01.074 Botschaft zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (NFA) vom 14. November 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen im Rahmen der zweiten Phase der Föderalismusreform erste Massnahmen auf Verfassungs- und Gesetzesstufe zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen.

Diese Massnahmen betreffen ­

eine Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung zwischen Bund und Kantonen,

­

neue Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen,

­

eine institutionalisierte interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich sowie

­

einen neuen Ressourcenausgleich und einen Lastenausgleich des Bundes (Finanzausgleich im engeren Sinn).

Zu diesem Zweck umfasst die vorliegende Botschaft Entwürfe ­

zu einem Bundesbeschluss zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (NFA) sowie

­

zu einem Bundesgesetz über den Finanzausgleich (FAG).

Ferner liegt die von 22 Kantonsregierungen beschlossene interkantonale Rahmenvereinbarung (IRV) bei.

Weiter beantragen wir mit dieser Botschaft folgende parlamentarische Vorstösse abzuschreiben: 1993

P

93.3090

Für eine transparentere Finanzpolitik zwischen Bund und Kantonen (S 03.06.93, Gemperli)

1993

P

93.3288

Interkantonaler Lastenausgleich (N 08.10.93, Wyss)

1994

M

92.3467

Entflechtung der Vollzugsaufgaben von Bund und Kantonen (S 17.06.93, Bloetzer; N 14.03.94)

1995

P

94.3307

Finanzausgleich. Berücksichtigung der Zentrumslasten der Städte (N 13.03.95, Strahm)

2001-2229

2291

1995

P

94.3514

Ermöglichung von Road Pricing in Städten (N 24.03.95, Vollmer)

1996

P

96.3050

Stärkung des Finanzausgleichs beim Kantonsanteil an den Bundessteuern (S 04.06.96, Marty Dick)

1996

P

96.3030

Pilotprojekt New Public Management (N 21.06.96, Kofmel)

1996

P

96.3285

Finanzausgleich und Kantonsanteile an der direkten Bundessteuer (N 13.12.96, Lachat)

1998

P

98.3130

Wahrung der übergeordneten Interessen- und Koordinationsaufgaben beim Fuss- und Wanderwegnetz (S 15.12.98, Onken)

1998

P

98.3456

Neuer Finanzausgleich. Massnahmenvorschläge im Sportbereich (N 18.12.98, Berberat)

1999

P

98.3622

Kooperativer Föderalismus (N 19.3.99, Zbinden)

1999

P

99.3340

Massnahmenkatalog für den ländlichen Raum (N 08.10.99, Brunner Toni)

1999

P

97.3662

Verteilung der Zentrumslasten im Rahmen des Neuen Finanzausgleichs (N 16.12.99, Sozialdemokratische Fraktion)

1999

P

98.3516

Finanzausgleich. Berücksichtigung der zentralen Leistungen der Städte (N 16.12.99, Gysin)

1999

P

99.3393

Vereinheitlichung der Ausbildungsfinanzierung in der Bundesverfassung (S 7.3.00, Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur)

2000

P

99.3108

Interkantonale Zusammenarbeit (N 18.6.00, Theiler)

2000

P

99.3582

Sinnvoller Steuerwettbewerb (N 13.12.00, Fraktion der Schweizerischen Volkspartei)

2000

P

00.3438

Neuer Finanzausgleich. Überbrückungshilfe für Kantone in kritischen finanziellen Verhältnissen (N 15.12.00, Walker Felix)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. November 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11714

Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2292

Übersicht Der Föderalismus als eines der tragenden Prinzipien der schweizerischen Verfassung hat in den letzten Jahrzehnten zusehends an Substanz eingebüsst. Eine schleichende Zentralisierung hat Schritt für Schritt die Kantone in ihrem Gestaltungsund Handlungsspielraum eingeengt, während dem Bund immer mehr Kompetenzen ­ auch in an sich kantonalen Zuständigkeitsbereichen ­ übertragen worden sind.

Parallel zu dieser Entwicklung erhöhte sich auch der Anteil der zweckgebundenen Finanztransfers des Bundes an die Kantone, womit diese in zunehmende staats- und finanzpolitische Abhängigkeit des Bundes gerieten.

Mittlerweile umfassen die Übertragungen an die Kantone insgesamt rund einen Viertel der Gesamtausgaben des Bundes. Davon werden lediglich 25 Prozent in der Form von nicht zweckgebundenen Mitteln ausgerichtet. Der überwiegende Anteil ist an bestimmte Aufgaben, Projekte oder Objekte sowie an die Erfüllung von Normen und Standards gebunden. Hinzu kommt, dass Bundessubventionen in vielen Fällen neben der Anreizfunktion auch noch eine Umverteilungsfunktion im Rahmen des Finanzausgleichs zu berücksichtigen haben. Diese Vermischung von Anreiz- und Umverteilungsfunktion führt in der Regel zu hohen Subventionssätzen, die vor allem ressourcenschwache Kantone zu einer nicht bedarfsgerechten Politik verleiten können.

Unter diesen Vorzeichen besteht je länger desto mehr die Gefahr, dass eine kantonale Politik, welche für die jeweilige Bevölkerung eigenständige Schwerpunkte zu setzen vermag, zur blossen Fiktion verkommt. Der Föderalismus gerät in Bedrängnis. Somit ist auch der Wettbewerb der Ideen und der unterschiedlichen Lösungsansätze gefährdet. Dies wiederum hat zur Folge, dass das staatspolitische Innovationspotenzial, das föderalen Strukturen innewohnt, nicht mehr im erwünschten Ausmass zum Tragen kommen kann.

Der Bundesrat unterbreitet mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben (NFA) zwischen Bund und Kantonen ein kohärentes Reformprojekt zur Stärkung und Weiterentwicklung der föderalen Strukturen der Schweiz. Zu diesem Zweck legt er mit dieser Botschaft ein erstes Paket vor, welches sämtliche notwendigen verfassungsrechtlichen Modifikationen sowie das total revidierte Bundesgesetz über den Finanzausgleich enthält. Die Änderungen auf Verfassungsstufe werden Anpassungen in zahlreichen
Spezialerlassen erfordern, dies sowohl in den aufgabenbezogenen als auch in den bereichsübergreifenden Bundesgesetzen. Die entsprechenden Anträge wird der Bundesrat nach der Durchführung der obligatorischen Volksabstimmung zum Bundesbeschluss sowie nach einem allfälligen Referendum zum Bundesgesetz im Rahmen einer zweiten NFA-Botschaft dem Parlament unterbreiten.

Kernanliegen dieser Vorlage ist es, Bund und Kantone in ihren jeweiligen Rollen zu stärken. Dies setzt eine Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung voraus. Ferner soll die bundesstaatliche Zusammenarbeit effizienter ausgestaltet, die interkantonale Zusammenarbeit substanziell ausgebaut und der Finanzausgleich unter den Kantonen wirkungsvoller und vor allem politisch steuerbar gestaltet werden.

2293

Die NFA beruht im Wesentlichen auf vier Pfeilern, die sich gegenseitig bedingen und ergänzen: 1.

In zahlreichen Aufgabenbereichen überlagern sich heute Kompetenzen und Finanzströme und führen somit zu Doppelspurigkeiten, unklaren Verantwortlichkeiten und einer zunehmenden Abhängigkeit der Kantone vom Bund. Mit der angestrebten Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung soll deshalb wieder Ordnung in das Gefüge der bundesstaatlichen Aufgabenerfüllung einkehren. Die Kantone werden in ihrer Eigenstaatlichkeit und damit in ihrem Handlungs- und Gestaltungsspielraum gestärkt. Umgekehrt kann sich der Bund vermehrt seinen eigentlichen nationalen Aufgaben widmen und, in Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, in jenen Bereichen materiell und finanziell Einfluss nehmen, die einer einheitlichen Regelung bedürfen. Das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz, wonach Nutzniesser sowie Kosten- und Entscheidungsträger identisch sein müssen, kann dank der Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung vermehrt zum Tragen kommen.

Klare Verantwortlichkeiten der Kantone werden die Stellung der kantonalen Parlamente und Regierungen sowie der Stimmberechtigten auf kantonaler Ebene stärken. Die Bevölkerung wird vermehrt entscheiden können, welche politischen Schwerpunkte sie in ihrem unmittelbaren Umfeld setzen möchte.

Eine verstärkte Übertragung von Aufgaben an die Kantone heisst aber nicht, 26 verschiedene und untereinander nicht kompatible Systeme zu propagieren. Zum einen soll, wenn sich dies als unabdingbar erweisen sollte, der Bundesgesetzgeber auch bei kantonalen Aufgabenbereichen im Sinne einer Rahmengesetzgebung Leitplanken setzen können. Zum anderen werden die Kantone vermehrt zusammenarbeiten und gewisse Aufgaben gemeinsam wahrnehmen müssen, was vermehrt zu untereinander abgestimmten und kompatiblen Lösungen führen wird.

2.

2294

Gerade in einem kleinräumigen Bundesstaat wie der Schweiz können manche Aufgaben auch nach einer Aufgabenentflechtung sinnvollerweise nur gemeinsam von Bund und Kantonen erbracht werden. Dazu müssen aber neue Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen eingeführt werden. Statt Einzelobjekte nach aufwandorientierten Kriterien zu subventionieren, sollen vermehrt Mehrjahresprogramme mittels Global- oder Pauschalsubventionen zum Tragen kommen. Dabei obliegt dem Bund die strategische Führung einschliesslich eines entsprechenden Controllings, während die Kantone auf operativer Ebene bestimmen, wie sie die Vertragsziele erreichen wollen. Wo diese neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen inskünftig zum Einsatz kommen, entfällt das System der aufwandorientierten Inputsteuerung. Neu wird über ein vereinbartes Ziel gesteuert und so die erwünschte Wirkung einer Massnahme in den Mittelpunkt staatlichen Handelns gestellt (Outputsteuerung).

3.

Angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Lebensräume, deren Grenzen immer seltener den Kantonsgrenzen entsprechen, müssen heute mehr denn je kantonale Aufgaben im horizontalen Verbund erfüllt werden. Um die Kantone auf diese Herausforderung vorzubereiten und sie in staats- und finanzpolitischer Sicht zu stärken, sieht die NFA eine substanziell ausgebaute interkantonale Zusammenarbeit mit einem Lastenausgleich vor. Kantone, die für umliegende Kantone Zentrumsleistungen erbringen, sollen für ihre Leistungen entsprechende Abgeltungen erhalten. Interkantonale Organe sollen, unter Beachtung des Legalitätsprinzips und der direktdemokratischen Kontrolle, rechtssetzende Normen erlassen dürfen, um auf neue Situationen und Herausforderungen rasch und sachgerecht reagieren zu können. Dabei kommt dem Bund die Aufgabe zu, die Kantone zur horizontalen Zusammenarbeit zu befähigen. Ihm sind aus diesem Grund minimale prozedurale Kompetenzen einzuräumen. Sie erlauben ihm, unter bestimmten Voraussetzungen und auf Antrag der Kantone nicht kooperationswillige Gliedstaaten zur horizontalen Zusammenarbeit zu verpflichten. Dieser Zwang kann sich als notwendig erweisen, soll der Föderalismus in seiner Substanz erhalten bleiben. Scheitert die interkantonale Zusammenarbeit, wird es unweigerlich zu einem verstärkten Zentralisierungsschub und damit zu einer Aushöhlung der föderalen Strukturen kommen. Aufgaben, die aus staatsund finanzpolitischer Sicht sinnvollerweise in horizontaler Zusammenarbeit erfüllt werden, müsste in diesem Falle der Bund erbringen.

4.

Der Finanzausgleich im engeren Sinn zwischen den Kantonen unterscheidet neu zwischen einem Ressourcen- und einem Lastenausgleich. Damit wird der Ausgleich gezielter und effektiver.

Der Ausgleich zwischen den ressourcenstarken und den ressourcenschwachen Kantonen wird gegenüber dem heute geltenden System ausgebaut. Neben den ressourcenstarken Kantonen beteiligt sich an dessen Finanzierung neu auch der Bund. Er stellt eine genügende Mittelausstattung aller Kantone sicher. Das heutige undurchsichtige, komplizierte und nur für wenige Spezialisten durchschaubare System wird durch einen transparenten und nachvollziehbaren Finanzausgleich ersetzt. Das eidgenössische Parlament wird die Möglichkeit erhalten, die Eckwerte des Ressourcenausgleichs festzulegen. Damit wird der Finanzausgleich, der die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone verringern soll, politisch steuerbar. Der Ressourcenindex, der die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kantone misst, ist in seiner Konzeption nicht manipulierbar und verzichtet, im Gegensatz zum heute geltenden Finanzkraftindex, bewusst auf die Berücksichtigung von Lastenelementen. So wird beispielsweise künftig die kantonale Steuerbelastung nicht mehr als Kriterium für die Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit eines Kantons herangezogen, sondern ausschliesslich das fiskalisch ausschöpfbare Steuer- bzw. Ressourcenpotenzial eines Kantons erfasst. Auf diese Weise sollen in Zukunft Fehlanreize und Zielkonflikte vermieden werden.

2295

Übermässige und unbeeinflussbare Lasten der Kantone, die ihnen auf Grund geografisch-topografischer Gegebenheiten oder ihrer spezifischen Bevölkerungsstruktur erwachsen, sollen vom Bund mittels eines entsprechenden Lastenausgleichs gezielt ausgeglichen werden. Auch dieser Ausgleich wird in seinem Umfang vom eidgenössischen Parlament festzulegen sein und ist somit politisch steuerbar.

Um den Übergang vom alten zum neuen Ausgleichssystem abzufedern, ist ein Härteausgleich vorgesehen. Dieser wird von Bund und Kantonen finanziert und ist als Übergangshilfe konzipiert. Zahlungen aus dem Härteausgleich werden gezielt nur an ressourcenschwache Kantone ausgerichtet. Die Ausgleichsbeträge werden nicht der Teuerung angepasst und nur so lange ausgerichtet, wie der Ressourcenindex der betreffenden Kantone das schweizerische Mittel unterschreitet. Die Weiterführung des Härteausgleichs ist zudem alle vier Jahre auf Grund eines Wirkungsberichtes grundsätzlich zu überprüfen.

Die Instrumente der NFA wurden bereits mit Blick auf die vorliegende Botschaft einer ersten Wirkungsanalyse unterzogen. Einerseits zeigt eine qualitative Untersuchung auf, ob die gesteckten staats- und finanzpolitischen Ziele erreicht werden können. Andererseits geben verschiedene quantitative Analysen Aufschluss über die finanziellen Auswirkungen auf den Bund und die einzelnen Kantone.

Die Expertise zu den qualitativen Wirkungen der NFA führt zu einer positiven Gesamtbeurteilung des Reformvorhabens: Die NFA verstärkt die Stärken und verringert die Schwächen des schweizerischen Föderalismus. Die Aufgabenentflechtung ist eine zielgerichtete Massnahme und darf daher in ihrem Umfang nicht mehr weiter verringert werden. Die Neuausrichtung der Zusammenarbeit von Bund und Kantonen verspricht eine erhöhte Ziel- und Wirkungsorientierung wie auch eine effizientere Mittelverwendung. Die anvisierte Institutionalisierung der interkantonalen Zusammenarbeit stärkt die Rolle der Kantone im Bundesstaat, während der interkantonale Lastenausgleich den Anbieterkantonen von Zentrumsleistungen leistungsgerechte Entschädigungen ermöglicht. Das neue Ausgleichssystem mit strikter Trennung zwischen Ressourcen- und Lastenausgleich ist überzeugend. Der neue Ressourcenindex zur Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone ist dem heutigen Finanzkraftindex
bezüglich Methodik und Aussagekraft weit überlegen. Die angesprochenen Grundelemente der NFA-Mechanik sind wesentlich entscheidender als die vergangenheitsbezogene Momentaufnahme, die den Ergebnissen der so genannten «letzten Spalte» der Globalbilanz (frankenmässiger Ausweis der quantifizierbaren Auswirkungen pro Kanton) zu Grunde liegt. Trotzdem ist es gerechtfertigt, zur Abfederung des Übergangs vom heutigen zum neuen Finanzausgleich einen Härteausgleich mit ausschliesslicher Fokussierung auf die ressourcenschwachen Kantone vorzusehen.

Was die mutmasslichen finanziellen Auswirkungen auf Bund und Kantone betrifft, ist vorerst die strikte Haushaltsneutralität hervorzuheben. Zwischen Bund und Kantonen bewirkt die NFA per Saldo keine Lastenverschiebung. Einzig der Härteausgleich, der sich im Laufe der Zeit auf Grund seiner funktionalen Befristung zurückbilden wird, führt unter den getroffenen Modellannahmen im Endeffekt zu einer Mehrbelastung des Bundes um rund 280 Millionen Franken. Verglichen mit dem

2296

gesamten Ausgleichsvolumen von rund 3 Milliarden Franken fällt diese Mehrbelastung aber relativ bescheiden aus und dürfte durch die zu erwartenden Effizienzgewinne aufgefangen werden können.

Die so genannte Globalbilanz gibt Aufschluss über die zu erwartenden finanziellen Auswirkungen der Reform auf den Bund und die einzelnen Kantone. Aus verschiedenen Gründen ist die Aussagekraft dieser Bilanz beschränkt (unter anderem infolge des Verzichts auf eine Quantifizierung der zu erwartenden Effizienz- und Effektivitätsgewinne). Immerhin steht aber fest, dass die NFA dank des Härteausgleichs sämtliche ressourcenschwachen Kantone zu Gewinnern machen wird. Im Vergleich zum heutigen Finanzausgleich bewirkt das neue Ausgleichssystem zudem eine deutlich grössere Annäherung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone. Auch die Steuerbelastungsunterschiede lassen sich mit der NFA deutlich verringern. Gemäss der vorliegenden Modellannahme kann die Spannweite zwischen der tiefsten und der höchsten Steuerbelastung um bis zu 20 Prozent reduziert werden. Bei einer Beurteilung des neuen Ausgleichssystems muss aber auch die neu gewährleistete politische Steuerbarkeit hervorgehoben werden. Denn je höher das eidgenössische Parlament die einzelnen Ausgleichsgefässe dotiert, desto grösser wird auch die Reduktion der kantonalen Unterschiede bezüglich finanzieller Leistungsfähigkeit und Steuerbelastung ausfallen.

Mit den beantragten Massnahmen bezüglich der Aufgabenteilung können wertmässig knapp 40 Prozent des heutigen Aufgabenverbunds entflochten werden. Entsprechend der Aufgabenentflechtung vergrössern sich die Handlungsspielräume von Bund und Kantonen. Grössere Handlungsspielräume wiederum ermöglichen die gewünschten Effizienzgewinne. Durch die Aufgabenentflechtung erfolgt auch die gewünschte Umwandlung von zweckgebundenen bzw. auflagenabhängigen in nicht zweckgebundene Transfers, wodurch sich die Handlungsspielräume der Kantone nochmals vergrössern werden. Bei den ressourcenschwachen Kantonen übersteigt der Zuwachs an nicht zweckgebundenen Mitteln das Ausmass der zusätzlich zu übernehmenden Aufgaben bei weitem, sodass ein zusätzliches Potenzial zur Reduktion ihrer in der Regel überdurchschnittlichen Steuerbelastung geschaffen werden kann.

Nach Einführung der NFA werden deren Instrumente alle vier Jahre auf ihre
Effizienz und Wirkung hin evaluiert werden. Gestützt auf diese Wirkungsberichte wird das eidgenössische Parlament jeweils zu beurteilen haben, ob eine Anpassung der Eckwerte des Finanzausgleichs angezeigt ist.

Das neue Finanzausgleichssystem wird seine Wirkung dann optimal entfalten können, wenn seine Instrumente, wie im vorliegenden ersten Paket vorgeschlagen, integral umgesetzt werden. Ein Herausbrechen einzelner Bausteine würde seine Wirksamkeit wesentlich schmälern oder verunmöglichen und die erwünschte und dringend notwendige Modernisierung des Föderalismus gefährden.

2297

Nach einer Annahme dieser Vorlage durch Volk und Stände wird der Bundesrat die zweite NFA-Botschaft ausarbeiten. Diese wird aufzeigen, welche Anpassungen in den Spezialerlassen ­ sowohl in den aufgabenbezogenen als auch in den bereichsübergreifenden Bundesgesetzen ­ infolge der in dieser ersten NFA-Botschaft beschlossenen Verfassungsmodifikationen notwendig sein werden. Darüber hinaus wird der Bundesrat weitere Gesetzesrevisionen beantragen, die eine Klärung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen auch in jenen finanziell verflochtenen Aufgabenbereichen beabsichtigen, die keiner Verfassungsänderung bedürfen und somit nicht im Rahmen der vorliegenden Botschaft zu behandeln sind. Nach der Beschlussfassung über die zweite Botschaft kann die NFA in Kraft gesetzt werden. Aus heutiger Sicht dürfte dies nicht vor 2006 der Fall sein.

2298

2299

Aufgabenentflechtung (vgl. Ziff. 2)

Verbesserung der bundesstaatlichen Aufgabenerfüllung

­ Kompetenz- und Finanzentflechtung zwischen Bund und Kantonen. Entflechtung entweder eines ganzen Aufgabenbereichs oder von Teilen eines Aufgabenbereichs (Teilentflechtung)

Massnahmen

Tabelle 0.1

Interkantonale Zusammen- ­ Verpflichtung der Kantone zur Zusammenarbeit in ­ Wirtschaftlichere Leistungserstellung dank Skalenarbeit mit Lastenausgleich vorgegebenen Aufgabengebieten erträgen und Verbundvorteilen (vgl. Ziff. 4) ­ Dabei angemessene Abgeltung des ausserkantona- ­ Vermeidung einer Überzentralisierung von Aufgalen Bezugs von Leistungen ben auf der Ebene des Bundes ­ Entschädigungen seitens der Bezügerkantone bringen den Anbieterkantonen die nötigen finanziellen Entlastungen und Anreize

Möglichkeit für den Bund, im Aufgabenverbund mit den Kantonen die strategische, d.h. ziel- und wirkungsorientierte Rolle einzunehmen Dafür integrale Aufgaben- und Ressourcenverantwortung der Kantone auf der Ausführungsebene Beseitigung der heutigen falschen Finanzierungsanreize. An ihre Stelle treten Anreize für eine effiziente Leistungserstellung Der Betrag für die heutigen Finanzkraftzuschläge der Subventionen wird für den Finanzausgleich eingesetzt

­ Integrale Verantwortlichkeit des Bundes oder der Kantone ­ Fokussierung auf Kernkompetenzen ­ Weniger administrative Doppelspurigkeiten und Parallelverwaltungen ­ Grössere Handlungsspielräume für Bund und Kantone ­ Bedarfsgerechtere und wirtschaftlichere Leistungserstellung dank Übereinstimmung von Nutzniessern sowie Kosten- und Entscheidungsträgern ­ Folge: Ersatz von zweckgebundenen durch nicht zweckgebundene Finanzmittel für die Kantone

Wirkungen

Neue Zusammenarbeits­ Neue Kompetenzteilung bei verbleibenden ­ und Finanzierungsformen Verbundaufgaben. Im Grundsatz: Strategie = Bund, Bund / Kantone operative Verantwortung = Kantone (vgl. Ziff. 3) ­ Partnerschaftlich auszuhandelnde Programmverein- ­ barungen zwischen Bund und Kantonen ­ Vermehrt Global- bzw. Pauschalbeiträge statt ­ kostenproportionale Subventionen, output- statt inputorientierte und im Voraus statt nachträglich festgelegte Subventionen ­ ­ Abkoppelung der heutigen zweckgebundenen Finanzkraftzuschläge von den Bundesbeiträgen.

Damit wird der nicht zweckgebundene vertikale Ressourcenausgleich finanziert

Instrumente

Stossrichtung

Übersicht über das NFA-Gesamtkonzept

2300

Abfederung des System- Härteausgleich wechsels (vgl. Ziff. 5.7)

­ Funktional befristeter Härteausgleich zu Gunsten ressourcenschwacher Kantone

­ Die Umstellung auf die NFA macht alle Kantone mit unterdurchschnittlichem Ressourcenpotenzial zu Gewinnern im Vergleich zur heutigen Situation

Nicht zweckgebundener Ausgleich der unbeeinflussbaren geografisch-topografisch und soziodemografisch bedingten Lasten Damit wird der Finanzausgleich im engeren Sinn (Ressourcenausgleich und Lastenausgleich des Bundes) neu ausschliesslich über nicht zweckgebundene Zahlungen abgewickelt

­ Geografisch-topografischer Lastenausgleich des ­ Bundes zu Gunsten von Kantonen mit überdurchschnittlichen Lasten auf Grund ihrer Höhenlage, der spezifischen Siedlungsstruktur und Bevölkerungs- ­ dichte ­ Soziodemografischer Lastenausgleich des Bundes zu Gunsten von Kantonen mit spezifischer Bevölkerungsstruktur (relativ grosse Anteile von Armen, Arbeitslosen, Ausländern, Drogenabhängigen usw.)

und grossen Ballungsräumen

Lastenausgleich des Bundes (vgl. Ziff. 5.6)

Wirkungen

Ressourcenausgleich (vgl. Ziff. 5.5)

Steigerung der Wirksamkeit des Finanzausgleichssystems

Massnahmen

­ Politisch festlegbare Umverteilung von Mitteln ­ Ausstattung der Kantone mit Finanzmitteln so, dass von den ressourcenstarken zu den ressourcenalle die ihnen zugedachte Entscheidungs- und schwachen Kantonen (horizontaler RessourcenausHandlungsverantwortung auch wahrnehmen können gleich) ­ Abbau der Ressourcen- und indirekt auch der ­ Ergänzende Mittelaufstockung durch den Bund bei Steuerdisparitäten unter den Kantonen den ressourcenschwachen Kantonen, sodass jeder von ihnen ein bestimmtes Ressourcenpotenzial erreicht (vertikaler Ressourcenausgleich)

Instrumente

Stossrichtung

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

Die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben (NFA) zwischen Bund und Kantonen ist im Anschluss an die 1999 erfolgte Nachführung der Bundesverfassung als zweiter Schritt einer umfassenden Föderalismusreform konzipiert. Mit der NFA sollen die Aufgaben, Kompetenzen und Finanzströme zwischen Bund und Kantonen so weit wie möglich und sinnvoll entflochten werden. Die Verantwortlichkeiten der beiden Staatsebenen sollen gemäss dem Subsidiaritätsprinzip und dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz geklärt werden. Ziel der Arbeiten ist es, Bund und Kantone zu stärken, indem jeder staatlichen Ebene jene Aufgaben zugeteilt werden, die sie am besten zu erfüllen vermag. Ferner ist beabsichtigt, die Zusammenarbeitsformen zwischen Bund und Kantonen sowie zwischen den Kantonen zu optimieren. Das Reformprojekt umfasst insgesamt vier Teilbereiche: 1) eine Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung zwischen Bund und Kantonen, 2) neue Zusammenarbeitsformen zwischen Bund und Kantonen in den verbleibenden Verbundaufgaben, 3) eine institutionalisierte interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich und 4) einen politisch steuerbaren Finanzausgleich im engeren Sinn.

Die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen ressourcenstarken und ressourcenschwachen Kantonen, die sich verstärkenden Zentralisierungstendenzen und die sich abzeichnende Entwicklung hin zu einem Vollzugsföderalismus gaben den Anstoss für eine grundlegende Überarbeitung des bestehenden Finanzausgleichs. 1991 erstellte die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) eine Wirkungsanalyse des geltenden Finanzausgleichs und kam zum Schluss, dass trotz beachtlichem Mitteleinsatz das Ziel eines Abbaus der Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen den Kantonen nicht erreicht wurde. Eine wissenschaftliche Expertise bestätigte 1994 die dargelegten Mängel und entwickelte erste Lösungsansätze zu deren Behebung. Daraufhin setzte Ende 1994 der Bundesrat eine paritätisch aus Bundes- und Kantonsvertretern zusammengesetzte Projektorganisation ein, die den Auftrag erhielt, ein Konzept zur Beseitigung der erkannten Mängel zu entwickeln. Die von dieser Projektorganisation erarbeiteten Grundzüge einer umfassenden Finanzausgleichsreform wurden 1996 im Rahmen einer ersten Vernehmlassung insgesamt positiv aufgenommen. Hierauf beauftragte
der Bundesrat eine erweiterte, ebenfalls paritätisch zusammengesetzte Projektorganisation mit der Konkretisierung der 1996 präsentierten Grundzüge. Der entsprechende Bericht wurde 1999 in eine zweite Vernehmlassung geschickt. Erneut wurde die Stossrichtung des Berichts mehrheitlich unterstützt. Kritisiert wurden hingegen gewisse Vorschläge in den Bereichen Sozial-, Bildungs- und Verkehrspolitik sowie methodische Aspekte im Bereich des Finanz- und Lastenausgleichs. Zentrale Teile wurden daraufhin einer erneuten Prüfung unterzogen und teilweise von Grund auf überarbeitet.

Die vorliegende Botschaft enthält ein Massnahmenpaket bestehend aus Änderungen auf Verfassungsstufe und einer Totalrevision des Bundesgesetzes über den Finanzausgleich. Mit den Bestimmungen wird ein grundlegender Umbau des heutigen Finanzausgleichs und eine effiziente, stufengerechte Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen angestrebt.

2301

Die Ausführungen der ersten Ziffer befassen sich mit der wirtschaftlichen und politischen Ausgangslage, mit der Einbettung des Reformpaketes in eine umfassende Föderalismusreform und mit der Entstehungsgeschichte der vorliegenden Botschaft.

Unter Ziffer 1.1 werden die Ausgangslage und die Ziele der Neugestaltung des Finanzausgleichs erläutert sowie diejenigen Themenbereiche einer Föderalismusreform bezeichnet, welche in dieser Botschaft erfasst bzw. ausgeklammert werden.

Unter Ziffer 1.2 wird auf die Entstehung und den Werdegang des Projektes eingegangen, während Ziffer 1.3 das beantragte Verfahren zur Revision der Bundesverfassung behandelt. Abschliessend wird die geplante institutionelle Umsetzung skizziert (Ziff. 1.4).

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ausgangslage

Sowohl Wirtschaft als auch Gesellschaft befinden sich in einer Phase tief greifender Veränderungen. Sinkende Transportkosten, neue Kommunikationstechnologien und die Handelsliberalisierung im Rahmen des GATT/WTO-Prozesses fördern die internationale Arbeitsteilung und verstärken die Spezialisierung. In dieser sich entwickelnden Netzwerkökonomie intensiviert sich der internationale Standortwettbewerb in bedeutendem Ausmass. Die Standortgebundenheit der Unternehmen und der hochqualifizierten Arbeitskräfte nimmt tendenziell ab.

Der Handlungsspielraum der Nationalstaaten wird einerseits enger, weil Regulierungs- und Kontrollmöglichkeiten eingeschränkt werden. Andererseits kommt dem Angebot öffentlicher Leistungen und den vom Staat gesetzten Rahmenbedingungen im internationalen Standortwettbewerb eine wachsende Bedeutung zu. Traditionelle nationalstaatliche Politikbereiche wie die Wirtschafts-, Bildungs- oder Fiskalpolitik stehen neu in einem globalen Wettbewerb. Verstärkt wird diese Tendenz durch technologische Entwicklungen im Bereich der Kommunikationsmittel. Eine zunehmende zeitliche Beschleunigung der wirtschaftlichen Tätigkeiten sowie eine gesellschaftliche Individualisierung sind die Folgen. Neben den traditionellen Standortfaktoren wie Steuerbelastung oder Infrastruktur erhalten neu auch Standortfaktoren wie Umweltqualität oder persönliche Sicherheit ein grösseres Gewicht. Der Standortwettbewerb intensiviert sich auf allen Ebenen. Viele der zentralen Standortfaktoren werden durch die regionale bzw. kantonale Politik beeinflusst. Im Rahmen des Globalisierungsprozesses wird der Nationalstaat zusehends in eine «SandwichStellung» gerückt. Neben der Globalisierung der Wirtschaft kommt es vermehrt zu einer Lokalisierung der Probleme bzw. Suche nach geeigneten Lösungsansätzen1. Es wird verstärkt darum gehen, auf der lokalen Ebene Antworten auf globale Probleme zu finden und ideale Rahmenbedingungen zu schaffen.

1

Dieser Prozess wird auch als «Glokalisierung» bezeichnet. Vgl. Straubhaar, Thomas; Wird der Nationalstaat überflüssig? «Glokalisierung» als Resultat von Globalisierung und lokaler Standortattraktivität; Neue Züricher Zeitung vom 31.12.1999.

2302

Demnach verliert die Politik innerhalb des Globalisierungsprozesses nicht an Bedeutung. Vielmehr wird sie zu einem entscheidenden Standortfaktor. Sie muss aber nicht nur günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen schaffen. Es gilt auch dem steigenden Bedürfnis vieler Bürgerinnen und Bürger nach politischer Mitsprache und gesellschaftlicher Mitgestaltung Rechnung zu tragen. Gerade in dieser Beziehung scheint die Schweiz sowohl mit der direkten Demokratie als auch dem ausgeprägten Föderalismus gut für die Anforderungen der Zukunft gerüstet und in der Lage zu sein, für globale Probleme lokale Lösungsansätze zu finden. Allerdings gilt es sowohl die direkte Demokratie als auch den Föderalismus konsequent zu modernisieren und den sich stetig wandelnden Begebenheiten anzupassen.

Hinzu kommt noch eine weitere Aufgabe der Politik. Die Politik hat dafür zu sorgen, dass die Strukturveränderungen mit geeigneten Instrumenten abgefedert und Benachteiligte des Globalisierungsprozesses von den zukünftigen Entwicklungen nicht abgekoppelt werden. Die politischen Institutionen der Schweiz müssen auch im Zeitalter der Globalisierung für Wohlfahrt und sozialen Zusammenhalt in Form eines sozialen und regionalen Ausgleichs sorgen. Diese Aufgabe ist gerade auch deshalb von zentraler Bedeutung, weil die Unterschiede in der Wertschöpfungsintensität zwischen den schweizerischen Regionen weiter anwachsen dürften.

Mit der NFA sollen die institutionellen Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass die Schweiz auch in Zukunft ein funktionsfähiger Bundesstaat bleibt. Es gilt den Lebens-, Industrie- und Dienstleistungsstandort Schweiz auf europäischer und globaler Ebene wettbewerbsfähig zu erhalten und die sich auf Grund der unterschiedlichen Wertschöpfungsintensität ergebenden regionalen Unterschiede anzugleichen.

Damit wird ein Auseinanderdriften der Regionen und somit eine Schweiz mit ungleichen Geschwindigkeiten vermieden.

