf bei der Behandlung der einzelnen Absätze noch, soweit nötig, zurückkommen. Wichtig und vorrangig erscheint uns aber, dass der über die Jahre im Grundsätzlichen erreichte, recht weitgehende Kompromiss nun entschieden einer Verwirklichung zugeführt wird.

Absatz l sieht als Grundregel vor, dass Behandlung und Aufenthalt im Spital durch Pauschalen zu vergüten sind. Für die Ausgestaltung der Pauschalen steht den Tarifpartnern ein erheblicher Spielraum zur Verfügung. Damit soll Vereinbarungen mit einer kostendämpfenden Wirkung eine möglichst grosse Chance eingeräumt werden (vgl. diesbezüglich die Erläuterungen zu Art. 37, insb. zu den Abs. 2 und 3). Festgehalten wird dabei, dass diese Pauschalen in öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern für die Einwohner des betreffenden Kantons maximal SO Prozent der anrechenbaren Kosten je Patient oder Versichertengruppe in der allgemeinen Abteilung abdecken dürfen (sog. Dekkungsquote). Für ausserkantonale Patienten darf also grundsätzlich nach einem höheren Tarif abgerechnet werden. Sie sind ja auch nicht Steuerzahler im betreffenden Kanton, Die allfällige Differenz zwischen dem Tarif für Kantonseinwohner und demjenigen für ausserkantonale Versicherte ist dann deren Wohnkanton zu übernehmen, soweit die ausserkantonale Behandlung aus
medizinischen Gründen notwendig war. War sie es nicht, hat der Versicherte selber die Differenz zu tragen, bzw. ihre Abdeckung aus entsprechenden Zusatzversicherungen aufzubringen, Sinn und Zweck dieser Regelung werden bei den Erläuterungen zu Artikel 35 Absatz 3 näher dargestellt.

Zu den anrechenbaren Kosten, welche bei der Berechnung der Spitalpauschale für Kantonseinwohner berücksichtigt werden dürfen, gehören weder die Investitionskosten, noch die Kosten für Lehre und Forschung; es ist also im wesentlichen auf die sogenannten Betriebskosten abzustellen. Dies sind im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu ermitteln (vgl, Abs. l zweiter und dritter Satz). Sollten diese Kosten im Zeitpunkt der Leistungserbringung höher sein, berührt dies die Krankenversicherung somit nicht. Sind die Kosten dannzumal dagegen günstiger, so hat der Spitalträger hievon den Vorteil. Diese Regelung soll die Spitalträger zu kostenbewusstem und kostensparendem Verhalten veranlassen.

Dies sind die Grundregeln, die für die Pauschalierung in öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern gelten. Unter Ziffer 22 hiervor haben wir ins184

besondere auf die sozialpolitischen Gründe hingewiesen, die für eine solche Kostenaufteilung sprechen. Dem ist noch beizufügen, dass die öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitalträger vermutlich eher geneigt sein werden, koordiniert zu planen, zu investieren und zu wirtschaften (vgl. auch Art. 33 Abs. I), wenn sie einen spürbaren Teil der Kostenfolgen mitzutragen haben, welche sie selber verursachen. Mit der maximal auf 50 Prozent der anrechenbaren Kosten festgelegten Deckungsquote für die Krankenversicherung soll auch einer in den vergangenen Jahren geübten Praxis ein Riegel geschoben werden, wonach die öffentliche Hand zunehmend dazu übergegangen ist, die hohen Spitalkosten, die bis zu einem gewissen Grad auch aus Fehlplanungen und Fehlbelegungen resultieren, einfach der sozialen Krankenversicherung zu überwälzen.

Die in der Vorlage vorgesehene maximale Deckungsquote entspricht ungefähr der heutigen landesdurchschnittlichen Grössenordnung. Dabei gibt es allerdings Spitäler, bei welchen heute die öffentliche Hand noch weniger als 50 Prozent trägt. Für diese Fälle soll aufgrund von Artikel 96 Absatz l eine genügende Anpassungsfrist eingeräumt werden.

Bei privaten Spitälern dürfen die Tarifpartner höhere Deckungsquoten vereinbaren. Dies erscheint insofern angemessen, als diese Spitäler nicht aus Steuergeldern mitfinanziert werden. Es ist jedoch daran zu erinnern, dass solche Spitäler selbstverständlich nur dann als Leistungserbringer gegenüber der sozialen Krankenversicherung Rechnung stellen dürfen, wenn sie den Anforderungen von Artikel 33 Absatz l entsprechen.

Über die Vorkehren für eine korrekte Ermittlung der Kosten und über die Massnahmen zur Kostenkontrolle und zur Ausschaltung ungerechtfertigter oder überrissener Kosten geben die Absätze 6 und 7 Aufschluss.

Die Spitäler werden verpflichtet, ihre Kosten und Leistungen nach einheitlicher Methode zu erfassen und darüber eine Kostenstellenrechnung und Leistungsstatistik zu führen. Erst diese Informationen erlauben es, Betriebsvergleiche zwischen Spitälern durchzuführen und die Wirtschaftlichkeit der durch sie erbrachten Leistungen zu überprüfen, insbesondere die Wirtschaftlichkeit der Behandlung spezifischer Krankheiten (Abs. 7 und Art. 48 und 50). Eine solche Kontrolle ist bei einer vom Bundesrat allenfalls verfügten Globalbudgetierung
im Bereich der Spitäler (Art. 46) besonders wichtig, um einer Kompensation der Ertragsausfälle durch eine entsprechende Mengenausweitung begegnen zu können. Werden die Kosten vergleichbarer Spitäler deutlich überschritten oder sind die zur Verfügung gestellten Unterlagen des Spitals ungenügend, so können die Genehmigungsbehörden die Tarife auf Antrag der Versicherer senken (Abs. 7 dritter Satz).

Gemäss Absatz l stellt, wie hiervor erläutert, die Vergütung der stationären Behandlung im Spital mittels Pauschalen die Grundregel dar. Absatz 2 fügt jedoch ergänzend an, dass die Tarifpartner eine separate Rechnungstellung für «besondere diagnostische und therapeutische Leistungen» vereinbaren dürfen, Diese Leistungen werden dann selbstverständlich in den Pauschalen nicht mitberücksichtigt. Dies erlaubt es insbesondere, die Pauschalbeträge von solchen Leistungen zu entlasten, die seltener erbracht werden und besonders aufwendig sind (z. B. besonders komplizierte Massnahmen oder der Einsatz kostspieliger Spitiss

zentechnologie). Die Kosten für solche zusätzlichen Leistungen werden dann nur bei denjenigen Versicherten angerechnet, bei denen sie tatsächlich anfallen.

Auch für diese Einzelleistungsvergütungen gelten die gleichen Anrechnungsvoraussetzungen wie für die Pauschalen nach Absatz l, das heisst insbesondere, dass für Kantonseinwohner bei öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern maximal 50 Prozent der anrechenbaren Kosten berücksichtigt werden dürfen.

Mit der grossen Ausgestaltungsfreiheit, welche den Tarifpartnern nach Absatz l bei der Festlegung der Spitalpauschalen eingeräumt wird, und mit der zusätzlichen Möglichkeit der Einzelleistungsverrechnung für besondere diagnostische und therapeutische Massnahmen können die Tarifpartner alles tun, um einerseits die Vorteile dieser beiden Abrechnungsmethoden miteinander zu kombinieren und anderseits deren allfällige Nachteile zu kompensieren. Die Vorlage stellt den Tarifpartnern also einmal mehr den Rahmen und die Instrumente für eine flexible und kosteneindämmende Tarifgestaltung zur Verfügung (vgl.

Ziff. 22 hiervor). Es liegt an ihnen, diese Gestaltungsfreiheit gemäss der Zielsetzung von Artikel 37 Absatz 5 (qualitativ hochstehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten) wahrzunehmen.

Absatz 3 trägt einem Anliegen Rechnung, das im Vernehmlassungsverfahren immer wieder geltend gemacht wurde : Es müsse für eine zweckentsprechende Abstimmung zwischen dem Akutspital einerseits und dem auf Langzeitpflege und -betreuung, einschliesslich der entsprechenden Rehabilitation, ausgerichteten Pflegeheim anderseits gesorgt werden (vgl. auch die Erläuterungen zu den Art. 33 und 35). An sich würden die Bestimmungen von Artikel 35 Absatz l erster Satz (Wahl des geeigneten Leistungserbringers) und von Artikel 48 (Beschränkung der Leistung auf das im Interesse des Versicherten liegende und für den Behandlungszweck erforderliche Mass ; Wirtschaftlichkeitsgebot) bereits genügen, um diesem Anliegen Rechnung zu tragen. Absatz 3 normiert die erwähnten Grundsätze nun aber noch einmal ausdrücklich und mit spezifischer Bezugnahme auf das Verhältnis der Krankenpflege im Spital und im Pflegeheim. Danach gilt die folgende Regel : Hält sich ein stationär zu betreuender Versicherter im Spital (oder in einer Spitalabteilung) auf,
ohne dass er nach der medizinischen Indikation einer Behandlung und Pflege oder einer medizinischen Rehabilitation im Spitalmilieu (Art. 33 Abs. 1) bedarf, so sind die Kosten der für ihn erbrachten Leistungen nicht gemäss dem Spitaltarif (Abs. l und 2), sondern nach dem Tarif für Pflegeheime oder deren Abteilungen (Art. 43) zu vergüten.

Dieser Grundsatz entspricht übrigens auch der auf Artikel 23 des geltenden KUVG gegründeten gegenwärtigen Rechtsprechung.

Absatz 4 hält fest, dass mit den Vergütungen nach den Absätzen 1-3 alle Ansprüche des Spitals für die allgemeine Abteilung abgegolten sind. Dies gilt sowohl gegenüber dem Versicherer als auch gegenüber dem Versicherten. Ihm darf also in der allgemeinen Abteilung nicht etwa zusätzlich Rechnung gestellt werden. Der Versicherte hat lediglich die normale oder eine allenfalls von ihm gewählte höhere Kostenbeteiligung nach den Artikeln 56 und 54 Absatz 2 zu tragen, genau wie bei ambulanter Behandlung oder bei Krankenpflege zu Hause. Absatz 4 bekräftigt somit in bezug auf die Spitalpflege das Prinzip des Tarifschutzes nach Artikel 38 (vgl. Erläuterungen zu Art. 31). Diese Bekräfti186

gung macht mit Rücksicht auf die beschränkte Deckungsquote der Krankenversicherung (Abs. l und 2) sowie auf die Regelung für ausserkantonale Behandlungen (Art. 35) und auf die hiervor erläuterte Regelung in Absatz 3 durchaus Sinn; sie soll zur Klärung der Rechtslage beitragen und Fehlschlüssen vorbeugen.

In Absatz 5 ist festgehalten, dass der Bundesrat ergänzende Regeln über den Vergütungsmodus bei einem partiellen Aufenthalt im Spital aufstellen wird. In solchen Fällen (z. B. bei ambulanten Geburten oder bei der One-day-surgery) wird die Infrastruktur des Spitals anders beansprucht als bei der eigentlichen stationären Behandlung. Dies muss auch bei der Tarifierung - besondere Ausgestaltung von Pauschalvergütungen sowie des Verhältnisses derselben zu eventuellen Einzelleistungsvergütungen - in angemessener Art und Weise zum Ausdruck kommen können. Dabei wird auch darauf zu achten sein, dass Kosten, die spezifisch dem stationären Sektor anzulasten sind, nicht für Leistungen bei partiellem Spitalaufenthalt belastet werden und umgekehrt.

Artikel 43 Tarifverträge mit Pflegeheimen Hält ein Versicherter sich in einem Pflegeheim (Art. 33 Abs. 2 Bst. b) auf, so hat er Anspruch auf die Übernahme der gleichen Kosten wie bei ambulanter Krankenpflege und bei Krankenpflege zu Hause (SPITEX). Die übrigen beim Aufenthalt in einem Pflegeheim anfallenden Kosten werden nicht von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen (vgl. Ziff. 22). Die Versicherer können mit den Pflegeheimen auch pauschale Vergütungen vereinbaren. Die Bestimmungen über die Kostenkontrolle bei Spitälern sind sinngemäss auf die Pflegeheime anwendbar (vgl. auch die Erläuterungen zu den Art. 33, 37 und 42 Abs. 3).

In manchen Vernehmlassungen wird die Meinung vertreten, dass die Pauschalvergütung auch im Pflegeheim die Regel bilden werde. Dies wird die Praxis zeigen. Die Vorlage lässt diese Möglichkeit ausdrücklich offen, schreibt sie jedoch nicht als Regel vor.

Artikel 44 Analysen, Arzneimittel, Mittel und Gegenstände Für Analysen und Arzneimittel soll grundsätzlich die gleiche Ordnung gelten wie heute. Das heisst, die Leistungen, deren Kosten von den Versicherern zu übernehmen sind, werden in besonderen Listen aufgeführt. Diese werden entweder vom Departement (Analysenliste, Arzneimittelliste mit Tarif) erlassen oder vom Bundesamt
(Spezialitätenliste) erstellt und enthalten die für die Rechnungstellung verbindlichen Tarife oder Preise (Art, 44 Abs. l Bst. a Ziff. l und 2 und Bst. b; Abs. 2 erster Satz). Für bestimmte, in der Verordnung näher bezeichnete Analysen, die im Praxislabor des Arztes vorgenommen werden, kann ein von der Analysenliste abweichender Tarif vereinbart werden. In diesem Fall gelten die allgemeinen Bestimmungen der Artikel 39 und 41 das heisst Festsetzung des Tarifs durch Tarifverträge (Abs. 2 zweiter Satz).

Während das Departement bzw. das Bundesamt für Analysen und Arzneimittel abschliessende Listen zu erstellen haben, welche alle Analysen und Arzneimittel samt Tarifen bzw. Preisen enthalten, die von der obligatorischen Krankenpfle187

geversicherung zu vergüten sind, sagt der Entwurf mit Bezug auf Mittel und Gegenstände, die der Untersuchung oder Behandlung dienen, lediglich, dass das Departement Bestimmungen über die Leistungspflicht und über den Umfang der Vergütung erlässt (Art. 44 Abs. l Est. a Ziff. 3). Das Departement braucht hier also keine abschliessende Geräteliste mit Preisen aufzustellen. Es muss sich daher auch nicht mit der Überprüfung und Zulassung einzelner Fabrikate befassen. Vielmehr kann es sich darauf beschränken, die Leistungspflicht und den Vergütungsumfang jeweils für bestimmte Kategorien von Geräten im Sinne von Festpreisen zu definieren, z. B. einen Betrag von Franken X für die Verwendung eines Neuroschrittmachers, einen Betrag von Franken Y für die Verwendung einer Medikamentenpumpe usw. Ein derartiges System lässt einerseits den Leistungserbringern und den Versicherten die freie Wahl zwischen den auf dem Markt befindlichen Geräten und begünstigt anderseits die Auswahl der wirtschaftlichsten von ihnen (vgl. auch Erläuterungen zu Abs. 38).

Artikel 45 Beschwerde an den Bundesrat Beschlüsse der Kantonsregierungen über Tarifverträge, den vertragslosen Zustand und die Sicherung der medizinischen Versorgung können, wie nach dem geltenden Recht (Art. 22^>in^es KUVG), mit Beschwerde an den Bundesrat angefochten werden (Abs. 1). Bei Bedarf soll der Bundesrat auf diesem Wege dafür sorgen können, dass die tarifrechtlichen Ziele und Grundsätze nach Artikel 37 Absatz 5 (Erreichung einer qualitativ hochstehenden und zweckmässigen gesundheitlichen Versorgung zu möglichst günstigen Kosten) und nach Artikel 39 Absatz 3 (Übereinstimmung der Tatifverträge oder -beschlüsse mit dem Gesetz und den Geboten der Wirtschaftlichkeit und der Billigkeit) eingehalten werden.

Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG; SR 172.021). Dies ist bereits nach dem geltenden Recht so. Absatz 2 sagt es nun noch ausdrücklich. Damit soll klargestellt werden, dass sich an der bestehenden Praxis, insbesondere hinsichtlich der Beschwerdelegitimation, nichts ändern soll. Beschwerdebefugt sind somit einerseits die betroffenen Tarifpartner, anderseits aber auch die einzelnen von der angefochtenen Tarifregelung betroffenen Leistungserbringer und Versicherten (Art. 48 VwVG). Die Beschwerdebefugnis der letzteren
ist unseres Erachtens wichtig; denn die Tarifpartner (Leistungserbringer und Versicherer bzw. ihre Verbände) schliessen letztlich Verträge zulasten Dritter ab, und zwar insbesondere zulasten der Versicherten, welche «das Geschäft» mit ihren Prämien dann zu berappen haben. Ist der Abschluss in der anderen Richtung unausgewogen, müssen auch die einzelnen Leistungserbringer die Möglichkeit haben, sich für eine Aufbesserung einzusetzen. Die Beschwerdebefugnis der einzelnen Leistungserbringer oder Versicherten ist im Verfahrensbereich damit durchaus auch ein Instrument, das gewissen negativen Folgen des in diesem Sektor ziemlich verbreiteten Kartellverhaltens entgegenwirken kann. Aus diesem Grund hat sich denn auch die Kartellkommission klar für die Beibehaltung der gegenwärtigen Umschreibung des Kreises der Beschwerdebefugten eingesetzt. Diese ermöglicht es übrigens auch Verbänden, welche die Versicherten vertreten, wie z. B. Patientenorganisationen 188

oder Konsumentenschutzvereinigungen, im Namen der betroffenen Versicherten Beschwerde nach Artikel 45 zu erheben. Mit dieser Regelung wird schliesslich auch der weit überwiegenden Auffassung Rechnung getragen, die im Vernehmlassungsverfahren über den Entwurf der Expertenkommission zu dieser Frage zum Ausdruck gekommen ist.

Außerordentliche Massnahmen zur Kosteneindämmung

Artikel 46 Globalbudgetierung durch den Bundesrat Wie bereits bei den allgemeinen Erläuterungen zu den kostendämpfenden Massnahmen ausgeführt (vgl. hievor Ziff. 22), sollen die ausserordentlichen Massnahmen nur dami zur Anwendung gelangen, wenn alle anderen Massnahmen versagen. Eine solche ausserordentliche Situation wäre dann gegeben, wenn dieKosten generell oder in einzelnen Bereichen des Gesundheitswesens massiv stärker steigen als die Lohn- und Preisentwicklung. Artikel 46 sieht die Möglichkeit vor, dass der Bundesrat Globalbudgets festlegt, und zwar für einzelne Kantone oder die gesamte Schweiz, wie auch für einzelne oder alle Kategorien von Leistungserbringern. Damit kann dieses Instrument gezielt in den von der Kostenexplosion betroffenen Bereichen eingesetzt werden. Da es sich um eine ausserordentliche Massnahme handelt und sie in erster Linie zu einer Beruhigung führen soll, ist sie zeitlich begrenzt (Abs. 1). Bei der Festsetzung des Gesamtbetrages soll insbesondere die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung berücksichtigt werden, das heisst ein entsprechendes Wachstum ist einzuplanen.

Weiter können aber auch je nach Bereich noch andere Aspekte, z. B. neue Möglichkeiten bei der Behandlung, mit einbezogen werden (Abs. 1). Die betroffenen Kantone und Verbände der Leistungserbringer und Versicherer sind vorher anzuhören (Abs. 2). Die von einer Globalbudgetierung betroffenen Leistungserbringer können selbst über Kriterien der Aufteilung des festgelegten Gesamtbetrages auf die individuellen Leistungserbringer, z. B. die einzelnen Spitäler oder die einzelnen Ärzte, entscheiden. Der Bundesrat erlässt hierzu nur dann Bestimmungen, wenn sich die Leistungserbringer nicht einigen können (Abs. 3).

Artikel 47 Einschränkung der Zulassung zur Tätigkeit zulasten der Krankenversicherung Mit Artikel 47 hat der Bundesrat die Möglichkeit, die Bedingungen für die Zulassung von Leistungserbringern zur Tätigkeit zulasten der sozialen Krankenversicherung zu verschärfen, insbesondere einen Bedürfnisnachweis vorzusehen.

Damit wird eine übermässige Zunahme der Zahl der Leistungserbringer, die zu einer unnötigen Ausdehnung der erbrachten Leistungen und damit einer Zunahme der Kosten führt, verhindert.

Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und der Qualität der Leistungen

Artikel 48 Wirtschaftlichkeit der Leistung Wie bereits nach heutigem Recht (Art. 23 KUVG) bestimmen im Einzelfall das Interesse des Versicherten und der Behandlungszweck den Umfang der durch 9 Bundesblau 144.Jahrgang. Bd. l

1 S9

die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu vergütenden Leistungen. An dieses Mass haben sich die Leistungserbringer zu halten (Art. 48 Abs. 1). Es umfasst eine gute und vollständige Untersuchung, Behandlung und Pflege des kranken Versicherten. Was hierzu gehört, ist von der Versicherung zu vergüten.

Für das, was darüber hinausgeht, schulden die Versicherer in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung keine Deckung. Sie können sich weigern, hierfür eine Vergütung zu zahlen (Abs. 2 erster Satz). Soweit für Leistungen, die über das genannte Mass hinausgehen, bereits Vergütungen entrichtet wurden, können diese zurückgefordert werden. Rückforderungsberechtigt ist im System des Tiers payant der Versicherer, im System des Tiers garant der Versicherte oder der Versicherer (Art. 48 Abs. 2). Bei einem Rechtsstreit mit dem Leistungserbringer hat der Versicherer im System des Tiers garant den Versicherten auf eigene Kosten zu vertreten (Art. 81 Abs. 3). Wenn ein Leistungserbringer im Zusammenhang mit der von ihm erbrachten oder veranlassten Leistung in den Genuss finanzieller Vergünstigungen gelangt - ein Arzt erhält z. B. einen Rabatt auf den von ihm angeordneten Analysen oder auf den von ihm abgegebenen Medikamenten oder Therapiegeräten - so hat er diese an den Schuldner der Vergütung weiterzugeben. Der Versicherte oder der Versicherer können ihren Anspruch hierauf in der gleichen Weise geltend machen wie ihr Rückforderungsrecht für zuviel gezahlte Vergütungen (Art. 48 Abs. 3 und 4).

Artikel 49 Vertrauensarzt Der Entwurf räumt dem Vertrauensarzt eine wichtige Funktion bei der Kontrolle der Leistungen und der Kosten ein. Seine Stellung wird im Vergleich zum heutigen Recht gestärkt und klarer definiert.

Dementsprechend wird auch verlangt, dass der Vertrauensarzt die Voraussetzungen nach Artikel 30 über die Zulassung zur Tätigkeit zu Lasten der sozialen Krankenversicherung erfüllen und überdies mindestens drei Jahre in einer Arztpraxis tätig gewesen sein muss. Dies ist notwendig, damit der Vertrauensarzt über eine äquivalente Ausbildung wie die Praxisärzte und über ein Mindestmass an Erfahrung verfügt, was ihm zusammen mit einer integren Persönlichkeit den in seiner Stellung notwendigen Respekt und das Vertrauen aller Beteiligten verschaffen soll (Abs. l zweiter Satz).

Jeder Versicherer muss über
die Dienste eines Vertrauensarztes verfügen. Das schliesst nicht aus, dass mehrere Versicherer gemeinsam den gleichen Vertrauensarzt haben (Art. 49 Abs. 1). Die Hauptaufgaben des Vertrauensarztes sind: - Beratung des Versicherers in medizinischen Fachfragen sowie in Fragen aus dem Bereich der Tarif an Wendung und der Vergütung (Abs. 4); - Überprüfung der Voraussetzungen der Leistungspflicht des Versicherers aus medizinischer Sicht (Art. 49 Abs. 4). Bei dieser Aufgabe wird der Vertrauensarzt unter anderem im Rahmen der Artikel 48 und 36 Absätze 3-5 (Kontrolle der Rechnungen, Überprüfung der Wirtschaftlichkeit) tätig.

Der Vertrauensarzt übt gegenüber den Leistungserbringern, insbesondere den Ärzten, eine sensible Funktion aus. Auf der einen Seite hat er vertrauliche Informationen, welche das Arzt- und das Patientengeheimnis betreffen, wie ein Treuhänder zu hüten und auszuwerten (Art. 36 Abs. 4, 49 Abs. 7). Auf der ande190

ren Seite muss er im Auftrage des Versicherers gegebenenfalls das ärztliche Handeln überprüfen (Abs. 4, 6 und 7). Beides verlangt, wie bereits gesagt, vom Vertrauensarzt ein hohes Mass an Vertrauenswürdigkeit, Kompetenz und Unabhängigkeit. Der Entwurf trägt diesen Erfordernissen Rechnung (Abs. 1). Er sieht deshalb auch vor, dass die Versicherer oder ihre Verbände vor der Ernennung eines Vertrauensarztes mit der kantonalen Ärztegesellschaft Rücksprache halten (Abs. l erster Satz), und räumt der Ärztegesellschaft das Recht ein, das Schiedsgericht (Art. 81) anzurufen, wenn sie einen Vertrauensarzt ablehnt (Abs. 3), Soll ein Vertrauensarzt mit Zuständigkeit für die ganze Schweiz bestellt werden, so setzt dies nicht nur die Rücksprache mit der kantonalen Ärztegesellschaft voraus, sondern deren Einverständnis (Abs. 2). Der Entwurf sieht des weiteren vor, dass der Vertrauensarzt in seinem Urteil unabhängig ist und diesbezüglich weder vom Versicherer noch vom Leistungserbringer oder von deren Berufsorganisationen Weisungen erhalten darf (Abs. 5).

Damit der Vertrauensarzt seine Aufgaben erfüllen kann, müssen die Leistungserbringer ihm die notwendigen Auskünfte erteilen. Falls keine andere Möglichkeit besteht, an diese Auskünfte zu gelangen, ist der Vertrauensarzt berechtigt, einen Versicherten persönlich zu untersuchen. Bevor er dies tut, hat er jedoch den behandelnden Arzt von dieser Massnahme in Kenntnis zu setzen. Nach der Untersuchung hat er ihm das Ergebnis mitzuteilen (Abs. 6 erster und zweiter Satz).

In begründeten Fällen (z. B. bei einer die persönliche Sphäre des Versicherten in besonderem Masse berührenden Frage; bei vorausgegangenen schwerwiegenden Misshelligkeiten zwischen den Beteiligten) ist jedoch der Versicherte berechtigt zu verlangen, dass ein anderer Arzt als der Vertrauensarzt die erforderliche Untersuchung vornimmt. Kommt diesbezüglich mit dem Versicherer keine Einigung zustande, entscheidet das Schiedsgericht nach Artikel 81, von welchem Arzt die Untersuchung vorzunehmen ist (Abs. 6 dritter und vierter Satz), Solche Situationen dürften eher selten vorkommen.

Aus den Informationen, welche der Vertrauensarzt erhält oder sich beschafft, filtert er diejenigen Angaben heraus, welche die Verwaltung des Versicherers braucht, um über die Leistungspflicht zu entscheiden, die Vergütung
festzusetzen oder eine zu erlassende Verfügung zu begründen. Nur diese Angaben leitet er weiter. Er wahrt bei seiner Informationstätigkeit die Persönlichkeitsrechte des Versicherten (Abs. 7). Die Dachverbände der Ärzte und der Versicherer regeln gemeinsam die Einzelheiten betreffend die Datenweitergabe durch den Vertrauensarzt. Sie sind auch befugt, die Weiterbildung und die Stellung des Vertrauensarztes näher zu regeln. Kommt keine solche Regelung zustande, so erlässt der Bundesrat die erforderlichen Bestimmungen (Abs. 8).

Artikel SO Qualitätssicherung Nur Leistungserbringer, die sowohl kosten- als auch qualitätsbewusst arbeiten, können dazu beitragen, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung das ihr gesteckte Ziel erreicht, nämlich die Sicherstellung einer guten medizinischen Versorgung zu einem vernünftigen Preis. Neben den Massnahmen zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit werden daher auch Massnahmen zur Sicherung der Qualität und des zweckmässigen Ressourceneinsatzes notwendig sein. Dies gilt 191

verstärkt in einer Zeit stürmischer Entwicklung im Bereich der aufwendigen Gerätemedizin. Nur so ist es möglich, die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Qualitätssicherung ist allerdings als dauernder Auftrag zu verstehen. Sie betrifft ebenso gut neue oder in der Entwicklung befindliche, wie bereits etablierte Leistungsbereiche (vgl. auch Erläuterungen zu Art. 26 und 27 Abs. 3). Der Bundesrat soll daher die Kompetenz erhalten, die nötigen Vorkehren zu treffen und die Berufsverbände der Leistungserbringer zur Mitwirkung heranzuziehen.

Die von der sozialen Krankenversicherung übernommenen Leistungen sollen, bei aller erwünschten Wirtschaftlichkeit, qualitativ hochstehend sein (vgl. auch Ziff. 22 hiervor und die Erläuterungen zu Art. 37 Abs. 5). Die Qualität bezieht sich dabei sowohl auf die Behandlungsergebnisse wie auch auf die Angemessenheit der Leistung und auf die Zufriedenheit des Patienten. Artikel 50 lässt dabei interne wie externe Qualitätssicherungsprogramme zu. Er betrifft alle Leistungserbringer. Interne Qualitätssicherungsprogramme sind der Eigeninitiative des betreffenden Leistungserbringers überlassen. Externe Programme hingegen gehen von der Überprüfung durch externe Stellen, beispielsweise Berufsverbände oder paritätische Organisationen, aus. Mit seiner hievor beschriebenen Zielsetzung liegt Artikel 50 auch auf der Linie der Qualitätssicherungsintentionen der am 30. März 1990 vom Ministerkomitee des Europarates verabschiedeten Empfehlung Nr. R (90)8.

Artikel 57 Ausschluss von Leistungserbringern Artikel 51 entspricht materiell dem geltenden Recht (Art. 24 KUVG). Als ultima ratio sollen dadurch Leistungserbringer, die ihrer Verantwortung aus der Mitwirkung an der sozialen Krankenversicherung nicht nachkommen und z. B. in unverbesserlicher Weise gegen die Anforderungen der Artikel 48 und 50 verstossen, durch Entscheid des Schiedsgerichtes (Art. 81) von der Tätigkeit für die Krankenversicherung ausgeschlossen werden können.

Finanzierung Finanzierungsverfahren und Rechnungslegung

Artikel 52 Das heute in der sozialen Krankenversicherung geltende Ausgabenumlageverfahren soll auch unter dem neuen Recht beibehalten werden. Dies bedeutet, dass die laufenden Ausgaben grundsätzlich durch die laufenden Einnahmen zu decken sind. Die Versicherer haben also ihre Prämien so festzusetzen, dass sie damit die für die gleiche Periode geschuldeten Leistungen decken können. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird aufgrund der Jahresrechnung festgestellt. Die Versicherer haben aus ihren Einnahmen aber auch Reserven zu bilden. Dabei werden zwei Arten von Reserven unterschieden, nämlich Reserven für bereits eingetretene Krankheiten, das heisst für vorhandene Verpflichtungen, die im Zeitpunkt der Rechnungsablage noch nicht erfüllt sind, und Reserven, denen keine eigentliche Verpflichtung gegenübersteht, die aber die längerfristige Zahlungsfähigkeit des Versicherers garantieren sollen.

192

Mit dem in Absatz 2 erwähnten Grundsatz, dass die Finanzierung selbsttragend sein müsse, wird klargestellt, dass zur Finanzierung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nur Einnahmen aus dieser Versicherung verwendet werden dürfen, und die Versicherer die Finanzierung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht mit anderen von ihnen geführten Versicherungen vermischen dürfen. Aus diesem Grund wird vorgeschrieben, dass in der Bilanz des Versicherers, die dieser für seinen gesamten Tätigkeitsbereich aufzustellen hat, auf der Passivseite seine Reserven für die obligatorische Krankenpflegeversicherung gesondert von anderen Reserven auszuweisen sind. Nicht verlangt wird hingegen, dass er auch seine Aktiven (Wertschriften usw.) den einzelnen Versicherungszweigen gesondert zuweist.

Im Gegensatz zur Bilanz, die den gesamten Tätigkeitsbereich des Versicherers abdeckt, verlangt Absatz 3, dass für die obligatorische Krankenpflegeversicherung eine besondere, das heisst vollständige Betriebsrechnung zu führen ist. Für die bedeutendsten Teile der Rechnung, nämlich die Prämien und die Leistungen bietet dies keine besonderen Probleme. Für Einnahmen und Ausgaben, die von anderen Versicherungen nicht eindeutig getrennt werden können (Zinse, Verwaltungskosten) können für die Aufteilung Annahmen getroffen werden, die aber der Realität entsprechen müssen.

In Absatz 4 wird festgehalten, dass der Bundesrat die notwendigen Vorschriften zum Finanzierungsverfahren und zur Rechnungslegung erlässt. Dazu zählen insbesondere Vorschriften zur Rechnungsführung (Buchhaltung usw.), Rechnungsablage (Gliederung der Rechnung usw.), Rechnungskontrolle (Kontrollstelle des Versicherers, Kontrollen durch die Aufsichtsbehörde), Reservebildung (Höhe, Bewertungsgrundsätze) und zulässige Kapitalanlagen.

Prämien der Versicherten

Artikel 53 Grundsatz Jeder Versicherer hat die zur Deckung seiner Ausgaben nötigen Prämien selber festzulegen. Im Gegensatz zur obligatorischen Unfallversicherung gibt es somit in der Krankenpflegeversicherung keine gemeinsamen Prämientarife der Versicherer. Die Versicherten haben bei ein und demselben Versicherer grundsätzlich die gleiche Prämie zu entrichten. Die Prämien können also insbesondere nicht nach unterschiedlichen Risiken (z. B. Abstufungen nach Alter oder Geschlecht), aber auch nicht nach dem Einkommen der Versicherten (lohnprozentuale Beiträge) abgestuft werden. Dass der Prämiengleichheit auch die Gleichheit bei den Leistungen gegenüberstehen muss, ist hier nicht ausdrücklich zu erwähnen, weil die Leistungen von Gesetzes wegen einheitlich sind.

Zulässig bleiben regionale Prämienabstufungen innerhalb eines Versicherers, weil es auch bei den Tarifen regionale Unterschiede geben kann und die Kosten des Gesundheitswesens auch von gesundheitspolitischen Massnahmen in den Kantonen abhängig sein können. Wegen des Zusammenspiels von Gesundheitskosten, insbesondere Spitalkosten, und kantonalen Steuern soll der Wohnort und nicht etwa der Arbeitsort des Versicherten für die regionale 193

Prämienabstufung massgebend sein. Die Versicherer sollen indessen künftig nicht mehr, wie dies heute bei Krankenkassen der Fall ist, sehr kleinräumige örtliche Prämientarife anwenden können. Innerhalb eines Kantons dürfen deshalb höchstens drei regionale Abstufungen gemacht werden. Der Entwurf betont ausdrücklich, dass sich die Prämienunterschiede nach den regionalen Kostenunterschieden und nicht etwa nach kommerziellen Überlegungen der Versicherer zu richten haben, und dass diese Kostenunterschiede ausgewiesen und mithin auch nachprüfbar sein müssen.

Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der gleichen Prämie ist die besondere Prämie für Kinder. Im Gegensatz zum geltenden Recht wird die Altersgrenze nicht mehr beim vollendeten 15. Altersjahr gezogen und die Versicherer können nicht mehr zusätzliche Abstufungen für Jugendliche bis zum 25. Altersjahr vorsehen. Der Entwurf sieht eine einzige und einheitliche Altersgrenze beim zurückgelegten 18. Altersjahr vor. Das 18. Altersjahr spielt auch in anderen Sozialversicherungen eine Rolle: Der Anspruch auf die Waisenrente dauert sowohl in der Alters- und Hinterlassenenversicherung, in der Unfallversicherung wie bei der beruflichen Vorsorge bis zum 18. Altersjahr und der Rentenanspruch in der Invalidenversicherung beginnt mit diesem Alter. Im Vernehmlassungsverfahren wurde verschiedentlich verlangt, dass zur Entlastung der Familien auch für Jugendliche bis zum 25. Altersjahr, vor allem wenn diese noch in der Ausbildung stehen, günstigere Prämien vorzusehen sind. Dieses Anliegen wird bei der Prämienverbilligung berücksichtigt (vgl. Art. 58 Abs. 1). Bereits der Entwurf der Expertenkommission sah keine besondere Vorschrift an die Versicherer über den Prämienunterschied zwischen Erwachsenen und Kindern vor. Hier wird die Konkurrenz zwischen den Versicherern für eine angemessene Abstufung sorgen.

Artikel 54 Besondere Versicherungsformen Vom Grundsatz der gleichen Prämie bei ein und demselben Versicherer kann auch bei besonderen Versicherungsformen abgewichen werden. Eine dieser Versicherungsformen soll bereits im Gesetz selbst zugelassen sein, nämlich die vom Versicherten freiwillig eingegangene Einschränkung in der Wahl des Leistungserbringers (vgl. dazu Art. 35 Abs. 4). Weitere Formen kann der Bundesrat zulassen, nämlich die Wahl von höheren Kostenbeteiligungen
oder von Prämienabstufungen nach dem Bonus/Malus-Prinzip durch den Versicherten.

Diese Versicherungsformen sollen zugelassen werden, weil man sich von ihnen einen kostendämmenden Einfluss erhofft. Gleichzeitig besteht bei diesen Versicherungsformen aber auch die Gefahr, dass sie vorwiegend von Personen mit einem geringeren Krankheitsrisiko gewählt werden, die Kosten also gar nicht wegen Leistungsvqrzichten der Versicherten geringer sind. Aus diesem Grund soll der Bundesrat Höchstgrenzen für die Prämienermässigungen und beim Bonus/Malus-Prinzip auch Mindestgrenzen für den Prämienmalus vorschreiben können: Ziel dieser Vorschriften wird es sein, die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken innerhalb eines Versicherers zu erhalten. Daneben gibt es noch weitere Fragen, die bei diesen Versicherungsformen besonders zu regeln sind. Bei einer Versicherungsform, bei der bestimmte Leistungserbringer gegen eine feste Entschädigung die Behandlung einer Gruppe von Versicherten über194

nehmen, tnuss es beispielsweise möglich sein, den Beitritt aus Gründen der Kapazität der Leistungserbringer zu beschränken. Zudem wird sich die Möglichkeit eines Beitrittes zu solchen Versicherungsformen in der Regel auf die Umgebung jener Orte beschränken, in welchen die Leistungserbringer tätig sind. Versicherungen nach dem Bonus/Malus-Prinzip werden für eine bestimmte Mindestdauer abzuschliessen sein.

Artikel 55 Entschädigungen an Dritte Zu einer faktischen Prämienermässigung können Entschädigungen an Dritte führen. Solche Entschädigungen sind im Rahmen von Kollektiwersicherungen möglich. Kollektiwersicherungen führen im geltenden Recht oft zu einer unerwünschten Risikoselektion und damit zu einer Aufhebung der Solidarität innerhalb einer Krankenkasse. Die Kollektiwersicherung soll nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein. Wenn ein Arbeitgeber dies wünscht, soll er weiterhin für seine Arbeitnehmer. eine kollektive Kjankenpflegeversicherung vorsehen und dabei auch bestimmte Aufgaben in der Durchführung der Versicherung übernehmen können. Gestützt auf Artikel 53 Absatz l sind indessen in einem Kollektivvertrag die gleichen Prämien wie in der Einzelversicherung zu erheben.

Damit dieser Grundsatz nicht durchbrochen wird, ist darauf zu achten, dass die Entschädigungen des Versicherers an den Versicherungsnehmer in einem angemessenen Verhältnis zu den übernommenen Aufgaben bei der Durchführung der Versicherung stehen. Gleichzeitig soll bereits im Gesetz festgelegt werden, wer als Versicherungsnehmer in Frage kommt, nämlich Arbeitgeber, Arbeitgeberverbände, Arbeitnehmerverbände und, beispielsweise für Flüchtlinge, Fürsorgebehörden.

Artikel 56 Kostenbeteiligung Die Ausgestaltung der Kostenbeteiligung lehnt sich sehr stark an das heutige Recht an, indem in Absatz 2 festgehalten wird, dass die Kostenbeteiligung aus einem festen Jahresbetrag (Franchise) und einem prozentualen Selbstbehalt besteht. Bis zur Höhe der Franchise sind die in Rechnung gestellten Kosten vom Versicherten selber zu tragen. Von den darüber hinaus gehenden Kosten hat er 10 Prozent selber zu tragen, aber nur bis zu einem jährlichen Höchstbetrag.

Die Expertenkommission hat vorgeschlagen, den Selbstbehalt auf 15 Prozent zu erhöhen, in einem Minderheitsantrag wurde auch eine massgebliche Erhöhung der Franchise verlangt. Im
Vernehmlassungsverfahren waren die Meinungen erwartungsgemäss sehr geteilt. Wir verzichten aus den folgenden Gründen auf eine Erhöhung des Selbstbehaltes: Eine Kostenbeteiligung, die sich an den in Rechnung gestellten Kosten bemisst, stellt nicht für alle Versicherten die gleiche Belastung dar. Eine deutliche Erhöhung der Kostenbeteiligung müsste deshalb auch das Einkommen der Versicherten berücksichtigen. Die Expertenkommission hat eine solche Änderung wegen des bei den Versicherern entstehenden administrativen Aufwandes abgelehnt. Wir verzichten ebenfalls auf eine solche grundlegende Änderung bei der Erhebung der Kostenbeteiligung. Sie liesse sich nach unserer Auffassung nur rechtfertigen, wenn man die Kostenbeteiligung so erhöhen würde, dass die Krankenpflegeversicherung zu einer Grossrisikoversicherung umgestaltet würde. Diese in den Grundsätzen des Bundesrates (vgl.

1QS

Ziff. 142) enthaltene Anregung wurde indessen von der Expertenkommission eindeutig fallengelassen. Im weiteren ist zu beachten, dass auch bei einem unveränderten Prozentsatz des Selbstbehaltes die Kostenbeteiligung insgesamt doch erhöht wird, indem sie auf die stationäre Behandlung ausgedehnt und indem bei Spitalaufenthalt noch ein Beitrag an die Aufenthaltskosten verlangt wird (Abs. 5). Gesamthaft betrachtet, scheint es uns deshalb gerechtfertigt, den Selbstbehalt bei 10 Prozent zu belassen.

Die Höhe von Franchise und jährlichem Höchstbetrag der Kostenbeteiligung wird vom Bundesrat zu bestimmen sein. Dies erlaubt es, diese Beträge periodisch der Kostenentwicklung anzupassen (Abs. 3).

Nach geltendem Recht entrichten Kinder nur den Selbstbehalt aber keine Franchise. Neu wird nun vorgeschlagen, die Franchise auch für Kinder einzuführen, aber Franchise und Höchstbetrag auf die Hälfte des Betrages der Erwachsenen zu beschränken. Zudem soll bei mehreren Kindern einer Familie die Kostenbeteiligung zusammengerechnet höchstens soviel ausmachen wie die Kostenbeteiligung bei einem Erwachsenen. Faktisch wird sich diese Regelung also bei drei und mehr Kindern einer Familie auswirken.

Nach geltendem Recht zählen die Aufenthaltskosten im Spital nicht zu den gesetzlichen Mindestleistungen der Krankenpflegeversicherung. In den Tarifverträgen werden diese Kosten deshalb oft in einer besonderen Pauschale (einer sog, Verpflegungs- oder Hotelpauschale) in Rechnung gestellt und es der Krankenkasse überlassen, ob sie diese Pauschale in die Grundversicherung einschliesst oder nur über eine Zusatzversicherung vergütet. Nach dem vorliegenden Entwurf wird für die Leistungspflicht im Spital nicht mehr zwischen medizinischen Leistungen und anderen Kosten unterschieden. Die Versicherer müssen vielmehr einen bestimmten Prozentsatz der Betriebskosten eines Spitals übernehmen (Art. 42). Der Grundsatz, dass die Versicherten an die reinen Aufenthalts- und Verpflegungskosten im Spital auch einen Beitrag leisten, soll indessen nicht völlig aufgegeben werden. Er gilt auch in der obligatorischen Unfallversicherung (Art. 17 Abs. 2 UVG und Art. 27 Abs. 2 UW). In Anlehnung an jene Regelung ist auch hier vorgesehen, dass der Beitrag an die Aufenthaltskosten durch den Bundesrat festzulegen und nach Familienlasten abzustufen ist.
Wie bereits im Bundesgesetz vom 20. März 1987 wird auch hier in Absatz 6 vorgesehen, dass der Bundesrat für bestimmte Leistungen eine höhere Kostenbeteiligung vorsehen und für andere dafür die Kostenbeteiligung herabsetzen oder völlig aufheben kann. Dies ermöglicht eine differenzierte Regelung der Kostenbeteiligung. So hat es beispielsweise keinen Sinn, für Hämodialysen (regelmässige Reinigung des Blutes bei Niereninsuffizienz) die Kostenbeteiligung als Instrument der «Selbstverantwortung» einzusetzen, während es andererseits Behandlungsarten gibt (z. B, Physiothérapie), bei welchen eine höhere Kostenbeteiligung durchaus in diesem Sinne eingesetzt werden kann. Im weiteren soll es auch möglich sein, bei Versicherungsformen mit einem eingeschränkten Wahlrecht des Versicherten auf die Kostenbeteiligung zu verzichten, weil diese Versicherungsform auf andere Weise kostendämmend wirkt und weil dort unter Umständen der Leistungserbringer gar nicht aufgrund einzelner Behandlungen entschädigt wird.

l Oft

Absatz? sieht gesetzliche Ausnahmen von der Kostenbeteiligung vor. Wie im geltenden Recht sollen Leistungen bei Mutterschaft von der Kostenbeteiligung ausgenommen sein. Im weiteren hat es auch keinen Sinn bei Massnahmen der medizinischen Prävention, die, wie bereits dargestellt, erst auf Verordnungsstufe im einzelnen festgelegt werden (vgl, Art. 27 Abs. 2), noch eine Kostenbeteiligung zu erheben. Man möchte zur Vermeidung von Krankheiten die Versicherten ja gerade dazu anhalten, die als sinnvoll und nützlich erachteten Vorsorgemassnahmen durchführen zu lassen. Im Gegensatz zum geltenden Recht wird jedoch die stationäre Behandlung nicht mehr von der Kostenbeteiligung ausgenommen. Es gibt heute zahlreiche Behandlungen, die sowohl ambulant wie stationär durchgeführt werden können. Die oft kostspieligere stationäre Behandlung soll nicht durch die Regelung bei der Kostenbeteiligung begünstigt werden.

Beiträge der Öffentlichen Hand Artikel 57 Beiträge des Bundes zur Prämienverbilligung Die Beiträge des Bundes an die Krankenversicherung sollen wie bereits erwähnt (vgl. Ziff. 24), ausschliesslich zur individuellen Verbilligung der Prämien nach der wirtschaftlichen Situation der Versicherten verwendet werden. Die dafür vorgesehenen Beiträge des Bundes gehen zunächst an die Kantone. Diese haben die Bundesbeiträge durch eigene Beiträge zu ergänzen und damit eine von ihnen aufgestellte Regelung zur Prämienverbilligung zu finanzieren (vgl.

Art. 58).

Entgegen dem Vorschlag der Expertenkommission wird nach der Formulierung von Absatz 2 die Höhe der Beiträge des Bundes nicht im Gesetz selbst definiert, so dass Bundesrat und Parlament an deren Höhe bei der Festlegung des Budgets gebunden sind. Die Beiträge des Bundes sind vielmehr durch einfachen Bundesbeschluss festzulegen. Das Gesetz sieht eine vierjährige Geltungsdauer dieser Bundesbeschlüsse vor. Das Thema Beiträge des Bundes an die Krankenversicherung wird somit einmal pro Legislaturperiode dem Parlament zu unterbreiten sein. Für die ersten vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes werden die Beiträge in den Übergangsbestimmungen festgelegt (vgl. Art. 98). Der Bundesrat wird den Anteil der einzelnen Kantone am Bundesbeitrag nach deren Wohnbevölkerung und Finanzkraft festzulegen haben. Finanzstarke Kantone werden also im Vergleich zu ihrer Wohnbevölkerung einen etwas geringeren, finanzschwache Kantone dafür einen etwas höheren Anteil erhalten.

In Absatz 3 wird sodann bestimmt, dass die Kantone den auf sie entfallenden Anteil am Bundesbeitrag um einen bestimmten Betrag aus eigenen Mitteln zu erhöhen haben. Es handelt sich um einen Minimalbetrag, das heisst ein Kanton kann von sich aus noch mehr zur Prämienverbilligung leisten. Diese Beträge bestimmen sich wiederum nach der Finanzkraft der Kantone. Finanzschwache Kantone werden also aus eigenen Mitteln weniger aufzubringen haben als finanzstarke Kantone. Die konkreten Beträge werden auch hier durch Verordnung des Bundesrates festzulegen sein, wobei im Gesetz aber festgehalten werden soll, dass die Kantone insgesamt die Hälfte des Betrages leisten sollen, den der Bund aufbringt. Wenn also der Bund, wie dies in den Übergangsbestim197

mungen vorgesehen ist, einen Beitrag von 2 Milliarden Franken pro Jahr leistet, haben die Kantone zusammen l Milliarde Franken aufzubringen.

Artikel 58 Prämienverbilligung durch die Kantone In Artikel 58 wird festgehalten, in welcher Weise die Kantone die individuelle Prämienverbilligung vorzunehmen haben. Wir übernehmen hier das bereits im Entwurf der Expertenkommission vorgeschlagene Modell einer Prämienverbilligung, welches seinerseits auf einen Vorschlag der Schweizerischen Vereinigung privater Kranken- und Unfallversicherer (PKU) zurückgeht, den diese Vereinigung erstmals im Jahre 1982 vorgestellt hat. Nach diesem Modell wird ein Prozentsatz des steuerbaren Einkommens definiert, der für jeden Haushalt die maximale Belastungsgrenze aus Prämien für die obligatorische Krankenpflegeversicherung darstellt. Mit dieser Art der Prämienverbilligung wird unmittelbar und dazu noch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation eine Begünstigung von Familien mit mehreren Rindern erreicht, ohne dass dafür Prämienbefreiungen von Kindern eingeführt werden müssen. Als Haushalt soll der gleiche Kreis von Personen zusammengefasst werden wie im Steuerrecht. Es können somit die Prämien jener Personen zusammengezählt werden, für die ein Versicherter nach dem Steuerrecht des Bundes bei der Steuerveranlagung Abzüge wegen Unterhaltspflichten geltend machen kann. Übersteigen die effektiven Prämien eines Haushaltes den festgelegten Prozentsatz, wird die Differenz durch Beiträge der öffentlichen Hand übernommen. Im Gegensatz zum Entwurf der Expertenkommission soll der massgebende Prozentsatz nicht durch den Bund, sondern durch jeden Kanton festgelegt werden.

Wie die Kantone dieses Modell in die Praxis umsetzen, wird ihnen überlassen.

In der Studie der PKU wurde ursprünglich vorgeschlagen, dass der Anspruch der Versicherten direkt von der Steuerschuld in Abzug gebracht wird. Die kantonalen Finanzdirektoren haben seinerzeit gegen ein solches Vorgehen Bedenken geäussert. Die Kantone können ein von der Erhebung der Steuern losgelöstes System wählen. Es ist ihnen auch freigestellt, ob sie die Prämienverbilligung den Versicherten oder direkt den Versicherern ausbezahlen. Der Kanton Tessin, der ein solches System der Prämienverbilligung bereits kennt, zahlt die Beiträge den Krankenkassen aus. Diese haben den auf den
einzelnen Versicherten entfallenden Betrag von dessen Prämienschuld abzuziehen und dem Versicherten eine entsprechende Mitteilung zu machen. Offen gelassen wird auch die Frage, ob der Anspruch auf Prämienverbilligung von den Versicherten geltend gemacht werden muss oder ob er von Amtes wegen festgestellt wird.

Absatz 2 hält fest, dass die Kantone den massgebenden Prozentsatz so festsetzen müssen, dass die nach Artikel 57 durch den Bundesrat für die einzelnen Kantone festgelegten Beiträge von Bund und Kanton in ihrer vollen Höhe zur Auszahlung gelangen. Da der Prozentsatz zum voraus festzulegen ist und die Versicherten einen Anspruch auf die entsprechende Prämienverbilligung haben, wird zwischen dem vom Kanton geschätzten Aufwand und den effektiv beanspruchten Prämienverbilligungen sehr wahrscheinlich eine Differenz entstehen.

Eine genaue Schätzung des Aufwandes dürfte vor allem in den ersten Jahren schwierig sein. Der Entwurf sieht deshalb vor, dass eine so entstehende Differenz dem Betrag des nächsten Jahres entweder gutzuschreiben oder von diesem 198

abzuziehen ist. Gestützt auf den für die Prämienverbilligung zur Verfügung stehenden Betrag und die Entwicklung bei den Prämien und den Einkommen werden die Kantone für jedes Jahr den massgebenden Prozentsatz wieder neu festzulegen haben (vgl. dazu auch Ziff. 421). Das hier vorgeschlagene System der Prämienverbilligung bedeutet, dass an sich jeder Franken der Differenz zwischen den geschuldeten Prämien und dem massgebenden Einkommen durch Beiträge der öffentlichen Hand auszugleichen ist. Es wird also Personen geben, bei welchen diese Differenz sehr gering ist. Es soll den Kantonen deshalb möglich sein, geringfügige Beiträge nicht mehr auszubezahlen. Wo diese Grenze liegt, soll jeder Kanton selber definieren können. Es kann sich jedoch nur um wenige Franken einer Monatsprämie handeln.

Obwohl der Entwurf die Durchführung der Prämienverbilligung den Kantonen überlässt, wird durch Absatz 3 doch eine gewisse Einheitlichkeit bei den konkreten Regelungen angestrebt. Dies erlaubt auch Vergleiche über die Gleichwertigkeit der kantonalen Regelungen. Aus diesem Grund sollen alle Kantone vom steuerbaren Einkommen der direkten Bundessteuer ausgehen. Um zu vermeiden, dass Personen mit hohen Vermögen aber geringen steuerbaren Einkommen in den Genuss von Prämienverbilligungen gelangen, haben die Kantone neben dem steuerbaren Einkommen auch das Vermögen zu berücksichtigen. Weil es dazu keine Veranlagung nach Bundesrecht gibt, haben sich die Kantone hier auf die kantonale Steuerveranlagung zu stützen.

In Absatz 4 wird festgehalten, auf welche Veranlagung sich die Kantone zu stützen haben, wenn die letzte rechtskräftige Veranlagung mehr als drei Jahre zurückliegt. Es soll auf eine möglichst aktuelle Einschätzung der wirtschaftlichen Situation des Versicherten abgestellt werden können, selbst wenn die Veranlagung, beispielsweise wegen eines Beschwerdeverfahrens, noch nicht rechtskräftig ist. Eine ähnliche Bestimmung findet sich in der Gesetzgebung zur AHV (Verordnung vom 31. Okt. 1947 zur AHV; SR 831.101, Art. 23 Abs. 2).

Es soll den Kantonen möglich sein, zur Feststellung des Anspruchs der Versicherten ein Verfahren zu wählen, bei welchem sich die zuständigen kantonalen Behörden direkt auf Angaben der Steuerbehörden stützen können. Dazu wird in Absatz 5 eine Grundlage für eine entsprechende Auskunftspflicht der
Steuerbehörden vorgesehen. Auch diese Bestimmung ist einer ähnlichen Bestimmung im Bundesgesetz vom 20. März 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (SR 831.10; Art. 9 Abs. 4) nachgebildet.

Freiwillige Taggeldversicherung Artikel 59 Beitritt Nach geltendem Recht können die Krankenkassen in ihren Statuten ein Höchstalter für den Beitritt festlegen. Im weitern kann für Kinder bis zum zurückgelegten 15. Altersjahr keine Taggeldversicherung abgeschlossen werden.

Dieses Mindestalter für den Abschluss einer Taggeldversicherung scheint uns richtig. Es deckt sich mit dem Mindestalter für die Beschäftigung in Betrieben, die dem Arbeitsgesetz vom 13. März 1964 (SR 822.11) unterstehen. Hingegen sollte das Höchsteintrittsalter künftig im Gesetz und nicht mehr in Bestimmun-

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gen der Versicherer festgelegt werden. Am konsequentesten ist es, dafür die geltende Altersgrenze für die Pensionierung zu wählen, wobei auf eine Unterscheidung zwischen Männern und Frauen verzichtet werden kann.

In Absatz 2 wird ausdrücklich festgehalten, dass die Taggeldversicherung nicht beim gleichen Versicherer abgeschlossen werden muss wie die KrankenpflegeVersicherung. Dies ist in der Praxis häufig der Fall, weil die Taggeldversicherung mit dem Arbeitsverhältnis verbunden sein kann. Eine gewisse Bedeutung hat diese Bestimmung auch wegen der vollen Freizügigkeit in der Krankenpflege- und der eingeschränkten Freizügigkeit in der Krankengeldversicherung.

Kündigt ein Versicherter die Krankenpflegeversicherung, so soll es dem Versicherer nicht möglich sein, deswegen nun seinerseits die Taggeldversicherung aufzulösen.

Im Gegensatz zur Krankenpflegeversicherung soll in der Taggeldversicherung der Kollektivertrag weiterhin zugelassen sein. Er ist wegen der engen Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis sehr oft der angemessene Rahmen der Versicherung. Aus dieser Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis ergibt sich der Kreis der Versicherungsnehmer und der Versicherten in Kollektiwerträgen praktisch von selbst. Als Versicherungsnehmer können Arbeitgeber, Arbeitgeberorganisationen, Berufsverbände und Arbeitnehmerorganisationen auftreten. Als Versicherte kommen die Arbeitgeber, deren Arbeitnehmer, die Mitglieder der erwähnten Organisationen sowie die Arbeitnehmer dieser Mitglieder in Frage.

Artikel 60 Versicherer Nach Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe d müssen Versicherer, die die obligatorische Krankenpflegeversicherung durchführen wollen, auch die Taggeldversicherung nach diesem Gesetz durchführen. Diese Bestimmung bildet die Grundlage für die hier erwähnte Pflicht, mit jedem Bewerber, der dies verlangt, eine Taggeldversicherung im Sinne dieses Gesetzes abzuschliessen. Zur Höhe des versicherbaren Taggeldes, vgl. Artikel 64. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Versicherer neben der Taggeidversicherung im Sinne dieses Gesetzes noch eine Taggeldversicherung im Sinne des Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (SR 221.229.1) führt. Ob und wieweit er dies tun kann, richtet sich nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 23. Juni 1978 (VAG; SR 961.01).

Nach heutigem Recht gibt es etwa 25
anerkannte Krankenkassen, die sich auf die Durchführung der Krankengeldversicherung beschränken. In der Regel handelt es sich um Betriebskrankenkassen. Nachdem der Entwurf für die Taggeldversicherung weiterhin Kollektiwersicherungen zulässt, können ohne weiteres auch Krankenkassen zugelassen bleiben, die sich auf die Durchführung der Taggeldversicherung innerhalb eines Betriebes beschränken. Es ginge zu weit, diese Krankenkassen auch zur Durchführung der - administrativ weit aufwendigeren - Krankenpflegeversicherung zu verpflichten.

Artikel 61 Versicherungsvorbehalt Es gehört zu den Grundsätzen des Versicherungsgeschäftes, dass die Versicherer ein bereits eingetretenes Risiko von der Versicherung ausschliessen und dass 200

sie bei einem erhöhten Risiko eine höhere Prämie verlangen oder den Abschluss eines Versicherungsvertrages verweigern können. Nun könnte man an sich mit Recht einwenden, dass solche Grundsätze in einer Sozialversicherung nicht zur Anwendung gelangen dürften. Eine freiwillige Sozialversicherung, die von Institutionen des Privatrechts durchgeführt und von den Versicherten durch individuelle Kopfprämien finanziert wird, kann sich indessen solchen Grundsätzen nicht völlig verschliessen. Aus diesem Grund sieht bereits das geltende Recht vor, dass die Krankenkassen zwar den Abschluss der Versicherung nicht völlig verweigern können, dass sie aber für eine begrenzte Zeit für bereits eingetretene Krankheiten Versicherungsvorbehalte anbringen können.

Im Entwurf werden die geltenden Regelungen zum Versicherungsvorbehalt (vgl.

Art. 5 Abs. 3 KUVG) unverändert übernommen. Die in den Absätzen 3 und 4 enthaltenen Bestimmungen (genaue Bezeichnung der Krankheit und der Dauer des Vorbehaltes; analoge Anwendung bei einer Höherversicherung) sind heute auf Verordnungsstufe enthalten.

Artikel 62 Wechsel des Versicherers Auch diese Bestimmung über eine beschränkte Freizügigkeit der Versicherten entspricht materiell dem geltenden Recht (vgl. Art. 7-10 KUVG). Ein Freizügigkeitsgrund liegt vor, wenn der Versicherte gezwungen ist, seinen bisherigen Versicherer zu verlassen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Taggeldversicherung mit dem Arbeitsverhältnis so verbunden ist, dass die Arbeitnehmer verpflichtet sind, einer betrieblichen Versicherung beizutreten und diese nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses wieder zu verlassen. Weitere Freizügigkeitsgründe sind das Ausscheiden des Versicherten aus dem Tätigkeitsgebiet des Versicherers oder der Verzicht auf die Durchführung der sozialen Krankenversicherung durch den Versicherer.

Das Freizügigkeitsrecht besteht darin, dass der Versicherer keine neuen Versicherungsvorbehalte anbringen kann (Abs. 1). Zudem ist er verpflichtet, mindestens den bisherigen Umfang der Versicherung (Höhe des Taggeldes, Wartefrist) zu übernehmen. Gleichzeitig darf der Versicherer aber auch bereits bezogene Taggelder auf die Bezugsdauer anrechnen (Abs. 3). Hingegen muss er, wie dies auch im geltenden Recht der Fall ist, für die Festsetzung der Prämie das Eintrittsalter beim früheren Versicherer
nicht anrechnen.

Bezüglich der Ausübung des Freizügigkeitsrechts hält Absatz 2 fest, dass der Versicherte von seinem bisherigen Versicherer schriftlich auf das Freizügigkeitsrecht aufmerksam zu machen ist. Hält sich der Versicherer nicht an diese Vorschrift, muss er den Versicherten unabhängig vom Eintritt des Freizügigkeitsgrundes weiterversichem. Auf der anderen Seite hat der Versicherte sein Freizügigkeitsrecht innert drei Monaten auszuüben. Nach unbenutztem Ablauf dieser Frist gelten für ihn die normalen Regeln für den Abschluss der Versicherung, insbesondere die Bestimmungen über die Versicherungsvorbehalte.

Artikel 63 Ausscheiden aus der Kollektiwersicherung MUSS der Versicherte aus einem Kollektivvertrag ausscheiden, garantiert ihm das geltende Recht den Übertritt in die Einzelversicherung der betreffenden 201

Kasse. Die Übertrittsbedingungen sind günstiger als im Falle des Freizügigkeitsrechtes nach Artikel 62, indem der Versicherte sein bisheriges Eintrittsalter in die Kasse beibehält. Diese Regelung wird auch im Entwurf übernommen.

Auch hier hat der Versicherer eine Informationspflicht. Erfüllt er diese nicht, so bleibt der Versicherte in der Kollektivversicherung. Übt der Versicherte sein Übertrittsrecht innert drei Monaten nicht aus, ist das Versicherungsverhältnis beendigt.

Artikel 64 Leistungen Nach geltendem Recht haben die Krankenkassen mindestens ein Taggeld von zwei Franken zu versichern. Diese Bestimmung ist überholt. Nachdem wir aber in dieser Vorlage bewusst auf Verbesserungen im Bereich der Taggeldversicherung verzichten (vgl. Ziff. 25), soll diese Mindestgrenze auch nicht durch eine neue ersetzt werden. In Anlehnung an das abgelehnte Bundesgesetz vom 20. März 1987 (BB1 1987 I 985, Art. 12bis) wird die Höhe des versicherbaren Taggeldes im Gesetz offengelassen. Allerdings soll hier im Hinblick auf die Mitwirkung von Versicherern im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes präzisiert werden, dass das Taggeld vereinbart wird, dass also die Taggeldversicherung - auch bei Krankenkassen - auf einem Vertrag und nicht auf Mitgliedschaft beruht. Der Verzicht auf eine gesetzliche Mindestgarantie für das versicherbare Taggeld bedeutet nicht, dass die Versicherer einem Bewerber lediglich ein symbolisches Taggeld anbieten können. Die Versicherer unterstehen nämlich dem Gebot der Gleichbehandlung (Art. 10 Abs. 2 Bst. a des Entwurfes). Ein Bewerber könnte also geltend machen, der Versicherer habe auch in anderen Fällen ein entsprechendes Taggeld vereinbart und dieser dürfe ihm deshalb eine entsprechende Versicherung nicht ohne Grund verweigern. Auf der anderen Seite kann aber der Versicherer geltend machen, die verlangte Höhe des Taggeldes führe zu einer Überversicherung (vgl. Art. 70 Abs. 2).

In Absatz 2 wird in Anlehnung an das geltende Recht bestimmt, dass das Taggeld bei einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit zu entrichten ist. Selbstverständlich kann aber auch vereinbart werden, dass bereits bei einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit ein Taggeld zu leisten ist. Im Normalfall soll das Taggeld ab dem dritten Tag der Erkrankung geleistet werden. Eine Vereinbarung über den Aufschub des Leistungsbeginnes
soll weiterhin möglich sein, wobei in solchen Fällen die Prämie entsprechend herabzusetzen ist.

Bezüglich der Leistungsdauer bleibt der Entwurf ebenfalls bei jener nach geltendem Recht, nämlich bei einer Leistungsdauer von mindestens 720 Tagen innert 900 Tagen. Nicht übernommen wird hingegen die heutige Verpflichtung (Art. 12bis Abs. 4 KUVG), dass sich die Dauer der Bezugsberechtigung von Gesetzes wegen verlängert, wenn das Taggeld wegen Überversicherung gekürzt werden muss. Nachdem das Gesetz weiterhin lediglich eine Mindestdauer festlegt, kann eine solche Regelung aber ohne weiteres vereinbart werden.

Artikel 65 . Koordination mit der Arbeitslosenversicherung Dieser Artikel entspricht dem geltenden Recht (Art. 12bis Abs. l bis und 2bis).

Die beiden Absätze sind mit dem Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 1982 (AVIG; SR 837.0) in das Krankenversicherungsgesetz eingeführt worden.

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Absatz l enthält eine Sonderregelung zum Anspruch auf Leistungen, indem dieser Anspruch entgegen Artikel 64 Absatz 2 bereits bei einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit entstehen kann. Damit können die Leistungen der Taggeldversicherung mit jenen der Arbeitslosenversicherung koordiniert werden (vgl. Art. 28 Abs. 4 AVIG).

Absatz 2 gibt Arbeitslosen ein besonderes Recht auf Umwandlung ihrer bestehenden Taggeldversicherung, damit das Einsetzen der Leistungen mit der Leistungsdauer der Arbeitslosenversicherung koordiniert werden kann (vgl. Art. 28 Abs. l AVIG).

Artikel 66 Taggeld bei Mutterschaft Wir haben bereits im allgemeinen Teil unter Ziffer 25 dargelegt, weshalb wir in dieser Vorlage auf einen Ausbau der Mutterschaftsleistungen verzichten. Die hier enthaltenen Bestimmungen entsprechen deshalb dem geltenden Recht. Absatz l ist die Konsequenz des freiwilligen Charakters der Versicherung. Die gleiche Bestimmung findet sich heute in Artikel 14 Absatz l KUVG.

Die in Absatz 2 festgehaltene Leistungsdauer von zehn Wochen (vgl. heute Art. 14 Abs. 6 KUVG) erscheint auch uns im Vergleich mit anderen europäischen Staaten sehr bescheiden. Auf der anderen Seite sei nochmals darauf hingewiesen, dass sich eine grosszügigere Lösung im Rahmen einer freiwilligen, von den betroffenen Frauen grundsätzlich selber zu finanzierenden Versicherung praktisch nicht verwirklichen lässt. Eine Lösung könnte höchstens darin bestehen, dass die Mutterschaftsleistungen vollständig oder zumindest zu einem bedeutenden Teil von der öffentlichen Hand finanziert würden. Nach der Ablehnung des Bundesgesetzes vom 20. März 1987 kommt unseres Erachtens ein Vorschlag, bei dem die Subventionen der öffentlichen Hand für sämtliche Frauen, ohne Rücksicht auf deren wirtschaftliche Situation ausgerichtet werden, nicht mehr in Frage. Andererseits erlaubt die Verknüpfung der Mutterschaftsleistungen mit der Taggeldversicherung bei Krankheit keine auf die Mutterschaft beschränkte Prämienverbilligung nach wirtschaftlicher Situation der betreffenden Frauen, weil auch die Prämie - richtigerweise - nicht nach Krankheit und Mutterschaft aufgespalten wird. Die Einführung einer individuellen Prämienverbilligung in der Taggeldversicherung wäre hingegen wie bereits erwähnt (vgl.

Ziff. 25) nicht angezeigt. Diese Überlegungen führen uns dazu, auf eine Ausdehnung
der heute geltenden Leistungsdauer bei Mutterschaft zu verzichten.

