01.056 Botschaft betreffend das Europäische Übereinkommen vom 4. April 1997 zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin) und das Zusatzprotokoll vom 12. Januar 1998 über das Verbot des Klonens menschlicher Lebewesen vom 12. September 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft die Entwürfe für zwei Bundesbeschlüsse betreffend die Genehmigung des Europäischen Übereinkommens vom 4. April 1997 zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin) und des Zusatzprotokolls vom 12. Januar 1998 über das Verbot des Klonens menschlicher Lebewesen mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

12. September 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11603

Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2001-1533

271

Übersicht Mit dieser Botschaft unterbreitet der Bundesrat den eidgenössischen Räten zwei Übereinkommen des Europarats zur Genehmigung. Das Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin ist vom Ministerkomitee am 4. April 1997 zur Unterzeichnung und Ratifikation aufgelegt worden. Erstmals liegt damit auf internationaler Ebene ein eigenständiges Übereinkommen zur Biomedizin vor. Es handelt sich um ein Kernübereinkommen, das nur die wichtigsten Grundsätze enthält. Zusatzprotokolle sollen einzelne Bereiche näher regeln. Das erste Zusatzprotokoll, welches das Klonen menschlicher Lebewesen verbietet, steht seit dem 12. Januar 1998 zur Unterzeichnung und Ratifikation offen.

Die materiellen Bestimmungen des Übereinkommens gliedern sich in acht Kapitel und behandeln insbesondere die Einwilligung in medizinische Interventionen, den Schutz der Privatsphäre und das Recht auf Auskunft, das menschliche Genom, die wissenschaftliche Forschung, die Entnahme von Organen und Geweben von lebenden Spendern zu Transplantationszwecken, das Verbot, den menschlichen Körper oder Teile davon zu kommerzialisieren, sowie die Sanktionen bei Verletzung der im Übereinkommen enthaltenen Grundsätze. Dabei wird ein gemeinsamer internationaler Schutzstandard zu Gunsten des Menschen festgelegt.

Jeder Staat bleibt frei, im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin über die Konvention hinausgehende Schutzbestimmungen aufzustellen. In Übereinstimmung mit Artikel 8 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention sieht das Übereinkommen ferner die Möglichkeit für die Vertragsstaaten vor, unter bestimmten eng begrenzten Voraussetzungen von den Schutzbestimmungen des Übereinkommens abzuweichen.

272

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Einleitung

Während langer Zeit unterstand medizinisches Handeln als solches in vielen Staaten den allgemeinen Rechtsgrundsätzen; spezielle Rechtsnormen zum Schutz der Patientinnen und Patienten waren eher selten. Erst die Herausforderungen durch die moderne Medizin mit ihrem Wissen über die biologischen Zusammenhänge und ihre technischen Möglichkeiten haben zu einer zunehmenden Verrechtlichung der Medizin geführt. Zwar hat die Erweiterung der Kenntnisse in Medizin und Biologie und ihrer Anwendungsmöglichkeiten zum Ziel, dem Menschen und seiner Gesundheit zu dienen. Befürchtet wird aber auch der Missbrauch. Dem Recht wird deshalb die Aufgabe zugewiesen, durch klare Handlungsanweisungen an die Ärzteschaft Menschenwürde und Persönlichkeit zu schützen und in der Neulandmedizin das Zulässige vom Missbrauch abzugrenzen.

In einer Welt, die sich durch Globalisierung und grosse Mobilität der Menschen auszeichnet, hat der nationale Gesetzgeber indessen in der Medizin nur noch einen beschränkten Einflussbereich. Zu leicht kann das, was in einem Staat verboten ist, durch eine Reise in einen anderen Staat umgangen werden. Umso wichtiger ist es, dass sich die Staaten zu bestimmten Grundsätzen bekennen und die neuen Herausforderungen gemeinsam angehen. Diesem Ziel dient das Europäische Übereinkommen vom 4. April 1997 über Menschenrechte und Biomedizin, das die Grundrechte, die im Bereich der Humanmedizin zu berücksichtigen sind, konkretisiert und weiterentwickelt. Es darf zusammen mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)1 und dem Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe2 wohl zu den wichtigsten unter den 177 Übereinkommen des Europarats gezählt werden. Erstmals liegt damit auf internationaler Ebene ein eigenständiges Übereinkommen zur Biomedizin vor, das verbindliche Rechtsregeln statuiert. Andere internationale Instrumente zu medizinischen Fragen3 begnügen sich mit der unverbindlichen Form der Deklaration oder Empfehlung.

1 2 3

SR 0.101 SR 0.106 Zum Beispiel die Allgemeine Erklärung der UNESCO über das menschliche Genom und Menschenrechte vom 11. Nov. 1997; die revidierte Deklaration von Lissabon des Weltärztebundes über die Rechte des Patienten von 1995; die Internationalen ethischen Richtlinien für Forschungsuntersuchungen am Menschen, die der Council for International Organizations of Medical Sciences (CIOMS) zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1993 vorgelegt hat; die Helsinki-Tokio-Deklaration des Weltärztebundes zur biomedizinischen Forschung von 1964/2000; der Nürnberger Kodex von 1947 betreffend Regeln über die Experimente am Menschen.

273

1.2

Entstehungsgeschichte des Übereinkommens

1990 empfahl die Konferenz der Europäischen Justizminister dem Ministerkomitee des Europarats, den seit 1985 tätigen und multidisziplinär zusammengesetzten Expertenausschuss für Bioethik (Comité «ad hoc» pour la bioéthique; CAHBI) prüfen zu lassen, ob eine Konvention zum Schutz des Menschen im Bereich der Biologie und der Medizin ausgearbeitet werden sollte. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats unterstützte das Anliegen und regte im Juni 1991 ein Rahmenübereinkommen an, das einen Hauptteil mit allgemeinen Grundsätzen und Zusatzprotokolle zu spezifischen Fragen umfassen sollte.

Das Ministerkomitee nahm diese Vorschläge auf und beauftragte im September 1991 das CAHBI, in enger Zusammenarbeit mit dem Lenkungsausschuss für Menschenrechte und dem Europäischen Gesundheitsausschuss eine Rahmenkonvention und vorläufig zwei Zusatzprotokolle, eines zur Transplantation menschlicher Organe und Stoffe und eines zur Forschung am Menschen, vorzubereiten. Der Beitritt sollte nicht nur den Mitgliedstaaten des Europarats, sondern auch anderen Staaten sowie der Europäischen Gemeinschaft offen stehen.

Im Laufe der Arbeiten wurde das CAHBI in einen Lenkungsausschuss für Bioethik (Comité directeur pour la bioéthique; CDBI) umgewandelt. In diesem Gremium, in dem insbesondere Spezialistinnen und Spezialisten aus den Fachbereichen Medizin, Biologie, Recht, Ethik und Theologie miteinander debattieren, sind die heute über 40 Mitgliedstaaten des Europarats mit zum Teil mehrköpfigen Delegationen vertreten. Als Beobachter sind u.a. Vertreter der Europäischen Union, des Heiligen Stuhls, der europäischen ökumenischen Kommission für Kirche und Gesellschaft, der Weltgesundheitsorganisation, der UNESCO, der europäischen Wissenschaftsstiftung sowie der amerikanischen, australischen, japanischen und kanadischen Regierung zugelassen. Der schweizerischen Delegation gehörte neben der Vertretung der Verwaltung DDr. Franz Furger, Professor für Moraltheologie und Ethik (Luzern und Münster/Westfalen)4, an.

1994 wurde über einen provisorischen Vorentwurf des Übereinkommens ein öffentliches Konsultationsverfahren durchgeführt. Dabei gaben insbesondere die Grundsätze über die Forschung an urteilsunfähigen Personen, die Embryonenforschung und die Organtransplantation in gewissen Staaten zu lebhaften Diskussionen Anlass.

Kritisch zu
diesen Themen äusserte sich auch die Parlamentarische Versammlung des Europarats in ihrer Stellungnahme. Im Rahmen einer sorgfältigen Überarbeitung des Übereinkommens konnten verschiedene Bestimmungen verdeutlicht, Missverständnisse ausgeräumt und der Schutzgehalt des Übereinkommens wesentlich verbessert werden, indem u.a. zentrale Bestimmungen der geplanten Zusatzprotokolle über die Organtransplantation und über die Forschung am Menschen in das Kernübereinkommen integriert wurden. Die weiteren Arbeiten an diesen Zusatzprotokollen wurden dann sistiert und erst nach der Verabschiedung des Übereinkommens wieder aufgenommen.

Im Juni 1996 verabschiedete der Lenkungsausschuss für Bioethik den Entwurf zuhanden des Ministerkomitees. Die Parlamentarische Versammlung, die ein zweites Mal konsultiert wurde, unterstützte ­ nicht zuletzt dank den fachkundigen und engagierten Darlegungen des Berichterstatters der vorberatenden Kommissionen, 4

274

Gestorben 1997.

Ständerat Prof. Gian-Reto Plattner (Basel) ­ den überarbeiteten Entwurf mit grosser Mehrheit. Anschliessend genehmigte das Ministerkomitee das Übereinkommen am 19. November 1996 mit 35 zu 0 Stimmen bei drei Enthaltungen (Deutschland, Belgien und Polen).

Der Text des Übereinkommens ist in englischer und französischer Sprache ausgefertigt und nur in diesen Sprachen verbindlich. Der Erläuternde Bericht5, der unter der Verantwortung des Generalsekretärs des Europarats verfasst worden war, wurde vom Ministerkomitee am 17. Dezember 1996 zur Publikation freigegeben. In einer Vorbemerkung wird darauf hingewiesen, dass der Bericht keine verbindliche Interpretation des Übereinkommens enthält. Für dessen Verständnis ist er aber trotzdem hilfreich.

Am 4. April 1997 legte der Europarat im Rahmen einer Feier in Oviedo (Spanien) das neue Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin zur Unterzeichnung auf. 30 Staaten, nämlich Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Mazedonien, Moldawien, die Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, die Schweiz, die Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, die Tschechische Republik, die Türkei, Ungarn und Zypern haben das Übereinkommen bis heute unterzeichnet und damit ihren Willen zum Ausdruck gebracht, landesintern die nötigen Vorbereitungen für eine Ratifikation an die Hand zu nehmen.

Die Slowakei hinterlegte am 15. Januar 1998 als erster Staat die Ratifikationsurkunde beim Europarat. Es folgten San Marino, Slowenien, Griechenland und schliesslich am 10. August 1999 als fünfter Staat Dänemark. Damit konnte das Übereinkommen am 1. Dezember 1999 in Kraft treten6. Seitdem haben fünf weitere Staaten das Übereinkommen ratifiziert, nämlich Spanien, Georgien, Rumänien, die Tschechische Republik und Portugal. In weiteren Staaten wird die Ratifikation vorbereitet.

1.3

Das Zusatzprotokoll über das Klonen menschlicher Lebewesen

Nachdem die Weltöffentlichkeit durch die Geburt des geklonten Schafes Dolly im Februar 1997 aufgeschreckt worden war, handelte der Europarat rasch. Im Juni 1997 legte das CDBI den Entwurf für ein Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über das Verbot des Klonens menschlicher Lebewesen vor. Das Ministerkomitee verabschiedete das Protokoll am 7. November 1997, nachdem sich die Parlamentarische Versammlung positiv dazu geäussert hatte. Am 12. Januar 1998 wurde das Zusatzprotokoll in Paris zur Unterzeichnung aufgelegt. Bis heute haben bis auf Bulgarien alle Staaten, die das Übereinkommen unterzeichnet haben, auch das Zusatzprotokoll 5

6

Erläuternder Bericht zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin vom Januar 1997 (im Folgenden: Erläuternder Bericht), Europarat, DIR/JUR (97); http://www.legal.coe.int/bioethics/index.html.

Nach Art. 33 Abs. 3 tritt das Übereinkommen am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem es fünf Staaten, darunter mindestens vier Mitgliedstaaten des Europarats, ratifiziert haben.

275

unterschrieben. Dieses ist am 1. März 2001 in Kraft getreten, nachdem es fünf Staaten ratifiziert haben7. Der Slowakei, die als erster Staat am 22. Oktober 1998 das Protokoll genehmigt hat, folgten Slowenien, Griechenland, Spanien, Georgien, Rumänien, die Tschechische Republik und Portugal.

1.4

Die Schweiz und das Übereinkommen

1.4.1

Ausgangslage

Am 2. Oktober 1997 setzte sich Ständerat Gian-Reto Plattner mit einer Interpellation (97.3302) für eine rasche Unterzeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin ein8. Mit einer Interpellation vom 21. Januar 1998 (98.3011) doppelte Nationalrat Johannes Randegger nach9. Darin wurde der Bundesrat angefragt, ob er bereit sei, unverzüglich die notwendigen Schritte für eine Unterzeichnung und Ratifikation des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls einzuleiten. Der Bundesrat wies in seinen Antworten darauf hin, dass vor der Unterzeichnung ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt werden sollte, weil die Konvention in verschiedenen Punkten kantonale Kompetenzen berühre, dass er aber bereit sei, die entsprechenden Vorarbeiten sofort an die Hand zu nehmen.

Am 28. September 1998 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zum Übereinkommen und zum Zusatzprotokoll. Die Vernehmlassungsfrist dauerte bis zum 28. Februar 1999. Den Vernehmlassungsteilnehmern wurde die Frage unterbreitet, ob die Schweiz diese internationalen Instrumente unterzeichnen und ratifizieren solle. Gleichzeitig wurden insbesondere die Kantone gebeten, die Vereinbarkeit des kantonalen Rechts mit den Bestimmungen des Übereinkommens zu prüfen und mitzuteilen, ob und wenn ja welche Vorbehalte allenfalls angebracht werden sollten.

1.4.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

1.4.2.1

Beitritt zum Übereinkommen und zum Zusatzprotokoll grossmehrheitlich befürwortet

Die grosse Mehrheit der 67 eingegangenen Stellungnahmen sprach sich für eine unverzügliche Unterzeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls durch die Schweiz aus. Vereinzelt wurde zwar beantragt, die Ratifikation aufzuschieben, bis die laufenden Gesetzesprojekte (Heilmittelgesetz, Transplantationsgesetz, Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen, Revision des Vormundschaftsrechts, Forschungsgesetz) abgeschlossen sind.

Geltend gemacht wurde u.a., mit dem Beitritt unterstreiche die Schweiz im Hinblick auf die Globalisierung die Notwendigkeit der Festlegung verbindlicher Normen für den Biomedizinbereich auf internationaler Ebene. Eine Ratifizierung durch mög7 8 9

276

Nach Art. 5 Abs. 1 tritt das Protokoll unter den gleichen Voraussetzungen in Kraft wie das Übereinkommen (FN 6).

AB 1997 S 898 AB 1998 N 1549

lichst viele Länder in Europa werde insbesondere dem biomedizinischen Tourismus einen Riegel schieben und verhindern, dass Forschungsprojekte in Länder verlegt würden, die keine gleichwertigen Schutzvorschriften kennen. Gleichzeitig werde damit ein aktives Engagement der Schweiz bei der Weiterentwicklung der Konvention durch Zusatzprotokolle legitimiert.

Landesrechtlich gesehen präzisiere das Übereinkommen den privatrechtlichen Persönlichkeitsschutz, harmonisiere durch gemeinsame Grundsätze im öffentlichrechtlichen Gesundheitsbereich die kantonalen Gesetzgebungen und verdeutliche gleichzeitig das Grundrecht der persönlichen Freiheit. Damit leiste das Übereinkommen auch einen Beitrag zur Vereinheitlichung der unübersichtlichen Regelungsvielfalt im Bereich der Patientenrechte.

Bedauert wurde zum Teil, dass das Übereinkommen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte fällt. Die Schweiz sei aufgefordert, sich für eine entsprechende Ergänzung des Übereinkommens einzusetzen.

Im Einzelnen ergibt sich folgendes Bild: Alle Kantone (ausser dem Kanton Glarus, der sich materiell nicht äusserte) votierten für die Unterzeichnung und die Ratifikation.

Von den sechs politischen Parteien, die Vernehmlassungen ausarbeiteten, antworteten vier ebenfalls positiv (CVP, FDP, SP und die Liberale Partei der Schweiz). Für den Gegenstandpunkt votierten mit unterschiedlichen Argumenten die Grüne Partei und die Katholische Volkspartei der Schweiz.

Von den 34 interessierten Organisationen, die sich äusserten, unterstützten 27 die Unterzeichnung und Ratifikation des Übereinkommens und 25 die Unterzeichnung und Ratifikation des Zusatzprotokolls.

1.4.2.2

Kritik

Die Grüne Partei begründete ihre Ablehnung des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls vor allem mit dem Hinweis, der Forschung würden kaum Grenzen gesetzt und insbesondere die Forschung an einwilligungsunfähigen Personen werde zugelassen (dazu Ziff. 3.6.3). Das Übereinkommen berge die Gefahr, dass die gesetzten Mindeststandards als Richtschnur für die interne Gesetzgebung genommen würden.

Die Katholische Volkspartei kritisierte das Übereinkommen, weil es dem menschlichen Leben die Personenqualität nicht von der Zeugung an zuerkenne (dazu Ziff. 3.2.1).

Pro Mente Sana begrüsste zwar den Ansatz des Übereinkommens, die Persönlichkeitsrechte der Patientinnen und Patienten ins Zentrum zu rücken, lehnte aber im gegenwärtigen Zeitpunkt eine Ratifikation ab. Diese könne die bevorstehende Revision des Vormundschaftsrechts negativ beeinflussen und solle deshalb erst nach Verabschiedung des neuen Erwachsenenschutzrechts erfolgen. Die Regelung von Artikel 7 über den Schutz von Personen mit psychischer Störung begründe eine Diskriminierung von psychisch kranken Menschen, die nicht in Kauf genommen werden dürfe (dazu Ziff. 3.3.4).

Sechs Organisationen (Basler Appell gegen Gentechnologie, Föderation der heil-/sonderpädagogischen Berufsverbände der Schweiz, Gentechkritisches Forum 277

GenAu, Genossenschaft für selbstbestimmtes Leben, Nogerete, Verband für anthroposophische Heilpädagogik und Sozialtherapie) widersetzten sich aus grundsätzlichen Überlegungen einer Unterzeichnung und Ratifikation des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls. Insbesondere wurde geltend gemacht, Ziel des Übereinkommens sei die Aushöhlung der Menschenrechte im Bereich der medizinischen Forschung. Der Schutz einwilligungsunfähiger Personen sei in den Artikeln 6 (dazu Ziff. 3.3.3), 17 (dazu Ziff. 3.6.3) und 20 des Übereinkommens (dazu Ziff. 3.7.2) nicht genügend gewährleistet. Die fremdnützige Forschung an Embryonen in vitro und die Verwendung von Embryonen als «Ersatzteillager» werde zugelassen. Das Übereinkommen enthalte zu viele Lücken. Durch unklare Formulierungen und zu viele Ausnahmebestimmungen seien die Rechte und die Würde insbesondere von Menschen mit Behinderungen gefährdet.

Die Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften und das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin befürworteten die Ratifizierung des Übereinkommens, lehnten aber das Zusatzprotokoll über das Klonen menschlicher Lebewesen ab. Nach der ersteren Organisation sollte die Klonierungstechnik für die Züchtung embryonaler Stammzellen zugelassen werden. Für die andere Organisation ist das Klonierungsprotokoll lückenhaft und nicht auf dem neuesten Stand der technischen Möglichkeiten.

1.4.2.3

Allfällige Vorbehalte

Die Mehrheit der Vernehmlasser geht davon aus, dass das schweizerische Recht als Ganzes mit dem Übereinkommen und dem Zusatzprotokoll in Einklang steht. Gewisse Stellungnahmen weisen auf Bereiche hin, in denen das geltende eidgenössische oder kantonale Recht und die Praxis dem Übereinkommen nicht vollständig entsprechen könnten. Zum Teil werden Vorbehalte angeregt. Es handelt sich dabei vor allem um das so genannte therapeutische Privileg und um den gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung (Art. 3).

Auf die Frage von Vorbehalten wird im Rahmen der Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Übereinkommens eingegangen (Ziff. 3.2.3; 3.3.2; 3.3.3.3; 3.3.3.4; 3.4.1; 3.4.2; 3.7.1 und 3.7.2). Eine Zusammenfassung findet sich unter Ziffer 4.

1.4.3

Entscheide des Bundesrates

Am 28. April 1999 nahm der Bundesrat vom Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens Kenntnis und veröffentlichte dieses. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement wurde beauftragt, die Ratifizierungsbotschaft bis zum Frühling 2000 zu erarbeiten. Gleichzeitig ermächtigte der Bundesrat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten, im Rahmen der Feier zum 50-jährigen Bestehen des Europarats in Budapest das Übereinkommen und das Zusatzprotokoll zu unterzeichnen. Die Unterzeichnung erfolgte am 7. Mai 1999.

Antworten auf die im Vernehmlassungsverfahren geäusserte Kritik an den einzelnen Bestimmungen des Übereinkommens finden sich in Ziffer 3 dieser Botschaft über das Verhältnis des schweizerischen Rechts zum Übereinkommen und in Ziffer 5 über das Klonierungsprotokoll. Zum Grundsätzlichen ist festzuhalten, dass die kriti278

schen Stellungnahmen nach Auffassung des Bundesrates der rechtlichen Rahmenfunktion des Übereinkommens (vgl. Ziff. 2.1) zu wenig Rechnung tragen. Dieses ist bewusst als Kernübereinkommen konzipiert, das nur die wichtigsten Grundsätze enthält. Zusatzprotokolle sollen die Grundsätze weiterentwickeln. Zudem darf man sich auch nicht nur auf die Prüfung der einzelnen Bestimmungen beschränken, sondern muss die ethische Qualität des Übereinkommens insgesamt als eines Rechtsinstruments in die Bewertung einbeziehen. Dieses hebt Gefährdungen, die mit der modernen Medizin und Biotechnologie verbunden sein können, europaweit ins allgemeine Bewusstsein und versucht, zum Schutz der Menschenrechte einen bestimmten, einheitlichen Mindeststandard zu etablieren. Dessen Niveau hängt zwar davon ab, was unter den beteiligten Staaten konsensfähig ist. Das Übereinkommen behindert aber die nationale Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Schutznormen nicht.

1.4.4

Koordination mit laufenden Gesetzgebungsvorhaben im Medizinalbereich

Das Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG)10, das die eidgenössischen Räte am 15. Dezember 2000 verabschiedet haben, lehnt sich in seinen Bestimmungen über die klinischen Versuche eng an das Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin an11 (dazu im Einzelnen Ziff.

3.6.2.2 und 3.6.3.2).

Auch der Vernehmlassungsentwurf für ein Transplantationsgesetz stand in Einklang mit dem Übereinkommen. Die Vernehmlassungsfrist dauerte vom 1. Dezember 1999 bis Ende Februar 2000. Ein beachtlicher Teil der Vernehmlasser hielt die Vorgaben des Übereinkommens indessen in zwei Punkten für zu streng (vgl. Ziff. 3.7.1 und 3.7.2). Zum einen wurde postuliert, dass die Lebendspende ebenfalls eine primäre Therapieoption sein solle. Zum andern wurde verlangt, die Entnahme regenerierbarer Gewebe oder Zellen bei urteilsunfähigen Personen nicht nur zu Gunsten von Geschwistern, sondern auch zu Gunsten von anderen nahen Verwandten zuzulassen.

Im Hinblick darauf beschloss der Bundesrat, die Botschaft zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin und zum Klonierungsprotokoll zurückzustellen und zeitgleich mit dem Transplantationsgesetz erst im Herbst 2001 dem Parlament zu unterbreiten, damit dieses frei entscheiden kann, welche Vorbehalte bei der Ratifizierung zu formulieren sind (zur Zulässigkeit von Vorbehalten vgl. Ziff. 2.1.4).

Ebenfalls im Jahr 2001 soll dem Parlament auch die Botschaft zu einem Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen vorgelegt werden. Die Vereinbarkeit des bundesrätlichen Entwurfs mit dem Übereinkommen wird in dieser Botschaft dargelegt werden.

Zurzeit noch in Vorbereitung befinden sich ein Bundesgesetz über die Forschung am Menschen und die Revision des Vormundschaftsrechts, bei der u.a. die Frage der Zwangsbehandlung im Zusammenhang mit der fürsorgerischen Freiheitsentziehung und die Vertretung urteilsunfähiger Personen bei medizinischen Massnahmen zur Diskussion stehen. In beiden Fällen sollte das Vernehmlassungsverfahren im Jahr 10 11

BBl 2000 6115. Das Gesetz tritt am 1. Jan. 2002 in Kraft.

Botschaft, BBl 1999 3453, Ziff. 22.05.2.

279

2002 eröffnet werden. Indessen wird es noch einige Jahre dauern, bis die neuen Bestimmungen in Kraft treten. Der Bundesrat möchte mit der Ratifizierung des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin und des Klonierungsprotokolls nicht so lange zuwarten. Für eine einigermassen zügige Ratifikation spricht, dass im besonders heiklen Bereich der Forschung in der Schweiz teilweise noch beachtliche Regelungsdefizite bestehen. Diese rechtsstaatlich bedenkliche Situation kann durch die Ratifikation des Übereinkommens behoben werden. Damit werden die Grundsätze der Artikel 16 und 17 in der ganzen Schweiz verbindlich. Diese Grundsätze im geplanten Forschungsgesetz einzuhalten, sollte auch keine Schwierigkeiten bieten, zumal die einschlägigen Forschungsfragen vom Parlament bereits beim Heilmittelgesetz diskutiert worden sind (im Einzelnen dazu Ziff. 3.6.2.2 und 3.6.3.2). Auch die geplante Revision des Vormundschaftsrechts steht nach Auffassung des Bundesrates einer Ratifikation des Übereinkommens nicht entgegen. Die Revisionsvorschläge sind im Lichte der Vorgaben der Artikel 6 und 7 des Übereinkommens auszuarbeiten (dazu Ziff. 3.3.3.3 und 3.3.4).

Beizufügen ist, dass das Parlament zurzeit gestützt auf eine parlamentarische Initiative von Felten (99.451n) ein Bundesgesetz über Sterilisationen ausarbeitet (vgl.

dazu Ziff. 3.3.3.4).

2

Besonderer Teil: Inhalt und Geltungsbereich des Übereinkommens

2.1

Das Grundkonzept des Übereinkommens

2.1.1

Entwicklungsfähiges Vertragswerk (Art. 31)

Das Übereinkommen ist eine «Kernkonvention», die als solche nur die wichtigsten Grundsätze enthält und deshalb bewusst lückenhaft ist. Die einzelnen Bereiche, die darin angesprochen werden, sollen durch Zusatzprotokolle näher geregelt werden (Art. 31). In diesem Sinne ist das Übereinkommen ein entwicklungsfähiges Vertragswerk, das laufend erweitert und damit den Bedürfnissen der Zeit angepasst werden soll.