1.1.2

Die NFA als Teil einer allgemeinen Föderalismusreform

Der schweizerische Föderalismus kann in zweierlei Hinsicht als besonders ausgeprägt bezeichnet werden. Zum einen weist die Schweiz mit ihren 26 Kantonen und rund 2900 Gemeinden eine äusserst feine räumliche Gliederung auf. Zum anderen verfügen die Kantone und Gemeinden im Rahmen der gesamtstaatlichen Einheit über weit reichende Kompetenzen (z.B. die Finanz- und Steuerautonomie der Kantone sowie die Gemeindeautonomie).

Dieser ausgeprägte Föderalismus bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich: ­

Neben der klassischen, horizontalen Gewaltenteilung besteht mit dem Föderalismus eine zusätzliche, vertikale Machthemmung.

­

Der Föderalismus bietet durch die weitgehende Delegation von Kompetenzen an die einzelnen Gliedstaaten einen wirksamen Schutz von sprachlichen und kulturellen Minderheiten. Auf diese Weise leistet er einen zentralen Beitrag zur Förderung des Zusammenhalts des Landes.

­

Der Wettbewerb zwischen Kantonen und auch zwischen den Gemeinden kann zu einer Vielfalt von Lösungen führen, was vor allem in Querschnittsbereichen wie der Verkehrs- oder der Raumordnungspolitik einen erhöhten Koordinationsaufwand mit sich bringen kann. Andererseits führt der Wett2303

bewerb aber auch zu innovativen Lösungen. Bereits des Öfteren wurden neue, wegweisende Lösungen zunächst in einzelnen Kantonen entwickelt, umgesetzt und auf ihre Tauglichkeit geprüft, bevor sie von anderen Kantonen oder flächendeckend in der gesamten Schweiz zum Zuge gekommen sind.

­

Föderale Systeme sind ferner vermehrt in der Lage, auf die unterschiedlichen Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger der einzelnen Gliedstaaten einzugehen. Sie können auf diese Weise eine grössere Bürgernähe und -partizipation herstellen, als dies zentral regierten Systemen möglich ist.

­

Vor allem in Verbindung mit einem funktionierenden Steuerwettbewerb (vgl. Ziff. 1.1.5) und den Instrumenten der direkten Demokratie auch auf unteren Staatsebenen geht von einem föderalen Staatsaufbau eine mässigende Wirkung sowohl auf staatliche Aktivitäten und Ausgaben als auch auf das Steuerniveau aus2. Zudem wirkt der Föderalismus einer übermässigen Zentralisierung entgegen.

Die Strukturen des schweizerischen Föderalismus haben sich seit über 150 Jahren kaum verändert. In Politik, Gesellschaft und Wirtschaft haben hingegen im selben Zeitraum tief greifende Umwälzungen und Strukturveränderungen stattgefunden.

Soll der Föderalismus als anerkanntes, bewährtes und identitätsstiftendes Element der Schweiz erhalten bleiben, so hat er sich gleich in mehrfacher Hinsicht zu modernisieren. Dabei können grundsätzlich vier Stossrichtungen zur Reform des Föderalismus genannt werden: Mögliche Stossrichtungen einer Föderalismusreform Abbildung 1.1

Reform der Aufgabenzuordnung (Vgl. Ziffer 1.1.3) - Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung - Neue Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen - Verst rkung der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich

(Vgl. Ziffer 1.1.4) - Reform des Ausgleichssystems - Ausgleich von Sonderlasten

Reform der Steuerordnung

Gebietsreform

(Vgl. Ziffer 1.1.5)

(Vgl. Ziffer 1.1.6)

- Steuerwettbewerb - Steuerharmonisierung

2

Reform des Finanzausgleichs im engeren Sinn

- Bildung von Grossregionen - Kantons- und Gemeindefusionen

Vgl. Kirchgässner, Gebhard; Feld, Lars P.; Savioz, Marcel R.; Die direkte Demokratie.

Modern, erfolgreich, entwicklungs- und exportfähig; Basel, 1999.

2304

Das mit dieser Botschaft vorgelegte Reformpaket besteht aus einer neuen Aufgabenzuordnung und der Neuregelung des Finanzausgleichs im engeren Sinn (vgl. dazu Ziff. 1.1.3 und 1.1.4) ­ den beiden ersten Möglichkeiten einer Föderalismusreform, wie sie in Abbildung 1 aufgeführt sind. Eine neue Steuerordnung ist in der NFA ebenso wenig enthalten wie Vorschläge zu einer Gebietsreform. Unter den Ziffern 1.1.5 und 1.1.6 wird dargelegt, weshalb diese beiden Elemente nicht Bestandteile dieses Reformpakets sind.

Mit der Nachführung der Bundesverfassung erfolgte die erste Phase einer umfassenden Föderalismusreform, indem die heute gelebten Maximen des schweizerischen Föderalismus in der Verfassung festgehalten und wiedergegeben werden. So namentlich die Grundsätze der Subsidiarität, der Solidarität und der Zusammenarbeit im Bundesstaat. Dabei wurde die Funktion der Kantone als Träger und eigentliche Bausteine der Schweiz deutlicher hervorgehoben.

Die im Rahmen der vorliegenden Botschaft beantragten Reformelemente stellen nun die zweite Phase der Föderalismusreform dar. Sie beinhalten jedoch keine Umwälzungen im bundesstaatlichen Gefüge, welche im Widerspruch zum heutigen Verständnis des Föderalismus stehen würden. Diese zweite Phase der Föderalismusreform kann somit als Modernisierung der föderalen Zusammenarbeitsformen bezeichnet werden.

Ansätze, welche jedoch tatsächlich einem eigentlichen Paradigmenwechsel gleichkommen würden, wie etwa Gebietsreformen, die Reform des Ständemehrs oder ein Umbau des Ständerates zu einem eigentlichen Kantonsorgan, werden im Rahmen dieser zweiten Phase bewusst nicht verfolgt. Der Bundesrat unterstreicht aber, dass im Rahmen einer allfälligen dritten Phase weitergehende Reformen im bundesstaatlichen Aufbau durch die anstehenden Reformarbeiten nicht verunmöglicht werden.

Im Sinne eines pragmatischen Vorgehens auf der Basis der bestehenden Strukturen möchte der Bundesrat jedoch zunächst Reformen angehen, die für eine nachhaltige Verbesserung der bundesstaatlichen Entscheidungsprozesse und des Finanzausgleichs sorgen werden. Weiterführende Forderungen müssten nach Meinung des Bundesrates in erster Linie durch die Kantone und deren Bevölkerung formuliert und in den politischen Prozess eingebracht werden. Sie können nicht von oben herab verordnet werden.

1.1.3

Reform der Aufgabenzuordnung

In einem föderal organisierten Staat ist die Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen den Staatsebenen von grosser Bedeutung. Die Vorteile der Dezentralisierung und Zentralisierung sind je nach Aufgabengebiet gegeneinander abzuwägen3.

Für jedes Aufgabengebiet ergibt sich somit ein optimaler Zentralisierungsgrad. Der Grundgedanke des Föderalismus besteht also gerade nicht darin, sämtliche Aufgabengebiete zu dezentralisieren. Vielmehr sollen die Aufgaben denjenigen Staatsebenen zugeordnet werden, die sie am besten erfüllen können. Die Organisation der staatlichen Aufgaben- und Kompetenzstruktur erfolgt in der NFA anhand des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz.

3

Vgl. Frey, Bruno S.; Kirchgässner, Gebhard; Demokratische Wirtschaftspolitik. Theorie und Anwendung; München, 1994; S. 56­68.

2305

Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass in einem Bundesstaat die übergeordnete Gebietskörperschaft eine Aufgabe oder Teilbereiche einer Aufgabe nur dann übernehmen soll, wenn sie diese nachweislich besser erfüllen kann als die untergeordneten Gebietskörperschaften. Das Subsidiaritätsprinzip geht implizit davon aus, dass die Aufgabenerfüllung so nahe wie möglich bei den Bürgerinnen und Bürgern erfolgen soll und diese so auf den politischen Prozess eher Einfluss nehmen können. Die Wechselwirkung zwischen Bürgerschaft und politischen Institutionen soll dazu führen, dass das Angebot an öffentlichen Leistungen den Wünschen und Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger entspricht. Sind bei der Erstellung öffentlicher Leistungen Grössenvorteile vorhanden, führt die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips dazu, dass sich die Gebietskörperschaften zuerst in horizontalen Zweckgemeinschaften zu organisieren versuchen. Erst wenn eine horizontale Zusammenarbeit nicht zu Stande kommt oder diese übermässige Koordinationskosten verursacht, wird eine Zentralisierung ins Auge gefasst. Auf Grund dieser Überlegungen will die NFA das Subsidiaritätsprinzip auf Verfassungsstufe deutlicher zum Ausdruck bringen (vgl.

Ziff. 2.6.1).

Das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz besagt, dass sich im Rahmen einer staatlichen Aufgabe der Kreis der Nutzniesser mit demjenigen der Kosten- und Entscheidungsträger decken muss, wenn unerwünschte externe Effekte vermieden werden sollen.

­

Dieses Prinzip betont somit erstens die Bedeutung der Kompetenzverlagerung. Eine effiziente Dezentralisierung umfasst nicht nur die Seite der Leistungserbringung, sondern auch die Seite der Angebotssteuerung. Die NFA legt im Rahmen der Aufgabenentflechtung zwischen Bund und Kantonen grosses Gewicht auf die Kompetenzverteilung (vgl. Ziff. 2).

­

Zweitens unterstreicht das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz auch die Bedeutung der Finanzierungsverantwortung. Implizit wird angenommen, dass gerade dann ein haushälterischer Umgang mit den Ressourcen stattfindet, wenn der Entscheidungsträger auch die Kosten seiner Entscheidungen zu tragen hat.

­

Drittens hebt das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz ebenfalls die Bedeutung der Nutzniesser bzw. der Nachfrageseite für die Erstellung des Angebots einer öffentlichen Leistung hervor. Wenn Trittbrettfahrer vom Angebot einer knappen öffentlichen Leistung profitieren, ohne hierfür in angemessener Weise finanziell aufzukommen, wird von dieser öffentlichen Leistung eine suboptimale Menge angeboten. Mit der Deckungsgleichheit von Nutzniessern sowie Kosten- und Entscheidungsträgern soll das Entstehen von räumlichen externen Effekten (Spillovers) verhindert werden.

Institutionelle Kongruenz ist allerdings eine notwendige Voraussetzung für fiskalische Äquivalenz. Letztere lässt sich ohne institutionelle Anpassungen in der Form von Gebietsreformen nur dann vollständig erfüllen, wenn sich die Nutzniesser öffentlicher Leistungen an deren Finanzierung z.B. in Form eines Lastenausgleichs beteiligen (vgl. Ziff. 4).

Sowohl das Subsidiaritätsprinzip als auch das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz tragen zentralen Anliegen eines modernen Föderalismus Rechnung: der Nichtzentralisierung, der Autonomieschonung untergeordneter Gebietskörperschaften, der

2306

Nichtausbeutung des zentralen Budgets, der strukturellen Stabilität, der Innovationsfähigkeit und der vertikalen Machthemmung4.

1.1.4

Reform des Finanzausgleichs im engeren Sinn

Die Organisation des innerstaatlichen Finanzausgleichs ist ein klassisches Ziel der bundesstaatlichen Finanzpolitik und Hauptthema der vorliegenden Botschaft. Der Begriff «Finanzausgleich» umfasst alle finanziellen Transfers zwischen staatlichen Körperschaften, welche als Anreiz zur Erfüllung von Staatsaufgaben oder dem Ausgleich von Unterschieden in der finanziellen Leistungsfähigkeit dienen. Sowohl Anreiz- als auch Umverteilungsaspekte kommen somit als Entstehungsgründe für finanzielle Transfers in Frage. Einerseits kann die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe von übergeordnetem Interesse sein und damit der Anreizaspekt im Zentrum stehen: Der Bund kann z.B. durch eine Subventionierung der Verkehrsinfrastruktur die Bereitstellung eines leistungsfähigen Verkehrsnetzes fördern. Andererseits kann der Ausgleich der Ressourcen zwischen den Kantonen und damit der Umverteilungsaspekt im Zentrum stehen: Der fiskalische Wettbewerb zwischen den Kantonen führt z.B. zu regionalen Einkommensunterschieden, welche durch den Bund im politisch gewünschten Ausmass korrigiert werden.

Sämtliche Finanzströme, welche von Kanton zu Kanton fliessen, werden unter dem Begriff «horizontaler Finanzausgleich» zusammengefasst. Sämtliche Finanzströme, welche zwischen dem Bund und den Kantonen fliessen, werden analog unter dem Begriff «vertikaler Finanzausgleich» zusammengefasst. Der Begriff «Finanzausgleich» wird in der NFA in die beiden Unterbegriffe «Finanzausgleich im weiteren Sinn» und «Finanzausgleich im engeren Sinn» unterteilt.

Elemente des Finanzausgleichs im Rahmen der NFA Abbildung 1.2 Anreizorientierter Finanzausgleich

Umverteilungsorientierter Finanzausgleich

(Finanzausgleich im weiteren Sinn)

(Finanzausgleich im engeren Sinn)

Transfers auf Grund der Verteilung der Aufgaben und Einnahmen (vertikal)

4

Interkantonaler Lastenausgleich (horizontal)

Ressourcenorientierter Finanzausgleich Ressourcenausgleich zwischen den Kantonen (horizontal)

Ressourcenausgleich durch den Bund (vertikal)

Lastenorientierter Finanzausgleich Geografisch- Soziodemotopografischer grafischer LastenLastenausgleich ausgleich (vertikal) (vertikal)

Vgl. Linder, Wolf; Schweizerischer und europäischer Föderalismus ­ Gemeinsamkeiten und Unterschiede; in: Linder, Wolf et al.; Schweizer Eigenart ­ eigenartige Schweiz. Der Kleinstaat im Kräftefeld der europäischen Integration; Bern, 1996; S. 181­197.

2307

Der Finanzausgleich im weiteren Sinn schliesst alle zweckgebundenen und nicht zweckgebundenen horizontalen und vertikalen Transfers ein, die mit der Aufgabenund Einnahmenverteilung zusammenhängen. Er umfasst in der NFA alle vertikalen zweckgebundenen Transfers auf Grund der Verteilung der Aufgaben und Einnahmen zwischen Bund und Kantonen, sowie den horizontalen nicht zweckgebundenen interkantonalen Lastenausgleich. Der Finanzausgleich im engeren Sinn umfasst nur diejenigen Transfers, welche der Umverteilung zwischen den Kantonen und der Abgeltung von übermässigen strukturellen Lasten zwischen Bund und Kantonen dienen.

Der Begriff «Finanzausgleich im engeren Sinn» kann weiter unterteilt werden in die Unterbegriffe «ressourcenorientierter Finanzausgleich» und «lastenorientierter Finanzausgleich». Der ressourcenorientierte Finanzausgleich erfolgt in der NFA nicht zweckgebunden, horizontal zwischen den Kantonen und vertikal durch den Bund.

Mit dem ressourcenorientierten Finanzausgleich sollen die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone verringert werden. Der lastenorientierte Finanzausgleich erfolgt in der NFA durch zwei vertikale nicht zweckgebundene Belastungsausgleiche: den geografisch-topografischen Lastenausgleich (GLA) und den soziodemografischen Lastenausgleich (SLA). Mit dem lastenorientierten Finanzausgleich sollen übermässige strukturelle Lasten abgegolten werden, welche sich auf Grund der Berggebiets- und Zentrumslage ergeben.

1.1.5

Reform der Steuerordnung

Die Ausgestaltung der Steuerordnung und insbesondere der Steuerhoheit ist für die Funktionsweise jeder föderalistischen Staatsordnung von zentraler Bedeutung. Im schweizerischen Bundesstaat erhebt der Bund mit Ausnahme der direkten Bundessteuer keine Einkommens- und Vermögenssteuern. Die bundesstaatliche Ebene finanziert ihre Aktivitäten in erster Linie durch indirekte Steuern und Abgaben. Im Bereich der direkten Steuern liegt die Besteuerungskompetenz bei den Kantonen und Gemeinden. Sie legen die Höhe der Steuersätze, den Verlauf der Progression und die Steuerfreibeträge autonom fest. Die schweizerische Steuerordnung basiert somit auf dem Wettbewerbsprinzip. Der Bundesrat will den föderalen Wettbewerb als Grundprinzip erhalten. Der Finanzausgleich wird deshalb auch in Zukunft auf dem Prinzip des Steuerwettbewerbs beruhen. Mit der NFA sollen jedoch durch die Beseitigung gewisser Wettbewerbsverzerrungen für alle Akteure möglichst gleichartige Startbedingungen geschaffen und die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone in vertretbaren Grenzen gehalten werden.

Die ökonomische Theorie bietet zur Erklärung der Effizienz von Steuerwettbewerb das Tiebout-Modell5 an. Die zentrale Annahme besteht darin, dass zwischen räumlich mobilen und immobilen Produktionsfaktoren unterschieden wird. Kapital und hochqualifizierte Arbeit werden als räumlich mobil, wenig qualifizierte Arbeit und Boden als räumlich immobil betrachtet. Eine Vielzahl von lokalen Gebietskörperschaften wie Städte und Gemeinden stellen öffentliche Leistungen wie Infrastruktur 5

Das Tiebout-Modell geht implizit von sehr restriktiven Annahmen wie etwa vollständiger und kostenloser Mobilität oder vollständiger Information der ökonomischen Akteure aus.

Vgl. Tiebout, Charles M.; A pure theory of local expenditures; in: Journal of Political Economy 64; 1956; S. 416­424.

2308

oder Sicherheit bereit und erheben zu deren Finanzierung Steuern. Das Angebot an öffentlichen Leistungen orientiert sich dabei in Quantität und Qualität an den Bedürfnissen und Wünschen der Bewohnerinnen und Bewohner. Die mobilen Produktionsfaktoren Kapital und gut qualifizierte Arbeit lassen sich in denjenigen Gebietskörperschaften nieder, welche das von ihnen bevorzugte Bündel öffentlicher Leistungen zum niedrigsten Preis anbieten. Die mobilen Produktionsfaktoren können gemäss Annahme ihren Standort jederzeit zu geringen Kosten wechseln. Sowohl mobile als auch immobile Produktionsfaktoren können zudem via politischen Prozess Einfluss auf das Angebot öffentlicher Leistungen und somit die Höhe der Steuern nehmen. Der dadurch ausgelöste Steuerwettbewerb führt durch die Berücksichtigung der Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger zu einer effizienten Bereitstellung öffentlicher Leistungen.

Dieser Steuerwettbewerb ist in der Realität jedoch verzerrt, er führt auf Grund fiskalischer Externalitäten6 zu einer Unterversorgung mit öffentlichen Leistungen und damit zu Marktversagen. Indem eine Gebietskörperschaft z.B. einer Unternehmung während einer gewissen Zeit Steuerfreiheit gewährt, beeinträchtigt sie indirekt das Angebot an öffentlichen Leistungen in derjenigen Gebietskörperschaft, aus welcher diese Unternehmung abwandert. Die daraus resultierende negative Auslese führt zu einer Entmischung in einkommensstarke und einkommensschwache Gebietskörperschaften. Zudem entsteht ein Verteilungsproblem: immobile Produktionsfaktoren wie wenig qualifizierte Arbeit und Boden werden steuerlich tendenziell stärker belastet als die mobilen Produktionsfaktoren. Ein Beispiel für eine derartige Abwärtsspirale in der steuerlichen Belastung mobiler Produktionsfaktoren stellt die Abschaffung der Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen in mehreren Kantonen der Schweiz dar.

Weiter wird das Funktionieren eines effizienten Steuerwettbewerbs durch das Vorhandensein räumlicher Externalitäten beeinträchtigt. Die öffentlichen Leistungen eines Kantons, einer Stadt oder einer Gemeinde können nicht immer vollständig auf die jeweiligen Steuerzahler beschränkt werden. Das räumliche Ausschlussprinzip funktioniert nur unvollständig. Diese grenzüberschreitenden Effekte ermöglichen Trittbrettfahrerverhalten. Somit wird die öffentliche
Leistung in einem suboptimalen Ausmass bereitgestellt. Falls diese räumlichen Externalitäten nicht internalisiert werden, führt dies zu einer Verzerrung des Steuerwettbewerbs.

Geografisch-topografische und soziodemografische Gegebenheiten können zudem in gewissen Gebietskörperschaften die Kosten für die Bereitstellung öffentlicher Leistungen z.B. im Infrastruktur- oder Sicherheitsbereich stark erhöhen7. Diese Gebietskörperschaften weisen deshalb strukturelle Wettbewerbsnachteile auf.

Empirische Studien weisen darauf hin, dass in der Schweiz die interkantonale Mobilität trotz grossen Unterschieden in der steuerlichen Belastung relativ gering ist.

Ob die Mobilitätshemmnisse regulatorischen, soziokulturellen oder ökonomischen Charakters sind, ist jedoch unklar. Qualitative Studien weisen darauf hin, dass die Steuerbelastung zwar ein wichtiges, aber nicht allein entscheidendes Kriterium bei der Standort- und Wohnortwahl ist. Andere Standortfaktoren, wie das Lohnniveau 6 7

Eine Externalität oder ein externer Effekt ist die Auswirkung einer ökonomischen Aktivität, bei welcher Verursacher und Betroffene nicht übereinstimmen.

Vgl. Oates, Wallace E.; On local finance and the Tiebout model; in: American Economic Review 71; Papers and Proceedings; 1981; S. 93­98.

2309

und die Lebenshaltungskosten, die Nähe zu den Absatzmärkten, die Distanz zum Arbeitsplatz oder Freizeitmöglichkeiten, sind ebenfalls von Bedeutung. Das Vorhandensein von Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen ist jedoch empirisch nachweisbar8. Besonders ausgeprägt ist er für Personen mit hohen Einkommen. Die dezentrale Bereitstellung öffentlicher Leistungen dürfte jedoch die Position der Steuerzahler generell stärken und den Einfluss von Interessengruppen zurückdrängen.

Die im internationalen Vergleich immer noch relativ tiefe Steuer- und Staatsquote der Schweiz ist möglicherweise ein Indiz für die disziplinierende Wirkung des Steuerwettbewerbs.

Ein staatlicher Eingriff in den Preismechanismus ­ beispielsweise eine materielle Steuerharmonisierung ­ birgt die Möglichkeit und Gefahr eines Staatsversagens in der Form von Regulierungsfehlern in sich. Derartige politische Externalitäten können die Effizienz des staatlichen Eingriffs erheblich beeinträchtigen. Eine materielle Steuerharmonisierung mittels eines einheitlichen Steuersatzes oder eines Bandbreitenmodells dürfte zudem zu einer Verringerung des Steuersubstrats und damit zu tendenziell sinkenden Steuereinnahmen führen. Die Steuerzahler, deren Steuersätze ansteigen, erhalten Anreize zur Steuerumgehung und Steuerhinterziehung oder wandern gar ins Ausland ab. Zudem erhalten Gebietskörperschaften mit Budgetüberschüssen Anreize, die Steuereinnahmen ineffizient einzusetzen, um sie einer allfälligen interregionalen Umverteilung zu entziehen.

Die Erfahrungen in Deutschland unterstützen die Argumente gegen eine materielle Steuerharmonisierung9. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1949 liess noch eine weitgehende Autonomie der Bundesländer zu. Die weit reichende Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Steuerfragen führte jedoch dazu, dass sich fünfzig Jahre später im Bereich der öffentlichen Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen die Zuständigkeiten der zentralen Ebene stark ausgedehnt haben. Die Ländergesetzgebung wird heute schwergewichtig durch den Bund einheitlich geregelt. Es herrscht Vollzugsföderalismus. Die Länder haben geringere Anreize als im schweizerischen System, mit ihren Mitteln haushälterisch umzugehen. Da diese zum grössten Teil vom Bund kommen, konzentrieren die Länder ihre Anstrengungen darauf, möglichst viele Finanzmittel vom
Bund zu erhalten und nicht ihren Bürgern ein Leistungsbündel zur Verfügung zu stellen, für das diese Steuermittel bereitstellen.

Der Einfluss der Zentralisierung des bundesdeutschen Föderalismus blieb nicht ohne Folgen. Im Jahr 1950 lag die Steuerbelastung in der Schweiz mit 17,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts um 1,4 Prozent über jener in Deutschland, im Jahr 1995 hingegen um 3,8 Prozent darunter10. Ähnliches lässt sich für Staatsschuld, Staatsausgaben und Staatseinnahmen zeigen.

Im Rahmen der NFA sollen die fiskalischen Externalitäten des Steuerwettbewerbs zwischen den Kantonen mit dem Instrument des horizontalen Finanzausgleichs internalisiert werden. Die räumlichen externen Effekte sollen dagegen mit dem Instrument des interkantonalen Lastenausgleichs internalisiert werden. Die sich aus 8 9

10

Vgl. Feld, Lars P.; Steuerwettbewerb und seine Auswirkungen auf Allokation und Distribution. Eine empirische Analyse für die Schweiz; St. Gallen, 1999.

Vgl. Frey, René L.; Ziel- und Wirkungsanalyse des Neuen Finanzausgleichs. Bericht zuhanden der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) und der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK); Basel, 2001; S. 25­26.

Vgl. Blankart, Charles B.; The process of government centralization: a constitutional view; in: Constitutional Political Economy 11; 2000; S. 27­39.

2310

den übermässigen geografisch-topografischen und soziodemografischen Lasten ergebenden Wettbewerbsnachteile sollen mit zwei Lastenausgleichen neutralisiert werden. Zusammen mit der in der Schweiz bereits teilweise umgesetzten Harmonisierung des Steuergegenstandes, der so genannten formellen Steuerharmonisierung, wird ein möglichst unverzerrter Steuerwettbewerb mit gleich langen Spiessen angestrebt. Die in der NFA vorgesehenen horizontalen und vertikalen Umverteilungsmassnahmen sollten somit die kantonalen Unterschiede in der Steuerbelastung langfristig in vertretbaren Grenzen halten, ohne die positiven Wirkungen des Steuerwettbewerbs zu beeinträchtigen.

1.1.6

Gebietsreformen

Die Schweiz weist mit 26 Kantonen und rund 2900 Gemeinden eine ausserordentlich feine territoriale Gliederung auf. Diese räumliche Ordnung hat sich seit der Gründung des Bundesstaates als ausserordentlich stabil erwiesen, trotz der teilweise beträchtlichen Struktur- und Grössenunterschiede sowohl zwischen den Kantonen als auch zwischen den Gemeinden. Die Bildung des Kantons Jura (1978) sowie die Übertritte des Laufentales (1994) und der Gemeinde Vellerat (1996) jeweils vom Kanton Bern zu den Kantonen Basel-Landschaft bzw. Jura stellen die einzigen territorialen Anpassungen auf kantonaler Ebene seit 1848 dar.

Auch die kommunale Ebene weist eine hohe Stabilität auf. Die Zahl der Schweizer Gemeinden hat sich in den letzten 150 Jahren um lediglich knapp zehn Prozent von 3203 Gemeinden im Jahr 1850 auf 2899 im Jahr 2000 verringert. Seit Mitte der 80erJahre hat sich nun aber der Druck hin zu strukturellen Reformen der Gebietseinteilung sowohl auf kommunaler als auch auf kantonaler Ebene verstärkt.

1.1.6.1

Gebietsreformen auf kommunaler Ebene

Am deutlichsten hat sich dieser Reformdruck auf der kommunalen Ebene bemerkbar gemacht. So haben die den Gemeinden übertragenen Aufgaben gerade in den letzten 20 bis 30 Jahren laufend an Umfang und Komplexität zugenommen. Ebenfalls zugenommen haben die Ansprüche der Bevölkerung an die Qualität und Effizienz der erbrachten Leistungen, während die auf der Einnahmenseite zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen nicht derselben Dynamik unterlagen. Vor allem kleinere Gemeinden stossen daher zunehmend an ihre Leistungsgrenzen. Als Reaktion darauf haben seit Mitte der 80er-Jahre die Gemeinden, aber auch die Kantone, einen umfassenden Reformprozess begonnen. Die Reformen stützen sich dabei auf vier Pfeiler11: ­

11

Überarbeitung der innerkantonalen Aufgabenteilungen. So befassten sich 1998 nicht weniger als 20 Kantone mit der Reorganisation der Aufgabenteilungen zwischen Kanton und Gemeinden.

Vgl. die Ergebnisse des Forschungsprojekts «Gemeindereformen ­ zwischen staatlicher Handlungsfähigkeit und demokratischer Legitimation» des Schweizerischen Nationalfonds, das im Rahmen des Schwerpunktprogrammes «Zukunft Schweiz/Demain la Suisse» durchgeführt worden ist (http://www.gemeindereformen.unibe.ch).

2311

­

Reorganisation der Verwaltungsstrukturen mittels Konzepten des New Public Management (NPM). Mehr als ein Drittel aller Gemeinden hat sich Ende 1998 mit NPM-Reformprojekten befasst, um ihre Verwaltungen effizienter, transparenter und leistungsfähiger zu machen und vermehrt den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger anzupassen.

­

Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit. Nicht weniger als 19 Kantone haben Initiativen ergriffen, um die interkommunale Zusammenarbeit zu fördern. Diese Fördermassnahmen haben dazu geführt, dass sich 1998 63 Prozent der Gemeinden in der interkommunalen Zusammenarbeit engagiert haben.

­

Fusionen von Gemeinden. Von oben verordnete Gemeindefusionen haben in der Schweiz keine Tradition, dennoch hat sich in den letzten zehn Jahren die Anzahl der Gemeinden deutlich reduziert. Dies ist vor allem auf Reformbestrebungen in den Kantonen Thurgau und Freiburg zurückzuführen. Die Entwicklung dürfte indes auch in naher Zukunft kaum an Dynamik verlieren, da sich auch die Kantone Luzern, Graubünden, Tessin und Wallis mit Fusionsprojekten auf kommunaler Ebene befassen.

1.1.6.2

Gebietsreformen auf kantonaler Ebene

Betreffend die Gebietseinteilung können auf der kantonalen Ebene vor allem zwei Problembereiche ausgemacht werden. Zum einen stellt die geringe Grösse einiger Kantone diese vor Probleme, hauptsächlich beim Vollzug der Bundespolitiken, aber auch bei der Erfüllung kantonaler Aufgaben. Zum anderen entsprechen auf Grund der steigenden Mobilität der Bevölkerung sowie des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels die politisch-administrativen Entscheidungsstrukturen immer weniger den sozio-ökonomischen Lebens- und Problemräumen. Dadurch wird das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz verletzt, wodurch negative externe Wohlfahrtseffekte entstehen. Heute werden z.B. in den Stadtkantonen öffentliche Leistungen bereitgestellt, die Bewohnern anderer Kantone zugute kommen, ohne dass diese dafür entsprechende Entschädigungen leisten müssen. Es kommt also zu externen Effekten bzw. Spillover-Problemen.

Um diesen Problemen begegnen zu können, wurden in den letzten Jahren immer wieder Gebietsreformen in Form von Kantonsfusionen oder der Bildung von Grossregionen vorgeschlagen, ohne jedoch in breiten Kreisen der betroffenen Bevölkerung auf politischen Rückhalt zu stossen.

­

So wurde 1992 die Wiedervereinigung der beiden Appenzell und 1997 diejenige von Nid- und Obwalden vorgeschlagen.

­

Auch die Bildung von Grosskantonen wie einem «Grosskanton Jura», einem «Kanton Nordwestschweiz» oder einem «Kanton Innerschweiz» wurde ­ vorwiegend in der Presse ­ thematisiert. Hingegen wurden parlamentarische Vorstösse in Kantonsparlamenten, welche eine Prüfung von Kantonsfusionen verlangten, mangels politischer Unterstützung nicht überwiesen.

2312

­

Im politischen Prozess am weitesten fortgeschritten ist der Vorschlag zur Fusion der Kantone Genf und Waadt. In beiden Kantonen wurden Initiativen eingereicht, welche die Zusammenlegung der beiden Kantone fordern. Die betreffenden parlamentarischen Beratungen und die Volksabstimmungen stehen noch aus.

­

Auch auf Bundesebene wurde die Thematik bereits diskutiert. 1998 verlangte das Postulat Jutzet vom Bundesrat, dem Parlament verschiedene Modelle einer umfassenden Gebietsreform vorzulegen. Der Vorstoss wurde allerdings nicht überwiesen12. 1999 publizierten das Bundesamt für Statistik (BFS) und das Bundesamt für Raumplanung (BRP) gemeinsam einen umfassenden Bericht zur Regionalisierung der Schweiz13, ohne jedoch Kantonsfusionen oder die Bildung von Grossregionen zu fordern. Das Werk dient ausschliesslich statistischen Zwecken.

Kantonsfusionen sind, neben einigen Vorteilen, offensichtlich mit einer ganzen Reihe von Nachteilen behaftet. So würde sich der Übergang zu einer neuen Gebietsaufteilung an historisch gewachsenen Strukturen stossen und dementsprechend auch politische Widerstände auslösen. Weiter müsste auch befürchtet werden, dass die Bildung von Grossregionen mit einem Verlust an kultureller Identität, Bürgernähe und Integrationsfähigkeit bezüglich sprachlicher und kultureller Minderheiten verbunden sein würde. Ferner muss beachtet werden, dass die verschiedenen Regionen der Schweiz für eine politische Vereinigung ihrer Kantone institutionell ganz unterschiedlich vorbereitet wären. Kantonsfusionen könnten je nach Regionen auf Grund der unterschiedlichen politischen Institutionen, Sprachen und Kulturen erhebliche Anpassungsschwierigkeiten und Widerstände hervorrufen14.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass von oben verordnete Gebietsreformen weder wünschenswert noch realisierbar sind. Den erwähnten Problemen der heutigen Gebietseinteilung möchte er daher durch eine institutionalisierte interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich begegnen (vgl. Ziff. 4).

Es ist zu beachten, dass die NFA eine allfällige, spätere Gebietsreform nicht verunmöglichen würde. Dieser müsste jedoch ein Reflexions- und Reifeprozess vorangehen. Die NFA bietet über die anvisierte Verstärkung der interkantonalen Zusammenarbeit die Möglichkeit, vorerst Erfahrungen über vertiefte regionale Zusammenarbeitsformen zu sammeln. Mittel- bis langfristig sind weitergehende Reformen nicht ausgeschlossen und wären im Zuge einer weiteren, sprich dritten Phase der Föderalismusreform zu diskutieren (vgl. Ziff. 1.1.2).

12 13 14

NR AB 1999 II 669 Vgl. BFS; BRP; Die Grossregionen der Schweiz. Die Schweiz im NUTS-Regionalsystem; Neuchâtel, 1999.