Mit der in Absatz 3 enthaltenen Bestimmung, wonach die Versicherte während des Bezugs des Taggeldes bei Mutterschaft keine gesundheitsschädliche Arbeit verrichten darf, wird nicht nur eine bei Schwangerschaft und Niederkunft durchaus sinnvolle Einschränkung ausgesprochen, sondern es wird damit gleichzeitig auch festgehalten, dass das Taggeld grundsätzlich unabhängig davon, ob die Frau arbeitet oder nicht arbeitet, geschuldet ist.

Artikel 67 Finanzierung und Rechnungsablage Absatz l entspricht Artikel 52, der sich nach der Systematik des Gesetzes lediglich auf die obligatorische Krankenpflegeversicherung bezieht. Diese Bestimmungen über die Finanzierung und die Rechnungsablage sollen in gleicher 203

Weise auch für die Taggeldversicherung gelten. Wir verweisen deshalb hier auf die Erläuterungen zu Artikel 52.

Absatz 2 enthält noch eine besondere Bestimmung zur Kollektivversicherung.

Wendet der Versicherer dort einen besonderen Prämientarif an, wozu er berechtigt aber nicht verpflichtet ist (vgl. Art. 69), so muss er die Ergebnisse der Kollektiv- und der Einzelversicherung in getrennten Rechnungen festhalten. Dabei wird bewusst nicht von zwei vollständig getrennten Betriebsrechnungen gesprochen, weil hier, im Gegensatz zur Unterscheidung zwischen Krankenpflege- und Taggeldversicherung, nicht sämtliche Betriebskosten getrennt erhoben werden sollen. Es geht lediglich darum, Rechnungsunterlagen zu erhalten, die die Prämienunterschiede zwischen der Kollektiv- und der Einzelversicherung zu begründen vermögen.

Artikel 68 Prämien der Versicherten Auch in der Taggeldversicherung gilt der Grundsatz, dass jeder Versicherer die Prämien, die er nach dem Ausgabenumlageverfahren benötigt, selber festlegt und dass er seine Versicherten dabei grundsätzlich gleich zu behandeln hat. Im Gegensatz zur Krankenpflegeversicherung werden in der Taggeldversicherung die versicherten Leistungen nicht im Gesetz, sondern erst im konkreten Versicherungsvertrag festgelegt. Aus diesem Grund ist hier festzuhalten, dass der Grundsatz der gleichen Prämie bei gleichen versicherten Leistungen gilt.

In Absatz 2 wird dazu noch präzisiert, dass für die Festsetzung der Prämie nicht nur die Höhe des Taggeldes, sondern auch eine allfällige Wartefrist zu beachten ist.

In Absatz 3 werden Ausnahmen vom Grundsatz der gleichen Prämie vorgesehen. Die Prämienabstufung nach dem Eintrittsalter ist ein typisches Merkmal einer freiwilligen Versicherung. Hingegen erlaubt der Entwurf wie das geltende Recht keine Prämienabstufungen nach dem effektiven Alter der Versicherten.

Prämienabstufungen nach Regionen sind in der Krankenpflegeversicherung zwar häufiger als in der Taggeldversicherung. Sie sollen aber auch in der Taggeldversicherung nicht ausgeschlossen sein. Dabei müssen sich aber die Prämienunterschiede nach ausgewiesenen Kostenunterschieden richten. Aus diesem Grund wird auf Artikel 53 Absatz 2 des Entwurfes hingewiesen.

Hingegen soll künftig in der freiwilligen Taggeldversicherung der Grundsatz der Prämiengleichheit zwischen Männern
und Frauen gelten, obwohl die faktische Verwirklichung dieses Grundsatzes mit Schwierigkeiten verbunden sein wird. In einer freiwilligen Versicherung besteht nämlich die Möglichkeit, den im Gesetz vorgesehenen Solidaritäten auszuweichen. Wohl schreibt das Gesetz vor, dass auch private Versicherungsgesellschaften, welche die obligatorische Krankenpflegeversicherung durchführen wollen, auch die freiwillige Taggeldversicherung nach diesem Gesetz durchführen müssen (Art. 10 Abs. 2 Bst. d). Es ist ihnen aber nicht untersagt, daneben auch noch als Versicherer im Sinne des privatrechtlichen Versicherungsvertragsrechts aufzutreten. Zudem wird es auch Privatversicherer geben, welche die soziale Krankenversicherung nicht durchführen werden. Trotzdem scheint es uns richtig, in der sozialen Krankenversicherung keine Prämienunterschiede zwischen Männern und Frauen mehr zuzulassen.

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Absatz 4 hält fest, dass der Bundesrat zu den Prämienreduktionen bei Wartefristen und den Prämienabstufungen nach Eintrittsalter und Regionen nähere Vorschriften erlassen kann, damit auch hier ein Mindestmass an übergreifenden Solidaritäten erhalten werden kann.

Artikel 69 Prämien in der Kollektiwersicherung In der Kollektivversicherung kann der Versicherer von der Einzelversicherung abweichende Prämien verlangen. Tut er dies, muss er für die beiden Versicherungszweige auch getrennte Rechnungen führen (vgl. Art. 67 Abs. 2). Die Kollektiwersicherung kann zu einer unerwünschten Aufspaltung der Risiken führen. Diese Gefahr ist in der Taggeldversicherung zwar nicht so gross wie in der Krankenpflegeversicherung. Dennoch soll im Gesetz ausdrücklich festgehalten werden, dass die Prämien der Kollektiwersicherung «mindestens» selbsttragend sein müssen. Damit wird gleichzeitig auch gesagt, dass in den Prämien der Kollektivversicherung gewisse Solidaritäten mit der Einzelversicherung enthalten sein dürfen. Diese Solidarität kann der Bundesrat gestützt auf den dritten Satz näher definieren, indem er die Prämienunterschiede zwischen Kollektivund Einzelversicherung auf ein bestimmtes Mass begrenzt. Zu denken wäre beispielsweise an eine Vorschrift, die dazu führt, dass das Taggeld bei Mutterschaft grundsätzlich gemeinsam finanziert wird und die Prämienunterschiede nur die Kostenunterschiede bei Krankheit berücksichtigen.

Koordinationsregeln, Verfahren, Rechtspflege, Strafbestimmungen Allgemeines

Die Expertenkommission wollte in bezug auf die Koordinationsregeln, das Verfahren, die Rechtspflege und die Strafbestimmungen unnötige Neuerungen vermeiden (s. Ziff. 47 des Berichts, S. 81-87). Sie orientierte sich daher stark am Entwurf für ein Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in der Fassung vom 3I.Oktober 1989 und übernahm einzelne Artikel sogar unverändert. Es wurden jedoch zum Teil auch vom ATSG abweichende Lösungen gewählt; es sind im wesentlichen rein formelle Unterschiede. Die Experten nützten femer den Spielraum aus, der im ATSG den Einzelgesetzen gelassen wird, indem die Institution des Schiedsgerichts (Art. 81) beibehalten und Strafbestimmungen eingeführt wurden.

In der Zwischenzeit ist der Entwurf zum ATSG formell überarbeitet worden.

Die letzte Fassung mit einem Erläuterungsbericht der ständerätlichen Kommission vom 27. September 1990 (BEI 1991 II 185) wurde vom Ständerat am 25. September 1991 einstimmig angenommen. Der Entwurf wird nun von der zuständigen Kommission und anschliessend vom Plenum des Nationalrates zu behandeln sein. Wir haben zu dieser Fassung am 17. April 1991 Stellung genommen (BB1 1991 II 910 ff.) und dabei bemerkt, dass wir dem ATSG zwar grundsätzlich positiv gegenüberstehen, ihn jedoch materiell nicht als vordringlich ansehen. Wir möchten anderen Gesetzesrevisionen - wie Alters- und Hinterlassenenversicherung, Krankenversicherung, Berufliche Vorsorge - grössere Priorität beimessen. Im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraums wird sich eine Anpassung unserer Sozialversicherungsgesetze ohnehin aufdrängen (s. BB1 205

1991II 921, Ziff. 4). Auch sind wir hinsichtlich einiger im ATSG vorgesehener Neuerungen anderer Auffassung (s. Ziff. 324.1 der Stellungnahme vom 17. April 1991).

Um dem Parlament einen zusammenhängenden und vollständigen Gesetzesentwurf unterbreiten zu können, schliessen wir uns den materiellen Optionen der Expertenkommission an, mit denen wir weitgehend einverstanden sind; sie haben auch anlässlich der Vernehmlassung kaum zu Bemerkungen Anlass gegeben. Wir gehen dabei von folgenden möglichen Arbeitshypothesen aus: a. dass das ATSG nach dem KVG in Kraft treten wird (s. Stellungnahme vom 17. April 1991; insbesondere Ziff. 322, 325 und 4, BB1 1991II 913 918 921 f.); b. dass das ATSG aufgrund eines entsprechenden Parlamentsbeschlusses vor dem KVG in Kraft tritt.

Bei der ersten Variante wäre eine formelle Anpassung unseres Entwurfs an die letzte Fassung des ATSG erforderlich, soweit dieses als Modell diente, sowie die Berücksichtigung der im Rahmen der Vernehmlassung vorgebrachten materiellen Bemerkungen. Die Systematik des Entwurfs der Expertenkommission würde beibehalten; die Aufhebung bzw. Ergänzung der betroffenen KVG-Bestimmungen müsste später im ATSG vorgenommen werden.

Im zweiten Fall müssten die ausschliesslich ins KVG gehörenden Gesetzesartikel in Berücksichtigung der wenigen Bemerkungen aus dem Vernehmlassungsverfahren ausgearbeitet werden (z, B, Zuständigkeiten des Schiedsgerichts; Strafbestimmungen. S. Art. 2 Abs. l und 2 und Art. 61 ATSG).

Wir halten an unseren Erwägungen in der Stellungnahme vom 17. April 1991 fest und nehmen an, dass das ATSG nach dem KVG in Kraft tritt. Unser Gesetzesentwurf wurde dementsprechend aufgrund der obgenannten ersten Variante erarbeitet (Bst. a). Damit hätte das ATSG sozusagen das letzte Wort und es wären darin die notwendigen Anpassungen des KVG vorzusehen, nicht nur in den oben erwähnten Bereichen, sondern z. B. auch in bezug auf Begriffsdefmitionen (Art. l KVG).

Unter diesen Umständen gehen wir bei den folgenden Erläuterungen nur auf Einzelheiten ein, wenn es sich um Neuerungen handelt (Rückgriff; Einspracheverfahren; Strafbestimmungen) oder um die Beibehaltung umstrittener Punkte (Schiedsgericht).

Diese Bestimmungen gelten alle sowohl für die obligatorische Krankenpflegeais auch für die Taggeldversicherung, die zusammen die soziale Krankenversicherung bilden. Sie sind zwar wichtig, haben aber nicht dieselbe «strategische» Bedeutung wie die anderen Vorschläge im Gesetzesentwurf.

Koordinationsregeln

Artikel 70 Leistungskoordination Dieser Artikel fasst die Regelungen zusammen, die in der heutigen Gesetzgebung zu finden sind (Art. 26 KUVG; Art. 16-19 V III; SR 832.140) wie auch, in etwas allgemeinerer Form, in den Artikeln 69 und 78 ATSG.

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Artikel 71 Rückgriff Das Institut des Rückgriffs ist in der heutigen Gesetzgebung über die Krankenversicherung nicht enthalten. Die Krankenkassen verfügen selber über keinerlei gesetzliches Forderungsrecht gegenüber haftenden Dritten; sie lassen sich aber in ihren Statuten oft die Rechte der Versicherten gegenüber Dritten abtreten.

Wie für die übrigen Sozialversicherungen wird das Rückgriffsrecht nun auch für die soziale Krankenversicherung gelten. Obwohl der Regress für den Versicherungsfall Krankheit eher unwichtig ist, braucht es eine solche Gesetzesbestimmung, um so mehr als das KVG subsidiär auch bei Unfall Leistungen erbringt.

Formell enthält dieser Artikel zusammengefasst die Grundsätze aus den Artikeln 79-82 ATSG. Wir verweisen dazu auch auf unsere Bemerkungen zu den Artikeln 69 Absatz 3, 76 und 79 Absatz 2 ATSG in unserer Stellungnahme vom 17. April 1991 (BB1 1991 II 914 ff., Ziff. 324.1).

Verfahren Allgemeines

Gemäss ATSG soll das Gesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) bei der Sozialversicherung nicht mehr zur Anwendung kommen; der Entwurf stützt sich selber in den Artikeln 42-50 auf einzelne Artikel des VwVG.

Wir befürworten zwar durchaus eine Vereinheitlichung des Verfahrens, halten auf gesetzgeberischer Ebene aber einen anderen Weg für angemessener: nämlich grundsätzliche Anwendbarkeit des VwVG in seinen einschlägigen Bestimmungen, genau wie heute; nur Abweichendes wird im ATSG geregelt.

Artikel 72 Verfügung In diesem Artikel werden verschiedene Elemente aus der geltenden Gesetzgebung wiederaufgenommen (Art. 30 Abs. l und 5 KUVG); er entspricht dem Artikel 56 ATSG.

Artikel 73 Akteneinsicht Diese mit Artikel 54 ATSG praktisch identische Bestimmung ist in der Krankenversicherung neu.

Artikel 74 Amts- und Verwaltungshilfe Auch diese Bestimmung ist neu und direkt aus Artikel 40 ATSG übernommen.

Artikel 75 Schweigepflicht Die Schweigepflicht ist heute in Artikel 40 KUVG geregelt. Das ATSG schlägt dagegen eine einheitliche Regelung für alle Sozialversicherungen vor (Art. 41).

Wir haben uns diesem Vorschlag nicht angeschlossen, sondern eine näher an Artikel 102 UVG liegende Formulierung gewählt.

Artikel 76 (Datenschutz) bedarf keiner besonderen Erläuterungen.

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Rechtspflege Artikel 77 Einsprache Das Einspracheverfahren hat sich bei der obligatorischen Unfallversicherung bewährt. Es wird im ATSG allgemein eingeführt (Art. 58 und 59) und wir haben nichts dagegen, dieses Rechtsmittel auch für die soziale Krankenversicherung vorzusehen.

Artikel 78 Kantonales Versicherungsgericht Dieser Artikel beschreibt die zweite Stufe der Rechtspflege und stützt sich dabei stark auf das geltende Recht (Art. 30bis Abs. l KUVG).

Einspracheentscheide können durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor dem Versicheruhgsgericht angefochten werden, das jeder Kanton gemäss Artikel 63 Absatz l ATSG zu bezeichnen hat.

In bezug auf den Gerichtsstand (Art. 78 Abs. 3) ist der KVG-Artikel eine Mischung aus dem bestehenden System (Art. 30bis Abs. 2 KUVG) und demjenigen der obligatorischen Unfallversicherung (Art. 107 Abs. 2 UVG). Diese Neuerung folgt aus unserer Antwort auf die Motion Jelmini vom 21. Juni 1988, die, kurz zusammengefasst, ein ähnliches System wie bei der Unfallversicherung verlangte; dort ist eine Sonderregelung für Fälle vorgesehen, in denen der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz im Ausland hat.

Artikel 79 Verfahrensregeln Diese Regeln sind bis auf wenige Einzelheiten nicht neu. Sie übernehmen die Grundsätze aus dem geltenden Artikel 30bis Absatz 3 KUVG, die im ATSG bestätigt sind (Art. 67, Abs. 2).

Artikel SO Vollstreckung Hier sind die Grundsätze des heutigen Gesetzes (Art. 30 Abs. 4 KUVG) in Anlehnung an Artikel 60 ATSG formuliert.

Artikel 81 Kantonales Schiedsgericht Das Schiedsgericht ist eine etwas umstrittene Institution. Wir sind jedoch der Meinung, dass es für die Beilegung bestimmter Streitfälle notwendig ist, wie heute in Artikel 25 KUVG vorgesehen. Im übrigen ist in Artikel 63 Absatz 2 ATSG ausdrücklich die Möglichkeit erwähnt, besondere Rechtsverhältnisse einer ersten Instanz spezieller Art, z. B. einem Schiedsgericht zu unterbreiten.

Formell handelt es sich hier um eine leicht vereinfachte Fassung von Artikel 25 KUVG; siehe auch unsere Bemerkungen in der Stellungnahme vom 17. April 1991 (BB1 1991 II 916 f., Ziff. 324.2).

Artikel 82 Eidgenössisches Versicherungsgericht Diese Bestimmung gründet sich sowohl auf das geltende Recht (Art. 30ter KUVG) als auch auf Artikel 68 ATSG.

Zu bemerken ist noch, dass die Beschwerdemöglichkeit des Bundesamtes für Sozialversicherung gegen erstinstanzliche Entscheide, wie sie heute bereits in

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den Vollzugsbestimmungen zum KUVG enthalten ist (Art. 5 Abs. 3 W; SR 832.121) auch in Zukunft bestehen soll. Sie wird daher in den Vollzugsbestimmungen zu dieser Vorlage ebenfalls enthalten sein.

Strafbestimmungen

Diese sind als solche in der Gesetzgebung über die soziale Krankenversicherung neu. Sie widerspiegeln sozusagen den in Artikel 87 Absatz 2 ATSG eingeräumten Spielraum. Demzufolge sind Sanktionen für Vergehen und Übertretungen sowie bei Missachtung der Ordnungs- und Kontrollvorschriften in den Einzelgesetzen festzulegen.

Wir verzichten hier auf Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln. Es sei lediglich erwähnt, dass sich die Artikel 83 und 84 zu den Vergehen und Übertretungen am AHVG (Art. 87 und 88) und am UVG (Art. 112 und 113) orientieren.

In Artikel 86 werden wie in Artikel 87 Absatz 3 ATSG die Kantone als für die Strafverfolgung zuständig erklärt.

Schlussbestimmungen

Artikels? Vollzug Der Bundesrat sorgt für den Vollzug dieses Gesetzes und erlässt zu diesem Zweck die erforderlichen Durchführungsverordnungen.

Artikel 88 Aufhebung und Änderung von Bundesgesetzen Das neue Gesetz ersetzt das heute gültige Bundesgesetz über die Krankenversicherung und hebt es auf (Abs. 1).

Da die Krankenkassen und die ihnen gleichgestellten Rückversicherer gemäss Artikel 16 Absatz 3 KVG der nach diesem Gesetz geregelten Aufsicht durch das BSV unterliegen, muss das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) entsprechend abgeändert werden (Abs. 2). Wie heute sind die Krankenkassen und die ihnen gleichgestellten Rückversicherer von der Aufsicht im Sinne des VAG (Art. 4 Bst. f und g VAG) ausgenommen. Artikel 5 VAG wird aufgehoben, da er noch Bestimmungen über die Krankenkassen enthält, die im wesentlichen in Artikel 9 Absatz 2 KVG wiederaufgenommen sind.

Die künftige Unterstellung der von Krankenkassen betriebenen Zusatz- und Kapitalversicherungen unter das Privatrecht bedingt, wie in Absatz 3 vorgesehen, eine Änderung des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (WG).

Artikel 101 Absatz l Ziffer 2 WG muss ergänzt werden, weil er nunmehr auch für die privaten Rechtsverhältnisse zwischen Krankenkassen und ihren Versicherten gilt. Bei der Änderung von Artikel 100 Absatz 2 handelt es sich lediglich um die Erwähnung der angesprochenen Bestimmungen des neuen Krankenversicherungsgesetzes.

Auch das Bundesgesetz über die Unfallversicherung ist an das neue Recht anzupassen (Abs. 4).

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Für das Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenpnund Invalidenversicherung (ELG) ergeben sich Folgen aus dem neuen Subventionierungsmodus für die Krankenversicherung (Abs. 5). Bei der Berechnung des massgebenden Einkommens für die Ergänzungsleistungen konnten bisher die Krankenkassenprämien abgezogen werden, was bei Rentnereinkommen sehr viel ausmachte. So entfielen 1990 von 1,4 Milliarden Franken an insgesamt ausbezahlten Ergänzungsleistungen 290 Millionen Franken auf die Krankenkassenprämien. Durch den nun vorgeschlagenen Subventionierungsmodus entsteht eine völlig neue Situation. Die Versicherten haben nur noch einen maximalen Prozentsatz des steuerbaren Einkommens selber zu tragen. Bei den Bezügern von Ergänzungsleistungen ergeben sich dadurch künftig kleinere Beträge. Deshalb kann der Abzug für Krankenkassenprämien aufgehoben werden, was den für die Ergänzungsleistungen zuständigen Organen eine wesentliche Aufwandminderung bringt, denn die Berechnung des Abzugs ist kompliziert. Es darf nur der Prämienanteil berücksichtigt werden, der sich auf den Spitalaufenthalt in der allgemeinen Abteilung bezieht. Ausserdem erfordern Prämienerhöhungen fast jährlich eine Anpassung der Ergänzungsleistungen. Künftig sollen nun die Einkommensgrenzen (die dem Existenzminimum entsprechen) heraufgesetzt werden, weil der Abzug der Krankenkassenprämien entfällt. Dasselbe gilt für die persönlichen Ausgaben von Personen in Pflegeheimen. Diese Erhöhungen können heute jedoch noch nicht genau beziffert werden. Sie werden bei Inkrafttreten des neuen Krankenversicherungsgesetzes festzulegen sein. Bei der heutigen Regelung der Ergänzungsleistungen entsprechen die Abzüge für Krankenversicherungsprämien wie erwähnt rund 290 Millionen Franken jährlich. Die Erhöhung der Einkommensgrenzen und obgenannten Beträge (gemäss heutigen Zahlen rund 1000 Fr. für Alleinstehende und 1500 Fr. für Ehepaare) dürften auf rund 150 Millionen Franken zu stehen kommen. Es könnten demnach bei den Ergänzungsleistungen 140 Millionen Franken eingespart werden.

Übergangsbestimmungen Artikel 89 Kantonale Erlasse Die neue Subventionsordnung ist eines der Kernstücke des Gesetzes. Diese muss mit dem Inkrafttreten des Gesetzes ohne Verzug wirksam werden. Das bedeutet, dass bis zu diesem Zeitpunkt auch die kantonalen Ausführungsbestimmungen
zur individuellen Prämienverbilligung erlassen sein müssen. Das Inkrafttreten des Gesetzes wird deshalb so zu bestimmen sein, dass den Kantonen genügend Zeit zum Erlass der nötigen Ausführungsbestimmungen bleibt. Andere Ausführungsbestimmungen der Kantone, zu denken ist insbesondere an die Spitalplanung sowie an die Liste der Spitäler und Pflegeheime (Art. 33 des Gesetzes), können hingegen auch auf einen späteren Zeitpunkt erlassen werden.

Der Bundesrat wird diesen Zeitpunkt zu bestimmen haben. Dabei wird darauf zu achten sein, dass die Einführungsfrist mit jener nach Artikel 93 Abs. 3 (Anpassung von Tarifverträgen für stationäre Behandlungen) und nach Artikel 96 Absatz 3 (Besondere Vorschriften über die Kontrolle der Kosten bei Spitälern und Pflegeheimen) koordiniert ist.

210

Der Kantonsregierung soll es möglich sein, eine provisorische Regelung zu erlassen, wenn das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, allenfalls unter Einschluss einer Volksabstimmung, nicht fristgerecht abgeschlossen werden kann.

Diese Möglichkeit bezieht sich auf sämtliche Ausfühnmgserlasse im Sinne von Absatz 1.

Artikel 90 Fortführung der Versicherung durch anerkannte Krankenkassen Die Krankenversicherung wird, wie das bereits unter dem bisherigen Recht der Fall ist, von Institutionen durchgeführt, die nicht von Gesetzes wegen zur Durchführung der Krankenversicherung verpflichtet sind, sondern die von sich aus erklären, die Krankenversicherung nach den Bestimmungen des Gesetzes durchzuführen. Nach bisherigem Recht geschieht dies, indem die anerkannten Krankenkassen bei Gesetzesänderungen ihre Statuten und ihre übrigen Bestimmungen über Rechte und Pflichten der Mitglieder (Leistungsreglemente) dem neuen Recht anpassen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zur Genehmigung einreichen (Art. 4 KUVG). Bezüglich der Rechtsform und der Organisation, dem wichtigsten Inhalt von Statuten der Krankenkassen, bringt das neue Recht keine Änderungen. Die Rechte und Pflichten der Versicherten ergeben sich indessen nach neuem Recht, mit Ausnahme des Prämienbetrages, unmittelbar aus dem Gesetz. Für besondere Leistungsreglemente der Versicherer bleibt in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung deshalb kein Raum. Die Zusatzversicherungen richten sich nach dem Versicherungsvertragsgesetz und für die freiwillige Taggeldversicherung sieht das Gesetz keine Genehmigungspflicht der Leistungsreglemente mehr vor.

Aus diesen Gründen ist von den nach bisherigem Recht bereits anerkannten Krankenkassen - im Gegensatz zu den übrigen Versicherern (vgl. Art. 92) - lediglich eine Erklärung zu verlangen, dass sie die Krankenversicherung nach dem neuen Recht fortführen wollen. Gleichzeitig haben diese Kassen den für das neue Recht gültigen Prämientarif der Krankenpflege- und der Taggeldversicherung zur Genehmigung einzureichen. Die Frist von sechs Monaten vor Inkrafttreten des Gesetzes ist dieselbe wie für die übrigen Versicherer.

Sämtliche zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung zugelassenen Versicherer haben sowohl die obligatorische Krankenpflege- wie die freiwillige Taggeldversicherung durchzuführen (Art. 10
Abs. 2 Est. d des Entwurfes). Von diesem Grundsatz macht der Entwurf eine Ausnahme für Versicherer, die sich auf die Durchführung der Taggeldversicherung innerhalb eines Betriebes beschränken (Art. 60 Abs. 2 des Entwurfes). Dagegen wird in der Krankenpflegeversicherung die Beschränkung des Tätigkeitsgebietes auf einen Betrieb nicht mehr zugelassen (Art. 4 Abs. 2 des Entwurfes). Will somit künftig ein Betrieb die Taggeldversicherung auf seine Betriebsangehörigen beschränken, kann er dies durch Gründung eines reinen Taggeldversicherers tun. Besteht in einem Betrieb bereits eine Betriebskrankenkasse, soll diese Einschränkung der Taggeldversicherung auf den Betrieb ebenfalls möglich sein. Um Missbräuche zu verhindern, dass künftig Versicherer sich bezüglich der Taggeldversicherung als Betriebskrankenkasse für ihr Personal bezeichnen und so die Vorschrift von Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe d des Entwurfes umgehen, wird dies aber nur bereits bestehenden Betriebskrankenkassen erlaubt.

211

Nach neuem Recht werden die Versicherer ihre Rückstellungen und Reserven für die einzelnen Versicherungszweige (Obligatorische Krankenpflegeversicherung, freiwillige Taggeldversicherung, Zusatzversicherungen und übrige Versicherungsarten) getrennt auszuweisen haben (vgl. Art. 52 Abs. 2 und 67 des Entwurfes). Nach heutigem Recht ist dies nicht in vollem Umfange der Fall. Zudem ist denkbar, dass eine Krankenkasse unter dem neuen Recht ihre Zusatzversicherungen neu organisiert. Der Bundesrat wird deshalb Bestimmungen aufzustellen haben, wie das bisherige Vermögen der Krankenkassen in der Bilanz auf die unter dem neuen Recht geführten Versicherungen aufzuteilen ist.

Artikel 91 Verzicht auf die Fortführung der Versicherung Nach bisherigem Recht anerkannte Krankenkassen, die die Erklärung zur Fortführung der Versicherung nach Artikel 90 nicht abgeben, verlieren mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts die Anerkennung, weil das bisherige Recht als Basis für eine Anerkennung wegfällt und sich die Krankenkasse dem neuen Recht nicht unterstellt. Die betreffende Krankenkasse hat dies ihren Mitgliedern spätestens sechs Monate vor Inkrafttreten des Gesetzes mitzuteilen, damit diese, jedenfalls für die obligatorische Krankenpflegeversicherung, sich rechtzeitig bei einem anderen Versicherer versichern können. Innert der gleichen Frist ist auch das Bundesamt für Sozialversicherung als die bisherige Aufsichtsbehörde zu informieren, damit allenfalls nötige aufsichtsrechtliche Massnahmen in die Wege geleitet werden können (vgl. Art. 91 Abs. 2 und 3).

Eine Fortführung von Versicherungen ist Krankenkassen, die keine Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung besitzen, nur möglich, wenn sie allenfalls in den Besitz einer Bewilligung im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) gelangen. Unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist, wird gestützt auf jenes Gesetz und die Rechtsprechung des Bundesgerichtes (vgl. BGE 110 I b 74 ff.) zu entscheiden sein. Die in Artikel 4 des VAG vorgesehene Ausnahme von der Aufsicht wird bei einer nicht mehr anerkannten Krankenkasse dann vorhanden sein, wenn sie eine auf einen Betrieb beschränkte Krankengeldversicherung durchführt. Diese Krankengeldversicherung würde sich allerdings nicht nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung richten,
sondern sie würde auf dem Privatrecht beruhen.

Sollte es tatsächlich vorkommen, dass eine anerkannte Krankenkasse auf die Fortführung der sozialen Krankenversicherung verzichtet, sich aber nicht auflöst und entweder als private Versicherungsgesellschaft (z. B. beschränkt auf Zusatzversicherungen) oder als nicht anerkannte Krankenkasse (z. B. beschränkt auf eine Krankengeldversicherung für das eigene Personal) weiter existiert, wäre es stossend, wenn sie uneingeschränkt im Besitze ihres Vermögens bliebe, das sie durch Beiträge der öffentlichen Hand und Prämien von Versicherten, die bei ihr nicht mehr versichert sein können oder möchten (vgl. Art. 94 Abs. 3), geäufnet hat. In einem solchen Falle hätte die Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen, dass das Vermögen seinem bisherigen Zweck nicht entfremdet wird.

Praktisch wäre dabei Absatz 3 analog anzuwenden, wobei der Krankenkasse im Verhältnis des Umfanges einer Fortführung von Versicherungen ein Teil des Vermögens zu belassen wäre.

212

Heute löst sich eine anerkannte Krankenkasse, die die Krankenversicherung nicht mehr fortführen will, in der Regel durch eine sogenannte Fusion auf. Das heisst, sie überträgt ihre Aktiven und Passiven auf eine bestehende Krankenkasse und vereinbart gleichzeitig für ihre Mitglieder günstigere Übertrittsbedingungen, als dies nach dem Gesetz der Fall ist. Da nach neuem Recht die Versicherten zwar in der Krankenpflegeversicherung, nicht aber in der Taggeldversicherung und bei Zusatzversicherungen volle Freizügigkeit gemessen, wird diese Art der Fusion auch künftig ihren Sinn nicht verlieren. Sollte sich hingegen eine Krankenkasse ohne gleichzeitigen Abschluss eines Fusionsvertrages auflösen, müsste das Vermögen aus den bereits oben erwähnten Gründen trotzdem der sozialen Krankenversicherung erhalten bleiben. Am sinnvollsten geschieht dies durch Übertragung auf den Insolvenzfonds der gemeinsamen Einrichtung.

Artikel 92 Andere Versicherer Für Versicherer, welche erst unter dem neuen Recht eine Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung erwerben können oder möchten, gilt im Gegensatz zu bereits anerkannten Krankenkassen das normale im Gesetz vorgesehene Bewilligungsverfahren (vgl. Art. 10). Versicherer, die mit Inkrafttreten des Gesetzes im Besitze der Bewilligung sein möchten, haben ihr Gesuch spätestens sechs Monate vorher einzureichen. Die gleiche Frist war auch beim Inkrafttreten des UVG für die Registrierung von neuen Versicherern vorgesehen.

Artikel 93 Leistungserbringer Das neue Recht bringt einige Neuerungen im Bereich der Leistungserbringer.

So wird beispielsweise die Zulassung von Ärzten von einer anerkannten Weiterbildung abhängig gemacht. Bei den übrigen Leistungserbringern wird, wie dies bereits heute der Fall ist, auf Ausführungsbestimmungen des Bundesrates verwiesen. Bisher bestehende Zulassungen von Leistungserbringern sollen weitergelten, auch wenn die betreffende Person die Bedingungen für eine Zulassung nach neuem Recht nicht erfüllen würde. Stellt hingegen das neue Recht auch Anforderungen an bereits zugelassene Personen, beispielsweise die Pflicht zum Besuch von Weiterbildungskursen, so gelten diese Anforderungen für sämtliche Leistungserbringer, unabhängig davon, ob die erstmalige Zulassung unter dem alten oder unter dem neuen Recht erfolgt ist.

Nach neuem
Recht kann die Abgabe von Medikamenten durch Ärzte (Selbstdispensation) durch den Bundesrat geregelt werden. Bis zum Erlass solcher Bestimmungen bleiben bisherige kantonale Regelungen und Bewilligungen in Kraft.

Nach heutigem Recht erfolgt die stationäre Behandlung in Heilanstalten, wobei der Begriff in einer Verordnung des Bundesrates und in der Rechtsprechung näher definiert worden ist. Im Gegensatz zum neuen Recht kennt das bisherige Recht jedoch kein eigentliches Anerkennungsverfahren. Hier sehen wir vor, dass solche Heilanstalten vorläufig weiterhin zugelassen bleiben, bis die Kantone die in Artikel 33 des Gesetzes vorgesehenen Listen erstellt haben. Da nach heutigem Recht bei stationärer Behandlung sowohl der Umfang der Leistungspflicht wie die Höhe der Vergütung für erbrachte Leistungen Gegenstand des

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Tarifvertrages sein kann, ist vorzusehen, dass auch die bestehenden Verträge oder allfällige Tarife der Kantonsregierungen vorläufig weitergelten, bis die vorn Bundesrat den Kantonen gesetzte Frist zur Erstellung der Listen (Art, 89 Abs. 1) abgelaufen ist, Artikel 94 Bestehende Versicherungsverhältnisse In Absatz l wird festgehalten, dass bestehende Krankenpflege- und JCrankengeldversicherungen bei anerkannten Krankenkassen, die die soziale Krankenversicherung fortführen, grundsätzlich von Gesetzes wegen fortbestehen sollen, allerdings unter den Regeln des neuen Rechts. Dies betrifft insbesondere den Umfang und die nun auch im Spital zeitlich unbeschränkte Dauer der Leistungen.