Neben dem bereits verabschiedeten Klonierungsprotokoll (vgl. Ziff. 1.3 und 5) sollte das Ministerkomitee des Europarates noch im Jahr 2001 ein Protokoll über die Transplantation von menschlichen Organen und Geweben zur Unterzeichnung und Ratifikation auflegen können. Zum Entwurf eines Protokolls über die Forschung am Menschen wird ebenfalls noch dieses Jahr ein Konsultationsverfahren eröffnet werden. Schliesslich sind Zusatzprotokolle über die Genetik und über den Schutz des Embryos bzw. des Fötus in Vorbereitung. Zudem befassen sich Arbeitsgruppen mit der Xenotransplantation und der Psychiatrie.

Zusatzprotokolle dürfen die Prinzipien, die in der Kernkonvention enthalten sind, nicht abschwächen, sondern nur weiterentwickeln12. Berechtigt zur Unterzeichnung bzw. Ratifikation eines Zusatzprotokolls sind nach Artikel 31 nur Vertragsparteien, die bereits die Kernkonvention unterzeichnet bzw. ratifiziert haben. Umgekehrt

12

280

Erläuternder Bericht Nr. 167, S. 34.

haben die Vertragsparteien, die der Kernkonvention beigetreten sind, keine Verpflichtung, ein Zusatzprotokoll zu ratifizieren.

2.1.2

Gemeinsamer internationaler Schutzstandard (Art. 27)

Inhaltlich legt die Konvention einen gemeinsamen internationalen Schutzstandard zu Gunsten der Patientinnen und Patienten fest. Jeder Staat bleibt frei, im Hinblick auf die Anwendung von Medizin und Biologie einen über die Konvention hinausgehenden Schutz vorzusehen (Art. 27). Trotzdem setzt das Übereinkommen Leitplanken für die praktische Anwendung von Medizin und Biologie, die keineswegs nur als Mindeststandard bezeichnet werden dürfen. Vielmehr sind beispielsweise das Selbstbestimmungsrecht der Patientin bzw. des Patienten (Art. 5 ff.), das Verbot der Diskriminierung einer Person wegen ihres Erbguts (Art. 11) und das Verbot der Keimbahntherapie (Art. 13) Antworten auf die Herausforderungen der modernen Technologien, die für einen wirksamen Schutz des Menschen und der künftigen Generationen sorgen sollen. Im Übrigen enthält das Übereinkommen für all jene Staaten, in denen sich der Gesetzgeber noch wenig um medizinische Fragen gekümmert hat, den Kern eines zeitgemässen Medizinrechts.

2.1.3

Möglichkeit der Einschränkung der im Übereinkommen enthaltenen Rechte und Schutzbestimmungen (Art. 26)

Ein Staat darf die Ausübung der im Übereinkommen garantierten Rechte und die Einhaltung der Schutzbestimmungen zu Gunsten der Patientinnen und Patienten ­ in Anlehnung an Artikel 8 Absatz 2 EMRK betreffend den Schutz des Privat- und Familienlebens ­ nur insoweit einschränken, als dies durch die Rechtsordnung vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die öffentliche Sicherheit, zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der öffentlichen Gesundheit oder der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 26 Abs. 1). Diese Kriterien sind im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu verstehen13. Sie stimmen mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung überein. Danach ist ein Eingriff in ein Grundrecht nur zulässig, wenn er gestützt auf eine gesetzliche Grundlage erfolgt, durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt wird, verhältnismässig ist und das Grundrecht in seinem Kern nicht aushöhlt14. Diese Rechtsprechung ist in Artikel 36 der neuen Bundesverfassung15 kodifiziert worden.

Keine Einschränkungen nach Artikel 26 Absatz 1 sind nach Artikel 26 Absatz 2 bei folgenden Bestimmungen zulässig:

13 14 15

Erläuternder Bericht Nr. 159, S. 32.

BGE 112 Ia 162; 111 Ia 234.

SR 101

281

­

Verbot der Diskriminierung einer Person wegen ihres Erbguts (Art. 11);

­

Verbot des Einsatzes der somatischen Gentherapie zu anderen als medizinischen Zwecken und Verbot der Keimbahntherapie (Art. 13);

­

Verbot der Geschlechtswahl bei Verfahren der medizinisch unterstützten Fortpflanzung (Art. 14);

­

Schutz von Personen bei Forschungsvorhaben (Art. 16);

­

Schutz einwilligungsunfähiger Personen bei Forschungsvorhaben (Art. 17);

­

Schutz der Personen, die sich für eine Gewebe- oder Organspende zur Verfügung stellen (Art. 19 und 20);

­

Verbot finanziellen Gewinns (Art. 21).

Diese Bestimmungen sind für den Schutz der Menschenrechte und die Wahrung der Menschenwürde derart zentral, dass ein Abweichen davon nicht toleriert werden kann. Für das schweizerische Recht sollten sich hier keine Probleme stellen.

Die Einschränkungsmöglichkeiten nach Artikel 26 erlauben es einmal, zum Schutz der öffentlichen Sicherheit Massnahmen bei einer Person zu treffen, die psychisch krank ist und eine Gefahr für Dritte darstellt16. Artikel 43 des Strafgesetzbuches (StGB)17 über die «Massnahmen an geistig Abnormen» beispielsweise steht deshalb mit dem Übereinkommen in Einklang18. Ferner kann in der nationalen Rechtsordnung vorgesehen werden, dass genetische Untersuchungen auch gegen den Willen der betroffenen Personen (vgl. Art. 5 ff.) im Rahmen von Vaterschaftsprozessen zur Klärung der Abstammung eines Kindes oder im Rahmen von Strafverfahren zur Identifizierung eines Täters oder einer Täterin durchgeführt werden dürfen. Entsprechend bestimmt beispielsweise Artikel 254 Ziffer 2 des Zivilgesetzbuches (ZGB)19, dass die Parteien und Dritte an Untersuchungen mitzuwirken haben, die zur Aufklärung der Abstammung eines Kindes nötig sind. Möglich ist weiter, zum Schutz der öffentlichen Gesundheit Massnahmen bei Personen vorzusehen, die an einer ansteckenden Krankheit leiden. Die Artikel 7, 10 und 11 ff. des Epidemiengesetzes20 und die entsprechenden kantonalen Gesetzesbestimmungen sind deshalb mit dem Übereinkommen vereinbar.

Artikel 26 ist enger als sein Vorbild in Artikel 8 Absatz 2 EMRK. Im Gegensatz zu dieser Norm können die Bestimmungen des Übereinkommens zum Schutz der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Sicherstellung des wirtschaftlichen Wohles des Landes, zur Verteidigung der Ordnung und zum Schutz der Moral nicht eingeschränkt werden21. In diesen Bereichen lässt sich insbesondere keine medizinische Zwangsintervention gegen den Willen der betroffenen Personen rechtfertigen. Das muss auch für das schweizerische Recht gelten.

16 17 18

19 20 21

282

Erläuternder Bericht Nr. 151, S. 31.

SR 311.0 Zur Frage, ob Art. 43 StGB als Rechtsgrundlage für eine Zwangsbehandlung genügt, siehe Bundesgerichtsentscheid vom 15. Juni 2001 in Sachen X. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Bern, 6A.100/2000/bue.

SR 210 SR 818.101 Erläuternder Bericht Nr. 156, S. 32.

2.1.4

Vorbehalte (Art. 36)

Artikel 36 des Übereinkommens betreffend die Vorbehalte hat sein Vorbild in Artikel 57 (früher Art. 64) EMRK22. Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder Hinterlegung der Ratifikationsurkunde bezüglich bestimmter Vorschriften einen Vorbehalt anbringen. Ein solcher Vorbehalt ist aber nur zulässig, soweit das bei der Ratifikation geltende nationale Recht mit einer Vorschrift des Übereinkommens nicht übereinstimmt. Vorbehalte allgemeiner Art oder im Hinblick auf zukünftige Rechtsetzungsprojekte sind nicht zulässig (Art. 36 Abs. 1). Vielmehr muss bei der Ratifikation genau gesagt werden, welche nationale Vorschrift vom Geltungsbereich des Übereinkommens ausgenommen werden soll (Art. 36 Abs. 2). Nachträglich kann kein Vorbehalt mehr angebracht werden.

2.1.5

Vollzug und Änderung des Übereinkommens (Art. 29, 30 und 32)

Obwohl das Übereinkommen die EMRK für den Bereich der Biologie und der Medizin konkretisiert und weiterentwickelt, untersteht es nicht direkt der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Unter anderem im Hinblick auf dessen chronische Überlastung schien es dem Europarat ­ zumindest zurzeit ­ nicht am Platz, dem Gerichtshof zusätzliche Aufgaben zu übertragen. Eine Individualbeschwerde wegen Verletzung einer bestimmten Norm des Übereinkommens ist deshalb nicht möglich. Soweit allerdings eine Bestimmung materiell auch in der EMRK enthalten ist, kann auf diesem Weg der Gerichtshof angerufen werden23. Im Rahmen eines Verfahrens betreffend die EMRK können die Bestimmungen der Konvention ohne weiteres als Interpretationshilfe herangezogen werden. Zudem steht es der Regierung eines Vertragsstaates wie auch dem Ausschuss, der sich nach Artikel 32 mit der Frage einer allfälligen Änderung des Übereinkommens befassen muss, frei, ohne unmittelbare Bezugnahme auf ein bestimmtes Gerichtsverfahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein Gutachten zu einer strittigen Interpretationsfrage einzuholen (Art. 29).

Für den Vollzug des Übereinkommens haben grundsätzlich die nationalen Instanzen zu sorgen. Auf eine regelmässige Berichterstattung, wie sie in anderen Konventionen vorgesehen ist, wurde verzichtet. Dem Generalsekretär des Europarats steht indessen das Recht zu, von einer Vertragspartei einen Bericht darüber zu verlangen, in welcher Weise ihr internes Recht die wirksame Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens gewährleistet (Art. 30).

Biologie und Medizin sind einem raschen Wandel unterworfen. Artikel 32 beauftragt deshalb den Lenkungsausschuss für Bioethik, das Übereinkommen spätestens fünf Jahre nach seinem Inkrafttreten und danach in von ihm bestimmten Abständen zu überprüfen. Ein allfälliges Änderungsverfahren entspricht dem Verfahren, das in anderen Konventionen vorgesehen ist.

22 23

Erläuternder Bericht Nr. 173, S. 35.

Erläuternder Bericht Nr. 165, S. 33.

283

2.1.6

Kündigung des Übereinkommens (Art. 37)

Nach Artikel 37 kann jede Vertragspartei das Übereinkommen jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation kündigen.

2.2

Der materielle Inhalt des Übereinkommens im Überblick (Art. 1­25 und 28)

Im 1. Kapitel (Art. 1­4) wird das Ziel des Übereinkommens umschrieben. Es geht darum, die Würde und die Identität des menschlichen Lebens zu schützen und jeder Person ohne Diskriminierung die Wahrung ihrer Unversehrtheit sowie ihrer sonstigen Grundrechte und Grundfreiheiten im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin zu gewährleisten (Art. 1).

Zentrale Bedeutung hat die Aussage in Artikel 2, dass das Interesse des Individuums gegenüber den Interessen der Gesellschaft und der Forschung Vorrang hat. Ferner werden in Artikel 3 die einzelnen Staaten verpflichtet, unter Berücksichtigung der Gesundheitsbedürfnisse und der verfügbaren Mittel allen Menschen in ihrem Zuständigkeitsbereich einen gleichen Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von angemessener Qualität zu verschaffen. Ausdrücklich festgehalten wird auch, dass jede Intervention im Gesundheitsbereich, einschliesslich Forschung, nach den einschlägigen Rechtsvorschriften, Berufspflichten und Verhaltensregeln erfolgen muss (Art. 4). Es ist davon auszugehen, dass Ärztinnen und Ärzte verpflichtet sind, sich laufend fortzubilden und ihre medizinischen Kenntnisse auf dem neuesten Stand zu halten.

Das 2. Kapitel (Art. 5­9) markiert die Wende von der direktiven Medizin zum Selbstbestimmungsrecht der Patientin oder des Patienten. Ausser in Notfällen darf keine Intervention im Gesundheitsbereich erfolgen, ohne dass die betroffene Person oder, wenn sie einwilligungsunfähig ist, ihr gesetzlicher Vertreter oder eine von der Rechtsordnung dafür vorgesehene Behörde oder Person die Zustimmung erteilt hat.

Für einwilligungsunfähige Personen darf die Zustimmung grundsätzlich nur erteilt werden, wenn die Intervention zu ihrem unmittelbaren Nutzen erfolgt. Personen, die an einer psychischen Störung leiden, dürfen wegen dieser Störung ohne ihre Einwilligung im Übrigen nur dann behandelt werden, wenn ihnen ohne diese Behandlung ein ernster gesundheitlicher Schaden droht und die Rechtsordnung einen Schutz gewährleistet, der auch Aufsichts-, Kontroll- und Rechtsmittelverfahren umfasst.

Im 3. Kapitel (Art. 10) werden die Privatsphäre und ein Recht auf Auskunft garantiert.

Gegenstand des 4. Kapitels (Art. 11­14) ist das menschliche Genom. Proklamiert wird in Artikel 11 das allgemeine Verbot, eine Person wegen ihres Erbguts zu diskriminieren. Ferner werden
prädiktive genetische Untersuchungen zu anderen als medizinischen Zwecken verboten und eine angemessene genetische Beratung garantiert (Art. 12). Ein Verbot gilt auch für die Keimbahntherapie, d.h. für verändernde Eingriffe in das Erbgut einer Person mit dem Ziel, das Genom der Nachkommen zu verändern (Art. 13). Schliesslich wird im Hinblick auf die Verfahren der medizi-

284

nisch unterstützten Fortpflanzung die Geschlechtswahl grundsätzlich untersagt (Art.

14).

Das 5. Kapitel (Art. 15­18) ist der biomedizinischen Forschung gewidmet. Keine Forschungsuntersuchung darf vorgenommen werden, wenn nicht die betroffene Person frei zugestimmt hat, nachdem sie über Zweck, Folgen und Risiken umfassend aufgeklärt worden ist. Ferner darf es keine Alternative zur Forschung am Menschen von vergleichbarer Wirksamkeit geben, und das Forschungsprojekt muss sowohl wissenschaftlich wie ethisch von einer unabhängigen Stelle im Voraus geprüft worden sein (Art. 16). Besondere Bestimmungen schützen urteilsunfähige Personen (Art. 17). Was die Forschung an Embryonen in vitro betrifft, so verbietet das Übereinkommen die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken. Soweit im Übrigen die nationale Rechtsordnung die Embryonenforschung überhaupt zulässt, muss für einen angemessenen Schutz gesorgt werden (Art. 18).

Im 6. Kapitel (Art. 19 und 20) geht es um die Organ- und Gewebetransplantation mittels lebender Spender; dabei gilt das Subsidiaritätsprinzip. Ferner muss die Zustimmung des urteilsfähigen Spenders oder der urteilsfähigen Spenderin in qualifizierter Form erteilt werden. Einwilligungsunfähigen Personen dürfen zu Transplantationszwecken weder Organe noch Gewebe entnommen werden. Einzige Ausnahme ist die Transplantation regenerierbaren Gewebes unter Geschwistern, wenn keine geeignete einwilligungsfähige Spenderperson zur Verfügung steht und die Massnahme dem empfangenden Geschwister das Leben retten kann.

Im 7. und 8. Kapitel (Art. 21­25) werden das Verbot der Erzielung eines finanziellen Gewinns mit Körperteilen als solchen und das Verbot der Zweckentfremdung entnommener Körperteile statuiert sowie Sanktionen für die Verletzung von Bestimmungen des Übereinkommens vorgesehen.

Schliesslich haben die Vertragsstaaten nach Artikel 28 dafür zu sorgen, dass die durch die Entwicklung in der Biologie und Medizin aufgeworfenen Grundsatzfragen öffentlich diskutiert werden.

3

Das Übereinkommen und die schweizerische Rechtsordnung

3.1

Die Art der völkerrechtlichen Verpflichtung: direkt anwendbare und nicht direkt anwendbare Bestimmungen

Das Übereinkommen wird ­ wie alle internationalen Abkommen ­ Bestandteil unserer Rechtsordnung, sobald die Schweiz es ratifiziert und in Kraft setzt. Soweit die Bestimmungen des Übereinkommens direkt anwendbar sind, können die daraus fliessenden Rechte von diesem Zeitpunkt an vom Individuum vor den schweizerischen Behörden geltend gemacht werden. Artikel 1 Absatz 2 des Übereinkommens, der jede Vertragspartei verpflichtet, in ihrem internen Recht die notwendigen Massnahmen zu treffen, um dem Übereinkommen Wirksamkeit zu verleihen, ändert daran nichts. In der Tat will diese Bestimmung, die auf Antrag der Parlamentari-

285

schen Versammlung in das Vertragswerk aufgenommen wurde, keineswegs die direkte Anwendbarkeit ausschliessen24.

Direkt anwendbar sind jene Bestimmungen, die inhaltlich hinreichend bestimmt und klar sind, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides zu bilden; die Norm muss mithin justiziabel sein, die Rechte und Pflichten des Einzelnen zum Inhalt haben und Adressat der Norm müssen die rechtsanwendenden Behörden sein25. Es wird also Sache der rechtsanwendenden Behörden sein, im konkreten Fall über die Justiziabilität einer Bestimmung des Übereinkommens verbindlich zu entscheiden. Man darf indessen davon ausgehen, dass die Kernnormen des Übereinkommens, d.h. die Artikel 5­9 über die Einwilligung, Artikel 10 Absätze 1 und 2 über den Schutz der Privatsphäre und das Recht auf Auskunft, die Artikel 11­14 über das menschliche Genom, Artikel 15 über die Forschungsfreiheit, die Artikel 16 und 17 über den Schutz von Personen bei Forschungsvorhaben, Artikel 18 Absatz 2, der das Verbot der Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken statuiert, die Artikel 19 und 20 über Organ- und Gewebetransplantation, Artikel 21 betreffend das Verbot finanziellen Gewinns und Artikel 22 über die Verwendung eines menschlichen Körperteils grundsätzlich direkt anwendbar sind.

Bestimmungen, die kein subjektives Recht enthalten, sind trotzdem Teil der schweizerischen Rechtsordnung; die völkerrechtliche Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob eine Bestimmung von den schweizerischen Behörden direkt anzuwenden ist oder nicht. Die Behörden sind deshalb gehalten, die Verpflichtungen, die sich aus dem Übereinkommen ergeben, zu konkretisieren. Dabei haben sie allerdings einen breiten Ermessensspielraum. Zudem ist das interne Recht, d.h. das eidgenössische, das kantonale und das kommunale Recht, völkerrechtskonform auszulegen26.

3.2

Allgemeine Bestimmungen des Übereinkommens

3.2.1

Gegenstand und Zweck des Übereinkommens (Art. 1)

Wie schon der Titel zum Ausdruck bringt, ist es Ziel des Übereinkommens, im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin die Würde und die Identität menschlichen Lebens in all seinen Formen zu schützen und jedem Menschen seine Integrität sowie seine sonstigen Grundrechte und Grundfreiheiten zu gewährleisten27. Geltungsbereich des Übereinkommens ist somit die Humanmedizin im weitesten Sinne des Wortes unter Einschluss insbesondere der Transplantationsmedizin (inkl. Xenotransplantation), der Gentechnologie im Humanbereich, der Klonierung sowie der In-vitro-Fertilisation28. Unerheblich ist, ob es sich um die praktische Anwendung, d.h. um diagnostische, therapeutische oder präventive Massnahmen, oder um Forschung am Menschen handelt.

24 25 26 27 28

286

Erläuternder Bericht Nr. 20, S. 8.

BGE 124 III 90 mit weiteren Hinweisen; 112 Ib 184; 111 Ib 72.

Vgl. Art. 5 Abs. 4 BV.

Erläuternder Bericht Nr. 16, S. 7.

Dementsprechend fällt die Tier- und Pflanzenbiologie und -medizin nicht unter den Geltungsbereich des Übereinkommens, soweit sie keinen unmittelbaren Konnex zur Medizin und Biologie im Humanbereich hat, siehe Erläuternder Bericht Nr. 10, S. 6.

Mit dem Hinweis auf die Grundrechte und Grundfreiheiten, die jedem Menschen garantiert werden, wird u.a. auf die EMRK Bezug genommen29. Das Übereinkommen bezweckt, die Menschenrechte, die im Bereich der Humanmedizin zu berücksichtigen sind, zu konkretisieren und weiterzuentwickeln.

Terminologisch unterscheidet das Übereinkommen in seinen französischen und englischen Originaltexten zwischen «personne/everyone» (Mensch/Person) einerseits und «être humain/human being» (menschliches Leben bzw. menschliches Lebewesen) andererseits. Der Begriff «personne» bezeichnet den Menschen als Rechtssubjekt, d.h. als Träger von Rechten und Pflichten. Artikel 2 EMRK garantiert das Recht auf Leben. Die Strassburger Organe haben die Frage offen gelassen, inwiefern das Leben des Ungeborenen als geschütztes Leben im Sinne der genannten Bestimmung angesehen werden kann30. Der Internationale Pakt über die bürgerlichen und zivilen Rechte (UNO-Pakt II)31 enthält ebenfalls eine Bestimmung, welche jedem Menschen ein angeborenes Recht auf Leben garantiert (Art. 6). Aber auch dieser Pakt legt nicht fest, in welchem Zeitpunkt das menschliche Leben beginnt32.

Auch die UNO-Kinderkonvention33 enthält keine Bestimmung, welche die Frage der Anwendung auf vorgeburtliches Leben beantworten würde. In der Präambel wird allerdings festgehalten, dass das Kind «eines angemessenen rechtlichen Schutzes vor und nach der Geburt bedarf». Zudem garantiert Artikel 6 Absatz 1 jedem Kind ein angeborenes Recht auf Leben. Absatz 2 verpflichtet ferner die Vertragsstaaten, das Überleben und die Entwicklung des Kindes in grösstmöglichem Umfang zu sichern.

Da auf internationaler Ebene kein Konsens über den Begriff der Person besteht, entscheidet das nationale Recht, ob die Personqualität dem Menschen erst mit der Geburt oder bereits früher zuerkannt wird. Nach Artikel 31 ZGB beginnt die Persönlichkeit mit dem Leben nach der vollendeten Geburt und endet mit dem Tod. Vor der Geburt ist das Kind unter dem Vorbehalt rechtsfähig, dass es lebendig geboren wird. Namentlich kann der nasciturus ­ bedingt ­ bereits Erbe sein (Art. 31 Abs. 1 und 544 Abs. 1 ZGB). Diese Regelung des Zivilgesetzbuches gilt auch in anderen Rechtsgebieten als dem Privatrecht.

Der Begriff «être humain/human being» wird verwendet, wenn menschliches Leben in all seinen Formen, d.h. von
seinem Beginn bis zum Tod, gemeint ist34. Der Embryo wird allerdings im Übereinkommen nicht definiert. Das muss als eine Schwachstelle des Übereinkommens bezeichnet werden. Sobald aber menschliches Leben entstanden ist, sind seine Würde und seine Identität zu achten. In dieser Zielsetzung stimmt das Übereinkommen mit Artikel 119 BV35 überein. Diese Verfas29 30

31 32

33 34 35

Erläuternder Bericht Nr. 9, S. 6.

Vgl. M.E. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Zürich 1999, N. 268; J.A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, Kehl usw. 1985, Art. 2 Rz. 3; H. Reis, Die Europäische Kommission für Menschenrechte zur rechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs, JZ 1981, S. 738 ff.; A. Haefliger/F. Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1999, S. 55 ff.

SR 0.103.2 Aus den Materialien geht hervor, dass werdendes Leben nicht schon von der Empfängnis an zu schützen ist. Ein entsprechender Antrag wurde abgelehnt, vgl. M. Nowak, U.N. Convenant on Civil and Political Rights, CCPR Commentary, Kehl/Strassburg/Arlington 1993, zu Art. 6, N. 34 und 35.

SR 0.107 Erläuternder Bericht Nr. 19, S. 8.

Art. 119 BV entspricht dem früheren Art. 24novies Abs. 1 und 2 BV.

287

sungsbestimmung versteht nach den Materialien unter einem Embryo die Frucht nach der Kernverschmelzung und gewährleistet dessen Würde und Identität36. So verbieten sowohl das Übereinkommen wie das schweizerische Recht u.a. die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken (Art. 18 Abs. 2; Art. 119 Abs. 2 Bst. c BV), die Keimbahntherapie, d.h. genetische Manipulationen am menschlichen Keimgut, die sich auf Nachkommen weitervererben (Art. 13 letzter Teilsatz; Art. 119 Abs. 2 Bst. a BV und Art. 35 des Fortpflanzungsmedizingesetzes vom 18. Dez. 199837), sowie ­ im Zusatzprotokoll ­ das Klonen menschlicher Lebewesen (Art. 119 Abs. 2 Bst. a BV und Art. 36 des Fortpflanzungsmedizingesetzes (dazu Ziff. 1.3 und 5). Dagegen nimmt das Übereinkommen zur Frage der Zulässigkeit gewisser Verhütungsmethoden sowie zur Frage des Schwangerschaftsabbruchs, bei der die Auffassungen in den verschiedenen Staaten Europas weit auseinander gehen, nicht Stellung. Es garantiert deshalb dem Embryo keine Integrität, d.h. kein Recht auf Leben.

3.2.2

Vorrang menschlichen Lebens (Art. 2)

Das Interesse und das Wohl des Menschen haben Vorrang gegenüber dem blossen Interesse der Gesellschaft oder der Wissenschaft. Dieser wichtige Grundsatz umspannt das Übereinkommen und gilt für den ganzen Bereich der Biomedizin unter Einschluss der Forschung. Er hilft, Interessenkonflikte zwischen dem Individuum einerseits und dem Kollektiv sowie der Wissenschaft andererseits zu lösen. Artikel 2 hat insbesondere bei der medizinischen Forschung praktische Bedeutung. Bei Versuchen am Menschen sollen die Interessen von Wissenschaft und Gesellschaft niemals Vorrang haben vor den Erwägungen über die möglichen Risiken und den wahrscheinlichen Nutzen für die betroffene Person. Auch wenn sich diese freiwillig für ein Forschungsvorhaben zur Verfügung stellt, muss eine medizinische Intervention sofort abgebrochen werden, wenn sie das Wohl der betroffenen Person gefährdet. Dass diese Handlungsanweisung schon heute in der Schweiz gelten muss, versteht sich von selbst.

3.2.3

Gleicher Zugang zur Gesundheitsversorgung (Art. 3)

Nach Artikel 3 ergreifen die Vertragsstaaten ­ unter Berücksichtigung der Gesundheitsbedürfnisse und der verfügbaren Mittel ­ geeignete Massnahmen, um in ihrem Zuständigkeitsbereich gleichen Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von angemessener Qualität zu schaffen.