Vgl. Vatter, Adrian; Kantonale Demokratien im Vergleich. Entstehungsgründe, Interaktionen und Wirkungen politischer Institutionen in den Schweizer Kantonen; Bern, 2001.

2313

1.1.7

Die Ziele der NFA im Überblick

Wie in den vorangehenden Kapiteln ausgeführt, stellt die NFA eine Reform der föderalen Strukturen des Bundesstaates dar. Zusammenfassend lassen sich die Hauptziele der NFA wie folgt definieren: ­

Steigerung der Wirksamkeit des Ausgleichssystems. Der Finanzausgleich im engeren Sinn soll eine Verringerung der Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone herbeiführen, Verzerrungen des Steuerwettbewerbs beseitigen, die kantonalen Steuerbelastungsunterschiede verringern, nicht beeinflussbare übermässige Lasten für Gebirgs- und Zentrumskantone abgelten und nicht zuletzt die politische Steuerbarkeit sicherstellen.

­

Klärung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen. Durch die Aufgabenentflechtung kann die Zentralisierungstendenz der letzten Jahre gebrochen und dank der anvisierten Klärung der Kompetenzen eine optimale Mittelverwendung erwartet werden. Die staats- und finanzpolitische Handlungsfähigkeit von Bund und Kantonen wird insgesamt erhöht.

Ferner kann mit einer ausgebauten interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich der Problematik externer Effekte (Spillover-Problematik) begegnet werden.

­

Stärkung der bundesstaatlichen Zusammenarbeit. Neue Zusammenarbeitsund Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen sollen die Mängel der heutigen kostenorientierten Einzelobjektfinanzierung beheben und die Ziele staatlicher Tätigkeiten über eine Ergebnissteuerung (Outputsteuerung) erreichen.

Der Grad der Zielerreichung soll inskünftig mittels Wirkungskontrollen anhand von Indikatoren festgestellt werden können. Diese qualitative und quantitative Ist-SollAnalyse wird als Informations- und Entscheidungsgrundlage dienen. Damit wird das Parlament erstmals in die Lage versetzt, die politischen Eckwerte des Finanzausgleichs zu bestimmen und sie den veränderten Bedingungen periodisch anzupassen.

1.2

Vorarbeiten zur NFA

1.2.1

Die Finanzausgleichsbilanz von 1991

Bis zu Beginn der 90er-Jahre existierte keine umfassende Wirkungsbilanz des Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen. Dies mag vor allem auf zwei Gründe zurückzuführen sein. Zum einen erschwerte die Vielzahl von kaum koordinierten Einzelmassnahmen eine Gesamtschau. Zum anderen fehlten generell Zielvorgaben, anhand derer eine Wirkungsanalyse hätte vorgenommen werden können.

Da aber seit längerer Zeit beträchtliche Mittel für den Finanzausgleich aufgewendet wurden, liess die EFV als federführendes Amt die Effizienz der eingesetzten Mittel untersuchen. Zu diesem Zweck wurde 1991 erstmals eine umfassende Finanzausgleichsbilanz publiziert, welche sämtliche Transfers zwischen Bund und Kantonen erfasste15.

15

Vgl. EFV; Finanzausgleichsbilanz. Bilanz des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. Rechnungsjahre 1970, 1976, 1982, 1988; Bern, 1991.

2314

Die Ergebnisse der Bilanz waren ernüchternd: ­

Obschon die finanzkraftabhängigen Zahlungen an die Kantone seit 1970 real stark ausgebaut worden waren, hatten die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen den einzelnen Kantonen deutlich zugenommen.

­

Mitverantwortlich dafür war nebst dem insgesamt positiven Wirtschaftswachstum auch die Entwicklung des finanzkraftunabhängigen Teils der Transferzahlungen zwischen Bund und Kantonen, der bis heute mit rund 75 Prozent deutlich überwiegt und sich ­ namentlich wegen der Dynamik des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer ­ zunehmend zu Gunsten der ressourcenstarken Kantone entwickelt hat.

Bereits die Finanzausgleichsbilanz von 1991 legte deshalb nahe, bei den Reformarbeiten nicht nur den Finanzausgleich im engeren Sinne, sondern auch dem Bereich der Aufgabenzuteilung Beachtung zu schenken.

1.2.2

Der Orientierungsrahmen von 1992

In ihrer Stellungnahme zur Finanzausgleichsbilanz 1991 bestätigte die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren (FDK) deren Ergebnisse und Folgerungen. Basierend darauf entwickelte sie zudem ein Konzept für eine grundlegende Neuorientierung des Finanzausgleichs, den so genannten «Orientierungsrahmen» vom Herbst 199216.

Der Orientierungsrahmen wollte vor allem einen effizienten Einsatz der Mittel gewährleisten. Dies sollte vorab über klare Zielvorgaben für den Finanzausgleich und eine adäquate, zielgerichtete Steuerung der Mittel erfolgen.

Weitere Ziele des Orientierungsrahmens waren eine politische Steuerbarkeit sowie eine möglichst grosse Transparenz des Finanzausgleichs. Daher wurde eine grundlegende Umgestaltung des bestehenden Systems vorgeschlagen. Neu sollte der Finanzausgleich nur noch drei Instrumente aufweisen: ­

Einen Lastenausgleich durch den Bund für Sonderaufgaben bzw. übermässige Lasten, die nur von einzelnen Kantonen zu tragen sind.

­

Einen Lastenausgleich unter den Kantonen einer zusammenhängenden Grossregion.

­

Einen Steuerkraftausgleich unter den Kantonen.

1.2.3

Die finanzwissenschaftliche Expertise von 1994

Einzelne in der Finanzausgleichsbilanz und dem Orientierungsrahmen dargelegte Sachverhalte bedurften noch der wissenschaftlichen Abklärung. Da zudem der geforderte Umbau des Finanzausgleichs nicht nur die Finanztransfers, sondern auch die Organisation der Aufgabenerfüllung im Bundesstaat tangieren würde, schien es der EFV und der FDK unausweichlich, die Frage der Notwendigkeit eines weit rei16

Vgl. FDK; Finanzausgleichsbilanz und Orientierungsrahmen für die künftige Ausgestaltung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs; Luzern, 1992.

2315

chenderen Systemwechsels wissenschaftlich klären zu lassen. EFV und FDK gaben deshalb eine wissenschaftliche Expertise in Auftrag17. Bezüglich des Transfersystems zwischen Bund und Kantonen ortete die Expertise folgende Hauptmängel: ­

Die Vermischung von Effizienz- und Umverteilungszielen.

­

Eine zu zentralistische Ordnung.

­

Eine ineffiziente Art der Ausgestaltung und Ausrichtung von Transfers.

Gestützt auf diese Diagnose bejahte das Gutachten die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des schweizerischen Transfersystems. Entsprechend den Hauptmängeln wurden folgende Ansätze für Reformen skizziert: ­

Die Entkoppelung der Finanzhilfen und Abgeltungen vom Finanzkraftindex.

­

Die vermehrte Ausrichtung der Kantonsanteile an den Bundeseinnahmen in Form von finanzkraftabhängigen Transfers.

­

Den Ausbau des interregionalen oder regionalen Lastenausgleichs.

­

Verbesserungen in der Ausgestaltung der Finanzhilfen und Abgeltungen.

1.2.4

Bericht zu den Grundzügen der NFA

Ende 1994 setzte der Bundesrat eine paritätisch aus Vertretern des Bundes und der Kantone zusammengesetzte Projektorganisation ein, die ein Konzept erarbeiten sollte, wie die Mängel im Finanzausgleichssystem behoben werden könnten. Das Ergebnis dieser Arbeiten wurde 1996 im Bericht über die Grundzüge der NFA präsentiert18. Die wichtigsten in diesem Bericht vorgelegten Reformvorschläge können folgendermassen zusammengefasst werden:

17

18

­

Die Aufgabenzuordnung zwischen Bund und Kantonen ist so konsequent wie möglich auf den Grundsatz der Subsidiarität auszurichten. Dabei sind kantonale Aufgaben grundsätzlich durch die Kantone, Bundesaufgaben grundsätzlich durch den Bund zu finanzieren.

­

Um die öffentlichen Leistungen möglichst effizient zu erbringen, soll die interkantonale Zusammenarbeit ausgebaut werden und ein interkantonaler Lastenausgleich diejenigen Kantone entlasten, die auch Leistungen erbringen, von denen andere Kantone profitieren.

­

Um die finanz- und staatspolitische Handlungsfähigkeit der Kantone zu stärken, sollen diese deutlich mehr frei verfügbare Mittel erhalten. Daher sollen die zweckgebundenen Transfers des Bundes an die Kantone vermehrt durch nicht zweckgebundene Transfers ersetzt werden.

Vgl. Frey, René L.; Spillmann, Andreas; Dafflon, Bernard; Jeanrenaud, Claude; Meier, Alfred; Der Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen. Expertise zu den Finanzhilfen und Abgeltungen des Bundes an die Kantone im Auftrag der Eidgenössischen Finanzverwaltung und der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren; Bern, 1994.

Vgl. EFD; FDK; Der Neue Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen. Grundzüge.

Bericht der vom Eidgenössischen Finanzdepartement und der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren gemeinsam getragenen Projektorganisation; Bern und Luzern, 1996.

2316

­

Als Kernstück des gesamten Reformpakets soll ein politisch steuerbarer Ressourcenausgleich eingeführt werden, der die Unterschiede bei der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone verringern soll.

1.2.5

Ergebnisse der ersten Vernehmlassung

Der Bericht über die Grundzüge der NFA stiess in der 1996 durchgeführten ersten Vernehmlassung auf ein insgesamt positives Echo. Einzig die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) sowie der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) äusserten sich skeptisch bis ablehnend zu den Stossrichtungen der Reform. In der überwiegenden Mehrheit der Vernehmlassungsantworten wurde der Bundesrat hingegen aufgefordert, die Arbeiten voranzutreiben und die zur Diskussion gestellten Grundzüge zu konkretisieren19.

1.2.6

Vertiefung und Konkretisierung der Grundzüge

Gestützt auf das Vernehmlassungsergebnis zu den Grundzügen der NFA beauftragte der Bundesrat eine erweiterte, wiederum paritätisch aus Bundes- und Kantonsvertretern zusammengesetzte Projektorganisation mit der Konkretisierung des Konzepts. Bei ihren Arbeiten hatte die Projektorganisation dabei den materiellen Leitlinien des Bundesrates Rechnung zu tragen, welche dieser gestützt auf die Ergebnisse der Vernehmlassung mit Beschluss vom 23. Oktober 1996 verabschiedet hatte. Dieser Beschluss beinhaltete folgende Punkte:

19

­

Das von der Projektorganisation vorgeschlagene Grundkonzept der NFA ist integral zu vertiefen. Von der Vertiefung sind keine Aufgabenbereiche vorzeitig auszuklammern.

­

Die Aufgaben- und Kompetenzentflechtungen sind, soweit sinnvoll, nach dem Prinzip der Subsidiarität vorzunehmen.

­

Die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen und damit auch die Finanzströme sind so weit wie möglich zu entflechten. Erweist sich in einem Aufgabenbereich eine alleinige Zuständigkeit des Bundes oder der Kantone als nicht opportun, ist eine Teilentflechtung in dem Sinne zu prüfen, dass bestimmte Teilbereiche dem Bund, andere den Kantonen übertragen werden.

­

Bleibt ein Bereich eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Kantonen, sind ­ ausgehend von einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit ­ die Rollen der beiden Partner zu definieren und daraus die geeigneten Zusammenarbeitsformen abzuleiten. Im Grundsatz obliegt dabei die strategische Führung dem Bund, die operative Verantwortung den Kantonen, wobei eine strategische Mitverantwortung der Kantone nicht auszuschliessen ist. Die Möglichkeiten von Leistungsvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen sowie des Einsatzes von ergebnisorientierten Global- oder Pauschalsubventionen an Stelle von Kostenbeiträgen sind auszuschöpfen.

Vgl. EFD; Der Neue Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen. Grundzüge. Bericht über die Vernehmlassungsergebnisse; Bern, 1996.

2317

­

Es sind die Bereiche aufzuzeigen, in denen als Alternative zum heutigen Bundesengagement eine verstärkte interkantonale Zusammenarbeit vorzusehen ist. In diesem Zusammenhang sind auch die Instrumente eines gerechten und effektiven interkantonalen Lastenausgleichs zu vertiefen.

­

Der Finanzausgleich im engeren Sinn muss gezielter und effektiver ausgestaltet werden. Die Anreiz- und Umverteilungsinstrumente sind klar auseinander zu halten. Deshalb sind die bisherigen Abstufungen der Subventionssätze nach der Finanzkraft der Kantone durch ein System mit frei verfügbaren Mitteln abzulösen. Ein transparentes, effektives und steuerbares Finanzausgleichssystem im engeren Sinn soll dazu beitragen, die Unterschiede bezüglich der finanziellen Leistungsfähigkeit unter den Kantonen gezielt abzubauen und die ressourcenschwachen Kantone mit dem für eine eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung nötigen Mindestmass an Eigenmitteln auszustatten. Ein neuer Index soll das Potenzial der Kantone an finanziellen Ressourcen möglichst realitätsnah wiedergeben. Zum Abbau übermässiger Lasten auf Grund geografisch-topografischer Gegebenheiten ist ein gezielter Belastungsausgleich vorzusehen.

Diese zweite, erweitere Projektorganisation umfasste ein aus Regierungsmitgliedern von Bund und Kantonen gebildetes «Politisches Steuerungsorgan», ein von diesem für die strategischen Belange eingesetztes «Leitorgan», eine vollamtliche Projektleitung, die für die operative Abwicklung des Projekts verantwortlich war, sowie acht ebenfalls paritätisch aus Bundes- und Kantonsvertretern zusammengesetzte Projektgruppen, welche die eigentlichen Vertiefungsarbeiten leisteten.

Die Koordination unter den Kantonen wurde von der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) wahrgenommen. Dabei wurde sie in finanzpolitischen Fragen nach wie vor von der FDK unterstützt, während die Fachgruppe für kantonale Finanzfragen (FkF) in die operativen Arbeiten der verschiedenen Arbeitsgruppen einbezogen wurde. Die Städte und Gemeinden kamen nun nicht nur ­ wie im Rahmen der Erarbeitung der Grundzüge ­ anlässlich von Anhörungen zu Wort, sondern wurden direkt in die Projektarbeiten einbezogen, sowohl im Leitorgan (mit Beobachterstatus) als auch in den einzelnen Arbeitsgruppen.

Die Ergebnisse des Schlussberichts der erweiterten Projektorganisation wurden im April 1999 vom Bundesrat zur Kenntnis genommen und in die Vernehmlassung geschickt20.

20

Vgl. EFD; KdK; Der Neue Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen. Konkretisierung der Grundzüge vom 1. Februar 1996, Schlussbericht vom 31. März 1999; Bern und Solothurn, 1999.

2318

1.2.7

Ergebnisse der zweiten Vernehmlassung

Im Vergleich zur ersten Vernehmlassung von 1996 fielen die Ergebnisse der zweiten Vernehmlassung von 1999 erwartungsgemäss umfassender und differenzierter aus21.

An dieser Stelle erfolgt eine generelle Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse. Ausführlichere Darstellungen der Vernehmlassungsergebnisse betreffend die Instrumente und Massnahmen der NFA finden sich in den entsprechenden Abschnitten der nachfolgenden Ziffern dieser Botschaft. Zunächst soll die grundsätzliche Haltung der wichtigsten Vernehmlassungsteilnehmer gegenüber der NFA wiedergegeben werden. Danach wird auf die Beantwortung der sieben Fragen, die im Rahmen der Vernehmlassung im Zentrum gestanden haben, eingegangen.

Die NFA ist im Allgemeinen von den Kantonsregierungen, den bürgerlichen Parteien sowie den Arbeitgeberverbänden und dem Bauernverband unterstützt worden.

Die Befürworter sahen in dem Projekt vorwiegend eine Chance zur Erneuerung des Föderalismus und ein Instrument zur Effizienzsteigerung.

Im Gegensatz dazu hat die SPS eine grundsätzlich ablehnende Haltung eingenommen. Die Grüne Partei der Schweiz (GPS) und die Arbeitnehmerverbände lehnten das Reformprojekt nicht kategorisch ab, haben jedoch zentrale Teile davon, so z.B.

das Subsidiaritätsprinzip und die Kantonalisierung von Aufgaben im Rahmen der Aufgabenentflechtung, verworfen.

Frage 1: Befürworten Sie die skizzierten bereichsübergreifenden Neuerungen in den Beziehungen zwischen Bund und Kantonen, d.h. die anvisierte Erneuerung und Stärkung des Subsidiaritätsprinzips und die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen Bund­Kantone?

Während eine deutliche Mehrheit der Kantone und der bürgerlichen Parteien sowie der Vorort die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips in der Verfassung begrüssten, standen die SPS, der Christlichnationale Gewerkschaftsbund (CNG) sowie die Sozial- und Umweltschutzorganisationen dem Prinzip ablehnend gegenüber. Zwar haben die meisten Sozial- und Umweltschutzorganisationen das Subsidiaritätsprinzip im Grundsatz befürwortet, jedoch die daraus resultierenden Aufgabenzuweisungen und Entflechtungen als willkürliche und rein nach finanzpolitischen Sparabsichten konzipierte Vorschläge abgelehnt.

Die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen Bund­Kantone wurden von der SPS abgelehnt. Allerdings handelte es sich dabei nicht um ein
grundsätzliches Nein. Die Feststellung, dass ein Reform- und Handlungsbedarf bei der Zusammenarbeit von Bund und Kantonen besteht, wurde von der SPS geteilt. Abgelehnt wurde hingegen, dass für die neuen Zusammenarbeitsformen eine explizite Verfassungsgrundlage geschaffen werden soll. Die überwiegende Mehrheit der Stellungnahmen hingegen begrüsste die neuen Instrumente vollumfänglich, wobei von den Kantonen und den bürgerlichen Parteien betont wurde, es sei darauf zu achten, dass die Kantone nicht mit einer Flut von neuen Normen eingedeckt werden. Die Umweltschut21

Vgl. EFD; KdK; Bericht über die Vernehmlassung zum Schlussbericht der vom Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) und der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) gemeinsam getragenen Projektorganisation vom 31. März 1999; Bern und Solothurn, 2000.

2319

zorganisationen sowie der Gemeinde- und der Städteverband (SSV) haben ihrerseits betont, dass die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen von wirksamen Kontrollmassnahmen des Bundes begleitet werden müssen, um die Qualität der erbrachten Leistungen zu sichern.

Frage 2: Wie beurteilen Sie grundsätzlich die anvisierte institutionalisierte interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich und die ihr zu Grunde gelegten Instrumente (Pflicht zur Zusammenarbeit, Allgemeinverbindlicherklärung, Beteiligungsverpflichtung, interkantonale Rahmenvereinbarung) und wie bewerten Sie insbesondere das vorgesehene Instrumentarium zur demokratischen Legitimation der interkantonalen Vereinbarungen?

Grundsätzlich wurde die interkantonale Zusammenarbeit nur von der SPS, der GPS und den Arbeitnehmerorganisationen abgelehnt. Deren Hauptkritik war, dass faktisch eine vierte gesetzgebende Ebene im Staatsaufbau geschaffen werde. Diese Kritik ­ jedoch nicht die grundsätzliche Ablehnung ­ wurde von zahlreichen Interessenverbänden und einigen Kantonen geteilt. Fünf Kantone äusserten sich skeptisch (Aargau, Waadt, Neuenburg) bis ablehnend (Zug, Tessin) zur interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich. Die übrigen Kantone standen dem Instrument positiv gegenüber und sahen darin eine realistische Alternative zu der immer wieder auftauchenden Forderung nach Kantonsfusionen.

Während einzelne Kantone sich durch die Allgemeinverbindlicherklärung und die Beteiligungspflicht in ihrer Autonomie eingeschränkt sahen, forderten SPS, GPS, Arbeitnehmerverbände und weitere Interessenverbände das Gegenteil. Sie verlangten eine stärkere Verpflichtung zur Zusammenarbeit für die Kantone. Die interkantonale Rahmenvereinbarung sowie der interkantonale Lastenausgleich wurden kaum kritisiert.

Die demokratische Legitimation der interkantonalen Zusammenarbeit wurde hingegen kritisch hinterfragt. Zwar stellten sich bis auf den Kanton Aargau sämtliche Kantone auf den Standpunkt, dass die demokratische Legitimationsbasis ausreichend sei. Andererseits haben, mit Ausnahme der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), alle Parteien, die Spitzenverbände der Wirtschaft sowie die überwiegende Mehrheit der übrigen Interessenverbände Zweifel an der demokratischen Legitimation geäussert und auf die schlechten Erfahrungen mit Mitwirkungsrechten
bei Konkordaten und Zweckverbänden verwiesen.

Frage 3: Wie beurteilen Sie die von der Projektorganisation zur Diskussion gestellten Aufgaben- und Kompetenzentflechtungen in den einzelnen Politikbereichen, um dadurch Bund und Kantonen zusätzlichen Handlungsspielraum und vermehrte Eigenverantwortung einzuräumen?

Die Mehrheit der Kantone, die CVP, die Freisinnig-Demokratische Partei der Schweiz (FDP), die Liberale Partei der Schweiz (LPS) und der Vorort hätten eine noch konsequentere Aufgabenentflechtung begrüsst. Weiter betonte die Mehrheit der Kantone die Bedeutung von Mindeststandards bzw. forderte solche für die kantonalisierten Aufgaben und schlug eine Rahmengesetzgebung vor. Dieser Forderung schloss sich der SGB an. Die Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände 2320

(VSA), die Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz (SGU) und der SSV standen der Aufgabenentflechtung eher skeptisch gegenüber und kritisierten eine zu starke Fokussierung auf die Kantone und deren Eigenständigkeit auf Kosten von regionalen Lösungsansätzen. Die SPS lehnte Kantonalisierungen kategorisch ab.

Grundsätzliche Opposition, namentlich durch von Aufgabenentflechtungen direkt betroffene Verbände, wurde vor allem in den drei Bereichen Sozialversicherungen und Sozialpolitik, Bildung sowie Verkehr geäussert. In den Bereichen Umwelt und Landwirtschaft sowie Wohnungswesen, Justiz und Sicherheit hingegen konzentrierte sich die Kritik auf einige wenige Teilbereiche. Auf die Reaktionen zu den einzelnen Aufgabenentflechtungen wird in Ziffer 6 der Botschaft eingegangen.

Frage 4: Sind Sie mit dem erarbeiteten Konzept des neuen Ausgleichssystems als Ganzes (Finanzausgleich im engeren Sinn mit den Elementen Ressourcenausgleich, Belastungsausgleich und interkantonaler Lastenausgleich) einverstanden?

Das Ausgleichssystem wurde in seinen Grundzügen akzeptiert. Einzig der Kanton Zug stand den vorgeschlagenen Instrumenten und Zielen skeptisch gegenüber und sah die Gefahr, dass das System im Endeffekt zu einer materiellen Steuerharmonisierung führen könnte. Die Kantone Freiburg und Neuenburg stimmten dem Ausgleichssystem zwar grundsätzlich zu, hielten jedoch einen deutlich grösseren Abbau der kantonalen Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit für unumgänglich. Ansonsten wurde das Konzept des Finanzausgleichs im engeren Sinn als modern, kohärent, zweckmässig, kompatibel mit den kantonalen Finanzausgleichsreformen und als längst überfällig bezeichnet. Besonders begrüsst wurde die strikte Trennung von Ausgleichswirkung und Anreizsystem, da auf diese Weise Fehlanreize vermieden würden.

Frage 5: Wie beurteilen Sie den Mechanismus des Ressourcenausgleichs, mit dem die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen ressourcenstarken und ressourcenschwachen Kantonen in einem politisch zu definierenden Rahmen abgebaut werden?

Die Kantone, die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände befürworteten den Ressourcenausgleich als sinnvolle Alternative zu einer materiellen Steuerharmonisierung. Die SPS, die GPS, die Gewerkschaften und verschiedene Sozialorganisationen hätten hingegen
eine materielle Steuerharmonisierung grundsätzlich vorgezogen. Die SPS schlug vor, den Ressourcenausgleich gekoppelt mit einer materiellen Steuerharmonisierung zu realisieren.

Kritisiert wurde der neue Ressourcenindex. Es wurde gefordert, dass der Index von Grund auf überarbeitet werden soll, damit die Bemessung der finanziellen Potenziale der Kantone neu auf einer transparenteren und nachvollziehbareren Basis vollzogen werden könne.

Beim Disparitätenabbau konzentrierte sich die Kritik auf vier Themenkreise: ­

Den Ausschluss derjenigen Kantone vom Disparitätenabbau, deren Indexwert zwischen der Höhe der Mindestausstattung und dem schweizerischen Mittel des Ressourcenindexes liegt.

2321

­

Die Frage, wie bzw. mit welchem Rechtserlass der Eckwert des Disparitätenabbaus festgelegt werden soll. Die FDP, der Kanton Zug und der Vorort setzten sich für eine Festschreibung in der Verfassung ein.

­

Wie gross das Ausmass des Disparitätenabbaus überhaupt sein soll.

­

Ob allenfalls eine progressive Skala verwendet werden soll.

Mehrere Kantone erachteten das Niveau der Mindestausstattung als zu tief. Dabei waren sie sich jedoch keineswegs einig, wie hoch das Niveau idealerweise angesetzt werden müsste. Weiter wurde vorgeschlagen, einen finanziellen Selbstbehalt für die ressourcenschwachen Kantone einzuführen. Auf diese Weise würden auch diese Kantone einen Anreiz erhalten, ihre Finanzkraft zu erhöhen.

Auf geschlossenen Widerstand der Kantone stiess indes die vorgeschlagene Kürzung der Kantonsanteile an den Bundeseinnahmen. So lehnten vor allem die Bergkantone jegliche Kürzung ab. Zudem forderten zumeist dieselben Kantone mehr oder weniger deutlich, dass die Haushaltsneutralität des Projektes für den Bund überprüft bzw. aufgehoben werden müsse. Ein erhöhtes finanzielles Engagement des Bundes soll demnach über eine erhöhte Gewinnausschüttung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) finanziert werden und einer verstärkten Mindestausstattung zugute kommen.

Frage 6: Befürworten Sie den erarbeiteten Lastenausgleich des Bundes auf Grund geografisch-topografischer und soziodemografischer Gegebenheiten?

Sowohl der geografisch-topografische Lastenausgleich (GLA) als auch der soziodemografische Lastenausgleich (SLA) wurden nur vereinzelt grundsätzlich in Frage gestellt und als überflüssig bezeichnet. Heftig kritisiert wurden jedoch die Kriterien, die der Erfassung der Lasten dienten. Während beim GLA lediglich einige Indikatoren bemängelt wurden, wurde beim SLA eine vollständige Neuüberarbeitung gefordert, die vor allem zwei Verbesserungen zur Folge haben sollte. Zum einen sollten Indikatoren bestimmt werden, die eine stärkere Korrelation mit den soziodemografischen Lasten aufweisen würden. Zum anderen sollte der Ausgleich stärker auf die Probleme der Kernstädte ausgerichtet werden.

Frage 7: Wie beurteilen Sie grundsätzlich das von der Projektorganisation umrissene Szenario der institutionellen Umsetzung des NFA, und wie stellen Sie sich insbesondere zu Notwendigkeit und Umfang der über die Kompetenzartikel hinausgehenden verfassungsrechtlichen Neuerungen?

Die Vernehmlassung ergab ein eindeutiges Bild: Es wurde eine rasche und integrale Umsetzung der NFA gefordert. Die KdK sah sogar die Gefahr, dass bei einer Etappierung das Projekt die Unterstützung der Kantone verlieren könnte. Einzelne Kantone hingegen unterstützten zwar das
Projekt grundsätzlich, sprachen sich aber für eine Etappierung aus. Gemäss ihren Vorstellungen sollte in einem ersten Schritt der Finanzausgleich im engeren Sinn revidiert werden. Die wesentlich umstritteneren Aufgabenentflechtungs- und -teilungsprojekte sollten, um den eigentlichen Finanzausgleich nicht zu gefährden, erst in einer zweiten Phase umgesetzt werden. Diese Haltung wurde vorwiegend von den Gebirgskantonen, der CVP, der SPS, der GPS 2322

und den Spitzenverbänden der Wirtschaft geteilt. Andererseits widersetzten sich vor allem die Kantone des Mittellandes und der Ostschweiz sowie FDP, LPS und einige Verbände strikt einer solchen Etappierung.

1.2.8

Nachbesserungen infolge der zweiten Vernehmlassung

Gestützt auf die Ergebnisse der zweiten Vernehmlassung wurden im Hinblick auf die vorliegende Botschaft ab dem Frühjahr 2000 zahlreiche Verbesserungen vorgenommen. So wurden beispielsweise der Lastenausgleich des Bundes für übermässige geografisch-topografische und soziodemografische Lasten vollständig überarbeitet (vgl. Ziff. 5.6), der Ressourcenindex und der Ressourcenausgleich entscheidend verbessert (vgl. Ziff. 5.5), ein Härteausgleich eingeführt (vgl. Ziff. 5.7) und in zahlreichen Bereichen der Aufgabenentflechtung und der interkantonalen Zusammenarbeit weitere Anpassungen und Konkretisierungen vorgenommen.

Um diese Arbeiten zu bewältigen, wurde die in Ziffer 1.2.6 beschriebene zweite, erweiterte Projektorganisation den veränderten Bedürfnissen angepasst. Zunächst wurde das Leitorgan, das sich in seiner Konzeption als zu schwerfällig erwiesen hatte, in ein neues Gremium mit schlankeren und flexibleren Strukturen ­ das so genannte Petit Comité ­ überführt. In diesem neuen Gremium nahm nun auch ein Vertreter der Städte mit Stimmrecht Einsitz. Auf diese Weise konnte dem wachsenden Gewicht der Städte und Agglomerationen in der NFA Rechnung getragen werden. Weiter wurde eine Reihe von Arbeitsgruppen mit zusätzlichen Detailabklärungen beauftragt. Dabei konnte in einigen Fällen auf die bereits bestehenden Projektgruppen zurückgegriffen werden, in anderen Fällen mussten neue Arbeitsgruppen einberufen werden. Zu guter Letzt wurden auch mehrere wissenschaftliche Expertisen in Auftrag gegeben (vgl. Anh. 3), um u.a. eine Wirkungsanalyse vornehmen zu können.

1.3

Verfahren für die beantragte Verfassungs- und Gesetzesrevision

Im Rahmen der vorliegenden Reform wäre es grundsätzlich denkbar, die notwendigen Verfassungsänderungen einzeln zur Abstimmung zu bringen22. Einzelne Verfassungsbestimmungen könnten jedoch in einem solchen Verfahren vom Gesamtkontext der Reform losgelöst beurteilt werden. Dabei bestünde die Gefahr, dass einzelne bereichsübergreifende wie auch aufgabenbezogene Verfassungsnormen, die für das Funktionieren des Gesamtvorhabens von zentraler Bedeutung sind, durch den Widerstand von Partikularinteressen in ihrer Annahme gefährdet wären. Dies könnte die Finanzausgleichsreform als Ganzes in Frage stellen.

Der Bundesrat schlägt deshalb vor, die Verfassungsänderungen nicht auf dem Weg der Partialrevision gemäss Artikel 194 Absatz 2 BV zu realisieren. Vielmehr soll das Verfahren der Totalrevision gemäss Artikel 193 BV zum Tragen kommen. Neben 22

Dieses Verfahren wurde im Rahmen der ersten Massnahmen zur Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen gewählt. Vgl. BBl 1981 III 762

2323

dem Bundesbeschluss zur Totalrevision des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195923 über den Finanzausgleich unter den Kantonen (FAG) beantragt der Bundesrat einen Bundesbeschluss, der alle Verfassungsänderungen enthält. Mit diesem Vorgehen kann ferner die Frage umgangen werden, ob der Grundsatz der Einheit der Materie im vorliegenden Fall gewahrt wäre.

1.3.1

Änderungen auf Verfassungsstufe

Konkret beantragt der Bundesrat Änderungen in folgenden Bereichen (Reihenfolge in Anlehnung an die Bundesverfassung): Bereichsübergreifende Modifikationen Tabelle 1.1 Bereich

Modifizierte bzw. neue BV-Artikel

Subsidiarität Aufgaben des Bundes

Artikel 3a (neu) Artikel 42 Absatz 2 (aufgehoben)

Grundsätze für die Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben Umsetzung des Bundesrechts Eigenständigkeit der Kantone Verträge zwischen den Kantonen Finanzausgleich im engeren Sinn und die daraus resultierenden Änderungen in den nachfolgend aufgeführten Bereichen: ­ Nationalstrassen

Artikel 43a (neu) Artikel 46 Absätze 2 und 3 Artikel 47 Absatz 2 (neu) Artikel 48 Absätze 4­6 (neu)

Artikel 135 Absätze 1 und 2 Artikel 83 Absatz 3 (aufgehoben) ­ Verbrauchssteuer auf Treibstoffen und übrige Verkehrs- Artikel 86 Absatz 3 Buchstaabgaben be e ­ Direkte Steuern Artikel 128 Absatz 4 ­ Stempelsteuer und Verrechnungssteuer Artikel 132 Absatz 2 ­ Kantonsanteil an der Verrechnungssteuer (als Übergangs- Artikel 196 Ziffer 16 bestimmung zu Artikel 132) (aufgehoben) Bundesgericht / Verfassungsgerichtsbarkeit Artikel 189 Absatz 2 (neu)

Aufgabenbezogene Modifikationen Tabelle 1.2 Bereich

Modifizierte bzw. neue BV-Artikel

Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee Schulwesen Ausbildungsbeihilfen Vermessungswesen

Artikel 60 Absatz 2 Artikel 62 Absatz 3 (neu) Artikel 66 Absatz 1 Artikel 75a (neu)

23

SR 613.1

2324

Bereich

Modifizierte bzw. neue BV-Artikel

Strassenverkehr Nationalstrassen Übergangsbestimmung zu Artikel 83 Verbrauchssteuer auf Treibstoffen und übrige Verkehrsabgaben Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV)

Artikel 82 Absatz 3 Artikel 83 Absatz 2 Artikel 197 Ziffer 2 (neu) Artikel 86 Absatz 3 Buchstabe b, bbis (neu), c und f Artikel 112 Absatz 2 Buchstabe abis (neu), Absatz 3 Buchstabe b, Absatz 4, Absatz 6 (aufgehoben) Artikel 112a (neu) Artikel 112b (neu) Artikel 112c (neu) Artikel 196 Ziffer 10 (aufgehoben) Artikel 123 Absatz 2

Ergänzungsleistungen Förderung der Eingliederung Invalider Betagten- und Behindertenhilfe Übergangsbestimmung zu Artikel 112 Strafrecht

1.3.2

Änderungen auf Gesetzesstufe

Auf Gesetzesstufe beantragt der Bundesrat die Totalrevision des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195924 über den Finanzausgleich unter den Kantonen (FAG).