Der Grundsatz der Weitergeltung bestehender Versicherungsverhältnisse gilt zunächst auch für Zusatzversicherungen und die statutarischen Leistungen im Rahmen der Grundversicherung. Während dieser Übergangsfrist ist das bisherige Recht unter Einschluss des Verfahrensrechts anwendbar. Diese Versicherungsverhältnisse müssen aber dem neuen Recht angepasst werden. Das heisst, die statutarischen Leistungen müssen aus der Grundversicherung herausgelöst und in Zusatzversicherungen eingebaut werden. Für die.Zusatzversicherungen ist ein Versicherungsvertrag im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes abzuschliessen (Art. 9 Abs. 3 des Entwurfes). Um die Fortführung des bisherigen Versicherungsschutzes zu gewährleisten, sind die Krankenkassen zu verpflichten, die bisher über das gesetzliche Minimum hinaus gewährten Leistungen auf vertraglicher Basis ungeschmälert weiterzuführen. Unter diese Garantie fällt allerdings nur der Umfang der versicherten Leistungen und nicht die Höhe der Prämien. Auch im geltenden Recht besteht keine Garantie bezüglich der Prämienhöhe. Im Gegensatz zum geltenden Recht kann die Prämie aber auch nach dem effektiven Alter abgestuft werden. Nimmt der Prämientarif nach neuem Recht auch auf das Eintrittsalter Rücksicht, was in der Regel der Fall sein dürfte, so sind die unter dem alten Recht zurückgelegten Versicherungszeiten anzurechnen. Für die Anpassungen im Bereich der zusätzlichen Leistungen soll den Kassen eine relativ kurze Übergangsfrist eingeräumt werden, damit das neue Recht auch im Bereich dieser Leistungen möglichst rasch seine Wirkung entfaltet. Wir sehen eine Übergangsfrist von einem Jahr vor, wobei
es den Krankenkassen selbstverständlich erlaubt ist, diese zu verkürzen oder ganz darauf zu verzichten.

Absatz 3 regelt den Fall jener Krankenkasse, welche die soziale Krankenversicherung nach neuem Recht nicht fortführt, aber dennoch als Versicherer tätig bleibt. Hier sollen die bestehenden Versicherungsverhältnisse von Gesetzes wegen dahinfallen. Für die Krankenpflegeversicherung versteht sich dieser Grundsatz von selbst, weil der Versicherte ja aufgrund des Versicherungsobligatoriums gezwungen ist, die Versicherung bei einem Versicherer im Sinne von Artikel 8 des Gesetzes abzuschliessen. Gleiches gilt für andere Versicherungen, für die der Versicherer mit dem Inkrafttreten des Gesetzes die Bewilligung zum Betrieb verliert. Aber auch die anderen Versicherungen sollen grundsätzlich dahinfallen, weil der Versicherte unter Umständen nicht mehr bei einem Versicherer versichert sein will, der seine Anerkennung als Krankenkasse verloren hat. Will 214

der Versicherte ein Versicherungsverhältnis trotzdem fortführen, kann er das vom Versicherer verlangen, sofern dieser die entsprechende Versicherung weiterhin betreibt.

Nach Absatz 4 fallen Versicherungsverträge mit privaten Versicherungsgesellschaften für Risiken, die durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung gedeckt sind, von Gesetzes wegen dahin, weil sich der Versicherte gegen diese Risiken ja nach neuem Recht versichern muss. Eine analoge Bestimmung galt auch bei der Einführung der obligatorischen Unfallversicherung (Art. 119 UVG). Führt der Versicherer neu auch die obligatorische Krankenpflegeversicherung durch, kann der bestehende Versicherungsvertrag selbstverständlich im gegenseitigen Einvernehmen in eine Krankenpflegeversicherung im Sinne des neuen Rechts umgewandelt werden. Versicherungsverträge für Risiken, die durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung nicht gedeckt sind (Zusatzversicherungen), werden von der Gesetzesänderung nicht berührt. Sie können daher unverändert weitergelten.

Absatz 5 hält fest, dass Taggeldversicherungen im Gegensatz zu den Krankenpflegeversicherungen nicht von Gesetzes wegen dahinfallen. Hier bringt das Gesetz zwar ebenfalls Änderungen. Diese müssen aber im einzelnen Versicherungsverhältnis nicht unbedingt vollzogen werden, da die Taggeldversicherung ja einerseits freiwillig bleibt und sie andererseits auch ausserhalb der sozialen Krankenversicherung durchgeführt werden kann. Aus diesem Grund soll nur der Versicherungsnehmer ein Recht haben, die Anpassung an das neue Recht zu verlangen. Die Anpassungsfrist wird wie jene der Zusatzversicherungen bei Krankenkassen auf ein Jahr festgelegt.

Artikel 95 Versicherungsleistungen Mit Inkrafttreten des Gesetzes haben die Versicherer die im Gesetz vorgesehenen Leistungen zu erbringen. Eine interne Anpassung von Versicherungsbedingungen oder Leistungsreglementen ist dazu nicht nötig. Die Versicherten haben von Gesetzes wegen Anspruch auf die versicherten Leistungen. Massgebend für den Übergang vom alten zum neuen Recht ist der Zeitpunkt der Behandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer und nicht etwa der Zeitpunkt der Erkrankung oder jener der Rechnungstellung.

In der Taggeldversicherung wird den Versicherern nicht mehr wie im geltenden Recht (Art. 12bis Abs. 4 KUVG) vorgeschrieben, dass sich
bei einer Kürzung des versicherten Taggeldes wegen Überversicherung die Leistungsdauer entsprechend verlängert. Wenn nun vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits ein Krankheitsfall eingetreten ist und Taggelder geleistet werden, so sollen diese noch während längstens zwei Jahren nach den altrechtlichen Bestimmungen über die Leistungsdauer gewährt werden. Eine gleich lautende Bestimmung war bereits im abgelehnten Bundesgesetz vom 20. März 1987 vorgesehen. Sie kann allerdings nur auf Versicherungsverhältnisse bei anerkannten Krankenkassen Anwendung finden.

Artikel 96 Tarifverträge Das Inkrafttreten des neuen Gesetzes bringt keine fundamentalen Änderungen in den Beziehungen .zwischen Leistungserbringern und Versicherern. Aus die215

sem Grund sollen die bestehenden Tarifverträge nicht von Gesetzes wegen dahinfallen. Dies wird in Absatz l ausdrücklich festgehalten. Hingegen werden die Tarifverträge dem neuen Recht anzupassen sein. Der Bundesrat bestimmt, bis zu welchem Zeitpunkt dies zu geschehen hat.

In Absatz 2 wird ausdrücklich festgehalten, dass neue Versicherer, die erst mit oder nach Inkrafttreten des Gesetzes die soziale Krankenversicherung durchführen, auch ein Beitrittsrecht zu den unter dem alten Recht mit Kranfcenkassenverbänden abgeschlossenen Tarifverträgen haben.

Die in Artikel42 Absätze und 7 eingeführten Neuerungen für Spitäler und Pflegeheime (Kostenstellenrechnung, Betriebsvergleiche) sind nicht direkt Gegenstand von Tarifverträgen. Sie werden hier deshalb ausdrücklich erwähnt.

Auch hier wird der Bundesrat die Frist zur Einführung dieser neuen Instrumente festzulegen haben.

Artikel 97 Risikoausgleich Bereits im Bericht der Expertenkommission wurde darauf hingewiesen, dass der Risikoausgleich zwischen den Versicherern in erster Linie ein Problem des Übergangs darstellt, indem heute zwischen den Krankenkassen grosse Unterschiede in der Risikostruktur bestehen. Diese Unterschiede werden mit dem neuen Recht zunächst noch verschärft, indem neue Versicherer zugelassen werden können, die wahrscheinlich mit einer eher günstigen Risikostruktur beginnen werden. Die Freizügigkeit der Versicherten wird diese Unterschiede nur allmählich ausgleichen.

Im Vernehmlassungsverfahren wurde nun verschiedentlich darauf hingewiesen, dass gestützt auf diese Begründung der Risikoausgleich eigentlich nur für eine beschränkte Zeit eingeführt werden sollte. Dies ist durchaus richtig, zumal ein Risikoausgleich auch zu einer an sich unerwünschten Strukturerhaltung in der Krankenversicherung führen kann. Die Konkurrenz zwischen den Versicherern darf durchaus dazu führen, dass schlecht geführte Versicherer ihre Tätigkeit einstellen müssen.

Das Konzept des hier vorgeschlagenen Risikoausgleichs darf nicht mit einer Defizitgarantie verwechselt werden. Die Versicherer können nicht aus Konkurrenzgründen die Prämien tief halten und bei einem daraus resultierenden Defizit am Ende des Rechnungsjahres mit dem Hinweis auf eine schlechte Risikostruktur verlangen, dass dieses Defizit nun auszugleichen sei. Auf der anderen Seite werden den Versicherern
auch nicht die erwirtschafteten Überschüsse abgeschöpft. Der Risikoausgleich beruht nicht auf dem Rechnungsergebnis, sondern auf der objektiv festgestellten Risikostruktur. Verglichen wird die durchschnittliche Bevölkerungsstruktur nach Alter und Geschlecht mit der entsprechenden Struktur eines Versicherers. Versicherer mit einer vergleichsweise günstigen Struktur haben dem Ausgleichsfonds eine Abgabe zu entrichten, die Versicherern mit einer vergleichsweise ungünstigen Struktur zugute kommen. Wegen der grossen Kostenunterschiede zwischen den Kantonen wird dieser Vergleich jeweils für die Bestände innerhalb der einzelnen Kantone vorgenommen.

Die konkrete Durchführung des Ausgleichs ist Sache der gemeinsamen Einrichtung. Diese wird von den Versicherern selbst verwaltet (vgl. Art. 15 Abs. 1). Die 216

Versicherer werden somit auch gemeinsam die Höhe der Ausgleichbeträge festlegen können.

Da die Unterschiede in der Risikostruktur heute sehr gross sind und andererseits der Ausgleich durch die Freizügigkeit, vor allem was die schlechten Risiken betrifft, wahrscheinlich nur sehr langsam stattfinden wird, schlagen wir vor, dass der Risikoausgleich für eine Dauer von zehn Jahren seit Inkrafttreten des Gesetzes wirksam sein soll.

Artikel 98 Bundesbeiträge In Artikel 57 Absatz 2 ist vorgesehen, dass die Bundesbeiträge jeweils für vier Jahre durch einfachen Bundesbeschluss festgelegt werden. Für die ersten Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes hat dies mit dem Erlass des Gesetzes selbst, also in den Übergangsbestimmungen zu erfolgen. Die konkrete Höhe der Bundesbeiträge hängt auch davon ab, für welches Jahr die Beiträge bestimmt sind.

Dies verlangt allein schon der Grundsatz, dass die Bundesbeiträge mit Rücksicht auf die Kostenentwicklung in der Krankenversicherung festzulegen sind (Art. 57 Abs. 2 des Entwurfes). Gegenwärtig ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes aber noch völlig offen. Unsere Schätzungen der Kosten beziehen sich auf das Jahr 1993, obwohl wir uns bewusst sind, dass das Gesetz in jenem Jahr mit grösster Wahrscheinlichkeit noch nicht in Kraft treten wird. Die Gründe für dieses Vorgehen erläutern wir in Ziffer 41. Die vorgeschlagene Höhe der Bundesbeiträge bezieht sich ebenfalls auf die Kostenbasis des Jahres ) 993. Da auch im Zeitpunkt, in welchem das Gesetz vom Parlament verabschiedet wird, das Datum des Inkrafttretens noch nicht unbedingt feststeht (vgl, Erläuterungen zu Art. 99) schlagen wir vor, die Bundesbeiträge grundsätzlich für die ersten vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, höchstens aber bis zu einem bestimmten Jahr festzulegen. Das Parlament hätte somit, unabhängig von einem allenfalls verzögerten Inkrafttreten des Gesetzes, in einem zum voraus definierten Jahr die Bundesbeiträge wieder neu festzulegen.

Für die Auswirkungen auf die Staatsrechnung des Bundes ist zu beachten, dass die jährlichen Bundesbeiträge an die Krankenkassen heute in vollem Umfang nachschüssig ausbezahlt werden. Dieser auf Verordnungsrecht beruhende Auszahlungsmodus wird auch unter dem neuen Recht weiterzuführen sein. Eine Umstellung auf die Auszahlung der Beiträge für ein bestimmtes
Jahr im betreffenden Jahr würde bedeuten, dass beim Übergang vom bisherigen zum neuen Recht im Jahr des Inkrafttretens zwei Jahresbeiträge auszuzahlen wären.

Artikel 99 Inkrafttreten Gestützt auf diese bei Bundesgesetzen übliche Bestimmung hat der Bundesrat zum Inkrafttreten des Unfallversicherungsgesetzes eine besondere «Verordnung über die Inkraftsetzung und Einführung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung» (SR 832.201) erlassen. Wichtige der dort geregelten Fragen (Zulassung neuer Versicherer auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens, Weitergeltung bestehender Tarifverträge) sind hier nun bereits in den Übergangsbestimmungen geregelt. Dennoch wird es sich wahrscheinlich als nötig und nützlich erweisen, auch für das Inkrafttreten dieses Gesetzes noch eine besondere Verordnung zu 217

erlassen. Darin wären insbesondere die verschiedenen, in den Übergangsbestimmungen noch offenen Übergangs- und Einführungsfristen zu regeln.

Es muss damit gerechnet werden, dass das Gesetz nicht bereits auf den I.Januar des dem Ablauf der Referendumsfrist oder einer Volksabstimmung folgenden Jahres in Kraft gesetzt werden kann. Insbesondere den Kantonen muss genügend Zeit für den Erlass und den Aufbau einer Organisation für die Prämienverbilligung eingeräumt werden. Zudem werden auch die bestehenden Verordnungen über die Krankenversicherung, beispielsweise bezüglich der Erteilung von Bewilligungen an Versicherer im Sinne von Artikel 8 Buchstabe b des Gesetzes, dem neuen Recht anzupassen sein.

4

Finanzielle Auswirkungen

Mit unserer Vorlage wird weder die Krankenversicherung und noch weniger das Gesundheitswesen von Grund auf umgestaltet. Bei der Darstellung der finanziellen Auswirkungen kann deshalb von den heutigen Verhältnissen ausgegangen werden. Die Ausgaben der Krankenversicherung stellen einen Teil der Aufwendungen für das Gesundheitswesen dar. Wir gehen deshalb, wie dies bereits die Expertenkommission getan hat, von den heutigen Ausgaben für das Gesundheitswesen als Ganzes aus und fragen uns zunächst, wie sich diese in den nächsten Jahren entwickeln werden und welches der Anteil der Krankenversicherung an diesen Kosten sein wird. Anschliessend werden die Auswirkungen der Vorlage darzustellen sein, nämlich die Auswirkungen des Leistungsausbaus und die künftigen Auswirkungen der Massnahmen zur Eindämmung der Kosten. Sodann stellt sich die Frage, wie sich die Kosten der Krankenversicherung auf die drei Finanzierungsquellen, nämlich die Beiträge der öffentlichen Hand, die Kostenbeteiligung und die Prämien der Versicherten, aufteilen werden, und welche Änderungen sich dabei im Vergleich zu heute ergeben werden.

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Die Kosten der Krankenpflegeversicherung

Ausgangspunkt bilden die heute vorhandenen Statistiken über das Gesundheitswesen und die Krankenversicherung. Bereits die Expertenkommission hat darauf hingewiesen, dass diese Statistiken Mängel aufweisen. Ein offizielles statistisches Gesamtwerk zum Gesundheitswesen ist erst im Aufbau begriffen. Seit einigen Jahren wird aber auf privater Basis regelmässig eine Gesamtsicht über Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens herausgegeben (Pierre Gygi/ Heiner Henny. Das Schweizerische Gesundheitswesen; Aufwand, Struktur und Preisbildung im Pflegebereich; Verlag Hans Huber, Bern; I.Auflage 1976, 2. Auflage 1977). Ab 1980 sind in regelmässigen Abständen von 2 Jahren Ergänzungsbände mit den neuesten Daten erschienen, ab dem Jahre 1988 unter den Autoren Andreas Frei/Stefan Hill, im folgenden zitiert als Frei/Hill). Wo dies möglich ist, stützt sich die Darstellung von Frei/Hill auf vorhandene Statistiken. Zum Teil müssen die Autoren aber von Annahmen und Schätzungen ausgehen. Die neuesten in dieser Gesamtsicht vorhandenen Zahlen sind jene des Jahres 1988. Für eine Darstellung der finanziellen Auswirkungen dieser Vorlage 218

sind deshalb zunächst die Kosten des Jahres 1988 unter Annahmen und Schätzungen nach geltender Ordnung hochzurechnen. Wir rechnen die Kosten auf das Jahr 1993 hoch und legen dabei die bereits von der Expertenkommission getroffenen Annahmen zugrunde. Obwohl das Gesetz im Jahre 1993 mit grösster Wahrscheinlichkeit noch nicht in Kraft treten wird, wählen wir für die Hochrechnung dennoch dieses Jahr, um uns nicht allzuweit von der gesicherten Ausgangsbasis des Jahres 1988 zu entfernen. Im Anschluss an die Hochrechnung sind die Auswirkungen der Gesetzesänderung zu untersuchen.

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Die Kosten nach geltender Ordnung

Der Aufwand für das Gesundheitswesen beträgt im Jahre 1988 nach Frei/HiLl 20,8 Milliarden Franken. Darin sind die Verwaltungskosten der Versicherer nicht berücksichtigt. Zudem haben Frei/Hill sich bei Schätzungen in der Regel für die Mindestwerte entschieden. Wir nehmen deshalb den Gesamtaufwand für das Gesundheitswesen einschliesslich der Verwaltungskosten der Versicherer für das Jahr 1988 mit 21,8 Milliarden Franken an. Die Kosten des Gesundheitswesens steigen wegen der Überalterung der Bevölkerung, dem medizinischen Fortschritt und der Zunahme des Angebots an medizinischen Dienstleistungen nicht nur mit der Teuerung, sondern auch real an. Wir nehmen wie die Expertenkommission eine jährliche Kostenzunahme (reales Wachstum plus Teuerung) von 8,3 Prozent, das heisst bis zum Jahre 1993 eine solche von knapp 49 Prozent an. Daraus ergibt sich für das Jahr 1993 ein Aufwand für das Gesundheitswesen von 32,4 Milliarden Franken.

Die Kosten der Krankenpflegeversicherung (Grundversicherung und Zusatzversicherungen) betragen nach der Statistik des Bundesamtes für Sozialversicherung unter Einschluss der Verwaltungskosten, der Rückversicherungsprämien und der Rückstellungen, wie sie von der Expertenkommission angenommen wurden, für das Jahr 1988 rund 9,8 Milliarden Franken. In den vergangenen Jahren musste in der Krankenversicherung wegen Kostenverlagerungen von der öffentlichen Hand zur Krankenversicherung in den Spitälern ein etwas stärkeres Wachstum der Kosten festgestellt werden als im Gesundheitswesen. Zudem wird auch die Erhöhung der Versicherungsdichte von 99,3 Prozent im Jahre 1988 auf 100 Prozent bei Einführung des Versicherungsobligatoriums den Kostenanteil der Krankenversicherung erhöhen. Wir nehmen deshalb für die Krankenversicherung wie die Expertenkommission ein um l Prozent pro Jahr höheres Wachstum an als beim Gesundheitswesen, das heisst 9,3 Prozent. Daraus ergibt sich bis zum Jahr 1993 eine Kostensteigerung von 56 Prozent. Der Aufwand für die Krankenversicherung beträgt danach im Jahre 1993 insgesamt 15,3 Milliarden Franken. Davon entfallen gemäss der Statistik des Bundesamtes für Sozialversicherung 13 Prozent auf Leistungen für Zusatzversicherungen. Im Jahre 1993 beträgt somit nach dieser Schätzung der Gesamtaufwand nach geltender Ordnung für die Grundversicherung 13,3 Milliarden Franken.

219

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Ausbau der Leistungen

Neben dem bereits unter Ziffer 411 berücksichtigten realen Wachstum der Kosten bei unverändertem gesetzlichen Leistungskatalog, wird der im Entwurf vorgeschlagene Ausbau der Leistungen die Kosten der Krankenversicherung zusätzlich erhöhen. Die Expertenkommission ist davon ausgegangen, dass die Änderung des Krankenversicherungsgesetzes aufs Ganze gesehen zu keinen Änderungen des Gesamtaufwandes für das Gesundheitswesen führen wird. In erster Linie wird sich eine Kostenverlagerung zur Krankenversicherung ergeben. Typische Beispiele dafür sind die unbeschränkte Leistungsdauer im Spital und die Leistungen in Pflegeheimen. Andere Leistungserweiterungen könnten auch die Nachfrage selbst erweitern. Dem können aber auch Einsparungen gegenüberstehen. Zu erwähnen sind hier die Prävention, aber auch die spitalexterne Krankenpflege.

Bereits die Expertenkommission hat darauf hingewiesen, dass eine Schätzung der zusätzlichen Kosten schwierig ist. Mit den folgenden Zahlen können daher in erster Linie Grössenordnungen angegeben werden. Am schwierigsten ist eine Schätzung bei jenen Leistungserweiterungen, die erst durch eine Verordnung des Bundesrates konkret festgelegt werden. Wir fassen diese Leistungserweiterungen (Prävention, Spitex, zahnärztliche Behandlungen, Mittel und Gegenstände, Transportkosten) daher in der folgenden Übersicht gesamthaft zusammen (Ziff. 6). Die Expertenkommission hat bei diesen Leistungserweiterungen größtenteils auf Schätzungen verzichtet. Bei den übrigen Leistungserweiterungen deutete sie die Schwierigkeit von Schätzungen an, indem sie einen Minimal- und einen Maximalwert angab. Ausgehend von den Zahlen der Expertenkommission, schätzen wir die im Entwurf vorgeschlagenen Leistungserweiterungen wie folgt: Mio, Fr.

1. Unbeschränkte Leistungsdauer bei Spitalaufenthalt (Art. 19 Abs. 2 Est. a und e) 2. Aufhebung der Versicherungsvorbehalte (Art. 3-7) 3. Leistungen in Pflegeheimen (Art. 43) 4. Subsidiäre Deckung von Unfällen (Art. l Abs. 2 und 22) 5. Mutterschaft (Art. 23 Abs. 2) 6. Übrige Leistungserweiterungen (vgl. oben)

175 115 560 90 10 350

Die gesamten Leistungserweiterungen dürften demzufolge pro Jahr etwa 1300 Millionen Franken betragen. Der gesamte Aufwand für die obligatorische Krankenpflegeversicherung wird sich nach der vorliegenden, Schätzung im Jahre 1993 somit auf 14,6 Milliarden Franken belaufen.

Zu den einzelnen Leistungserweiterungen bleibt noch folgendes beizufügen: Ziffer l : Hier ist zu beachten, dass die Krankenversicherung schon heute bei Langzeitpatienten mit einer Rente der Invalidenversicherung, also praktisch allen Versicherten, die das Rentenalter der AHV noch nicht erreicht haben, die 220

Leistungen zeitlich unbeschränkt erbringt, und dass zahlreiche Krankenkassen bereits von sich aus dazu übergegangen sind, nach Ablauf der gesetzlichen Mindestdauer, wenigstens in eingeschränktem Umfang, Leistungen zu erbringen.

Ziffer 2: Dieser Betrag ist schwer zu schätzen, da uns keine Angaben über die Anzahl und die Art von Versicherungsvorbehalten vorliegen. Wenn man berücksichtigt, dass die Vorbehalte auch nach heutigem Recht nach fünf Jahren dahinfallen, darf man diesen Mehraufwand aber nicht zu hoch einschätzen.

Ziffer 3: Die Schätzung beruht auf dem heute vorhandenen Angebot an Betten in Pflegeheimen und den sich daraus ergebenden Pflegetagen bei vollständiger (99 %) Auslastung und einem Kostenbeitrag der Krankenversicherung von 40 Franken pro Tag, was unseres Erachtens einer eher hohen Schätzung entspricht.

Ziffer 4: Hier ist zu beachten, dass die meisten Krankenkassen die Unfälle bereits heute subsidiär decken. Die Kosten für die subsidiäre Deckung von Unfällen betragen etwa 5 Prozent der Gesamtkosten der Krankenversicherung. Wir schätzen, dass heute knapp 12 Prozent der Versicherten diese subsidiäre Unfalldeckung noch nicht geniessen.

Ziffer 5: Die Leistungserweiterungen für spitalexterne Krankenpflege werden sich auch bei Mutterschaft (Pflege nach Hausgeburten) auswirken. Neu hinzu kommen sodann die Leistungen bei Stillberatung sowie die durch die heutige Praxis weitgehend schon vorweggenommene Leistungserweiterung bei den Präventivuntersuchungen während der Schwangerschaft. Diese Leistungserweiterungen dürften nicht sehr hohe zusätzliche Kosten verursachen. Daneben fällt nach dem Entwurf das Stillgeld weg, welches heute rund 4 Millionen Franken ausmacht.

Ziffer 6: Hier gibt es wie bereits erwähnt praktisch keine Grundlagen für Schätzungen, zumal diese Leistungen erst noch durch Verordnung des Bundesrates näher definiert werden müssen.

Interessant an den Schätzungen sind vor allem die Grössenordnungen zwischen den einzelnen Leistungserweiterungen. Die unbeschränkte Leistungsdauer bei Spitalaufenthalten und die Leistungen in Pflegeheimen machen zusammen über die Hälfte der Kosten für Leistungserweiterungen aus, was deutlich zeigt, dass im Bereich der stationären Betreuung von älteren Personen in Zukunft grosse Belastungen auf die Krankenversicherung zukommen werden. Gleichzeitig handelt es sich aber auch um Leistungen, die in einer sozialen Krankenversicherung heute nicht ausgeklammert werden können.

413

Auswirkungen der Kosteneindämmung

Wir haben bereits dargestellt, was unter Kosteneindämmung zu verstehen ist, welches die vorgeschlagenen Massnahmen sind, dass diese Massnahmen in ihrem Zusammenspiel kostendämpfend wirken und dass es vor allem darauf ankommt, wie die im Gesetz angebotenen Instrumente in die Praxis umgesetzt werden (vgl. Ziff. 22 und Erläuterungen der einzelnen Bestimmungen, insbeson10 Buridesblatt !44.Jahrgang. Bd.l

221

dere im Tarifrecht). Ziel der Kosteneindämmung muss es wie erwähnt sein, dass die Kosten in Gesundheitswesen und Krankenversicherung möglichst im gleichen Ausmass ansteigen wie die Löhne, dass aber auf jeden Fall ein weiteres Auseinanderklaffen dieser Entwicklungen gestoppt werden muss.

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes können die neuen Instrumente zur Kosteneindämmung in die Tat umgesetzt werden. Ihre Wirkung werden sie aber erst in den darauf folgenden Jahren voll entfalten können. Anzustreben wäre unseres Erachtens, dass die heute bestehende Differenz zwischen jährlicher Kostensteigerung in der Krankenversicherung und Lohnsteigerung innert weniger Jahre halbiert werden kann. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre sind die Löhne um rund 50 und die Kosten der Krankenversicherung um rund 100 Prozent, also in einem Verhältnis von l : 2 angestiegen. Es wäre schon einiges erreicht, wenn dieses Verhältnis innert kurzer Zeit auf l : 1,5 reduziert werden könnte. In unseren Hochrechnungen über die Entwicklungen beim vorgeschlagenen System der Prämienverbilligung gehen wir von diesem Verhältnis von Kosten- und Lohnentwicklung aus (vgl. Anhangtabelle Nr. 3 Variante A).

Der Entwurf legt bei den Instrumenten zur Kosteneindämmung das Hauptgewicht eindeutig auf die Selbstverantwortung der Beteiligten. Eingriffe des Staates erfolgen nur im Notfall (vgl. Art. 46 und 47). Ein wichtiges Instrument zur Stärkung der Selbstverantwortung der Versicherten ist die Kostenbeteiligung (vgl. dazu Ziff. 422). Der Entwurf gibt insbesondere den Versicherern bei der Vereinbarung von Tarifen mit den Leistungserbringern, aber auch beim Angebot von besonderen Versicherungsformen zahlreiche Möglichkeiten, den Aspekt der Kosteneindämmung verstärkt zu berücksichtigen. Die volle Freizügigkeit der Versicherten soll für die Versicherer Anreize schaffen, diese Instrumente auch tatsächlich auszunützen. In dieser Konkurrenz der Versicherer liegt die eigentliche Begründung für ein Versicherungssystem mit einer Vielzahl von autonomen Trägern der Versicherung. Nähmen die Versicherer ihre Verantwortung zur Kosteneindämmung nicht wahr, würde wahrscheinlich vermehrt die Frage aufgeworfen, ob nicht mit einem zentralistischeren System der Krankenversicherung die Kosten besser in den Griff zu bekommen wären.

42

Die Finanzierung der Krankenpflegeversichemng

421

Die finanziellen Auswirkungen für Bund und Kantone

Die Beiträge des Bundes an die Krankenversicherung werden nicht als gesetzlich gebundene Ausgaben definiert, sondern sie sollen periodisch vom Parlament durch einfachen Bundesbeschluss festgelegt werden. Von der Höhe der Bundesbeiträge hängen die Beiträge der Kantone ab, die diese für die Krankenversicherung mindestens zu leisten haben. Für die ersten vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes sollen die Bundesbeiträge 2 Milliarden und die Beiträge der Kantone l Milliarde Franken betragen. Die Beiträge der öffentlichen Hand werden damit im Jahre 1993 nach dem Entwurf 20,5 Prozent des Aufwandes der obligatorischen Krankenpflegeversicherung decken. Im Jahre 1988 wurden demgegenüber 1,5 Milliarden Franken oder 17,6 Prozent der Aufwendungen der Krankenkassen für die Krankenpflegegrundversicherung durch Beiträge 222

der öffentlichen Hand gedeckt. Dieser Anteil wird unter dem geltenden Recht trotz der ab dem Jahre 1990 beschlossenen Erhöhung der Bundesbeiträge auf 1,3 Milliarden Franken (vgl. Ziff. 132) und einer möglichen Erhöhung von Beiträgen der Kantone bis zum Jahre 1993 absinken, weil die Kostensteigerung aller Voraussicht nach höher sein wird als die Erhöhung der Beiträge der öffentlichen Hand. Wir schätzen, dass die Beiträge von Bund, Kantonen und Gemeinden nach geltendem Recht im Jahre 1993 etwa 1,9 Milliarden Franken betragen werden, ihr Anteil an der Finanzierung der Krankenpflegegrundversicherung damit etwa 14,3 Prozent ausmachen wird. Mit der erwähnten Steigerung auf 20,5 Prozent würde die öffentliche Hand bei Verwirklichung dieser Vorlage ihre Leistungen an die Kranfcenpflegeversicherung also deutlich verstärken. Die Erhöhung der Beiträge nimmt indessen nicht die Ausmasse an, wie sie in den beiden hängigen Volksinitiativen (vgl. Ziff. 131) gefordert werden. Nach der Krankenkasseninitiative würde allein der Bundesbeitrag für das Jahr 1993 auf etwa 2,8 Milliarden ansteigen. Nach der Volksinitiative «für eine gesunde Krankenversicherung» würde der Betrag der öffentlichen Hand für das gleiche Jahr etwa 3,65 Milliarden betragen; die Aufteilung dieses Betrages auf Bund und Kantone wäre durch Gesetz zu regeln.

Über die künftige Entwicklung der Bundesbeiträge wird jeweils das Parlament zu entscheiden haben. Im Gesetz wird dazu allerdings bestimmt, dass die Beiträge der öffentlichen Hand unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung in der Krankenpflegeversicherung festzusetzen sind. Mit einem über längere Zeit konstanten oder im Vergleich zur Kostenentwicklung nur schwach ansteigenden Beitrag der öffentlichen Hand würde nämlich die Finanzierung der Versicherung wiederum zulasten der Prämienzahler verschoben. Bei einem Prämiensystem, das die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Versicherten nicht berücksichtigt, würden damit die sozialen Probleme zunehmen.

422

Die Kostenbeteiligung

Im Jahre 1988, dem Ausgangsjahr unserer Berechnungen, betrugen die Einnahmen der Krankenkassen aus der Kostenbeteiligung 757 Millionen Franken. Die Kostenbeteiligung deckte damit 8,9 Prozent des Aufwandes für die Krankenpflegegrundversicherung. Der Schätzung des Ertrages nach neuem Recht legen wir die Annahmen zugrunde, dass die vom Bundesrat auf den I.Januar 1991 beschlossene Erhöhung der Jahresfranchise auf 150 Franken und der jährlichen Höchstgrenze der Kostenbeteiligung auf 750 Franken unverändert beibehalten wird. Die Krankenkassen müssen die Erhöhung dieser Beträge spätestens auf den 1. Januar 1992 vollziehen. Wie hoch der zusätzliche Ertrag der Krankenkassen aus dieser Erhöhung sein wird, steht somit noch nicht fest. Der Ertrag aus der Kostenbeteiligung dürfte im Jahre 1993 aber etwa auf 10,8 Prozent ansteigen. Dies ergibt nach der heute geltenden Ordnung einen Ertrag aus der Kostenbeteiligung von 1,43 Milliarden Franken.

Nach dem Entwurf wird die Kostenbeteiligung auf die stationäre Behandlung ausgedehnt, und zudem wird eine Beteiligung an den Aufenthaltskosten im Spital eingeführt. Der zusätzliche Ertrag aus diesen Neuerungen dürfte im Jahre 223

1993 etwa 770 Millionen Franken ausmachen. Damit wird der Ertrag aus der Kostenbeteiligung nach unseren Schätzungen im Jahre 1993 auf 2,2 Milliarden Franken ansteigen, das heisst rund 15,1 Prozent des Gesamtaufwandes für die obligatorische Krankenpflegeversicherung ausmachen.

423

Die Prämien der Versicherten

423.1

Im allgemeinen

Die Prämien der Versicherten bleiben auch nach dem vorliegenden Entwurf die wichtigste Einnahme der Versicherer. Vom Aufwand von insgesamt 14,6 Milliarden Franken werden wie eben erwähnt 3 Milliarden durch Beiträge der öffentlichen Hand und rund 2,2 Milliarden Franken durch Kostenbeteiligungen gedeckt, so dass 9,4 Milliarden Franken durch die Versicherten aufzubringen sind. Im Jahre 1988 mussten die Versicherten für die Krankenpflegegrundversicherung 5,9 Milliarden Franken aufbringen. Unter Berücksichtigung der Kostensteigerung in der Krankenversicherung, der ab dem Jahre 1990 geltenden Erhöhung der Bundesbeiträge und allenfalls von Kantonsbeiträgen sowie der inzwischen erfolgten Erhöhung der Kostenbeteiligung müssen die Versicherten unter dem geltenden Recht, also ohne die im Entwurf vorgesehenen Leistungsverbesserungen, im Jahre 1993 nach unseren Schätzungen etwa 10 Milliarden Franken an Prämien für die Krankenpflegegrundversicherung aufbringen. Mit unserer Vorlage wird also der Anteil, den die Versicherten durch Prämien aufzubringen haben, sinken.