36

37

288

Siehe dazu die Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates vom 26. Juni 1996 über die Volksinitiative «zum Schutz des Menschen vor Manipulation in der Fortpflanzungstechnologie» und zu einem Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung, BBl 1996 III 205 ff., insb. Ziff. 142.2 FN 17, 22.02 und 321.307.

SR 814.90

Diese Bestimmung bekräftigt eine Verpflichtung, die schon im UNO-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I)38 enthalten ist. Nach Artikel 12 dieses Paktes erkennen die Vertragsstaaten «das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmass an körperlicher und geistiger Gesundheit» an. Sie haben zudem die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, «die für jedermann im Krankheitsfall den Genuss medizinischer Einrichtungen und ärztlicher Betreuung sicherstellen»39.

Artikel 3 ist im gleichen Sinn auszulegen wie die entsprechenden anderen internationalen Normen und insbesondere wie Artikel 12 des UNO-Pakts I. Er hat grundsätzlich programmatische Bedeutung und schafft kein subjektives, gerichtlich durchsetzbares Recht des Einzelnen auf angemessene Gesundheitsversorgung. Es ist Aufgabe der Vertragsstaaten, in ihrem Zuständigkeitsbereich gleichen Zugang zu einer Gesundheitsvorsorge von angemessener Qualität zu schaffen40. Im Hinblick darauf erscheint ein Vorbehalt entbehrlich, wie ihn die Freisinnig-Demokratische Partei der Schweiz (FDP), der Schweizerische Arbeitgeberverband, der Schweize-rische Handels- und Industrieverein und der Schweizerische Gewerbeverband im Vernehmlassungsverfahren zur Diskussion gestellt haben.

«Gleicher Zugang»41 bedeutet im Kontext von Artikel 3, dass im Rahmen der staatlichen Sozialpolitik jeder Person ein diskriminierungsfreier bzw. rechtsgleicher Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von angemessener Qualität sicherzustellen ist42. Massnahmen zur Erreichung dieses Ziels sind indessen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Staaten zu treffen. Damit unterstützt die Bestimmung auch die Bestrebungen zur Eindämmung der Kostenexplosion im Gesundheitswesen unter Wahrung eines qualitativ hohen Standards der medizinischen Versorgung43.

Was Artikel 3 anstrebt, ist in der Schweiz in der Bundesverfassung verankert, die in Artikel 8 auch das allgemeingültige Diskriminierungsverbot statuiert: Nach Artikel 41 Absatz 1 Buchstaben a und b BV müssen sich Bund und Kantone in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür einsetzen, dass jede Person an der sozialen Sicherheit teilhat und die für ihre Gesundheit notwendige Pflege erhält. Ferner sorgen Bund und Kantone nach Artikel 41 Absatz 2 BV
dafür, dass jede Person insbesondere gegen die wirtschaftlichen Folgen von Krankheit, Unfall und Mutterschaft gesichert ist. Diese Sozialziele sind nach Artikel 41 Absatz 3 BV «im Rahmen der verfassungsmässigen Zuständigkeiten und der verfügbaren Mittel» anzustreben. Aus den Sozialzielen können keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden (Art. 41 Abs. 4 BV). Seit dem Inkrafttreten des neuen Krankenversicherungsgesetzes am 1. Januar 199644 und der dazugehörigen Ausführungsverordnungen müssen alle Personen, die seit mindestens drei Monaten in der Schweiz wohnen, obligatorisch über eine Krankenversicherung verfügen.

38 39

40 41 42 43 44

SR 0.103.1 Siehe auch die Präambel der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (SR 0.810), der die Schweiz am 26. März 1947 beigetreten ist, und Art. 24 der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes.

Erläuternder Bericht Nr. 26, S. 9.

Im französischen Originaltext «accès équitable», im englischen Originaltext «equitable access».

Erläuternder Bericht Nr. 25, S. 9.

Vgl. BGE 110 Ia 105; 118 Ia 427.

SR 832.10

289

Diese gewährleistet ihnen wirksame, zweckmässige und wirtschaftliche Leistungen45. Besondere Aktualität hat das Anliegen eines gleichen Zugangs zur Gesundheitsversorgung im Hinblick auf die Organtransplantation. Artikel 119a Absatz 2 BV46 nimmt das Anliegen auf und verpflichtet die Bundesgesetzgebung, «Kriterien für eine gerechte Zuteilung von Organen» festzulegen.

3.2.4

Berufspflichten und Verhaltensregeln (Art. 4)

Jede Intervention im Gesundheitsbereich, einschliesslich Forschung, muss gemäss Artikel 4 des Übereinkommens nach den einschlägigen Rechtsvorschriften, Berufspflichten und Verhaltensregeln erfolgen. Diese Bestimmung hat keinen eigenständigen Inhalt, sondern hat nur deklaratorische Bedeutung. Sie kann von einer Person nicht direkt angerufen werden, um sich wegen einer Verletzung landesrechtlicher Berufspflichten oder Verhaltensregeln oder von Standesregeln zu beschweren.

Die Verletzung solcher Vorschriften wird über Artikel 4 nicht zu einer Völkerrechtsverletzung.

Die Norm richtet sich nicht nur an Ärztinnen und Ärzte, sondern an alle Personen, die von Berufs wegen im Gesundheitswesen tätig sind, also beispielsweise Psychologinnen und Psychologen sowie Pflegepersonal in Spitälern. Nicht erfasst sind insbesondere Laien, die bei einem Unfall erste Hilfe leisten47.

Unter «einschlägigen Rechtsvorschriften» sind alle in einem Staat gültigen Rechtsregeln zu verstehen, die sich auf die Berufsausübung der Personen, die im Gesundheitswesen tätig sind, und auf ihr Verhältnis zu den Patientinnen und Patienten beziehen. Gleichgültig ist, ob es sich um privatrechtliche oder um öffentlichrechtliche Normen handelt.

Das Standesrecht der Ärztinnen und Ärzte begleitet das eigentliche Arztrecht. Inhaltlich regelt das Standesrecht die Rechtsfragen, die sich aus dem Status der Ärztin oder des Arztes als Mitglied eines freien Berufs ergeben. Die Berufsordnung schreibt das Verhalten bei der Berufsausübung generell vor. Unter anderem ist der Arzt oder die Ärztin verpflichtet, die Regeln der medizinischen Wissenschaft, wie sie zur Zeit der Behandlung bestehen, anzuwenden. Der Standard der Wissenschaft bestimmt sowohl das von der Ärztin oder dem Arzt geforderte Niveau in der Berufsausübung wie auch die Notwendigkeit der Fortbildung48.

In der Schweiz hat die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH am 12. Dezember 1996 eine Standesordnung erlassen49, die das Verhalten von Arzt und Ärztin gegenüber den Patienten und Patientinnen, den Kollegen und Kolleginnen,

45

46 47 48 49

290

Siehe Art. 3 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10); Art. 1 der Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102). Siehe auch die Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV; SR 832.112.31).

Am 7. Febr. 1999 als Art. 24decies in die Bundesverfassung aufgenommen, AS 1999 1341; Botschaft BBl 1997 III 653 ff.

Erläuternder Bericht Nr. 28, S. 9.

Erläuternder Bericht Nr. 32, S. 10; vgl. auch BGE 108 II 59.

Standesordnung FMH, abgedruckt in: Schweizerische Ärztezeitung 78 (1997), S. 373.

den anderen Partnern im Gesundheitswesen sowie das Verhalten in der Öffentlichkeit regelt.

Die Hauptpflicht der Ärztinnen und Ärzte besteht in der Heilung kranker Personen, soweit dies möglich ist. Zum Heilauftrag gehören aber auch die Vorsorge für die Gesundheit, die Linderung von Beschwerden und die Förderung des psychischen Wohlbefindens der Patientin oder des Patienten50. Die dabei eingesetzten Mittel müssen in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel bleiben51. Geprägt wird das Arzt-Patienten-Verhältnis im Übrigen vom Vertrauen. Dieses ist damit auch Massstab für die Pflichten der Ärztinnen und Ärzte. Unterstützt wird die Ärzteschaft durch die medizinischen Hilfspersonen, für die ebenfalls spezifische Verhaltensvorschriften bestehen.

3.3

Einwilligung

3.3.1

Einleitung

Das 2. Kapitel des Übereinkommens regelt in den Artikeln 5­9 die Einwilligung. In einem gewissen Sinn handelt es sich um den allgemeinen Teil des internationalen Medizinrechts. Ärztinnen und Ärzte dürfen nicht einfach das ihnen richtig Erscheinende vorkehren52. Vielmehr entscheiden Patientinnen und Patienten selber, ob sie sich einer bestimmten Untersuchung oder Behandlung unterziehen wollen. Sie dürfen eine Behandlung selbst dann ablehnen, wenn dadurch ihre Gesundheit geschädigt oder ihr Leben verkürzt wird. Eine gültige Einwilligung in eine medizinische Massnahme setzt im Übrigen voraus, dass die Patientin oder der Patient vorgängig über alle wesentlichen Elemente, insbesondere über Zweck, Art, Risiko und Folgen der Intervention, aufgeklärt worden ist53. Diese Grundsätze markieren die Wende von der direktiven Medizin zum Selbstbestimmungsrecht der Patientin oder des Patienten, die sich in der Schweiz schon seit längerer Zeit vollzogen hat. Das Zustimmungsprinzip ist zur tragenden Säule des Arzt-Patienten-Verhältnisses geworden.

Artikel 5 hält dieses fundamentale Prinzip ausdrücklich fest. Er wird ergänzt durch Artikel 6, der die allgemein anwendbaren Grundsätze für den Fall umschreibt, dass eine Person nicht urteilsfähig ist und deshalb die Zustimmung nicht selber erteilen kann. Artikel 7 bestimmt dann die Voraussetzungen, unter denen psychisch kranke Personen ohne ihre Zustimmung behandelt werden dürfen. Artikel 8 regelt die dringlichen Fälle. Schliesslich befasst sich Artikel 9 mit den so genannten Patientenverfügungen, d.h. den früher geäusserten Wünschen der Patientin oder des Patienten.

50 51 52

53

Erläuternder Bericht Nr. 32, S. 10.

Erläuternder Bericht Nr. 33, S. 10; A. Bucher, Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, Basel/Genf/München 1999, S. 129 Rz. 527.

In einem Entscheid vom 13. Nov. 1979 hat das Bundesgericht erstmals das Prinzip der freien Zustimmung der Patientin oder des Patienten nach umfassender Aufklärung festgehalten, BGE 105 II 284.

BGE 105 II 284. Siehe auch O. Guillod, Le consentement éclairé du patient. Autodétermination ou paternalisme, Neuenburg 1986, S. 119­197; D. Manaï, Les droits du patient face à la médecine contemporaine, Basel 1999, S. 115­138.

291

3.3.2

Allgemeine Regel (Art. 5)

Eine Intervention im Gesundheitsbereich darf erst erfolgen, nachdem die betroffene Person darüber aufgeklärt worden ist und frei eingewilligt hat. Die Zustimmungsfreiheit bedeutet auch, dass die Einwilligung jederzeit frei widerrufbar ist. Artikel 5 gewährt damit dem Einzelnen ein subjektives, gerichtlich durchsetzbares Recht, in einer verständlichen Sprache insbesondere über Zweck und Art der Intervention sowie über deren Folgen, Risiken und Kosten54 aufgeklärt zu werden und der Intervention im Gesundheitsbereich zuzustimmen oder sie abzulehnen. Vorbehalten bleiben die in anderen Bestimmungen des Übereinkommens vorgesehenen Ausnahmen (Art. 7 sowie Art. 26, dazu Ziff. 2.1.3). Die Form der Zustimmung wird nicht präzisiert. Diese kann in verschiedener Form, ausdrücklich oder stillschweigend, mündlich oder schriftlich, erteilt werden55. Der einzelne Staat bleibt diesbezüglich frei.

Wie schon in Artikel 4 ist der Begriff der Intervention in einem umfassenden Sinn zu verstehen. Es kann sich um eine beliebige diagnostische, prophylaktische, therapeutische oder rehabilitierende Massnahme oder um ein Forschungsprojekt handeln56.

Im schweizerischen Recht findet sich die Grundlage für das Selbstbestimmungsrecht der Patientin und des Patienten einerseits im Bundesprivatrecht (Persönlichkeitsschutz, Art. 28 ff. ZGB57; Auftragsrecht, Art. 398 des Obligationenrechts [OR]58), andererseits im eidgenössischen (Art. 10 Abs. 2 BV betreffend das Grundrecht der persönlichen Freiheit; Art. 123­126 StGB; Art. 8 EMRK; Art. 17 UNO-Pakt II) und im kantonalen öffentlichen Recht. Die meisten Kantone haben in ihre Gesetze über das Gesundheitswesen, über die Medizinalberufe oder über die Patientenrechte Bestimmungen über die Einwilligung aufgenommen. Diese kantonalen Vorschriften müssen sowohl mit Artikel 10 BV über die persönliche Freiheit wie auch mit Artikel 6 ZGB59 in Einklang stehen. Eine Intervention, die nicht von der Zustimmung der Patientin oder des Patienten gedeckt ist, gilt als Persönlichkeits- und Körperverletzung.

Der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist vom Bundesgericht schrittweise präzisiert worden60. Er ist umso grösser, je schwerwiegender der Eingriff ist. «Allgemein gilt [...], dass der Arzt bei gewöhnlich mit grossen Risiken verbundenen Operationen, die schwerwiegende Folgen haben können, den
Patienten ausführlicher aufklären und informieren muss, als wenn es sich um einen im allgemeinen unproblematischen Eingriff handelt»61. Der Arzt ist «verpflichtet, den Patienten über Art 54 55

56 57 58 59 60 61

292

Erläuternder Bericht Nr. 35, S. 11.

Die Formfreiheit gilt nicht für die Zustimmung zu einem Forschungsprojekt oder zu einer Organ- oder Gewebeentnahme. In diesen beiden Fällen muss die Zustimmung nach den Artikeln 16 und 19 des Übereinkommens ausdrücklich und eigens für diesen Fall erteilt werden, dazu hinten Ziff. 3.3.7.2 und 3.3.8.1.

Erläuternder Bericht Nr. 34, S. 10.

Dazu z.B. Ch. Brückner, Die Rechtfertigung des ärztlichen Eingriffs in die körperliche Integrität nach Art. 28 Abs. 2 ZGB, ZSR 1999 I, S. 451 ff.

SR 220 BGE 111 Ia 231; 114 Ia 350.

BGE 105 II 284; 108 II 59 und 62; 114 Ia 350; 116 II 519 und 521.

BGE 117 Ib 204 E. 3b.

und Risiken der in Aussicht genommenen Behandlungsmethoden aufzuklären, es sei denn, es handle sich um alltägliche Massnahmen, die keine besondere Gefahr und keine endgültige oder länger dauernde Beeinträchtigung der körperlichen Integrität mit sich bringen [...]. Andererseits kann der Arzt im Allgemeinen davon ausgehen, dass er es mit einem verständigen Patienten zu tun hat, der im Rahmen seiner Lebenserfahrung um die allgemein bekannten Gefahren der in Frage stehenden Operation weiss. Nicht aufzuklären hat der Arzt deshalb über Komplikationen, die mit einem grösseren Eingriff regelmässig verbunden sind oder ihm folgen können, wie zum Beispiel Blutungen, Infektionen, Thrombosen oder Embolien»62. Schliesslich hat das Bundesgericht63 noch ergänzt, dass der Ärztin oder dem Arzt auch die Pflicht obliegt, den Patienten darauf aufmerksam zu machen, wenn eine Intervention voraussichtlich nicht von der Krankenversicherung gedeckt wird.

Einschränkungen dieser Aufklärungspflicht gibt es ­ unter Vorbehalt dringlicher Fälle und der Weigerung des Patienten, sich aufklären zu lassen ­ nur im Rahmen des so genannten therapeutischen Privilegs. Wie das Bundesgericht64 festgehalten hat, ist die Ärztin oder der Arzt nicht verpflichtet, Informationen über den Gesundheitszustand, d.h. eine sehr schlechte Prognose der Patientin oder des Patienten, weiterzugeben, die sie oder ihn so erschrecken, dass der körperliche oder psychische Zustand gefährdet wird. Das heisst aber nicht, dass eine Zustimmung zu einer medizinischen Intervention ohne Aufklärung gültig ist. Vielmehr bedeutet dies nur, dass die Aufklärung nicht bis zur Mitteilung der ganz genauen Diagnose und Prognose gehen muss, wenn diese eine Gefahr für die Patientin oder den Patienten bedeuten.

Dieses ­ umstrittene ­ therapeutische Privileg ist in verschiedenen kantonalen Gesetzgebungen65 ausdrücklich verankert worden. Im Vernehmlassungsverfahren haben die Kantone Genf, Jura, Schaffhausen und Schwyz sowie die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften dafür votiert, bei der Ratifikation des Übereinkommens einen Vorbehalt betreffend das therapeutische Privileg anzubringen. Auf der anderen Seite haben Insieme, Pro Mente Sana sowie die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft zur Eingliederung Behinderter einen solchen Vorbehalt klar abgelehnt.

Artikel 5
des Übereinkommens äussert sich zum therapeutischen Privileg nicht. Absatz 2 verlangt aber lediglich eine «angemessene Information» und lässt damit der Praxis einen Ermessensspielraum offen. Wichtig ist vor allem, dass Artikel 10 Absatz 3 über das Recht auf Auskunft ausdrücklich vorsieht, dass die innerstaatliche Rechtsordnung das Recht von Patientinnen und Patienten, alle Informationen über ihren Gesundheitszustand zu kennen, in deren Interesse einschränken kann. Dabei geht es insbesondere um todkranke Personen. Im Lichte dieser Bestimmungen und der Erläuterungen dazu66 darf deshalb davon ausgegangen werden, dass das therapeutische Privileg mit dem Übereinkommen vereinbar ist. Ein Vorbehalt ist somit nicht angebracht. Auch nach der Ratifikation bleibt es dem innerstaatlichen Recht

62 63 64 65

66

BGE 117 Ib 203 f. E. 3b.

BGE 119 II 456.

BGE 105 II 284, bestätigt in BGE 108 II 59.

Siehe z.B. Art. 39 Abs. 3 des bernischen Gesundheitsgesetzes vom 6. Febr. 2001 und Art. 4 des basel-städtischen Patientendekrets vom 1. Nov. 1988. Kritisch zum therapeutischen Privileg O. Guillod (FN 53), S. 186 ff.

Erläuternder Bericht Nr. 69, S. 17.

293

überlassen, zu entscheiden, ob und wieweit das therapeutische Privileg zulässig ist oder nicht.

3.3.3

Schutz einwilligungsunfähiger Personen (Art. 6)

3.3.3.1

Allgemeine Grundsätze (Art. 6 Abs. 1, 4 und 5)

Grundlage der Zustimmung zu einer medizinischen Intervention bei einer einwilligungsfähigen Person ist ihr Wille, selbst wenn dieser nicht ihren wohlverstandenen Interessen entspricht. Bei einwilligungsunfähigen Personen, für die eine Drittperson die Zustimmung geben muss, sieht dies anders aus. Die Zustimmung darf nach Artikel 6 Absatz 1 des Übereinkommens nur erteilt werden, wenn die Intervention zum unmittelbaren Nutzen der einwilligungsunfähigen Person erfolgt. Vorbehalten bleiben lediglich Artikel 17 über die Forschung (dazu Ziff. 3.6.3), Artikel 20 über die Transplantation regenerierbaren Gewebes unter Geschwistern (dazu Ziff. 3.7.2) und der allgemeine Artikel 26 (dazu Ziff. 2.1.3). Artikel 6 Absatz 5 geht von der gleichen Grundidee aus: Im Interesse der betroffenen Person kann die Einwilligung jederzeit widerrufen werden. Dem nationalen Recht obliegt es, Beschwerdeverfahren für den Fall vorzusehen, dass die einwilligende Person nicht die wohlverstandenen Interessen der urteilsunfähigen Patientin oder des urteilsunfähigen Patienten wahrt67. Damit die Einwilligung gültig ist, muss die einwilligende Person im Übrigen in gleicher Weise wie eine einwilligungsfähige Patientin bzw. ein einwilligungsfähiger Patient aufgeklärt werden (Art. 6 Abs. 4). Die Empfehlung des Ministerkomitees R (99) 4 vom 23. Februar 1999 «sur les principes concernant la protection juridique des majeurs incapables» übernimmt Artikel 6 in den Grundsätzen zur Gesundheitsfürsorge (Prinzip 22­26 betreffend die Zustimmung).

Das schweizerische Recht unterscheidet, soweit es um eine medizinische Intervention geht, zwischen urteilsunfähigen und urteilsfähigen Patientinnen und Patienten (vgl. Art. 16 ZGB). Ist eine Person urteilsfähig, so erteilt sie selber ihre Zustimmung, gleichgültig ob sie unmündig oder entmündigt ist (Art. 19 Abs. 2 ZGB)68.

Demzufolge findet Artikel 5 des Übereinkommens Anwendung. Urteilsunfähige Personen dagegen können keine gültige Zustimmung erteilen (Art. 18 ZGB). An ihrer Stelle handelt der gesetzliche Vertreter. Die Rechtslage in der Schweiz bezüglich urteilsunfähiger Personen ist allerdings nicht vollständig ausgeleuchtet.

Unsicher ist, wie weit das Vertretungsrecht genau geht und wer an Stelle einer urteilsunfähigen Patientin oder eines urteilsunfähigen Patienten handeln darf, wenn kein gesetzlicher Vertreter vorhanden ist (dazu Ziff. 3.3.3).

67 68

294

Erläuternder Bericht Nr. 48, S. 13.

BGE 114 Ia 350.

3.3.3.2

Einwilligungsunfähige Unmündige (Art. 6 Abs. 2)

Nach Artikel 6 Absatz 2 darf bei einer minderjährigen Person, die von Rechts wegen nicht fähig ist, einzuwilligen, eine medizinische Intervention nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters oder einer von der Rechtsordnung dafür vorgesehenen Behörde, Person oder Stelle erfolgen.

Unmündige unterstehen in der Schweiz der elterlichen Sorge (Art. 296 ZGB) oder haben einen Vormund (Art. 368 ZGB). Soweit Jugendliche nicht selber über eine medizinische Intervention entscheiden, weil sie urteilsunfähig sind, muss der gesetzliche Vertreter zustimmen. Dieser hat, soweit tunlich, auf die Meinung des Kindes Rücksicht zu nehmen (Art. 301 Abs. 2 ZGB). Fällen die Eltern einen Entscheid, der das Kindeswohl ausser Acht lässt, so können die vormundschaftlichen Behörden mit Kindesschutzmassnahmen nach den Artikeln 307 ff. ZGB einschreiten. Gegen einen Entscheid des Vormundes kann gestützt auf Artikel 420 ZGB Beschwerde erhoben werden. Mit dieser Regelung schützt das schweizerische Recht das Selbstbestimmungsrecht Jugendlicher besser, als dies Artikel 6 Absatz 2 vorschreibt. Danach kommt der Meinung der minderjährigen Person mit zunehmendem Alter und zunehmender Reife «immer mehr entscheidendes Gewicht zu». Die Bestimmung äussert sich nicht dazu, wie ein allfälliger Konflikt zwischen dem Willen, den der Jugendliche äussert, und der Meinung des gesetzlichen Vertreters zu lösen ist. In der Schweiz dagegen ist klar: Der urteilsfähige Unmündige entscheidet selbstständig.

3.3.3.3

Einwilligungsunfähige Erwachsene (Art. 6 Abs. 3)

Ist eine volljährige Person auf Grund einer geistigen Behinderung, einer Krankheit oder aus ähnlichen Gründen von Rechts wegen nicht fähig, in eine Intervention einzuwilligen, so darf diese nach Artikel 6 Absatz 3 nur mit Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters oder einer von der Rechtsordnung dafür vorgesehenen Behörde, Person oder Stelle erfolgen. Die betroffene Person ist so weit wie möglich in das Einwilligungsverfahren einzubeziehen.

Wenn eine erwachsene urteilsunfähige Person unter vormundschaftlichen Massnahmen steht, d.h. einen Beistand, Beirat oder Vormund hat (Art. 368 ff., 392 ff. ZGB), oder ausnahmsweise wieder der elterlichen Sorge unterstellt worden ist (Art. 385 Abs. 3 ZGB), ist die Situation in der Schweiz klar: Der gesetzliche Vertreter bzw.

der Beistand oder der Beirat muss der Intervention zustimmen. Es kann aber vorkommen, dass keine solche zustimmungsberechtigte Person vorhanden ist. Hier gibt es zwei Möglichkeiten, wie das Bundesgericht in einem Entscheid aus dem Jahre 1988 festgehalten hat69: ­

69

Entweder schenkt man Ärztinnen oder Ärzten volles Vertrauen und erlaubt ihnen, allein zu entscheiden, indem die Zustimmung des Patienten oder ­ bei objektiv hohen Risiken ­ die Verweigerung der Zustimmung vermutet wird;

BGE 114 Ia 350.

295

­

oder man verlangt von der Ärztin und vom Arzt, dass sie die Meinung einer Drittperson, d.h. eines Familienmitglieds oder einer nahe stehenden Person, einholen.

In der Lehre70 wird darauf hingewiesen, dass sich in solchen Fällen, soweit nicht Dringlichkeit gegeben ist (vgl. Art. 8 des Übereinkommens), aus dem Bundesrecht die Verpflichtung ergibt, einen Vertretungsbeistand nach Artikel 392 Ziffer 1 ZGB zu ernennen. Das Bundesgericht dagegen lässt anscheinend dem kantonalen Gesetzgeber die Tür offen, eine nahe stehende Person oder ein Familienmitglied als Meinungsäusserungsberechtigte zu bezeichnen oder der Ärztin oder dem Arzt die Verantwortung für den Entscheid zu übertragen.

Eine Durchsicht der kantonalen Gesetzgebungen zeigt, dass sich die Kantone in vier Gruppen einteilen lassen.

­

In der ersten Gruppe befinden sich die Kantone, welche die Frage nicht ausdrücklich regeln, beispielsweise Genf. Hier ist davon auszugehen, dass entsprechend dem Bundesrecht ein Beistand ernannt werden muss71. Das Gleiche gilt für die Kantone, die lediglich festhalten, dass die Patientin oder der Patient oder ihr gesetzlicher Vertreter zustimmen muss.

­

Neuenburg, Wallis und neuerdings auch Freiburg erlauben der Patientin oder dem Patienten, in einer Patientenverfügung festzulegen, wer an ihrer Stelle entscheiden soll.

­

Jura und Tessin sowie Neuenburg ­ hier nur subsidiär ­ sehen beispielsweise die Zustimmung einer nahe stehenden Person oder eines Familienmitglieds vor.

