zu 02.425 Kommissionsinitiative Sondersteuersatz der Mehrwertsteuer für Beherbergungsleistungen. Verlängerung Bericht vom 3. Mai 2002 der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates Stellungnahme des Bundesrates vom 4. September 2002

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, zum Bericht vom 3. Mai 2002 der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates betreffend den Sondersteuersatz der Mehrwertsteuer für Beherbergungsleistungen nehmen wir nach Artikel 21quater Absatz 4 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. September 2002

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Kaspar Villiger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Für die Besteuerung der Beherbergungsleistungen im Rahmen der Mehrwertsteuer gilt bis zum 31. Dezember 2003 ein Sondersatz. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Ständerates beriet an ihrer Sitzung vom 24. Januar 2002 das weitere Vorgehen bezüglich dieses Sondersatzes. Nach eingehender Diskussion wurde die Ausarbeitung einer Kommissionsinitiative für eine abermalige Verlängerung des Sondersteuersatzes von 3,6 % für Beherbergungsleistungen bis Ende Dezember 2006 mit 7:1 Stimmen beschlossen. Das Sekretariat wurde zusammen mit der Verwaltung beauftragt, einen entsprechenden Erlassentwurf auszuarbeiten. Mit 9:0 Stimmen bei einer Enthaltung wurde der Entwurf am 3. Mai 2002 angenommen.

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Geltendes Recht

Am 1. Januar 1995 trat die Verordnung über die Mehrwertsteuer in Kraft. Nach Artikel 8ter der Übergangsbestimmung in der alten Bundesverfassung bestand für den Bund die Möglichkeit, auf dem Wege der Gesetzgebung für bestimmte im Inland erbrachte Tourismusleistungen einen tieferen Satz der Umsatzsteuer festzulegen, sofern diese Dienstleistungen in erheblichem Ausmass durch Ausländer konsumiert wurden und die Wettbewerbsfähigkeit es erforderte. Die schwierige Wettbewerbssituation des einheimischen Tourismusgewerbes Mitte der Neunzigerjahre führte dazu, dass auf den 1. Oktober 1996 für die Dauer von fünf Jahren bis längstens Ende Dezember 2001 der Sondersteuersatz von 3 % für Beherbergungsleistungen (inklusive des Frühstücks) in Kraft gesetzt wurde.

Die selbe Regel von Artikel 8ter der Übergangsbestimmung in der alten Bundesverfassung ist heute in Artikel 196 Ziffer 14 Absatz 3 der Übergangsbestimmung in der neuen Bundesverfassung festgehalten. Im neuen Mehrwertsteuergesetz, welches am 1. Januar 2001 in Kraft trat, wurde die zeitliche Befristung des Sondersatzes für Beherbergungsleistungen bis längstens Ende Dezember 2003 verlängert. Der Sondersatz ist in Artikel 36 Absatz 2 des Mehrwertsteuergesetzes geregelt und beträgt heute 3,6 %.

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Beurteilung des Vorschlages der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates

Die Erhebung der Mehrwertsteuer erfolgt neben dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität und der Überwälzbarkeit ausdrücklich auch nach dem Grundsatz der Erhebungswirtschaftlichkeit. Danach muss das Mehrwertsteuersystem einfach und transparent ausgestaltet sein, und dies mit dem Ziel, einen möglichst geringen Erhebungsaufwand sowohl auf der Seite der Steuerpflichtigen als auch auf der Seite der Steuerbehörde zu erreichen. Dazu trägt eine geringe und damit übersichtliche Anzahl der Steuersätze bei. Deshalb soll nach Ansicht des Bundesrates für die

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Mehrwertsteuer neben dem Normalsatz grundsätzlich bloss ein einziger reduzierter Steuersatz bestehen.

Der Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Hotellerie gegenüber der europäischen Konkurrenz bildet auch kein stichhaltiges Argument für einen TourismusSondersatz. Denn bei Aufhebung des Sondersatzes ist der Normalsatz mit dem jeweiligen Satz für Beherbergungsleistungen im Ausland zu vergleichen und dieser beträgt derzeit zum Beispiel in Italien 10, Spanien 7, Frankreich 5,5, Deutschland 16, Österreich 10 und Grossbritannien 17,5 Prozent. Würde der Sondersatz in der Schweiz aufgehoben, wären somit die Übernachtungsleistungen in der Schweiz umsatzsteuerlich immer noch geringer belastet als in einigen Ländern der EU. Sollte die Schweiz dereinst der EU beitreten und die Normalsätze der EU übernehmen müssen, wäre die Frage des Sondersatzes erneut zu prüfen.