Unser Vorschlag, die Beiträge der öffentlichen Hand nicht mehr zu einer generellen und damit ungezielten Prämienverbilligung, sondern für individuelle Prämienverbilligungen einzusetzen, wird zunächst zu einem generellen Anstieg der Prämien führen. Hinzu treten noch die Leistungserweiterungen. Der Aufwand, den die Versicherer, vor Berücksichtigung der individuellen Prämienverbilligung, im Jahre 1993 durch Prämien zu finanzieren haben, beträgt 12,4 Milliarden Franken (Gesamtaufwand von 14,6 Mia. minus Kostenbeteiligung von 2,2 Mia. Fr.). Daraus ergibt sich im schweizerischen Mittel für Erwachsene eine Jahresprämie von 2167 Franken und für Kinder eine solche von 802 Franken.

Die konkrete Prämie wird indessen von Region zu Region und von Versicherer zu Versicherer verschieden sein. Für den einzelnen Versicherten werden zudem die Auswirkungen der neuen Grundsätze zur Festlegung der Prämien (vgl.

Ziff. 241 und Art. 53 ff.) von Bedeutung sein. Diese werden für bestimmte Versicherte im Vergleich zum heutigen Recht zu Prämiensenkungen, für andere zu Prämienerhöhungen führen. Begünstigt werden jene Personen, welche die Nächteile des geltenden Rechts am stärksten spüren. Dazu zählen in erster Linie ältere Personen, die bei der Auflösung von Krankenkassen in
höhere Eintrittsaltersgruppen umgestuft worden sind, aber auch alle jene Versicherten, die heute in überalterten Krankenkassen versichert sind. Allein die Aufhebung der Eintrittsaltersprämien kann bei Männern zu Prämienreduktionen bis zu 38 Prozent führen. Durch die Einführung der Prämiengleichheit zwischen Männern und Frauen ist die Entlastung bei den Frauen noch höher, sie kann in der obersten Eintrittsaltersgruppe bis zu 43 Prozent betragen. Auf der anderen Seite 224

werden jene Versicherten mit höheren Prämien zu rechnen haben, die heute vergleichsweise günstige Prämien bezahlen. Dazu zählen insbesondere Versicherte in Kollektiwerträgen und in Krankenkassen, die ihre Tätigkeit erst vor einigen Jahren aufgenommen haben und deshalb eine günstige Risikostruktur haben.

Die Auswirkungen auf die Versicherten sind also recht uneinheitlich. Die Feststellung, dass ein Mann mit einem Eintrittsalter unter 30 Jahren in einer Krankenkasse, die heute bezüglich Alter, Geschlecht und regionaler Verteilung genau dem Durchschnitt der Wohnbevölkerung entspricht, mit einer Prämienerhöhung von 24 Prozent und eine Frau mit einer solchen von 13 Prozent zu rechnen hat, wenn kein Anspruch auf individuelle Prämienverbilligung besteht, bedeutet somit noch nicht viel. Für den einzelnen Versicherten von Bedeutung ist, in welcher Eintrittsaltersgruppe er sich heute befindet und ob seine Krankenkasse heute eine eher günstige oder ungünstige Risikostruktur aufweist und wie hoch sein steuerbares Einkommen ist.

423.2

Die individuelle Prämienverbilligung

Die individuelle Prämienverbilligung wird durch die Kantone durchzuführen sein. Der Bund stellt den Kantonen Beiträge zur Verfügung, die diese zu ergänzen haben (vgl, Art. 57 und 58). Es werden also die Kantone sein, die bestimmen, ab welchem als Prozentsatz des steuerbaren Einkommens definiertem Grenzbetrag die Prämienverbilligung erfolgt. Dieser Prozentsatz wird also nicht in jedem Kanton gleich hoch sein. Er hängt von der Einkommensverteilung und von der Höhe der Versicherungsprämien im betreffenden Kanton ab. Zudem wird der in einem Kanton für Prämienverbilligungen zur Verfügung stehende Betrag durch das Bundesgesetz nicht abschliessend definiert. Es steht den Kantonen frei, für die individuelle Prämienverbilligung mehr Mittel einzusetzen .als ihnen der Bund vorschreibt.

Bei der Darstellung der Auswirkungen der individuellen Prämienverbilligung beschränken wir uns auf schweizerische Durchschnittswerte, obwohl es wie erwähnt kantonale Unterschiede geben wird und die konkreten Auswirkungen für den einzelnen Versicherten auch von der Höhe seiner heutigen Prämie abhängen. Wir legen unserer Schätzung die schweizerischen Durchschnittswerte der Einkommensverteilung nach der Statistik zur direkten Bundessteuer zugrunde, berücksichtigen also die kantonalen Unterschiede bei der Einkommensverteilung nicht. Aufgrund dieser Schätzungen gelangen wir zum Ergebnis, dass die Kantone den Grenzbetrag, ab dem die individuelle Prämienverbilligung einsetzt, bei 8 Prozent des steuerbaren Einkommens festlegen können. Danach würde also kein Haushalt mehr als 8 Prozent seines steuerbaren Einkommens für Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung aufzubringen haben. Sind die Prämien höher, wird die Differenz durch Beiträge der öffentlichen Hand zurückvergütet.

Für die Auswirkungen, die diese Prämienverbilligung auf einzelne, bezüglich Grosse und Einkommen unterschiedliche Haushaltstypen haben wird, verweisen wir auf die Anhangtabelle 4. Diese Zusammenstellung zeigt beispielsweise, 225

dass für eine Familie mit zwei Kindern und einem steuerbaren Einkommen von 60 000 Franken (Typ 4 B) die Prämien aus den oben erwähnten Gründen zwar zunächst ansteigen (von 4808 auf 5938 Fr.), dass aber durch Beiträge der öffentlichen Hand die Prämien wieder auf die Höhe nach heutigem Recht verbilligt werden. Weist der gleiche Haushalt ein steuerbares Einkommen von 50 000 Franken auf (Typ 4 A), sinkt die Prämienbelastung sogar um 17 Prozent. Aus der Zusammenstellung wird deutlich, dass die Prämienverbilligung stark von der Haushaltgrösse und dem Einkommen abhängt. Bei einer alleinstehenden Person tritt eine Erhöhung in der Prämienbelastung gegenüber dem heutigen Recht ein, wenn diese Person ein steuerbares Einkommen von mehr als 22 900 Franken aufweist (Typ l B). In einer Familie mit vier Kindern nimmt die Prämienbelastung hingegen erst bei einem steuerbaren Einkommen über 74 500 Franken (Typ 5 B) zu. Die Beispiele zeigen, dass neben der wirtschaftlichen Situation der Versicherten vor allem die Grosse der Haushalte eine wichtige Rolle spielt. Familien mit mehreren Kindern werden also in stärkerem Masse von den Prämienbeiträgen profitieren als Alleinstehende. Damit berücksichtigt der Entwurf auch sehr stark Aspekte einer Politik zugunsten der Familie.

Wichtig scheint uns auch der Hinweis, dass bei einer Prämienverbilligung ab 8 Prozent des steuerbaren Einkommens zwar gut die Hälfte der Haushalte von Prämienverbilligungen profitieren wird (vgl. Anhangtabelle 2), dass aber in vielen Fällen damit nur ganz oder teilweise die Prämienerhöhung kompensiert wird, die aus der Aufhebung der heutigen generellen Subventionen an die Krankenkassen entsteht.

Sollten auch in Zukunft die Prämien der Krankenpflegeversicherung stärker ansteigen als die Löhne, werden entweder mehr Mittel der Öffentlichen Hand für die individuelle Prämienverbilligung aufzubringen sein, oder es wird der Prozentsatz des steuerbaren Einkommens sukzessive anzuheben sein. Die Auswirkungen sind in der Anhangtabelle 3 für verschiedene Szenarien dargestellt. Wir verweisen insbesondere auf das Szenario A, das von unserem Antrag bezüglich der Höhe der Subventionen in den ersten vier Jahren ausgeht und welchem das von uns für die Kosteneindämmung angestrebte Ziel zugrunde liegt, nämlich das Verhältnis von Lohnentwicklung zu Kostenentwicklung vom
heutigen Verhältnis von l :2 auf ein Verhältnis von l : 1,5 zu senken (vgl. Ziff. 413). Danach würde die Einkommensgrenze für individuelle Prämienverbilligungen innert vier Jahren von 8 auf 10 Prozent ansteigen.

43

Kosten und Finanzierung der Taggeldversicherung

Im Bereich der Taggeldversicherung bleibt der vorliegende Entwurf beim heutigen System einer freiwilligen Versicherung. Die Kosten sind ausschliesslich durch Prämien zu finanzieren. Der Versicherte wird weiterhin die.Höhe des Taggeldes grundsätzlich selber wählen können. Er muss aber auch die entsprechende Prämie selber aufbringen. Die durchschnittliche Monatsprämie pro ein Franken Taggeld bei einem Leistungsbeginn ab I.Tag der Arbeitsunfähigkeit liegt zwischen l Franken und 1.20 Franken. Diese Ansätze sind in den letzten Jahren im grossen und ganzen stabil geblieben. Die Morbidität hat sich also in 226

der Taggeldversicherung in den vergangenen Jahren nicht sehr stark verändert.

Dies dürfte auch in den kommenden Jahren so bleiben.

Heute gewährt der Bund in der Krankengeldversicherung pro Mutterschaftsfall eine Subvention von 50 Franken. Diese Subvention wird künftig wegfallen. Sie betrug im Jahre 1990 rund 2 Millionen Franken. Diese Subvention ist schon heute für eine Kalkulation der Prämien der Taggeldversicherung kaum noch spürbar.

5

Personelle und organisatorische Auswirkungen

51

Auswirkungen für den Bund

Der Bund wird auch unter dem neuen Recht die Aufsicht über die Tätigkeit der Versicherer auszuüben haben, wobei die Aufsicht über die Krankenkassen und die Aufsicht über die Durchführung der Versicherung durch das Bundesamt für Sozialversicherung erfolgt. Die Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen als solche bleibt beim Bundesamt für Privatversicherungswesen. Die Aufsicht des Bundes erfolgt zunächst durch den Erlass von Ausführungsbestimmungen zum Gesetz, dann aber auch durch Aufsichtsmassnahmen bei den Versicherern im Einzelfall (Prüfung der finanziellen Sicherheit aufgrund der Jahresrechnungen, Genehmigung der Prämientarife). Die Aufgaben der Bundesbehörden bei Streitigkeiten der Versicherer mit ihren Versicherten bleiben unverändert (Vernehmlassungen, eventuell Beschwerden an das Eidg. Versicherungsgericht), ebenso die Abgabe von Rechtsauskünften. Wegfallen wird die Genehmigung von Statuten und Leistungsreglementen der Versicherer. Hingegen werden die Aufgaben im Bereich der Tarife und Leistungen sowie der Statistik zunehmen. Werden die neuen Instrumente zur Kosteneindämmung konsequent genutzt, so werden die Aufgaben der Bundesbehörden auch dort zunehmen, wo die Kompetenzen bei den Versicherern, den Leistungserbringern oder den Kantonen liegen. Zu denken ist insbesondere an Aufgaben im Zusammenhang mit Beschwerden an den Bundesrat und an das neue Instrument der Qualitätssicherung. Die Arbeitsbelastung wird vor allem in der Übergangs- und während einer längeren Einführungsphase hoch sein. Wir rechnen für die ersten Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes mit einem zusätzlichen Personalbedarf von drei Personen.

52

Auswirkungen für die Kantone

Die Kantone werden vor allem bei der Kontrolle des Versicherungsobligatoriums (Art. 6), bei der Durchführung der Prämienverbilligung (Art. 58), bezüglich der Spitäler und Pflegeheime (Art. 33) und im Tarifrecht (Art. 37 ff.) Vollzugsaufgaben zu übernehmen haben. Zum Teil nehmen die Kantone solche Aufgaben schon heute aufgrund des KUVG wahr, beispielsweise die Genehmigung von Tarifverträgen, oder es handelt sich um Aufgaben, welche die Kantone aufgrund ihrer Zuständigkeit im Gesundheitswesen zu erfüllen haben, insbesondere bezüglich der Spitäler. Zahlreiche Kantone kennen heute auch kantonale oder kommunale Versicherungsobligatorien sowie Regelungen über Bei227

träge an Krankenkassen und Versicherte. Es gibt also in gewissen Kantonen bereits Verwaltungsstellen, die sich mit entsprechenden Aufgaben befassen. Aus einer im Zusammenhang mit den Arbeiten der Expertenkommission durchgeführten Umfrage bei den Kantonen Freiburg, Tessin und Neuenburg, die ein Versicherungsobligatorium für die gesamte Bevölkerung kennen und die auch kantonale Beiträge zur Prämienverbilligung kennen, ergab sich ein relativ geringer Personalaufwand für die Durchführung dieser Aufgaben (drei bis acht Personen). Nicht berücksichtigt ist dabei allerdings die Mitwirkung anderer Amtsstellen (z. B. der Steuerverwaltungen) oder der Gemeinden.

Kantonale Bestimmungen über die obligatorische Krankenversicherung werden mit Inkrafttreten dieses Gesetzes dahinfallen. Dies gilt nicht unbedingt für kantonale Regelungen über die Gewährung von Beiträgen an die Krankenversicherung. Die Kantone werden lediglich verpflichtet, die im Gesetz vorgesehene individuelle Prämienverbilligung einzuführen und dafür die nach Bundesrecht vorgesehenen Mittel einzusetzen.

6

Legislaturplanung

Wir haben eine Vorlage zur Revision der Krankenversicherung im Bericht über die Legislaturplanung 1987-1991 für die 2. Legislaturhälfte angekündigt (BEI 1988 l 395 ff. Ziff. 2.31 und 2.32).

7

Verhältnis zum europäischen Recht

71

Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft (EG)

Auch wenn die wirtschaftlichen Ziele bei den Integrationsbestrebungen der EG heute noch im Vordergrund stehen, darf ihre soziale Dimension nicht ausser acht gelassen werden. Dadurch, dass den ausländischen Arbeitskräften im Lande ihrer Erwerbstätigkeit die Gleichbehandlung eingeräumt wird, durch die Totalisierung der Beitragszeiten sowie die Leistungsausrichtung auf dem Gebiet der EG (Art. 51 EWG-Vertrag, Réglemente 1408/71 und 574/72), bildet die EG heute schon in mancher Hinsicht einen europäischen Sozialraum.

Die Réglemente 1408/71 und 574/72 - angenommen aufgrund von Artikel 51 des EWG-Vertrags - schaffen weder ein gemeinsames System der Sozialen Sicherheit noch eine Harmonisierung der oft sehr unterschiedlichen Bestimmungen der verschiedenen Mitgliedstaaten. Ihr Ziel ist vielmehr die Koordination, das heisst dafür zu sorgen, dass die Unterschiede zwischen den verschiedenen nationalen Sozialversicherungssystemen die Freizügigkeit unter den Arbeitskräften nicht beeinträchtigen. Ihre Ansprüche sollen nämlich durch den Wechsel von einem Mitgliedstaat in einen andern nicht reduziert werden. Die EG hat daher - unter Bewahrung der Eigenheiten der nationalen Systeme - ihr Schwergewicht auf eine möglichst grosse Koordination dieser Systeme gelegt. Die Réglemente 1408/71 und 574/72, auf denen diese Koordination beruht, gehen wie alle andern EG-Reglemente - dem nationalen Recht vor und sind direkt anwendbar. Beide Réglemente beruhen auf den gleichen Grundsätzen wie die von 228

der Schweiz abgeschlossenen bilateralen Sozialversicherungsabkommen (Gleichbehandlung, Aufrechterhaltung der erworbenen Ansprüche, Export der Leistungen zumindest in den Heimatstaat des Berechtigten), Das Hauptanliegen der EG auf dem Gebiet der Sozialen Sicherheit besteht daher in der Erleichterung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte innerhalb der Gemeinschaft.

Eine echte Harmonisierung der Systeme dürfte daher in absehbarer Zeit kaum in Frage kommen. Sie erscheint auch für die Verwirklichung des auf 1992 angestrebten Binnenmarktes vorläufig nicht erforderlich zu sein. Allerdings könnte sich möglicherweise plötzlich ein Bedarf dafür ergeben, wenn nämlich die unterschiedlichen Soziallasten als Wettbewerbsverzerrungen (social dumping) zwischen den Unternehmen der Mitgliedstaaten empfunden würden.

Die Frage einer künftigen Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Sozialversicherungssysteme ist zur Zeit noch offen. Im Zuge der Verbesserung der Lebensund Arbeitsbedingungen in den Mitgliedstaaten lassen sich aber erste bescheidene Ansätze zur Schaffung von gewissen Mindestnormen erkennen. Von Interesse sind in diesem Zusammenhang sowohl die Richtlinie 79/7 vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Bereich der Sozialen Sicherheit (ABI. Nr. L 6/24), als auch die Richtlinie 86/378 vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der Sozialen Sicherheit (ABI. Nr. L 225/40). Diese verbieten jegliche unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

72

Vorschriften des Europarates

Im Vergleich zur EG ist der Integrationsgedanke im Europarat nur schwach ausgebildet. Hier wickelt sich die internationale Zusammenarbeit eher im Rahmen einer «herkömmlichen» internationalen Organisation ab. Dementsprechend liegt das Gewicht einerseits in der Förderung des sozialen Fortschritts (durch Aufstellung von Mindestnormen bzw. Empfehlungen zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit), anderseits in der sozialrechtlichen Absicherung der Freizügigkeit zwischen den Mitgliedstaaten.

Der Förderung des sozialen Fortschritts dient in erster Linie die «Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961», welche sich in Artikel 11 mit dem' Recht auf Gesundheit und in Artikel 12 mit dem Recht auf Soziale Sicherheit befasst.

In diesen beiden Bestimmungen wird den Vertragsstaaten unter anderem die Verpflichtung auferlegt, Massnahmen zur bestmöglichen Vorbeugung von Krankheiten zu ergreifen, ihr System der Sozialen Sicherheit auf einem befriedigenden Stand zu halten und sich zu bemühen, dieses alsdann fortschreitend auf einen höheren Stand zu bringen.

Ziel der «Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964» ist es, Mindestvorschriften aufzustellen und damit eine Art Rahmenordnung für die Sozialversicherungssysteme der Mitgliedstaaten zu schaffen. Die schweizerische Gesetzgebung über die AHV/IV, die Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten entsprechen den Anforderungen dieser Ordnung. Die Schweiz konnte daher dieses Instrument am 16. September 1977 für die genannten Leistungsbereiche 229

ratifizieren (AS 1978 1491). Die Bereiche Krankenpflege und Krankengeld konnten damals wie heute insbesondere wegen folgender Besonderheiten des schweizerischen Systems nicht ratifiziert werden: Begrenzung der Krankenleistungen bei Spitalaufenthalt auf mindestens 720 Tage innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen (die Ordnung lässt die Begrenzung auf 26 Wochen zu; diese muss jedoch für jeden Krankheitsfall neu beginnen), keine Beitragspflicht der Arbeitgeber; Berechnung des Krankengeldes nach vertraglicher Vereinbarung mit dem Versicherungsnehmer (und nicht aufgrund des Verdienstes des Leistungsempfängers oder des für ihn Unterhaltsberechtigten).

Weitere Mindestvorschriften für Einzelbereiche finden sich neben den erwähnten Instrumenten in Resolutionen und Empfehlungen des Ministerkomitees.

Für den Bereich der Krankenversicherung bzw. diese Vorlage sind insbesondere von Interesse: - Resolution (70) 6 über die Verringerung der Kosten der medizinischen Versorgung, - Resolution (70) 16 über den sozialen und medizinisch-sozialen Schutz des Alters, - Resolution (75) 28 über die Soziale Sicherheit der Hausfrau, - Empfehlung Nr. R(86) 5 über die allgemeine Einführung der medizinischen Versorgung.

73

Vereinbarkeit der Vorlage mit europäischem Recht

Die vorgeschlagene Revision der Krankenversicherung liegt auf der Linie der unter den Ziffern 81 und 82 aufgeführten Vorschriften der EG und der Resolutionen bzw. Empfehlungen des Europarats. Eine Ratifizierung der Bereiche «ärztliche Betreuung» und «Krankengeld» (Teile II und III) der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit würde sie dagegen immer noch nicht ermöglichen.

8 81

Rechtliche Grundlagen Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 34bis der Bundesverfassung. Danach hat der Bund die Kranken- und Unfallversicherung einzurichten, unter Berücksichtigung der bestehenden Krankenkassen. Der Verfassungsartikel sieht zudem ausdrücklich vor, dass der Bund den Beitritt zur Versicherung obligatorisch erklären kann. Die Bundesverfassung macht hingegen keine weiteren Vorschriften über die Ausgestaltung der Versicherung, lässt also praktisch jede denkbare Lösung über die Einrichtung der Kranken- und Unfallversicherung zu.

82

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung notwendigen Regelungskompetenzen (Erlass der Vollzugsbestimmungen) werden dem Bundesrat 230

in Artikel 87 delegiert. Im einzelnen ist er überdies befugt, in folgenden Bereichen Bestimmungen zu erlassen.

Ausnahmen von der Versicherungspflicht (Art. 3 Abs. 2); Ausdehnung der Versicherungspflicht (Art. 3 Abs. 3) ; besondere Regelung des Versicherungsbeginns (Art. 5 Abs. 1); Richtsätze für den Beitragszuschlag bei verspätetem Beitritt zur Versicherung (Art. 5 Abs. 2); Höchstgrenzen für Abfindungen der Krankenkassen bei Tod oder Invalidität (Art. 9 Abs. 2 Bst. c); Mindestbestand für Bewilligung der Rückversicherung durch Krankenkassen (Art. 9 Abs. 4); Mindestanteil der Selbstversicherung bei Abschluss einer Rückversicherung (Art. 11 Abs. 3); Betrieb der Gemeinsamen Einrichtung (Art. 15 Abs. 1); Übertragung von weiteren Aufgaben an die Gemeinsame Einrichtung (Art. 15 Abs. 3); einheitliche Durchführung der sozialen Krankenversicherung (Art, 16 Abs. 1); Verwaltungskosten der Versicherer (Art. 17 Abs. 2); Statistik (Art. 18); Verordnung von Analysen, Arzneimitteln und diagnostischen oder therapeutischen Geräten durch Chiropraktoren (Art. 19 Abs. 2 Bst. b); nähere Umschreibung der Pflichtleistungen (Art. 27); Kostenübernahme für Leistungen im Ausland (Art. 28 Abs. 2); Zulassungsvoraussetzungen für Leistungserbringer (Art. 30-32 und 34); Kostenübernahme bei ausserkantonalem Spitalaufenthalt (Art. 35 Abs. 3); Tarifierungsgrundsätze und Koordination mit den Tarifordnungen anderer Sozialversicherungen (Art. 37 Abs. 6); Sicherstellung der Behandlung und Tarifschutz (Art. 38 Abs. 3); gesamtschweizerische Tarifstruktur (Art. 40 Abs. 4); partieller Spitalaufenthalt (Art. 42 Abs. 5) ; Erfassung der Kosten und Leistungen im Spital (Art. 42 Abs. 6); Vornahme von Analysen im Praxislabor (Art. 44 Abs. 2); Globalbudgetierung (Art. 46); Einschränkung der Zulassung von Leistungserbringern (Art. 47); Aufgabe, Stellung und Weiterbildung der Vertrauensärzte (Art. 49); Qualitätssicherung (Art. 50); Rechnungslegung und finanzielle Sicherheit der Versicherer (Art. 52 Abs. 4); alternative Versicherungsformen (Art. 54); Höchstgrenzen für die Entschädigung der Sozialpartner oder der Fürsorgebehörden bei einer Mitwirkung an der Durchführung der sozialen Krankenversicherung (Art. 55); Jahresfranchise und jährlicher Höchstbetrag des Selbstbehaltes (Art. 56 Abs. 3); Beitrag an die Aufenthaltskosten im Spital (Art. 56 Abs. 5);
Erhöhung, Herabsetzung oder Aufhebung der Kostenbeteiligung (Art. 56 Abs. 6); Verteilung des Bundesbeitrages zur Prämienverbilligung auf die Kantone (Art. 57 Abs. 3); Festsetzung des Mindestzuschlages der Kantone zum Bundesbeitrag (Art. 57 Abs. 4); Verpflichtung der Steuerbehörden zur Auskunftserteilung (Art. 58 Abs. 5); Reduktion und Abstufung von Prämien in der freiwilligen Taggeldversicherung (Art. 68 Abs. 4); Prämienabweichungen zwischen Einzel- und Kollektivtaggeldversicherungen (Art. 69 zweiter Satz); Leistungskoordination und Verhinderung von Überentschädigungen (Art. 70); Ausübung des Rückgriffsrechts (Art. 71 Abs. 3); Akteneinsicht (Art. 73); Ausnahmen von der Schweigepflicht (Art. 75 zweiter Satz); Abzug von Krankenpflegekosten bei der Bestimmung des anrechenbaren Einkommens (Art. 3 Abs. 4bis ELG); einmalige Erhöhung der Einkommensgrenzen als Ersatz für den Wegfall des Abzuges der Krankenkassenprämien (Abs. l der Übergangsbestimmung zum ELG); Anpassung kantonaler Erlasse (Art. 89); Aufteilung des bisherigen Vermögens der Krankenkassen auf die nach neuem Recht weitergeführten Versicherungen (Art. 90 Abs. 3); Anpassungsfrist für Tarifverträge (Art. 93 Abs. 3 231

zweiter Satz und Art. 96 Abs. 1); Frist für Spitäler und Pflegeheime zur Anpassung an Artikel 42 Absätze 6 und 7 (Art. 96 Abs. 3); Festsetzung des Datums für das Inkrafttreten des KVG (Art. 99 Abs. 2).

Dem Eidgenössischen Departement des Innern werden in folgenden Bereichen direkte Rechtsetzungsbefugnisse delegiert: Gebühren für aufwendige Beratung von Versicherten durch Versicherer (Art. 13 Abs. 2); Erlass der Analysenliste, der Arzneimittelliste mit Tarif sowie von Bestimmungen über den Umfang der Leistungspflicht für diagnostische und therapeutische Geräte (Art. 44 Abs. l Bst. a).

Das Bundesamt für Sozialversicherung erhält die direkte Zuständigkeit für die Erstellung der sog. Spezialitätenliste (Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen) (Art. 44 Abs. l Bst. b).

5045

232

Anhang Übersicht über die Massnahmen zur Kosteneindämmung Verzeichnis der Tabellen 1 2 3 4 5 5.1 5.2 5.3 5.4

Gegenüberstellung geltendes Recht-Botschaft Subventionen für individuelle Prämienverbilligung (1993) Schätzung des Subventionsanstiegs für individuelle Prämienverbilligung innerhalb von 10 Jahren Belastung verschiedener Haushaltstypen (1993) Entwicklung der Krankenpflegekosten der Krankenkassen seit 1966 im Vergleich mit den Konsumentenpreisen, den Löhnen und den Gehältern je Versicherten (in Franken und in Prozentzahlen) je Versicherten (indexiert; Index 1966 = 100) Effektives Vermögen der Krankenkassen seit 1966

Verzeichnis der Graphiken 1 2 3

Entwicklung der Krankenpflegekosten, der Löhne und der Preise Pflegekosten je Versicherten 1990 nach Alter und Geschlecht Pflegekosten je Versicherten 1990 nach Alter

5045

233

lo u> -t.

Massnahmen zur Eindammung der Kosten Art der Massnahmen

Gellendes Rechl (KUVG und Verordnungen)

Enlwurf der Expertenkom miss ion

Botschaftsentwurf (Zusalzfich zum Entwurf der Expertenkommission)

I

Einsch rankling der Nachf rage

II

Grossrisikoversicherung

12

Obligalorische Kostenbeteiligung

Jahresf ranchise: Fr. 150.Selbstbehalt: 10% Maximum: Fr. 750,-/Jahr (Art. HWs; V V Art. 24 ff.)

Jahresf ranchise: Verordnung Selbstbehalt: 15% Maximum: Verordnung (Art. 49)

Selbstbehalt 10% Maximum: Verordnung (Art. 56)

13

Wahlbare Kostenbeteiligung

Jahresf ranchise: Fr.350.-/600.-/1200.Selbstbehalt: 10% Maximum: Fr. 1750.-/3000.-/6000.(Art. 14bis; V V (Art. 26'" ff.)

(von der Kommission ausdrucklich abgelehnt)

Moglichkeit f iir wahlbare Jahresfranchise beibehalten (Art. 54 Abs. 2)

14

Bonusversicherung

Stufenweise Herabsetzung des Beitragssatzes um 15, 25, 35 und maximal 45% bei leistungsfreien Jahren; Wiederanstieg bei Leistungsbezug.

Versuchsweise Durchfuhrung 1991-1995.

(VVArt. 23ter-23quinquies V 13 des EDI)

(von der Kommission ausdrucklich abgelehnt)

Moglichkeit einer Bonusversicherung beibehalten (Art. 54 Abs. 2)

(von der Kommission ausdrucklich abgelehnt)

Nichl welter verfolgte Massnahmen

Grossrisikoverstcherung Massgebliche Erhohung der Jahresfranchise gegeniiber heute

15

Keine volle Vergütung der Leistungen in bestimmten Fällen

Mindestbeitrag von Fr. 9.(bzw. Fr. 6.-)/Tag an die Kosten der Krankenpflege im Spital (Art. 12 Abs. 2 Ziff. 2; V I I I , Art, 24) Pflicht zur Vergütung der Leistungen bei Spitalaufenthalt auf eine Dauer von 720 innert 900 aufeinanderfolgenden Tagen beschränkt (Art. 12 Abs. 4) Tages bei t rag an Badekuren von Fr, 10.-(Art. 12 Abs. 2 Ziff. 3; V III, Art. 25)

Beitrag an Badekuren gemäss Verordnung (Art. 14 Abs. 2 Bst. c; Abs. 4 Bst. b) Höchstbelrag für Transportund Rettungskoslen nach Verordnung (Art, 14 Abs. 2 Bst. f; Abs, 4 Bsl. b) Begrenzung der Kostenübernahme für Präventiv m assnahmen durch Verordnung (Art. 15 zweiter Satz) Begrenzung der Kostenübernahme bei Aufenthalt im Pflegeheim (Art. 34 erster Satz) Begrenzung der Koslenübernahme auf den wohnortsnahen (bzw. arbeitsortsnahen) Tarif, wenn ohne zwingenden Grund ein auswärtiger Leistungserbringer beansprucht wird (Art. 28 Abs. l zweiter und dritter Satz)

Bei medizinisch nicht mehr gerechtfertigtem Spilalauf enthalt Vergütung gemäss Tarif für Pflegeheime (Art. 42 Abs. 3)

Gellendes Rechi (KUVG und Verordnungen)

Entwurf der Expertenkommission

BoLschaf tsentwu rf (Zusätzlich zum Entwurf der Expertenkommission)

Möglichkeit der Globalbudgetierung auch im ambulanten Bereich bei übermässigem Kostenanstieg (Art. 46)

2

Einschränkung des Angebots

21

Globalbudgetierung

Möglichkeit der Aufstellung eines Globalbudgets für Spitäler und Pflegeheime (Art. 38}

22

Beschränkte Deckung der Kosten

Bei öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern deckt die KV höchstens 50% der für die stationäre Behandlung des Patienten anfallenden Betriebskosten (Art. 33 Abs. l und 2)

23

Festbeträge für die einzelne Leistung

BSV setzt Festbeträge für die Vergütung von diagnostischen und therapeutischen Geräten fest (Art. 39 Abs. l Bst. c)

24

Alternative Versicherungsangebote mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer

Die Versicherten schränken ihr Wahlrecht auf Leistungserbringer ein, mit denen die Kassen spezielle Vergütungsabsprachen getroffen haben, um eine kostengünstigere gesundheitliche Versorgung sicherzustellen (im Gegenzug Prämienermässigung für die Versicherten).

Versuchsweise Durchführung 1991-1995. (V V, Art. 23 und 23bis)

Gleiches Prinzip wie bei dem Versuch nach geltendem Recht (Art. 28 Abs. 4: 31 Abs. 6; 32 Abs. 6; 48 Abs. l und 3)

Nicht weiler verfolgle Maßnahmen

Möglichkeil der Einführung von Festpreisen für Medikamente bei übermässigem Kostenanstieg

237

25

Beschrankung der Zulassung der Leistungse rb ringer/Planungskompetenz

Karenzjahr der Arzte vor ihrer Zulassung zur Kassenpraxis (Art. 16 Abs. 1 zweiter Satz)

Anerkannte Wei terbil dung der Arzte als Zulassungsvorausselzung (Art. 23 erster Satz) Beschrankung der Selbstdispensation yon Medikamenten durch Arzte (Art. 24 dritter Salz) Nur planungskonforme Spitaler, teilstationare Einrichtungen und Pflegeheime sind zur Betatigung fiir die KV zugelassen (Art. 26 Abs. 1 Bst. d und Abs. 2)

26

Konlrolle der Wirtschaftlichkeil und der Qualitat der Leistungen

Bestellung von Vertrauensarzten (Art. 18)

Starkung der Stellung der Vertrauensarzte (Art. 42)

Auskimftspflicht der Leistun gserb ringer (Art. 22bis Abs. 7 zweiter Satz und Abs, 3; Art. 22quater Abs. 6 ersler Salz)

Transparente Rechnimgstellung; Auskunflspflicht der Leistungserbringer (Art. 29 Abs. 3-5; Art. 42 Abs. 5)

Wirtschaftlichkeitsgebot (Art. 23)

Wirtschaftlichkeitsgebot; Ruckerstattungspflichl bei unwirtschaftlicher Be handlung (Art. 41) Kontrollen zur Sicherung der Qualilat der Leishmgen (Art. 43) Ausschluss von Leistungserbringern, die krass gegen ihre Pflichten verstossen (Art. 44)

Ausschluss von Leistungserbringern, die krass gegen ihre Pflichten verstossen (Art. 24)

Moglichkeit der Einschrankung der Zulassung von Leistungserb ringern bei iiberbordender Koslenenlwicklung (Bediirfnisnachweis) (Art. 47)

238

Arl der Massnahmen

3

Massnahmen zur Beeinflussung der Versicherer und der Leistnngserbringer

31

Voile Freizugigkeit

32

Tarifkontrolle

Geltendes Rechl (KUVG und VeroMnungen)

Enlwurf der Expertenkom mission

BotschafLsentwurf (Zusatzlich zum Entwurf der Expertenkommission)

Freie Wahl und freier Wechsel des Versicherers (Art, 3 und 6) Priifung und Genehmigung der Tarifvertrage durch die Kantonsregierung (Art. 22 Abs. 3 dritter Satz; Art. 22quater Abs. 5)

Vereinbarung einheitlicher Tarifstrukturen fiir die ganze Schweiz (Art. 31)

Prufung und Genehmigung der Vertrage iiber die Taxpunktwerte und uber die Spitalpauschalen durch die Kantonsregierung, bei gesaralschweizerischen Vertragen durch den Bundesrat (Art. 32 Abs. 3 und 4)

Rein Ausschluss des Preisuberwachers vor Genehmigung der Tarifvertrage (Art. 39 Abs. 3 und Art. 40-45 in Verbindung mit Art. 14 PuG)

Recht zur fristlosen Kundigung der Tarifvertrage mil Spitalern oder Pflegeheimen bei iiberzogenen Kosten (Art. 33 Abs. 6 zweiter SaU; Art. 34 dritter Satz) Festlegung des Tarif s im vertragslosen Zustand durch die Behorde (Art. 22bis-22quater

Fesllegung des Tarifs im vertragslosen Zustand durch .

eine Schlichtungsstelle bzw, durch die Behorde (Art. 35 und 36)

Weitgehende Beibehaltung der heutigen Regelung des vertragslosen Zustandes (Art. 40 und 41)

Nicht weUer verfolgle Massnahmen

Beschwerde an den Bundesrat gegen Tarifbeschlusse der Ka n tonsregie rungen (Art. 22quinquies

Beschwerde an den Bundesrat gegen Tarifbeschlusse der Kantonsregierungen; beschwerdebefugt solien jedoch nur die Tarifvertragsparteien sein (Art, 40)

Das EDI erslelll die Analysenliste mit Tarif und die ArzneimittellUte mit Tarif

Gleiche Ordnung wie heute (Art. 39)

Heutige Beschwerdelegitimalion von einzelnen Versicherten beibehalten, schliesst indirekl auch Organisalionen von Versicherten ein (Arl. 45)

Das BSV erstellt die Spezialitalen lisle mit Preisen (Art. 12 Abs. 6, 22quater Abs, I j V V H I ; V lOdes EDI) 33

Kostenkonlrolle

Kostenkontrolle und Koslenvergleiche bei Spitalern und bei Pflegeheimen (Art. 33 Abs. 5 und 6; Art. 34 driller Salz)

34

Slalislische Durchleuchtung der Kostenentwicklung und ihrer Ursachen

Der Bundesral sorgt fur die Erstellung und Auswertung der notwendigen Stalistiken (Art. 13)

35

Eindammung der Verwaltungskosten

239

Der Bundesral kann bestimmen, dass die Verwaltungskosten nichl starker ansleigen diirfen als die allgemeine Lohnentwicklung (Art, 17)

Al Gegenüberstellung geltendes Recht - Botschaft Hochrechnung auf 1993 ; Beträge in Millionen Franken Leistungserweiterungen gemäss Botschaft unbeschränkte Leistungsdauer bei Spitalaufenthalt Aufhebung der Versicherungsvorbehalte Pflegeheime, analoge Leistungen wie Spitex Unfälle Mutterschaft Prävention, Spitex, weitere noch zu bezeichnende Leistungen voraussichtlich Zusammen

'.