1.4

Institutionelle Umsetzung und weiteres Vorgehen

Zur Umsetzung der NFA beantragt der Bundesrat ein zweistufiges Verfahren:

24 25 26

1.

Mit der vorliegenden Botschaft unterbreitet der Bundesrat zunächst einen ersten Teil der durch die NFA notwendigen Anpassungen. Die vorliegende erste NFA-Botschaft beinhaltet neben dem Bundesbeschluss zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (NFA) mit sämtlichen Verfassungsänderungen auch das total revidierte Bundesgesetz über den Finanzausgleich (FAG).

2.

Sämtliche Anpassungen in den übrigen Bundesgesetzen werden Bestandteil einer zweiten NFA-Botschaft sein. Diese wird neben den einzelnen aufgabenbezogenen Bundesgesetzen auch die bereichsübergreifenden Bundesgesetze enthalten, z.B. das Bundesgesetz vom 6. Oktober 198925 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (FHG) oder das Bundesgesetz vom 5. Oktober 199026 über Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetz, SuG). Die zweite NFA-Botschaft wird dem eidgenössischen Parlament nach der Durchführung der obligatorischen Volksabstimmung zum Bundesbeschluss sowie nach einem allfälligen Referendum zum FAG unterbreitet.

SR 613.1 SR 611.0 SR 616.1

2325

Schematische Darstellung der geplanten Umsetzung (Zeithorizont aus heutiger Sicht) Abbildung 1.3 2001

2002

1. NFA-Botschaft

2003

2004

2005

2006

Bundesbeschluss zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (NFA) Bundesgesetz ber den Finanzausgleich (FAG)

2. NFA-Botschaft Spezialgesetzgebung

Parlamentarische Beratungen

1.4.1

Referendumsfrist

Eidgen ssische Volksabstimmung (inklusive fakultative Referenden)

Institutionelle Umsetzung der ersten NFA-Botschaft

Im Rahmen der vorliegenden ersten NFA-Botschaft werden die Anträge zu den dargelegten Verfassungsrevisionen in den bereichsübergreifenden Gebieten wie auch in allen Bereichen der Aufgabenentflechtung sowie eine Totalrevision des Bundesgesetzes über den Finanzausgleich unter den Kantonen unterbreitet.

Dieses Vorgehen entspricht dem politischen Willen der überwiegenden Mehrheit der Kantone, einen umfassenden und kohärenten Umbau des Finanzausgleichs realisieren zu können. Die Gefahr des Herausbrechens einzelner Bausteine, namentlich im Bereich der Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung, soll so klein wie möglich gehalten werden. Es besteht ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Postulat nach mehr nicht zweckgebundenen Mitteln für die Kantone und der Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung. Je mehr Aufgabenbereiche entflochten werden, umso mehr nicht zweckgebundene Mittel erhalten die Kantone als Kompensation für die Übernahme von neuen Aufgaben. Umgekehrt würde eine zunehmende Belastung des Bundes auf Grund ungenügender Entflechtungen und/oder einer einseitigen Übernahme zusätzlicher Aufgaben zu einer entsprechenden Verringerung der nicht zweckgebundenen Mittel für die Kantone führen.

Aus diesen Überlegungen ist von einer Etappierung abzusehen, bei welcher zunächst der Finanzausgleich im engeren Sinn zu realisieren wäre und erst in einem weiteren Schritt die Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung folgen würde. Soll der Finanzausgleich im engeren Sinn mit genügend finanziellen Mitteln ausgestattet werden, um die interkantonalen Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit abzubauen, bedarf es hierzu der Umwandlung von heute zweckgebundenen Mitteln in nicht zweckgebundene. Darüber hinaus erwarten jene Kantone, die im Finanzausgleich auf Grund ihres Ressourcenpotenzials zu den Geberkantonen zählen werden, im Gegenzug eine substanzielle Erweiterung ihrer staats- und finanzpolitischen Handlungsspielräume. Ausserdem versprechen sich die Zentrumskantone von einer ausgebauten interkantonalen Zusammenarbeit eine Abgeltung ihrer auch für andere Kantone erbrachten Leistungen. Eine Etappierung würde somit den Interessenaus2326

gleich zwischen den beteiligten Akteuren und damit die Reform in ihrer Gesamtheit ernsthaft gefährden.

Der Bundesrat schlägt deshalb vor, die Modifikationen auf Verfassungsstufe im Rahmen des Bundesbeschlusses zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen zu verabschieden und Volk und Ständen als eine Vorlage zur Abstimmung zu unterbreiten.

Nach Verabschiedung der vorliegenden ersten Botschaft durch das eidgenössische Parlament wird zunächst das obligatorische Referendum über die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet. Erst nach Annahme des entsprechenden Bundesbeschlusses durch Volk und Stände wird das total revidierte Bundesgesetz über den Finanzausgleich im Bundesblatt veröffentlicht, womit die Referendumsfrist zu laufen beginnt.

Dieses Vorgehen nimmt Rücksicht auf die Volksrechte, indem ein allfälliges Referendumskomitee gegen das total revidierte Finanzausgleichsgesetz erst nach erfolgter Annahme der Verfassungsvorlage mit der Unterschriftensammlung beginnen müsste. Würde die Referendumsfrist jedoch vor der Durchführung des obligatorischen Referendums zu laufen beginnen, müsste ein Referendumskomitee Unterschriften gegen ein Gesetz sammeln, dessen verfassungsmässige Grundlage von Volk und Ständen noch gar nicht beschlossen worden wäre. Dies würde darauf hinauslaufen, dass das Gesetzesreferendum vorsorglich ergriffen werden müsste und sich hinterher als unnötig herausstellen könnte, sollte der Bundesbeschluss mit den Verfassungsänderungen das notwendige Volks- und Ständemehr nicht erreichen.

Bei einer allfälligen Verwerfung des Bundesbeschlusses zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen würde das total revidierte Bundesgesetz über den Finanzausgleich selbstredend dahinfallen. Sind diese beiden ersten institutionellen Hürden genommen, kann die zweite NFA-Botschaft der Föderalismus- und Finanzausgleichsreform der politischen Entscheidfindung zugeführt werden.

Das beantragte Vorgehen ermöglicht eine transparente und kohärente Vorgehensweise. Wird der Bundesbeschluss zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen verworfen, wird auch das Bundesgesetz über den Finanzausgleich hinfällig. Würde in
einem zweiten Fall ­ nach der Annahme des Bundesbeschlusses zur Neugestaltung des Finanzausgleichs durch Volk und Stände ­ das fakultative Referendum zu Stande kommen und in der anschliessenden Volksabstimmung das Bundesgesetz über den Finanzausgleich verworfen, würden sich die Interpretationen des Volksneins ausschliesslich auf das Gesetz über den Finanzausgleich beschränken, womit die politische Diskussion über das weitere Vorgehen sich auf ein klar definiertes Gebiet auf Gesetzesstufe konzentrieren könnte.

Um den dargelegten sachlichen Zusammenhang der Verwirklichung von Verfassungs- und Gesetzesmodifikationen sicherzustellen, bestimmt der Bundesrat das Inkrafttreten sowohl des Bundesbeschlusses als auch des Bundesgesetzes über den Finanzausgleich. Je nach Verlauf der parlamentarischen Beratungen und eines allfälligen fakultativen Referendums gegen das zweite Paket dürfte dies aus heutiger Sicht nicht vor 2006 der Fall sein.

2327

1.4.2

Ausblick auf die zweite NFA-Botschaft

Die Änderungen auf Verfassungsstufe werden Anpassungen in zahlreichen Spezialerlassen erfordern, dies sowohl in den aufgabenbezogenen als auch in bereichsübergreifenden Bundesgesetzen. Bei letzteren stehen das SuG und das FHG im Vordergrund. Die hierzu notwendigen Anträge wird der Bundesrat dem eidgenössischen Parlament im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft unterbreiten.

Hinzu kommen noch Gesetzesrevisionen in jenen Aufgabenbereichen, deren Verfassungsgrundlage nicht geändert werden muss. In der vorliegenden Botschaft wird im Sinne einer ersten Übersicht auf die Leitlinien der notwendigen Gesetzesanpassungen unter der Ziffer 6.2 eingegangen.

Konzeptionell sind beide Botschaften zur NFA nicht voneinander zu trennen. Die im Rahmen der vorliegenden Botschaft beantragten Änderungen auf Verfassungsstufe ­ wie auch die beantragte Totalrevision des Finanzausgleichsgesetzes ­ können nur dann Wirkung entfalten, wenn auch die Änderungen in den aufgabenbezogenen und den bereichsübergreifenden Gesetzen im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft vorgenommen werden.

Dementsprechend sind die Tendenzen der finanziellen Auswirkungen auf Bund und Kantone (vgl. Ziff. 7.2) unter der Annahme berechnet worden, dass die NFA unter Einschluss aller Reformelemente zum Tragen kommen wird, einschliesslich jener, die keine Verfassungsänderung benötigen und somit erstmals im Rahmen der zweiten Botschaft vorzulegen sein werden.

1.4.3

Übergangsrechtliche Probleme

1.4.3.1

Zum Problem der präventiven Gesuche

Soll der Bund im Rahmen der anvisierten Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung in bestimmten Subventionsbereichen entlastet werden, besteht die Gefahr, dass vor dem Inkrafttreten der neuen Rechtsgrundlagen vorsorglich noch zahlreiche Gesuche eingereicht werden. Daher könnte in den betreffenden Aufgabenbereichen ein eigentlicher Gesuchsüberhang entstehen.

Solche präventiven Gesuchseinreichungen liegen weder im Interesse des Bundes noch der Kantone. Die öffentlichen Haushalte insgesamt können kein Interesse daran haben, dass zum Beispiel Bautätigkeiten ausgelöst werden, die nicht einem effektiven Bedürfnis entsprechen. Oder dass Investitionen nur deshalb getätigt werden, weil hierfür noch Bundessubventionen in Aussicht stehen.

Aus diesem Grund schlagen wir vor, eine entsprechende Übergangsbestimmung im Bundesgesetz über den Finanzausgleich vorzusehen. Demnach sind Gesuche um Finanzhilfen und Abgeltungen, die nach dem Inkrafttreten der Übergangsbestimmungen, aber vor dem vollständigen Inkrafttreten des neu gestalteten Finanzausgleichs eingereicht werden (also während der Zeitperiode zwischen der ersten und der zweiten NFA-Botschaft) nach dem zum Zeitpunkt der Zusicherung (und damit nicht nach dem Zeitpunkt der Gesuchseinreichung gemäss Artikel 36a SuG) geltenden Recht zu beurteilen.

2328

1.4.3.2

Zum Problem altrechtlicher Verpflichtungen des Bundes

Altrechtliche Verpflichtungen liegen dann vor, wenn vor dem integralen Inkrafttreten der NFA Zusicherungen des Bundes für Projekte vorliegen, aus denen sich der Bund im Rahmen der NFA zurückziehen soll. Dabei sind grundsätzlich zwei Ausgangssituationen voneinander zu unterscheiden: 1.

Für vor Inkrafttreten der NFA rechtskräftig zugesicherte und bereits ausgeführte oder in Realisierung stehende Projekte besteht aus rechtlicher Sicht kein Handlungsbedarf. Der Bund kommt seinen Verpflichtungen gestützt auf die entsprechenden Verfügungen vollumfänglich nach.

2.

Anders zu beurteilen sind Projekte, für die seitens des Bundes wohl eine Zusicherung vorliegt, die aber vor Inkrafttreten der NFA noch nicht in Angriff genommen wurden. Hier soll der Bund während einer Übergangszeit seine Verpflichtungen wahrnehmen, sofern die Vorhaben in dieser Übergangszeit realisiert werden. Danach laufen die Verpflichtungen des Bundes per Saldo aller Ansprüche aus. Für Vorhaben, die während dieser Übergangszeit nicht realisiert werden, erlöschen somit die altrechtlichen Verpflichtungen des Bundes.

Aus diesen Überlegungen ist eine entsprechende Übergangsregelung im Bundesgesetz über den Finanzausgleich vorzusehen. Beitragszahlungen für Vorhaben, die noch vor dem vollständigen Inkrafttreten der NFA rechtskräftig zugesichert und beim Inkrafttreten noch nicht in Angriff genommen worden sind, werden nur dann erbracht, wenn die Schlussabrechnung für das realisierte Vorhaben innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der NFA eingereicht wird.

2

Die Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung

Ziel der Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung zwischen Bund und Kantonen ist die Klärung des zusehends unübersichtlich gewordenen Beziehungsgeflechts zwischen den beiden Staatsebenen. Kompetenzen und Zuständigkeiten in der Aufgabenerfüllung sind, wo möglich und sinnvoll, integral der einen oder anderen Staatsebene zuzuordnen. Angestrebt wird eine möglichst weitgehende Übereinstimmung von Nutzniessern sowie Kosten- und Entscheidungsträgern.

Kann ein Aufgabenbereich weder dem Bund noch den Kantonen integral zugeteilt werden, wird zumindest eine Teilentflechtung angestrebt. Bei einer Teilentflechtung werden einzelne Bereiche einer Aufgabe entweder dem Bund oder den Kantonen zugeordnet. Ist auch keine Teilentflechtung möglich, verbleiben die betreffenden Aufgabenbereiche als Verbundaufgaben. Bei diesen tragen Bund und Kantone die Finanzierung und Aufgabenerfüllung weiterhin gemeinsam. Um eine zweckmässige bundesstaatliche Aufgabenzuordnung auch in Zukunft zu gewährleisten, sollen diesbezüglich staatspolitische Grundsätze auf Verfassungsstufe verankert werden.

Dazu gehört das Subsidiaritätsprinzip. Es besagt, dass in einem Bundesstaat die übergeordnete Staatsebene nur dann eine Aufgabe übernehmen bzw. sich an ihr beteiligen soll, wenn diese von der untergeordneten Staatsebene nicht auf effiziente und wirksame Weise erfüllt werden kann. Dies stärkt die Gestaltungskraft vor Ort,

2329

indem die Bürgerinnen und Bürger vermehrt die Möglichkeit erhalten, selbst zu entscheiden, welchen Lösungen sie den Vorzug geben. Im Rahmen der NFA soll das Subsidiaritätsprinzip explizit als staatspolitische Maxime in der Bundesverfassung verankert werden.

In Verbindung mit dem Subsidiaritätsprinzip sollen zudem Kriterien für die Aufgabenzuweisung in der Bundesverfassung festgehalten werden. Dabei soll das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz, das Gebot der Wirtschaftlichkeit und das Gebot der Zweckmässigkeit ihren verfassungsmässigen Niederschlag finden. Als nicht einklagbare Grundsätze sollen sie in Verbindung mit dem Subsidiaritätsprinzip für die künftige Zuweisung staatlicher Aufgaben und damit für eine sinnvolle Aufgabenteilung im Bundesstaat wegweisend sein und für entsprechende Kontinuität sorgen.

Die Verpflichtung des Bundes, die Eigenständigkeit der Kantone zu wahren, wird in der Bundesverfassung deutlicher zum Ausdruck gebracht als bisher. Insbesondere sollen die Grundprinzipien des schweizerischen Föderalismus, die Aufgaben-, Organisations- und Finanzautonomie, explizit auf Verfassungsstufe erwähnt werden.

Bundesrat und Parlament werden in Zukunft bei der Regelung neuer Aufgaben verstärkt darzulegen haben, welche Aufgaben zentral und welche dezentral zu erfüllen sind. Schliesslich soll, als verfassungsrechtliches Novum, das Bundesgericht einem Bundesgesetz die Anwendung versagen können, falls dieses gegen eine verfassungsmässig garantierte Zuständigkeit der Kantone verstösst. Dadurch wird der Föderalismus in der Schweiz erstmals auch mit einer justiziablen Komponente ausgestattet.

Neben dem Gegenstand (Ziff. 2.1), den Mängeln der heute bestehenden Verflechtungen (Ziff. 2.2), den Zielen der Entflechtung (Ziff. 2.3) und den Ergebnissen der Vernehmlassung (Ziff. 2.4), wird ein Überblick über die Änderungen in den einzelnen Aufgabenbereichen (Ziff. 2.5) und über die mit der Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung verbundenen Verfassungsprinzipien gegeben (Ziff. 2.6).

2.1

Gegenstand

Im Rahmen der NFA sind insgesamt 29 Aufgabenbereiche von der Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung zwischen Bund und Kantonen finanziell betroffen. In diesen staatlichen Aufgabenbereichen richtet der Bund Subventionen in Form von Finanzhilfen oder Abgeltungen an die Kantone aus oder sie werden durch eine gemeinsame Finanzierung von Bund und Kantonen getragen. Aufgabenbereiche, in denen sowohl der Bund als auch die Kantone kraft eigener Gesetzgebung und finanziell unabhängig voneinander tätig sein können, sind nicht Gegenstand der NFA27.

Der Bundesrat ist gemeinsam mit der KdK der Auffassung, dass eine darüber hinausgehende Diskussion über eine mögliche Neuverteilung sämtlicher staatlicher Aufgaben zwischen Bund und Kantonen nicht sinnvoll wäre. Sie würde den Reformprozess in politischer wie auch zeitlicher Hinsicht zusätzlich belasten. Es ent27

Als ein Beispiel für einen Aufgabenbereich, der nicht durch die NFA tangiert wird, kann das Filmwesen dienen. Der Bund betreibt eine erfolgsabhängige Filmförderung, Kantone und zum Teil auch Gemeinden sehen punktuell und unabhängig vom Bundesengagement ebenfalls Beiträge zur Filmförderung vor. Kantone und ­ je nach kantonalem Recht ­ auch Gemeinden sind im Weiteren für die Bewilligungspraxis der Filme (z.B. Festlegung des Zutrittsalters in den Kinos je nach Filmkategorie) zuständig. In der Filmförderung bestehen jedoch keinerlei finanzielle Verflechtungen zwischen Bund und Kantonen.

2330

spricht einem pragmatischen und letztlich Erfolg versprechenderen Vorgehen, vorerst den Finanzausgleich zu reformieren und die finanziellen Verflechtungen zwischen Bund und Kantonen zu entwirren. Sind diese Reformarbeiten erfolgreich abgeschlossen, ist auf der erarbeiteten Grundlage eine weitergehendere Neuverteilung zwischen Bund und Kantonen unter systematischem Einschluss aller staatlichen Aufgabenbereiche ohne Weiteres denkbar.

2.2

Mängel der heutigen Aufgaben- und Finanzierungsverflechtung

Ein Blick auf die historische Entwicklung der Schweiz zeigt, dass dem Bund auf dem Weg zum Interventions- und Leistungsstaat immer mehr Verantwortungsbereiche übertragen worden sind. Dies führte zu einer in Umfang und Komplexität zunehmenden Aufgaben- und Finanzierungsverflechtung zwischen Bund und Kantonen.

Diese Befunde sind keineswegs neu. Bereits vor über 30 Jahren hat der Bundesrat in seinem Bericht vom 15. Mai 1968 an die Bundesversammlung über die Richtlinien für die Regierungspolitik der Jahre 1968­1971 auf die staatspolitischen Gefahren eines schleichenden Zentralisierungsprozesses aufmerksam gemacht28. Die sich verstärkenden Verflechtungstendenzen zwischen Bund und Kantonen und die damit einhergehende schleichende Zentralisierung schienen eine Eigendynamik entwickelt zu haben. Man ortete eine Vollzugskrise in den Kantonen und generell eine Leistungskrise des Bundesstaates.

Zusätzliche Probleme entstehen, wenn sich die Kompetenzen und die Finanzierungsverantwortung des Bundes mit jenen der Kantone überschneiden. So nimmt die Regelungsdichte zu, da sowohl Auflagen des Bundes in Form von Bundesgesetzen, Verordnungen und Kreisschreiben als auch der Kantone in Form von kantonalen Einführungsgesetzen und Verordnungen erlassen werden. Zudem gehen in den meisten Fällen mit diesen Verflechtungen Parallelverwaltungen, administrative Doppelspurigkeiten und Überlagerungen im Subventionswesen einher, was schliesslich zu Mehrkosten und einer ineffizienten Aufgabenerfüllung führt.

Es wurden zwar Versuche unternommen, Klarheit in die Beziehungen zwischen Bund und Kantonen zu bringen und die Aufgabenzuordnung zu systematisieren; diese sind jedoch weitgehend gescheitert. So wurde mit dem Entwurf für eine Totalrevision der Bundesverfassung («Kommission Furgler») 1977 vorgeschlagen, Hauptverantwortlichkeiten für Bund und Kantone zu definieren, was bekanntlich misslang. Ein zweiter Versuch ­ die Aufgabenneuverteilung der 80er-Jahre ­ brachte punktuelle Klärungen in den finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen. Die beschriebenen Tendenzen konnte sie jedoch nicht aufhalten. Das damalige Paket enthielt ferner keine Vorschläge zu einem eigentlichen Umbau des Finanzausgleichs im engeren Sinn. Ausgeklammert blieben die Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen sowie die
interkantonale Ebene.

Aus finanzpolitischer Sicht ist ausserdem zu bemängeln, dass durch die zweckgebundenen Finanztransfers des Bundes an die Kantone diese in zunehmende finanzielle Abhängigkeit des Subventionsgebers gelangen. Dies gilt besonders für res28

BBl 1968 I 1204

2331

sourcenschwache Kantone (vgl. Ziff. 5.2.2). Unter diesen Vorzeichen ist eine eigenständige, d.h. eigene Prioritäten setzende, kantonale Politik kaum mehr möglich. Die finanzpolitische Autonomie der Kantone droht blosse Fiktion zu werden.

Im Zusammenhang mit der Finanzierungs- und Kompetenzverflechtung muss auch auf den Begriff «Vollzugsföderalismus» eingegangen werden. Mit Vollzugsföderalismus wird im positiven Sinn die Möglichkeit der Kantone umschrieben, Bundesgesetze unter Berücksichtigung der jeweiligen kantonalen Bedürfnisse und Besonderheiten zu vollziehen. Dabei bleibt es den kantonalen Behörden überlassen, welche Schwerpunkte sie im Rahmen des Vollzugs des Bundesrechts setzen wollen, was jeweils zu unterschiedlichen, kantonalen Lösungen führen kann.

Vollzugsföderalismus wird von Teilen der Wissenschaft und Politik als grundsätzlich positiv gewertet, da der Bundesgesetzgeber den Kantonen einen gewissen Spielraum beim Vollzug des Bundesrechts einräumt. Dadurch werden die Vielfalt und die unterschiedlichen Bedürfnisse der Regionen der Schweiz berücksichtigt. Dieser Befund ist zutreffend, wenn man die Ausgangslage des Vollzugsföderalismus grundsätzlich akzeptiert: Der Bund erlässt Vorschriften, die Kantone vollziehen diese.

Ein solches Föderalismusverständnis läuft letztlich aber darauf hinaus, dass die Kantone ihren Handlungsspielraum lediglich in einem vom Bund definierten und vorgegebenen Rahmen wahrnehmen können. Die Befürchtung, dass sich die Kantone auf diese Weise allmählich zu Verwaltungsbezirken des Bundes entwickeln könnten, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen.

Ferner kann der Vollzugsföderalismus in seiner Dynamik bewirken, dass Bürgerinnen und Bürger zusehends Mühe bekunden zu erkennen, welche Staatsebene für welche Aufgabenbereiche zuständig ist.

2.3

Ziele

Mit der vorliegenden Botschaft will der Bundesrat die bundesstaatlichen Strukturen und die in ihnen enthaltenen Prinzipien, wie den Erhalt der regionalen Vielfalt und die Bürgernähe, nachhaltig stärken. Dies setzt eine umfassende Reform des Föderalismus und des Finanzausgleichs voraus. Bloss punktuelle Verbesserungen, etwa im Bereich der Finanzströme oder des Finanzausgleichs im engeren Sinn, genügen nicht, die beschriebenen Probleme in den Beziehungen zwischen Bund und Kantonen und im bundesstaatlichen Finanzausgleich zu lösen und die Zusammenarbeit innerhalb des Bundesstaates auf eine neue Grundlage zu stellen.

Hauptziel der Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung zwischen Bund und Kantonen ist die Stärkung und Weiterentwicklung des Föderalismus, der ­ als Abgrenzungskriterium im Gegensatz zum Zentralismus ­ eine gesamtstaatliche Einheit bei grösstmöglicher Autonomie der Kantone anstrebt.

Die Verantwortung für die staatliche Aufgabenerfüllung ist nach Möglichkeit entweder integral dem Bund oder integral den Kantonen zuzuordnen. Integrale Verantwortung heisst, dass eine Übereinstimmung von Nutzniessern sowie Kosten- und Entscheidungsträgern erzielt wird. Eine solchermassen definierte Verantwortung schafft für die Bürgerinnen und Bürger Klarheit. Es wird deutlich, wer in welchem Ausmass für die Aufgabenerfüllung zuständig ist. Das politische Engagement auf lokaler Ebene, eine besondere Stärke des politischen Systems der Schweiz, kann da2332

durch gestärkt werden, da vermehrt lokal angepasste, bürgernahe Lösungen ermöglicht werden.

Die Stärkung der kantonalen staats- und finanzpolitischen Autonomie erachtet der Bundesrat als eines der zentralen Anliegen der NFA. Ein Scheitern der NFA hätte eine weitere Zentralisierung zur Folge, welche zu einer Aushöhlung des kantonalen Handlungsspielraums führen und damit schliesslich die föderale Ordnung unterlaufen könnte. De facto ­ wenn auch nicht de jure ­ könnten die Kantone zu blossen Vollzugsanstalten des Bundes werden. Ihre Eigenstaatlichkeit, verkörpert durch ihre eigenen Verfassungen, Hoheitsrechte, Behörden und Volksrechte, würde mit der Zeit gänzlich überflüssig oder zum blossen Ritual verkommen.

Eine solche Entwicklung kann nicht im Interesse des schweizerischen Bundesstaates sein. Mit dem Föderalismus hat die Schweiz gute Erfahrungen gemacht. Der Föderalismus ist nicht eine blosse Begleiterscheinung der geschichtlichen Entwicklung, sondern ein tragendes Strukturprinzip der Bundesverfassung und damit eines der konstitutiven Grundelemente der staatlichen Ordnung schlechthin. Der Föderalismus schweizerischer Prägung hat die lokalen Identitäten erhalten und gestärkt und, in Verbindung mit der direkten Demokratie und der Sozial- und Rechtsstaatlichkeit, massgeblich zu Frieden und Wohlstand in unserem Land beigetragen.

Die Stärkung der kantonalen Ebene führt auch zu einer Stärkung der Bundesebene.

Der Bund kann sich auf seine hauptsächlichen Funktionen, die ihm die Verfassung zuweist, konzentrieren. Künftig soll und kann der Bund nicht mehr in derart vielen Politikbereichen mit Auflagen und Subventionen tätig sein. Einheitliche und verbindliche Regeln und Standards soll er nur noch in jenen Bereichen setzen, in denen es im landesweiten Interesse unumgänglich ist. Gestützt auf das Subsidiaritätsprinzip soll der Bund nur dann eine Aufgabe übernehmen, wenn die Kantone hierzu offensichtlich nicht in der Lage sind oder die Aufgabenerfüllung sinnvollerweise zentral geregelt werden muss.

Eine möglichst konsequente Aufgabenentflechtung ist im Weiteren eine notwendige Voraussetzung für eine wirkungsorientierte Verwaltungsführung. Die integrale Aufgabenzuständigkeit erweitert den Handlungsspielraum und erlaubt es, dem Postulat einer erhöhten Kosten-, Leistungs- und Wirkungssteuerung staatlichen
Handelns vermehrt Gewicht beizumessen.

Eine Aufgabenzuteilung zur einen oder anderen Staatsebene kann allerdings nie als absolut definitiv erachtet werden. Was heute seine Gültigkeit hat, kann nach einigen Jahren in Abhängigkeit des historischen, politischen, gesellschaftlichen und nicht zuletzt auch völkerrechtlichen Kontexts als revisionsbedürftig beurteilt werden.

Selbstverständlich impliziert eine Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung nicht, dass der föderale Dialog zwischen Bund und Kantonen zum Stillstand kommen soll.

Schnittstellen in staatlichen Programmen sind nicht zuletzt auf Grund der Kleinräumigkeit der Schweiz unvermeidlich, sodass ein partnerschaftliches Zusammenwirken als Ausdruck gelebter Verfassungswirklichkeit verstanden werden kann. Der Föderalismus schweizerischer Prägung zeichnet sich dadurch aus, dass er sich vor allem als eine Staatsform des Dialogs und der Kooperation versteht, wie dies in Artikel 44 BV denn auch zum Ausdruck kommt. Ein Dialog setzt jedoch voraus, dass die Staatsebenen ihre Aufgaben, Kompetenzen und Handlungsoptionen kennen und die daraus resultierenden Verantwortlichkeiten möglichst integral wahrnehmen können. Günstige Voraussetzungen einer guten Zusammenarbeit sind vor allem dann 2333

gegeben, wenn möglichst keine sich überschneidenden Kompetenzen vorhanden sind, die den Dialog erheblich erschweren können. So gesehen erweist sich eine Klärung der Aufgaben und der Kompetenzen von Bund und Kantonen als zentraler Ausgangspunkt und Grundlage eines gelebten Föderalismus.

2.4

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die überwiegende Mehrheit der Vernehmlasser (Kantone, bürgerliche Parteien und Arbeitgeberverbände) hat das Prinzip der Aufgabenentflechtung begrüsst. Die SPS sowie die Gewerkschaften und Angestelltenverbände äusserten sich demgegenüber skeptisch bis ablehnend.

Die Kantone hätten es allerdings begrüsst, wenn die Aufgabenentflechtung noch konsequenter angegangen worden wäre. Einzig der Kanton Appenzell Innerrhoden warf die Frage auf, ob nicht auf einige Aufgabenentflechtungen verzichtet werden sollte, um nicht das gesamte Projekt zu gefährden. Die KdK sowie die Kantone Schwyz, Glarus und Jura betonten, dass die Befürchtungen, die neuen Kantonszuständigkeiten würden dazu genutzt, Leistungsangebote abzubauen, nicht gerechtfertigt seien. Sie waren auch bereit, landesweite Mindeststandards einzuhalten, welche für die soziale Sicherheit und die Wohlstandsverteilung massgebend sind. Die Kantone Obwalden, Basel-Stadt, Schaffhausen und Graubünden forderten ebenfalls verbindliche Mindeststandards. Dies könne durch Rahmengesetze oder durch interkantonale Vereinbarungen erzielt werden, wobei der Bund eine Rolle als Moderator und Koordinator wahrnehmen könne. Die Kantone gingen davon aus, dass sie bei der erforderlichen Anpassung der Bundesgesetze und Verordnungen mitwirken können, um die Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen zielkonform abzugrenzen.

Nach Meinung von CVP, FDP, LPS und Vorort wären ebenfalls weitere Entflechtungen denkbar. Der SGB forderte, dass der Bund in den meisten Aufgabengebieten, die kantonalisiert werden sollen, Mindeststandards definiert. Eine Kantonalisierung sei nur dort möglich, wo kein nationales Interesse an einem einheitlichen Standard bestehe. SPS, VSA, SGU und SSV lehnten die vorgeschlagenen Entflechtungen ab.

Die SPS forderte stattdessen Rahmenkompetenzen des Bundes in zusätzlichen Bereichen und vermehrt bundesrechtlich definierte Mindeststandards oder Zweckbindungen von Bundesmitteln. Die VSA kritisierte, viele Kantonalisierungsvorschläge würden den Aufgaben und der Wirkungsverflechtung auf nationalem und internationalem Niveau zu wenig Rechnung tragen. Allgemein wurde in den betroffenen Bereichen ein empfindlicher Leistungsabbau befürchtet. Der Schweizerische Gemeindeverband (SGeV) lehnte die Aufgabenentflechtungen nicht grundsätzlich ab, betonte jedoch die Gefahr
einer Kommunalisierung der kantonalisierten Aufgaben, der er sich entschieden widersetzen würde.

Der Bundesrat ist der Auffassung, wonach das in dieser Botschaft vorliegende Entflechtungspotenzial nicht weiter unterschritten werden kann, da ein direkter Zusammenhang zwischen der Aufgabenentflechtung und dem vom Bund zu finanzierenden vertikalen Ressourcenausgleich besteht. Wird der Bund von heute zweckgebundenen Finanztransfers entlastet, wird er inskünftig im selben Ausmass dieser Entlastung nicht zweckgebundene Mittel zu Gunsten der ressourcenschwachen Kantone im Rahmen des vertikalen Ressourcenausgleichs ausrichten. Dadurch kann eine ­ im 2334

Vergleich zur heutigen Situation ­ deutlich stärkere Ausgleichswirkung erzielt werden. Die von zahlreichen Vernehmlassern geforderten Mindeststandards des Bundes sind dort vorzusehen, wo dies im Interesse einer minimalen Harmonisierung angezeigt ist. Solche Leitplanken des Bundes wären nach Meinung des Bundesrates auf ein Minimum zu beschränken.

2.5

Die Anträge in den einzelnen Aufgabenbereichen im Überblick

Wie bereits dargelegt, werden im Rahmen der vorliegenden ersten Botschaft nur solche Anträge unterbreitet, die eine Verfassungsänderung beinhalten. Änderungen im geltenden Aufgaben- und Kompetenzkatalog zwischen Bund und Kantonen, die bloss einer Gesetzesänderung bedürfen, werden im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft vorgelegt (vgl. Ziff. 1.4).

Im Folgenden werden jene staatlichen Aufgaben als Bundesaufgaben bzw. Kantonsaufgaben bezeichnet, welche eine integrale und damit auch finanzielle Verantwortung des Bundes beziehungsweise der Kantone begründen.

Für eine ganze Reihe von Aufgabenbereichen wird ­ nicht zuletzt angesichts der Kleinräumigkeit der Schweiz ­ keine Entflechtung vorgeschlagen. Da diese Aufgabenbereiche auf sinnvolle Art und Weise weder der integralen Verantwortlichkeit des Bundes noch derjenigen der Kantone unterstellt werden können, werden sie als Verbundaufgaben bezeichnet. In solchen Fällen schlägt der Bundesrat zumindest Teilentflechtungen vor. Von Teilentflechtungen kann dann gesprochen werden, wenn innerhalb eines Politikbereichs, der eine Verbundaufgabe zwischen Bund und Kantonen bleibt, lediglich gewisse Teilbereiche entflochten werden können. Dies mit dem Ergebnis, dass für jene Teilbereiche neu nur noch eine Staatsebene integral zuständig ist. Teilentflechtungen sind dann vertretbar, wenn daraus für den Aufgabenbereich insgesamt keine Qualitätseinbussen resultieren.