­

Weitere Kantone (z. B. Aargau, Appenzell A.Rh., Bern, Luzern, Thurgau, Zürich) räumen der Ärztin oder dem Arzt das Recht ein zu entscheiden, wobei zum Teil die Angehörigen konsultiert werden müssen.

Was die ersten drei Gruppen anbelangt, so darf man grundsätzlich davon ausgehen, dass die getroffenen Lösungen mit dem Übereinkommen in Einklang stehen. Hat die Patientin oder der Patient in einer Patientenverfügung eine Vertrauensperson bezeichnet, so erkennt das Gesetz indirekt die in der privaten Verfügung genannte Person als zustimmungsberechtigt an. Auch die Lösung, dass eine nahe stehende Person oder ein Familienmitglied die Zustimmung erteilt, ist mit dem Übereinkommen ver-

70

71

296

O. Guillod, Patient incapable et consentement au traitement, Plädoyer 1989, Nr. 3, S.

51 f.; P. Martin-Achard, Consentement au traitement et incapacité de discernement, Médecin et droit médical, Genf 1998, S. 66 ff. Nach diesem Autor ist allerdings die Ernennung eines Vertretungsbeistandes nicht immer die angemessene Lösung im Falle einer urteilsunfähigen Person.

Nach B. Schnyder/E. Murer, Berner Kommentar, N. 36 zu Art. 393 ZGB, kann die Vormundschaftsbehörde unter bestimmten Voraussetzungen selber die Zustimmung erteilen.

einbar. Allerdings muss bestimmbar sein, wer unter «Familienmitglied» oder «nahe stehender Person» zu verstehen ist72.

Dagegen dürfte die Lösung, wonach die Ärztin oder der Arzt entscheidet, aus zwei Gründen kaum von der Konvention gedeckt sein. Einmal spricht der Text des Übereinkommens von der Einwilligung einer Behörde, Person oder Stelle. Das zeigt, dass es sich um eine Instanz handeln muss, die mit der Person, die den Eingriff durchführt, nicht identisch ist. Ferner will das Übereinkommen die individuellen Rechte des Einzelnen gegenüber medizinischen Interventionen schützen. Damit lässt sich das Entscheidungsrecht der Ärztin oder des Arztes kaum vereinbaren, ausser es ist Gefahr im Verzug. Diesen Fall regelt indessen Artikel 8 des Übereinkommens.

Der Kanton Thurgau73 und die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) haben deshalb einen Vorbehalt zu Gunsten der konventionswidrigen kantonalen Gesetzgebungen beantragt. Der Kanton Zürich dagegen könnte sich ausdrücklich mit einer Änderung seiner Patientenrechtsverordnung abfinden. Das trifft anscheinend auch auf die übrigen betroffenen Kantone zu, die sich nicht ausdrücklich geäussert und keinen Vorbehalt verlangt haben. Insieme und die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft zur Eingliederung Behinderter erachten kantonale Regelungen, welche bei urteilsunfähigen Personen ohne gesetzliche Vertreter das Entscheidungsrecht der Ärztin oder dem Arzt überlassen, als unvereinbar mit den schweizerischen grund- und zivilrechtlichen Prinzipien und lehnen einen entsprechenden Vorbehalt klar ab.

Wie weit die Ratifizierung des Übereinkommens in diesem Bereich rechtsharmonisierend wirken soll, ist eine politische Frage. Der Bundesrat empfiehlt, in Würdigung des Ergebnisses des Vernehmlassungsverfahrens, auf die Abgabe eines Vorbehalts zu Gunsten der kantonalen Gesetze, welche die Entscheidbefugnisse bei urteilsunfähigen Personen ohne gesetzlichen Vertreter dem Arzt oder der Ärztin übertragen, bei der Ratifikation zu verzichten. Obwohl Praktikabilitätsüberlegungen für diese Lösung sprechen würden, wäre sie rechtsstaatlich doch bedenklich. Im Rahmen der Revision des Vormundschaftsrechts wird zu überlegen sein, ob die Vertretung urteilsunfähiger Personen bei medizinischen Massnahmen nicht einheitlich für die ganze Schweiz geregelt werden soll.

3.3.3.4

Sterilisation geistig Behinderter

Nach Artikel 6 Absatz 1 des Übereinkommens darf bei einer urteilsunfähigen Person, gleichgültig ob sie unmündig oder erwachsen ist, eine Intervention nur zu ihrem unmittelbaren Nutzen erfolgen. Was allerdings dem unmittelbaren Nutzen dient, ist nicht immer leicht zu entscheiden. Am Beispiel der Sterilisation kann diese Schwierigkeit verdeutlicht werden. Weder das eidgenössische Recht noch die meisten kantonalen Gesetzgebungen regeln die Frage der Sterilisation urteilsunfähiger 72

73

Als nahe stehende Person können ein Ehegatte, ein Elternteil, eine Lebenspartnerin oder ein Lebenspartner oder ein Freund bzw. eine Freundin gelten. Nicht juristische, sondern faktische Kriterien bestimmen die gefühlsmässige Nähe und Verbundenheit, die für das Zustimmungsrecht entscheidend sind, vgl. BGE 101 II 177 E. 5b, analysiert von P. Tercier, Qui sont les proches? In: Festgabe Bernhard Schnyder, Freiburg 1995, S. 799 ff.

Siehe ebenfalls BGE 123 I 112, 127 betreffend die Organentnahme bei einer verstorbenen Person.

Siehe § 33b Abs. 2 des thurgauischen Gesundheitsgesetzes vom 5. Juni 1985.

297

Personen aus anderen als medizinischen Gründen. Ob die Einwilligung in eine Sterilisation Ausfluss eines relativ, der gesetzlichen Vertretung zugänglichen, oder eines absolut höchstpersönlichen Rechts ist, das nur von der berechtigten Person selbst ausgeübt werden kann, ist in der zivilrechtlichen Literatur umstritten74. Die geltenden Richtlinien der Akademie der medizinischen Wissenschaften untersagen eine Sterilisation ohne oder gegen den Willen der betroffenen Person75. Insbesondere wird eine Sterilisation als unzulässig erklärt, wenn sie an einer urteilsunfähigen Person ausgeführt wird. Zurzeit ist indessen eine Revision dieser Richtlinien in Vorbereitung76.

Drei Kantone, nämlich Aargau, Neuenburg und Freiburg77, sehen ausdrücklich vor, dass eine Sterilisation durchgeführt werden kann. Nach der Aargauer Regelung ist der Eingriff bei unmündigen und entmündigten Personen zulässig, wenn zwei fachärztliche Gutachten, darunter ein psychiatrisches, ihn befürworten sowie die schriftliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und, falls die betroffene Person urteilsfähig ist, auch deren Einwilligung vorliegen. Das neuenburgische Recht verlangt für die Sterilisation Unmündiger und Entmündigter stets die schriftliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und, falls die betroffene Person urteilsfähig ist, zusätzlich deren schriftliche Einwilligung. Bei minderjährigen und urteilsunfähigen Personen ist überdies eine Bewilligung des Kantonsarztes erforderlich, der vorgängig die Stellungnahme eines neutralen Sachverständigen einzuholen hat. Das freiburgische Gesetz sieht vor, dass eine Sterilisation nur mit der schriftlich erteilten, freien und aufgeklärten Einwilligung einer volljährigen Person und gegebenenfalls ihrer gesetzlichen Vertretung erfolgen darf. Die Sterilisation einer volljährigen urteilsunfähigen Person ist ausnahmsweise zulässig, wenn sechs Voraussetzungen erfüllt sind: Die betroffene Person lehnt nicht ab, mit einer Schwangerschaft ist zu rechnen, diese würde die Gesundheit der betroffenen Person erheblich gefährden oder die betroffene Person wäre keinesfalls in der Lage, ihren elterlichen Pflichten nachzukommen, andere Methoden der Schwangerschaftsverhütung kommen nicht in Frage, die gesetzliche Vertretung hat eingewilligt und die Kommission für die Aufsicht über die Berufe des
Gesundheitswesens und die Wahrung der Patientenrechte hat mit Zweidrittelmehrheit ihrer Mitglieder zugestimmt. Diese Voraussetzungen wollen jede Sterilisation zu fremdnützigen Zwecken ausschliessen, gleichgültig ob es sich um Individualinteressen oder um Kollektivinteressen handelt. Sie erscheinen 74

75 76

77

298

M. Nägeli, Die ärztliche Behandlung handlungsunfähiger Patienten aus zivilrechtlicher Sicht, Zürich 1984, S. 169, und A. Bucher (FN 51), S. 129 Rz. 528, gehen davon aus, dass es sich beim Entscheid über eine Sterilisation um ein absolut höchstpersönliches Recht handelt. Eine gesetzliche Vertretung sei deshalb nicht möglich. Im Gegensatz dazu vertreten C. Hegnauer, Sterilisation geistig Behinderter, ZVW 2000, S. 25, M. Rehbinder, Rechtliche und ethische Grenzen der Gentechnologie, SJZ 1980, S. 329, und E. Bucher, Die Ausübung der Persönlichkeitsrechte, insbesondere die Persönlichkeitsrechte des Patienten als Schranken der ärztlichen Tätigkeit, Zürich 1956, S. 252, die Auffassung, dass eine Sterilisation unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein kann.

Medizinisch-ethische Richtlinien vom 17. Nov. 1981 zur Sterilisation, in: Schweizerische Ärztezeitung 63 (1982), S. 624.

Zwei Richtlinienentwürfe zur Sterilisation geistig behinderter Personen sind nacheinander in die Vernehmlassung geschickt worden, vgl. Schweizerische Ärztezeitung 81 (2000), S. 389 ff. und 82 (2001), S. 545 ff.

Art. 51 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Aargau vom 10. Nov. 1987, Art. 32 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Neuenburg vom 6. Febr. 1995 und Art. 72 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Freiburg vom 16. Nov. 1999.

als mit dem Übereinkommen vereinbar, das verlangt, dass ein Eingriff an einer urteilsunfähigen Person zu ihrem unmittelbaren Nutzen erfolgen muss.

Am 24. März 2000 hat der Nationalrat beschlossen, einer parlamentarischen Initiative von Felten «Zwangssterilisationen. Entschädigung für Opfer» (99.451) Folge zu geben78. Diese Initiative verlangt die Schaffung der erforderlichen Rechtsgrundlagen, damit Personen, die gegen ihren Willen sterilisiert worden sind, angemessen entschädigt werden. Die vorberatende nationalrätliche Kommission beschloss, nicht nur die Entschädigungsfrage anzugehen, sondern auch ein Gesetz über Sterilisationen auszuarbeiten. Auch die Expertenkommission für die Revision des Vormundschaftsrechts hat sich mit der Frage der Sterilisation beschäftigt. Die Vorschläge einer Arbeitsgruppe der Expertenkommission dienten der nationalrätlichen Subkommission als Ausgangspunkt für ihre Arbeiten. Wie auch immer eine zukünftige gesetzliche Regelung auf Bundesebene aussehen wird, es steht fest, dass mit der Ratifikation des Übereinkommens die Sterilisation einer Person, die keine Einwilligung erteilen kann, nur zu ihrem unmittelbaren Nutzen erfolgen darf. Im Vernehmlassungsverfahren ist kein Vorbehalt zu diesem Grundsatz beantragt worden.

3.3.4

Schutz von Personen mit psychischen Störungen (Art. 7)

3.3.4.1

Die Grundsätze des Übereinkommens

Bei einer Person, die an einer schweren psychischen Störung leidet, darf nach Artikel 7 eine Intervention zur Behandlung dieser Störung nur dann ohne ihre Einwilligung erfolgen, wenn ihr ohne die Behandlung ein ernster gesundheitlicher Schaden droht und die Rechtsordnung einen Schutz gewährleistet, der auch Aufsichts-, Kontroll- und Rechtsmittelverfahren umfasst. Unter psychischen Störungen versteht das Übereinkommen eine behandelbare Krankheit auf Grund einer Veränderung der mentalen Fähigkeiten einer Person79.

Die Bestimmung ist nach dem Erläuternden Bericht auf Personen anwendbar, die an sich zwar noch einwilligungsfähig wären, deren Einsicht in ihre Behandlungsbedürftigkeit aber wegen der psychischen Störung stark vermindert ist80. Es geht dabei um die Zwangsbehandlung psychisch kranker Menschen in ihrem eigenen Interesse (für die Fälle einer Gefährdung von Drittpersonen siehe Ziff. 2.1.3). Diese wird nur unter restriktiven Voraussetzungen zugelassen. Einmal muss die Intervention darauf ausgerichtet sein, die schwere psychische Störung zu behandeln, an der die Person leidet. Geht es um eine andere Krankheit, so gelten die Artikel 5 und 6 uneingeschränkt; die betroffene Person ist frei, die Zustimmung zur Intervention zu verweigern. Zudem muss der Person beim Ausbleiben der Behandlung ein ernster gesundheitlicher Schaden drohen. Wenn diese Voraussetzung nicht vorliegt, bleibt das Selbstbestimmungsrecht der Patientin oder des Patienten gewahrt. Schliesslich muss

78 79 80

AB 2000 N 439.

Vgl. Erläuternder Bericht Nr. 51, S. 14. Laut Weltgesundheitsorganisation gehören auch Suchterkrankungen zu den psychischen Störungen.

Erläuternder Bericht Nr. 50, S. 13.

299

der Entscheid über die Intervention in einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren erfolgen. Artikel 8 über die Notfallsituationen bleibt vorbehalten81.

Artikel 7 trägt der Rechtslage in verschiedenen europäischen Staaten Rechnung. Er ist in einigen Vernehmlassungen kritisiert worden (Ziff. 1.4.2.2). Insbesondere Pro Mente Sana lehnt die Bestimmung mit dem Hinweis ab, die Unterscheidung zwischen einwilligungsfähigen und nicht einwilligungsfähigen Patientinnen bzw.

Patienten in den Artikeln 5 und 6 des Übereinkommens würde genügen. Artikel 7 diskriminiere Personen mit psychischen Störungen. Dieser Kritik ist allerdings entgegenzuhalten, dass die genaue Abgrenzung zwischen der Einwilligungsfähigkeit und der Einwilligungsunfähigkeit speziell bei psychisch kranken Personen in der Praxis Schwierigkeiten bereitet. Gleich wie bei der im schweizerischen Recht verwendeten Terminologie der Urteilsfähigkeit und Urteilsunfähigkeit handelt es sich nicht um präzise Begriffe. Vielmehr gibt es eine Grauzone, in der die Bewertung durch Fachleute auseinander gehen kann. Zudem würde ein Verzicht auf Artikel 7 die Pflicht zu besonderen Schutzvorschriften in der Form von Aufsichts-, Kontrollund Rechtsmittelverfahren entfallen lassen.

Die Vereinigung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) ihrerseits bedauert, dass sich aus dieser Bestimmung erneut erhöhte Anforderungen an eine Zwangsbehandlung im Rahmen eines fürsorgerischen Freiheitsentzuges ergäben. Schwere psychische Störungen bzw. Krankheiten könnten die freie Meinungsbildung des Patienten erschweren oder gar verhindern. Gerade diejenige Behandlung, welche eine Linderung bewirken könnte, werde durch die Konvention erschwert oder verboten.

Verschiedene Kantone, die bereits heute eine entsprechende Gesetzgebung und Rechtspraxis entwickelt hätten, kämpften mit dem Problem, dass ein fürsorgerischer Freiheitsentzug länger dauern müsse als notwendig, weil die Patienten nicht gegen ihren Willen behandelt werden dürften.

3.3.4.2

Rechtslage in der Schweiz

Das schweizerische Vormundschaftsrecht bestimmt in Artikel 397a Absatz 1 ZGB über den fürsorgerischen Freiheitsentzug, dass eine mündige oder entmündigte Person wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht, anderer Suchterkrankungen oder schwerer Verwahrlosung in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbehalten werden darf, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen werden kann. Eine spezielle Rechtsgrundlage für eine Zwangsbehandlung in einer geeigneten Klinik ist nicht vorgesehen. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Artikel 397a ZGB war lange Zeit schwankend82. In seinen jüngsten Entscheiden83 bestätigte das Bundesgericht, dass das Zivilgesetzbuch für eine Zwangsmassnahme zu therapeutischen Zwecken keine Rechtsgrundlage enthält. Es ist deshalb heute Aufgabe des kantonalen Rechts, die Voraussetzungen für eine therapeutische Zwangsbehandlung zu umschreiben. Rechtsgrundlagen hierfür gibt es nicht überall.

81 82 83

300

Art. 7 regelt die Notfallsituationen nicht. Auf diese ist vielmehr Art. 8 des Übereinkommens anwendbar, siehe Erläuternder Bericht Nr. 50, S. 13.

BGE 118 II 254; 121 III 208 f. E. 2; Entscheid vom 26. Aug. 1992, publiziert in ZAK 1992, S. 508; ZBl 1993, S. 504.

BGE 125 III 169; BGE vom 22. Mai 2001, 1P.103/2001.

Die Gesetzgeber einiger Kantone haben sich in den letzten Jahren mit der Frage von Zwangsmassnahmen befasst.

Im Kanton Aargau haben die Stimmberechtigten am 12. März 2000 eine Ergänzung des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch angenommen. Nach dem neuen Artikel 67ebis dürfen im Rahmen eines fürsorgerischen Freiheitsentzuges Behandlungen auch gegen den Willen der betroffenen Person vorgenommen werden, wenn die notwendige Fürsorge auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann und die Behandlung nach Massgabe des Einweisungsgrundes medizinisch indiziert ist. Die Zuständigkeit zur Zwangsbehandlung ist auf die Psychiatrische Klinik Königsfelden beschränkt. Die betroffenen Patientinnen und Patienten sind anzuhören und haben gegen den schriftlich zu eröffnenden Entscheid das Recht zur Beschwerde ans Verwaltungsgericht. Im Übrigen ist jede Zwangsbehandlung dem Kantonsarzt zu melden, der ein Verzeichnis führt.

Das Gesundheitsgesetz des Kantons Freiburg vom 16. November 1999 schreibt in den Artikeln 52 ff. vor, dass im Fall fürsorgerischer Freiheitsentziehung der Wille der urteilsfähigen Patientinnen und Patienten zu achten ist. Ausnahmsweise kann die Leitung einer Institution indessen eine befristete Zwangsmassnahme anordnen, die für die Betreuung einer Person unumgänglich ist, jedoch erst, nachdem die Massnahme mit der betroffenen Person und ihren Angehörigen besprochen worden ist und andere, die persönliche Freiheit weniger beeinträchtigende Massnahmen versagt haben oder nicht existieren und das Verhalten der Person insbesondere ihre eigene Sicherheit oder Gesundheit oder diejenige anderer Personen in der Institution erheblich gefährdet. Der Staatsrat setzt die Zwangsmassnahmen, die je nach den Umständen ergriffen werden können, im Einzelnen fest. Im Übrigen sind Aufsichts-, Kontroll- und Rechtsmittelverfahren vorgesehen.

Der Kanton Basel-Stadt hat mit Grossratsbeschluss vom 18. September 1996 ein eigenes Gesetz über Behandlung und Einweisung psychisch kranker Personen geschaffen (Psychiatriegesetz). Danach muss in den ersten Tagen nach der Aufnahme in eine Klinik ein Therapieplan erarbeitet und schriftlich festgehalten werden. Physischer Zwang darf nur angewendet werden, wenn er unerlässlich ist, um das Leben der Patientin oder des Patienten zu erhalten, eine nach § 22 zulässige
Behandlung durchzuführen, eine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden oder eine schwerwiegende Störung des Zusammenlebens zu beseitigen. § 22 erlaubt eine Behandlung trotz des Widerstands einer urteilsunfähigen Person, wenn die persönliche Freiheit eindeutig weniger eingeschränkt wird als durch die sonst erforderlichen Ersatzmassnahmen. Auch hier sind Beschwerderechte und besondere Aufsichts- und Kontrollmassnahmen vorgesehen.

Die Rechtslage in der Schweiz ist heute unübersichtlich und zersplittert. Aufgabe der in Vorbereitung befindlichen Revision des Vormundschaftsrechts soll es sein, die Rechtsgrundlagen für eine Zwangsbehandlung im neuen Erwachsenenschutzgesetz festzulegen und zu vereinheitlichen. Fest steht, dass die materiellen Voraussetzungen von Artikel 7 des Übereinkommens den Diskussionsrahmen für die zukünftige Regelung im Zivilgesetzbuch abstecken. Zulässig bleibt auch nach der Ratifikation, dass die künftige Lösung restriktiver ist (Art. 27). Der Umstand, dass noch einige Jahre vergehen werden, bis das neue Erwachsenenschutzgesetz in Kraft treten wird, steht deshalb nach Auffassung des Bundesrates einer Ratifikation nicht entgegen. Künftig müssen sich die kantonalen Vorschriften und auch das geplante

301

revidierte Vormundschaftsrecht an die Schranken von Artikel 7 halten und es müssen Aufsichts-, Kontroll- und Rechtsmittelverfahren vorgesehen sein.

3.3.5

Notfallsituationen (Art. 8)

Artikel 8 sieht eine Ausnahme von den in den Artikeln 5­7 vorgesehenen Grundsätzen vor. Bei einem Notfall darf jede Intervention, die im Interesse der Gesundheit der betroffenen Person medizinisch unerlässlich ist, umgehend erfolgen.

Ein Notfall liegt vor, wenn die Einwilligung einer Person nicht eingeholt werden kann, weil sie beispielsweise nach einem Unfall bewusstlos ist, im Koma liegt oder weil bei einer urteilsunfähigen Person der gesetzliche Vertreter nicht erreichbar ist.

Zudem wird vorausgesetzt, dass die betroffene Person Schaden nimmt, wenn der Entscheid über die Intervention aufgeschoben wird. Die Notfallsituation beschränkt sich nicht auf Fälle, in denen Lebensgefahr besteht. Unerlässlich für die Gesundheit einer Person ist eine Intervention nach dem Übereinkommen bereits dann, wenn mit dem Aufschub der therapeutische Nutzen für die Patientin oder den Patienten verloren geht84. Sowohl das zeitliche wie das materielle Kriterium müssen erfüllt sein, damit die Intervention gerechtfertigt werden kann, ohne dass die Zustimmung der betroffenen Person vorliegt. Auch in Notfällen sind die Wünsche zu berücksichtigen, welche die Patientin oder der Patient früher geäussert hat (Art. 9, dazu Ziff.

3.3.6).

Das ärztliche Handeln in Notfallsituationen richtet sich in der Schweiz grundsätzlich nach Artikel 419 OR85 über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Ärztin oder der Arzt ist verpflichtet, das Geschäft so zu führen, wie es dem Vorteil und der mutmasslichen Absicht der Patientin oder des Patienten entspricht. Zum Vorteil der betroffenen Person handeln heisst im vorliegenden Kontext, im Interesse der Gesundheit handeln, wie es Artikel 8 des Übereinkommens verlangt. Auch die früher geäusserten Wünsche sind, soweit sie bekannt sind, im Einklang mit Artikel 9 des Übereinkommens zu berücksichtigen, ist doch der mutmassliche Wille der Patientin oder des Patienten massgebend.

In öffentlichen Spitälern findet an sich das kantonale öffentliche Recht Anwendung.

Das Bundesgericht86 hat indessen in einem Haftpflichtfall entschieden, dass die Patientinnen und Patienten unabhängig vom rechtlichen Status der medizinischen Einrichtung die gleichen Rechte haben müssen. Diese Aussage muss auch im vorliegenden Bereich gelten. Die privatrechtliche Regelung gilt deshalb sinngemäss.

84 85

86

302

Erläuternder Bericht Nr. 58, S. 15.

O. Guillod (FN 53), S. 180; M. Nägeli (FN 74), S. 75. W. Wiegand, in: H. Honsell (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, Zürich 1994, S. 163 und 171, rechtfertigt die medizinische Intervention mit dem hypothetischen Willen der Patientin oder des Patienten; die Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag würden lediglich auf die Kosten der Massnahme Anwendung finden. A. Bucher (FN 51), S. 129 f. Rz. 529, beruft sich dagegen auf den Rechtfertigungsgrund des überwiegenden privaten Interesses der Patientin bzw. des Patienten; der Arzt kenne zum Zeitpunkt der Diagnose die Persönlichkeit des Patienten oft nicht genügend, um dessen Haltung vermuten zu können. Das Pflegepersonal müsse deshalb das Interesse der betroffenen Person in Bezug auf den vorgesehenen medizinischen Eingriff objektiv abwägen.

BGE 111 Ia 231.

Zahlreiche kantonale Gesetze sehen für Notfälle ausdrücklich eine Ausnahme vom Zustimmungsprinzip vor. Diese Bestimmungen sind zum Teil lapidar, zum Teil aber auch nuancierter als Artikel 8 des Übereinkommens. Das stellt indessen ihre Vereinbarkeit mit diesem nicht in Frage.

Von Artikel 8 gedeckt ist auch der Fall, dass sich im Laufe einer Operation eine unvorhergesehene Situation einstellt, die eine Ausweitung der Behandlung an sich zweckmässig erscheinen lässt, die Zustimmung der betroffenen Person hierfür aber nicht vorliegt. Das Bundesgericht hat entschieden, dass sich die Chirurgin oder der Chirurg über die fehlende Zustimmung nur hinwegsetzen darf, wenn die Behandlung dringlich und ohne Zweifel notwendig für die Gesundheit der Patientin oder des Patienten ist87. Diese Praxis ist in gewissen kantonalen Erlassen kodifiziert worden88. Sie steht mit Artikel 8 des Übereinkommens im Einklang.

3.3.6

Zu einem früheren Zeitpunkt geäusserte Wünsche (Art. 9)

Das Übereinkommen trägt mit Artikel 9 dem so genannten «Patiententestament» bzw. der «Patientenverfügung»89 Rechnung. Es handelt sich um eine antizipierte Erklärung, welche die Wünsche einer urteilsfähigen Person zum Ausdruck bringt, wie sie behandelt sein will, wenn sie später ihre Zustimmung nicht oder nicht mehr erteilen kann. Die Bestimmung erfasst nicht nur die Notfallsituationen im Sinne von Artikel 8, sondern gilt generell für alle Fälle, in denen die betroffene Person keine gültige Zustimmung mehr erteilen kann, also beispielsweise auch bei psychischen Erkrankungen oder fortschreitender Altersdemenz90. Vorgeschrieben wird, dass die Wünsche «zu berücksichtigen sind». Das bringt zum Ausdruck, dass ihnen nicht einfach Folge geleistet werden muss. Sind die Wünsche beispielsweise vor langer Zeit geäussert worden und haben sich neue medizinische Möglichkeiten ergeben, so kann es gerechtfertigt sein, anders zu entscheiden, als die betroffene Person es verlangt hat. Die Ärztin oder der Arzt muss sich deshalb immer vergewissern, dass die Patientenverfügung auf die konkrete Situation anwendbar und insbesondere im Hinblick auf die medizinische Entwicklung vermutungsweise noch gültig ist91.