175 115 560 90 10 350 1300

Somit liegt die Grössenordnung des Mehraufwands wie beim Entwurf der Kommission Schoch bei rund 10 Prozent des Gesamtaufwands.

Zusätzliche Erträge gemäss Botschaft höhere Kostenbeteiligung Beitrag Spitalaufenthalte

530 240

Zusammen

770 Geltendes Recht Veränderung

Aufwand für die soziale Krankenversicherung finanziert durch: Öffentliche Hand Kostenbeteiligung Prämien

240

Botschaft

13 300

+1300

14 600

1900 1430 9970

+1100 +770 -570

3000 2200 9400

Zusammensetzung der Beiträge der öffentlichen Hand

Bund

Geltendes Recht Veränderung

Botschaft

Kinder 0-15 Männer 16-60 Männer 60+ Frauen 16-60 Frauen 60+ Mutterschaft Pflege IV-Rentner Tuberkulose Bergzuschlag Wartgelder

68 28 251 406 385 42 95 3 22 0

Total generelle Beiträge an Krankenkassen individuelle Beiträge an Versicherte

1300 -

+ 2000

2000

Bund insgesamt

1300

+ 700

2000

Kantone generelle Beiträge an Krankenkassen...

individuelle Beiträge an Versicherte

300 300

--300 +700

1000

Kantone insgesamt

600

+ 400

7000

7900

+1100

3000

Öffentliche Hand insgesamt

--1300

241

A2 Subventionen für individuelle Prämienverbilligung (1993) Subventionsgrenze

Subventionen in Mio. Fr.

Schätzung für 1993

Anteil der Subventionsberechtigten an der Bevölkerung

Anteil der Subventionsbcrechtigten Haushalte

5% 6% 7% 8% 9% 10% 1 1% 12%

5218 4309 3574 2983 2514 2136 1834 1603

83% 75% 68% 61% 52% 44% 43% 35%

78% 68%

.

61 %

.

53% 46% 38% 36% 30%

Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung/Berechnungen Bundesamt für Sozialversicherung

242

A3

Schätzung des Subventionsanstiegs für individuelle Prämienverbilligung innerhalb von vier bzw. zehn Jahren A. Entwicklung während einer Vierjahresperiode mit konstanten Subventionen (3 Mrd. Fr.)

Hypothesen für die Schätzung: 1. Die Bevölkerung bleibt konstant.

2. Die Subventionsgrenze liegt im ersten Jahr bei 8 Prozent.

3. Die Krankenkassenprämien wachsen in vier Jahren um 25 Prozent (5,8% pro Jahr).

4. Das steuerbare Einkommen wächst gleich wie der BIGA-Lohnindex (4,1 % pro Jahr).

5. Die Subventionen betragen für die betrachtete Vierjahresperiode 3 Milliarden Franken pro Jahr.

Die Subventionsgrenze steigt in vier Jahren von 8 auf 10 Prozent.

B. Keine zusätzliche Kosteneindämmung

Hypothesen für die Schätzung: 1. Die Bevölkerung bleibt konstant.

2. Die Subventionsgrenze liegt bei 8 Prozent.

3. Die Krankenkassenprämien wachsen gleich wie in den vorangehenden zehn Jahren.

4. Das steuerbare Einkommen wächst gleich wie der BIGA-Lohnindex (4,1% pro Jahr).

5. Die Wachstumsraten der vergangenen Zehnjahresperiode werden unverändert auf die nächste übertragen.

Tabelle A3B Jahr

Index der BIGAKrankenkassen- Lohnindex prämien

Individuelle Subventionen in Mio. Fr.

Individuelle Subventionen als Index

1993 2003

1000 1943

3000 8856

1000 295 2

1000

1489

Wird die zweite Hypothese ersetzt durch die Forderung, dass der Subventionsbetrag 3000 Millionen Franken im Jahr 1993 maximal im Rahmen des Brattoinlandprodukts wachsen darf, ergibt sich für 2003 eine Subventionsgrenze von 11,3 Prozent.

243

C. Ideale Kosteneindämmung Hypothesen für die Schätzung: 1. Die Bevölkerung bleibt konstant.

2. Die Subventionsgrenze liegt bei 8,0 Prozent.

3. Die Krankenkassenprämien wachsen gleich wie der BIGA-Lohnindex.

.4. Das steuerbare Einkommen wächst gleich wie der BIGA-Lohnindex (4,1% pro Jahr).

5. Die Wachstumsraten der vergangenen Zehnjahresperiode werden unverändert auf die nächste übertragen.

Tabelle A3C Jahr

Index der BIGAKrankenkassen- Lohnindex Prämien

Individuelle Subventionen in Mio. Fr.

Individuelle Subventionen als Index

1993 2003

100,0 148 9

3000 4467

100,0 1489

100,0 148,9

Wird die zweite Hypothese ersetzt durch die Forderung, dass der Subventionsbetrag 3000 Millionen Franken im Jahr 1993 maximal im Rahmen des Bruttoinlandprodukts wachsen darf, ergibt sich für 2003 eine Subventionsgrenze von 7,4 Prozent.

D. Angestrebte Kosteneindämmung Hypothesen für die Schätzung: 1. Die Bevölkerung bleibt konstant.

2. Die Subventionsgrenze liegt bei 8,0 Prozent.

3. Die Krankenkassenprämien wachsen in zehn Jahren um 75Prozent (5,8% pro Jahr).

4. Das steuerbare Einkommen wächst gleich wie der BIGA-Lohnindex (4,1% pro Jahr).

Tabelle A3D Jahr

Index der BIGAKrankenkassen- Lohnindex Prämien

Individuelle Subventionen in Mio, Fr.

Individuelle Subventionen als Index

1993 2003

100 0 1750

3000 6807

100,0 226,9

1000 1489

Wird die zweite Hypothese ersetzt durch die Forderung, dass der Subventionsbetrag 3000 Millionen Franken im Jahr 1993 maximal im Rahmen des Bruttoinlandprodukts wachsen darf, ergibt sich für 2003 eine Subventionsgrenze von 9,5 Prozent.

Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung/Berechnungen Bundesamt für Sozialversicherung

244

A4

Belastung verschiedener Haushaltstypen (1993) Annahmen Botschaft

Prämie Erwachsene ...

Prämie Kinder Subventionssatz Mindestauszahlung ...

'

2167 Fr.

802 Fr.

8,0% 100 Fr.

geltendes Recht

Durchschnitt M + F ...

Kinder von 0-15

Botschaft

1829 Fr.

575 Fr.

geltendes Recht

Typ l A

Haushaltstyp Erwachsene Kinder Einkommen KV-Prämie in % des Einkommens Individuelle Subventionen red. Prämie in Franken Prämienreduktion in % Veränderung gegenüber geltendem Recht

l 0 20 000 Fr.

2 167 Fr.

10,8% 567 Fr.

l 600 Fr.

26,2 % -- 13 %

1829 Fr.

9,1 %

Typ l B

Haushaltstyp Erwachsene Kinder Einkommen KV-Prämie in % des Einkommens Individuelle Subventionen red. Prämie in Franken Prämienreduktion in % Veränderung gegenüber geltendem Recht

l 0 22 900 Fr.

2 167 Fr.

9,5% 335 Fr.

l 832 Fr.

15,5 % + 0%

1829 Fr.

8,0%

245

Botschaft

geltendes Recht

Typ 2 A Haushaltstyp Erwachsene Kinder Einkommen

2 0 40 000 Fr.

KV-Prämie in % des Einkommens

4 334 Fr.

10,8%

Individuelle Subventionen red. Prämie in Franken Prämienreduktion in % Veränderung gegenüber geltendem Recht

l 134 Fr.

3 200 Fr.

26,2 % -- 13 %

3658 Fr.

9,1 %

TyplB Haushaltstyp Erwachsene Kinder Einkommen KV-Prämie in % des Einkommens Individuelle Subventionen red. Prämie in Franken Prämienreduktion in % Veränderung gegenüber geltendem Recht

2 0 45 500 Fr.

4 334 Fr.

9,5% 694 Fr.

3 640 Fr.

16,0% +0%

3658 Fr.

8,0%

Typ 3 A Haushaltstyp Erwachsene Kinder Einkommen KV-Prämie in % des Einkommens Individuelle Subventionen red. Prämie in Franken Prämienreduktion in % Veränderung gegenüber geltendem Recht

246

l 2 30 000 Fr.

3 771 Fr.

12,6% l 371 Fr.

2 400 Fr.

36,4% --19%

2979 Fr.

9,9%

Botschaft

geltendes Recht

Typ 3 B Haushaltstyp Erwachsene Kinder Einkommen KV-Prämie in % des Einkommens Individuelle Subventionen red. Prämie in Franken Prämienreduktion in % Veränderung gegenüber geltendem Recht

l 2 37 400 Fr.

3 771 Fr.

10,1%

2979 Fr.

8,0%

779 Fr, 2 992 Fr.

20,7% + 0%

Typ 4 A Haushaltstyp Erwachsene Kinder Einkommen KV-Prämie in % des Einkommens Individuelle Subventionen red. Prämie in Franken Prämienreduktion in % Veränderung gegenüber geltendem Recht

2 2 50 000 Fr.

5 938 Fr.

11,9% l 938 Fr.

4 000 Fr.

32,6% -- 17 %

4808 Fr.

9,6%

Typ4B Haushaltstyp Erwachsene Kinder Einkommen

2 2 60 000 Fr.

KV-Prämie in % des Einkommens

5 938 Fr.

9,9%

Individuelle Subventionen red. Prämie in Franken Prämienreduktion in % Veränderung gegenüber geltendem Recht

l 138 Fr.

4 800 Fr.

19,2% + 0%

4808 Fr.

8,0%

247

Botschaft

gellendes Rechi

TypSA Haushaltstyp Erwachsene Kinder Einkommen KV-Prämie in % des Einkommens Individuelle Subventionen red. Prämie in Franken Prämienreduktion in % Veränderung gegenüber geltendem Recht

2 4 60 000 Fr.

7 542 Fr.

12,6% 2 742 Fr.

4 800 Fr.

36,4% -19 %

5958 Fr.

9,9%

TypSB Haushaltstyp Erwachsene Kinder Einkommen KV-Prämie in % des Einkommens Individuelle Subventionen red. Prämie in Franken Prämienreduktion in % Veränderung gegenüber geltendem Recht Schätzungen: Bundesamt für Sozialversicherung

248

2 4 74 500 Fr.

7 542 Fr.

10,1 % l 582 Fr.

5 960 Fr.

21,0% +0%

5958 Fr, 8,0%

AS

Entwicklung der Krankenpflegekosten der Krankenkassen sowie der Konsumentenpreise, Löhne und Gehälter seit 1966 Tabelle AS. l Jahr

Indizes (1%6=100) Krankenpflegckostcn je Vers.

Krankenpflegekosten je Vers.

Konsumen- Arbcitertenpreisc ') löhne1)

Angestelltengehälter"

100.0 129.2

Fr.

1966 1970

228.80

100.0 161.3

100.0 113.2

100.0 130.2

141.91

1975

468.59

330.2

163.8

223.1

210.7

1976 1977 1978 1979 1980

515.90 540.21 570.71 608.46 651.36

363.5 380.7 402.2 428.8 459.0

166.7 168.8 170.5 176.8 183.9

227.0 232.3 238.9 247.1 260.4

216.8 222.3 230.3 237.5 250.1

1981 1982 1983 1984 1985

714.48 768.56 833.53 870.75 933.71

503.5 541.6 587.4 613.6 658.0

195.8 206.8 213.0 219.2 226.8

277.1 296.8 308.2 316.5 326.3

265.3 283.7 294.0 302.5 312.1

1986 1987 1988 1989

1002.04 1085.91 1149.55 1229.48

706.1 765.2 810.1 866.4

228.4 231.7 236.0 243.5

338.0 346.5 359.0 373.5

323.4 330.6 341.0 353.2

249

Jahr

Zunahme gegenüber Vorjahr in % Krankcnpflegekosten je Vers.

Konsurnerj - Arbeitertcnpreisc löhnc

Angestelltengehälter

1966 1970

14 1

36

103

81

1975

16.6

67

1976 1977 1978 1979 1980

10.1

1.7

47

13 10 36

1981 1982 1983 1984 1985

9.7 7.6

74 1.7 23 29 3.4 54 6.4 7.1 39

5.6 6.6 7.1

85

40 65 57 30

4.5

2.9

7.2

34 ' 07 15 19

1986

7.3

1987 1988

84 5.9 7.0

1989

32

76

2.9

2S

36 3.1 5.3 6.1 7.0 36

2.7 31

2.9

3.6

3.6

25

22

36 40

32 36

59

56

32

Im Mittel pro Jahr 1966/89

9.8

39

'> Landesindex (Jahresmittel). Quelle: Monatsbericht der Schweizerischen Nationalbank, umgerechnet auf Basis Jahresdurchschnitt 1966 -- 100.

Durchschnittliche Stundenverdienste der Arbeiter und durchschnittliche Monatsgehälter der Angestellten, Juni 1939 = 100 (allg. Lohn- und Gehaltserhebung des BIGA im Oktober).

Quelle: Die Volkswirtschaft, umgerechnet auf Basis 1966 = 100.

Quelle: Bundesamt für Sozialversicherung, Statistik über die Krankenversicherung

2)

250

Krankenpflegekosten der Krankenkassen je Versicherten seit 1966 Tabelle A5.2 Jahr

HeilanTotal1» staltskosten

Ambulante Behandlung Ärztliche ChiroBehandlung praktik 1 ' Fr.

Fr.

1966 1970

67.48 105.21

0.65 1.40

1975

210.67

2.78

Arzneimittel Fr.

Übrige Kosten« Fr.

Zusammen Fr.

Fr.

Fr.

3.12 2.96

106.07 168.52

35.84 60.37

141.91 228.89

98.71

6.21

318.37

150.22

468.59

6.61 6.73 8.91 10.03 12.02

338.19 348.72 367.42 388.12 412.01

177.71 191.49 203.29 220.34 239.35

515.90 540.21 570.71 608.46 651.36

34.82 58.95

1976 1977 1978 1979 1980

221.29 228.42 235.79 248.06 262.68

2.98 3.06 3.05 3.17 3.53

107.31 110.52 119.67 126.86 133.77

1981 1982 1983 1984 1985

289,54 314.74 338.53 350.86 372.77

3.69 3.97 4.24 4.26 4.53

144.94 151.70 163.25 171.15 182.13

13.65 11.97 14.23 12.91 13.67

451.82 482.38 520.25 539.19 573.10

262.66 286.18 313.28 331.56 360.61

714.48 768.56 833.53 870.75 933.71

1986 1987 1988 1989

400.92 430.75 452.14 485.85

4.80 4.96 5.28 5.40

193.03 206.25 213.63 226.81

14.46 15.90 17.63 26.46

613.21 657.87 688.69 744.51

388.83 428.04 460.86 484.97

1002.04 1085.91 1149.55 1229.48

Jahr

Prozentzahlen (Total - 100)

1966 1970

47,6 46,0

0,5 0,6

24,5 25,8

2,2 1,3

74,7 73,6

25,3 26,4

100,0 100,0

1975

45,0

0,6

21,1

1,3

67,9

32,1

100,0

1976 1977 1978 .

1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989

42,9 42,3 41,3 40,8 40,3 40,5 41,0 40,6 40,3 39,9 40,0 39,7 39,3 39,5

0,6 0,6 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,4

20,8 20,5 21,0 20,8 20,5 20,3 19,7 19,6 19,7 19,5 19,3 19,0 18,6 18,4

65,6 64,6 64,4 63,8 63,3 63,2 62,8 62,4 61,9 61,4 61,2 60,6 59,9 60,6

34,4 35,4 35,6 36,2 36,7 36,8 37,2 37,6 38,1 38,6 38,8 39,4 40,1 39,4

100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

1,3 1,2 1,6 1,6 1,8 1,9 1,6 1,7 1,5 1,5 1,4 1,5 1,5 2,2

'* Behandlung durch Chiropraktoren.

) Ab 1982 figuriert die Zahnpflegeversicherung nicht mehr unter den «übrigen Kosten» der Krankenpflegeversicherung, sondern unter «Leistungen anderer Versicherungsarten» (vgl. Tab. 5-7).

Quelle: Bundesamt für Sozialversicherung, Statistik über die Krankenversicherung

2

251

Krankenpflegekosten der Krankenkassen je Versicherten seit 1966 Tabelle A5.3 Jahre

Ambulante Behandlung ChiroÄrztliche Behandlung praktik '> Index (1966-100)

1966 1970

100.0 155.9

100.0 215.4

Arzneimittel

100,0 169.3

Übrige Kosten"

Zusammen

100.0 94.9

100.0 158.9

Heilanstalt- Total1' kosten

100.0 168.4

100.0 161.3

1975

312.2

427.7

283.5

199.0

300.2

419.1

330.2

1976 1977 1978 1979 1980

327.9 338.5 349.4 367.6 389.3

458.5 470.8 469.2 487.7 543.1

308.2 317.4 343.7 364.3 384.2

211.9 215.7 285.6 321.5 385.3

318.8 328.8 346.4 365.9 388.4

495.8 534.3 567.2 614.8 667.8

363.5 380.7 402.2 428.8 459.0

1981 1982 1983 1984 1985

429.1 466.4 501.7 519.9 552.4

567.3 610.7 652.5 655.1 696.7

416.3 435.7 468.8 491.5 523.1

437.5 383.5 456.1 413.9 438.2

426.0 454.8 490.5 508.3 540.3

732.9 798.5 874.1 925.1 1006.2

503.5 541,6 587.4 613.6 658.0

1986 1987 1988 1989

594.1 638.3 670.0 720.0

738.3 763.8 812.8 830.8

554.4 592.3 613.5 651.4

463.4 509.8 565.2 847.9

578.1 620.2 649.3 701.9

1084.9 1194.3 1285.9 1353.1

706.1 765,2 810.1 866.4

Jahre

Veränderung gegenüber dem Vorjahr

1970

14,7

14,8

13,7

3,1

14,1

13,9

14,1

1975

14,6

7,3

12,6

19,4

14,0

22,6

16,6

1976 1977 1978 1979 1980

5,0 3,2 3,2 5,2 5.9

7,2 2,7 -0,3 3,9 11,4

8,7 3,0 8,3 6,0 5,4

6,4 1,8 32,4 12,6 19,8

6,2 3,1 5,4 5,6 6,2

18,3 7,8 6,2 8,4 8,6

1981 1982 1983 1984 1985

10,2 8,7 7,6 3,6 6,2

4,5 7,7 6,8 0,4 6,4

8,4 4,7 7,6 4,8 6,4

13,6 -12,33> 18,9 -9,2 5,9

9,7 6,8 7,9 3,6 6,3

9,7 9,0 9,5 5,8 8,8

10,1 4,7 5,6 6,6 7,1 9,7 7,6') 8,5 4,5 7,2

1986 1987 1988 1989

7,6 7,4 5,0 7,5

6,0 3,5 6,4 2,2

6,0 6,8 3,6 6,2

5,7 10,0 10,9 50,0

7,0 7,3 4,7 8,1

7,8 10,1 7,7 5,2

7,3 8,4 5,9 7,0

8,5

9,7

8,8

12,0

9,8

Im Mittel pro Jahr 1966/1989 .

9,0

9,6

') Behandlung durch Chiropraktoren.

> Ab 1982 ohne Zahnpflegeversicherung. Vgl. Anmerkung 2 der Tabelle 2.

' Würde man die 1982 erstmalig ausgeschlossenen Zahnpflegekosten wiederum hinzurechnen, ergäbe sich bei den «Übrigen Kosten» ein Anstieg von 16,3 Prozent und beim Total ein solcher von 8,1 Prozent, Quelle: Bundesamt für Sozialversicherung, Statistik über die Krankenversicherung

2

3

252

Effektives Vermögen der Krankenkassen seit 1966 Tabelle AS.4 Jahr

Beträgein 1000 Fr.

Vermögen Ende Jahr'>

1966

in Prozent

Jährliche Zunahme

Vorschlag der Erfolgsrechnung ^

Zuweisungen an..."

Vermögensquotc*'

9314 -5138 21 920 29590 58635 47021 28515 20086

44,2 40,5

-76 990 -55 714 -24 588 19508 179319 99 147 54286 14475 7898

30,5 27,0 25,3 27,4 29,5

1970

546 230 792 497

-7085 84946

2229 79808

1975

1 154305

81 303

103 223

1976

1977 1978 1979 1980

1 297 977 1 546 137 1 769 125 1 904 108 1 930 569

173262 306 795 270 009 163 498 46547

1981 1982 1981 1984 1985

1 890 649 1 831 394 1 864 166 2 154280 2 484 472

143 672 248 160 222 988 134 983 26461 -39 920 -59 255 32772 290 114 330 192

-116910 -114968 8183 309 623 509511

1986 1987 1988 1989

2715394 2849513 2 900 206 3 038 065

230 922 134 119 50693 137 859

330 068 188406 65 168 145 757

28,5 29,1 33,1 35,7 36,2 34,0

30,1 29,6 28,1 27,2

'> Sollte mindestens aus dem gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsfonds (15-120 % der Gesamtausgaben, abgestuft nach der Grosse der Kassen) und dem Schwankungszuschlag (W des Sicherheitsfonds) bestehen, 2 > Einnahmen (Tabelle 8) ./. Ausgaben (Tabelle 5).

3 * Wertberichtigungs- und Rückstellungskonti.

4) Vermögen in % der Ausgaben.

Quelle: Bundesamt für Sozialversicherung, Statistik über die Krankenversicherung

Bundcsblall 144.Jahrgang. Bd.l

253

Gì Entwicklung der Krankenpflegekosten, der Löhne und Preise

900

800

-

700

-

600

500

-

400

-

300

200

- T

~

100 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988

--

Krankenpflegekosten je Versicherten Löhne Konsumentenpreise

Quelle: Bundesamt für Sozialversicherung, Statistik über die Krankenversicherung

254

G2 Pflegekosten je Versicherten 1990 nach Alter und Geschlecht

Franken 5000

4000-

3000-

2000-

1000

Alter KRANKENKASSE KKB

Quelle: Krankenkasse KKB

255

G3 Pflegekosten je Versicherten 1990 nach Alter

Insgesamt

Franken 5000 1 Pflegekosten 2 Durschschn. Kinder 3 Durschschn. Erw.

4000-

3000 -

2000-

1000-

0

1 10

1 20

·r 30

1 40

1 50

Alter KRANKENKASSE KKB

5045

Quelle: Krankenkasse KKB 256

1 60

1 70

1 80

90

Bundesgesetz über die Krankenversicherung

Entwurf

(KVG)

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 34bîs der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 6. November 1991 '), beschliesst:

1. Titel: Allgemeine Bestimmungen Art. l

Geltungsbereich

1

Dieses Gesetz regelt die soziale Krankenversicherung. Diese besteht aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und einer freiwilligen Taggeldversicherung.

2

Die soziale Krankenversicherung gewährt Leistungen für: a. Krankheit; b. Unfall, soweit dafür keine Unfallversicherung aufkommt; c. Mutterschaft.

Art. 2 Begriffe 1 Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.

2 Unfall ist die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit zur Folge hat.

3 Mutterschaft umfasst Schwangerschaft und Niederkunft sowie die nachfolgende Erholungszeit der Mutter.

" BB1 1992 I 93 257

Krankenversicherung. BG 2. Titel: Obligatorische Krankenpflegeversicherung 1. Kapitel : Versicherungspflicht Art. 3 Versicherungspflichtige Personen 1 Jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz muss sich innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme oder der Geburt in der Schweiz für Krankenpflege versichern oder von ihrem gesetzlichen Vertreter versichert werden.

2 Der Bundesrat kann Ausnahmen von der Versicherungspflicht vorsehen, namentlich für Arbeitnehmer internationaler Organisationen und ausländischer Staaten.

3 Er kann die Versicherungspflicht ausdehnen auf Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz, insbesondere: a. Personen, die in der Schweiz tätig sind oder sich längere Zeit aufhalten; b. Personen, die von einem Arbeitgeber mit einem Sitz in der Schweiz im Ausland beschäftigt werden.

Art. 4 Wahl des Versicherers 1 Die Versicherungspflichtigen Personen können unter den Versicherern nach Artikel 8 frei wählen.

2 Die Versicherer müssen in ihrem örtlichen Tätigkeitsbereich jede Versicherungspflichtige Person aufnehmen, Art. 5 Beginn und Ende der Versicherung 1 Bei rechtzeitigem Beitritt beginnt die Versicherung im Zeitpunkt der Wohnsitznahme oder der Geburt in der Schweiz. Der Bundesrat setzt den Versicherungsbeginn für die Personen nach Artikel 3 Absatz 3 fest, 2 Bei verspätetem Beitritt beginnt die Versicherung im Zeitpunkt des Beitritts.

Der Versicherte hat einen Prämienzuschlag zu entrichten, wenn für die Verspätung kein entschuldbarer Grund vorliegt. Der Bundesrat legt dafür die Richtsätze fest und berücksichtigt dabei die Höhe der Prämien am Wohnort des Versicherten und die Dauer der Verspätung. Hat die Entrichtung des Beitragszuschlages für den Versicherten eine Notlage zur Folge, setzt der Versicherer den Beitragszuschlag herab, wobei er der Lage des Versicherten und den Umständen der Verspätung angemessen Rechnung trägt.

3 Die Versicherung endet, wenn der Versicherte der Versicherungspflicht nicht mehr untersteht.

Art. 6 Kontrolle des Beitritts und Zuweisung an einen Versicherer 1 Die Kantone sorgen für die Einhaltung der Versicherungspflicht.

2 Die vom Kanton bezeichnete Behörde weist Personen, die ihrer Versicherungspflicht nicht rechtzeitig nachkommen, einem Versicherer zu. Der Kanton regelt die Verteilung unter die Versicherer. Er hört diese zuvor an.

258

Krankenversicherung. BG

Art. 7

Wechsel des Versicherers

1

Der Versicherte kann unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist den Versicherer auf das Ende eines Kalendersemesters wechseln.

2 Bei einer Prämienerhöhung beträgt die Kündigungsfrist einen Monat. Die Versicherer müssen Prämienerhöhungen mindestens zwei Monate im voraus ankündigen.

3 Das Versicherungsverhältnis endet beim bisherigen Versicherer erst, wenn ihm der neue Versicherer mitgeteilt hat, dass der Versicherte bei ihm ohne Unterbrechung des Versicherungsschutzes versichert ist. Unterlässt der neue Versicherer diese Mitteilung, so hat er dem Versicherten den ihm daraus entstandenen Schaden zu ersetzen.

4 MUSS der Versicherte einen Versicherer verlassen, weil er seinen Wohnort verlegt, die Stelle wechselt oder weil der Versicherer die soziale Krankenversicherung nicht mehr durchführt, endet das Versicherungsverhältnis im Zeitpunkt der Verlegung des Wohnortes, des Stellenantritts oder des Entzuges der Anerkennung bzw. der Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung (Art. 10 Abs. 3). Absatz 3 ist anwendbar.

2. Kapitel: Organisation 1. Abschnitt: Versicherer Art. 8 Art der Versicherer Die obligatorische Krankenpflegeversicherung wird betrieben durch: a. Krankenkassen im Sinne von Artikel 9; b. private Versicherungseinrichtungen, die dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 23. Juni 1978 ') (VAG) unterstehen, die Krankenversicherung durchführen und über eine Bewilligung nach Artikel 10 verfügen.

Art. 9 Krankenkassen 1 Krankenkassen sind Vereine, Genossenschaften, Stiftungen oder Personen des kantonalen Öffentlichen Rechts, die keinen Erwerbszweck verfolgen, hauptsächlich die soziale Krankenversicherung betreiben und vom Eidgenössischen Departement des Innern (Departement) anerkannt sind.

2 Neben der sozialen Krankenversicherung dürfen die Krankenkassen nur folgende Versicherungen betreiben: a. Unfallversicherung gemäss Bundesgesetz vom 20. März 1981 2 > über die Unfallversicherung (UVG) ;

» SR 961.01 > SR 832.20

2

259

Krankenversicherung. BG

b. Versicherungen, die ähnliche Leistungen wie die soziale Krankenversicherung oder die Unfallversicherung nach UVG (Zusatzversicherungen) gewähren; c. Versicherungen, die in den vom Bundesrat festgelegten Höchstgrenzen eine Abfindung bei Tod oder bei Invalidität gewähren.

3 Die Versicherungen nach Absatz 2 Buchstaben b und c unterliegen dem Bundesgesetz vom 2. April 1908') über den Versicherungsvertrag (VAG).

4 Krankenkassen mit einem vom Bundesrat festgesetzten Mindestbestand an Versicherten dürfen auch die Rückversicherung nach Artikel 11 durchführen.

Art. 10 Anerkennung und Durchführungsbewilligung 1 Das Departement anerkennt eine Krankenkasse oder bewilligt einem anderen Versicherer die Durchführung der sozialen Krankenversicherung, wenn sie die Anforderungen dieses Gesetzes erfüllen. Das Bundesamt für Sozialversicherung (Bundesamt) veröffentlicht die Liste der Versicherer.

1 Die Versicherer müssen insbesondere: a. die soziale Krankenversicherung nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit durchführen, die Gleichbehandlung der Versicherten gewährleisten und die Mittel der sozialen Krankenversicherung nur zu deren Zwecken verwenden ; b. über eine Organisation und eine Geschäftsführung verfügen, welche die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gewährleisten; c. jederzeit in der Lage sein, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen; d. auch die nach diesem Gesetz vorgesehene Taggeldversicherung durchführen ; e. einen Sitz in der Schweiz haben.

3 Das Departement entzieht einem Versicherer die Anerkennung oder die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung, wenn er darum ersucht oder die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Es sorgt dafür, dass der Entzug erst dann wirksam wird, wenn alle Versicherten von anderen Versicherern übernommen worden sind.

Art. 11 Rückversicherung 1 Die Versicherer können einen Teil der Leistungen, die sie nach diesem Gesetz ausrichten, vertraglich rückversichern lassen bei: a. einem Versicherer im Sinne von Artikel 8 ; b, einer Stiftung, die keinen Erwerbszweck verfolgt, ausschliesslich die Rückversicherung von Leistungen nach diesem Gesetz betreibt und vom Departement anerkannt ist; ') SR 221.229.1 260

Krankenversicherung. BG

c. einer privaten Versicherungs- oder Rückversicherungseinrichtung, die dem Versicherungsaufsichtsgesetz 0 untersteht, die Rückversicherung von Krankenversicherungsleistungen betreibt und über eine Bewilligung des Departementes verfügt.

2 Für die Anerkennung und die Bewilligung zur Durchführung der Rückversicherung nach Absatz l Buchstaben b und c gilt Artikel 10 sinngemäss.

3 Der Bundesrat legt den Mindestanteil der Leistungen fest, die die Versicherer selber übernehmen müssen.

Art. 12

Haftung

Die Versicherten haften nicht für die Verpflichtungen der Versicherer.

Art. 13 Aufklärung und Beratung 1 Die Versicherer sind verpflichtet, die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären.

2 Jedermann hat Anspruch auf grundsätzlich unentgeltliche Beratung über seine Rechte und Pflichten. Dafür zuständig ist der Versicherer, dem gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Für Beratungen, die aufwendige Nachforschungen erheischen, kann der Versicherer eine vom Departement festgesetzte Gebühr erheben.

Art. 14 Steuerfreiheit 1 Die Versicherer sind, soweit ihre Einkünfte und Vermögenswerte ausschliesslich der Durchführung der sozialen Krankenversicherung und der Erbringung oder der Sicherstellung ihrer Leistungen dienen, von den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden und von Erbschafts- und Schenkungssteuern der Kantone und Gemeinden befreit.

2 Urkunden, die bei der Durchführung der sozialen Krankenversicherung im Verkehr mit den Versicherten oder mit Drittpersonen und anderen Organisationen verwendet werden, sind von den öffentlichen Abgaben und Gebühren befreit. Der Bezug der Prämien für die soziale Krankenversicherung unterliegt nicht der eidgenössischen Stempelabgabe auf Prämienquittungen.