In steuerlicher Hinsicht wirkt sich die Höhe des Steuersatzes auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Hotellerie aus und nicht etwa der Anteil der Vorleistungen am Umsatz oder gar die Differenz zwischen dem Normal- und dem Sondersatz.

Die steuerliche Belastung einer gegebenen Beherbergungsleistung beträgt in der Schweiz immer 3,6 Prozent und das Beherbergungsunternehmen hat demzufolge auch 3,6 Prozent auf dem Umsatz (ohne Mehrwertsteuer) abzuliefern. Die Bezahlung dieser Steuer erfolgt teils direkt (mit der viertel- oder halbjährlichen Steuerabrechnung), teils indirekt an den Bund (durch Begleichung der Rechnungen für die bezogenen Leistungen).

Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Hotellerie ist ­ abgesehen von Faktoren wie Qualität der Unterkunft und des Personals sowie Preisniveau der übrigen touristischen und nicht-touristischen Leistungen ­ vor allem die absolute Höhe der Übernachtungspreise (mit Einschluss der Nebenleistungen wie Frühstück, Wellnessangebot usw.) pro Hotelkategorie im Verhältnis zum entsprechenden Preis der ausländischen Konkurrenz.

Der Hotellerie-Sondersatz war nur als vorübergehende Massnahme gedacht, die dem damaligen Notstand der Branche Rechnung tragen sollte. Dementsprechend wurde er in der Übergangsbestimmung zum Mehrwertsteuerverfassungsartikel geregelt, beziehungsweise ins Mehrwertsteuergesetz nur als befristete Massnahme aufgenommen. Dieser Sondersatz ist eine der Massnahmen
zur Förderung des Tourismus in der Schweiz. Verglichen mit den anderen Fördermassnahmen, die gezielt eingesetzt werden, ist diejenige des Sondersatzes eine flächendeckend ausgerichtete Massnahme mit der Eigenschaft, dass sie allen zugute kommt, ohne Rücksicht darauf, ob ein Bedarf besteht. Der Bundesrat hat im Januar einen Bericht zur Verbesserung der Struktur und Qualität des Angebots im Tourismus in die Vernehmlassung gegeben.

Beabsichtigt sind Massnahmen, die strukturelle Mängel der Branche gezielter und wirkungsvoller beseitigen können als die pauschale steuerliche Begünstigung der ganzen Branche. Allerdings ist noch nicht ersichtlich, wann diese Massnahmen eingeführt und sie ihre Wirkungen zeitigen werden. Deshalb erscheint es dem Bundesrat vertretbar, den Sondersatz befristet bis Ende 2006 weiterzuführen, damit ein lückenloser Übergang vom Sondersatz zu den neuen Massnahmen abgewickelt werden kann. Die schweizerische Hotellerie soll rechtzeitig in den Genuss dieser Massnahmen kommen und sich diesen auch entsprechend anpassen können.

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Angesichts der vielen an den Bundeshaushalt gestellten Begehren ist eine Priorisierung der verschiedenen Tourismusförderungsinstrumente unumgänglich. Eine Kumulation von Steuerbegünstigungen und anderen Finanzhilfen wird auf die Dauer nicht möglich sein.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat stimmt dem Antrag der WAK-S vom 3. Mai 2002 im Sinne einer Kompromisslösung zu. Er hat am 3. Juli 2002 im Zusammenhang mit der Kenntnisnahme der Vernehmlassungsergebnisse zur neuen Finanzordnung auch das weitere Vorgehen in diesem Geschäft beschlossen. So wird er in seiner Botschaft über die neue Finanzordnung den eidgenössischen Räten beantragen, den Sondersatz per Ende 2006 aufzuheben. Der Bundesrat wird in der Botschaft sämtliche Argumente, welche für und gegen diesen Sondersatz sprechen, sorgfältig analysieren und darlegen.

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