Zu den Patiententestamenten hat sich das Bundesamt für Justiz in einem Gutachten vom 25. November 198692 geäussert. Danach ist eine frühere schriftliche Erklärung, worin der Patient auf jede künstliche Lebensverlängerung verzichtet, für die Ermittlung seines Willens ein gewichtiges Indiz. Entscheidend ist jedoch der gegenwärtige mutmassliche Wille, der nur auf Grund einer sorgfältigen Abwägung aller Umstände des Falles gefunden werden kann. In der Lehre wird die Möglichkeit von Patientenverfügungen nicht nur am Lebensende, sondern allgemein für die Fälle, in denen eine Person einer medizinischen Intervention nicht mehr rechtsgültig zustimmen kann,

87 88 89

90 91 92

BGE 108 II 59.

Zum Beispiel in Art. 21 der luzernischen Patientenverordnung vom 16. Nov. 1993.

Das «Patiententestament» bezieht sich auf die Situation am Lebensende, während die «Patientenverfügung» einen allgemeineren Anwendungsbereich hat und Fälle regeln will, in denen die verfügende Person urteilsunfähig geworden ist.

Erläuternder Bericht Nr. 61, S. 31.

Erläuternder Bericht Nr. 62, S. 31.

VPB 1987, S. 259 ff.

303

von verschiedenen Autoren bejaht93. Ein anderer Weg könnte sein, statt seinen Willen schriftlich im Voraus zu äussern, gegenüber dem Arzt oder der Vormundschaftsbehörde eine Vertrauensperson zu bezeichnen, die im Fall der Urteilsunfähigkeit ­ je nachdem gemäss vorgegebenen Richtlinien ­ entscheiden soll94. Die damit verbundenen Fragen sind indessen durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt.

Verschiedene kantonale Erlasse enthalten Normen, die Artikel 9 des Übereinkommens mehr oder weniger entsprechen. Zum Teil betreffen sie nur lebenserhaltende Massnahmen95, zum Teil sind sie allgemein formuliert und finden auf alle Fälle Anwendung, in denen die betroffene Person ihre Wünsche nicht äussern kann96. In den anderen Kantonen muss die Gültigkeit von Patientenverfügungen im Lichte der Bestimmungen über den Persönlichkeitsschutz (Art. 27 ff. ZGB) bzw. des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 10 BV) beurteilt werden. Die Patientenverfügungen als Ausdruck der Zustimmung zu oder der Ablehnung einer künftigen Behandlung verletzen grundsätzlich keine Vorschrift des Bundesrechts und verstossen auch nicht gegen die guten Sitten97.

Auch wenn das Bundesrecht keine ausdrücklichen Bestimmungen über die Gültigkeit bzw. Tragweite von Patientenverfügungen enthält, so ist doch davon auszugehen, dass die schweizerische Rechtsordnung für deren Zulässigkeit bzw. für deren Berücksichtigung bei der Ermittlung des mutmasslichen Willens der Patientin oder des Patienten spricht. Damit ist sie mit Artikel 9 des Übereinkommens vereinbar, der einen flexiblen Rahmen vorgibt und erlaubt, den Umständen des Einzelfalles und der konkreten Situation der Patientin oder des Patienten Rechnung zu tragen.

93

94 95

96

97

304

O. Guillod/J. Guinand, Validité et efficacité du testament biologique, ZSR 1989, S. 399 ff.; Kathrin Reusser, Patientenwille und Sterbebeistand. Eine zivilrechtliche Beurteilung der Patientenverfügung, Zürich 1994, passim. Kritisch A. Bucher (FN 51), S. 130 Rz. 530. Das Verwaltungsgericht des Kantons Genf hat es in einem Entscheid vom 7. März 1995 für zulässig erachtet, dass in einer Patientenverfügung Richtlinien für eine psychiatrische Behandlung erteilt werden (RDAF 1996, S. 64 ff.).

O. Guillod/Ph. Meier, Représentation privée, mesures tutélaires et soins médicaux, in; Festgabe Bernhard Schnyder, Freiburg 1995, S. 325 ff.

Zum Beispiel Art. 23 des aargauischen Patientendekrets vom 21. Aug. 1990; Art. 22 der Patientenverordnung des Kantons Appenzell Innerrhoden vom 6. Dez. 1993; Art. 35 Abs. 3 des neuenburgischen Gesundheitsgesetzes vom 6. Febr. 1995.

Zum Beispiel Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes vom 6. Dez. 1987 «concernant les rapports entre membres des professions de la santé et patients» des Kantons Genf, Art. 21 und 22 des Gesundheitsgesetzes vom 6. Dez. 1996 des Kantons Wallis; Art. 49 und 50 des Gesundheitsgesetzes vom 16. Nov. 1999 des Kantons Freiburg.

Siehe die detaillierten Studien von O. Guillod/Ph. Meier (FN 94), S. 325 ff., sowie von O. Babaïantz, Les directives anticipées en matière de soins médicaux et la représentation thérapeutique privée, Cahier de l'Institut de droit de la santé Nr. 6, Neuenburg 1998, S. 1 ff.

3.4

Privatsphäre und Recht auf Auskunft (Art. 10)

3.4.1

Schutz der Privatsphäre (Abs. 1)

Gesundheitsangaben sind hochsensible und intime Daten einer Person. Ziel von Artikel 10 Absatz 1 ist es deshalb, ihren Schutz zu verstärken. Nach dieser Bestimmung hat jede Person das Recht auf Wahrung der Privatsphäre in Bezug auf Angaben über ihre Gesundheit. Damit wird der Anspruch auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK und nach Artikel 17 UNO-Pakt II für den Bereich der Biomedizin bekräftigt. Zudem ergänzt die Bestimmung das Europäische Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten98. Artikel 6 dieses Übereinkommens erkennt den spezifischen Charakter von Gesundheitsdaten an und unterstellt sie einer besonderen Regelung.

Im Übrigen gibt es verschiedene Empfehlungen des Europarats mit Hinweisen für die Bearbeitung von Gesundheitsdaten99.

In der Schweiz gehört das Privatleben zu den Persönlichkeitsgütern, die einer Person kraft ihrer Existenz eigen sind100. Ohne dessen Schutz wäre das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt gestört, das im Medizinalbereich fundamentale Bedeutung hat101. Der Schutz der Privatsphäre wird sowohl durch Artikel 13 BV als auch durch den Persönlichkeitsschutz des Zivilgesetzbuchs (Art. 28 ff. ZGB) gewährleistet102. Zudem sanktioniert Artikel 321 StGB die Verletzung des Arztgeheimnisses. Unter Umständen kommt kumulativ auch Artikel 320 StGB über das Amtsgeheimnis zur Anwendung, weil es sich um eine Ärztin oder einen Arzt an einem öffentlichen Spital handelt. Für die medizinische Forschung sieht Artikel 321bis StGB eine Sonderregelung vor.

Am 1. Juli 1993 ist das Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG)103 in Kraft getreten. Nach Artikel 3 Buchstabe c dieses Gesetzes gehören Gesundheitsdaten zu den besonders schützenswerten Personendaten. Verletzungen der beruflichen Schweigepflicht können neben Artikel 321 StGB auch nach Artikel 35 DSG strafrechtlich geahndet werden. Im Übrigen hat das Bundesgericht104 unter Hinweis auf das Datenschutzgesetz die im Patientendossier einer Arztpraxis enthaltenen Gesundheitsdaten zum Geheimbereich der Patientin oder des Patienten gezählt. Der Anwendungsbereich des Datenschutzgesetzes ist allerdings auf Datenbearbeitungen durch Privatpersonen und Bundesorgane beschränkt (Art. 2). Das Patientendossier eines öffentlichen kantonalen Spitals oder eines Gesundheitsdienstes

98 99

100 101 102 103 104

BBl 1997 I 717. Die Konvention ist von der Schweiz ratifiziert worden und am 2. Febr.

1998 in Kraft getreten.

Beispielsweise die Empfehlung des Ministerkomitees R (97) 5 betreffend «la protection des données médicales» oder die Empfehlung des Ministerkomitees R (92) 3 «sur les tests et le dépistage génétiques à des fins médicales».

H. Deschenaux/P.-H. Steinauer, Personnes physiques et tutelle, 4. Aufl. Bern 2001, S. 161 Rz. 515; A. Bucher (FN 51), S. 114 Rz. 457.

Vgl. insb. BGE 75 IV 74.

BGE 113 Ia 257 mit Hinweisen.

SR 235.1 BGE 119 II 222.

305

untersteht grundsätzlich den kantonalen Datenschutzbestimmungen105. Die Pflicht zur Wahrung des Patientengeheimnisses wird schliesslich auch in Artikel 11 der Standesordnung der FMH vorgesehen106. Eine Verletzung dieser Pflicht kann Disziplinarmassnahmen der kantonalen Standesorganisationen zur Folge haben.

Der von der Rechtsordnung gewährleistete Schutz des Privatlebens kann unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden. Nach Artikel 28 Absatz 2 ZGB und Artikel 13 Absatz 1 DSG ist eine Verletzung der Persönlichkeit nicht widerrechtlich, wenn sie durch die Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. Diese beiden Bestimmungen sind, soweit es um Gesundheitsdaten geht, die zum Geheimbereich einer Person gehören, im Lichte der Artikel 321 und 321bis StGB und von Artikel 8 EMRK auszulegen.

Die Schweizerische Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen hat im Vernehmlassungsverfahren die Frage aufgeworfen, ob Artikel 321bis StGB mit dem Übereinkommen vereinbar sei. Diese Frage ist in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Kommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung geprüft und bejaht worden. Nach dieser Bestimmung darf eine Bewilligung für ein Forschungsprojekt nur erteilt werden, wenn die berechtigten Personen nach Aufklärung über ihre Rechte die Zustimmung zur Verwendung ihrer Gesundheitsdaten nicht ausdrücklich verweigert haben. Jede betroffene Person muss somit vorgängig zur Bewilligungserteilung in den Grundzügen über das Forschungsprojekt und das ihnen zustehende Vetorecht informiert werden. Damit ist das informationelle Selbstbestimmungsrecht sichergestellt. Im Übrigen kann der Schutz der Privatsphäre unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden (siehe dazu Ziff. 2.1.3). Ein Vorbehalt zu Artikel 10 ist deshalb nicht erforderlich.

3.4.2

Recht auf Auskunft (Abs. 2 und 3)

Nach Artikel 10 Absatz 2 erster Satz des Übereinkommens hat jede Person das Recht auf Auskunft in Bezug auf alle über ihre Gesundheit gesammelten Angaben.

Dieses Recht steht in einem engen Zusammenhang mit dem Zustimmungsprinzip nach Artikel 5 (vgl. Ziff. 3.3.2). Es ist ein Ausfluss des informationellen Selbstbestimmungsrechts einer Person, das sich seinerseits auf das Grundrecht der persönlichen Freiheit stützt. Der Auskunftsanspruch ergibt sich aber auch aus dem Auftragsrecht, welches das privatrechtliche Arzt-Patienten-Verhältnis beherrscht107.

Im Übrigen ist der Auskunftsanspruch in Artikel 8 DSG und in verschiedenen kantonalen Gesetzen ausdrücklich verankert. Allerdings sehen die Gesundheits- bzw.

Spitalgesetze verschiedener Kantone für den Bereich der öffentlichen Spitäler weniger weit gehende Regelungen als Artikel 10 Absatz 2 erster Satz vor. Soweit diese Regelungen nicht zum Schutz der Interessen der Patientin oder des Patienten (zum 105 106 107

306

Für eine Übersicht siehe R. J. Schweizer und B. Lehmann, Datenschutzrecht, 6. Lieferung, Zürich 1997, passim.

Schweizerische Ärztezeitung 78 (1997), S. 373.

Art. 398 Abs. 2 (Pflicht zur getreuen Auftragserfüllung) und 400 Abs. 1 OR (Rechenschaftspflicht). Vgl. W. Wiegand, Die Aufklärung bei medizinischer Behandlung, recht 1993, S. 150 ff.

therapeutischen Privileg siehe Ziff. 3.3.2) erlassen und auch nicht von Artikel 26 des Übereinkommens gedeckt sind, müssen sie mit der Ratifikation angepasst werden.

Gewisse kantonale Gesetze108 präzisieren, dass sich der Auskunftsanspruch nicht auf Daten über Dritte bezieht, die vom Berufsgeheimnis geschützt werden. Eine solche Bestimmung ist nach Artikel 26 ohne weiteres mit dem Übereinkommen vereinbar.

Eigentlich handelt es sich aber nicht um eine Einschränkung des Auskunftsanspruchs. Vielmehr ruft die Bestimmung die allgemeinen Pflichten nach Artikel 321 StGB in Erinnerung und betont, dass auch Dritte den Schutz ihres Privatlebens geniessen109.

Artikel 10 Absatz 2 zweiter Satz verankert das Recht auf Nichtwissen. Auch hier geht es aus schweizerischer Sicht um einen Aspekt des informationellen Selbstbestimmungsrechts und damit des Grundrechts der persönlichen Freiheit. Das Recht auf Nichtwissen hat im Medizinalbereich seine besondere Bedeutung, denn jede medizinische Intervention setzt voraus, dass die Patientin oder der Patient angemessen aufgeklärt worden ist (Art. 5). Der Umstand, dass die betroffene Person die genaue Diagnose oder Details der geplanten Behandlung nicht kennen möchte, entbindet die Ärztin oder den Arzt nicht davon, die Zustimmung einzuholen. Zwar ist das Recht auf Nichtwissen zu respektieren. Wichtig ist aber, dass versucht wird, das Motiv dafür zu verstehen, damit man sich vergewissern kann, dass der Wille der Patientin oder des Patienten nicht auf einem Missverständnis oder auf einer direktiven Haltung der behandelnden Ärztin oder des behandelnden Arztes beruht.

Artikel 10 Absatz 3 erlaubt der nationalen Rechtsordnung, in Ausnahmefällen sowohl das Recht auf Wissen wie das Recht auf Nichtwissen einzuschränken. Das Recht auf Wissen kann aber nur im eigenen Interesse der Patientin oder des Patienten eingeschränkt werden (sog. therapeutisches Privileg, vgl. Ziff. 3.3.2).

Was das Recht auf Nichtwissen betrifft, so handelt es sich um Einschränkungen im Interesse der Öffentlichkeit oder von Drittpersonen (vgl. Art. 26), der betroffenen Person selber oder ­ während einer Schwangerschaft ­ des werdenden Kindes. Wer beispielsweise an einer schweren ansteckenden Krankheit leidet, muss dies wissen und kann sich nicht auf sein Recht auf Nichtwissen berufen. Zu denken ist insbesondere
an eine Geschlechtskrankheit wie Syphilis oder eine HIV-Infektion, die auf die Partnerin oder den Partner übertragen werden kann, oder an eine Krankheit wie Tuberkulose. In der Schweiz tragen das Epidemiengesetz110 wie auch Artikel 321 Ziffer 2 StGB diesen Fällen Rechnung. Nach der letzteren Bestimmung kann sich die Ärztin oder der Arzt bei der zuständigen kantonalen Behörde vom Berufsgeheimnis entbinden lassen, wenn dies zur Wahrung überwiegender Interessen von Drittpersonen erforderlich ist.

108 109

110

Beispielsweise Art. 22 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Wallis vom 9. Febr. 1996 oder § 14 Abs. 2 Bst. a des Patientendekrets des Kantons Zürich vom 28. Aug. 1991.

Vgl. BGE 122 I 153. In diesem Entscheid hat das Bundesgericht es für zulässig erachtet, dass in einer Psychiatrie-Krankengeschichte Informationen von Personen ausserhalb der Klinik abgedeckt werden.

SR 818.101. Art. 27 Abs. 1 und 28 Abs. 3 verpflichten die Ärzte und Spitäler, die in der Melde-Verordnung (SR 818.141.1) umschriebenen Krankheiten, Verdachtsfälle und Ausscheider der zuständigen kantonalen Stelle zu melden, welche die Meldung an das Bundesamt für Gesundheit weiterzuleiten hat. Art. 231 StGB sieht zudem vor, dass Personen, die vorsätzlich eine gefährliche übertragbare Krankheit verbreiten, bestraft werden.

307

3.5

Menschliches Genom

3.5.1

Nichtdiskriminierung (Art. 11)

Die Gentechnologie hat sich in den letzten Jahren sehr rasch entwickelt. Im Humanbereich findet sie nicht nur bei der Herstellung von Arzneimitteln, sondern auch in der Form von Gentests, Gentherapie und bei der Aufklärung von Ursachen und Struktur von Krankheiten Anwendung111. Die Gentechnologie ist mit grossen Hoffnungen auf Linderung menschlichen Leids verbunden. Allerdings weckt sie auch grosse Ängste vor der menschlichen Omnipotenz. Breite Bevölkerungskreise sind insbesondere beunruhigt wegen des Umstands, dass präsymptomatische genetische Untersuchungen den «gläsernen Menschen» schaffen könnten, der auf Grund seiner genetischen Konstitution mannigfachen Diskriminierungen ausgesetzt sein könnte.

Das Übereinkommen verankert deshalb in Artikel 11 den allgemeinen Grundsatz, dass jede Form von Diskriminierung einer Person wegen ihres Erbguts (genetischen Erbes) verboten ist.

Nach Artikel 14 EMRK ist der Genuss der in der EMRK festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Benachteiligungen zu gewährleisten, die insbesondere im Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den politischen oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer Herkunft, in der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im Vermögen, in der Geburt oder im sonstigen Status begründet sind112. Artikel 11 vervollständigt diese Liste mit dem Hinweis auf das Erbgut einer Person. Das Verbot der Diskriminierung erstreckt sich auf den ganzen Geltungsbereich der Konvention. Es verlangt jedoch nicht eine absolute Gleichbehandlung, sondern lässt nach dem Erläuternden Bericht Ungleichbehandlungen Raum, solange sie sachlich begründet sind113. Neben der EMRK enthalten auch weitere internationale Menschenrechtskonventionen allgemeine Diskriminierungsverbote, die auch auf Diskriminierungen auf Grund des Erbgutes zur Anwendung kommen würden. Zu nennen sind insbesondere der UNO-Pakt I (Art. 2), der UNOPakt II (Art. 2 und 26) und das UNO-Kinderrechtsübereinkommen (Art. 2).

3.5.2

Prädiktive genetische Untersuchungen (Art. 12)

Nach dieser Bestimmung dürfen Untersuchungen, die es ermöglichen, genetisch bedingte Krankheiten vorherzusagen oder bei einer Person entweder das Vorhandensein eines für eine Krankheit verantwortlichen Gens festzustellen oder eine genetische Prädisposition oder Anfälligkeit für eine Krankheit zu erkennen, nur für medizinische Zwecke oder für medizinische wissenschaftliche Forschung vorgenommen werden. Artikel 12 erfasst die Diagnostik an einem Embryo in vitro oder in 111 112

113

308

Erläuternder Bericht Nr. 71, S. 17.

Diese Bestimmung, welche die Diskriminierungsmerkmale nur beispielhaft aufzählt, hat aber keinen selbstständigen Charakter und kann nur im Zusammenhang mit anderen in der Konvention und in den Zusatzprotokollen garantierten Rechten angerufen werden.

Durch das Zusatzprotokoll Nr. 12 zur EMRK, das seit 4. Nov. 2000 zur Unterschrift aufliegt, wird nun aber der Geltungsbereich von Art. 14 verallgemeinert.

Vgl. Erläuternder Bericht Nr. 77, S. 18.

vivo nicht114. Der Schutz des Embryos oder Fötus soll in einem Zusatzprotokoll gewährleistet werden.

Was unter genetischen Untersuchungen zu verstehen ist, präzisiert das Übereinkommen nicht. Im Hinblick auf die Überschrift des Kapitels ist davon auszugehen, dass es um Untersuchungen der Chromosomen und der DNA geht. Nach dem heutigen Wissensstand ist die Zahl der monogenen Erbleiden, die auf einen einzelnen Gendefekt zurückzuführen sind, beschränkt. Die meisten Krankheiten werden sowohl durch die genetische Veranlagung als auch durch Lebensstil und Umwelteinflüsse verursacht. Umso mehr sind prädiktive Gentests, die Krankheiten voraussagen, bevor Symptome auftreten, oder Krankheitsanlagen feststellen, eine medizinisch ausserordentlich anspruchsvolle Angelegenheit. Die Begleitung durch eine angemessene genetische Beratung ist deshalb unverzichtbar. Darunter ist eine nichtdirektive Beratung zu verstehen, die den individuellen und familiären Umständen der betroffenen Person Rechnung trägt. Da die genetische Beratung nach dem Übereinkommen angemessen sein muss, kann sie den Umständen angepasst werden.

Insbesondere bei bewilligten Reihenuntersuchungen zur Entdeckung einer genetischen Störung, die leicht therapierbar ist, muss die genetische Beratung weniger weit gehen als in anderen Fällen.

Prädiktive Gentests dürfen nach dem Übereinkommen im Übrigen nur für medizinische Zwecke oder für die gesundheitsbezogene wissenschaftliche Forschung eingesetzt werden. Namentlich ist es verboten, dass Versicherungseinrichtungen vor dem Abschluss von Versicherungsverträgen die Durchführung einer prädiktiven genetischen Untersuchung verlangen. Das würde das Recht einer Person auf Nichtwissen klar verletzen.

Auch im Rahmen von Einstellungsuntersuchungen und während der Dauer eines Arbeitsverhältnisses sind prädiktive Tests grundsätzlich untersagt. Zulässig bleiben sie, wenn ein Arbeitsplatz mit besonderen gesundheitlichen Risiken für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer verbunden ist, die sich durch zumutbare Sicherheitsmassnahmen nicht beseitigen lassen115. Hier handelt es sich um eine medizinische Intervention im Sinne des Übereinkommens, die selbstverständlich die Zustimmung der betroffenen Person voraussetzt. Nach Artikel 26 bleiben prädiktive Gentests ferner zulässig im Interesse der öffentlichen Sicherheit,
wenn eine Tätigkeit mit aussergewöhnlichen Unfall- und Gesundheitsgefahren für Dritte verbunden ist116.

Beizufügen bleibt noch, dass das Ministerkomitee auch zwei Empfehlungen zu den genetischen Untersuchungen verabschiedet hat117.

In der Schweiz verpflichtet Artikel 119 BV dazu, den Menschen gegen Missbräuche der Gentechnologie zu schützen. Im Rahmen des Ausführungsprogramms zu dieser Verfassungsbestimmung unterbreitet der Bundesrat dem Parlament ebenfalls noch im Jahr 2001 eine Botschaft mit Entwurf zu einem Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen. Die Vereinbarkeit des bundesrätlichen Entwurfs 114 115 116 117

Erläuternder Bericht Nr. 83, S. 20.

Erläuternder Bericht Nr. 85, S. 20.

Vgl. Erläuternder Bericht Nr. 87, S. 20.

Empfehlung R (90) 13 «sur le dépistage anténatal, le diagnostic génétique anténatal et le conseil génétique y relatif» und die Empfehlung R (92) 3 «sur les tests et le dépistage génétiques à des fins médicales».

309

mit dem Übereinkommen wird in dieser Botschaft dargelegt werden. Der Vorentwurf vom September 1998 für ein Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen, der im Vernehmlassungsverfahren eine gute Aufnahme fand, stand in Einklang mit dem Übereinkommen.

Nach dem Vorentwurf dürfen genetische Untersuchungen im medizinischen Bereich nur durchgeführt werden, wenn sie einem prophylaktischen oder therapeutischen Zweck oder als Grundlage für die Lebensplanung der untersuchten Person dienen oder im Rahmen der Familienplanung erfolgen. Das Übereinkommen spricht von medizinischen Zwecken, führt aber nicht näher aus, was darunter zu verstehen ist.

Von den vier im Vorentwurf erwähnten Fällen konnte höchstens zweifelhaft sein, ob sich die Lebensplanung unter medizinische Zwecke subsumieren liess. Dies durfte indessen im Hinblick auf den weiten Gesundheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation, die unter Gesundheit einen Zustand physischen, psychischen und sozialen Wohlbefindens versteht, bejaht werden. Geht es einer Person beispielsweise darum, eine präsymptomatische Untersuchung durchzuführen, um sich von Ängsten zu befreien oder ihre Berufswahl auf eine spätere Erkrankung auszurichten, so werden damit auch medizinische Zwecke verfolgt.

Wie das Übereinkommen legte der Vorentwurf bei präsymptomatischen und pränatalen genetischen Untersuchungen sowie bei Untersuchungen zur Familienplanung grosses Gewicht auf die genetische Beratung. Ferner statuierte er den Grundsatz, dass bei der Begründung oder während der Dauer des Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeber und seine Vertrauensärztin oder sein Vertrauensarzt keine präsymptomatischen Untersuchungen verlangen und keine genetischen Daten verwerten dürfen, die aus präsymptomatischen Untersuchungen der betroffenen Person oder eines Mitglieds ihrer Familie stammen. Vorbehalten blieben unter restriktiven Voraussetzungen präsymptomatische Untersuchungen zur Verhütung von Berufskrankheiten und Unfällen. Für den Versicherungsbereich enthielt der Vorentwurf ein striktes Verbot, bei der Begründung eines Versicherungsverhältnisses eine präsymptomatische Untersuchung zu verlangen.

Bei einer urteilsunfähigen Person durfte eine genetische Untersuchung in Einklang mit Artikel 6 des Übereinkommens grundsätzlich nur zum Schutz ihrer Gesundheit durchgeführt
werden. Ausnahmsweise konnte der gesetzliche Vertreter aber einer genetischen Untersuchung zustimmen, wenn sich eine schwere Erbkrankheit in der Familie oder eine entsprechende Anlageträgerschaft auf andere Weise nicht abklären liess. Hier handelte es sich um einen Notstandsfall, der sich auf die Beistandspflicht in der Familie abstützte und durch Artikel 26 des Übereinkommens gedeckt sein sollte.

3.5.3

Interventionen in das menschliche Genom (Art. 13)

Nach Artikel 13 darf eine Intervention, die auf die Veränderung des menschlichen Genoms gerichtet ist, nur zu präventiven, diagnostischen oder therapeutischen Zwecken und nur dann vorgenommen werden, wenn sie nicht darauf abzielt, eine Veränderung des Genoms der Nachkommen herbeizuführen.