3 Streitigkeiten über die Anwendung dieses Artikels beurteilt das Bundesgericht.

') SR 961.01 12 Bundesblaii 144.Jahrgang. Bd.I

261

Krankenversicherung. BG 2. Abschnitt: Gemeinsame Einrichtung Art. 15 1

Die Versicherer gründen eine gemeinsame Einrichtung in Form einer Stiftung.

Die Stiftungsurkunde und die Réglemente der Einrichtung bedürfen der Genehmigung des Departementes. Kommt die Gründung der gemeinsamen Einrichtung nicht zustande, nimmt der Bundesrat sie vor. Er erlässt die nötigen Vorschriften, wenn sich die Versicherer über den Betrieb der Einrichtung nicht einigen können.

1 Die gemeinsame Einrichtung übernimmt die Kosten für die gesetzlichen Leistungen anstelle von zahlungsunfähigen Versicherern.

3 Der Bundesrat kann der gemeinsamen Einrichtung weitere Aufgaben übertragen, namentlich zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen.

' Die Versicherer können ihr im gegenseitigen Einvernehmen bestimmte Aufgaben von gemeinsamem Interesse anvertrauen, namentlich im administrativen und technischen Bereich.

5 Zur Finanzierung ihrer Aufgaben müssen die Versicherer zu Lasten der sozialen Krankenversicherung Beiträge an die gemeinsame Einrichtung entrichten.

Sie legen deren Höhe in den Reglementen der Einrichtung fest. Die gemeinsame Einrichtung führt für jede ihrer Aufgaben eine getrennte Buchhaltung.

* Die gemeinsame Einrichtung geniesst die gleiche Steuerfreiheit wie die Versicherer (Art. 14).

3. Abschnitt: Aufsicht und Statistik Art. 16 Allgemeine Aufsicht 1 Der Bundesrat beaufsichtigt den Vollzug dieses Gesetzes, Er erlässt insbesondere Vorschriften für eine einheitliche Durchführung der sozialen Krankenversicherung durch die Versicherer.

2 Das Bundesamt für Sozialversicherung beaufsichtigt die Durchführung der in diesem Gesetz vorgesehenen Versicherungen. Es kann den Versicherern Wei-_ sungen erteilen, von ihnen alle erforderlichen Auskünfte und Belege einverlangen sowie Inspektionen durchführen. Die Versicherer müssen ihm die Jahresberichte, die Jahresrechnungen und die Prämientarife für die in diesem Gesetz vorgesehenen Versicherungen einreichen. Die Prämientarife der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der Taggeldversicherung (Art. 59-69) bedürfen der Genehmigung des Bundesamtes, 3 Die Krankenkassen, die Rückversicherer nach Artikel 11 Absatz l Buchstabe b und die gemeinsame Einrichtung unterstehen der Aufsicht des Bundesamtes für Sozialversicherung. Dieses beaufsichtigt die Durchführung der in Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben b und c genannten Versicherungen nach den vom Bundesamt 262

Krankenversicherung. BG

für Privatversicherungswesen angewandten Grundsätzen und im Einvernehmen mit ihm.

4

Missachtet ein Versicherer die gesetzlichen Vorschriften, kann das Bundesamt für Sozialversicherung, je nach Art und Schwere der Mängel: a. Massnahmen zur Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes auf Kosten des Versicherers ergreifen; b. dem Departement beantragen, dass einer Krankenkasse die Anerkennung oder einem anderen Versicherer die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung entzogen wird.

5 Die besonderen Bestimmungen über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungseinrichtungen bleiben vorbehalten.

Art. 17 Kontrolle der Verwaltungskosten 1 Die Versicherer haben die Verwaltungskosten für die soziale Krankenversicherung auf das für eine wirtschaftliche Geschäftsführung erforderliche Mass zu beschränken.

2 Der Bundesrat kann vorschreiben, dass die Verwaltungskosten nicht mehr als die Löhne im allgemeinen steigen. Er kann diese Aufgabe dem Departement oder dem Bundesamt übertragen.

Art. 18 Statistik 1 Der Bundesrat erlässt Bestimmungen über die Erstellung, die Auswertung und die Veröffentlichung der zur Durchführung dieses Gesetzes benötigten Statistiken sowie über den Zugang zu den gesammelten Daten. Er sorgt dafür, dass der Persönlichkeitsschutz gewährleistet ist.

2 Die Versicherer sowie die Behörden des Bundes und der Kantone wirken bei der Erstellung der Statistiken mit. Der Bundesrat kann die Pflicht zur Mitwirkung auf andere Personen und Organisationen ausdehnen; er hört diese zuvor an.

3. Kapitel : Leistungen 1. Abschnitt: Umschreibung des Leistungsbereichs Art. 19 Im allgemeinen 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.

2 Diese Leistungen umfassen: a. die Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die ein Aizt, ein Chiropraktor oder Personen, die auf ärztliche Anordnung hin Leistun263

Krankenversicherung. BG

b.

c.

d.

e.

f.

gen erbringen, ambulant, beim Patienten zu Hause, stationär, teilstationär oder in einem Pflegeheim durchführen; die von einem Arzt oder, unter den vom Bundesrat bestimmten Voraussetzungen, von einem Chiropraktor verordneten Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände; einen Beitrag an die Kosten von ärztlich angeordneten Badekuren; die von einem Arzt durchgeführten oder angeordneten Massnahmen der medizinischen Rehabilitation; den Aufenthalt in der allgemeinen Abteilung eines Spitals oder einer Einrichtung der teilstationären Krankenpflege ; einen Beitrag an die Transportkosten bei Notfällen sowie an die Rettungskosten.

Art. 20 Medizinische Prävention Die obligatorische Kranlcenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die von einem Arzt durchgeführten oder angeordneten Massnahmen der medizinischen Prävention sowie für die dabei erforderlichen Analysen, Medikamente, Mittel und Gegenstände.

Art. 21 Geburtsgebrechen Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt bei Geburtsgebrechen, die nicht durch die Invalidenversicherung gedeckt sind, die Kosten für die gleichen Leistungen wie bei Krankheit.

Art. 22 Unfälle Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt bei Unfällen nach Artikel l Absatz 2 Buchstabe b die Kosten für die gleichen Leistungen wie bei Krankheit.

Art. 23 Mutterschaft 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt neben den Kosten für die gleichen Leistungen wie bei Krankheit die Kosten der besonderen Leistungen bei Mutterschaft.

2 Diese Leistungen umfassen: a. die von einem Arzt durchgeführten oder angeordneten Kontrolluntersuchungen während und nach der Schwangerschaft; b. die Entbindung zu Hause, in einem Spital oder einer Einrichtung der teilstationären Krankenpflege sowie die Geburtshilfe durch einen Arzt oder eine Hebamme; c. die notwendige Stillberatung.

264

Krankenversicherung. BG

Art. 24 Strafloser Abbruch der Schwangerschaft Bei straflosem Abbruch einer Schwangerschaft nach Artikel 120 des Strafgesetzbuches ') übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für die gleichen Leistungen wie bei Krankheit.

Art. 25 Zahnärztliche Behandlungen 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten der zahnärztlichen Behandlung, wenn diese: a. durch eine schwere Krankheit oder ihre Folgen bedingt ist; oder b. zur Behandlung einer schweren Krankheit oder ihrer Folgen notwendig ist.

· Sie übernimmt auch die Kosten der Behandlung von Schäden des Kausystems, die durch einen Unfall nach Artikel l Absatz 2 Buchstabe b verursacht worden sind.

2. Abschnitt: Voraussetzungen und Umfang der Kostenübernahme Art. 26 Voraussetzungen 1 Die Leistungen nach den Artikeln 19-25 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein.

2 Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft.

Art. 27 Bezeichnung der Leistungen 1 Der Bundesrat kann die von einem Arzt oder Chiropraktor erbrachten Leistungen bezeichnen, deren Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht oder unter bestimmten Bedingungen übernommen werden.

2 Er bezeichnet die nicht von einem Arzt oder Chiropraktor erbrachten Leistungen nach Artikel 19 Absatz 2 sowie die Leistungen nach den Artikeln 20, 23 Absatz 2 Buchstaben a und c und 25 Absatz l näher.

3 Er bestimmt, in welchem Umfang die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten einer neuen oder umstrittenen Leistung übernimmt, deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit sich noch in Abklärung befinden.

4 Er setzt Fachkommissionen ein, die ihn bei der Bezeichnung der Leistungen beraten. Er sorgt für die Koordination der Arbeit der genannten Kommissionen.

5 Er kann die Aufgaben nach den Absätzen 1-4 dem Departement oder dem Bundesamt übertragen.

·> SR 311.0

265

Krankenversicherung. BG Art. 28 Umfang 1 Die Versicherer dürfen im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung keine anderen Kosten als diejenigen für die Leistungen nach den Artikeln 19-27 übernehmen.

2 Der Bundesrat kann bestimmen, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten von Leistungen nach den Artikeln 19 Absatz 2 oder 23 übernimmt, die aus medizinischen Gründen im Ausland erbracht werden. Er kann bestimmen, in welchen Fällen die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten einer Entbindung übernimmt, die aus andern als medizinischen Gründen im Ausland erfolgt. Er kann die Übernahme der Kosten von Leistungen, die im Ausland erbracht werden, begrenzen, 4. Kapitel : Leistungserbringer 1. Abschnitt: Zulassung Art. 29 Grundsatz 1 Zur Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sind die Leistungserbringer zugelassen, welche die Voraussetzungen nach den Artikeln 30-34 erfüllen.

2 Leistungserbringer sind: a. Ärzte; b. Apotheker; c. Chiropraktoren; d. Hebammen; e. Personen, die auf ärztliche Anordnung hin Leistungen erbringen, und Organisationen, die solche Personen beschäftigen; f. Laboratorien; g. Abgabestellen für Mittel und Gegenstände, die der Untersuchung oder Behandlung dienen; h. Spitäler; i. Einrichtungen, die der teilstationären Krankenpflege dienen; k. Pflegeheime; 1. Heilbäder.

Art. 30 Ärzte 1 Ärzte sind zugelassen, wenn sie das eidgenössische Diplom besitzen und über eine vom Bundesrat anerkannte Weiterbildung verfügen.

2 Der Bundesrat kann die Zulassung von Ärzten mit einem anderen wissenschaftlichen Befähigungsausweis vorsehen.

3 Zahnärzte sind für Leistungen nach Artikel 25 den Ärzten gleichgestellt.

266

Krankenversicherung. BG

Art. 31

Apotheker

1

Apotheker sind zugelassen, wenn sie das eidgenössische Diplom besitzen.

2 Der Bundesrat kann die Zulassung von Apothekern mit einem anderen wissenschaftlichen Befähigungsauswets vorsehen.

3

Er bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Ärzte mit einer kantonalen Bewilligung zur Führung einer Apotheke den zugelassenen Apothekern gleichgestellt sind.

Art. 32

Andere Leistungserbringer

Der Bundesrat regelt die Zulassung der Leistungserbringer nach Artikel 29 Absatz 2 Buchstaben c-g. Er hört zuvor die Kantone und die interessierten Organisationen an.

Art. 33

Spitäler und andere Einrichtungen

1

Anstalten oder deren Abteilungen, die der stationären Behandlung akuter Krankheiten oder der stationären Durchführung von Massnahmen der medizinischen Rehabilitation dienen (Spitäler), sind zugelassen, wenn sie: a. ausreichende ärztliche Betreuung gewährleisten; b. über das erforderliche Fachpersonal verfügen; c. über zweckentsprechende medizinische Einrichtungen verfügen; d. der von einem oder mehreren Kantonen gemeinsam aufgestellten Planung für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung entsprechen, wobei private Trägerschaften angemessen in die Planung einzubeziehen sind; e. auf der nach Leistungsaufträgen in Kategorien gegliederten Spitalliste des Kantons aufgeführt sind.

2

Die Voraussetzungen nach Absatz l gelten sinngemäss für Anstalten, Einrichtungen oder ihrer Abteilungen, die: a. der teilstationären Krankenpflege dienen; b. der Pflege und medizinischen Betreuung sowie der Rehabilitation von Langzeitpatienten dienen (Pflegeheime).

Art. 34 1

Heilbäder

Heilbäder sind zugelassen, wenn sie vom Departement anerkannt sind.

2

Der Bundesrat legt die Anforderungen fest, welche die Heilbäder hinsichtlich ärztlicher Leitung, Heilanwendungen und Heilquellen erfüllen müssen.

267

Krankenversicherung. BG

2. Abschnitt: Wahl des Leistungserbringers und Kostenübernahme Art. 35 1

Der Versicherte kann unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung seiner Krankheit geeignet sind, frei wählen. Bei ambulanter Behandlung muss der Versicherer die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der am Wohn- oder Arbeitsort des Versicherten oder in deren Umgebung gilt. Bei stationärer oder teilstationärer Behandlung muss der Versicherer die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der im Wohnkanton des Versicherten gilt.

2 Beansprucht der Versicherte aus medizinischen Gründen einen anderen Leistungserbringer, richtet sich die Kostenübernahme nach dem Tarif, der für diesen Leistungserbringer gilt. Medizinische Gründe liegen bei einem Notfall vor oder wenn die erforderlichen Leistungen nicht angeboten werden: a. bei ambulanter Behandlung am Wohn- oder Arbeitsort des Versicherten oder in deren Umgebung; b. bei stationärer oder teilstationärer Behandlung im Wohnkanton.

3 Beansprucht der Versicherte aus medizinischen Gründen die Dienste eines ausserhalb seines Wohnkantons befindlichen Öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitals, übernimmt der Wohnkanton die Differenz zwischen den in Rechnung gestellten Kosten und den Tarifen des betreffenden Spitals für Kantonseinwohner. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

4 Der Versicherte kann sein Wahlrecht im Einvernehmen mit dem Versicherer auf Leistungserbringer beschränken, die der Versicherer im Hinblick auf eine kostengünstigere Versorgung auswählt (Art. 54 Abs. l und 3). Der Versicherer muss dann nur die Kosten für Leistungen übernehmen, die von diesen Leistungserbringern ausgeführt oder veranlasst werden; Absatz 2 gilt sinngemäss.

3. Abschnitt: Schuldner der Vergütung; Rechnungstellung Art. 36 1

Haben Versicherer und Leistungserbringer nichts anderes vereinbart, schuldet der Versicherte dem Leistungserbringer die Vergütung der Leistung. Der Versicherte hat in diesem Fall gegenüber dem Versicherer einen Anspruch auf Rückerstattung (System des Tiers garant).

2 Versicherer und Leistungserbringer können vereinbaren, dass der Versicherer die Vergütung schuldet (System des Tiers payant).

3 Der Leistungserbringer muss dem Schuldner eine detaillierte und verständliche Rechnung zustellen. Er muss ihm auch alle Angaben machen, die er benötigt, um die Berechnung der Vergütung und die Wirtschaftlichkeit der Leistung Überprüften zu können. Der Bundesrat regelt das Nähere.

268

Krankenversicherung- BG 4

Der Versicherte kann verlangen, dass medizinische Angaben nur dem Vertrauensarzt des Versicherers (Art, 49) gemacht werden.

5

Der Versicherer kann eine genaue Diagnose oder zusätzliche Auskünfte medizinischer Natur verlangen.

4. Abschnitt: Tarife und Preise Art. 37 1

Grundsatz

Die Leistungserbringer erstellen ihre Rechnungen nach Tarifen oder Preisen.

2

Der Tarif ist eine Grundlage für die Berechnung der Vergütung; er kann namentlich: a. auf den benötigten Zeitaufwand abstellen (Zeittarif); b. für die einzelnen Leistungen Taxpunkte festlegen und den Taxpunktwert bestimmen (Einzelleistungstarif); c. pauschale Vergütungen vorsehen (Pauschaltarif).

3 Der Pauschaltarif kann sich auf die Behandlung je Patient (Patientenpauschale) oder die Versorgung je Versichertengruppe (Versichertenpauschale) beziehen. Versichertenpauschalen können prospektiv aufgrund der in der Vergangenheit erbrachten Leistungen und der zu erwartenden Bedürfnisse festgesetzt werden (prospektives Globalbudget).

4

Tarife und Preise werden in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern (Tarifvertrag) vereinbart oder in den vom Gesetz bestimmten Fällen von der zuständigen Behörde festgesetzt. Einzelleistungstarife müssen auf einer gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur beruhen, 5 Die Vertragspartner und die zuständigen Behörden haben darauf zu achten, dass eine qualitativ hochstehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten erreicht wird.

6

Der Bundesrat kann Grundsätze für eine wirtschaftliche Bemessung und eine sachgerechte Struktur sowie für die Anpassung der Tarife aufstellen. Er sorgt für die Koordination mit den Tarifordnungen der anderen Sozialversicherungen.

Art. 38

Tarifschutz

1

Die Leistungserbringer müssen sich an die vertraglich oder behördlich festgelegten Tarife und Preise halten und dürfen für Leistungen nach diesem Gesetz keine weitergehenden Vergütungen berechnen (Tarifschutz). Die Bestimmungen über die Vergütung für Mittel und Gegenstände, die der Untersuchung oder Behandlung dienen (Art. 44 Abs. l Est. a Ziff. 3), bleiben vorbehalten.

1

Lehnt ein Leistungserbringer es ab, Leistungen nach diesem Gesetz zu erbringen (Ausstand), so muss er dies der von der Kantonsregierung bezeichneten Stelle melden. Er hat in diesem Fall keinen Anspruch auf Vergütung nach die-

269

Krankenversicherung. BG

sem Gesetz. Wendet sich ein Versicherter an einen solchen Leistungserbringer, muss dieser ihn zuerst darauf hinweisen.

3 Ist die Behandlung der Versicherten nach diesem Gesetz wegen eines Ausstandes von Leistungserbringern nicht mehr gewährleistet, sorgt die Kantonsregierung nach Anhören von Vertretern der Leistungserbringer und der Versicherer durch befristete Massnahmen für die Sicherstellung der Behandlung; der Tarifschutz gilt auch in diesem Fall. Der Bundesrat kann nähere Bestimmungen erlassen.

Art. 39 Tarifvertrag 1 Parteien eines Tarifvertrages (Art, 37 Abs. 4) sind einzelne oder mehrere Leistungserbringer oder deren Verbände einerseits, sowie einzelne oder mehrere Versicherer oder deren Verbände anderseits.

2 Ist ein Verband Vertragspartei, so ist der Tarifvertrag für die Mitglieder des Verbandes nur verbindlich, wenn sie dem Vertrag beigetreten sind. Auch Nichtmitglieder, die im Vertragsgebiet tätig sind, können dem Vertrag beitreten. Der Vertrag kann vorsehen, dass sie einen angemessenen Beitrag an die Unkosten des Vertragsabschlusses leisten müssen. Er regelt die Art und Weise der Beitritts- sowie der Rücktrittserklärung und ihre Bekanntgabe.

3 Der Tarifvertrag bedarf der Genehmigung der zuständigen Kantonsregierung oder, wenn er in der ganzen Schweiz gelten soll, des Bundesrates. Die Genehmigungsbehörde prüft, ob der Tarifvertrag mit dem Gesetz und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit in Einklang steht.

4 Die Frist für die Kündigung eines Tarifvertrages und für die Rücktrittserklärung nach Absatz 2 beträgt mindestens sechs Monate.

Art. 40 Fehlen eines Tarifvertrages 1 Kommt zwischen Leistungserbringern und Versicherern kein Tarifvertrag zustande, setzt die Kantonsregierung nach Anhören der Beteiligten den Tarif fest.

2 Besteht für die ambulante Behandlung des Versicherten ausserhalb seines Wohn- oder Arbeitsortes oder deren Umgebung oder für die stationäre oder teilstationäre Behandlung des Versicherten ausserhalb seines Wohnkantons kein Tarifvertrag, so setzt die Regierung des Kantons, in dem die ständige Einrichtung des Leistungserbringers liegt, den Tarif fest, 3 Können sich Leistungserbringer und Versicherer nicht auf die Erneuerung eines Tarifvertrages einigen, kann die Kantonsregierung den bestehenden Vertrag um ein Jahr verlängern. Kommt in dieser Frist kein
Vertrag zustande, setzt sie nach Anhören der Beteiligten den Tarif fest.

4 Können sich die Tarifpartner nicht auf eine einheitliche Tarifstruktur einigen (Art. 37 Abs. 4), legt der Bundesrat diese fest.

270

Krankenversicherung. BG

Art. 41

Tarifverträge mit Ärzteverbänden

1

Bei der Genehmigung eines Tarifvertrages mit einem oder mehreren Ärzteverbänden setzt die Genehmigungsbehörde (Art. 39 Abs. 3) nach Anhören der Vertragsparteien einen Rahmentarif fest, dessen Mindestansätze unter und dessen Höchstansätze über denjenigen des genehmigten Vertragstarifes liegen.

2 Der Rahmentarif kommt beim Wegfall des Tarifvertrags zur Anwendung. Ein Jahr nach dem Wegfall des Tarifvertrages kann die Genehmigungsbehörde den Rahmen ohne Rücksicht auf den früheren Vertragstarif neu festsetzen.

3 Kommt ein Tarifvertrag mit einem Ärzteverband von Anfang an nicht zustande, kann die Genehmigungsbehörde auf Antrag der Parteien einen Rahmentarif festlegen.

4

Für Parteien, die einen neuen Tarifvertrag abgeschlossen haben, tritt der Rahmentarif mit der Vertragsgenehmigung ausser Kraft.

Art, 42 Tarifverträge mit Spitälern 1 Für die Vergütung der stationären Behandlung einschliesslich Aufenthalt in einem Spital (Art. 33 Abs. 1) vereinbaren die Vertragsparteien Pauschalen, die für Kantonseinwohner bei öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern höchstens 50 Prozent der anrechenbaren Kosten je Patient oder Versichertengruppe in der allgemeinen Abteilung decken. Die anrechenbaren Kosten werden bei Vertragsabschluss ermittelt. Investitionskosten sowie Kosten für Lehre und Forschung werden nicht angerechnet.

2 Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass besondere diagnostische oder therapeutische Leistungen nicht in der Pauschale enthalten sind, sondern getrennt in Rechnung gestellt werden. Für diese Leistungen dürfen sie für Kantonseinwohner bei öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern höchstens 50 Prozent der anrechenbaren Kosten berücksichtigen.

3 Bei Spitalaufenthalten richtet sich die Vergütung nach dem Spitaltarif gemäss den Absätzen l und 2, solange der Patient nach medizinischer Indikation der Behandlung und Pflege oder der medizinischen Rehabilitation im Spital bedarf.

Ist diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt, kornrat für den Spitalaufenthalt der Tarif nach Artikel 43 zur Anwendung.

4 Mit den Vergütungen nach den Absätzen 1-3 sind alle Ansprüche des Spitals für die allgemeine Abteilung abgegolten.

s

Der Bundesrat erlässt Bestimmungen über den Vergütungsmodus bei partiellem Aufenthalt in einem Spital.

6

Die Spitäler ermitteln ihre Kosten und erfassen ihre Leistungen nach einheitlicher Methode; sie führen hiezu eine Kostenstellenrechnung und eine Leistungsstatistik. Der Bundesrat erlässt die nötigen Bestimmungen. Die Kantonsregierung und die Vertragsparteien können die Unterlagen einsehen.

271

Krankenversicherung. BG

7

Die Kantonsregierungen oder der Bundesrat können Betriebsvergleiche zwischen Spitälern anordnen. Die Spitäler und die Kantone müssen dafür die nötigen Unterlagen liefern. Ergibt der Betriebsvergleich, dass die Kosten eines Spitals deutlich über den Kosten vergleichbarer Spitäler liegen, oder sind die Unterlagen eines Spitals ungenügend, können die Versicherer den Vertrag ohne Einhaltung der Kündigungsfrist nach Artikel 39 Absatz 4 kündigen und der Genehmigungsbehörde (Art. 39 Abs. 3) beantragen, die Tarife auf das richtige Mass zurückzuführen.

Art. 43 Tarifverträge mit Pflegeheimen Beim Aufenthalt in einem Pflegeheim (Art. 33 Abs. 2 Bst. b) vergütet der Versicherer die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege und bei Krankenpflege zu Hause. Er kann mit dem Pflegeheim pauschale Vergütungen vereinbaren. Die Absätze 6 und 7 von Artikel 42 sind sinngemäss anwendbar.

Art. 44 Analysen und Arzneimittel, Mittel und Gegenstände 1 Nach Anhören der zuständigen Fachkommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 26 Absatz l und 37 Absatz 5 : a. erlässt das Departement: 1. eine Liste der Analysen mit Tarif, 2. eine Liste der in der Rezeptur verwendeten Präparate, Wirk- und Hilfsstoffe mit Tarif; dieser umfasst auch die Leistungen des Apothekers, 3. Bestimmungen über die Leistungspflicht und den Umfang der Vergütung bei Mitteln und Gegenständen, die der Untersuchung oder Behandlung dienen; b. erstellt das Bundesamt eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen.

2 Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder der Behandlung dienende Mittel und Gegenstände dürfen höchstens nach den Tarifen, Preisen und Vergütungsansätzen gemäss Absatz l verrechnet werden. Der Bundesrat bezeichnet die im Praxislabor des Arztes vorgenommenen Analysen, für die der Tarif nach den Artikeln 39 und 41 festgesetzt werden kann.

Art. 45 Beschwerde an den Bundesrat 1 Gegen Beschlüsse der Kantonsregierung nach den Artikeln 38 Absatz 3, 39 Absatz 3, 40, 41 Absätze 1-3 und 42 Absatz 7 kann Beschwerde an den Bundesrat erhoben werden.

2 Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren '), ') SR 172.021

272

Krankenversicherung. BG 5. Abschnitt: Außerordentliche Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung Art. 46 Globalbudgetierung durch den Bundesrat 1 Wenn dies zur Eindämmung der Kostenentwicklung erforderlich ist, kann der Bundesrat für eine befristete Zeit in einzelnen Kantonen oder in der ganzen Schweiz das Vergütungsvolumen für einzelne oder alle Kategorien von Leistungserbringern durch Gesamtbeträge festlegen (Globalbudgetierung). Er berücksichtigt dabei insbesondere die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung.

2 Die betroffenen Kantone und Verbände der Leistungserbringer und Versicherer sind vorher anzuhören.

3 Die Leistungserbringer, für die eine Globalbudgetierung erlassen wurde, regeln gemeinsam die Aufteilung des festgelegten Gesamtbetrages und übertragen die Auszahlung der Vergütungen einer geeigneten Institution. Haben sie sich vier Monate nach der Festlegung des Gesamtbetrages durch den Bundesrat (Abs. 1) über dessen Aufteilung und Auszahlung nicht geeinigt, erlässt der Bundesrat die notwendigen Bestimmungen.

Art. 47

Einschränkung der Zulassung zur Tätigkeit zu Lasten der Krankenversicherung 1 Wenn dies zur Eindämmung der Kostenentwicklung erforderlich ist, kann der Bundesrat für eine befristete Zeit die Zulassung von Leistungserbringern zur Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nach den Artikeln 30-34 von weiteren Bedingungen abhängig machen.

2 Er kann die Zulassung insbesondere von einem Bedürfnisnachweis abhängig machen.

* Die betroffenen Kantone und Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer sind vorher anzuhören.

6. Abschnitt: Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und der Qualität der Leistungen Art. 48 Wirtschaftlichkeit der Leistung 1 Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse des Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.

* Für Leistungen, die über dieses Mass hinausgehen, kann die Vergütung verweigert werden. Eine nach diesem Gesetz dem Leistungserbringer zu Unrecht bezahlte Vergütung kann zurückgefordert werden. Rückforderungsberechtigt ist: 273

Krankenversicherung. BG

a. im System des Tiers garant (Art. 36 Abs. 1) der Versicherte oder nach Artikel 81 Absatz 3 der Versicherer; b. im System des Tiers payant (Art. 36 Abs. 2) der Versicherer.

3 Der Leistungserbringer muss an den Schuldner der Vergütung direkte oder indirekte Vergünstigungen weitergeben, die ihm: a. ein anderer, in seinem Auftrag tätiger Leistungserbringer gewährt; b. Personen oder Einrichtungen gewähren, welche Arzneimittel oder der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel oder Gegenstände liefern.

4 Gibt der Leistungserbringer die Vergünstigung nicht weiter, so können der Versicherte oder der Versicherer deren Herausgabe verlangen.

Art. 49 Vertrauensärzte 1 Die Versicherer oder ihre Verbände bestellen nach Rücksprache mit den kantonalen Ärztegesellschaften Vertrauensärzte. Diese müssen die Zulassungsvoraussetzungen nach Artikel 30 erfüllen und mindestens drei Jahre in einer Arztpraxis tätig gewesen sein.

2 Vertrauensärzte, die in der ganzen Schweiz tätig sein sollen, müssen ini Einvernehmen mit der Ärztegesellschaft des Kantons bestellt werden, in dem der Versicherer seinen Hauptsitz oder der Verband der Versicherer seinen Sitz hat.

3 Bestreitet eine kantonale Ärztegesellschaft das Recht eines Arztes, als Vertrauensarzt tätig zu sein, entscheidet das Schiedsgericht nach Artikel 81.

4 Der Vertrauensarzt berät den Versicherer in medizinischen Fachfragen sowie in Fragen der Vergütung und der Tarifanwendung. Er überprüft insbesondere die Voraussetzungen der Leistungspflicht des Versicherers.

5 Der Vertrauensarzt ist in seinem Urteil unabhängig. Weder der Versicherer noch der Leistungserbringer oder deren Verbände können ihm Weisungen erteilen.

6 Die Leistungserbringer müssen den Vertrauensärzten die für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach Absatz 4 notwendigen Angaben liefern. Wenn es nicht möglich ist, diese Angaben anders zu erlangen, kann der Vertrauensarzt einen Versicherten auch persönlich untersuchen; er muss den behandelnden Arzt vorher benachrichtigen und ihm das Ergebnis mitteilen. Der Versicherte kann jedoch in begründeten Fällen verlangen, dass die Untersuchung von einem anderen Arzt als dem Vertrauensarzt durchgeführt wird. Kann er sich mit dem Versicherer über den Arzt nicht einigen, so entscheidet das Schiedsgericht nach Artikel 81.

7 Die Vertrauensärzte geben den zuständigen
Stellen der Versicherer nur diejenigen Angaben weiter, die nowendig sind, um über die Leistungspflicht zu entscheiden, die Vergütung festzusetzen oder eine Verfügung zu begründen. Dabei wahren sie die Persönlichkeitsrechte der Versicherten.

274

Krankenversicherung. BG 8

Die eidgenössischen Dachverbände der Äizte und der Versicherer regeln die Weitergabe der Angaben nach Absatz 7 sowie die Weiterbildung und die Stellung der Vertrauensärzte. Können sie sich nicht einigen, erlässt der Bundesrat die nötigen Vorschriften.

Art. 50

Qualitätssicherung

1

Der Bundesrat kann nach Anhören der interessierten Organisationen systematische wissenschaftliche Kontrollen zur Sicherung der Qualität oder des zweckmässigen Einsatzes der von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommenen Leistungen vorsehen.

2

Er kann die Durchführung der Kontrollen den Berufsverbänden oder anderen Einrichtungen übertragen.

3 Er regelt, mit welchen Massnahmen die Qualität oder der zweckmässige Einsatz der Leistungen zu sichern oder widerherzustellen ist: Er kann den Versicherern insbesondere vorschreiben, dass vor der Durchführung bestimmter, namentlich besonders aufwendiger Diagnose- und Behandlungsverfahren die Zustimmung des Vertrauensarztes eingeholt wird.

Art. 51

Ausschluss von Leistungserbringern

Will ein Versicherer einem Leistungserbringer aus wichtigen Gründen, insbesondere bei Verstössen gegen die Anforderungen nach den Artikeln 48 und 50, die Tätigkeit nach diesem Gesetz für seine Versicherten nicht oder nicht mehr gestatten, so hat das Schiedsgericht nach Artikel 81 zu entscheiden.

5. Kapitel: Finanzierung 1. Abschnitt: Finanzierungsverfahren und Rechnungslegung

Art. 52 1

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung wird nach dem Ausgabenumlageverfahren finanziert. Die Versicherer bilden für bereits eingetretene Krankheiten und zur Sicherstellung der längerfristigen Zahlungsfähigkeit ausreichende Reserven.

2

Die Finanzierung muss selbsttragend sein. Die Versicherer weisen die Rückstellungen und Reserven für die obligatorische Krankenpflegeversicherung in der Bilanz gesondert aus.

3 Die Versicherer führen für die obligatorische Krankenpflegeversicherung eine besondere Betriebsrechnung. Rechnungsjahr ist das Kalenderjahr.

4

Der Bundesrat erlässt die notwendigen Vorschriften, insbesondere über die Rechnungsführung, die Rechnungsablage, die Rechnungskontrolle, die Reservebildung und die Kapitalanlagen.

275

Krankenversicherung. BG 2. Abschnitt: Prämien der Versicherten Art. 53 Grundsatz 1 Der Versicherer legt die Prämien für seine Versicherten fest. Soweit dieses Gesetz keine Ausnahme vorsieht, erhebt der Versicherer von seinen Versicherten die gleichen Prämien.

1 Der Versicherer kann die Prämien nach den ausgewiesenen regionalen Kostenunterschieden abstufen. Massgebend ist der Wohnort des Versicherten. Innerhalb eines Kantons können höchstens drei regionale Abstufungen gemacht werden.

3 Für Versicherte bis zum vollendeten 18. Altersjahr (Kinder) hat der Versicherer eine tiefere Prämie festzusetzen als für ältere Versicherte (Erwachsene).

Art. 54 Besondere Versicherungsformen 1 Der Versicherer kann die Prämien für Versicherungen mit eingeschränkter Wahl des Leistungserbringers nach Artikel 35 Absatz 4 vermindern.

2 Der Bundesrat kann Versicherungsformen zulassen bei denen: a. der Versicherte die Möglichkeit erhält, sich stärker an den Kosten zu beteiligen als nach Artikel 56 und dafür eine Prämienermässigung zu bekommen; b. die Höhe der Prämie des Versicherten sich danach richtet, ob er während einer bestimmten Zeit Versicherungsleistungen in Anspruch nimmt oder nicht.

3 Der Bundesrat regelt die besonderen Versicherungsformen näher. Er legt insbesondere Höchstgrenzen für die Prämienermässigungen und Mindestgrenzen für die Prämienzuschläge fest.

Art. 55 Entschädigungen an Dritte 1 Übernimmt ein Arbeitgeber, ein Arbeitgeberverband, ein Arbeitnehmerverband oder eine Fürsorgebehörde Aufgaben zur .Durchführung der Krankenversicherung, kann ihnen der Versicherer dafür eine angemessene Entschädigung ausrichten.