2.5.1

Bundesaufgaben

Gemäss der oben aufgeführten Systematik beantragt der Bundesrat, folgende Bereiche in integraler Verantwortung dem Bund zuzuordnen. Die Erläuterungen zu den einzelnen Aufgabenbereichen finden sich unter der Ziffer 6.1 und unter der Ziffer 6.2: Aufgabenentflechtung ­ Bundesaufgaben Tabelle 2.1 Aufgabenbereich

1. Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee (im Rahmen einer Teilentflechtung) 2. Denkmal-, Heimat- und Ortsbilderschutz, national (im Rahmen einer Teilentflechtung) 3. Betrieb und Unterhalt der Nationalstrassen

Gegenstand der vorliegenden NFA-Botschaft

Gegenstand der zweiten NFA-Botschaft

× × ×

2335

Aufgabenbereich

Gegenstand der vorliegenden NFA-Botschaft

4 Tierzucht 5 Individuelle Leistungen der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) 6. Individuelle Leistungen der Invalidenversicherung (IV) 7. Unterstützung der Betagten- und Behindertenorganisationen mit gesamtschweizerischer Tätigkeit (im Rahmen einer Teilentflechtung)

2.5.2

Gegenstand der zweiten NFA-Botschaft

× × × ×

Kantonsaufgaben

Demgegenüber sind die nachfolgend aufgeführten Aufgabenbereiche integral in die kantonale Verantwortung zu übertragen. Die Erläuterungen finden sich auch zu diesen Aufgabenbereichen unter der Ziffer 6.1 und unter der Ziffer 6.2: Aufgabenentflechtungen ­ Kantonsaufgaben Tabelle 2.2 Aufgabenbereich

Gegenstand der vorliegenden NFA-Botschaft

1. Sonderschulung 2. Ausbildungsbeihilfen bis und mit Sekundarstufe II (im Rahmen einer Teilentflechtung) 3. Turnen und Sport in der Schule (freiwilliger Schulsport) 4. Lehrmittel für Turnen und Sport 5. Luftreinhaltung und Lärmschutz mit Mineralölsteuermitteln (ohne National- und Hauptstrassen; im Rahmen einer Teilentflechtung) 6. Raumplanung (Finanzierungsentflechtung) 7. Denkmal-, Heimat- und Ortsbilderschutz, regional und lokal (im Rahmen einer Teilentflechtung) 8. Hauptstrassen, normale Vorhaben (im Rahmen einer Teilentflechtung) 9. Übrige Bereiche der Spezialfinanzierung «Strassenverkehr» (Niveauübergänge und andere Verkehrstrennungsmassnahmen) 10. Verbesserung der Wohnverhältnisse in den Berggebieten 11. Bau- und Betriebsbeiträge an Wohnheime, Werkstätten und Institutionen für die berufliche und medizinische Eingliederung 12. Ergänzungsleistungen, Heim- und Pflegekosten (im Rahmen einer Teilentflechtung) 13. Unterstützung der Hilfe und Pflege zu Hause (im Rahmen einer Teilentflechtung)

×

2336

Gegenstand der zweiten NFABotschaft

× × × × × × × × × × × ×

Die Aufgabenentflechtung muss im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Umbau des Finanzausgleichs im engeren Sinn gewürdigt werden. Sämtliche Lastenverschiebungen zu Ungunsten der Kantone werden mit nicht zweckgebundenen Mitteln kompensiert. Die Kantone sollen mit anderen Worten auch in finanzieller Hinsicht dazu befähigt werden, Aufgaben in alleiniger Verantwortung oder in interkantonaler Zusammenarbeit zu erfüllen.

Die angestrebte Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung dient letztlich dazu, fehlerhafte Entwicklungen der Vergangenheit zu korrigieren. Damit eine bundesstaatliche Aufgabenzuordnung auf Dauer gewährleistet werden kann, schlägt der Bundesrat vor, staatspolitische Grundsätze auf Verfassungsstufe zu verankern. Diese sollen zuhanden des Verfassungs- und Gesetzgebers als Leitfaden dazu beitragen, eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen auch inskünftig zu gewährleisten, d.h. nach erfolgter Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung (vgl.

Ziff. 2.6.).

Die Kantonalisierung einer Aufgabe bedeutet jedoch nicht, dass sich der Bund in jedem Fall vollumfänglich zurückziehen muss. Vielmehr ist es denkbar, dass er je nach Aufgabenbereich im Interesse einer minimalen Harmonisierung gewisse Leitplanken setzen kann. Diese wären jedoch strikt auf das Minimum zu beschränken und würden lediglich Rahmenvorschriften beinhalten. Der Bundesrat wird im Rahmen seiner zweiten NFA-Botschaft auf diesen Aspekt vertieft eingehen und in den einzelnen Aufgabenbereichen aufzeigen, ob und in welchem Ausmass solche Leitplanken in der Spezialgesetzgebung zum Tragen kommen sollen. Ferner ist eine Kantonalisierung nicht mit der Schaffung von 26 verschiedenen Systemen gleichzusetzen. Die Kantone sollen und müssen vermehrt zusammenarbeiten und ihre Gesetzgebungen harmonisieren (vgl. Ziff. 4).

2.5.3

Verbundaufgaben

Die Zuweisung eines Aufgabenbereichs zur Kategorie «Verbundaufgaben» stützt sich in erster Linie auf Überlegungen zur Wünschbarkeit sowie zur technischen und politischen Realisierbarkeit einer Klärung der jeweiligen Rollen und Kompetenzen.

Deshalb lässt sich aus der Zuweisung zur Kategorie «Verbundaufgaben» nichts Abschliessendes über die Eigenart eines Aufgabenbereichs bzw. über dessen Eignung für bestimmte Zusammenarbeitsformen ableiten. Es muss dabei beachtet werden, dass es sich bei den Verbundaufgaben um eine äusserst heterogene Kategorie von Aufgaben handelt.

Bei allen Unterschieden weisen die Verbundaufgaben dennoch eine Gemeinsamkeit auf: In allen Fällen soll die Verantwortung für die Finanzierung der Aufgabenerfüllung von Bund und Kantonen gemeinsam getragen werden. Es ist dieser Finanzierungsaspekt, welcher die Verbundaufgaben zu einem Thema für die NFA werden lässt.

In diesem Sinne sollen die nachfolgenden Aufgabenbereiche im Rahmen der neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen erfüllt werden. Auch zu diesen Aufgabenbereichen finden sich die Erläuterungen unter der Ziffer 6.1 und Ziffer 6.2.

2337

Aufgabenentflechtung ­ Verbundaufgaben Aufgabenbereich

Tabelle 2.3 Gegenstand der vorliegenden NFA-Botschaft

1. Ausbildungsbeihilfen im Tertiärbereich (im Rahmen einer Teilentflechtung) 2. Vermessung 3. Wildtiere (Jagd) und Fischerei 4. Hochwasserschutz 5. Wald 6. Natur- und Landschaftsschutz 7. Hauptstrassen, schwer finanzierbare Grossprojekte (im Rahmen einer Teilentflechtung) 8. Öffentlicher Regionalverkehr 9. Flugplätze 10. Landwirtschaftliche Strukturverbesserungen 11. Prämienverbilligung in der Krankenversicherung 12. Ergänzungsleistungen, Existenzsicherung (im Rahmen einer Teilentflechtung)

Gegenstand der zweiten NFA-Botschaft

× × × × × × × × × × × ×

In welchem Ausmass die enumerierten Verbundaufgaben im Rahmen von Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen zu lösen sein werden (vgl.

Ziff. 3.5.2), wird im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft von Fall zu Fall zu prüfen sein.

2.5.4

Zusammenhang mit der interkantonalen Zusammenarbeit

Einige öffentliche Aufgaben, welche die Kantone bzw. Bund und Kantone gemeinsam erbringen, generieren einen Nutzen, von dem über die jeweiligen Kantonsgrenzen hinaus auch andere Kantone profitieren. Sind keinerlei flankierende Massnahmen vorgesehen, entstehen in diesen Fällen so genannte Spillovers. Um die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Verluste zu vermeiden und die kantonsübergreifenden Aufgaben möglichst effizient zu erbringen, sieht die NFA eine ausgebaute interkantonale Zusammenarbeit sowie einen interkantonalen Lastenausgleich vor (vgl. Ziff. 4). Folgende Aufgabenbereiche sollen inskünftig im Rahmen der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich erbracht werden: Aufgabenbereiche im Rahmen der interkantonalen Zusammenarbeit Tabelle 2.4 Aufgabenbereich

1. Institutionen zur Eingliederung und Betreuung von Invaliden 2. Straf- und Massnahmenvollzug (unter finanzieller und materieller Beteiligung des Bundes)

2338

Gegenstand der vorliegenden NFA-Botschaft

× ×

Gegenstand der zweiten NFABotschaft

Aufgabenbereich

Gegenstand der vorliegenden NFA-Botschaft

Gegenstand der zweiten NFABotschaft

3. Öffentlicher Agglomerationsverkehr (unter finanzieller Beteiligung des Bundes an der Finanzierung normaler Investitionsvorhaben) × 4. Abwasseranlagen und Gewässerschutz × 5. Abfallanlagen Es sind weder Verfassungsnoch Gesetzesbestimmungen anzupassen.

6. Universitäten (unter finanzieller und materieller Diese Aufgabenbereiche werden im Rahmen der Arbeiten zu einem Beteiligung des Bundes) 7. Fachhochschulen (unter finanzieller und materieller neuen Hochschulartikel ausserhalb Beteiligung des Bundes) der NFA reformiert (vgl. Ziff. 6.3.5).

8. Spitzenmedizin und Spezialkliniken Es sind keine Verfassungs- oder 9. Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung Gesetzesbestimmungen auf Bundesebene anzupassen (vgl. Ziff. 6.2.3).

2.6

Änderungen der Bundesverfassung

2.6.1

Verfassungsrechtliche Verankerung des Subsidiaritätsprinzips

Das staatspolitisch bedeutsame Anliegen, die heute finanziell verflochtenen Aufgabenbereiche zu entwirren und damit klare Verantwortlichkeiten und Kompetenzen zu schaffen, muss auf Dauer angelegt sein. Nur dann wird es gelingen, das Prinzip der klaren Aufgabenzuweisung zu einem tragenden Prinzip des schweizerischen Föderalismus werden zu lassen. Daher soll das Subsidiaritätsprinzip als staatspolitische Maxime neu in der Bundesverfassung im Artikel 3a verankert werden. Es soll ihm eine generelle Beachtung in der bundesstaatlichen Aufgabenzuteilung zukommen.

Primärer Adressat der neuen Verfassungsnorm ist der Bundesgesetzgeber. Ihm wird die Aufgabe zufallen, das Subsidiaritätsprinzip von Fall zu Fall zu konkretisieren (vgl. Ziff. 6.5.1).

2.6.2

Verfassungsrechtliche Verankerung der Aufgabenzuweisungskriterien

In Verbindung mit dem Subsidiaritätsprinzip sollen in einem neuen Artikel 43a BV Aufgabenzuweisungskriterien verankert werden. Dabei sollen namentlich das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz (Übereinstimmung von Nutzniessern sowie Kostenund Entscheidungsträgern) sowie die Gebote der Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit ihren verfassungsmässigen Niederschlag finden. Als nicht einklagbare Grundsätze sollen sie, in Verbindung mit dem Subsidiaritätsprinzip, für die künftige Zuweisung staatlicher Aufgaben und damit für eine sinnvolle Aufgabenteilung im Bundesstaat wegweisend sein und für eine entsprechende Kontinuität sorgen (vgl.

Ziff. 6.5.1).

2339

2.6.3

Verfassungsrechtliche Verankerung der Autonomie der Kantone bei der Erfüllung ihrer Aufgaben

Die Grundprinzipien des schweizerischen Föderalismus, welche die Eigenständigkeit der Kantone festhalten (Aufgaben-, Organisations- und Finanzautonomie), sollen explizit auf Verfassungsstufe genannt werden. Damit wird kein verfassungsrechtliches Novum geschaffen. Vielmehr sollen im Zuge der vorliegenden Föderalismusreform die unbestrittenen Grundsätze der Eigenständigkeit der Kantone im Sinne eines selbstverständlichen verfassungsrechtlichen Bekenntnisses festgehalten werden. Die Verpflichtung des Bundes, die Eigenständigkeit der Kantone zu wahren, ist gegenüber der Formulierung von Artikel 47 BV deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Deshalb soll Artikel 47 BV um einen Absatz 2 ergänzt werden. Weitere Erläuterungen finden sich unter der Ziffer 6.5.1.

2.6.4

Einführung einer Normenkontrolle

Der Bundesrat schlägt mit Artikel 189 Absatz 2 (neu) BV vor, dass das Bundesgericht einem Bundesgesetz die Anwendung versagen kann, wenn dieses gegen eine verfassungsmässig gewährleistete Zuständigkeit der Kantone verstösst. Mit dieser verfassungsrechtlichen Verankerung der Verfassungsgerichtsbarkeit wird der Föderalismus mit einer zusätzlichen, justiziablen Komponente ausgestattet. Dadurch wird, in Kombination mit der verfassungsrechtlichen Verankerung des Subsidiaritätsprinzips, den Aufgabenzuweisungskriterien und der Autonomie der Kantone bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, die Stellung der Kantone massgeblich gestärkt (vgl.

ausführlich dazu die Erläuterungen in Ziff. 6.5.)

Zusammenfassend verspricht sich der Bundesrat von den vorgeschlagenen verfassungsrechtlichen Erneuerungen bzw. Klärungen einen verstärkten Rechtfertigungsund Begründungszwang für den Verfassungs- und Gesetzgeber. Stehen neue Aufgaben an, die einer staatlichen Regelung bedürfen, wird der staatspolitische Diskurs zwangsläufig vermehrt auch im Licht des Subsidiaritätsprinzips geführt werden müssen. Bundesrat und Parlament werden nicht zuletzt gegenüber dem Souverän verstärkt darzulegen haben, weshalb eine Aufgabe eher zentral oder dezentral zu lösen ist. Dadurch gewinnt die staatspolitische und staatsrechtliche Diskussion in Grundsatzfragen des Föderalismus und seiner Konkretisierung an Bedeutung. Dies dürfte namentlich auch im Zuge des europäischen Integrationsprozesses von nicht zu unterschätzender, staatspolitischer Bedeutung sein.

3

Die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen

Das Ziel der neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen in den gemeinsam zu erbringenden Aufgabenbereichen ist die effiziente Verwendung der eingesetzten Mittel. Die Kantone sollen im Rahmen der Bundesgesetzgebung vermehrt eigene Prioritäten setzen und definieren können, welche Instrumente sie für die Erfüllung der gemeinsam festgelegten Ziele einsetzen wollen.

Ineffiziente aufwandorientierte Subventionsformen zur Unterstützung von Einzelobjekten sollen so weit wie möglich wegfallen. Stattdessen sollen Pauschal- oder 2340

Globalsubventionen des Bundes zur Anwendung kommen, welche kohärente Mehrjahresprogramme unterstützen. Ferner soll ein Bonus-Malus-System sparsames und effizientes Verhalten der Subventionsempfänger fördern. Die konkrete Ausgestaltung der Zusammenarbeit in den jeweiligen Aufgabenbereichen wird nach Möglichkeit in Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen zu regeln sein, welche Art, Umfang und Finanzierung eines bestimmten Leistungsprogramms definieren. Im Interesse der Rechtssicherheit wird hierzu eine neue verfassungsmässige Grundlage vorgeschlagen.

Neben dem Gegenstand (Ziff. 3.1), den Mängeln der heute bestehenden Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen (Ziff. 3.2), den Zielen (Ziff. 3.3) und den Ergebnissen der Vernehmlassung (Ziff. 3.4), werden die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen erläutert (Ziff. 3.5 und 3.6) sowie die Verfassungsgrundlage für die Programmvereinbarungen dargelegt (Ziff. 3.7).

3.1

Gegenstand

Gegenstand der neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen sind jene Aufgabenbereiche, die nicht integral der einen oder anderen Staatsebene zugeordnet werden können. Sie werden damit auch inskünftig eine Verbundaufgabe zwischen Bund und Kantonen darstellen.

Verbundaufgaben im Sinne der NFA liegen dann vor, wenn die Verantwortung für die Finanzierung der Aufgabenerfüllung von Bund und Kantonen gemeinsam getragen wird (vgl. Ziff. 2.5.3).

Verfassungsrechtlich gesprochen werden die Kantone auf dem Gebiet der Verbundaufgaben wie auch im herkömmlichen Vollzugsföderalismus bei der Umsetzung des Bundesrechts im Rahmen einer Bundesaufgabe tätig. Dies gilt unabhängig von der Frage, wer die Kosten trägt bzw. wie die Finanzierung der Aufgabenerfüllung im Einzelnen geregelt ist und in welchem Mass die Kantone Vorschriften zu erlassen haben. Verbundaufgaben sind damit eine Kategorie der Umsetzung des Bundesrechts nach Artikel 46 BV. Verfassungsrechtlich gesehen gehören daher zu den Aufgaben des Bundes auch solche, die gemäss Konzept und Terminologie der NFA zu den Verbundaufgaben oder den kantonalen Aufgaben (d.h. kantonal durchzuführenden und zu finanzierenden) zählen. Diese begrifflichen Unstimmigkeiten sind nicht weiter problematisch ­ vorausgesetzt, man hält sich stets vor Augen, dass Kantonsaufgaben (im Sinn des Art. 43 BV) und kantonale Aufgaben (im Sinn der NFATerminologie) beziehungsweise Bundesaufgaben (im Sinn von Art. 42 BV) und Bundesaufgaben (im Sinn der NFA-Terminologie) nicht deckungsgleich sind29.

29

Wie weiter unten dargelegt wird, sollen u.a. die kollektiven Leistungen der IV zur Kantonsaufgabe erklärt werden. Allerdings soll der Bund auch nach einer Kantonalisierung Eingliederungsziele auf Gesetzesstufe zuhanden der Kantone erlassen. Verfassungsrechtlich gesehen ist daher weiterhin von einer Bundesaufgabe zu sprechen.

In der NFA-Terminologie handelt es sich aber um eine kantonale Aufgabe.

2341

3.2

Mängel der heutigen Finanzierungsformen

Der Bund gewährt den Kantonen unter gewissen Voraussetzungen Subventionen, welche im Subventionsgesetz (SuG) festgehalten werden. Die Subventionen können in Form von Finanzhilfen oder Abgeltungen für die Erfüllung staatlicher Aufgaben ausgerichtet werden. Bei der heutigen Ausgestaltung sind u.a. die folgenden Mängel hervorzuheben30: ­

Die Subventionen des Bundes, welche eine Anreizfunktion für die Erfüllung von Aufgaben darstellen, können gemäss Artikel 8 Absatz 1 SuG in Abhängigkeit der kantonalen Finanzkraft ausgerichtet werden. Damit sollen mit einem Instrument gleich zwei Ziele, ein Anreiz- und ein Umverteilungsziel, erreicht werden. Diese Vermischung führt jedoch zu Fehlanreizen und Ineffizienzen (vgl. Ziff. 5.2.4).

­

Zwar können Subventionen gemäss Artikel 7 Buchstabe e SuG in der Form von Global- oder Pauschalsubventionen ausgerichtet werden, in der Praxis werden sie jedoch meist aufwandorientiert ausgerichtet. Aufwandorientierte Finanzhilfen stellen die Kosten einer erbrachten Leistung in den Mittelpunkt. Die Frage nach deren Wirkung und Effizienz gerät dadurch in den Hintergrund.

­

Ein weiterer Mangel besteht darin, dass oft mehrere Finanzhilfen und Abgeltungen für denselben Politikbereich vorgesehen sind. Dies verringert die Transparenz und erhöht den Koordinationsaufwand.

­

Die jeweils zuständigen Stellen des Bundes gewähren gemäss Artikel 16 Absatz 1 SuG Finanzhilfen und Abgeltungen in der Regel in Form von Verfügungen. Der Bund tritt damit gegenüber den Kantonen gewissermassen hierarchisch übergeordnet auf.

3.3

Ziele

Die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen haben zum Ziel, die finanziellen Mittel sparsam und zugleich wirksam einzusetzen. Zudem soll die heutige Normendichte reduziert werden.

Als Instrumente stehen dazu Global- oder Pauschalsubventionen im Zentrum. Neu ist beabsichtigt, verstärkt kohärente Mehrjahresprogramme zu subventionieren. Zudem soll ein Wechsel von einer Optik des Inputs (Kostenorientierung) hin zu einer Optik des Outputs (Wirkungsorientierung) vollzogen werden. Die zu erzielenden Resultate sollen im Rahmen von Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen auf der Grundlage der jeweiligen Spezialgesetzgebung des Bundes ausgehandelt werden. Weiter soll ein entsprechendes Controlling sowie ein Bonus-MalusSystem für den wirtschaftlichen Einsatz der vorgesehenen Mittel eingeführt werden.

30

Vgl. Frey, René L.; Spillmann, Andreas; Dafflon, Bernard; Jeanrenaud, Claude; Meier, Alfred; Der Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen. Expertise zu den Finanzhilfen und Abgeltungen des Bundes an die Kantone im Auftrag der Eidgenössischen Finanzverwaltung und der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren; Bern, 1994.

2342

Die beiden Bereiche Wald und Amtliche Vermessung haben im Weiteren verdeutlicht, wie heterogen die bereichsweisen Voraussetzungen für die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen sind. Das heisst, dass die Trennungslinie zwischen dem Bereich, für den der Bund zuständig sein soll und jenem, für den die Kantone zuständig sein sollen, von Aufgabe zu Aufgabe unterschiedlich verlaufen wird. Damit wird auch der den Kantonen einräumbare Handlungsspielraum je nach Aufgabe unterschiedlich gross sein. Einen einheitlichen Raster, der für alle denkbaren Aufgabenbereiche den Einfluss des Bundes festlegen könnte, gibt es nicht. Die Trennungslinien zwischen den Bundes- und den Kantonskompetenzen werden vielmehr aufgabenspezifisch festzulegen sein.

3.4

Ergebnisse der Vernehmlassung

Sämtliche Kantone begrüssten die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen. Die KdK sowie die Kantone Zürich, Uri, Schwyz, Graubünden, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura betonten, dass sie eine echte Stärkung der partnerschaftlichen Aufgabenerfüllung und keine übertrieben detaillierten Leistungsverträge und -kontrollen erwarten. Die Beschränkung des Bundes auf die strategische Ebene solle nicht toter Buchstabe bleiben und den Kantonen solle im Hinblick auf die operative Umsetzung das nötige Vertrauen in ihre Urteils- und Leistungskraft entgegengebracht werden31. Die Ablösung aufwandorientierter Subventionen durch Global- und Pauschalbeiträge wurde von den Kantonen mehrheitlich begrüsst.

Die CVP, der CNG, der Schweizerische Bauernverband (SBV) und der Schweizerische Gewerbeverband (sgv) unterstützten die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen. CVP und der LPS wiesen darauf hin, dass bei den neuen Leistungsvereinbarungen der Bundeseinfluss auf die Ausgestaltung der Aufgabenerfüllung durch die Kantone nicht ausgebaut werden dürfe. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) warnte vor der Möglichkeit einer allfälligen neuen Normenflut. Die SPS und die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) waren mit dem allgemeinen Grundsatz, wonach im Rahmen der neuen Zusammenarbeitsformen zwischen Bund und Kantonen die heutige Normendichte auf Gesetzes- und Verordnungsstufe zu reduzieren sei, nicht einverstanden. Die auf Bundesebene notwendige Normendichte sei eine Funktion der Aufgabenziele und nicht umgekehrt.

Mehrere Umweltschutzverbände, der SGeV und der SSV erachteten die Umstellung auf Global- und Pauschalsubventionen als richtig, machten jedoch darauf aufmerksam, dass der Bund damit weitgehend seinen Einfluss auf den Vollzug verlieren werde. Auch falle damit die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Gesetzmässigkeit eines subventionierten Projekts weg. Dies müsse durch eine wirksame Kontrolle entsprechend kompensiert werden.

Der Bundesrat erachtet die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen als eine Chance, die Zusammenarbeit zwischen den Staatsebenen zu optimieren, kostentreibende Faktoren zu eliminieren und die Wirkungen staatlicher Massnahmen zu verbessern. Das heisst nicht, den Einfluss des Bundes in den subventionierten Aufgabenbereichen auf Kosten von Qualität und Rechtssicherheit abbauen zu wollen.

31

Die Problematik der diesbezüglichen, im NFA-Vernehmlassungbericht verwendeteten Begriffe «strategisch» bzw. «operativ» werden unter Ziffer 3.5.1 erläutert.

2343

Vielmehr muss es darum gehen, kostentreibende Verfahren zu vereinfachen, aufgesplitterte und im selben Politikbereich untereinander nicht koordinierte Einzelsubventionen zu einem kohärenten Mehrjahresprogramm zu bündeln und damit letztlich die eingesetzten Steuergelder wirtschaftlicher und wirksamer einzusetzen.

3.5

Die neuen Zusammenarbeitsformen aus staats- und verwaltungsrechtlicher Sicht

3.5.1

Grundsätze der Zusammenarbeit

Ausgangspunkt ist die gemeinsame finanzielle Verantwortung von Bund und Kantonen für die Erfüllung der Verbundaufgaben. Aus der NFA-Perspektive lassen sich gewisse grundsätzliche Anforderungen und Leitideen für die Ausgestaltung der Zusammenarbeit von Bund und Kantonen in den einzelnen Verbundaufgaben formulieren. Angestrebt wird die partnerschaftliche und effiziente Aufgabenerfüllung, wobei den Kantonen erhebliche Eigenverantwortung, insbesondere im Mitteleinsatz, zugestanden werden muss. Dabei kann Folgendes festgehalten werden: ­

Auf Grund der Teilung der Finanzierungsverantwortung soll die Zuständigkeit zum Erlass der notwendigen Vorschriften zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt werden. Diese Aufteilung folgt der Devise «Wer zahlt, befiehlt!»32.

Der Bund soll sich möglichst auf die Regelung der Ziele und Grundsätze der Aufgabenerfüllung beschränken und vom Erlass detaillierter Gesetzes-, Verordnungs- und Weisungsbestimmungen absehen. Damit soll Raum geschaffen werden für die Aushandlung von Absprachen zwischen Bund und Kantonen im Rahmen von Programmvereinbarungen. Gleichzeitig soll der Handlungsspielraum bei der Umsetzung der Ziele vergrössert werden.

Eine Grenze für den Abbau der Normendichte dürfte allerdings dort zu ziehen sein, wo landesweit einheitliche Standards gelten sollen. Ist eine Gleichbehandlung aller (unabhängig vom Wohnsitz) geboten ­ sei es aus Gründen der allgemeinen Rechtsgleichheit, sei es aus Gründen der Wettbewerbsneutralität ­ kann sich der Bund nicht auf das Festlegen von Zielen und Grundsätzen beschränken33.

­

32

33

Massstab für die Beurteilung der Aufgabenerfüllung sollen die Ergebnisse sein. Dadurch sollen die heutigen kostentreibenden Anreize («je teurer, desto mehr Subventionen») beseitigt werden. Anreiz- und Umverteilungsziel sollen getrennt werden. Das Umverteilungsziel wird neu ausschliesslich mit dem Ressourcenausgleich angestrebt (vgl. Ziff. 5.5). Als Instrumente der bundesstaatlichen Zusammenarbeit sollen vermehrt wirkungsorientierte Vereinbarungen über Programme und über Leistungsangebote zum Einsatz kommen. Die finanzielle Förderung soll in der Regel mittels Pauschal- und Globalsubventionen erfolgen. Auf ineffiziente, inputgesteuerte Subventionsformen soll wenn möglich verzichtet werden.

Die Devise «Wer zahlt, befiehlt!» entspricht dem so genannten Grundsatz der Konnexität.

Vgl. Entwurf des Bundesbeschlusses zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen Art. 43a Abs. 3 BV.

Vgl. Entwurf des Bundesbeschlusses zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen Art. 43a Abs. 4 BV.

2344

1999 wurde im NFA-Vernehmlassungsbericht dargelegt, dass bei den Verbundaufgaben dem Bund die strategische Rolle zufällt, während die Kantone für die operative Ebene zuständig sein sollen. Die Begriffe «Strategie» bzw. «strategische Ziele» sind als Rechtsbegriffe bisher jedoch ohne präzise Konturen geblieben. Bei der Regelung des Verhältnisses Parlament­Regierung­Verwaltung wurde daher bis anhin davon abgesehen, auf den Begriff «Strategie» oder «strategische Ziele» abzustellen.

Unklare Begriffe eignen sich nicht zur Abgrenzung von Kompetenzen. Soweit es um die rechtliche Festlegung der jeweiligen Kompetenzen sowie deren Abgrenzung geht, ist es daher ratsam, auf die erwähnten Begriffe auch im Verhältnis zwischen Bund und Kantonen zu verzichten und die jeweiligen Rollen, Zuständigkeiten und Kompetenzen sinnvollerweise im konkreten Fall zu definieren.

3.5.2

Das Instrument der Programmvereinbarung

3.5.2.1

Inhalt und bisherige Erfahrungen

Für die konkrete Zusammenarbeit von Bund und Kantonen im Bereich von Verbundaufgaben wird dem Instrument der Programmvereinbarung eine zentrale Rolle zugedacht. Programmvereinbarungen sind zwischen der bundesrechtlichen Regelung der Grundsätze und Ziele für einen bestimmten Aufgabenbereich und der Umsetzung bzw. dem Vollzug durch die Kantone angesiedelt.

Die Programmvereinbarungen regeln ein Subventionsverhältnis: Der Bund gewährt den Kantonen Geldleistungen, wenn diese bestimmte Aufgaben in der gemeinsam in der Programmvereinbarung festgelegten Weise erfüllen. Dieses Subventionsverhältnis weist einige Besonderheiten auf: ­

Die Geldleistung soll grundsätzlich global für ein ganzes Programm festgelegt werden und dem Kanton Gestaltungsspielraum offen lassen.

­

Ein besonderes Augenmerk gilt der Wirkungsorientierung (Output- und Outcomsteuerung) im Sinn des NPM.

­

Die Programmvereinbarung soll dem Gedanken des partnerschaftlichen Zusammenwirkens von Bund und Kantonen bei gemeinsam getragenen (finanzierten) Aufgaben Ausdruck verleihen, womit sie eine gewisse staatspolitische Dimension erhält.

Die hauptsächlichen Elemente einer Programmvereinbarung sind: ­

Festlegung der Ziele, die der Kanton verfolgen soll, bzw. der Leistungen, die der Kanton erbringen soll.

­

Finanzierungsleistungen des Bundes.

­

Instrumente der Wirkungs- und Leistungsbeurteilung.

­

Regelung der Folgen bei Nichterfüllung des Vertrags.

­

Anpassungsmodalitäten bzw. wesentliche Änderungen der Rahmenbedingungen.

­

Verfahren zur Streitschlichtung und Vermittlung.

­

Die Gestaltung der Finanzaufsicht durch das Zusammenwirken der Eidgenössischen Finanzkontrolle mit den kantonalen Finanzkontrollen.

2345

Die Vereinbarungsstandards müssen im Einzelnen noch entwickelt werden. Offen ist insbesondere die Frage, welche Regelungselemente in der bundesrechtlichen Grundsatzgesetzgebung und welche in den Vereinbarungen festzuhalten sind. In jedem Fall ist anzustreben, dass die Vereinbarungen ein rasches und flexibles Reagieren auf neue Umstände ermöglichen und die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen vereinfachen.

Seit mehreren Jahren werden bereits Erfahrungen im Rahmen von Pilotprojekten mit Programmvereinbarungen z.B. im Bereich Wald und in der Amtlichen Vermessung gesammelt. So erbringen beispielsweise einzelne Kantone im Rahmen von Mehrjahresprogrammen Leistungen zur Erhaltung von Schutzwäldern, während der Bund mit Globalsubventionen zu deren Finanzierung beiträgt. Im Bereich der Amtlichen Vermessung wurden im Rahmen mehrjähriger Programme die Vermessungsleistungen eines Kantons und die Finanzleistungen des Bundes festgelegt. Die ersten Erfahrungen sind ermutigend. Eine Evaluation hat aufgezeigt, dass deutliche Verbesserungen bei der Leistungserbringung eingetreten sind. So konnten eine klarere Rollenteilung zwischen Bund und Kantonen, neue Handlungsspielräume und erhöhte Leistungsmotivation der Kantone, Abbau von Hierarchien und von administrativen Doppelspurigkeiten festgestellt werden. Es hat sich ferner gezeigt, dass der Erfolg der Programmvereinbarungen nicht zuletzt auch von psychologischen Faktoren abhängig ist. Die Arbeit mit Programmvereinbarungen verlangt von den Beteiligten eine gewisse Bereitschaft, umzudenken und vermehrt den Dialog zu suchen, so z.B.

im Bereich der Quantifizierung von Leistungen oder bei der Festlegung der massgebenden Leistungsindikatoren.

3.5.2.2

Programmvereinbarungen als Vertrag oder als Verfügung?

Programmvereinbarungen können in Vertragsform abgeschlossen werden. Die vertragliche Form trägt den Merkmalen und Eigenarten der Programmvereinbarung Rechnung. Eine Programmvereinbarung kann über einen subventionsrechtlichen Verwaltungsvertrag hinaus staatsvertragliche Züge annehmen; je nach Inhalt oder je nachdem, wo die Abschlusszuständigkeit (Verwaltungsstelle oder Regierungen, eventuell unter Beizug der Parlamente) angesiedelt ist.

In der bisherigen bundesstaatlichen Praxis hat der Vertrag im Verhältnis Bund­ Kantone allerdings bloss eine untergeordnete Rolle gespielt. Dies hat Folgen für den gegenwärtigen Stand der Praxis. Eine ausgereifte Vertragsdogmatik steht nicht bereit. Die Kategorie des staatsrechtlichen Vertrags zwischen Bund und Kantonen beispielsweise ist bisher ohne schärfere Konturen geblieben. Entsprechend bedingt eine vermehrte Verwendung des Vertrags im Verhältnis zwischen Bund und Kantonen die Weiterentwicklung der juristischen Lehre und Praxis zum öffentlichen Vertrag.