Für die kommenden Generationen ist das Verbot der Keimbahntherapie von besonderer Bedeutung. Unter Keimbahntherapie ist der Versuch der Heilung genetischer 310

Erbleiden durch Veränderung des genetischen Codes von Samen- und Eizellen oder von Embryonen zu verstehen. Im Gegensatz zur somatischen Gentherapie führt die Keimbahntherapie zu einer Veränderung der Erbinformationen eines Menschen, die sich auf die nachfolgenden Generationen weitervererbt118. Zwar ist die Heilung von Krankheiten nichts Unmoralisches. Vielmehr hat die Idee, Erbleiden über Generationen hinweg zu therapieren, an sich etwas Bestechendes. Indessen besteht die grosse Gefahr, dass die Methode nicht nur zur Beseitigung schwerster Gendefekte eingesetzt, sondern auch eugenischen Zwecken dienstbar gemacht wird. Zum Wesen des Menschen gehören aber sowohl seine einmalige Individualität wie seine Unvollkommenheit. Hinzu kommt, dass eine Gen-Übertragung zu nicht kalkulierbaren Risiken sowohl für das künftige Kind als auch für dessen Nachkommen führen würde. Das im Übereinkommen enthaltene Verbot der Keimbahntherapie ist deshalb zu begrüssen.

Zu beachten ist allerdings, dass gewisse Methoden wie zum Beispiel die Strahlenoder Chemotherapie bei Hodenkrebs zu einer Veränderung von Samenzellen führen können. Hier handelt es sich um eine höchst unerwünschte Nebenwirkung einer Therapie für einen Menschen, der lebensgefährlich erkrankt ist. Diesem die Behandlung nur deswegen vorzuenthalten, weil seine Keimzellen als nicht beabsichtigte Nebenwirkung tangiert werden könnten, wäre unmenschlich. Denn nicht die Manipulation des Erbguts der Nachkommen wird durch die Therapie angestrebt, sondern die Heilung des Patienten. Diese Fälle werden deshalb in Artikel 13 vom Verbot der Keimbahntherapie ausgenommen119. Erfasst werden nur Interventionen, die bewusst darauf abzielen, das Erbgut von Nachkommen zu verändern.

Artikel 35 des Fortpflanzungsmedizingesetzes, der das in Artikel 119 Absatz 2 Buchstabe a BV verankerte Verbot der Keimbahntherapie strafrechtlich absichert, stimmt mit dem Übereinkommen überein. Nach dieser Bestimmung wird mit Gefängnis bestraft, wer in das Erbgut einer Keimbahnzelle oder einer embryonalen Zelle verändernd eingreift. Kein Straftatbestand liegt vor, wenn die Veränderung von Keimbahnzellen die unvermeidliche Begleiterscheinung einer Chemotherapie, einer Strahlentherapie oder einer anderen ärztlichen Behandlung ist, der sich eine Person unterzieht.

Was die somatische Gentherapie betrifft,
so verbietet das Übereinkommen, sie zu anderen als medizinischen Zwecken einzusetzen. Beispielsweise darf nicht durch eine solche Massnahme die Leistungsfähigkeit von Sportlern gesteigert werden.

Die somatische Gentherapie befindet sich immer noch im Versuchsstadium. Die Bestimmungen über die Forschung am Menschen sind deshalb bis auf weiteres anwendbar. Im Übrigen ist ein Zusatzprotokoll über die Genetik in Vorbereitung, das voraussichtlich auch die somatische Gentherapie erfassen wird.

Eine spezifische gesetzliche Regelung der somatischen Gentherapie gibt es in der Schweiz nicht. Zurzeit handelt es sich grundsätzlich immer noch um Forschung, die

118

119

Siehe dazu U. Scholl/J. Schmiedtke, Naturwissenschaftlich-medizinische Aspekte der Gentherapie, in: K. Bayertz/J. Schmiedtke/H.-L. Schreiber (Hrsg.), Somatische Gentherapie ­ Medizinische, ethische und juristische Aspekte, Stuttgart, Jena und New York 1995, S. 7 ff.

Erläuternder Bericht Nr. 92, S. 21.

311

der entsprechenden Regelung untersteht120. Die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften hat aber am 3. Juni 1998 Richtlinien zur somatischen Gentherapie am Menschen erlassen121. Danach muss immer eine medizinische Indikation vorliegen. Die damit übereinstimmende Einschränkung von Artikel 13 des Übereinkommens wird mit der Ratifizierung direkt anwendbar sein.

3.5.4

Verbot der Geschlechtswahl (Art. 14)

Nach Artikel 14 dürfen die Verfahren der medizinisch unterstützten Fortpflanzung nicht dazu verwendet werden, das Geschlecht des künftigen Kindes zu wählen, es sei denn, es gehe darum, eine schwere geschlechtsgebundene erbliche Krankheit zu vermeiden. Unter «Verfahren der medizinisch unterstützten Fortpflanzung» sind die Verfahren im Sinne des Fortpflanzungsmedizingesetzes zu verstehen. Es geht um alle Methoden zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ohne Geschlechtsverkehr, insbesondere um die homologe und die heterologe Insemination, um die In-vitroFertilisation und um den intratubaren oder intrauterinen Gametentransfer (Art. 2 Bst. a FMedG). Verboten wird, diese Verfahren zu benutzen, um so genannte «Kinder nach Mass», d.h. Kinder mit erwünschten genetischen Eigenschaften, herzustellen. Artikel 119 BV wie auch das Fortpflanzungsmedizingesetz stimmen mit dieser Zielsetzung des Übereinkommens überein. Nach Artikel 33 des Gesetzes wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer bei einem Fortpflanzungsverfahren die Keimzellen nach dem Geschlecht oder auf Grund einer genetischen Untersuchung auswählt, ohne dass damit die Übertragung einer schweren, unheilbaren Krankheit auf die Nachkommen verhindert werden soll. Zudem verbietet das Fortpflanzungsmedizingesetz die Präimplantationsdiagnostik122 und ist damit strenger als das Übereinkommen.

3.6

Wissenschaftliche Forschung

3.6.1

Allgemeine Regel (Art. 15)

Artikel 15 verankert die Forschungsfreiheit. Diese gilt aber gerade im Bereich der Biomedizin nicht unbeschränkt. Vielmehr setzen ihr die Grundrechte der Menschen, an denen geforscht werden soll, Grenzen, wie sie insbesondere im vorliegenden Übereinkommen (Art. 2, 16 und 17), aber auch in anderen Rechtserlassen enthalten sind.

Das Bundesgericht hat in seiner Vernehmlassung darauf hingewiesen, dass die Bestimmung ­ beschränkt auf den Sachbereich der Biologie und der Medizin ­ ein

120

121 122

312

Auf den 1. Januar 2002 werden neue Regelungen über die somatische Gentherapie in der Verordnung über die klinischen Versuche mit Heilmitteln und in der Transplantatekontrollverordnung in Kraft treten.

Publiziert in: Schweizerische Ärztezeitung 79 (1998), S. 2498 ff.

Art. 5 Abs. 3 und Art. 37 Bst. e.

eigentliches direkt anwendbares Grundrecht auf Forschungsfreiheit begründen dürfte, wie es etwa in BGE 115 Ia 234/268 f. erwogen worden ist123.

In der neuen Bundesverfassung ist die Wissenschaftsfreiheit im Grundrechtskatalog ausdrücklich verankert: Artikel 20 gewährleistet die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und der Forschung. Im Übrigen hat die Schweiz auch den UNO-Pakt I ratifiziert, der in Artikel 15 Absatz 3 die Vertragsstaaten verpflichtet, die zu wissenschaftlicher Forschung und schöpferischer Tätigkeit unerlässliche Freiheit zu achten.

Das heutige schweizerische Recht steht deshalb mit Artikel 15 des Übereinkommens in Einklang.

3.6.2

Schutz von Personen bei Forschungsvorhaben (Art. 16)

3.6.2.1

Die Grundsätze des Übereinkommens

Fortschritte in der Bekämpfung von Krankheiten und in der Linderung von Leid sind ohne medizinische Forschung am Menschen nur sehr beschränkt möglich. Der heutige Behandlungsstand wäre nie erreicht worden, wenn sich der medizinische Fortschritt nur auf Erfahrungen stützen dürfte, die bei der therapeutischen Behandlung von Patientinnen und Patienten gesammelt werden. Auch aus Laborversuchen und aus Tierversuchen lassen sich keine verbindlichen Schlüsse über die Wirkung neuer Therapien und Medikamente beim Menschen ziehen. Die Medizin kommt deshalb nicht ohne Forschung am Menschen aus. Erst wenn neue Methoden oder neue Medikamente wissenschaftlich evaluiert sind, sollten sie Eingang in die allgemeine medizinische Praxis finden. Indessen ist es wichtig, dass Menschen, die sich für Forschungsuntersuchungen zur Verfügung stellen, besonders geschützt werden.

Diesem Zweck dienen die Artikel 16 und 17 des Übereinkommens. Sie enthalten nur die wichtigsten Grundsätze, die zu beachten sind.

Nach Artikel 16 des Übereinkommens ist Forschung an einer Person nur zulässig, wenn namentlich die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

123

­

Eine Alternative zur Forschung am Menschen von vergleichbarer Wirksamkeit gibt es nicht. Diese soll immer nur ultima ratio sein.

­

Mögliche Risiken und möglicher Nutzen stehen nicht in einem Missverhältnis.

­

Eine vom innerstaatlichen Recht bezeichnete Stelle hat das Forschungsvorhaben gebilligt, nachdem es einer unabhängigen wissenschaftlichen und interdisziplinären ethischen Überprüfung unterzogen worden ist.

­

Die Personen, die sich für das Forschungsvorhaben zur Verfügung stellen, sind über ihre Rechte und die von der Rechtsordnung zu ihrem Schutz vorgesehenen Sicherheitsmassnahmen unterrichtet worden.

­

Die betroffene Person hat ihre Einwilligung ausdrücklich ­ entweder schriftlich oder vor einer Behörde ­ erteilt, nachdem sie über das Forschungsvorhaben und insbesondere über dessen Risiken wie auch über ihre Rechte, BGE 119 Ia 501 E.12b legt dar, dass die Forschungsfreiheit auch Ausfluss der Meinungsfreiheit und der persönlichen Freiheit ist.

313

namentlich das Recht zum jederzeitigen Widerruf, umfassend aufgeklärt worden ist.

Dieser Katalog von Voraussetzungen ist nicht abschliessend. Ein in Vorbereitung befindliches Zusatzprotokoll über die Forschung am Menschen präzisiert und erweitert die Vorgaben, die bei Forschungsuntersuchungen einzuhalten sind.

3.6.2.2

Forschungsuntersuchungen in der Schweiz

Bezüglich Forschungsvorhaben am Menschen ist die Rechtslage in der Schweiz heute nicht transparent. Je nach Forschungstyp findet eidgenössisches, interkantonales oder ­ soweit vorhanden ­ kantonales Recht Anwendung. Die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften hat am 5. Juni 1997 Richtlinien für Forschungsuntersuchungen am Menschen124 erlassen, welche die bisherigen aus den Jahren 1981 und 1989 ersetzen. Diese Richtlinien füllen zum Teil Lücken im schweizerischen Recht. Ihre rechtliche Verbindlichkeit ist indessen beschränkt.

Grundsätzlich gelten sie, weil Standesrecht, nur in diesem Rahmen.

Bis zum Inkrafttreten des Heilmittelgesetzes unterstehen klinische Versuche mit Heilmitteln dem Reglement der Konferenz der Interkantonalen Vereinigung über die Kontrolle der Heilmittel vom 18. November 1993, das im Anhang die «Gute Praxis für klinische Versuche» umschreibt. Dieses Reglement findet auch Anwendung auf klinische Versuche mit immunbiologischen Erzeugnissen125.

Das auf den 1. Januar 2002 in Kraft tretende Heilmittelgesetz fasst die bestehenden Regelungen der Heilmittelkontrolle zusammen und modernisiert und ergänzt sie soweit nötig. Wie der Bundesrat in der Botschaft126 ausführt, ist die Forschung ein nicht wegzudenkendes Mittel zur Gewährleistung der Sicherheit der Heilmittel. Dies gilt sowohl unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Gesundheit wie auch im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten. Indessen müssen nach dem Bundesgericht «Experimenten mit Menschen [...] ganz unabhängig vom Einverständnis des Betroffenen enge Grenzen gesetzt sein»127. Die klinischen Versuche werden deshalb im Heilmittelgesetz in den Artikeln 53 ff. besonders ausführlich geregelt.

Jeder klinische Versuch mit Heilmitteln am Menschen muss nach den anerkannten Regeln der Guten Praxis der klinischen Versuche durchgeführt werden. Der Bundesrat umschreibt diese Regeln näher und erlässt insbesondere Vorschriften über das Kontrollverfahren128. Er berücksichtigt dabei international anerkannte Richtlinien und Normen. Ferner muss die Versuchsperson nach umfassender Information ihre Einwilligung erteilen. Für allfällige Schäden muss eine vollumfängliche Entschädigung gesichert sein, und die zuständige Ethikkommission muss den Versuch genehmigt haben. Im Übrigen sind klinische Versuche dem Schweizerischen 124 125 126 127

128

314

Schweizerische Ärztezeitung 78 (1997), S. 1585 ff.

Siehe Art. 4 der Verordnung vom 26. Juni 1996 über klinische Versuche mit immunbiologischen Erzeugnissen (SR 818.124.1).

BBl 1999 3453, Ziff. 22.05.2.

BGE 101 II 177; D. Sprumont, La protection de la personne dans le domaine de la recherche médicale, Rapports suisses présentés auch XVe Congrès international de droit comparé, Publications de l'Institut suisse de droit comparé, Zürich 1998, S. 445 f.

Gestützt darauf wird am 1. Januar 2002 die Verordnung über die klinischen Versuche mit Heilmitteln in Kraft treten.

Heilmittelinstitut zu melden, und der Bundesrat kann für bestimmte, z.B. gentherapeutische, Versuche anstelle der Meldepflicht eine Bewilligungspflicht einführen.

Diese Anforderungen stimmen mit den Voraussetzungen, die Artikel 16 des Übereinkommens für klinische Versuche aufstellt, überein und gehen zum Teil darüber hinaus. Dass Menschen entsprechend dem Übereinkommen nur als ultima ratio als Versuchspersonen dienen und die möglichen Risiken für die betroffenen Personen nicht im Missverhältnis zum möglichen Nutzen der Forschung stehen dürfen, sind unverzichtbare Grundsätze der Guten Klinischen Forschung. Im Übrigen verdeutlicht das Heilmittelgesetz die Voraussetzungen für die Gültigkeit der Einwilligung der betroffenen Person in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen (Art. 54 HMG).

Auch der bundesrätliche Entwurf vom 12. September 2001 für ein Transplantationsgesetz enthält ein Kapitel über die klinischen Versuche (Art. 34), das auf die Grundsätze des Heilmittelgesetzes verweist und damit auch dem Übereinkommen entspricht.

Ferner hat sich der Bundesrat bei der Beantwortung einer Motion Dormann (97.3623)129 und einer Motion Plattner (98.3543)130 bereit erklärt, die Vorarbeiten für ein umfassendes Gesetz über die Forschung am Menschen an die Hand zu nehmen. Das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf soll 2002 eröffnet werden.

Bis zum Inkrafttreten des geplanten Forschungsgesetzes beurteilen sich Forschungsvorhaben, die nicht unter das eidgenössische bzw. interkantonale Recht fallen, nach den kantonalen Normen. Zahlreiche Kantone haben Bestimmungen über die Forschung am Menschen erlassen131. Die jüngeren kantonalen Gesetze132 erklären die «Gute Praxis für klinische Versuche» auch für anwendbar, wenn es nicht um Heilmittel oder immunbiologische Erzeugnisse geht, und sehen zum Teil ähnliche Vorschriften vor wie das Heilmittelgesetz.

Mit der Ratifikation des Übereinkommens gelten die darin enthaltenen Grundsätze für die ganze Schweiz. Kantonales Recht darf einen klinischen Versuch unter gleichen oder strengeren, aber nicht unter leichteren Voraussetzungen erlauben. Die Ratifikation wird deshalb eine Rechtsharmonisierung herbeiführen. Namentlich wird inskünftig eine zuständige Stelle jedes Forschungsvorhaben billigen müssen, nachdem eine unabhängige interdisziplinäre Prüfung seines wissenschaftlichen
Wertes einschliesslich der Wichtigkeit der Forschungsziele und seiner ethischen Vertretbarkeit erfolgt ist. Dabei handelt es sich aber nicht um eine echte Neuerung. Schon heute darf in der Schweiz kein Heilmittelversuch ohne vorausgehende ethische Evaluation beginnen. Deshalb ist auch ein ziemlich dichtes Netz von Ethikkommissionen entstanden, die allerdings unterschiedlich organisiert sind. Die Kantone Freiburg, Jura und Neuenburg sowie die Kantone Basel-Stadt und Basel-Land haben je eine gemeinsame interkantonale Kommission eingesetzt; die Kantone Bern, Schaffhausen, Thurgau, Tessin, Wallis und Zürich dagegen verfügen über kantonale Ethikkommissionen. Die Ethikkommission des Kantonsspitals Luzern überprüft 129 130 131 132

AB 1998 N 733.

AB 1999 S 181.

AG, AR, BL, BS, BE, FR, GE, GL, GR, JU, LU, NE, NW, OW, SG, SH, TG, TI, VS, VD und ZH.

BE, FR, JU, NE, TI und VS.

315

ebenfalls die klinischen Versuche mit Heilmitteln, die in den Kantonen Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri und Zug durchgeführt werden. Auch die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften verlangen eine wissenschaftliche und ethische unabhängige Evaluation von Forschungsprojekten, unabhängig davon, ob es sich um Versuche mit Heilmitteln handelt oder nicht. Mit der Ratifikation des Übereinkommens wird dieses Erfordernis für alle Forschungsvorhaben an Menschen verbindlich. Den Kantonen wird es obliegen, die zuständige Stelle zu bezeichnen, soweit dies noch nicht geschehen ist.

3.6.3

Besonderer Schutz einwilligungsunfähiger Personen (Art. 17)

3.6.3.1

Die Grundsätze des Übereinkommens

Die therapeutische Behandlung von Unmündigen, Entmündigten oder Urteilsunfähigen macht auch die Durchführung von klinischen Versuchen mit diesen besonders schutzbedürftigen Personen notwendig133. Beispielsweise können Kinder anders auf Heilmittel reagieren als Erwachsene; eine einfache Anpassung der Dosis nach Gewicht genügt nicht immer, um eine adäquate Behandlung zu garantieren. Ebenso benötigen Alzheimerpatienten eine spezifische Pflege, die nicht entwickelt werden kann, ohne dass gewisse Versuchsreihen durchgeführt werden. Ein generelles Verbot der Forschung mit urteilsunfähigen Personen würde gerade diese ihrer Chance berauben, schneller die Behandlung zu erhalten, die auf sie zugeschnitten ist. Die Durchführung von Forschungsvorhaben bei nicht einwilligungsfähigen Personen kann aber nur unter besonders restriktiven Voraussetzungen in Frage kommen. Dabei ist zwischen der so genannten therapeutischen Forschung, bei der ein unmittelbarer Nutzen für die betroffene Person erwartet wird, und der Grundlagenforschung zu unterscheiden, die der betroffenen Person keinen unmittelbaren Nutzen verspricht und erst in späterer Zukunft zu besseren Behandlungsmethoden führen kann. Artikel 17 Absatz 1 des Übereinkommens134 stellt Grundsätze für therapeutische Forschungsprojekte an einwilligungsunfähigen Personen auf, die zusätzlich zu den Voraussetzungen von Artikel 16 Absätze i­iv einzuhalten sind. Artikel 17 Absatz 2 verschärft diese Kriterien noch weiter, wenn es um Forschung ohne unmittelbaren Nutzen für die betroffene Person geht. Um zu beurteilen, ob diese zuläs133 134

316

Vgl. BBl 1999 3453 ff. zu Art. 54 E Heilmittelgesetz.

Die Bestimmung steht weder mit Art. 3 EMRK (dazu insb. Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24. Sept. 1992 Herczegfalvy c. Österreich, Série A, vol. 244) noch mit Art. 7 des UNO-Paktes II in Widerspruch, wonach niemand der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und niemand insbesondere ohne seine freiwillige Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden darf. Wie sich aus Entstehungsgeschichte, Wortlaut und systematischem Zusammenhang ergibt, bezieht sich die Norm nur auf Versuche, die in ihrer Eingriffsintensität der Folter bzw. der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung entsprechen. Andernfalls wären auch Heilversuche, die der betroffenen Person unmittelbar nützen sollen, verboten, so J. Taupitz/H. Schelling, Mindeststandards als realistische Möglichkeit, in: Biomedizin und Menschenrechte, Frankfurt a.M. 1999, S. 103 unter Hinweis auf die andere Meinung von Hendriks, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 1998, S. 114 f. Zur Entstehungsgeschichte der Norm und zu ihrer Interpretation gestützt auf die Materialien siehe auch M. Nowak (FN 32), Nr. 24­34 zu Art. 7.

sig sein kann, müssen alle in den Artikeln 16 und 17 Absätze 1 und 2 umschriebenen Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein.

Bei einwilligungsunfähigen Personen darf eine Forschungsuntersuchung nur mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erfolgen, die eigens für diesen Fall und schriftlich erteilt werden muss. Die Zustimmung kann im Interesse der betroffenen Person jederzeit zurückgezogen werden (Art. 6 Abs. 5). Zudem müssen die erwarteten Forschungsergebnisse für die Gesundheit der betroffenen Person von tatsächlichem und unmittelbarem Nutzen sein, und es muss unmöglich sein, eine Forschung von vergleichbarer Wirksamkeit an einwilligungsfähigen Personen vorzunehmen.

Mit anderen Worten muss das Forschungsprojekt unmittelbar auf die Bedürfnisse von einwilligungsunfähigen Personen ausgerichtet sein. Im Übrigen wird verlangt, dass die betroffene Person nicht ablehnt. Ihr Widerstand ist immer zu respektieren, auch wenn sie urteilsunfähig ist.

Nur in Ausnahmefällen und nach Massgabe der durch die Rechtsordnung vorgesehenen Schutzbestimmungen darf schliesslich nach Artikel 17 Absatz 2 des Übereinkommens Grundlagenforschung bei einer einwilligungsunfähigen Person zulässig sein. Zwingend ist, dass die Forschung für die betroffene Person nur ein minimales Risiko und eine minimale Belastung mit sich bringt. Als Beispiele für ein minimales Risiko können Blutdruckmessen, Ultraschalluntersuchungen oder eine Blutentnahme erwähnt werden135.

Die Forschung muss nach dem Übereinkommen schliesslich zum Ziel haben, durch eine wesentliche Erweiterung des wissenschaftlichen Verständnisses des Zustands, der Krankheit oder der Störung der Person letztlich zu Ergebnissen beizutragen, die der betroffenen Person selbst oder anderen Personen nützen können, die derselben Altersgruppe angehören oder an derselben Krankheit oder Störung leiden oder sich in demselben Zustand befinden.

Das Übereinkommen äussert sich nicht zur Forschung in Notfallsituationen (vgl.

Art. 8 des Übereinkommens), in denen die Zustimmung im Sinne von Artikel 6 wegen der zeitlichen Dringlichkeit nicht eingeholt werden kann. Artikel 21 des Konsultationsentwurfs des CDBI für ein Protokoll über die biomedizinische Forschung sieht vor, dass das nationale Recht bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen solche Forschung zulässig ist. Verlangt wird
auf jeden Fall, dass eine Forschung mit vergleichbarer Wirksamkeit bei Personen, die sich nicht in einer Notfallsituation befinden, nicht durchgeführt werden kann und dass das Forschungsprojekt speziell für Notfallsituationen von der zuständigen Instanz genehmigt worden ist. Zudem muss die Zustimmung im Sinne von Artikel 5 oder 6 eingeholt werden, sobald dies möglich ist.

3.6.3.2

Rechtslage in der Schweiz

Das Heilmittelgesetz vom 15. Dezember 2000 regelt die klinischen Versuche an unmündigen, entmündigten oder urteilsunfähigen Personen in Artikel 55. Die Bestimmung legt fest, unter welchen Voraussetzungen Forschung an solchen Personen zulässig ist. Zentral ist der Grundsatz der Subsidiarität (mit Versuchen an mündigen und urteilsfähigen Personen können keine vergleichbaren Erkenntnisse erzielt wer135

Vgl. Erläuternder Bericht Nr. 113, S. 25.

317

den). Der gesetzliche Vertreter der Versuchsperson muss die Zustimmung erteilen, nachdem er hinreichend aufgeklärt worden ist. Es dürfen auch keine Anzeichen vorhanden sein, dass sich die urteilsunfähige Person widersetzen würde.

Klinische Versuche, die den Versuchspersonen keinen unmittelbaren Nutzen bringen, dürfen ausnahmsweise an unmündigen, entmündigten oder urteilsunfähigen Personen durchgeführt werden, wenn zusätzlich zu den allgemeinen Voraussetzungen die Risiken und Unannehmlichkeiten, welche die Versuchspersonen auf sich nehmen müssen, geringfügig sind und die Versuche wichtige Erkenntnisse über den Zustand, die Krankheit oder die Leiden der Versuchspersonen erwarten lassen, die den betroffenen Versuchspersonen, anderen Personen derselben Altersklasse oder Personen, die an der gleichen Krankheit leiden oder dieselben Merkmale aufweisen, langfristig einen Nutzen bringen. Für Forschungsuntersuchungen in medizinischen Notfallsituationen gelten die besonderen Voraussetzungen von Artikel 56.

Diese Vorgaben entsprechen im Wesentlichen Artikel 17 des Übereinkommens136.

Präzisierend wird beigefügt, dass unter geringfügigen Risiken solche zu verstehen sind, «die eine vernünftige Person im täglichen Leben und im Rahmen von üblichen klinischen und Laboruntersuchungen für sich oder für diejenigen Personen, für welche sie verantwortlich ist, einzugehen bereit ist».

Auch die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften vom 5. Juni 1997 liegen auf der Linie des Übereinkommens. Sie bestimmen, dass Forschungsuntersuchungen an handlungsunfähigen Personen nur mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und nur dann zulässig sind, wenn sie aus medizinischen Gründen nicht an handlungsfähigen Personen durchgeführt werden können (Prinzip D.5 § 2). Nichttherapeutische Forschungsuntersuchungen an urteilsunfähigen Personen sind unzulässig, wenn sie die Gefahr einer Beeinträchtigung bedingen.

Die Kantone Jura, Neuenburg und Thurgau haben die Grundlagenforschung bei urteilsunfähigen Personen generell verboten. Das ist mit dem Übereinkommen (vgl.

Art. 27) vereinbar. Andere Kantone, insbesondere der Kanton Freiburg in seinem Gesundheitsgesetz vom 16. November 1999 (Art. 67), sehen eine ähnliche Regelung wie das Übereinkommen vor. Mit der Ratifikation werden dessen Schranken in der
ganzen Schweiz verbindlich sein. Die kantonalen Gesetzgeber bleiben aber frei137, einen weiter gehenden Schutz vorzusehen, soweit nicht das Bundesrecht einen Forschungsbereich abschliessend regelt.