2 Der Bundesrat legt Höchstgrenzen für die Entschädigungen fest.

3. Abschnitt: Kostenbeteiligung Art. 56 1

Die Versicherten beteiligen sich an den Kosten der für sie erbrachten Leistungen.

2 Diese Kostenbeteiligung besteht aus: a. einem festen Jahresbetrag (Franchise) und b. 10 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten (Selbstbehalt).

276

Krankenversicherung. BG

3

Der Bundesrat bestimmt die Franchise und setzt für den Selbstbehalt einen jährlichen Höchstbetrag fest.

4 Für Kinder gilt die Hälfte der Franchise und des Höchstbetrages des Selbstbehaltes. Sind mehrere Rinder einer Familie beim gleichen Versicherer versichert, so sind für sie zusammen höchstens die Franchise und der Höchstbetrag des Selbstbehaltes eines Erwachsenen zu entrichten.

5 Die Versicherten leisten zudem einen nach der finanziellen Belastung der Familien abgestuften Beitrag an die Kosten des Aufenthalts im Spital. Der Bundesrat setzt den Beitrag fest.

6 Der Bundesrat kann: a. für bestimmte Leistungen eine höhere Kostenbeteiligung vorsehen; b. für Dauerbehandlungen sowie für Behandlungen schwerer Krankheiten die Kostenbeteiligung herabsetzen oder aufheben; c. die Kostenbeteiligung bei einer Versicherung mit eingeschränkter Wahl des Leistungserbringers nach Artikel 35 Absatz 4 aufheben, wenn sie sich als nicht zweckmässig erweist.

7 Der Versicherer darf keine Kostenbeteiligung erheben: a. für Massnahmen der medizinischen Prävention; b. auf den Leistungen bei Mutterschaft.

4. Abschnitt: Beiträge der öffentlichen Hand Art. 57 Beiträge des Bundes zur Prämienverbilligung 1 Der Bund gewährt den Kantonen jährlich Beiträge, zur Verbilligung der Prämien im Sinne von Artikel 58.

2 Die jährlichen Beiträge des Bundes an die Kantone werden unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der Finanzlage des Bundes durch einfachen Bundesbeschluss für jeweils vier Jahre festgesetzt.

3 Der Bundesrat setzt die Anteile der einzelnen Kantone am Bundesbeitrag nach deren Wohnbevölkerung und Finanzkraft fest.

4 Er bestimmt nach der Finanzkraft der Kantone, in welchem Masse diese den Bundesbeitrag aus eigenen Mitteln mindestens zu erhöhen haben. Der Gesamtbeitrag, den die Kantone zu leisten haben, muss mindestens der Hälfte des gesamten Bundesbeitrages entsprechen.

Art. 58 Prämienverbilligung durch die Kantone 1 Übersteigt die Prämie eines Versicherten für die obligatorische Krankenpflegeversicherung zusammen mit den Prämien von Familienangehörigen, für die er unterhaltspflichtig ist, einen vom Kanton festgelegten Prozentsatz des Einkom13 Bundcsblalt 144.Jahrgang. Bd.I

277

Krankenversicherung. BG mens, so übernimmt der Kanton den überschiessenden Betrag. Zuständig ist jener Kanton, in dem der Versicherte bundessteuerpflichtig ist.

1 Der Prozentsatz ist so festzulegen, dass die Beiträge von Bund und Kanton nach Artikel 57 grundsätzlich voll ausbezahlt werden. Differenzen sind auf das folgende Jahr zu Übertragen. Der Kanton kann festlegen, dass geringfügige Beiträge den Versicherten nicht ausbezahlt werden müssen.

3 Als Einkommen gilt das steuerbare Einkommen der direkten Bundessteuer, erhöht um einen vom Kanton festgelegten Zuschlag für das nach kantonalem Recht steuerbare Vermögen.

4 Die Steuerwerte sind der letzten rechtskräftigen Veranlagung zu entnehmen.

Liegt die Veranlagung mehr als drei Jahre zurück, gilt die provisorische Einschätzung; fehlt diese für die direkte Bundessteuer, gilt die letzte rechtskräftige Veranlagung oder provisorische Einschätzung für die kantonale .Einkommensoder Erwerbssteuer.

5 Der Bundesrat kann die eidgenössischen und die kantonalen Steuerbehörden verpflichten, den zuständigen kantonalen Behörden die Auskünfte zu geben, die sie zur Festsetzung der Prämienverbilligungen brauchen.

3. Titel: Freiwillige Taggeldversicherung Art. 59 Beitritt 1 Wer in der Schweiz Wohnsitz hat oder erwerbstätig ist und das 15., aber noch nicht das 65. Altersjahr zurückgelegt hat, kann sich bei einem Versicherer nach Artikel 60 für ein Taggeld versichern.

2 Er kann einen anderen Versicherer wählen als für die obligatorische Krankenpflegeversicherung.

3 Die Taggeldversicherung kann als Kollektivversicherung abgeschlossen werden. Kollektiwersicherungen können abgeschlossen werden von: a. Arbeitgebern für sich und ihre Arbeitnehmer; b. Arbeitgeberorganisationen und Berufsverbänden für ihre Mitglieder und die Arbeitnehmer ihrer Mitglieder; c. Arbeitnehmerorganisationen für ihre Mitglieder.

Art. 60 Versicherer 1 Die Versicherer nach Artikel 8 müssen in ihrem örtlichen Tätigkeitsbereich jede zum Beitritt berechtigte Person aufnehmen.

2 Das Departement anerkennt auch Krankenkassen, die ihre Tätigkeit ausschliesslich auf die Taggeldversicherung für Angehörige eines Betriebes oder Berufsverbandes beschränken, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen der Artikel 9 und 10 erfüllen.

3 Die Artikel 8-14 gelten sinngemäss.

278

Krankenversicherung. BG

Art. 61

Versicherungsvorbehalt

1

Die Versicherer können Krankheiten, die bei der Aufnahme bestehen, durch einen Vorbehalt von der Versicherung ausschliessen. Das gleiche gilt für frühere Krankheiten, die erfahrungsgemäss zu Rückfällen führen können.

1

Der Versicherungsvorbehalt fällt spätestens nach fünf Jahren dahin. Der Versicherte kann vor Ablauf dieser Frist den Nachweis erbringen, dass der Vorbehalt nicht mehr gerechtfertigt ist.

3

Der Versicherungsvorbehalt ist nur gültig, wenn er dem Versicherten schriftlich mitgeteilt wird und die vorbehaltene Krankheit sowie Beginn und Ende der Vorbehaltsfrist in der Mitteilung genau bezeichnet sind.

4

Die Absätze 1-3 sind bei einer Erhöhung des versicherten Taggeldes und bei einer Verkürzung der Wartefrist sinngemäss anwendbar.

Art. 62

Wechsel des Versicherers

1

Der neue Versicherer darf keine neuen Vorbehalte anbringen, wenn der Versicherte den Versicherer wechselt, weil: a. die Aufnahme oder die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses dies verlangt; b. er aus dem Tätigkeitsbereich des bisherigen Versicherers ausscheidet; oder c. der bisherige Versicherer die soziale Krankenversicherung nicht mehr durchführt.

2

Der neue Versicherer kann Vorbehalte des bisherigen Versicherers bis zum Ablauf der ursprünglichen Frist weiterführen.

3

Der bisherige Versicherer hat dem Versicherten schriftlich mitzuteilen, dass er ein Recht auf Freizügigkeit hat. Unterlässt er diese Mitteilung, bleibt der Versicherungsschutz beim bisherigen Versicherer bestehen. Der Versicherte hat sein Recht auf Freizügigkeit innert drei Monaten nach Erhalt der Mitteilung geltend zu machen.

* Der neue Versicherer muss auf Verlangen des Versicherten das Taggeld im bisherigen Umfang weiterversichern. Er kann dabei die beim bisherigen Versicherer bezogenen Taggelder auf die Dauer der Bezugsberechtigung nach Artikel 64 anrechnen.

Art. 63

Ausscheiden aus einer Kollektivversicherung

1

Scheidet ein Versicherter aus der Kollektiwersicherung aus, weil er nicht mehr zu dem im Vertrag umschriebenen Kreis der Versicherten zählt oder weil der Vertrag aufgelöst wird, hat er das Recht, in die Einzelversicherung des Versicherers überzutreten. Soweit der Versicherte in der Einzelversicherung nicht höhere Leistungen versichert, dürfen keine neuen Versicherungsvorbehalte angebracht werden; das im Kollektiwertrag massgebende Eintrittsalter ist beizubehalten.

279

Krankenversicherung. BG

1

Der Versicherer hat dem Versicherten schriftlich mitzuteilen, dass er das Recht zum Übertritt in die Einzelversicherung hat. Unterlässt er diese Mitteilung, so bleibt der Versicherte in der Kollektivversicherang. Der Versicherte hat sein Übertrittsrecht innert drei Monaten nach Erhalt der Mitteilung geltend zu machen.

Art. 64 Leistungen 1 Die Versicherer vereinbaren mit den Versicherungsnehmern das versicherte Taggeld.

2 Die Versicherer haben das versicherte Taggeld bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit zu leisten. Ist nichts anderes vereinbart, entsteht der Anspruch am dritten Tag nach der Erkrankung. Der Leistungsbeginn kann gegen eine entsprechende Herabsetzung der Prämie aufgeschoben werden.

3 Das Taggeld ist für eine oder mehrere Erkrankungen während mindestens 720 Tagen innerhalb von 900 Tagen zu leisten.

Art. 65 Koordination mit der Arbeitslosenversicherung 1 Arbeitslosen ist bei einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als 50 Prozent das volle Taggeld und bei einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als 25, aber höchstens 50 Prozent das halbe Taggeld ausrichten, sofern die Versicherer aufgrund ihrer Versicherungsbedingungen oder vertraglicher Vereinbarungen bei einem entsprechenden Grad der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich Leistungen erbringen.

2 Arbeitslose Versicherte haben gegen angemessene Prämienanpassung Anspruch auf Änderung ihrer bisherigen Versicherung in eine Versicherung mit Leistungsbeginn ab 31. Tag unter Beibehaltung der bisherigen Taggeldhöhe und ohne Berücksichtigung des Gesundheitszustandes im Zeitpunkt der Änderung.

Art. 66 Taggeld bei Mutterschaft 1 Die Versicherer haben bei Schwangerschaft und Niederkunft das versicherte Taggeld auszurichten, wenn die Versicherte bis zum Tag ihrer Niederkunft während mindestens 270 Tagen und ohne Unterbrechung von mehr als drei Monaten versichert war.

2 Das Taggeld ist während zehn Wochen zu leisten, wovon mindestens sechs Wochen nach der Niederkunft liegen müssen. Es darf nicht auf die Dauer der Bezugsberechtigung nach Artikel 64 Absatz 3 angerechnet werden und ist auch nach deren Ausschöpfung zu leisten.

3 Die Versicherte hat Anspruch auf das Taggeld, wenn sie während des Bezuges keine gesundheitsschädliche Arbeit verrichtet.

280

Krankenversicherung. BG Art. 67 Finanzierungsverfahren und Rechnungsablage 1 Die Taggeldversicherung wird nach dem Ausgabenumlageverfahren finanziert.

Die Versicherer bilden für bereits eingetretene Krankheiten und zur Sicherstellung der längerfristigen Zahlungsfähigkeit ausreichende Reserven. Im übrigen gelten die Absätze 2-4 von Artikel 52 sinngemäss.

2 Wendet der Versicherer in der Kollektiwersicherung einen Prämientarif an, der von der Einzelversicherung abweicht, muss er für die Einzel- und die Kollektivversicherung getrennte Rechnungen führen.

Art. 68

Prämien der Versicherten

1

Der Versicherer legt die Prämien für seine Versicherten fest. Er erhebt für gleiche versicherte Leistungen die gleichen Prämien, 2 Gilt für die Entrichtung des Taggeldes eine Wartefrist, hat der Versicherer die Prämien entsprechend zu reduzieren.

3 Der Versicherer kann die Prämien nach dem Eintrittsalter und nach Regionen abstufen. Artikel 53 Absatz 2 gilt sinngemäss.

4 Der Bundesrat kann für die Prämienreduktion nach Absatz 2 und für die Prämienabstufungen nach Absatz 3 nähere Vorschriften erlassen.

Art. 69 Prämien in der Kollektiwersicherung Die Versicherer können in der Kollektiwersicherung von der Einzelversicherung abweichende Prämien vorsehen. Diese sind so festzusetzen, dass die Kollektiwersichenmg mindestens selbsttragend ist. Der Bundesrat kann insbesondere die Prämienabweichungen begrenzen.

4. Titel: Koordinationsregeln 1. Kapitel : Leistungskoordination

Art. 70 1 Der Bundesrat regelt das Verhältnis der sozialen Krankenversicherung zu den anderen Sozialversicherungen, insbesondere in bezug auf: a. die Vorleistungspflicht und die nachträgliche Übernahme der zum voraus erbrachten Leistungen; b. die gegenseitige Meldepflicht über die Festsetzung und Änderung der Leistungen; c. die Abgrenzung der Leistungspflicht beim Zusammentreffen von Krankheit und Unfall; d. das Recht der Versicherer, Verfügungen, welche die Leistungspflicht einer anderen Sozialversicherung berühren, anzufechten.

2 Er sorgt dafür, dass die Versicherten oder die Leistungserbringer durch die Leistungen der sozialen Krankenversicherung oder durch deren Zusammentref281

Krankenversicherung. BG fen mit den Leistungen anderer Sozialversicherungen nicht überentschädigt werden, insbesondere beim Aufenthalt in einem Spital.

2. Kapitel: Rückgriff Art. 71 1 Gegenüber einem Dritten, der für den Versicherungsfall haftet, tritt der Versicherer im Zeitpunkt des Ereignisses bis zur Höhe der gesetzlichen Leistungen in die Ansprüche des Versicherten ein.

1 Ein Rückgriffsrecht steht dem Versicherer gegen den Ehegatten des Versicherten, Verwandte des Versicherten in auf- und absteigender Linie oder mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen nur zu, wenn sie den Versicherungsfall absichtlich oder grobfahrlässig herbeigeführt haben.

3 Der Bundesrat erlässt nähere Vorschriften über die Ausübung des Rückgriffsrechts.

S.Titel: Verfahren, Rechtspflege, Strafbestimmungen 1. Kapitel: Verfahren Art. 72 Verfügung 1 Ist der Versicherte mit einem Entscheid des Versicherers nicht einverstanden, muss dieser innert 30 Tagen nach dem ausdrücklichen Begehren des Versicherten eine schriftliche Verfügung erlassen.

2 Der Versicherer muss die Verfügung begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen; aus der mangelhaften Eröffnung einer Verfügung darf dem Betroffenen kein Nachteil erwachsen.

3 Der Versicherer darf den Erlass einer Verfügung nicht von der Erschöpfung eines internen Instanzenzuges abhängig machen.

Art. 73 Akteneinsicht Die Akten stehen den Beteiligten zur Einsicht offen. Schützenswerte private Interessen des Versicherten und seiner Angehörigen sowie schützenswerte öffentliche Interessen sind zu wahren. Der Bundesrat bezeichnet den Kreis der Beteiligten und regelt das Verfahren.

Art. 74 Amts- und Verwaltungshilfe 1 Die Verwaltungs- und Rechtspflegebehörden des Bundes, der Kantone, Bezirke, Kreise und Gemeinden geben den zuständigen Organen der sozialen Krankenversicherung auf Anfrage kostenlos die Auskünfte und Unterlagen, die für die Festsetzung, Änderung oder Rückforderung von Leistungen, für die Ver282

Krankenversicherung. BG

Hinderung ungerechtfertigten Leistungsbezuges, für die Festsetzung und den Bezug der Prämien oder für den Rückgriff auf haftpflichtige Dritte notwendig sind.

2 Die Versicherer nach Artikel 8 und die übrigen Sozialversicherer leisten einander im Einzelfall Verwaltungshilfe nach Absatz 1.

Art. 75 Schweigepflicht Personen, die an der Durchführung, der Kontrolle oder der Beaufsichtigung der sozialen Krankenversicherung beteiligt sind, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Dritten Schweigen zu bewahren. Wo keine schützenswerten privaten Interessen entgegenstehen, kann der Bundesrat Ausnahmen von der Schweigepflicht vorsehen.

Art. 76 Datenschutz Der Datenschutz richtet sich nach dem Bundesgesetz vom ... ') über den Datenschutz; die Artikel ... des genannten Gesetzes finden dabei jedoch keine Anwendung.

2. Kapitel: Rechtspflege Art. 77 Einsprache 1 Gegen Verfügungen kann innerhalb von 30 Tagen bei dem verfügenden Versicherer Einsprache erhoben werden.

2 Die Einspracheentscheide sind zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.

3 Das Einspracheverfahren ist kostenlos; Parteientschädigungen werden nicht ausgerichtet.

1 Der Versicherer darf den Erlass eines Einspracheentscheides nicht von der Erschöpfung eines internen Instanzenzuges abhängig machen.

Art. 78

Kantonales Versicherungsgericht

1

Gegen Einspracheentscheide kann Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung des Einspracheentscheides bei dem vom Kanton bezeichneten Versicherungsgericht einzureichen, das für die Entscheidung von Streitigkeiten der Versicherer unter sich oder mit Versicherten oder mit Dritten zuständig ist.

'> AS ...

283

Krankenversicherung. BG 2

Beschwerde kann auch erhoben werden, wenn der Versicherer entgegen dem Begehren des Betroffenen keine Verfügung oder keinen Einspracheentscheid erlässt.

3 Zuständig ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons, in dem der Versicherte oder Dritte zur Zeit der Beschwerdeerhebung seinen Wohnsitz oder der Versicherer, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, seinen Sitz hat. Befindet sich der Wohnsitz des Versicherten im Ausland, ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig, in dem sich der letzte schweizerische Wohnsitz des Versicherten befand oder in dem sein letzter schweizerischer Arbeitgeber Wohnsitz hat; lassen sich beide nicht ermitteln, ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig, in dem der Versicherer seinen Sitz hat. Bei Streitigkeiten der Versicherer unter sich ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig, in dem der beklagte Versicherer seinen Sitz hat.

4 Der Versicherer darf das Recht eines Versicherten, Beschwerde bei einem kantonalen Versicherungsgericht zu erheben, nicht von der Erschöpfung eines internen Instanzenzuges abhängig machen.

Art. 79 Verfahrensregeln Die Kantone regeln das Verfahren; es hat folgenden Anforderungen zu genügen: a. Das Verfahren muss einfach, rasch und für die Parteien kostenlos sein; einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, können jedoch eine Spruchgebühr und die Verfahrenskosten auferlegt werden.

b. Die Beschwerde muss eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, setzt das Gericht dem Beschwerdeführer eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird.

c. Das Gericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei.

d. Das Gericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden. Es kann eine Verfügung zuungunsten des Beschwerdeführers ändern oder diesem mehr zusprechen, als er verlangt hat, wobei den Parteien vorher Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist.

e. Rechtfertigen es die Umstände, werden die Parteien zur Verhandlung vorgeladen.

f. Das Recht, sich verbeiständen zu lassen, muss gewährleistet sein. Wo die
Verhältnisse es rechtfertigen, wird dem Beschwerdeführer ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.

g. Der obsiegende Beschwerdeführer hat Anspruch auf den vom Gericht festzusetzenden Ersatz der Parteikosten. Diese werden ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen.

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h. Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Gerichts, schriftlich eröffnet.

i. Die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen muss gewährleistet sein.

Art. 80 Vollstreckung 1 Verfügungen und Einspracheentscheide nach diesem Gesetz sind vollstreckbar, wenn: a. sie nicht mehr durch Rechtsmittel angefochten werden können; b. das zulässige Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat; c. die einem Rechtsmittel zukommende aufschiebende Wirkung entzogen wird.

2 Vollstreckbare Verfügungen und Einspracheentscheide, die auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichtet sind, stehen vollstreckbaren Urteilen im Sinne von Artikel 80 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs '> gleich.

Art. 81 Kantonales Schiedsgericht 1 Streitigkeiten zwischen Versicherern und Leistungserbringern entscheidet ein Schiedsgericht.

2 Zuständig ist das Schiedsgericht desjenigen Kantons, dessen Tarif zur Anwendung gelangt, oder desjenigen Kantons, in dem die ständige Einrichtung des Leistungserbringers liegt.

3 Das Schiedsgericht ist auch zuständig, wenn der Versicherte die Vergütung schuldet; in diesem Fall vertritt ihn sein Versicherer auf eigene Kosten.

4 Der Kanton bezeichnet das für sein Gebiet zuständige Schiedsgericht und regelt das Verfahren; dieses muss einfach und rasch sein. Das Schiedsgericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei.

5

Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Gerichts, schriftlich eröffnet.

Art. 82

Eidgenössisches Versicherungsgericht

Gegen Entscheide der kantonalen Versicherungsgerichte und Schiedsgerichte kann nach Massgabe des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundes'> SR 281.1 285

Krankenversicherung. BG rechtspflege '' Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht geführt werden.

3. Kapitel : Strafbestimmungen Art. 83 Vergehen Wer durch unwahre oder unvollständige Angaben oder in anderer Weise für sich oder einen anderen eine Leistung nach diesem Gesetz erwirkt, die ihm nicht zukommt, wer sich durch unwahre oder unvollständige Angaben oder in anderer Weise der Versicherungspflicht ganz oder teilweise entzieht, wer als Durchführungsorgan im Sinne dieses Gesetzes seine Pflichten, namentlich die Schweigepflicht, verletzt oder seine Stellung zum Nachteil Dritter, zum eigenen Vorteil oder zum unrechtmässigen Vorteil eines andern missbraucht, wird, sofern nicht ein mit einer höheren Strafe bedrohtes Verbrechen oder Vergehen des Schweizerischen Strafgesetzbuches2) vorliegt, mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bestraft.

Art. 84 Übertretungen Mit Haft oder Busse bestraft wird, wer vorsätzlich: a. in Verletzung der Auskunftspflicht unwahre Auskunft erteilt oder die Auskunft verweigert; b. sich der Pflicht zur Amts- und Verwaltungshilfe nach Artikel 74 entzieht; c. sich einer von der Aufsichtsbehörde angeordneten Kontrolle widersetzt oder diese auf eine andere Weise verunmöglicht.

Art. 85 Widerhandlung in Geschäftsbetrieben Die Artikel 6 und 7 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht 3> sind anwendbar.

Art. 86 Strafverfolgung Die Strafverfolgung ist Sache der Kantone.

') SR 173.110 > SR 311.0 » SR 313.0 2

286

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ó.Titel: Schlussbestimmungen I.Kapitel: Vollzug Art. 87 Der Bundesrat ist mit dem Vollzug dieses Gesetzes beauftragt. Er erlässt die Ausführungsbestimmungen.

2. Kapitel: Aufhebung und Änderung von Bundesgesetzen

Art. 88 1 Das Bundesgesetz vom 13. Juni 1911 1) über die Krankenversicherung wird aufgehoben.

2 Das Versicherungsaufsichtsgesetz vom 23. Juni 19782) wird wie folgt geändert: Art. 4 Abs. l Bst.fund g 1

Von der Aufsicht ausgenommen sind: f. die Krankenkassen im Sinne von Artikel 9 des Bundesgesetzes vom ...3) über die Krankenversicherung (KVG); g. die Stiftungen, welche die Rückversicherung nach Artikel 11 Absatz l Buchstabe b KVG betreiben.

Art. 5 Aufgehoben 3

Das Bundesgesetz vom 2. April 1908 4) über den Versicherungsvertrag wird wie folgt geändert:

Art. 100 Abs. 2 1 Für Versicherungsnehmer und Versichterte, die nach Artikel 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 25. Juni 1982 S > als arbeitslos gelten, sind überdies die Artikel 63 Absatz l und 65 des Bundesgesetzes vom ...6) über die Krankenversicherung sinngemäss anwendbar.

" BS 8 281; AS 1959 858, 1964 965, 1968 64, 1971 1465, 1977 2249, 1978 1836, 1982 196, 1676, 2184, 1990 1091 « SR 961.01 « AS ...

4 > SR 221.229.1 5 > SR 837.0 «> AS ...

287

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Art. 101 Abs. l Ziff. 2 1 Dieses Gesetz findet keine Anwendung: 2. auf die privaten Rechtsverhältnisse zwischen den Versicherungseinrichtungen, die gemäss Artikel 4 Buchstaben a-e und g des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 23. Juni 1978 '> (VAG) von der Aufsicht ausgenommen oder einer vereinfachten Aufsicht (Art. 6 VAG) unterstellt sind, und ihren Versicherten.

4

Das Bundesgesetz vom 20. März 1981 $ über die Unfallversicherung wird wie folgt geändert:

Art. 68 Abs. l Bst. c 1 Personen, für deren Versicherung nicht die SUVA zuständig ist, werden nach diesem Gesetz gegen Unfall versichert durch: c. Krankenkassen im Sinne des Bundesgesetzes vom ,.,3) über die Krankenversicherung; 5

Das Bundesgesetz vom 19. März 1965 4> über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung wird wie folgt geändert:

Art. 3 Abs. 4 Bst. d und 4bis Vom Einkommen werden abgezogen : d. Prämien für Lebens-, Unfall- und Invalidenversicherungen bis zum jährlichen Höchstbetrag von 300 Franken bei Alleinstehenden und 500 Franken bei Ehepaaren und Personen mit rentenberechtigten oder an der Rente beteiligten Kindern sowie die Beiträge an die Sozialversicherungen des Bundes unter Ausschluss der Krankenversicherung; 4bis £)er Bundesrat bezeichnet die Heim-, Arzt-, Zahnarzt-, Arznei-, Pflege- und Hilfsmittelkosten sowie die behinderungsbedingten Mehrkosten, die abgezogen werden können.

4

Übergangsbestimmung Als Ersatz für den Wegfall des Abzuges der Krankenkassenprämien werden die Einkommensgrenzen nach Artikel 2 Absatz l für Alleinstehende und Ehepaare einmalig um einen Betrag, den der Bundesrat festsetzt, erhöht.

2 Die Erhöhung erfolgt auf den Jahresanfang.

1

» SR 961.01 «3 SR 832.20 > AS ...

4

> SR 831.30

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3. Kapitel: Übergangsbestimmungen Art. 89 Kantonale Erlasse 1 Die Kantone erlassen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes die Ausführungsbestimmungen zu Artikel 58 des Gesetzes. Der Bundesrat bestimmt, bis zu welchem Zeitpunkt sie die übrigen Ausführungsbestimmungen erlassen müssen.

2 Ist der Erlass der definitiven Regelung nicht fristgerecht möglich, kann die Kantonsregierung eine provisorische Regelung treffen.

Art. 90 Fortführung der Versicherung durch anerkannte Krankenkassen 'Die nach dem Bundesgesetz vom 13.Juni 1911 anerkannten Krankenkassen, welche die Krankenversicherung nach diesem Gesetz fortführen wollen, haben dies dem Bundesamt für Sozialversicherung spätestens sechs Monate vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes mitzuteilen. Gleichzeitig haben sie die Prämientarife für die obligatorische Krankenpflegeversicherung und die freiwillige Taggeldversicherung zur Genehmigung nach Artikel 16 Absatz 2 des Gesetzes einzureichen.

2 Krankenkassen, deren Tätigkeitsbereich sich nach bisherigem Recht auf einen Betrieb oder einen Berufsverband beschränkte, können die Taggeldversicherung weiterhin in diesem beschränkten Rahmen durchführen. Sie haben dies in der Mitteilung nach Absatz l anzuführen.

3 Der Bundesrat erlässt Bestimmungen über die Aufteilung des bisherigen Vermögens der Krankenkassen auf die nach neuem Recht weitergeführten Versicherungen.

Art. 91 Verzicht auf die Fortführung der sozialen Krankenversicherung 1 Krankenkassen, welche die Krankenversicherung nicht nach diesem Gesetz fortführen, verlieren mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes ihre Anerkennung. Sie haben dies ihren Mitgliedern und dem Bundesamt für Sozialversicherung spätestens sechs Monate vor Inkrafttreten dieses Gesetzes schriftlich mitzuteilen.

2 Sind diese Krankenkassen bei Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht im Besitze einer Bewilligung zum Betrieb von Versicherungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 23. Juni 1978'>, haben sie sich aufzulösen. Vorbehalten bleibt die auf einen Betrieb oder Berufsverband beschränkte Durchführung einer Krankengeldversicherung. Das Bundesamt für Sozialversicherung entscheidet nach Rücksprache mit dem Bundesamt für Privatversicherungswesen, welcher Teil des Vermögens dieser Krankenkassen nach Absatz 3 zu verwenden ist.

» SR 961.01

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3

Wird das Vermögen einer aufgelösten Krankenkasse nicht durch Fusion auf einen anderen Versicherer im Sinne von Artikel 8 dieses Gesetzes übertragen, fällt ein allfälliger Vermögensüberschuss bei privatrechtlich organisierten Krankenkassen in den Insolvenzfonds der gemeinsamen Einrichtung (Art. 15).

Art. 92 Andere Versicherer Versicherer nach Artikel 8 Buchstabe b, welche die soziale Krankenversicherung mit Inkrafttreten dieses Gesetzes durchführen wollen, haben ihr Gesuch um Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung mit den erforderlichen Unterlagen spätestens sechs Monate vor Inkrafttreten dem Bundesamt für Sozialversicherung einzureichen.

Art. 93 Leistungserbringer 1 Ärzte, Apotheker, Chiropraktoren, Hebammen, medizinische Hilfspersonen und Laboratorien, die unter dem bisherigen Recht zur Tätigkeit zulasten der Krankenversicherung zugelassen waren, sind auch nach neuem Recht als Leistungserbringer zugelassen.

1 Bis der Bundesrat die Bestimmungen nach Artikel 31 Absatz 3 erlassen hat, bleiben Ärzte mit einer kantonalen Bewilligung zur Führung einer Apotheke innerhalb der Schranken dieser Bewilligung zur direkten Abgabe von Medikamenten (Selbstdispensation) berechtigt.

3 Anstalten oder deren Abteilungen, die nach bisherigem Recht als Heilanstalten gelten, sind als Leistungserbringer nach neuem Recht zugelassen, solange der Kanton die in Artikel 33 Absatz l Buchstabe e vorgesehene Liste der Spitäler und Pflegeheime noch nicht erstellt hat. Die Leistungspflicht der Versicherer und die Höhe der Vergütung richtet sich bis zu einem vom Bundesrat zu bestimmenden Zeitpunkt nach den bisherigen Verträgen oder Tarifen.

Art. 94 Bestehende Versicherungsverhältnisse 1 Führen anerkannte Krankenkassen nach bisherigem Recht bestehende Krankenpflege- und Krankengeldversicherungen nach neuem Recht fort, so gilt für diese Versicherungen mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes das neue Recht.

2 Bestimmungen der Krankenkassen über Leistungen bei Krankenpflege, die über den Leistungsumfang nach Artikel 28 Absatz l hinausgehen (statutarische Leistungen, Zusatzversicherungen), sind innert eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes dem neuen Recht anzupassen. Bis zur Anpassung richten sich Rechte und Pflichten der Versicherten nach dem bisherigen Recht. Die Krankenkasse ist verpflichtet, ihren
Versicherten Versicherungsverträge anzubieten, die mindestens den bisherigen Umfang des Versicherungsschutzes gewähren.

Die unter dem früheren Recht zurückgelegten Versicherungszeiten sind bei der Festsetzung der Prämien anzurechnen.

290

Krankenversicherung, BG 3

Nach bisherigem Recht bestehende Versicherungsverhältnisse bei Krankenkassen, die ihre Anerkennung verlieren und das Versicherungsgeschäft als Versicherungsemrichtung im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 23. Juni 19781} fortführen (Art: 91), fallen mit Inkrafttreten dieses Gesetzes dahin. Der Versicherte kann jedoch ihre Fortführung verlangen, wenn die Versicherungseinrichtung die entsprechende Versicherung weiterhin anbietet.

4 Nach bisherigem Recht bestehende Versicherungsverträge mit anderen Versicherern als anerkannten Krankenkassen für Risiken, die nach diesem Gesetz aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gedeckt werden, fallen mit dessen Inkrafttreten dahin. Über diesen Zeitpunkt hinaus bezahlte Prämien werden zurückerstattet. Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten ereignet haben, sind jedoch nach den bisherigen Verträgen zu gewähren.

5 Nach bisherigem Recht bestehende Versicherungsverträge mit anderen Versicherern als anerkannten Krankenkassen für Risiken, die nach diesem Gesetz aus der freiwilligen Taggeldversicherung gedeckt werden, können innert eines Jahres nach dessen Inkrafttreten auf Verlangen des Versicherungsnehmers dem neuen Recht angepasst werden.

Art. 95 Versicherungsleistungen 1 Versicherungsleistungen für Behandlungen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vorgenommen worden sind, werden nach bisherigem Recht gewährt.

2 Beim Inkrafttreten laufende Krankengelder aus bestehenden Krankengeldversicherungen bei anerkannten Krankenkassen sind noch für längstens zwei Jahre nach den Bestimmungen des bisherigen Rechts über die Leistungsdauer zu gewähren.

Art. 96 Tarifverträge 1 Durch das Inkrafttreten dieses Gesetzes werden bestehende Tarifverträge nicht aufgehoben. Der Bundesrat bestimmt, bis wann sie an das neue Recht anzupassen sind.

2 Versicherer, welche die soziale Krankenversicherung erst unter dem neuen Recht aufnehmen, haben ein Recht auf Beitritt zu Tarifverträgen, die unter dem bisherigen Recht von Krankenkassenverbänden abgeschlossen worden sind (Art. 39 Abs. 2).

3 Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt, von dem an Spitäler und Pflegeheime Artikel 42 Absätze 6 und 7 einzuhalten haben.

'> SR 961.01 291

Krankenversicherung. BG

Art. 97 Risikoausgleich 1 Versicherer, die unter ihren Versicherten weniger Frauen und ältere Personen haben als der Durchschnitt aller Versicherer, müssen der gemeinsamen Einrichtung (Art. 15) zugunsten von Versicherern mit überdurchschnittlich vielen Frauen und älteren Personen Abgaben entrichten (Risikoausgleich).

2 Für den Vergleich massgebend sind die Strukturen der Bestände innerhalb eines Kantons und jedes Versicherers.

3 Die gemeinsame Einrichtung führt den Risikoausgleich unter den Versicherern innerhalb der einzelnen Kantone durch.

4 Der Risikoausgleich ist auf die Dauer von zehn Jahren ab Inkrafttreten dieses Gesetzes befristet.

Art. 98 Bundesbeiträge Für die ersten vier Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, höchstens aber bis zum Jahre 199..., betragen die jährlichen Beiträge des Bundes nach Artikel 57 2 Milliarden Franken.

4. Kapitel: Referendum und Inkrafttreten

Art. 99 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991

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1992

Année Anno Band

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Volume Volume Heft

03

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.01.1992

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