Einzuräumen ist, dass die Entscheidung zu Gunsten der Vertragsform ­ ob staatsrechtlich oder verwaltungsrechtlich ­ den Kantonen keineswegs allein schon eine gute Ausgangsposition sichert. Die entscheidenden Festlegungen und Weichenstellungen werden nicht bei der Formenwahl vorgenommen, sondern dort, wo der materielle Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum der involvierten staatlichen Organe sowie das Instrumentarium festgelegt werden, d.h. in der Spezialgesetzgebung.

2346

Wesentlich erscheint, dass der mit der Vertragsform assoziierte partnerschaftliche Gedanke sich grundsätzlich auch mit der Verfügungsform, z.B. der mitwirkungsbedürftigen Verfügung, verwirklichen lässt. Dies ist der Fall, wenn das, was am Ende durch Verfügung in einer rechtsverbindlichen Form festgehalten wird, tatsächlich das Resultat eines Aushandlungsprozesses unter einander gleichgestellten Partnern ist. Die Verfügungsform ist insofern von Bedeutung, als sie es erlaubt, gewissen Problemen auszuweichen, die eine Wahl der Vertragsform ­ ob nun staatsrechtlich oder verwaltungsrechtlich ­ mit sich bringt (fehlende allgemeine gesetzliche Regelung des öffentlich-rechtlichen Vertrags, wenig befriedigender Rechtsschutz, Rechtsunsicherheit mangels ausgereifter Vertragsdogmatik).

Denkbar ist auch eine Kombination vertraglicher und verfügungsmässiger Elemente.

Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen im Bereich einer Verbundaufgabe lässt sich beispielsweise auf zwei Schritte ­ vorzugsweise mit einer gewissen zeitlichen Staffelung ­ aufteilen. Zunächst wird eine Vereinbarung zwischen dem Bund und dem betreffenden Kanton über die gesamten Modalitäten des Programms unterzeichnet. Hierbei handelt es sich, rechtlich betrachtet, um eine gemeinsame Absichtserklärung mit politischer Bindungswirkung. Im Nachgang dazu wird ein vollziehender einseitiger Rechtsakt der zuständigen Verwaltungsstelle des Bundes erlassen. Dieser wandelt die zuvor partnerschaftlich ausgehandelten und festgelegten Modalitäten der Aufgabenerfüllung in der rechtlichen Gestalt von Bedingungen und Auflagen in eine verbindliche Subventionsverfügung um. Diese Verfügung kann dann z.B. Anknüpfungspunkt sein für Fragen der Durchsetzung oder des Rechtsschutzes.

Eine solche Staffelung vermag ein zentrales Problem der Programmvereinbarung zu lösen, nämlich die Verknüpfung der inhaltlichen Aspekte der Aufgabenerfüllung mit der Frage der Finanzierung. So wäre es problematisch, Mittel in Aussicht zu stellen (und damit aus der Sicht der Kantone Planungssicherheit herzustellen), wenn noch unsicher ist, ob die erforderlichen finanziellen Mittel im Budgetprozess tatsächlich bewilligt und für die Durchführung des vereinbarten Programms zur Verfügung stehen werden.

3.5.2.3

Gleichbehandlung der Kantone

Das schweizerische Bundesstaatsrecht geht vom Grundsatz der Gleichbehandlung der Kantone aus. Dieser Grundsatz schliesst jedoch im Bereich der Verbundaufgaben einen gewissen kantonalen Wettbewerb um die knapp bemessenen Bundesmittel nicht aus. Denkbar erscheint auch, dass besondere Anstrengungen der Kantone bei der Umsetzung des Bundesrechts speziell honoriert werden.

Die Rahmenbedingungen betreffend diesen Wettbewerb um Bundesmittel (Ausmass, Kriterien, weitere wichtige Aspekte) müssen hinreichend gesetzlich abgestützt und durch legitimierte Organe festgelegt werden. Der Wettbewerb könnte auf diese Weise z.B. dort beschränkt werden, wo es geboten ist, ein landesweit gleichmässiges Grundangebot sicherzustellen.

2347

3.5.2.4

Die Stellung der Leistungserbringer

Im Bereich der Verbundaufgaben sollen den Kantonen Global- oder Pauschalbeiträge des Bundes zufliessen. Soweit nicht die Kantone selbst, sondern z.B. Städte und Gemeinden die vereinbarten Leistungen erbringen, stellt sich die Frage, ob die vom Bund zu den Kantonen fliessenden Mittel letztlich auch den tatsächlichen Leistungserbringern, die selbst nicht Partner der Programmvereinbarung sind, zugute kommen. Es wird für die einzelnen Aufgabenbereiche zu prüfen sein, ob der Bund die Kantone zur Weiterleitung der Bundesmittel an die tatsächlichen Leistungserbringer verpflichten soll. Zu beachten ist, dass dabei in die kantonale Gestaltungsfreiheit und Autonomie eingegriffen wird. Entsprechende Verpflichtungen sollten daher auf Gesetzesstufe ­ und zwar im massgeblichen Spezialgesetz ­ verankert werden, nicht erst auf der Stufe der Programmvereinbarung.

3.5.3

Flexible Umsetzung

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Verwendung der Programmvereinbarung als Instrument nicht zwingend für den gesamten Bereich der Verbundaufgaben einheitlich erfolgen muss. Die Verschiedenheit der Aufgabenbereiche und die begrenzten Erfahrungen mit dem Instrument lassen ein differenzierendes Vorgehen angezeigt erscheinen. Ein pragmatischer Ansatz wird eher von bekannten und bewährten Formen ausgehen (d.h. von der subventionsrechtlichen Betrachtungsweise und von der Rechtsform der Verfügung) und versuchen, diese in praxisnaher Weise weiterzuentwickeln.

3.6

Die neuen Finanzierungsformen

3.6.1

Die neue Doktrin

Wie bereits unter Ziffer 3.2 erwähnt, weist die gegenwärtige Regelung der objektgebundenen Subventionen verschiedene Mängel auf. Diese Mängel können nur mit einer neuen Doktrin im Subventionsbereich behoben werden, die auf folgenden drei Pfeilern beruht34:

34

­

Konsolidierung. Statt spezifische Vorhaben oder Tätigkeiten zu subventionieren, sollen neu verstärkt langfristig angelegte Programme unterstützt werden. Dadurch wird den Kantonen die Möglichkeit eingeräumt, die für die Zielerreichung zugewiesenen Mittel im Rahmen des vereinbarten Leistungskatalogs vermehrt nach eigenen Bedürfnissen einzusetzen.

­

Übergang zu Pauschalen. Wer eine Pauschale erhält, muss ein Interesse daran haben, die Kosten tief zu halten. Einsparungen, die der Subventionsempfänger gegenüber den Vorgaben macht, auf deren Grundlage der Pauschalbetrag festgesetzt wurde, soll er im Sinne eines Bonus-MalusSystems behalten. So weit als möglich sollte man Abstand nehmen von Pauschalen, die sich an den effektiven Kosten orientieren. Vorzuziehen sind Vgl. Jeanrenaud, Claude; Blöchliger, Hansjörg; Neue Subventionsformen zwischen Bund und Kantonen; Neuchâtel und Basel, 2000.

2348

Pauschalen nach Leistungseinheit, deren Höhe auf Grund von Standardausgaben oder auf Grund von Bedarfsindikatoren festgesetzt werden.

­

Einführung von Marktmechanismen. Dabei sind zwei Aspekte zu beachten: Zum einen kann der Subventionsmechanismus positive (Belohnung) oder negative (Sanktionen) finanzielle Anreize vorsehen, je nachdem, ob die vereinbarten Ziele erreicht werden oder nicht. Zum anderen soll, allerdings in beschränktem Masse, die Realisierung einer Aufgabe öffentlich ausgeschrieben werden können, wenn Kantone Subventionsempfänger sind.

Die Ausgestaltung der neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen auf Gesetzesstufe (z.B. das SuG) wird im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft darzustellen sein. Immerhin lassen sich bereits jetzt allgemeine Erkenntnisse über Gemeinsamkeiten und spezifische Probleme bei der Schaffung neuer Subventionsformen zwischen Bund und Kantonen skizzieren. So sind namentlich bei der Schaffung und der Umsetzung neuer Subventionsformen Verallgemeinerungen zu vermeiden. Das heisst, dass die Verbundaufgaben im Rahmen jeweils massgeschneiderter Subventionsformen zu unterstützen sein werden.

Damit sich das System der leistungsbezogenen Pauschalbeiträge anwenden lässt, muss das Volumen der Leistungen vorhersehbar sein. Anzustreben ist, dass das Leistungsangebot über einen bestimmten Zeitraum nicht zu starken Schwankungen unterworfen ist, da der Pauschalbeitrag ansonsten ständig neu angepasst werden müsste. Soweit möglich werden Qualitätsstandards zu entwickeln sein, mit denen der Bund die Wirksamkeit der Subventionen und den Grad der Erreichung der gesetzten Ziele überprüfen kann.

3.6.2

Ausblick auf die zweite Botschaft

Es zeichnet sich ab, dass für die Einführung neuer Finanzierungsformen ein pragmatisches Vorgehen angezeigt ist. Der Bundesrat wird im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft auf die aufgeworfenen Fragen zurückkommen und die entsprechenden Anträge stellen.

Das SuG ist in erster Linie auf objektbezogene Subventionen ausgerichtet. Es wird zu prüfen sein, wie weit die Bestimmungen im SuG anzupassen sind. Da das SuG nur subsidiär gilt, werden in erster Linie die in Frage kommenden Spezialgesetze angepasst werden müssen.

3.7

Verfassungsgrundlage für die Programmvereinbarungen

Im Bereich der Verbundaufgaben setzt der Bund Recht, das von den Kantonen umgesetzt werden soll (vgl. Art. 46 BV). Hier verfügen neben dem Bund jeweils auch die Kantone über Befugnisse. Die allgemeine verfassungsrechtliche Voraussetzung für den Abschluss von vertraglichen Programmvereinbarungen im Verhältnis Bund­ Kantone ist also hier bereits im Rahmen der geltenden Verfassung gegeben35.

35

Eine Einschränkung kann sich aus besonderen Verfassungsvorschriften ergeben.

2349

Eine Ergänzung der Verfassung ist somit streng genommen nicht erforderlich. Dennoch schlägt der Bundesrat mit Artikel 46 Absatz 2 und 3 BV die Schaffung einer besonderen, ausdrücklichen Verfassungsgrundlage für das Instrument der Programmvereinbarung vor. Eine solche Ergänzung der Bundesverfassung ist eine nützliche Verdeutlichung und erscheint aus staatspolitischen Gründen angezeigt (vgl. Ziff. 6.5.1).

4

Die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich

Die Stärkung der einzelnen Kantone im föderalen System kann nur dann gelingen, wenn die Kantone als Gesamtheit gegenüber dem Bund an Gewicht gewinnen. Gewisse bis anhin zentralisierte oder dezentralisierte Aufgaben sollen dank neuen Instrumenten vermehrt auf interkantonaler Ebene erbracht werden. Auf diese Weise können die lokalen und regionalen Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger im Vergleich mit einer beim Bund zentralisierten Aufgabenerfüllung besser berücksichtigt werden.

Die institutionalisierte interkantonale Zusammenarbeit hat zum Ziel, kantonsübergreifende öffentliche Aufgaben in guter Qualität und auf wirtschaftlich effiziente Art zu erfüllen. Diejenigen Kantone, welche öffentliche Leistungen zu Gunsten anderer Kantone erbringen, sollen durch einen Lastenausgleich adäquat entschädigt werden.

Im Rahmen der NFA soll die horizontale Zusammenarbeit substanziell ausgebaut werden. Sie soll im Interesse der Rechtssicherheit und der Transparenz auf klare verfassungsmässige und gesetzliche Grundlagen gestellt werden. Ein Hauptmangel der heute bereits existierenden interkantonalen Zusammenarbeit ist deren Freiwilligkeit. Deshalb soll der Bundesrat als Schiedsrichter ­ auf Antrag einer vom Gesetzgeber zu bestimmenden Mehrheit der Kantone ­ einzelne Kantone zur horizontalen Mitarbeit verpflichten können.

Indem der Bund die prozedural-rechtlichen Voraussetzungen für horizontale Zusammenarbeitsformen mit Lastenausgleich schafft, senkt er die Transaktionskosten für deren Vereinbarung und Abwicklung. Eine darüber hinausgehende Kompetenz des Bundes, die interkantonale Zusammenarbeit zu erzwingen oder diese inhaltlich zu regeln, wäre mit den Grundprinzipien des schweizerischen Föderalismus jedoch unvereinbar.

Neben dem Gegenstand (Ziff. 4.1), den Mängeln der heute bestehenden interkantonalen Zusammenarbeit (Ziff. 4.2), den Zielen (Ziff. 4.3) und den Ergebnissen der Vernehmlassung (Ziff. 4.4), wird auch auf die Rolle des Bundes bzw. auf die Verfassungs- und Gesetzesänderungen (Ziff. 4.5) eingegangen. Unter Ziff. 4.6 werden danach die interkantonalen Regelungen erläutert.

4.1

Gegenstand

Bereits unter Ziffer 1.1.6.2 wurde im Zusammenhang mit der Frage einer allfälligen Gebietsreform auf ein zentrales Problem der heutigen föderalen Struktur der Schweiz verwiesen. Auf Grund der steigenden Mobilität der Bevölkerung sowie des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturwandels entsprechen die politisch2350

administrativen (territorialen) Entscheidungsstrukturen immer weniger den sozioökonomischen Lebens- und Problemräumen. So führt z.B. das rasante Wachstum des Dienstleistungssektors zu einer erhöhten beruflichen Mobilität und die immer häufigere Trennung von Arbeits- und Wohnort bringt eine massive Zunahme der Pendlerströme mit sich, während das veränderte Ferien- und Freizeitverhalten die Mobilität auch im privaten Bereich noch zusätzlich steigert.

Dies hat zur Folge, dass sowohl die Infrastruktur als auch die öffentlichen Leistungen eines Kantons ­ insbesondere der Zentrumskantone ­ immer öfter von Bürgerinnen und Bürgern anderer Kantone in Anspruch genommen werden, ohne dass diese jedoch für die konsumierten Leistungen aufkommen. Auf diese Weise wird gegen das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz verstossen, wodurch räumliche externe Effekte, so genannte Spillovers entstehen (vgl. Ziff. 1.1.3). Diese wiederum führen zu gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten in Form einer suboptimalen Bereitstellung öffentlicher Güter. Um diese negativen Effekte zu vermeiden, können zwei Wege eingeschlagen werden: eine umfassende Gebietsreform oder eine interkantonale Zusammenarbeit mit einem Lastenausgleichssystem.

Unter Ziffer 1.1.6.2 wurde bereits dargelegt, weshalb der Bundesrat auf eine Gebietsreform verzichtet. Stattdessen zieht er die Option einer interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich vor. Die heutige interkantonale Zusammenarbeit weist allerdings Mängel auf. Aus diesem Grund will der Bundesrat die interkantonale Zusammenarbeit ausbauen und im Hinblick auf eine möglichst umfassende Rechtssicherheit und Transparenz auf eine neue verfassungs- und gesetzmässige Basis stellen. Zudem soll ein interkantonaler Lastenausgleich eingeführt werden, mit dessen Hilfe die Spillover-Problematik angegangen werden kann.

4.2

Die heutige interkantonale Zusammenarbeit und ihre Mängel

Bereits heute befasst sich eine beachtliche Anzahl von Institutionen mit der interkantonalen Zusammenarbeit und Koordination. Eine der wichtigsten davon ist die 1993 gegründete KdK. Sie setzt sich u.a. für die Zusammenarbeit unter den Kantonen ein und stellt in kantonsrelevanten Angelegenheiten des Bundes die erforderliche Koordination und Information der Kantone sicher.

Hinzu kommen insgesamt 18 interkantonale Fachdirektorenkonferenzen, welche auf politischer Ebene Beratungs- und Koordinationsaufgaben wahrnehmen und in unterschiedlichem Ausmass eine untereinander abgestimmte Politik anstreben. Ausserdem verfolgen vier regionale Regierungskonferenzen das Ziel einer verstärkten regionalen Zusammenarbeit. Auf Verwaltungsstufe existiert eine grosse Anzahl von Konferenzen bis hinunter auf die Sachbearbeiterebene. Diese interkantonalen Konferenzen weisen überwiegend die Form von privatrechtlichen Vereinen nach Artikel 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) vom 10. Dezember 190736 auf.

Bezüglich des Organisations- und Wirkungsgrades bestehen zwischen den einzelnen Konferenzen beträchtliche Unterschiede.

Der Hauptmangel der heutigen interkantonalen Zusammenarbeit ist deren Freiwilligkeit. Grundsätzlich kann kein Kanton verpflichtet werden, horizontale Zusam36

SR 210

2351

menarbeitsformen einzugehen. Zwar kann schon heute in interkantonalen Verträgen über Diskriminierungsklauseln Druck auf nicht kooperationswillige Kantone ausgeübt werden37. Diese Regelungen greifen jedoch als wirkungsvolle Verpflichtung zur kantonsübergreifenden Zusammenarbeit zu kurz und können Trittbrettfahrerverhalten nicht verhindern. Auf Grund des Fehlens klarer Regeln müssen interkantonale Verträge zudem stets neu ausgehandelt werden, was mit bedeutenden Transaktionskosten verbunden ist.

Auch auf Bundesebene bestehen nur beschränkt Rechtsgrundlagen, die eine interkantonale Zusammenarbeit zwingend vorschreiben würden. Soweit in Bundeserlassen Zusammenarbeitspflichten explizit genannt werden, haben diese punktuellen Charakter. Damit ist es dem Bund nur sehr beschränkt möglich, eine wirkungsvolle interkantonale Zusammenarbeit zu fördern oder die Rolle eines Schiedsrichters wahrzunehmen.

4.3

Ziele

Mit der ausgebauten interkantonalen Zusammenarbeit sowie der Einführung des interkantonalen Lastenausgleichs sollen im Wesentlichen drei Ziele verfolgt werden: ­

Verhinderung von Spillover-Effekten und Trittbrettfahrerverhalten. Dies soll zu einer Bereitstellung der öffentlichen Leistungen in einem optimalen Umfang sowie zu einer gerechten Verteilung der Lasten anhand der tatsächlichen Nutzniessung führen.

­

Eng mit dem ersten Ziel verbunden ist die beabsichtigte Verbesserung der Effizienz auf Grund der Ausnutzung von Grössenvorteilen. Damit wird ein bedeutender Vorteil einer Gebietsreform genutzt, ohne dass deren Nachteile in Kauf genommen werden müssen.

­

Zudem soll eine intensivierte interkantonale Zusammenarbeit eine präventive Wirkung im Zusammenhang mit einer übermässigen Zentralisierung entfalten. Können doch kantonsübergreifende Aufgaben auf sinnvolle Art und Weise erbracht werden, ohne sie auf die Ebene des Bundes zu verlagern.

Die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich soll somit garantieren, dass Anbieter und Nachfrager einer öffentlichen Leistung sich auf eine faire Lastenteilung und auf angemessene Mitwirkung einigen. Beim Vorliegen von interkantonalen Spillovers soll der Anbieter einer öffentlichen Leistung entschädigt werden. Geschieht dies nicht, können daraus negative Folgen für die gesamte Volkswirtschaft der betreffenden Region resultieren. Eine Stärkung des institutionellen Rahmens der interkantonalen Zusammenarbeit ist auch eine wichtige Rahmenbedingung für eine Aufgabenentflechtung. Dadurch wird ein wirksamer Beitrag zu einer effizienten und bedürfnisgerechten Aufgabenerfüllung geleistet.

37

Diskriminierungsklauseln verpflichten die Vertragspartner, nicht kooperationswillige Kantone im Vergleich zu den kooperationswilligen Kantonen zu benachteiligen.

2352

4.4

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die KdK sowie eine grosse Mehrheit der Kantone standen der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich grundsätzlich positiv gegenüber und betrachteten die anvisierte interkantonale Zusammenarbeit als eine realistische Alternative zu einer Gebietsreform.

Die Kantone Uri und Obwalden betonten die zentrale Bedeutung des Bundes als Schiedsrichter. Gerade die kleinen Kantone könnten durch die inhaltlich anspruchsvolle und zeitlich aufwendige interkantonale Zusammenarbeit finanziell und organisatorisch überfordert werden. Der Kanton Glarus erachtete es als entscheidend, dass auch die kleinen Kantone gewisse Mitbestimmungsmöglichkeiten bekommen und nicht nur zu zahlenden Kantonen degradiert werden.

Eine Minderheit der Kantone äusserte sich skeptisch (Aargau, Waadt und Neuenburg) bis ablehnend (Zug und Tessin). Der Kanton Aargau wies auf verschiedene Probleme im Zusammenhang mit der Rolle des Bundes als Schiedsrichter hin. Ferner wurde eine einseitige Betrachtungsweise der Stadt-Umland-Problematik beklagt.

Die Kantone Waadt und Neuenburg befürworteten zwar grundsätzlich die interkantonale Zusammenarbeit, teilten jedoch die kritischen Äusserungen der ablehnenden Kantone. Es sei weder zweckmässig, noch diene es der Transparenz und der Bürgernähe, wenn neben den drei bestehenden noch eine zusätzliche vierte Gesetzgebungsebene geschaffen werde.

Die CVP, der Vorort und der Schweizerische Arbeitgeberverband stimmten der Institutionalisierung der interkantonalen Zusammenarbeit zu. Die interkantonale Zusammenarbeit ermögliche vor allem den kleinen Kantonen eine Bestandesgarantie und könne flexibler auf die unterschiedlichen Voraussetzungen und Entwicklungen in den einzelnen Aufgabengebieten reagieren als eine zentralisierte Bundeslösung (CVP).

Grundsätzlich ablehnend äusserten sich GPS, SPS, VSA, CNG und SGB. Interkantonale Lösungen hätten einen Zuwachs an Institutionen zur Folge, indem faktisch eine vierte Staatsebene geschaffen würde. Da die einzelnen kantonalen Interessen stark divergieren und die Entscheidfindung über lange Zeit blockieren würden, könne der Bund diese Aufgaben viel besser und rascher wahrnehmen.

Der Bundesrat teilt die Auffassung, wonach der Ausbau der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich weder auf Kosten der Transparenz noch der demokratischen Rechte erfolgen
darf. Die vorgelegten Erneuerungen auf Verfassungsund Gesetzesstufe tragen denn auch diesen Bedenken Rechnung. Der Bundesrat hält fest, dass mit der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich keine neue staatliche Ebene geschaffen wird. Die für die interkantonale Zusammenarbeit vorgesehenen Aufgabenbereiche sind und bleiben kantonale Aufgaben. Im Interesse des Ausbaus der horizontalen Zusammenarbeit sollen jedoch interkantonale Organe rechtssetzende Kompetenzen erhalten ­ unter Wahrung der rechtsstaatlichen und demokratischen Rechte. Befürchtungen, wonach kleine Kantone von Zentrumskantonen gewissermassen überrollt werden könnten, sind unbegründet. Die vorgesehenen Mechanismen schliessen ein solches Vorgehen aus. Die ausgearbeitete interkantonale Rahmenvereinbarung sieht denn auch ein Verfahren vor, das sowohl den legitimen Interessen der Anbieter- wie auch der Nachfragerkantone gerecht wird.

Dem Bund wird die Rolle zukommen, im Sinne eines Schiedsrichters minimale prozedural-rechtliche Bestimmungen zu erlassen.

2353

4.5

Die Ebene des Bundes

Im Rahmen der interkantonalen Zusammenarbeit kommt auch dem Bund eine zentrale Rolle zu. Während die Form, der Inhalt und die Umsetzung der interkantonalen Zusammenarbeit im Rahmen der Interkantonalen Rahmenvereinbarung (IRV) und in einzelnen Verträgen geregelt werden (vgl. Ziff. 4.6), werden die Grundzüge der interkantonalen Zusammenarbeit auf Verfassungs- und Gesetzesebene durch den Bund geregelt. Namentlich handelt es sich dabei um die drei folgenden Bereiche: ­

In der Bundesverfassung wird neu die Pflicht zur Zusammenarbeit eingeführt, während auf Gesetzesstufe die für die interkantonale Zusammenarbeit vorgesehenen Aufgabenbereiche abschliessend aufgeführt werden (vgl. Ziff. 4.5.1).

­

Weiter wird die Ermächtigung zum Erlass von Primärnormen durch die zu schaffenden interkantonalen Institutionen geregelt. Wobei insbesondere die demokratische Legitimation der interkantonalen Institutionen angesprochen wird (vgl. Ziff. 4.5.2).

­

Zudem wird der Vorrang des interkantonalen Rechts gegenüber dem kantonalen Recht verankert (vgl. Ziff. 4.5.3).

Die drei oben genannten Neuerungen erfordern neben den Anpassungen auf gesetzlicher Ebene jeweils eine Änderung der Bundesverfassung. An dieser Stelle werden lediglich die Grundzüge der verfassungs- und gesetzesmässigen Neuerungen skizziert. Detaillierte Erläuterungen zu den einzelnen Verfassungsartikeln finden sich unter Ziffer 6.5.1 und zu den Gesetzesartikeln unter Ziffer 6.6.4.

4.5.1

Die Förderung der interkantonalen Zusammenarbeit auf der Ebene des Bundes

Neu wird auf der Verfassungsstufe eine Zusammenarbeitspflicht festgehalten. Im Rahmen der Totalrevision des FAG werden diese dem Bund in der Verfassung eingeräumten neuen Kompetenzen konkretisiert.

Eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit kann nur in den im Gesetz abschliessend aufgeführten Aufgabenbereichen erfolgen. Dabei handelt es sich um folgende Bereiche: 1.

Straf- und Massnahmenvollzug (unter finanzieller und materieller Beteiligung des Bundes)

2.

Kantonale Universitäten (unter finanzieller und materieller Beteiligung des Bundes)

3.

Fachhochschulen (unter finanzieller und materieller Beteiligung des Bundes)

4.

Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung

5.

Abfallentsorgung

6.

Abwasserreinigung

7.

Öffentlicher Agglomerationsverkehr (unter finanzieller Beteiligung des Bundes an Investitionsvorhaben)

2354

8.

Spitzenmedizin und Spezialkliniken

9.

Institutionen zur Eingliederung und Betreuung von Invaliden.

Es ist denkbar, dass zu einem späteren Zeitpunkt weitere Aufgabenbereiche aufgenommen werden. Weiter gilt es zu beachten, dass es den Kantonen freisteht, darüber hinaus weitere Aufgaben in horizontaler Zusammenarbeit auf freiwilliger Basis zu lösen.

Die Pflicht zur Zusammenarbeit kann zwei Formen annehmen. Zum einen die Allgemeinverbindlicherklärung, mit welcher ein Vertrag für alle Kantone verbindlich wird, und zum anderen die Beteiligungspflicht an einem regionalen Vertrag. Der Bund kann diese Verpflichtung jedoch nur auf Antrag einer bestimmten Anzahl Kantone vornehmen. Die Voraussetzungen, unter denen der Bund eine interkantonale Zusammenarbeit vorschreiben kann, sind gemäss dem Entwurf des FAG restriktiv geregelt: ­

Auf Antrag von mindestens 21 Kantonen kann der Bund die IRV und auf Antrag von mindestens 18 Kantonen interkantonale Verträge von gesamtschweizerischem Interesse allgemeinverbindlich erklären (Allgemeinverbindlicherklärung).

­

Auf Antrag von mindestens der Hälfte der an einem Vertrag von regionalem Interesse beteiligten Kantone kann der Bund einen oder mehrere Kantone zum Beitritt zu einem bestehenden interkantonalen Vertragswerk verpflichten (Beteiligungspflicht).

Der Bund kann somit nur den Umfang der Normativwirkung interkantonaler Vereinbarungen auf weitere (Beteiligungspflicht) beziehungsweise auf alle (Allgemeinverbindlicherklärung) Kantone ausdehnen. Der materielle Inhalt der Vereinbarungen wird aber ausschliesslich durch die Vertragsparteien festgelegt.

Die Idee, dass der Bund die Kantone unter bestimmten Voraussetzungen zur horizontalen Zusammenarbeit verpflichten kann, ist nicht neu. So verlangte bereits eine 1970 eingereichte und zwei Jahre später in Form eines Postulats überwiesene Motion aus dem Nationalrat eine solche Zusammenarbeitspflicht38. Der Entwurf für eine Totalrevision der Bundesverfassung 1977 sah vor, dem Bund die Kompetenz einzuräumen, Regeln über einen interkantonalen Lastenausgleich aufstellen zu können.

Die Pläne einer ausgebauten interkantonalen Zusammenarbeit wurden nicht verwirklicht bzw. scheiterten daran, dass man ihnen zentralistische Absichten unterstellte. Die vorliegende Konzeption der interkantonalen Zusammenarbeit ist so angelegt, dass der Wille zur Zusammenarbeit grundsätzlich von den Kantonen formuliert werden muss. Liegen demzufolge keine interkantonalen Verträge oder ausgehandelte Vertragsentwürfe vor und wird das gesetzlich erforderliche Quorum der Kantone nicht erreicht, kann der Bund nicht auf eine interkantonale Zusammenarbeit hinwirken. Ein solcher von oben verordneter Zwang lehnt der Bundesrat, in Übereinstimmung mit den Kantonen, aus grundsätzlichen staatspolitischen und föderalistischen Gründen ab.

38

AB 1972 N I, 306 ff.

2355

Unbestrittenerweise gehört zum Wesen des schweizerischen Föderalismus, dass eine Mehrheit der Kantone im Rahmen klar definierter Voraussetzungen die Minderheit überstimmen kann. Das Einstimmigkeitsprinzip verträgt sich nicht mit der Idee des bundesstaatlichen Zusammenlebens. Es kann zu Blockierungen führen, die die erwünschte Dynamik in der Zusammenarbeit wenn nicht zum Stillstand bringen, so doch eindämmen und damit innovative Lösungen hinauszögern können. Mehrheitsentscheidungen sind im schweizerischen Föderalismus ohnehin nicht neu. Insbesondere hat die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) diesbezüglich ein breites Instrumentarium entwickelt. Beispielsweise bedarf die Genehmigung der Anerkennungsreglemente, welche für einzelne Ausbildungsabschlüsse die Voraussetzungen der Anerkennung festlegen, der Zustimmung von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder der Anerkennungsbehörde, d.h. der EDK (Art. 6 Abs. 3 der interkantonalen Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen).

Qualifizierte Mehrheitsentscheide sind auch gemäss Artikel 16 der interkantonalen Universitätsvereinbarung (IUV) und gemäss Artikel 9 der interkantonalen Fachhochschulvereinbarung vorgesehen.

4.5.2

Die Ermächtigung interkantonaler Organe zum Erlass von Primärnormen

Im Rahmen der interkantonalen Zusammenarbeit werden neue interkantonale Organe eingerichtet. Um eine möglichst wirkungsvolle Zusammenarbeit zu erreichen, sollen diese Organe mit möglichst umfassenden Kompetenzen (z.B. Rechtssetzungsbefugnisse) ausgestattet werden. Um im Zusammenhang mit diesen Kompetenzverschiebungen ein allfälliges Demokratiedefizit oder eine Verletzung des Legalitätsprinzips auszuschliessen, sind mehrere Grundsätze sowohl auf Verfassungsstufe als auch im Rahmen untergeordneter Regelungen wie folgt vorgesehen: ­

Kantonsregierungen oder kantonale Parlamente dürfen nicht mehr Gesetzgebungskompetenzen an interkantonale Organe übertragen, als ihnen selbst nach kantonalem Recht zustehen.

­

Die Ermächtigung eines interkantonalen Organs zum Erlass von Primärnormen muss im gleichen Verfahren beschlossen werden, das nach kantonalem Recht auch für den Erlass von Gesetzen zur Anwendung kommt. Dies hat zur Folge, dass die Delegation von Rechtssetzungskompetenzen zumindest dem fakultativen Referendum untersteht. Auf diese Weise bleibt die demokratische Kontrolle und Legitimität vollumfänglich gewahrt.

4.5.3

Vorrang des interkantonalen Rechts gegenüber dem kantonalen Recht

Der Vorrang des interkantonalen Rechts gegenüber dem kantonalen Recht wird verfassungsmässig verankert. Diese klare verfassungsrechtliche Regelung bedeutet eine Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit, indem die Rechtssicherheit erhöht wird.

2356

4.6

Die Ebene der Kantone

Den Kantonen fällt die Aufgabe zu, die materielle Ausgestaltung der interkantonalen Zusammenarbeit festzulegen. Dies erfolgt mit der IRV sowie mit den einzelnen Zusammenarbeitsverträgen. Für deren Form, Inhalt und Umsetzung sind ausschliesslich die Kantone verantwortlich.

Eine ausgebaute interkantonale Zusammenarbeit führt zu einem beschränkten kantonalen Souveränitätsverlust. Die überwiegende Mehrheit der Kantone ist aber bereit, diesen partiellen Verlust an Souveränität im Interesse einer Stärkung des Föderalismus hinzunehmen. Zumal eine fehlende oder fehlerhafte interkantonale Zusammenarbeit die Tendenz verstärken würde, dass Aufgaben vermehrt dem Bund übertragen würden. An einer derartigen Zentralisierung von Aufgaben können die Kantone kein Interesse haben, denn dies würde einem wesentlich umfangreicheren Souveränitätsverlust gleichkommen.

4.6.1

Die Interkantonale Rahmenvereinbarung (IRV)

In der IRV legen die Kantone die Prinzipien der interkantonalen Zusammenarbeit sowie die Grundsätze und Verfahren des Lastenausgleichs fest. Namentlich sind dies: ­

Die Benennung der zuständigen Organe.

­

Die bei der Ermittlung der Abgeltung für den Lastenausgleich zu beachtenden Rahmenbedingungen und Voraussetzungen z.B. hinsichtlich der Datenerhebungen sowie der Anrechnung von Standortvor- und -nachteilen.

­

Die Formen der Zusammenarbeit (die gemeinsame Trägerschaft oder den Leistungskauf).

­

Das Beitritts- und das Austrittsverfahren.

­

Die Informationspflicht der Kantone gegenüber den kantonalen Parlamenten.

­

Die interkantonale Streitbeilegung.

Die IRV sichert die Effizienz und Wirksamkeit der interkantonalen Zusammenarbeit, indem sie die Kantone zu einer durch die Eckpunkte Solidarität und Eigenverantwortung gekennzeichneten Zusammenarbeit verpflichtet. Sie beschränkt sich aber nicht nur auf die Beziehung der Kantone untereinander, sondern verpflichtet diese zugleich, die Grundsätze der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich auch im innerkantonalen Verhältnis zu beachten.