3.6.4

Forschung am Embryo in vitro (Art. 18)

Artikel 18 Absatz 2 des Übereinkommens verbietet, menschliche Embryonen in vitro zu Forschungszwecken zu erzeugen. Damit wird eine Instrumentalisierung menschlichen Lebens vermieden. Das Verbot steht in Einklang mit Artikel 119 Absatz 2 Buchstabe c BV, den das Fortpflanzungsmedizingesetz in Artikel 29 noch strafrechtlich absichert.

136 137

318

Vgl. Botschaft zum Heilmittelgesetz, BBl 1999 1351 ff. zu Art. 54.

D. Piotet, Le droit cantonal complémentaire, Basel 1998, Nr. 208, S. 66.

Was ein Embryo ist, wird im Übereinkommen nicht definiert. Das Fortpflanzungsmedizingesetz versteht darunter die Frucht nach der Kernverschmelzung bis zum Abschluss der Organentwicklung (Art. 2 Bst. i). Die europäischen Staaten nehmen in der Frage der Embryonenforschung höchst unterschiedliche Standpunkte ein. Ein Konsens ist in dieser Frage nicht zu erreichen, wie die höchst lebhaften Diskussionen bei der Vorbereitung des Übereinkommens gezeigt haben. Artikel 18 Absatz 1 des Übereinkommens beschränkt sich deshalb darauf, die Staaten zu verpflichten, einen angemessenen Schutz des Embryos in vitro zu gewährleisten, wenn sie Forschung an überschüssigen Embryonen zulassen. Der Inhalt dieses Schutzes bleibt offen.

In der Schweiz soll ­ wie schon dargelegt (Ziff. 3.6.2.2) ­ ein umfassendes Forschungsgesetz geschaffen werden, das die Menschenrechte und die Menschenwürde wahrt. Bis ein solches Forschungsgesetz vorliegt, gelten die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften138, welche die nichttherapeutische Embryonenforschung standesrechtlich untersagen. Festzuhalten ist aber, dass nach dem Fortpflanzungsmedizingesetz die In-vitro-Fertilisation so praktiziert werden muss, dass möglichst keine überschüssigen Embryonen entstehen. Zudem werden ­ strafbewehrt ­ jegliche gentechnologische Forschung im Sinne von verändernden Eingriffen in eine Keimbahnzelle oder in eine embryonale Zelle sowie das Klonen, die Chimären- und Hybridbildung verboten139. Das schweizerische Recht steht deshalb mit dem Übereinkommen sicher in Einklang.

3.7

Entnahme von Organen und Geweben von lebenden Spendern zu Transplantationszwecken

3.7.1

Allgemeine Regel (Art. 19)

Das Übereinkommen äussert sich nur zur Organ- und Gewebetransplantation mittels lebender Spenderinnen oder Spender. Im Hinblick auf den Mangel an Organen von Verstorbenen, die zu Transplantationszwecken zur Verfügung stehen, sind Schutzbestimmungen hier besonders wichtig. Ein Zusatzprotokoll, das die Organ- und Gewebetransplantation unter Menschen umfassend regelt, sollte noch im Jahr 2001 vom Ministerkomitee verabschiedet werden. In einer Empfehlung sollen zudem Grundsätze für die Xenotransplantation aufgestellt werden. Das Übereinkommen selber äussert sich dazu nicht.

Als allgemeine Regel darf nach Artikel 19 einer lebenden Person ein (nicht lebenswichtiges) Organ oder Gewebe zu Transplantationszwecken nur zum therapeutischen Nutzen des Empfängers und nur dann entnommen werden, wenn weder ein geeignetes Organ oder Gewebe einer verstorbenen Person noch eine alternative therapeutische Methode von vergleichbarer Wirksamkeit zur Verfügung steht140. Damit 138 139 140

Richtlinien vom 31. Dez. 1990 über die ärztlich assistierte Fortpflanzung, publiziert in: Schweizerische Ärztezeitung 72 (1991), S. 376.

Vgl. Botschaft zum Fortpflanzungsmedizingesetz, Ziff. 143, 22.041, 322.33 und 324.207 ff., BBl 1996 III 205 ff. und Art. 17, 35 und 36 FMedG.

Im Erläuternden Bericht, Nr. 119, S. 26 wird auch darauf hingewiesen, dass die Dialyse keine alternative Methode von vergleichbarer Wirksamkeit ist. Die Entnahme einer Niere bleibt deshalb zulässig.

319

wird beispielsweise die Organentnahme zu Forschungszwecken ausgeschlossen. Die Einwilligung der Spenderin oder des Spenders muss je nach nationaler Rechtsordnung schriftlich oder vor einer amtlichen Stelle abgegeben werden.

Die Rechtslage bezüglich der Organ- und Gewebeentnahme ist in der Schweiz zurzeit unübersichtlich und lückenhaft. Das Bundesrecht enthält, abgesehen von Artikel 119a BV, noch keine ausdrücklichen Bestimmungen; Grundsätze für die Organ- und Gewebeentnahme lassen sich aus dem Grundrecht der persönlichen Freiheit (Art. 10 BV) und dem Persönlichkeitsschutz (Art. 27 ff. ZGB) ableiten141. Artikel 19 des Übereinkommens kann als Konkretisierung dieser Grundsätze angesehen werden.

Am 1. Dezember 1999 schickte der Bundesrat den Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz) in die Vernehmlassung. Artikel 17 dieses Vorentwurfs regelte die Entnahme von Organen und Geweben bei lebenden Personen nach dem Vorbild von Artikel 19 des Übereinkommens. Am 22. November 2000 nahm der Bundesrat vom Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens Kenntnis und beauftragte das Eidgenössische Departement des Innern, eine Botschaft auszuarbeiten. Gleichzeitig entschied er, dass die Lebendspende entsprechend dem Wunsch verschiedener Vernehmlassungsteilnehmer liberaler geregelt werden soll, als dies die Artikel 19 und 20 (dazu Ziff. 3.7.2) des Übereinkommens erlauben. Sie soll nicht nur möglich sein, wenn kein geeignetes Organ oder Gewebe einer verstorbenen Person zur Verfügung steht.

Vielmehr soll die Lebendspende im Hinblick auf den Umstand, dass sie bessere Resultate ergibt, auch als primäre Therapieoption zur Verfügung stehen (vgl.

Art. 12­14 des bundesrätlichen Entwurfs142). Dementsprechend ist bei der Ratifikation des Übereinkommens ein Vorbehalt zu Artikel 19 anzubringen (vgl. Ziff. 4).

Während sich im Recht der meisten Kantone Bestimmungen über die Organentnahme bei Verstorbenen finden, regeln nur wenige Kantone143 die Organentnahme bei lebenden Personen. Die entsprechenden Vorschriften stehen mit dem Übereinkommen weitgehend in Einklang. Allerdings wird nur in drei Kantonen verlangt, dass die Zustimmung der Spenderin oder des Spenders schriftlich zu erteilen ist.

Dagegen findet sich dieses Erfordernis in den Richtlinien der Akademie der medizinischen Wissenschaften vom 8. Juni 1995 für die Organtransplantation144.

3.7.2

Schutz einwilligungsunfähiger Personen (Art. 20)

Artikel 20 Absatz 1 enthält den allgemeinen Grundsatz, dass Personen, die keine Zustimmung nach Artikel 5 erteilen können, also urteilsunfähig sind, als Organoder Gewebespender ausser Betracht fallen. Als einzige Ausnahme wird in Absatz 2 unter strengen Voraussetzungen die Transplantation regenerierbaren Gewebes unter Geschwistern zugelassen. Diese Ausnahme trägt der Solidarität in der Familie Rechnung. Als regenerierbar gilt Gewebe, das nach einer Teilentnahme die Zellmasse

141 142 143 144

320

Siehe BGE 101 II 77; 123 I 112.

Siehe dazu die Erläuterungen in der Botschaft zum Transplantationsgesetz vom 12. September 2001, BBl 2002 29, Ziff. 1.3.4.2 und 1.3.4.3 sowie 5.1.1.2.

AG, AR, BL, FR, GE, NE, TI, VS.

Schweizerische Ärztezeitung 76 (1995), S. 1389 ff.

und deren Funktion vollständig wiederherstellen kann145. Es handelt sich heute im Wesentlichen um Knochenmark, dessen Transplantation eine hohe genetische Übereinstimmung zwischen Spender und Empfänger erfordert.

Die Transplantation unter Geschwistern ist nur zulässig, wenn keine geeignete einwilligungsfähige Spenderperson zur Verfügung steht und die Spende geeignet ist, das Leben der Empfängerin oder des Empfängers zu retten. Ferner muss der gesetzliche Vertreter die Einwilligung eigens für diesen Fall und schriftlich mit Billigung einer zuständigen Stelle erteilen146. Zudem behält das Geschwister, das als Spender in Frage kommt, das Recht, die Transplantation abzulehnen, auch wenn es urteilsunfähig ist. Bei Widerstand fällt die Transplantation ausser Betracht.

Das geplante Transplantationsgesetz soll einheitlich für die ganze Schweiz die Frage regeln, ob eine urteilsunfähige Person als Spender in Betracht kommen kann. Artikel 13 des bundesrätlichen Entwurfs lehnt sich ­ mit einer Ausnahme ­ eng an Artikel 20 des Übereinkommens an. Als Grundsatz gilt, dass einer urteilsunfähigen oder einer unmündigen Person keine Organe, Gewebe oder Zellen entnommen werden dürfen. Eine Ausnahme ist im Übereinkommen für regenerierbare Zellen oder Gewebe vorgesehen, wenn die Empfängerin eine Schwester bzw. der Empfänger ein Bruder der Spenderperson ist und die Spende geeignet ist, das Leben der empfangenden Person zu retten. Der bundesrätliche Entwurf zu einem Transplantationsgesetz erweitert den Empfängerkreis auf die Eltern und ein Kind der spendenden Person (Art. 13 Abs. 2 Bst. c), schlägt also eine liberalere Regelung als das Übereinkommen vor. Im Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf eines Transplantationsgesetzes ist nämlich die Eingrenzung des Empfängerkreises von regenerierbarem Gewebe oder regenerierbaren Zellen auf Geschwister als zu restriktiv kritisiert worden. Postuliert wurde, dass auch ein anderer naher Verwandter Empfänger sein kann. Beispielsweise soll ein urteilsunfähiges Kind für einen Elternteil oder ein urteilsunfähiger Elternteil für sein Kind als Spender oder Spenderin in Frage kommen. In der Botschaft zum Entwurf eines Transplantationsgesetzes147 wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Lebendspende primär um einen Eingriff zum therapeutischen Nutzen einer Drittperson handelt, dass
sie aber auch positive Auswirkungen auf die spendende urteilsunfähige oder unmündige Person und ihre Familie hat. Unter Inkaufnahme eines medizinisch vertretbaren Risikos kann das Leben eines nahen Angehörigen gerettet werden, dessen Tod im anderen Fall eine schwere Belastung für die Familie darstellen würde. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, auch zu Artikel 20 des Übereinkommens einen Vorbehalt anzubringen (vgl.

Ziff. 4). Beizufügen ist, dass auch Dänemark bei der Ratifikation einen Vorbehalt zu dieser Bestimmung formuliert hat, weil das dänische Transplantationsgesetz die Spende des unmündigen Kindes zu Gunsten eines Elternteils zulässt148.

Die heutigen kantonalen Gesundheitsgesetze enthalten bis auf wenige Ausnahmen keine ausdrückliche Regelung der Frage, ob eine urteilsunfähige Person als Spenderin regenerierbaren Gewebes in Betracht kommen kann. Soweit Texte vorhanden 145 146 147 148

Erläuternder Bericht Nr. 123, S. 27.

Diese neutrale Stelle kann nach dem Erläuternden Bericht, Nr. 129, S. 27, ein Gericht, eine Fachstelle oder ein Ethikkomitee sein.

Botschaft vom 12. Sept. 2001, BBl 2002 29 Ziff. 2.4.3.2.

Art. 13 des Gesetzes über die medizinischen Untersuchungen im Hinblick auf die Bestätigung des Todes, die Untersuchungen post mortem und die Transplantationen etc.

Gesetz no 402-13/6-1990.

321

sind, stimmen sie mit dem Übereinkommen nicht überein. Artikel 30 Absatz 1 des Gesundheitsgesetzes vom 6. Februar 1996 des Kantons Neuenburg verbietet jegliche Entnahme nichtregenerierbaren Gewebes bei einer urteilsunfähigen Person, äussert sich dagegen nicht zum regenerierbaren Gewebe. Im Kanton Tessin kommt eine urteilsunfähige Person als Spenderin grundsätzlich nicht in Frage. Die Absätze 2 und 3 von Artikel 15 des Gesundheitsgesetzes vom 18. April 1989 lassen aber ausnahmsweise die Transplantation nichtregenerierbaren Gewebes bei eineiigen Zwillingen zu. Artikel 47 des Sanitätsgesetzes vom 9. Februar 1996 des Kantons Wallis verbietet ebenfalls die Organ- und Gewebeentnahme bei urteilsunfähigen Personen. Die Bestimmung lässt indessen ausnahmsweise eine Entnahme regenerierbaren Gewebes oder eines nichtregenerierbaren Organs bei einer unmündigen oder einer urteilsfähigen entmündigten Person zu, wenn die Vormundschaftsbehörde zustimmt, der Empfänger ein naher Verwandter ist (Vater, Mutter, Geschwister oder das eigene Kind) und dieser ohne Transplantation in seiner Gesundheit schwer geschädigt würde. Das neue Gesundheitsgesetz des Kantons Freiburg vom 16. November 1999 erlaubt in Artikel 62 Absatz 3 die Entnahme von regenerierbaren Organen und Geweben ebenfalls, wenn Empfängerperson und Spenderperson nahe verwandt sind (Kind, Enkelkind, Bruder, Schwester), die Empfängerperson ohne Transplantation in schwere Lebensgefahr geriete und sich die Spenderperson nicht widersetzt.

Nach den Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften für die Organtransplantation kann eine Ausnahme vom Verbot des Beizugs urteilsunfähiger Personen als Spender gemacht werden, sofern es sich um eine risikoarme Entnahme regenerierbaren Gewebes handelt, die Transplantation sich auf die nächsten Blutsverwandten beschränkt und zur Behebung einer anders nicht abzuwendenden Lebensgefahr oder schweren Gesundheitsstörung beim Empfänger dient.

3.8

Verbot finanziellen Gewinns; Verwendung eines Teils des menschlichen Körpers

3.8.1

Verbot finanziellen Gewinns (Art. 21)

Um die Menschenwürde zu wahren149, verbietet Artikel 21 des Übereinkommens, dass der menschliche Körper oder Körperteile als solche zur Erzielung eines finanziellen Gewinns verwendet werden, sei dies für die Person, der die Teile entnommen worden sind, oder für Dritte. Der menschliche Körper enthält viele Bestandteile, die für die moderne Medizin wertvoll sind (Organe, Blut, Gewebe). Das Übereinkommen will verhindern, dass der menschliche Körper verkommerzialisiert und letztlich nur noch als Handelsware betrachtet wird.

Von Artikel 21 nicht erfasst werden Teile des menschlichen Körpers, deren Vermarktung nicht als Verletzung der Menschenwürde gelten kann. Damit sind Haare und Nägel gemeint, die laufend als Abfall anfallen150. Im Übrigen gilt das Verbot der Gewinnerzielung nur für die menschlichen Bestandteile als solche. Technische 149 150

322

Erläuternder Bericht Nr. 131, S. 28.

Erläuternder Bericht Nr. 133, S. 28.

Arbeiten (z.B. Entnahme, Durchführung von Tests, Reinigungen, Aufbereitung, Aufbewahrung, Kultivierung, Transport), die geleistet werden müssen, damit die Bestandteile weiterverwendet werden können, dürfen durchaus entschädigt werden.

Artikel 21 verbietet auch nicht den Verkauf von Produkten, die aus menschlichem Zellmaterial hergestellt worden sind, oder die Entschädigung eines Organ- oder Gewebespenders für Aufwendungen und Umtriebe wie beispielsweise den Erwerbsausfall während eines Spitalaufenthalts.

Artikel 21 behandelt die Frage der Patentierbarkeit menschlichen Materials nicht151, was im Vernehmlassungsverfahren vereinzelt kritisiert worden ist. Angesichts der Komplexität der Frage der Patentierbarkeit menschlichen Materials und des Bestehens harmonisierter Rechtsvorschriften in Europa muss eine diesbezügliche Regelung den in Immaterialgüterrechtsfragen zuständigen internationalen Organisationen, namentlich der Europäischen Patentorganisation, vorbehalten bleiben. In Bezug auf das Verbot finanziellen Gewinns nach Artikel 21 des Übereinkommens ist festzuhalten, dass das Patentrecht mit diesem Prinzip in Einklang steht.

Das schweizerische Recht steht mit Artikel 21 des Übereinkommens in Einklang.

Seit kurzem ist der Grundsatz der Unentgeltlichkeit auch auf Verfassungsstufe verankert. Artikel 119a Absatz 3 BV bestimmt ausdrücklich, dass die Spende von menschlichen Organen, Geweben und Zellen unentgeltlich ist. Der Handel mit menschlichen Organen ist verboten. Zudem hält das Fortpflanzungsmedizingesetz in Artikel 21 fest, dass die Samenspende als solche unentgeltlich ist.

Der menschliche Körper gehört zu den Persönlichkeitsgütern im Sinne von Artikel 28 ZGB und gilt nicht als Vermögenswert152. Er kann deshalb nicht Gegenstand von entgeltlichen Rechtsgeschäften sein. Ein Verkauf oder eine andere Transaktion wäre ein Verstoss gegen die guten Sitten und deshalb nach Artikel 20 OR nichtig153.

Diese Grundsätze sind in Artikel 17 des Bundesbeschlusses über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten154 bestätigt worden. Nach dieser Bestimmung ist es verboten, menschliche Transplantate (d.h. zur Übertragung auf Menschen bestimmte Organe, Zellen oder Gewebe menschlichen Ursprungs) gegen Entgelt in der Schweiz oder von der Schweiz aus im Ausland in Verkehr zu bringen oder gegen Entgelt
erworbene menschliche Transplantate zu transplantieren. Nicht als Entgelt gelten der Ersatz von Kosten für Entnahme, Transport, Aufbereitung, Aufbewahrung und Transplantation sowie des Aufwandes, welcher der spendenden Person unmittelbar entsteht155.

151 152

153 154 155

Erläuternder Bericht Nr. 134, S. 28.

Siehe insbesondere H. Deschenaux/P.-H. Steinauer (FN 100), S. 171 ff.; A. Bucher (FN 51), S. 125 Rz. 506; P. Tercier, Le nouveau droit de la personnalité, Zürich 1984, S. 50.

Botschaft zum Verfassungsartikel über die Transplantationsmedizin vom 23. April 1997, BBl 1997 III 653, 682, Ziff. 242.1.

SR 818.11 Art. 17 Abs. 2 des Bundesbeschlusses vom 22. März 1996 über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten.

323

3.8.2

Verwendung eines dem menschlichen Körper entnommenen Teils (Art. 22)

Ziel von Artikel 22 des Übereinkommens ist es, die Rechte der Personen zu schützen, denen im Rahmen einer medizinischen Intervention, insbesondere einer Operation, ein Körperbestandteil entnommen worden ist, der anschliessend zu einem anderen Zweck aufbewahrt oder weiterverwendet werden soll, als er entnommen worden ist. Die Bestimmung geht vom Grundprinzip von Artikel 5 aus und erklärt, dass jede andere Verwendung angemessene Informations- und Einwilligungsverfahren voraussetzt. Das Übereinkommen verlangt indessen nicht, dass immer eine spezifische, ausdrückliche Zustimmung erteilt wird. Die Art und Weise der Information und die Form der Zustimmung können je nach den Umständen unterschiedlich sein.

Zulässig kann beispielsweise sein, dass bei Spitaleintritt über eine geplante Weiterverwendung von Material, das bei einer Operation entnommen wird, informiert und auf die Möglichkeit des Einspruchs hingewiesen wird unter Beifügung, dass bei Unterlassen des Einspruchs die Zustimmung angenommen wird. Zu denken ist hier etwa an die Weiterverwendung eines entnommenen kranken Organs zu Unterrichtszwecken oder zu epidemiologischen Forschungszwecken, wenn die Anonymität der betroffenen Person gewährleistet ist. In anderen Fällen wiederum kann es notwendig sein, eine ausdrückliche Zustimmung zu verlangen.

Forschung und Ausbildung in der Schweiz richten sich grundsätzlich nach kantonalem Recht. Aber auch dieses muss die Grundsätze, die aus dem Grundrecht der persönlichen Freiheit und dem Persönlichkeitsschutz fliessen, beachten. Die Verwendung eines Körperbestandteils zu Forschungs- oder Unterrichtszwecken setzt deshalb die Zustimmung der betroffenen Person voraus, soweit nicht Artikel 26 des Übereinkommens zur Anwendung kommt. Die Zustimmung kann allerdings auf unterschiedliche Art und Weise erteilt werden; erforderlich ist aber, dass zuvor eine angemessene Aufklärung erfolgt ist.

3.9

Verletzung der Bestimmungen des Übereinkommens

3.9.1

Verletzung von Rechten oder Grundsätzen (Art. 23)

Nach Artikel 23 müssen die Vertragsstaaten einen geeigneten gerichtlichen Rechtsschutz gewährleisten, der darauf abzielt, eine widerrechtliche Verletzung der im Übereinkommen verankerten Rechte und Grundsätze innert kurzer Frist zu verhindern oder zu beenden. Ein Gericht soll nicht nur angerufen werden können, wenn eine Verletzung stattfindet, sondern bereits dann, wenn eine solche droht. Verlangt wird ein «geeigneter Rechtsschutz», der auf die Schwere der widerrechtlichen Verletzung abgestimmt ist. Unerlässlich ist, dass die betroffene Person rasch ein Gericht anrufen kann, denn meistens geht es um die körperliche Integrität einer Person, und eine Verletzung könnte irreversible Folgen haben156. Der Rechtsschutz ist aber nur bei widerrechtlicher Verletzung zu gewährleisten. Eine solche liegt insbesondere

156

324

Erläuternder Bericht Nr. 141, S. 29.

dann nicht vor, wenn die nationale Rechtsordnung die Rechte und Grundsätze des Übereinkommens in Einklang mit Artikel 26 einschränkt.

In der Schweiz ist davon auszugehen, dass die Bestimmungen über den Schutz der Persönlichkeit nach den Artikeln 28 ff. ZGB den Anforderungen von Artikel 23 des Übereinkommens genügen. Das Zivilgericht kann in seinem Urteil oder im Rahmen vorsorglicher Massnahmen namentlich eine drohende Verletzung verbieten oder eine bestehende Verletzung beseitigen. Wenn das Verhältnis zwischen Patientinnen oder Patienten und dem medizinischen Personal öffentlich-rechtlicher Natur ist, regeln die entsprechenden kantonalen Gesundheits- oder Spitalgesetze den Rechtsschutz. Die Rechtsweggarantie nach Artikel 98a des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG)157 kommt deshalb nicht zum Tragen. Bis zum Inkrafttreten von Artikel 29a BV, der eine umfassende Rechtsweggarantie statuiert, ist der gerichtliche Rechtsschutz durch Artikel 6 Absatz 1 EMRK gewährleistet, da es bei Verletzungen von Persönlichkeitsrechten um zivilrechtliche Ansprüche im Sinne der EMRK geht.

3.9.2

Schadenersatz (Art. 24)

Hat eine Person durch eine Intervention in ungerechtfertigter Weise Schaden erlitten, so hat sie nach Artikel 24 des Übereinkommens Anspruch auf angemessenen Schadenersatz nach Massgabe der durch die Rechtsordnung vorgesehenen Voraussetzungen und Modalitäten. Ob eine Kausal- oder eine Verschuldenshaftung vorgesehen wird, entscheidet somit das innerstaatliche Recht.

In der Schweiz lassen sich Schadenersatzansprüche einmal auf das Auftragsrecht abstützen, dem das privatrechtliche Arzt-Patienten-Verhältnis untersteht. Nach Artikel 398 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 97 Absatz 1 OR wird das Verschulden der Ärztin oder des Arztes vermutet. Vertraglich hat die Ärztin oder der Arzt für Handlungen der Hilfspersonen nach Artikel 101 OR einzustehen. Die ärztliche Haftung aus unerlaubter Handlung nach den Artikeln 41 ff. OR hat vor allem Bedeutung, wenn zwischen der schädigenden Ärztin oder dem schädigenden Arzt und der Patientin oder dem Patienten kein Vertrag besteht. Ist die Ärztin oder der Arzt bzw. das Krankenpflegepersonal von einer privaten Klinik angestellt, so kann diese gestützt auf die Geschäftsherrenhaftung (Art. 55 OR) belangt werden. Für die Haftung an öffentlichen Spitälern gilt grundsätzlich das kantonale öffentliche Verantwortlichkeitsrecht.

3.9.3

Sanktionen (Art. 25)

Nach Artikel 25 haben die Vertragsstaaten angemessene Sanktionen für Verletzungen von Bestimmungen des Übereinkommens vorzusehen, um dessen Durchsetzung zu gewährleisten. «Angemessen» sind Sanktionen aber nur, wenn sie dem Verhält-

157

SR 173.110

325

nismässigkeitsprinzip entsprechen. Nicht jede Verletzung einer Bestimmung muss sanktioniert werden.

In der Schweiz schützen die Artikel 122­126 StGB die körperliche Unversehrtheit in umfassender Weise. Ergänzt wird dieses Sanktionensystem durch Strafbestimmungen im Fortpflanzungsmedizingesetz und im Heilmittelgesetz sowie im geplanten Transplantationsmedizingesetz. Schwere Verstösse gegen Rechtsnormen können im Übrigen zu einem Berufsausübungsverbot für Ärztinnen und Ärzte führen.

3.10

Öffentliche Diskussion (Art. 28)

Artikel 28 verpflichtet die Vertragsstaaten, die Öffentlichkeit für die Grundsatzfragen, die durch die Entwicklungen in Biologie und Medizin aufgeworfen werden, zu sensibilisieren. Die einzelnen Staaten bleiben frei zu bestimmen, in welcher Art und Weise insbesondere öffentliche Diskussionen und Konsultationen erfolgen sollen.

Zu denken ist beispielsweise an die Einsetzung einer nationalen Ethikkommission oder an die Aufnahme der Bioethik als Unterrichtsfach in die Studienpläne der medizinischen Fakultäten, der Ausbildungsinstitute für medizinisches Hilfspersonal oder der Schulen ganz allgemein. Artikel 28 schafft kein Individualrecht und ist nicht direkt anwendbar.

Im direkt-demokratischen System der Schweiz sind Konsultationsverfahren in der Form der Vernehmlassungsverfahren seit langem verankert. Zudem führen Volksinitiativen immer wieder zu breiten öffentlichen Diskussionen. Zu denken ist beispielsweise an die Beobachter-Initiative von 1987 gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen, die zur Aufnahme von Artikel 24novies (heute Art. 119) in die Bundesverfassung geführt hat, oder an die GenSchutz-Initiative und die Initiative für eine menschenwürdige Fortpflanzung, die beide abgelehnt worden sind. Im Zusammenhang mit dem Vorentwurf über genetische Untersuchungen beim Menschen wurde ferner ein neues partizipatives Instrument in Form eines so genannten Dialogs erprobt. Ziel des Gendialogs war es, Laien und Fachleute ins Gespräch zu bringen158.

Im Übrigen hat der Bundesrat am 3. Juli 2001 gestützt auf Artikel 28 des Fortpflanzungsmedizingesetzes eine nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin eingesetzt. Die Kommission hat unter anderem die Aufgabe, die Öffentlichkeit über wichtige Erkenntnisse zu orientieren und die Diskussion über ethische Fragen in der Gesellschaft zu fördern (Art. 1 der Verordnung über die nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin159).

Ferner ist der Bundesrat durch eine Motion der nationalrätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (98.3053) vom 20. Februar 1998 verpflichtet worden, im Rahmen der aktuellen Reformvorhaben im Bereich der akademischen Medizinalberufe die geeigneten Massnahmen zu treffen, um durch verstärkte Berücksichtigung der sozialen, psychosozialen, ethischen und wirtschaftlichen Aspekte

158 159

326

Schlussbericht Dialog zur Gendiagnostik, Basel 1999.

SR 814.903

eine umfassende ärztliche Kompetenz zu gewährleisten. Das in Vorbereitung befindliche Bundesgesetz über die Aus-, Weiter- und Fortbildung universitärer Medizinalberufe trägt diesem Anliegen Rechnung160.

4

Vorbehalte zum Übereinkommen

Wie der Vergleich der schweizerischen Rechtsordnung mit dem Übereinkommen gezeigt hat, müssen im Hinblick auf das geplante Transplantationsgesetz zwei Vorbehalte formuliert werden, der eine zu Artikel 19 (Lebendspende nicht nur als subsidiäre Therapieoption, vgl. Ziff. 3.7.1), der andere zu Artikel 20 (Erweiterung des Empfängerkreises auf Eltern und Kinder der urteilsunfähigen Person, vgl. Ziff.

3.7.2). Da das Übereinkommen nur erlaubt, Bestimmungen des nationalen Rechts vorzubehalten, die bereits in Kraft sind (Ziff. 2.1.4), muss mit der Ratifikation zugewartet werden, bis das Transplantationsgesetz in Kraft tritt, sofern die eidgenössischen Räte nicht anders entscheiden als der Bundesrat. Dieser unterbreitet deshalb die Ratifikationsbotschaft zeitgleich mit der Botschaft zum Transplantationsgesetz, damit beide Geschäfte zusammen beraten werden können.

Vorbehalte zu Artikel 3 über den gleichen Zugang zur Gesundheitsvorsorge (vgl.

Ziff. 3.2.3), für das therapeutische Privileg (vgl. Ziff. 3.3.2) und zu Artikel 10 im Hinblick auf Artikel 321bis StGB über das Berufsgeheimnis (vgl. Ziff. 3.4.1), wie sie im Vernehmlassungsverfahren angeregt worden sind, erachtet der Bundesrat nicht als erforderlich. Im Sinne eines rechtspolitischen Entscheids beantragt der Bundesrat zudem, auf einen Vorbehalt zu Gunsten der kantonalen Gesetze zu verzichten, die bei urteilsunfähigen Personen ohne gesetzlichen Vertreter die Ärztin oder den Arzt zum Entscheid ermächtigen (vgl. Ziff. 3.3.3.3). Schliesslich sollen auch bezüglich der Sterilisation urteilsunfähiger Personen (vgl. Ziff. 3.3.3.4) und der Auskunftspflicht von öffentlichen Spitälern (vgl. Ziff. 3.4.2) keine Vorbehalte angebracht werden.

5

Zusatzprotokoll über das Klonen menschlicher Lebewesen

Dieses erste Zusatzprotokoll verbietet jede Intervention, die darauf gerichtet ist, ein menschliches Lebewesen zu erzeugen, das mit einem anderen lebenden oder toten menschlichen Lebewesen genetisch identisch ist (Art. 1 Abs. 1). Dieses Verbot gilt vorbehaltlos; Artikel 26 des Übereinkommens findet keine Anwendung.

Das Zusatzprotokoll präzisiert, dass mit einem «genetisch identischen» menschlichen Lebewesen ein Wesen gemeint ist, das mit einem anderen menschlichen Lebewesen dasselbe Kerngenom gemeinsam hat (Art. 1 Abs. 2). Die mitochondrialen Gene, die nicht zum Kerngenom gehören, fallen für die Beurteilung, ob ein Klon vorliegt, ausser Betracht. Vom Zusatzprotokoll erfasst wird also auch die Methode des Klonens durch Zellkerntransplantation, bei der die mitochondrialen Gene nicht

160

Erläuternder Bericht vom Mai 1999 zum Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die universitäre Ausbildung in den medizinischen Berufen (MedBG/Ausbildung), insbes. zu Art. 3 Abs. 3 VE, S. 43 oder zu Art. 7 Abs. 2 Bst. b VE, S. 51.

327

unbedingt identisch sein müssen, da die befruchtete Eizelle, die entkernt wird, von einem anderen Lebewesen stammen kann.

Der Beginn des menschlichen Lebens wird sowohl im Übereinkommen wie im Zusatzprotokoll nicht definiert. Damit bleibt ein Interpretationsspielraum offen. Indessen zeigt die Entstehungsgeschichte des Zusatzprotokolls, dass das Verbot nicht nur das reproduktive Klonen erfassen, sondern weitergehen wollte. Ein Entwurf zum Klonierungsprotokoll vom 23. Mai 1997 enthielt noch folgende Bestimmung: «Est interdite toute intervention destinée à produire des personnes génétiquement identiques, au sens de personnes partageant un même ensemble de gènes nucléaires.» (Verboten ist jede Intervention, die darauf gerichtet ist, genetisch identische Personen, das heisst von Personen, die dasselbe Kerngenom haben, zu erzeugen.)

Nach lebhaften Diskussionen im leitenden Ausschuss wurde «personne» durch «être humain» ersetzt. Damit wurde ein weiter gehender Schutz erreicht. Der Erläuternde Bericht weist darauf hin, dass drei verschiedene Situationen zu unterscheiden seien161, nämlich a) das Klonen von Zellen als solchen, b) die Verwendung von embryonalen Zellen in der Klonierungstechnik und c) das Klonen von menschlichen Lebewesen durch Teilung von Embryonen oder Kerntransplantation. Während die erste Situation ethisch unbedenklich sei, müsse über die Zulässigkeit der zweiten Situation im Rahmen des geplanten Protokolls über den Schutz des Embryos und Fötus diskutiert werden. Durch das Protokoll klar verboten sei dagegen das Klonen menschlicher Lebewesen, wie es unter c) geschildert werde.

Dass die Anwendung des Klonierungsverfahrens in der Zellbiologie nicht verboten werden darf (Situation a), ist selbstverständlich. Zellkulturen, z.B. menschlicher Blutzellen, die durch ungeschlechtliche Vermehrung aus Einzelzellen erzeugt werden, sind definitionsgemäss Klone. Sie sind ein wichtiges Instrument zur Weiterentwicklung der Medizin, insbesondere zur Entwicklung neuer Behandlungsverfahren.

Zurzeit diskutiert wird die Forschung mit Stammzellen, die ethische Fragen aufwirft.

Das Interesse an der Stammzellforschung wurde durch wesentliche neue Erkenntnisse Ende der 1990er Jahre geweckt: 1998 gelang es zwei Gruppen von amerikanischen Forschenden, erstmals menschliche embryonale Stammzell-Linien zu
etablieren. Zudem mehren sich die Hinweise darauf, dass es selbst in voll ausgebildeten Geweben und Organen Stammzellen gibt, die sich offenbar nicht nur zu genau diesen Geweben und Organen differenzieren können, sondern auch das Potenzial besitzen, sich unter bestimmten Bedingungen zu anderen Geweben zu entwickeln.

Unterschieden werden heute totipotente Stammzellen, aus denen ein ganzer Mensch entstehen kann, und pluripotente Stammzellen, aus denen verschiedene Zelltypen, aber kein ganzer Mensch mehr hervorgehen können. In die Forschung mit pluripotenten Stammzellen werden grosse Hoffnungen gesetzt. Man erwartet, sie irgendwann in Zukunft als Alternative zur Organtransplantation oder zur Gentherapie für die Behandlung schwerer Krankheiten einsetzen zu können.

161

328

Erläuternder Bericht zum Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin betreffend das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen, Europarat, DIR/JUR (97) 14, Nr. 4; http://www.legal.coe.int/bioethics/index.html.

Es gibt verschiedene Arten der Gewinnung von pluripotenten Stammzellen: ­

aus bestimmten voll ausgebildeten (adulten) Organen oder Geweben, z. B.

aus Knochenmark; wie gross das Potenzial adulter Stammzellen ist, ist noch ungeklärt;

­

aus Nabelschnurblut nach der Geburt;

­

aus Embryonen oder Föten nach Abtreibung oder Fehlgeburt;

­

aus überzähligen Embryonen aus einer In-vitro-Fertilisation;

­

aus reprogrammierten adulten Zellen durch so genanntes «therapeutisches Klonen» nach dem «Dolly-Prinzip». Dabei wird der Zellkern einer durch Biopsie gewonnenen Körperzelle in eine entkernte gespendete Eizelle eingebracht und kultiviert. Aus dem Innern der sich daraus entwickelnden Blastocyste werden embryonale pluripotente Stammzellen entnommen und durch entsprechende Kultivierungsbedingungen in das gewünschte Gewebe differenziert.

Dass die Forschung mit pluripotenten embryonalen Stammzellen vom Klonierungsprotokoll nicht verboten wird, ist evident. Pluripotente Stammzellen sind keine menschlichen Lebewesen. Fraglich kann lediglich sein, ob auch das so genannte therapeutische Klonen verboten ist oder nicht. Geht man indessen davon aus, dass die Eizelle, in die man den diploiden Kern einer somatischen Zelle implantiert hat, totipotent ist, d.h. sich zu einem Menschen entwickeln kann, dann setzt das Klonierungsprotokoll dem therapeutischen Klonen Grenzen, ausser die nationale Rechtsordnung definiere den Beginn des menschlichen Lebens spezifisch.

Artikel 119 Absatz 2 Buchstabe a BV verbietet alle Arten des Klonens menschlicher Keimzellen (Samen- und Eizellen) und Embryonen. Das Fortpflanzungsmedizingesetz definiert das Klonen als künstliche Herstellung genetisch identischer Wesen (Art. 2 Bst. m) und verwendet damit praktisch die gleiche Begriffsumschreibung wie das Zusatzprotokoll. Ferner verbietet Artikel 119 Absatz 2 BV verändernde Eingriffe in das Erbgut menschlicher Keimzellen und Embryonen (Bst. a) und die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken (Bst. c). Damit werden dem therapeutischen Klonen klarere Grenzen gesetzt als im Klonierungsprotokoll. Es macht deshalb wenig Sinn, gemäss der Stellungnahme der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften (vgl. Ziff. 1.4.2.2) im Hinblick auf das therapeutische Klonen auf die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zu verzichten und es damit zu unterlassen, in Europa ein Zeichen gegen das Klonen von Menschen zu setzen.

6

Auswirkungen des Biomedizinübereinkommens und des Klonierungsprotokolls

6.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf Bund und Kantone

Die Ratifikation des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls wird grundsätzlich keine finanziellen Konsequenzen und keine Auswirkungen auf den Personalbestand von Bund und Kantonen haben. Wie weit einzelne kantonale Bestimmungen dem Übereinkommen anzupassen sind, kann hier offen gelassen werden. Der gesetzgeberische Aufwand sollte aber kaum stark ins Gewicht fallen. Ohnehin sind im Hinblick 329

auf das Fortpflanzungsmedizingesetz, das am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist, und das Heilmittelgesetz, das am 1. Januar 2002 in Kraft treten wird, aber auch im Hinblick auf die weiteren geplanten Bundesgesetze im Medizinalbereich (Transplantationsmedizin, genetische Untersuchungen beim Menschen und Forschung) in verschiedenen kantonalen Gesetzgebungen Bereinigungen vorzunehmen.

Zu welchem zusätzlichen Aufwand die Grundsätze über die Forschung am Menschen, die direkt anwendbar sein dürften, führen werden, ist nicht abzuschätzen.

Eine wissenschaftliche und ethische Evaluation ist aber bereits für Forschungsprojekte mit Heilmitteln und immunbiologischen Erzeugnissen im Heilmittelgesetz vorgeschrieben und soll auch im Transplantationsgesetz verankert werden (vorn Ziff.

3.6.2.2). Schon heute ist sie zudem in den Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften vorgeschrieben. Neu ist bloss ihr verpflichtender Charakter für jedes Forschungsvorhaben am Menschen.

6.2

Auswirkungen auf die Informatik

Die Vorlage hat keine Auswirkungen im Bereich der Informatik.

6.3

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die Ratifikation des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin und des Klonierungsprotokolls wird keine volkswirtschaftlichen Auswirkungen haben.

7

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003162 im Kapitel über die Parlamentsgeschäfte in Ziffer 3.1 unter weiteren Geschäften erwähnt.

8

Verhältnis zum internationalen Recht

8.1

Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und die UNO-Menschenrechtsinstrumente

Das Verhältnis des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin zur EMRK und zu den UNO-Menschenrechtsinstrumenten ist jeweils im Zusammenhang mit den Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Übereinkommens dargestellt worden. Gewisse vom Übereinkommen garantierte Rechte werden auch durch Bestimmungen dieser Instrumente erfasst. Zu nennen sind u.a. das Recht auf Leben, das Verbot unmenschlicher Behandlung, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Diskriminierungsverbot sowie das Recht auf Gesundheit163.

162 163

330

BBl 2000 2276 Art. 2, 3, 8 und 14 EMRK; Art. 2, 6, 7 und 17 UNO-Pakt II; Art. 12 UNO-Pakt I; Art. 6 UNO-Kinderrechtskonvention.

Daneben existieren verschiedene Empfehlungen vor allem des Ministerkomitees des Europarates, die sich mit gewissen Aspekten des Übereinkommens näher befassen.

Auch wenn es sich dabei nicht um verbindliche Instrumente handelt, können sie Hilfsmittel für die Interpretation der Bestimmungen des Übereinkommens sein (vgl.

Art. 31 Ziff. 3 Bst. b und c des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens von 1969164).

8.2

Gemeinschaftsrecht

Das Übereinkommen und das Zusatzprotokoll sehen die Möglichkeit eines Beitritts der Europäischen Gemeinschaft (EG) ausdrücklich vor, doch ist es vorerst den einzelnen Mitgliedstaaten anheim gestellt, ob sie dieses unterzeichnen bzw. ratifizieren wollen. Das Europäische Parlament hat in einer nicht verbindlichen Entschliessung zum Klonen von Menschen165 alle Mitgliedstaaten des Europarates aufgefordert, diesen Schritt zu tun.

Die Regelung der Spende und medizinischen Verwendung von menschlichen Organen und Blut ist ausdrücklich den Mitgliedstaaten vorbehalten (Art. 152 Abs. 4 Bst. a i.V.m. Abs. 5 Satz 2 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Berührungspunkte zwischen dem Gemeinschaftsrecht und der betroffenen Materie ergeben sich aber einerseits aus der Verwirklichung des Binnenmarktes für Medizinprodukte und Arzneimittel, die aus Gewebe, Zellen oder Stoffen menschlichen Ursprungs hergestellt werden. Die einzelstaatlichen Ethikvorschriften über die Entnahme, Sammlung und Verwendung dieser Substanzen behindern den freien Warenverkehr nicht und sind daher ohne weiteres zulässig. Die relativ neue Richtlinie über die In-vitro-Diagnostika erhebt in dieser Hinsicht die Grundsätze des Übereinkommens sogar zum gemeinschaftsweit gültigen Minimalstandard166. Andererseits verfügt die EG über eine komplementäre Zuständigkeit im Bereich der Forschungsförderung. Die wenigen einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die seit den Beschlüssen des Europarates ergangen sind, verweisen denn auch gelegentlich auf das Übereinkommen. Dasselbe gilt für die europäischen Forschungsprogramme. Darüber hinaus berücksichtigt der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft in seiner Rechtsprechung regelmässig die völkerrechtlichen Verträge zum Schutz der Menschenrechte, denen die Mitgliedstaaten beigetreten sind oder an deren Ausarbeitung sie beteiligt waren.

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union167 übernimmt einzelne Kernbestimmungen des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls, nämlich den Grundsatz der freien Einwilligung in medizinische Eingriffe, das Verbot der kommerziellen Nutzung des menschlichen Körpers oder von Teilen davon und das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen.

164 165 166 167

SR 0.111 ABl. EG C 34 vom 2.2.1998, S. 164.

Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Okt. 1998 über In-vitro-Diagnostika, ABl. EG L 331 vom 7.12.1998, S. 1.

ABl. EG C 364 vom 18.12.2000, S. 1.

331

9

Verfassungsmässigkeit

9.1

Kompetenzen des Bundes

Die Zuständigkeit des Bundes, das Übereinkommen zu ratifizieren, ergibt sich aus Artikel 54 BV. Die Genehmigungsbefugnis der Bundesversammlung folgt aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Bei internationalen Vereinbarungen gilt der Grundsatz, dass der Bund Verträge über beliebige Gegenstände abschliessen kann, ob diese nun in die eidgenössische oder in die kantonale Gesetzgebungskompetenz fallen168. Das Recht der Kantone, in ihrem Zuständigkeitsbereich Verträge abzuschliessen, ist somit subsidiär. Der Bund macht jedoch von seiner Kompetenz nur zurückhaltend Gebrauch, wenn die zu regelnden Bereiche wie hier zu einem grossen Teil in die Zuständigkeit der Kantone fallen.

Wenn der Bund selber einen Vertrag abgeschlossen hat, können sich die Kantone nicht mehr auf ihre eigene Kompetenz in der betreffenden Materie berufen. Im vorliegenden Fall haben sich die Kantone im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens einhellig für eine Ratifizierung ausgesprochen. Der Ausübung der verfassungsmässigen Vertragsschlusskompetenz des Bundes steht demnach nichts entgegen169.

9.2

Referendum

Staatsverträge unterliegen nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, wenn sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wenn sie eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen. Das Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin ist kündbar (Art. 37) und seine Ratifikation bedeutet keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation.

Bleibt die Frage zu beantworten, ob mit der Ratifikation eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeigeführt wird. Eine solche ist nach konstanter Praxis des Bundesrats anzunehmen, wenn ein Staatsvertrag Einheitsrecht enthält, das im Wesentlichen direkt anwendbar ist und ein bestimmtes, genau umschriebenes Rechtsgebiet genügend umfassend regelt. Das Übereinkommen muss jenen Mindestumfang aufweisen, der auch nach landesrechtlichen Massstäben die Schaffung eines separaten Gesetzes als sinnvoll erscheinen liesse170. Im Übrigen kann in Einzelfällen wegen der Bedeutung und der Art der Bestimmungen eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung auch dann vorliegen, wenn die in Frage stehenden internationalen Normen nicht zahlreich sind171.

Verschiedene Bestimmungen des vorliegenden Übereinkommens sind direkt anwendbar (vgl. Ziff. 3.1). Für die Schweiz ist allerdings ein guter Teil dieser Normen nicht neu, sondern bekräftigt Grundsätze des bestehenden oder in Vorbereitung befindlichen schweizerischen Rechts. Andere Grundsätze dagegen wie diejenigen über die Forschung erlangen mit einer Ratifikation umfassendere Rechtsverbindlichkeit als bisher (vgl. z.B. Ziff. 3.6.2.2). Im Hinblick darauf erscheint es richtig, den Bun168 169 170 171

332

BBl 1994 II 624 Siehe auch BBl 2000 913.

BBl 1992 III 324.

BBl 1988 II 912; 1990 III 948; 1992 II 1198; 1997 I 366.

desbeschluss über die Genehmigung des Übereinkommens dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

Das Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens menschlicher Lebewesen stimmt mit Sinn und Geist von Artikel 119 BV und mit dem Fortpflanzungsmedizingesetz überein. Es fällt nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV, da das Kriterium der multilateralen Rechtsvereinheitlichung nicht erfüllt ist. Die Unterstellung des Zusatzprotokolls unter das Referendum gestützt auf Artikel 141 Absatz 2 BV rechtfertigt sich aber wegen seiner inhaltlichen Nähe zum Übereinkommen.

333

Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeiner Teil 1.1 Einleitung 1.2 Entstehungsgeschichte des Übereinkommens 1.3 Das Zusatzprotokoll über das Klonen menschlicher Lebewesen 1.4 Die Schweiz und das Übereinkommen 1.4.1 Ausgangslage 1.4.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens 1.4.2.1 Beitritt zum Übereinkommen und zum Zusatzprotokoll grossmehrheitlich befürwortet 1.4.2.2 Kritik 1.4.2.3 Allfällige Vorbehalte 1.4.3 Entscheide des Bundesrates 1.4.4 Koordination mit laufenden Gesetzgebungsvorhaben im Medizinalbereich 2 Besonderer Teil: Inhalt und Geltungsbereich des Übereinkommens 2.1 Das Grundkonzept des Übereinkommens 2.1.1 Entwicklungsfähiges Vertragswerk (Art. 31) 2.1.2 Gemeinsamer internationaler Schutzstandard (Art. 27) 2.1.3 Möglichkeit der Einschränkung der im Übereinkommen enthaltenen Rechte und Schutzbestimmungen (Art. 26) 2.1.4 Vorbehalte (Art. 36) 2.1.5 Vollzug und Änderung des Übereinkommens (Art. 29, 30 und 32) 2.1.6 Kündigung des Übereinkommens (Art. 37) 2.2 Der materielle Inhalt des Übereinkommens im Überblick (Art. 1­25 und 28) 284 3 Das Übereinkommen und die schweizerische Rechtsordnung 3.1 Die Art der völkerrechtlichen Verpflichtung: direkt anwendbare und nicht direkt anwendbare Bestimmungen 3.2 Allgemeine Bestimmungen des Übereinkommens 3.2.1 Gegenstand und Zweck des Übereinkommens (Art. 1) 3.2.2 Vorrang menschlichen Lebens (Art. 2) 3.2.3 Gleicher Zugang zur Gesundheitsversorgung (Art. 3) 3.2.4 Berufspflichten und Verhaltensregeln (Art. 4) 3.3 Einwilligung 3.3.1 Einleitung 3.3.2 Allgemeine Regel (Art. 5) 3.3.3 Schutz einwilligungsunfähiger Personen (Art. 6) 3.3.3.1 Allgemeine Grundsätze (Art. 6 Abs. 1, 4 und 5) 3.3.3.2 Einwilligungsunfähige Unmündige (Art. 6 Abs. 2) 3.3.3.3 Einwilligungsunfähige Erwachsene (Art. 6 Abs. 3) 3.3.3.4 Sterilisation geistig Behinderter 3.3.4 Schutz von Personen mit psychischen Störungen (Art. 7) 334

273 273 274 275 276 276 276 276 277 278 278 279 280 280 280 281 281 283 283 284

285 285 286 286 288 288 290 291 291 292 294 294 295 295 297 299

3.3.4.1 Die Grundsätze des Übereinkommens 3.3.4.2 Rechtslage in der Schweiz 3.3.5 Notfallsituationen (Art. 8) 3.3.6 Zu einem früheren Zeitpunkt geäusserte Wünsche (Art. 9) 3.4 Privatsphäre und Recht auf Auskunft (Art. 10) 3.4.1 Schutz der Privatsphäre (Abs. 1) 3.4.2 Recht auf Auskunft (Abs. 2 und 3) 3.5 Menschliches Genom 3.5.1 Nichtdiskriminierung (Art. 11) 3.5.2 Prädiktive genetische Untersuchungen (Art. 12) 3.5.3 Interventionen in das menschliche Genom (Art. 13) 3.5.4 Verbot der Geschlechtswahl (Art. 14) 3.6 Wissenschaftliche Forschung 3.6.1 Allgemeine Regel (Art. 15) 3.6.2 Schutz von Personen bei Forschungsvorhaben (Art. 16) 3.6.2.1 Die Grundsätze des Übereinkommens 3.6.2.2 Forschungsuntersuchungen in der Schweiz 3.6.3 Besonderer Schutz einwilligungsunfähiger Personen (Art. 17) 3.6.3.1 Die Grundsätze des Übereinkommens 3.6.3.2 Rechtslage in der Schweiz 3.6.4 Forschung am Embryo in vitro (Art. 18) 3.7 Entnahme von Organen und Geweben von lebenden Spendern zu Transplantationszwecken 3.7.1 Allgemeine Regel (Art. 19) 3.7.2 Schutz einwilligungsunfähiger Personen (Art. 20) 3.8 Verbot finanziellen Gewinns; Verwendung eines Teils des menschlichen Körpers 3.8.1 Verbot finanziellen Gewinns (Art. 21) 3.8.2 Verwendung eines dem menschlichen Körper entnommenen Teils (Art. 22) 3.9 Verletzung der Bestimmungen des Übereinkommens 3.9.1 Verletzung von Rechten oder Grundsätzen (Art. 23) 3.9.2 Schadenersatz (Art. 24) 3.9.3 Sanktionen (Art. 25) 3.10 Öffentliche Diskussion (Art. 28)

299 300 302 303 305 305 306 308 308 308 310 312 312 312 313 313 314 316 316 317 318 319 319 320 322 322 324 324 324 325 325 326

4 Vorbehalte zum Übereinkommen

327

5 Zusatzprotokoll über das Klonen menschlicher Lebewesen

327

6 Auswirkungen des Biomedizinübereinkommens und des Klonierungsprotokolls 6.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf Bund und Kantone 6.2 Auswirkungen auf die Informatik 6.3 Volkswirtschaftliche Auswirkungen

329 329 330 330

7 Legislaturplanung

330 335

8 Verhältnis zum internationalen Recht 8.1 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und die UNO-Menschenrechtsinstrumente 8.2 Gemeinschaftsrecht

330 330 331

9 Verfassungsmässigkeit 9.1 Kompetenzen des Bundes 9.2 Referendum

332 332 332

Bundesbeschluss betreffend das Europäische Übereinkommen vom 4. April 1997 zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin) (Entwurf) 337 Bundesbeschluss betreffend das Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin vom 12. Januar 1998 über das Verbot des Klonens menschlicher Lebewesen (Entwurf)

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Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin) 340 Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin über das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen 352

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