Die IRV stellt somit die Grundlage einer neuen Zusammenarbeit zwischen den Kantonen dar. So sieht sie z.B. neue Zusammenarbeitsformen vor, wie etwa die Schaffung interkantonaler Geschäftsprüfungskommissionen bei der Bildung gemeinsamer Trägerschaften. Zudem ist die IRV so ausgestaltet worden, dass sie generell für die interkantonale Zusammenarbeit gelten kann und nicht bloss für jene Bereiche, in welchen die Kantone zu einer interkantonalen Zusammenarbeit verpflichtet werden können.

2357

Gestützt auf die IRV legen interkantonale Verträge in den jeweiligen Aufgabenbereichen die entsprechenden Modalitäten der Zusammenarbeit detailliert fest. So z.B.

das effektive Ausmass der Kostenbeteiligung, die Art der Mitsprache oder den Zugang zu den Leistungen.

Ausserdem besteht eine Informationspflicht der Kantone gegenüber den kantonalen Parlamenten. Die IRV hält fest, dass die Kantonsregierungen ihre Parlamente rechtzeitig und umfassend über bestehende und beabsichtigte Vereinbarungen im Bereich der interkantonalen Zusammenarbeit informieren müssen. Im Übrigen bleibt es den Kantonen vorbehalten, weiterreichende Mitwirkungsrechte der Parlamente zu definieren39.

Die IRV regelt demzufolge keine Details. Insbesondere kann sie keine finanziellen Ausgleichszahlungen zwischen den Kantonen auslösen. Wohl hält sie Grundsatzanforderungen für Abgeltungszahlungen fest, so z.B. allgemeine Kriterien für die Kostenbeteiligung oder für die Ermittlung schwer erfassbarer Nutzniesser zentralörtlicher Leistungen (z.B. ausserkantonale Besucher von Kulturveranstaltungen).

Diese bedürfen jedoch stets der Konkretisierung in den einzelnen interkantonalen Verträgen. Selbstredend wird diese Konkretisierung in den jeweiligen Aufgabenbereiche je nach Gegenstand des Vertragsinhaltes sowie der Bedürfnisse der Vertragspartner unterschiedlich ausfallen. Dank der IRV müssen jedoch die Grundsatzfragen nicht immer wieder neu aufgerollt und in den einzelnen Verträgen geregelt werden, was zu einer Senkung der Verhandlungskosten und damit zu einer Vereinfachung der interkantonalen Zusammenarbeit beitragen wird.

Nicht zuletzt regelt die IRV auch die Grundsätze, gemäss denen die Ein- und Auszahlungen in den interkantonalen Lastenausgleich berechnet werden. So sind alle geltend gemachten betriebs- und volkswirtschaftlichen Kosten transparent nachzuweisen, wobei von den so genannten Vollkosten (d.h. Betriebs- und Infrastrukturkosten, einschliesslich der Abschreibungen und Kapitalkosten) auszugehen ist. Erhebliche Standortvorteile und -nachteile, die mit einer Leistungserstellung verbunden sind, müssen angemessen berücksichtigt werden.

Die IRV enthält auch Normen über die interkantonale Streitbeilegung. Können sich Kantone im Rahmen der interkantonalen Zusammenarbeit nämlich nicht einigen, kommt es zu einem Streitbeilegungsverfahren. Die
IRV regelt dabei die Verfahrensstufen und benennt die zuständigen Instanzen. Somit leistet sie einen weiteren entscheidenden Beitrag zur rechtlichen und institutionellen Absicherung der interkantonalen Zusammenarbeit. Die Möglichkeit, gemäss Artikel 189 BV öffentlichrechtliche Streitigkeiten zwischen den Kantonen durch das Bundesgericht beurteilen zu lassen, bleibt in jedem Fall gewährleistet.

Das Schlichtungsverfahren wird zwei Stufen aufweisen: ein Vorverfahren und ein förmliches Vermittlungsverfahren. Beim Vorverfahren soll vorerst ohne Bindung an besondere Verfahrensregeln auf informeller Basis, eventuell unter Verwendung mediativer Streitbeilegungsmechanismen, versucht werden, unter den betroffenen

39

Die Kantone Basel-Land, Solothurn und St. Gallen sehen bei interkantonalen Vertragsverhandlungen eine direkte Beteiligung der Parlamente (durch Kommissionen und Vertretungen) vor. Für eine gesamtschweizerische Übersicht zu den bestehenden parlamentarischen Mitsprachemöglichkeiten vgl. Abderhalden, Ursula; Möglichkeiten und Grenzen der interkantonalen Zusammenarbeit; Fribourg, 1999; S. 87.

2358

Kantonen eine Einigung zu erzielen. Die Leitung des Verfahrens obliegt der KdK bzw. einer von ihr bestimmten Person.

Kommt im Vorverfahren keine Einigung zu Stande, wird ein förmliches Vermittlungsverfahren eingeleitet. Zur Durchführung dieses Verfahrens sieht die IRV die Schaffung einer Interkantonalen Vertragskommission (IVK) als zuständige Instanz vor. Die Mitglieder der IVK werden von der KdK gewählt. Die Verfahrensordnung soll sich eng an bestehende Regelungen von Schlichtungs- und Schiedsverfahren anlehnen.

Wird auch im Rahmen des förmlichen Vermittlungsverfahrens keine Einigung erzielt, wird das Schlichtungsverfahren als gescheitert betrachtet. Den Kantonen steht nun die Möglichkeit offen, ein Klageverfahren beim Bundesgericht einzuleiten. Der erfolglose Abschluss des Schlichtungsverfahrens bildet die vertraglich vereinbarte Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage. Das Streitbeilegungsverfahren ist jedoch darauf ausgerichtet, solche Klagen nach Möglichkeit zu vermeiden. Dies im Sinn einer partnerschaftlich ausgerichteten interkantonalen Zusammenarbeit.

22 Kantonsregierungen haben im November 2000 der IRV zugestimmt. Dies unterstreicht, dass die Kantone fähig und willens sind, in Zukunft auch in den neu zu übernehmenden Aufgabengebieten intensiv zusammenzuarbeiten. Auch einer allfälligen, dem Bundesrat zu beantragenden Allgemeinverbindlicherklärung der IRV steht grundsätzlich nichts mehr im Weg.

5

Der Finanzausgleich im engeren Sinn

Der seit 1959 bestehende Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen beinhaltet heute eine Vielzahl von untereinander nur wenig abgestimmten Einzelmassnahmen.

Das System ist kaum steuerbar und wenig transparent. Eine Wirkungskontrolle existiert nicht. Gleichzeitig werden sowohl Anreiz- als auch Umverteilungsziele mit ein und demselben Subventionsinstrument verfolgt. Dadurch entstehen Zielkonflikte, welche das Ausgleichssystem verzerren und seine Wirkung erheblich beeinträchtigen. Trotz eines grossen Mitteleinsatzes und des damit verbundenen administrativen Aufwands wird schlussendlich nur eine geringe Ausgleichswirkung zwischen den Kantonen erzielt. Der hohe Anteil an zweckgebundenen Finanztransfers setzt falsche finanzielle Anreize und verkleinert den finanzpolitischen Handlungsspielraum der Kantone erheblich.

Der künftige Finanzausgleich im engeren Sinn zeichnet sich vor allem durch seine vereinfachten Strukturen und die deutlich verbesserte Transparenz und Steuerbarkeit aus. So werden in Zukunft die finanziellen Transfers des Finanzausgleichs im engeren Sinn nur noch über zwei transparente und politisch steuerbare Instrumente erfolgen. Das Kernstück bildet dabei der Ressourcenausgleich. Er wird durch die ressourcenstarken Kantone sowie den Bund finanziert und verfolgt zentrale finanz- und staatspolitische Ziele. Sämtliche Kantone sollen über genügend finanzielle Mittel verfügen, sodass sie ihre Aufgaben eigenständig erfüllen können. Mit einer direkten Umverteilung zwischen ressourcenstarken und ressourcenschwachen Kantonen, die über den Ressourcenausgleich erfolgt, sollen die grossen Unterschiede bezüglich der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Steuerbelastung verringert werden. Der Umfang des Ressourcenausgleichs kann politisch durch das eidgenössische Parlament gesteuert werden. Zur Erfassung der finanziellen Ressourcen der Kantone 2359

dient der neue Ressourcenindex. Dieser löst den heute geltenden, mit zahlreichen Mängeln behafteten Finanzkraftindex ab und basiert auf dem fiskalisch ausschöpfbaren Einnahmen- bzw. Steuerpotenzial der Kantone.

Von den Kantonen unbeeinflussbare übermässige Lasten, die sich aus der geografisch-topografischen Lage und der Besiedlungsstruktur oder aus einer spezifischen Bevölkerungsstruktur ergeben, werden durch den Lastenausgleich des Bundes abgegolten. Dieser besteht aus dem geografisch-topografischen Lastenausgleich (GLA) und dem soziodemografischen Lastenausgleich (SLA). Sowohl der GLA als auch der SLA werden durch den Bund finanziert. Ihre Dotierung wird durch das eidgenössische Parlament festgelegt.

Um finanzielle Einbussen aus dem Übergang vom alten zum neuen Ausgleichssystem abzufedern, ist ein Härteausgleich vorgesehen. Dieser wird von Bund und Kantonen finanziert und ist als funktional befristete Übergangshilfe konzipiert.

Neben dem Gegenstand (Ziff. 5.1), den Mängeln des heutigen Ausgleichssystems (Ziff. 5.2) und den Zielen des Finanzausgleichs im engeren Sinn (Ziff. 5.3) wird ein Überblick über das neue Ausgleichssystem gegeben (Ziff. 5.4) sowie der Ressourcenausgleich (Ziff. 5.5) und der Lastenausgleich des Bundes (Ziff. 5.6) erklärt. Die Ziffern 5.5 und 5.6 enthalten jeweils auch die Ergebnisse der Vernehmlassung, während die Ziffer 5.7 die Massnahmen zur Abfederung des Übergangs vom heutigen zum neuen Finanzausgleich erläutert. Abschliessend werden unter Ziffer 5.8 die Verfassungsgrundlage und die Totalrevision des Finanzausgleichsgesetzes behandelt.

5.1

Gegenstand

Artikel 3 BV erwähnt die Souveränität der Kantone und deren formale Grenzen: «Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.» Diese Souveränität bedingt Eigenverantwortlichkeit. Eigenverantwortliches Handeln ist den Kantonen aber nur möglich, wenn sie auch über die notwendigen Finanzmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben verfügen40.

Für die Kantone wird diese Bedingung nur teilweise erfüllt. Die Kantone weisen zum Teil erhebliche Unterschiede bezüglich ihrer finanziellen Ressourcen auf und sind daher auch unterschiedlich gut zur Bewältigung der ihnen übertragenen Aufgaben gerüstet.

Mit dem Finanzausgleich im engeren Sinn sollen die Kantone ­ vor allem die ressourcenschwachen Kantone ­ über genügend finanzielle Mittel verfügen, um die ihnen übertragenen Aufgaben eigenständig zu erfüllen. Zudem soll der Finanzausgleich im engeren Sinn die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen den Kantonen verringern. Das Ausmass dieser Umverteilung wird neu poli-

40

Unbestrittenermassen sind die Kantone nicht im Sinne des Völkerrechts souverän.

Dennoch können sie in dem Sinne als «souverän» bezeichnet werden, als sie nicht dem Bund zugewiesene Aufgaben in eigener Verantwortung wahrnehen können, über Gebietshoheit verfügen sowie substanzielle Autonomie wahrnehmen. Vgl. Rhinow, René; Die Bundesverfassung 2000. Eine Einführung; Basel, 2001; S. 66 f.

2360

tisch steuerbar, indem die betreffenden Eckwerte durch das eidgenössische Parlament festgelegt werden.

5.2

Die Mängel des heutigen Finanzausgleichs

Der geltende Finanzausgleich basiert auf dem Bundesgesetz aus dem Jahr 1959. Seit 1959 wurden zahlreiche Modifikationen vorgenommen. Die verschiedenen Ausgleichsgefässe wurden nicht weniger als vierzehnmal den veränderten Umständen angepasst. Davon waren einmal die Regelung der Subventionen, elfmal die Berechnung der Kantonsanteile an den Bundeseinnahmen und zweimal die Kantonsbeiträge an die AHV/IV betroffen. Zudem wurden am Index zur Bemessung der Finanzkraft der Kantone sechsmal ­ unter Anwendung von 16 verschiedenen Kriterien ­ Änderungen vorgenommen. Innerhalb des Finanzausgleichs wird der Finanzkraftindex zur Zeit in den einzelnen Bereichen des Finanzausgleichs auf sieben verschiedene Arten verwendet. Insgesamt besteht der Finanzausgleich heute aus rund drei Dutzend untereinander nur wenig abgestimmten Einzelmassnahmen.

Auf Grund dieser Vielfalt kaum koordinierter Einzelmassnahmen mangelt es dem geltenden Finanzausgleich an Kohärenz und Transparenz. Zudem fehlt es an ausdrücklich definierten Zielen und einer griffigen Wirkungskontrolle. Hinzu kommt, dass der heute geltende Finanzausgleich zugleich Anreiz- und Umverteilungsziele verfolgt, was zu Zielkonflikten und falsch gesetzten Anreizen führt. Die sich aus diesen Konstruktionsfehlern ergebenden Mängel des geltenden Finanzausgleichs sollen in den folgenden Abschnitten vertieft dargestellt werden.

5.2.1

Grosser Mitteleinsatz, geringe Wirkung

1999 beliefen sich die Übertragungen des Bundes an die Kantone auf mehr als 13,5 Milliarden Franken41. Davon fielen rund 12.5 Milliarden Franken als finanzkraftunabhängige und rund eine Milliarde Franken als finanzkraftabhängige Transfers an, wobei nur Letztere finanzausgleichsrelevante Transfers darstellen.

Diese eine Milliarde Franken an finanzkraftabhängigen Übertragungen des Bundes an die Kantone stellt jedoch bloss einen Teil ­ die vertikale Komponente ­ des Finanzausgleichs dar. Zusätzlich müssen noch als horizontale Komponente rund 1,1 Milliarden Franken aus Transfers zwischen den Kantonen dazugerechnet werden. Auch diese werden anhand der Finanzkraft der Kantone ausgerichtet. Der Finanzausgleich insgesamt beinhaltete 1999 somit finanzkraftabhängige Transfers in der Höhe von rund 2.1 Milliarden Franken42. Trotz dieses beachtlichen Mitteleinsatzes und dem entsprechenden administrativen Aufwand ist es nicht gelungen, die kantonalen Unterschiede bezüglich der finanziellen Leistungsfähigkeit zu verringern.

41 42

Vgl. EFV; Die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen 1999; Bern, 2001.

Vgl. EFV; Finanzausgleichsbilanz 1999; Bern, 2001.

2361

Über einen längeren Zeitraum betrachtet, haben sich diese Unterschiede nur wenig verändert. Eine Studie aus dem Jahr 1998 untersuchte die Dynamik der kantonalen Pro-Kopf-Volkseinkommen für den Zeitraum von 1965 bis 1994. Während sich zwischen 1965 und 1980 die Volkseinkommen der Kantone angenähert haben, wurde diese Entwicklung zwischen 1980 und 1994 wieder weitgehend kompensiert, sodass die Unterschiede zwischen den Kantonen 1994 ungefähr wieder das Ausmass von 1965 aufgewiesen haben43.

Eine detaillierte Analyse bietet eine Expertise zur Entwicklung der Einkommensunterschiede zwischen den Kantonen für den Zeitraum von 1987 bis 199944. Die Expertise analysiert die Entwicklung der Aggregierten Steuerbemessungsgrundlage (ASG). Bei der ASG handelt es sich um eine Masszahl, die das Steuerpotenzial eines Kantons misst und speziell für die NFA entwickelt worden ist (vgl. Kasten 5.1 und Ziff. 5.5.1.1).

Wie können kantonale Unterschiede gemessen werden?

Kasten 5.1

Zur Erfassung regionaler bzw. kantonaler Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bestehen verschiedene Ansätze. Sie messen jeweils spezifische Aspekte der kantonalen Unterschiede. Einige Ansätze gehen von der Wirtschaftskraft oder der Standortattraktivität aus, andere basieren hingegen auf Vergleichen der Steuerbelastungen oder der Steuereinnahmen. Daher stellt sich im Zusammenhang mit der NFA zunächst die Frage, welche Unterschiede überhaupt erfasst werden sollen.

Im Rahmen der NFA geht es um einen Ausgleich der kantonalen Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit. Diese ist wiederum als das fiskalisch ausschöpfbare Steuerpotenzial eines Kantons festgelegt worden.

Weder das kantonale Volkseinkommen noch die Steuerbelastung können im Rahmen der NFA als Indikatoren verwendet werden, da sie nicht das Steuerpotenzial messen und teilweise mit erheblichen methodischen Mängeln behaftet sind. Aus den selben Gründen kann auch nicht auf die Steuer- oder die Finanzkraft zurückgegriffen werden. Die Mängel dieser vier Indikatoren werden in Ziffer 5.2.3 ausführlich erläutert.

Um dennoch über einen geeigneten Indikator zu verfügen, wurde die so genannte Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG) erarbeitet. Die ASG erfasst das fiskalisch ausschöpfbare Steuersubstrat eines Kantons. Zu diesem Zweck werden mittels gesamtschweizerisch harmonisierten Methoden die Steuerpotenziale der Einkommen und Vermögen der natürlichen Personen sowie der Gewinne der juristischen Personen zu einem Steuer- bzw. Ressourcenpotenzial eines Kantons aggregiert (vgl. Ziff. 5.5.1.1).

Als Datenbasis standen die ASG-Werte pro Einwohner der Jahre 1987 bis 1996 zur Verfügung. Damit auch der jüngste Konjunkturaufschwung in die Analyse miteinbezogen werden konnte, wurde zusätzlich eine Hochrechnung für die Jahre 1998/1999 durchgeführt.

43 44

Vgl. Zürcher, Boris; Income Distribution Dynamics Across Swiss Cantons; in: Swiss Journal of Economics and Statistics; Vol. 134 (2); 1998; S. 159­173.

Vgl. Fischer, Roland; Die Entwicklung der Einkommens-Disparitäten zwischen den Kantonen 1987 bis 1999. Bericht zuhanden der Projektleitung NFA; Zürich, 2001.

2362

Eine erste Auswertung der Wachstumsraten ergab keine eindeutigen Hinweise, weder für einen Anstieg noch eine Reduktion der kantonalen Unterschiede. Zwar wiesen die meisten ressourcenschwachen Kantone relativ hohe, die meisten ressourcenstarken Kantone dagegen relativ tiefe jährliche Wachstumsraten ihrer ASG-Werte auf, was auf eine Konvergenz bzw. einen Rückgang der Disparitäten hindeuten würde. Die Wachstumsraten der ASG-Werte der Kantone Schwyz, Nidwalden und Zug übertrafen jedoch diejenigen der anderen Kantone deutlich. Daher kann ein statistischer Zusammenhang zwischen der Höhe der Pro-Kopf-ASG und der jährlichen Wachstumsrate nur nachgewiesen werden, wenn die Kantone Schwyz, Nidwalden und Zug ausgeblendet werden.

Auch bei der Entwicklung der Streuung (Standardabweichung) der kantonalen ProKopf-ASG ist kein eindeutiger Konvergenztrend erkennbar. Zwar sank die Streuung zwischen 1987 und 1996 deutlich. Der massive Wiederanstieg der Standardabweichung in den Jahren 1996 bis 1999 wiederum deutet auf eine Trendumkehr hin. Dies lässt vermuten, dass das Wirtschaftswachstum einen relativ grossen Einfluss auf die Entwicklung der kantonalen Unterschiede besitzt. In Rezessionsphasen scheinen die Unterschiede zu sinken, während sie in Phasen mit starkem Wirtschaftswachstum wieder ansteigen.

Im Rahmen einer weiterführenden Analyse wurden die Kantone anhand ihrer relativen ASG-Werte (Pro-Kopf-ASG im Verhältnis zum Mittelwert aller Kantone) in fünf Klassen eingeteilt, wobei die Klasse 1 die ressourcenschwächsten und die Klasse 5 die ressourcenstärksten Kantone umfasst. Die Klassengrenzen wurden so festgelegt, dass jeweils fünf Kantone eine Klasse bilden (mit Ausnahme der Klasse 3, die über sechs Kantone verfügt). Anschliessend wurden auf Grund der vorliegenden Daten für jede Klasse die Übergangswahrscheinlichkeiten ­ Wahrscheinlichkeiten für einen Aufstieg oder Abstieg ­ errechnet (vgl. Tabelle 5.1).

Auf- und Abstiegswahrscheinlichkeiten der Kantone 1987­1999 Tabelle 5.1 Klassennummer

Anzahl Kantone

Übergangswahrscheinlichkeit in die Klasse (in Prozent) 1

2

3

4

5

84 16 0 0 0

16 76 7 0 0

0 8 73 24 0

0 0 20 72 4

0 0 0 4 96

1 2 3 4 5

5 5 6 5 5

Quelle:

Fischer, Roland; Die Entwicklung von Einkommensdisparitäten zwischen den Kantonen 1987 bis 1999; Zürich, 2001; S. 12

Aus der obenstehenden Tabelle geht klar hervor, dass die Mobilität der Kantone in den Jahren zwischen 1987 und 1999 bezüglich ihrer relativen Pro-Kopf-ASG insbesondere bei der ressourcenschwächsten und den ressourcenstärksten Klasse sehr gering war. Ein Kanton in der ressourcenschwächsten Klasse 1 verblieb mit einer Wahrscheinlichkeit von 84 Prozent in dieser Klasse, während die Kantone in der 2363

ressourcenstärksten Klasse 5 mit einer Wahrscheinlichkeit von 96 Prozent davon ausgehen konnten, auch in Zukunft zu den ressourcenstärksten Kantonen zu gehören.

Das vorliegende Datenmaterial erlaubte zudem die Erstellung einer langfristigen Trendprognose über die Verteilung der Kantone auf die Klassen 1 bis 5. Im Gegensatz zur vorangegangenen Analyse wurden für die Trendanalyse fixe Klassengrenzen verwendet, sodass die Anzahl der Kantone pro Klasse nun variabel ist (vgl. Tabelle 5.2). Als Klassengrenzen und Ausgangsverteilung dienten die Werte des Jahres 1987/1988.

Langfristige Trendanalyse Tabelle 5.2 Klassennummer

Verteilung der Kantone auf die Klassen (in Prozent) 1987/1988

1998/1999

Langfristiger Trend

1 2 3 4 5

19 19 23 19 19

8 23 27 19 23

0 23 25 18 34

Quelle:

Fischer, Roland; Die Entwicklung von Einkommensdisparitäten zwischen den Kantonen 1987 bis 1999; Zürich, 2001; S. 13

Zwar zeigt die Tabelle 5.2, dass die Anzahl der Kantone in der Klasse 1 zwischen den Jahren 1987 und 1999 deutlich zurückgegangen ist und in Zukunft sogar damit gerechnet werden kann, dass sich kein Kanton mehr in der untersten Einkommensklasse befinden wird. Die Prognose deutet allerdings auf die Bildung einer «ZweiKlassen-Gesellschaft» hin. Über ein Drittel der Kantone wird sich deutlich vom Mittelwert absetzen und sich zu den reichen Kantonen zählen können. Rund die Hälfte der Kantone wird hingegen weiterhin ASG-Werte aufweisen, die zum Teil deutlich unter dem Mittelwert der Kantone liegen werden.

Dem heute geltenden Finanzausgleich ist es somit nicht gelungen, eine Reduktion der kantonalen Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit herbeizuführen.

Eine Konvergenz der ASG-Werte ist nur innerhalb der Gruppe der ressourcenschwachen Kantone zu erwarten, während sich die ressourcenstarken Kantone immer weiter vom Mittelwert entfernen werden. Ohne Korrekturmassnahmen am heutigen System des Finanzausgleichs kann längerfristig bezüglich der finanziellen Leistungsfähigkeit kein Rückgang der Disparitäten zwischen den Kantonen erwartet werden.

Diese Aussage wiegt umso schwerer, als die heutigen Disparitäten unter den Kantonen als vergleichsweise bedeutend zu bezeichnen sind, dies sowohl im internationalen Vergleich als auch im Vergleich mit den innerkantonalen Verhältnissen unter den Gemeinden. In den letzten Jahren hat sich zudem die politische Sensibilität für diese Problemstellung verstärkt.

2364

5.2.2

Sich verengender Handlungsspielraum der Kantone

Wie aus der Tabelle 5.3 hervorgeht, stammten 1999 durchschnittlich 23,1 Prozent der kantonalen Einnahmen aus Bundesquellen. Zehn Kantone bezogen mehr als einen Drittel ihrer Einnahmen aus Bundesquellen und bei drei Kantonen ­ Uri, Graubünden und Jura ­ machten diese Transfers sogar fast die Hälfte der Gesamteinnahmen aus.

Die Transfers des Bundes an die Kantone können in zwei Kategorien eingeteilt werden: ­

Transfers in Form von zweckgebundenen Mitteln, die stets an die Erfüllung bestimmter Auflagen gebunden sind. Als zweckgebundene Mittel werden Subventionen (Finanzbeihilfen und Abgeltungen) bezeichnet.

­

Transfers in Form von nicht zweckgebundenen Mitteln, die an keine Aufgaben und Normen gebunden sind. Als nicht zweckgebundene Mittel werden die Kantonsanteile an den Bundeseinnahmen bezeichnet.

Im Jahr 1999 richtete der Bund insgesamt nur einen Viertel der Transfers an die Kantone in Form von nicht zweckgebundenen Mitteln aus, während drei Viertel der Transfers direkt an die Erfüllung von Auflagen gebunden waren. Dabei haben die finanzstarken Kantone einen deutlich höheren Anteil an nicht zweckgebundenen Mitteln erhalten als die mittelstarken und finanzschwachen Kantone. So erhielt z.B.

der Kanton Zug 61,6 Prozent der Transfers vom Bund in der Form nicht zweckgebundener Mittel. Bei den Kantonen Neuenburg, Freiburg, Appenzell Innerrhoden und Jura lagen die entsprechenden Anteile hingegen zwischen 15 und 20 Prozent.

Im Durchschnitt erhielten die finanzschwachen Kantone nur rund einen Fünftel der Transfers vom Bund in der Form von nicht zweckgebundenen Mitteln, während bei den finanzstarken Kantonen mehr als ein Drittel der Bundestransfers in nicht zweckgebundener Form ausgerichtet worden ist (vgl. Tabelle 5.3).

Der hohe Anteil von an Auflagen und Normen gebundenen Transfers führt dazu, dass der effektive staats- und finanzpolitische Handlungsspielraum der Kantone ­ vor allem aber derjenige der mittelstarken und finanzschwachen Kantone ­ generell stark eingeschränkt ist und zusehends enger wird. Je höher der Anteil der zweckgebundenen Bundestransfers ist, desto mehr Mühe bekunden die Kantone, eine vom Bund autonome Finanzpolitik zu betreiben. Ferner können auch hohe aufwandabhängige Bundesbeiträge zu einem überdimensionierten und unwirtschaftlichen Mitteleinsatz verleiten. Schliesslich haben es Bund und Kantone versäumt, parallel zur Intensivierung ihrer Zusammenarbeit die entsprechenden Finanzierungsinstrumente zu modernisieren, was dazu geführt hat, dass die Steuerung und die Effizienz der Transferzahlungen zu wünschen übrig lassen (vgl. Ziff. 3.2).

2365

Kantonseinnahmen aus Bundesquellen (1999) Tabelle 5.3 Kantone

Einnahmen aus Bundesquellen In 1000 Franken

In Prozent der Gesamteinnahmen

Davon als zweckgebundene Mittel (in Prozent)

Davon als nicht zweckgebundene Mittel (in Prozent)

Finanzstarke Kantone ZG 174 702 ZH 1 369 594 BS 387 350 GE 564 889 Total 2 496 534

26.1 15.1 10.8 9.7 13.1

38.4 66.5 71.2 61.1 64.0

61.6 33.5 28.8 38.9 36.0

Mittelstarke Kantone BL 316 305 NW 95 573 SH 88 381 AG 612 118 VD 1 024 965 TG 348 977 SG 753 300 SZ 311 102 SO 405 221 TI 572 315 LU 671 883 GL 87 442 GR 810 279 BE 2 001 150 UR 184 501 AR 107 192 Total 8 390 705

15.0 39.6 17.7 19.3 19.1 25.7 24.9 40.4 26.8 23.3 27.9 26.8 47.1 28.2 48.8 29.6 25.6

71.4 82.6 69.8 70.8 77.4 77.3 79.5 51.3 77.8 74.1 77.0 59.0 87.7 78.9 89.7 69.8 77.0

28.6 17.4 30.2 29.2 22.6 22.7 20.5 48.7 22.2 25.9 23.0 41.0 12.3 21.1 10.3 30.2 23.0

Finanzschwache Kantone NE 588 907 38.8 FR 683 471 35.3 AI 43 494 38.7 OW 99 010 44.5 VS 905 983 41.7 JU 337 224 48.6 Total 2 658 088 39.9

81.7 80.1 80.1 79.3 72.8 84.8 78.5

18.3 19.9 19.9 20.7 27.2 15.2 21.5

Schweiz 13 545 326

74.9

25.1

Quelle:

2366

23.1

Eidgenössische Finanzverwaltung; Ausgaben und Einnahmen der Kantone 1999; Bern, 2000; S. 32 f.

5.2.3

Mangelhafter Finanzkraftindex

Innerhalb des geltenden Finanzausgleichs werden die Ausgleichszahlungen mit Hilfe des Finanzkraftindexes gesteuert. Dieser erfasst die Finanzkraft der Kantone anhand von vier Indikatoren. Dabei werden sowohl Einnahmen- als auch Lastenelemente berücksichtigt. Während die Einnahmenseite aus dem kantonalen Volkseinkommen sowie der Steuerkraft besteht, setzt sich die Lastenseite aus den Indikatoren Steuerbelastung und Anteil Berggebiet zusammen. Die Einnahmenelemente werden mit 60, die Lastenelemente mit 40 Prozent gewichtet und schliesslich zur Kennzahl «Finanzkraft» aggregiert.

Die Vermischung der Einnahmen- und Lastenelemente macht den Finanzkraftindex unübersichtlich, kompliziert und anfällig für Verzerrungen. Hinzu kommen methodische Fehler bei der Konstruktion der vier Teilindizes: ­

Das kantonale Volkseinkommen erfasst nicht eine für einen kantonalen Staatshaushalt relevante Grösse, sondern die kantonale Wirtschaftskraft. Daher weist das Volkseinkommen eine nur ungenügende Relevanz bezüglich des Staatshaushalts auf. So werden einerseits durch das Volkseinkommen Einkommen erfasst, die nicht fiskalisch abgeschöpft werden können (z.B.

steuerliche Freigrenzen). Andererseits werden z.B. die Vermögenswerte zwar fiskalisch erfasst (durch Vermögenssteuern), stellen aber keinen Bestandteil des Volkseinkommens dar und werden daher bei der Finanzkraft nicht berücksichtigt.

­

Die Steuerkraft ist auf Grund ihrer Berechnung ­ Steuereinnahmen dividiert durch den Gesamtindex der Steuerbelastung ­ mit einigen methodischen Mängeln behaftet. So wird z.B. je nach Ausmass der Steuerprogression die Steuerkraft der Kantone zu hoch oder zu niedrig ausgewiesen (vgl.

Ziff. 5.5.1.4).

­

Die Verwendung der Steuerbelastung als Lastenindikator weist zwei hauptsächliche Mängel auf. Zum einen stellt sie einen Indikator dar, der von den Kantonen durch ihre Fiskalpolitik direkt beeinflusst werden kann. Zum anderen finden individuell gewährte Steuererleichterungen im Steuerbelastungsindex keine Berücksichtigung, da die Belastungen auf der Basis der in den Steuergesetzen festgelegten Eckwerte und nicht auf Grund der effektiven Steuerpraxis errechnet werden. Grosszügige, individuelle Steuererleichterungen und -befreiungen bewirken somit keine Senkung der Steuerbelastung. Dies wiederum führt letztlich dazu, dass die betreffenden Kantone finanzkraftmässig tiefer eingestuft werden, als sie es effektiv sind.

­

Durch den Anteil Berggebiet werden zwar übermässige Lasten des Berggebietes erfasst. Vollkommen ausgeblendet bleiben hingegen die übermässigen Lasten der Zentrumskantone.

5.2.4

Zielkonflikte und Fehlanreize

Als besonders problematisch für den gesamten Finanzausgleich erscheint der Umstand, dass mit jeweils einem Instrument gleich zwei zentrale, aber grundlegend verschiedene Anliegen ­ ein Anreiz- und ein Umverteilungsziel ­ erreicht werden sollen.

2367

Das Anreizziel besteht darin, dass der Bund erreichen möchte, dass die Kantone in den von ihm unterstützten Aufgabenbereichen auch eigene Aktivitäten entfalten (z.B. die Ausrichtung von Stipendien). Um den Kantonen diesbezüglich einen Anreiz zu bieten, beteiligt sich der Bund mit einem Grundbeitrag an den Kosten der Kantone. Je nach Aufgabenbereich beträgt der Satz für den Grundbeitrag bis zu 60 Prozent der anrechenbaren Kosten.

Zusätzlich zu diesem für alle Kantone gleich hohen Grundbeitrag werden, je nach Finanzkraft der Kantone, so genannte Finanzkraftzuschläge an mittelstarke und finanzschwache Kantone ausgerichtet. Diese Zuschläge werden gemeinsam mit den jeweiligen Grundbeiträgen ausbezahlt und haben eine Umverteilungsfunktion zu erfüllen. Die Finanzkraftzuschläge ­ und damit einhergehend die Subventionssätze ­ fallen umso höher aus, je finanzschwächer ein Kanton ist. Sie werden stets zweckgebunden für die vom Bund subventionierte Aufgabe ausgerichtet. 1999 wurden Finanzkraftzuschläge in der Höhe von rund 830 Millionen Franken ausbezahlt45.

In diesem Zusammenhang können folgende Probleme ausgemacht werden: ­

Die Anreizwirkung schiesst oft über das Ziel hinaus. Häufig sind die Subventionssätze ­ namentlich dort, wo sie Finanzkraftzuschläge einschliessen ­ so hoch, dass für die Kantone kein genügender Anreiz zu einer sparsamen Mittelverwendung besteht. Vielmehr können die hohen Subventionssätze die Empfänger dazu verleiten, das Geld lediglich «abzuholen», ohne sich ernsthaft die Frage nach der effektiven Notwendigkeit der damit zu tätigenden Investition zu stellen. Dabei besteht die Gefahr, dass Projekte überdimensioniert und die anfallenden Folgekosten, die später z.B. aus den laufenden Betriebsausgaben erwachsen, zu wenig beachtet werden.

­

Die Kantone erhalten nur dann Bundessubventionen, wenn sie im betreffenden Aufgabenbereich finanzielle Eigenleistungen erbringen. Diese sind aber bei den mittelstarken und finanzschwachen Kantonen im Verhältnis zu deren Steuereinnahmen oftmals so gewichtig, dass der über die zweckgebundenen Subventionen angestrebte Ausgleichseffekt gleichsam neutralisiert wird. Es verbleiben diesen Kantonen trotz der relativ hohen Bundesbeiträge übermässige Nettobelastungen.

­

Eine kohärente politische Steuerung der anvisierten Umverteilungswirkung ist praktisch unmöglich, da die Finanzkraftzuschläge in rund 30 Aufgabenbereichen mit jeweils unterschiedlicher Abstufung der Subventionssätze ausgerichtet werden.

Insgesamt ist festzuhalten, dass weder das Anreiz- noch das Umverteilungsziel in befriedigendem Ausmass erreicht wird. Einerseits besteht ein ineffizientes Anreizsystem, welches mittelfristig bei finanzschwachen Kantonen sogar zu Mehrausgaben führen kann. Andererseits wird auch keine genügende Ausgleichswirkung erzielt46.

45 46

Vgl. EFV; Finanzausgleichsbilanz 1999; Bern, 2001.

Vgl. Frey, René L.; Spillmann, Andreas; Dafflon, Bernard; Jeanrenaud, Claude; Meier, Alfred; Der Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen. Expertise zu den Finanzhilfen und Abgeltungen des Bundes an die Kantone im Auftrag der Eidgenössischen Finanzverwaltung und der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren; Bern, 1994.

2368

5.3

Ziele

Der Finanzausgleich im engeren Sinn verfolgt unmittelbar zwei übergeordnete Ziele.

Zum einen sollen die Kantone ­ vor allem auch die ressourcenschwachen Kantone ­ über genügend finanzielle Mittel verfügen, um die ihnen übertragenen Aufgaben selbstständig erfüllen zu können. Zum anderen soll die Wirksamkeit des gesamten Ausgleichssystems gesteigert und die Disparitäten in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen den Kantonen abgebaut werden.

Diese beiden übergeordneten Ziele sollen durch den folgenden Massnahmenkatalog erreicht und ihre Erfüllung langfristig gesichert werden: ­

Trennung von Lasten- und Einnahmenelementen. In der NFA soll neu strikt zwischen lasten- und einnahmenorientierten Gefässen unterschieden werden.

Dadurch werden Zielkonflikte und Fehlanreize vermieden und die Effizienz der eingesetzten Mittel erhöht. Ausserdem ermöglicht dies einen systematischen und transparenten Aufbau des gesamten Ausgleichssystems.

­

Methodisch korrekte Erfassung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone. Die finanziellen Ressourcen der Kantone sollen in Zukunft ausschliesslich auf Grund ihres Steuerpotenzials erfasst werden. Der neue Ressourcenindex erlaubt somit eine methodisch korrekte Erfassung der Ressourcenpotenziale der Kantone.

­

Fokussierung auf Transfers in Form nicht zweckgebundener Mittel. Dadurch sollen den Kantonen vermehrt finanzpolitische Handlungsspielräume eröffnet werden.

­

Politische Steuerbarkeit und Wirkungskontrolle. Neu sollen die eidgenössischen Räte die Dotierungen der Gefässe des Ausgleichssystems festlegen.

Auf diese Weise wird der gesamte Finanzausgleich in seinen Wirkungen politisch steuerbar. Als Entscheidungsgrundlage für die eidgenössischen Räte soll in Zukunft in regelmässigen Abständen eine umfassende Wirkungsanalyse erstellt werden.

5.4

Das neue Ausgleichssystem im Überblick

Das neue Ausgleichssystem zeichnet sich durch eine klare Struktur aus. Es verfügt nur noch über zwei Instrumente ­ den Ressourcenausgleich und den Lastenausgleich des Bundes.

Der Ressourcenausgleich bildet das Kernstück des neuen Ausgleichssystems. Er soll zum einen dafür sorgen, dass sämtliche Kantone über genügend finanzielle Mittel verfügen, um die ihnen übertragenen Aufgaben eigenständig erfüllen zu können.

Zum anderen soll über den Ressourcenausgleich ein Abbau der Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen den Kantonen erreicht werden. Um die finanzielle Leistungsfähigkeit überhaupt messen zu können, muss zunächst für jeden Kanton das Potenzial an finanziellen Ressourcen erfasst werden. Dies geschieht über den neuen Ressourcenindex. Dieser erfasst das fiskalisch ausschöpfbare Einnahmenbzw. Steuerpotenzial der Kantone und teilt diese in ressourcenstarke und ressourcenschwache Kantone ein, je nachdem ob sie Indexwerte unter- oder oberhalb des gesamtschweizerischen Durchschnitts aufweisen. Finanziert wird der Ressourcenausgleich durch den Bund (vertikaler Ressourcenausgleich) und die ressourcenstar2369

ken Kantone (horizontaler Ressourcenausgleich). Gemäss der vorliegenden Modellrechnung ist der vertikale Ressourcenausgleich mit rund 1,4 Milliarden Franken, der horizontale mit einer Milliarde Franken dotiert, sodass der gesamte Ressourcenausgleich ein Volumen von ca. 2,4 Milliarden Franken aufweist (vgl. Abb. 5.1).

Mit dem zweiten Instrument des neuen Ausgleichssystems ­ dem Lastenausgleich des Bundes ­ sollen gezielt übermässige Lasten der Kantone, die sich aus deren geografisch-topografischer Situation oder deren Bevölkerungsstruktur ergeben, abgegolten werden. Er besteht aus zwei Ausgleichsgefässen: dem geografisch-topografischen Lastenausgleich (GLA) und dem soziodemografischen Lastenausgleich (SLA). Sowohl der GLA als auch der SLA werden durch den Bund finanziert. Im vorliegenden Modell sind beide Gefässe mit 275 Millionen Franken pro Jahr dotiert.

Das neue Ausgleichssystem im Überblick (gemäss NFA-Modellberechung)

Abbildung 5.1

Bund

550 Millionen Franken 1 431 Millionen Franken (GLA + SLA) (VRA)

Lastenausgleich des Bundes GLA

Ressourcenausgleich VRA

SLA

HRA

2 431 Millionen Franken 275 Millionen Franken (VRA + HRA) (GLA) 1 000 Millionen Franken 275 Millionen Franken (HRA) (SLA)

Kantone mit Sonderlasten

Ressourcenschwache Kantone

Bemerkungen:

2370

GLA SLA HRA VRA

Ressourcenstarke Kantone

= Geografisch-topografischer Lastenausgleich = Soziodemografischer Lastenausgleich = Horizontaler Ressourcenausgleich = Vertikaler Ressourcenausgleich

Im Vergleich zum heute geltenden Finanzausgleich werden im neuen Ausgleichssystem zwei zentrale Trennungen vorgenommen. Zum einen werden der Ressourcen- und der Lastenausgleich des Bundes von den anreizorientierten Instrumenten, den zweckgebundenen Grundbeiträgen im Rahmen des Subventionswesens, getrennt. Zum anderen wird auch innerhalb des Ausgleichssystems klar zwischen dem Ausgleich der Ressourcen und dem Ausgleich von Lasten unterschieden. Dadurch werden Transparenz und Wirksamkeit verbessert.

Eine weitere zentrale Verbesserung gegenüber dem heute geltenden Finanzausgleich besteht darin, dass das neue Ausgleichssystem politisch steuerbar ist. In Zukunft wird das eidgenössische Parlament sowohl die Dotierung des vertikalen und des horizontalen Ressourcenausgleichs als auch diejenige des geografisch-topografischen und des soziodemografischen Lastenausgleichs festlegen können. Als Rechtsform ist der Bundesbeschluss vorgesehen (vgl. Tabelle 5.4). Es ist vorgesehen, dass dies alle vier Jahre basierend auf einem detaillierten Wirkungsbericht geschehen soll.

Rechtliche Verankerung der Elemente des Finanzausgleichs im engeren Sinn Tabelle 5.4 Ausgleichsgefäss / Regelungsgegenstand

Rechtliche Verankerung BundesBundesgesetz über Bundesbeschluss verfassung den Finanzausgleich

Ressourcenpotenzial Grundsätze Elemente Details zu den Elementen Aktualisierung Ressourcenausgleich Verankerung des Instruments × Grundsätze Verhältnis zwischen horizontalem und vertikalem Ressourcenausgleich Dotierung des horizontalen und des vertikalen Ressourcenausgleichs Anzustrebende minimale Mindestausstattung Aktualisierung der progressiven Verteilungsskala Aktualisierung der Gefässdotierung Lastenausgleich des Bundes Verankerung der Instrumente × Grundsätze Generelle Kriterien Kriterien der Verteilung

Verordnung des Bundesrates

× × × × (jährlich)

× × × (jeweils für vier Jahre) × × (jährlich) × (jährlich)

× × ×

2371

Ausgleichsgefäss / Regelungsgegenstand

Rechtliche Verankerung BundesBundesgesetz über Bundesbeschluss verfassung den Finanzausgleich

Dotierung

Verordnung des Bundesrates

× (jeweils für vier Jahre)

Aktualisierung der Dotierungen

× (jährlich)

5.5

Der Ressourcenausgleich

5.5.1

Der Ressourcenindex

Der neue Ressourcenindex stellt den Verteilschlüssel des Ressourcenausgleichs dar.

In dieser Funktion löst er den Finanzkraftindex des heute geltenden Finanzausgleichs ab. Der Ressourcenindex soll das Ressourcenpotenzial der Kantone wiedergeben. Dabei sind mehrere Vorgaben einzuhalten. Entsprechend der vollständigen Trennung von Ressourcen- und Lastenausgleich soll der neue Ressourcenindex ­ im Gegensatz zum heutigen Finanzkraftindex ­ keine Lastenelemente mehr enthalten.

Zudem dürfen die Indexwerte nicht durch das Ausgabengebaren oder die Steuerpolitik der einzelnen Kantone beeinflusst werden können. Die benötigten statistischen Grundlagen müssen jährlich erhoben werden, sodass der Ressourcenindex ebenfalls jährlich aktualisiert werden kann. Schliesslich sollen die Indexwerte für jeden Kanton einzeln nachvollziehbar sein.

Obschon es sich beim Ressourcenindex um eine sehr bedeutungsvolle Steuerungsgrösse des Finanzausgleichs handelt, wird der Ausdruck «Ressourcenindex» im neuen Bundesgesetz über den Finanzausgleich nicht verwendet. Dies rührt daher, dass der Ressourcenindex eines Kantons nichts anderes ausdrückt als die Höhe seines Ressourcenpotenzials pro Einwohnerin bzw. Einwohner im Vergleich zu den entsprechenden Werten aller andern Kantone. Da der Begriff «Ressourcenpotenzial» einen absolut zentralen Begriff des FAG darstellt, kann somit im Gesetz auf einen zusätzlichen Begriff «Ressourcenindex» verzichtet werden.

Im Vernehmlassungsbericht vom März 199947 konnte erst der so genannte «Tendenzindex» präsentiert werden. Auf diese Notlösung musste zurückgegriffen werden, da verschiedene statistische Grundlagen für einen ausgereifteren Ressourcenindex noch nicht zur Verfügung standen. Der Tendenzindex war ein Mischindex, der neben den Ressourcen auch die Steuerkraft der Kantone nach heute geltendem System erfasste und mit einer Gewichtung von jeweils 50 Prozent zu einer Masszahl aggregierte.

In der Vernehmlassung wurden dann konzeptionelle Mängel und eine ungenügende Transparenz geltend gemacht. Zudem kritisierten einige Kantone, dass der Index ihre Lage nicht korrekt widerspiegle. Diesen Einwänden wurde Rechnung getragen.

Der Ressourcenindex wurde nochmals von Grund auf überarbeitet und auf eine neue konzeptionelle Basis gestellt.

47

Vgl. EFD; KdK; Der neue Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen.

Konkretisierung der Grundzüge vom 1. Februar 1996; Bern/Solothurn, 1999.

2372

5.5.1.1

Konzeption und Elemente des neuen Ressourcenindexes

5.5.1.1.1

Das Grundkonzept

Zur Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit der einzelnen Kantone stützt sich der neue Ressourcenindex auf die Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG) ab.

Die ASG fasst das steuerbare Einkommen und Vermögen der natürlichen Personen sowie die Gewinne der juristischen Personen zu einer Masszahl zusammen. Die Grundidee dieses Konzepts besteht darin, dass letztendlich jede Steuer entweder aus Arbeitsoder Kapitaleinkommen, Vermögen oder Gewinnen bezahlt wird. Die Summe dieser Grössen kann somit als Steuerpotenzial eines Kantons bezeichnet werden.

Von zentraler Bedeutung für den Ressourcenindex ist, dass dieser nicht von der kantonalen Besteuerungspolitik beeinflusst werden kann. Da das Steuerpotenzial der Kantone erhoben wird, ist es unerheblich, mit welchen fiskalischen Instrumenten und mit welchen Steuertarifen die Kantone ihr Steuerpotenzial tatsächlich ausschöpfen. Es bleibt den Kantonen überlassen, ihre Steuerpolitik optimal auf die kantonalen Bedürfnisse und Besonderheiten auszurichten.

5.5.1.1.2

Die Elemente des neuen Ressourcenindexes

Zur Zeit stehen noch nicht sämtliche Elemente der ASG zur Verfügung, da die Instrumente zur Erhebung der statistischen Basisdaten erst noch erarbeitet werden müssen. Unter Ziff. 5.5.1.2 wird auf die noch zu schliessenden Lücken bei den Datengrundlagen zurückgekommen. Dennoch konnte anhand der vorhandenen Daten eine zuverlässige Hochrechung der ASG-Werte für sämtliche Kantone erstellt werden (vgl. Ziff. 5.5.1.3). Zunächst soll nun aber das Konzept der ASG im Detail erläutert werden.

Die ASG umfasst folgende drei Hauptelemente: 1.

Die Einkommen der natürlichen Personen Mit den kantonalen Steuerbemessungsgrundlagen der direkten Bundessteuer liegen harmonisierte Werte der Einkommensbesteuerung der natürlichen Personen für sämtliche Kantone vor. Aus konzeptionellen Überlegungen müssten auch Einkommen, die der Quellensteuer unterliegen, in die ASG einbezogen werden. Dazu fehlen zur Zeit jedoch die entsprechenden statistischen Grundlagen, sodass diese Einkommen für die in dieser Botschaft vorliegende Hochrechnung noch nicht integriert werden konnten. Es ist jedoch vorgesehen, diese Daten bis zur Einführung der NFA bereitzustellen (vgl.

Ziff. 5.5.1.2).

Im Zusammenhang mit der Einkommensbesteuerung ist auf die Steuerprogression hinzuweisen. So weisen z.B. zwei Gebietskörperschaften mit demselben Durchschnittseinkommen, aber jeweils unterschiedlichen Einkommensverteilungen nicht das gleiche Potenzial an Einkommenssteuern auf.

Soll deren Steuerpotenzial korrekt wiedergegeben werden, muss die Steuerprogression berücksichtigt werden. Die indirekte Steuerprogression ist in den Daten der Steuerbemessung zur direkten Bundessteuer bereits enthalten, da verschiedene Abzüge vorgenommen wurden. Zusätzlich soll aber auch 2373

die direkte Progression berücksichtigt werden. Dazu wird vorgeschlagen, Einkommen, die unterhalb der Steuerfreigrenze von zur Zeit 23 300 Franken des steuerbaren Einkommens für Verheiratete bei der direkten Bundessteuer liegen, nicht in die ASG einzubeziehen. Dieser Betrag wird als ein Mindesteinkommen betrachtet, das nicht besteuert werden soll48. Gesamtschweizerisch weisen derzeit rund 25 Prozent der steuerpflichtigen Personen ein unter diesem Grenzwert liegendes steuerbares Einkommen auf.

2.

Das Vermögen der natürlichen Personen Das Vermögen der natürlichen Personen umfasst ebenfalls das Kapital der juristischen Personen, sodass dieses nicht noch zusätzlich erfasst werden muss.

Allerdings existiert zur Zeit keine gesamtschweizerisch harmonisierte Vermögensstatistik, die den methodischen Anforderungen der ASG entspricht, sodass die entsprechenden Werte für diese Botschaft anhand ökonometrischer Schätzungen hochgerechnet werden mussten. Auch diese Lücke wird bis zum Inkrafttreten der NFA geschlossen werden (vgl. Ziff. 5.5.1.2).

Beim Vermögen der natürlichen Personen handelt es sich um eine Bestandesgrösse, während die Einkommen der natürlichen Personen und die Gewinne der juristischen Personen Flussgrössen darstellen. Bestandes- und Flussgrössen können nicht ohne weiteres zu einer Gesamtsumme aufaddiert werden. Deshalb wird vorgeschlagen, die erfassten Vermögenswerte mit Hilfe eines )DNWRUV zu bereinigen, sodass sie mit den Einkommen und Gewinnen verrechnet werden können. In die ASG soll bloss derjenige Teil des Vermögens eingehen, der besteuert werden kann, ohne dass sich die Vermögenssubstanz vermindert. Dabei ist zu beachten, dass der Vermögensertrag (insbesondere die Zins- und Dividendenzahlungen) bereits als Einkommen oder als Gewinn in der ASG erfasst wird. Es soll also nur der Wertzuwachs des Vermögens berücksichtigt werden. Diesem Wertzuwachs entspricht der )DNWRU . Der vorliegenden Botschaft wurde ein )DNWRU von 0.016 zu Grunde gelegt. Dies hat zur Folge, dass 100 Franken Vermögen (Bestandesgrösse) einem Wert von 1,60 Franken Einkommens- oder Ertragsteuerbemessungsgrundlage (Flussgrösse) entsprechen.

3.

Die Gewinne der juristischen Personen Die Gewinne der juristischen Personen bilden das Pendant zu den Einkommen der natürlichen Personen. Sowohl bei den Einkommen als auch den Gewinnen handelt es sich um Flussgrössen, die ohne Probleme miteinander verrechnet werden können. Auch können für die Gewinne der juristischen Personen ebenfalls die formell harmonisierten Bemessungsgrundlagen der direkten Bundessteuer beigezogen werden. Um sie in die ASG integrieren zu können, müssen bei den Gewinnen der juristischen Personen dennoch zwei Bereinigungen vorgenommen werden:

48

Dabei gilt es zu beachten, dass die Steuerfreigrenze von 23 300 Franken z.B. im Fall eines verheirateten Alleinverdieners mit zwei Kindern im Kanton Zürich einem Bruttoarbeitseinkommen von rund 3750 Franken pro Monat bzw. rund 45 000 Franken pro Jahr entspricht. Vgl. Fischer, Roland; Expertenbericht betreffend Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG) / Ressourcenindex im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben (NFA); Zürich, 2001; S. 12 f.

2374

­

­

Um Doppelzählungen zu vermeiden, werden von den steuerbaren Gewinnen die Nettoerträgen aus Beteiligungen abgezogen. Diese Bereinigung wird als erste Holdingkorrektur bezeichnet.

Eine zweite Holdingkorrektur muss vorgenommen werden, um die geringere Besteuerung der Gewinne bei Holding- und Verwaltungsgesellschaften im Vergleich zu den übrigen Gesellschaften zu berücksichtigen.

Soll das Steuerpotenzial eines Kantons korrekt wiedergegeben werden, ist es nicht gerechtfertigt, dass die Gewinne der Holding- und Verwaltungsgesellschaften vollumfänglich in die ASG einfliessen. Daher soll nur ein bestimmter )DNWRU dieser Gewinne berücksichtigt werden.

Die heute verfügbaren Daten lassen es noch nicht zu, den )DNWRU zu bestimmen. Mit einem Abstellen allein auf die Steuerbemessungsgrundlagen würde jedoch der gemäss Artikel 28 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199049 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) vorgesehenen Privilegierung bestimmter Gesellschaften nicht Rechnung getragen. Deshalb musste für die vorliegende Botschaft auf einen behelfsmässigen Korrekturmechanismus zurückgegriffen werden. Der Korrekturmechanismus besteht darin, dass bei Kantonen mit höheren potenziellen als tatsächlichen Steuererträgen die tatsächlichen Steuererträge mit 70 Prozent und die potenziellen Steuererträge mit 30 Prozent gewichtet und dann aggregiert werden. Die aggregierten Werte werden anschliessend mit einem Durchschnittssteuersatz auf Steuerbemessungsgrundlagen für die juristischen Personen hochgerechnet. Diese können schliesslich mit den Steuerbemessungsgrundlagen für die natürlichen Personen (Einkommen und Vermögen) zur ASG aggregiert werden.

Im Hinblick auf die Einführung der NFA werden die statistischen Grundlagen im Bereich der Besteuerung der juristischen Personen jedoch verbessert. So wird ein Meldeverfahren eingerichtet werden, das für jeden Kanton die Gewinne der Holding- und Verwaltungsgesellschaften sowie diejenigen der übrigen Gesellschaften getrennt aufführt (vgl. Ziff. 5.5.1.2). Dies wird dann eine Bestimmung des )DNWRUV ermöglichen.

Abbildung 5.2 stellt die Zusammensetzung der ASG grafisch dar. Die Einkommen der natürlichen Personen sowie die Gewinne der nicht privilegierten Betriebsgesellschaften werden vollumfänglich in die ASG einbezogen, während von den Vermögen der natürlichen Personen und den Gewinnen der Holding- und Verwaltungsgesellschaften nur die )DNWRUHQ und berücksichtigt werden.

49

SR 642.14

2375

Zusammensetzung der Aggregierten Steuerbemessungsgrundlage (ASG) Abbildung 5.2

Nat rliche Personen

Verm gen

1-

<1

Einkommen

Juristische Personen

Gewinne

Gewinne

der Betriebsgesellschaften

der Holding- und Verwaltungsgesellschaften





Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG)

1-

<1

Der ASG-Wert eines Kantons lässt sich auch mit der untenstehenden Formel ausdrücken:

ASG = E

V G H1

H2 B

2376

E + V + G - H1 + H 2

Summe der steuerbaren Einkommen der natürlichen Personen (abzüglich der ersten 23 300 Franken, bereinigt um die Steuerausscheidungen zwischen den Kantonen und ergänzt um die quellenbesteuerten Einkommen) Zins- und dividendenbereinigte Vermögensrendite Summe der Vermögen der natürlichen Personen Summe der Gewinne der steuerlich nicht privilegierten juristischen Personen (bereinigt um die Steuerausscheidungen zwischen den Kantonen) Summe der erhaltenen Beteiligungsgewinne (erste Holdingkorrektur) Korrekturfaktor zur Erfassung des Steuerprivilegs für Holding- und Verwaltungsgesellschaften (zweite Holdingkorrektur) Summe der Gewinne der Holding- und Verwaltungsgesellschaften (bereinigt um die Steuerausscheidungen zwischen den Kantonen) Mittlere Wohnbevölkerung

5.5.1.2

Weiterentwicklung des Ressourcenindexes bis zur Einführung der NFA

Wie bereits erwähnt, liegen zur Zeit noch nicht sämtliche zur Berechnung der ASG benötigten Daten vor, sodass die ASG vorerst noch teilweise auf Hochrechnungen beruht. Daher wurden die Schweizerische Steuerkonferenz, die Eidgenössische Steuerverwaltung und das Bundesamt für Statistik beauftragt, bis ins Jahr 2006 die entsprechenden statistischen Grundlagen zu erarbeiten, sodass die benötigten Daten bei der Einführung der NFA zur Verfügung stehen (vgl. Tabelle 5.5).

Bis 2006 zu schliessende statistische Lücken der ASG-Erfassung Tabelle 5.5 Gegenstand

Zu erarbeitende Statistik

Einkommen der natürlichen Personen Erfassung der Steuerausscheidungen Erfassung der quellensteuerpflichtigen Einkommen Vermögen der natürlichen Personen

Erarbeitung einer gesamtschweizerischen Vermögensstatistik; gestützt darauf Überprüfung des Faktors

Gewinne der juristischen Personen

Getrennte Erfassung der Gewinne der Holding- und Verwaltungsgesellschaften sowie der übrigen Betriebsgesellschaften zwecks Bestimmung des Faktors ß

Der Bundesrat unterstreicht, dass die erwähnten statistischen Grundlagen im Hinblick auf die Einführung der NFA in jedem Fall vorliegen müssen. Eine Inkraftsetzung der Reform ohne erhärtetes statistisches Grundlagenmaterial kommt mit anderen Worten nicht in Frage.

Ein weiterer Aspekt betrifft die Aktualität der verwendeten Daten. Zur Zeit geht ein Teil der verwendeten Daten auf die Steuerbemessungsperiode 1993/1994 zurück, dadurch verliert die ASG an Aussagekraft. Durch die Einführung der einjährigen Steuerveranlagung mit Gegenwartsbemessung in allen Kantonen wird sich dieser «time lag» bis zur Einführung der NFA jedoch auf drei bis vier Jahre verringern.

5.5.1.3

Die Ergebnisse des hochgerechneten Ressourcenindexes

Auf Grund der bereits beschriebenen Lücken in der steuerstatistischen Datenbasis kann im Rahmen dieser Botschaft lediglich ein zum Teil auf geschätzten und hochgerechneten Daten basierender Ressourcenindex vorgelegt werden.

2377

In einem ersten Schritt mussten die fehlenden Elemente der ASG ökonometrisch geschätzt werden50. Zuhanden der vorliegenden Botschaft wurden folgende ASGElemente geschätzt: ­

Die Vermögenssteuerpotenziale der Kantone inklusive des )DNWRUV .

­

Die Gewinne der juristischen Personen inklusive des )DNWRUV .

Somit lagen zwar sämtliche benötigten Daten vor, doch bezogen sie sich nicht alle auf dieselbe Steuerbemessungsperiode. Die ASG-Werte für die Einkommens- und Vermögenssteuerpotenziale der natürlichen Personen bezogen sich auf die Steuerbemessungsperiode 1995/1996, während die ASG-Werte der Gewinnsteuerpotenziale der juristischen Personen die Steuerbemessungsperiode 1993/1994 als Basis aufgewiesen haben. Daher wurden in einem zweiten Schritt sämtliche ASGElemente auf den Stand der Jahre 1998/1999 hochgerechnet, sodass nun ein Ressourcenindex vorgewiesen werden kann, der auf möglichst aktuellen Daten beruht und dessen einzelne Elemente sich auf dieselbe Steuerbemessungsperiode beziehen.

Hochgerechneter Ressourcenindex (1998/1999) Abbildung 5.3 Ressourcenindex 225 200 175 150 125 100 75 50 25 1

0

50

2

3

4

5

6

ZG ZH BS NW GE SZ

7

8

9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

BL CH GL GR VD AG AR SH SG NE TI AI LU SO OW TG FR BE UR JU VS

Vgl. Fischer, Roland; Expertenbericht betreffend Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG) / Ressourcenindex im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben (NFA); Zürich, 2001.

2378

Hochgerechneter Ressourcenindex (1998/1999) Tabelle 5.6 Kanton

Indexwert

Kanton

Indexwert

Kanton

Indexwert

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG

146.7 71.1 74.7 69.5 119.2 72.9 136.9 98.3 238.0

FR SO BS BL SH AR AI SG GR

1.3 74.5 144.1 110.4 89.3 89.8 79.7 82.5 96.2

AG TG TI VD VS NE GE JU CH

90.6 71.8 79.9 93.6 57.8 82.4 136.3 65.2 100.0

5.5.1.4

Analysen zum neuen Ressourcenindex

Angesichts der Bedeutung als zentrales Steuerungsinstrument des künftigen Finanzausgleichs wurden verschiedene Analysen vorgenommen, um den Ressourcenindex auf eine wissenschaftlich gesicherte Basis zu stellen. Dabei standen folgende fünf Punkte im Mittelpunkt: 1.

Zweckdienlichkeit der Aggregierten Steuerbemessungsgrundlage (ASG) als Indikator der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone Ein Gutachten untersuchte, ob die ASG im Rahmen der Zielsetzung der NFA als geeigneter Indikator zur Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone betrachtet werden kann51. Das Gutachten kommt zum Schluss, dass die ASG einen geeigneten Indikator darstellt. Diese Einschätzung beruht darauf, dass die Ausrichtung auf die besteuerbaren Ressourcen dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuersubjekte, welches den kantonalen Steuersystemen zu Grunde liegt, sehr nahe kommt. So ergibt sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer natürlichen Person im Wesentlichen aus ihrem Einkommen und ihrem Vermögen, jene einer juristischen Person aus ihrem Gewinn. Die Grundidee, die Summe der drei Grössen Einkommen, Vermögen und Gewinne als Ressourcenpotenzial der Kantone zu betrachten, ist deshalb leicht nachvollziehbar und methodisch zulässig.

Zu beachten gilt jedoch, dass die ASG weder ein reines Wertschöpfungsmodell (wie z.B. das Volkseinkommen) darstellt, noch mit dem Konzept des umfassenden Steuerpotenzials verglichen werden kann. Bei Letzterem werden die Bemessungsgrundlagen aller vorhandenen Steuerarten erfasst, mit entsprechenden Normtarifen gewichtet und zusammengezählt. Im Gegensatz dazu impliziert die ASG gerade nicht die konkrete Ausschöpfung der besteuerbaren Ressourcen. Auf die Definition eines Normtarifs wird bewusst

51

Vgl. Fischer, Roland; Expertenbericht betreffend Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG) / Ressourcenindex im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben (NFA); Zürich, 2001; S. 4 f.

2379

verzichtet. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Kanton die vorhandenen Ressourcen gemäss seinen finanziellen Bedürfnissen und den Wirkungen auf seine Standortattraktivität und die Ergiebigkeit der Besteuerung möglichst optimal ausschöpft.

2.

Beurteilung der Steuerprogression im ASG-Modell Ebenfalls durch das bereits erwähnte Gutachten wurde der Frage nachgegangen, ob die Steuerprogression im ASG-Modell korrekt abgebildet wird52.

Das Gutachten bestätigte dabei zwei Punkte. Zum einen, dass die Höhe des für die ASG angenommenen Steuerfreibetrags von 23 300 Franken im Sinne eines notwendigen Mindesteinkommens angemessen ist. Zum anderen, dass das ASG-Modell durch die Einsetzung dieses Freibetrags für alle Steuerpflichtigen einen Steuertarif mit indirekter Progression darstellt, der die Progression der kantonalen Steuertarife vergleichsweise gut abbildet.

Das Gutachten untersuchte die Progression der Steuertarife im Vergleich zur Progression der ASG auch für alle einzelnen Kantone. Anhand eines Vergleichs der geschätzten kumulierten Steuereinnahmen und der kumulierten ASG für die Einkommensklassen bis 200 000 Franken wurde überprüft, für wie viele Prozent des gesamten Steueraufkommens einerseits und der ASG andererseits die einzelnen Einkommensklassen verantwortlich sind. Hierbei zeigte sich, dass die Progression im ASG-Modell und die progressiven Steuertarife in den Kantonen in der Regel eine hohe Übereinstimmung aufweisen. Freilich führten Detailanalysen der einzelnen Kantone dennoch Unterschiede zu Tage. So weist z.B. der Steuertarif im Kanton Obwalden eine schwächere Progression auf als das ASG-Modell, während die Tarife der Kantone Zürich und Tessin eine stärkere Progression aufweisen. In anderen Kantonen wie beispielsweise Thurgau, Neuenburg und Appenzell Ausserrhoden ist die Übereinstimmung zwischen ASG-Modell und Steuertarifen demgegenüber sehr gut.

Bei der Interpretation der Resultate ist jedoch zu beachten, dass die ASG nicht den Zweck verfolgt, die progressiven kantonalen Steuertarife möglichst genau abzubilden. Die indirekte progressive Wirkung des ASGModells soll dazu dienen, der unterschiedlichen steuerlichen Ausschöpfbarkeit von hohen und tiefen Einkommen generell Rechnung zu tragen. Dies geschieht mit der Festlegung eines Steuerfreibetrags, welcher ein notwendiges Mindesteinkommen repräsentiert. Die tatsächliche relative Ausschöpfung einzelner Einkommensklassen kann und soll in den Kantonen ­ den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend ­ durchaus variieren. Hinzu kommt, dass eine Veränderung einzelner Freibeträge nicht nur
Auswirkungen auf die Progression der ASG hätte, sondern ­ mit viel stärkeren Konsequenzen ­ die Höhe der ASG direkt beeinflussen würde. Ausserdem würde die Vergleichbarkeit zwischen den Kantonen und die Funktion des Freibetrags als notwendiges Mindesteinkommen in Frage gestellt. Von einer Anpassung der Freibeträge in einzelnen Kantonen ist deshalb aus methodischen Gründen Abstand zu nehmen.

52

Vgl. Fischer, Roland; Expertenbericht betreffend Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG) / Ressourcenindex im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben (NFA); Zürich, 2001; S. 6­9.

2380

3.

Vergleich des Ressourcenindexes mit dem Finanzkraftindex Im Rahmen der NFA löst der neue Ressourcenindex den heute geltenden Finanzkraftindex als zentrales Steuerungsinstrument ab. Daher drängt sich ein Vergleich zwischen den beiden Indices geradezu auf53.

Der wesentlichste Unterschied zwischen dem neuen Ressourcenindex und dem bisher verwendeten Finanzkraftindex besteht darin, dass der Ressourcenindex keinerlei Lastenelemente mehr enthält. Der Finanzkraftindex hingegen umfasst mit den Teilindizes Steuerbelastung und «Anteil Berggebiet» Elemente, die besondere Lasten der Kantone abbilden sollen. Diese Verknüpfung von Elementen der finanziellen Leistungsfähigkeit mit Belastungselementen zu einer gemeinsamen Kennziffer ­ dem Finanzkraftindex ­ ist methodisch mit verschiedenen Problemen verbunden (vgl. Ziff. 5.2.3).

Daher wird neu mit dem Ressourcenindex lediglich die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Kantons anhand des durch die ASG ermittelten Steuerpotenzials erfasst, während die besonderen Lasten der Kantone durch die Lastenindizes des geografisch-topografischen und des soziodemografischen Lastenausgleichs berücksichtigt werden.

Auf Grund dieser Unterschiede ist ein direkter Vergleich zwischen dem Finanzkraftindex und dem neuen Ressourcenindex nicht möglich. Eine direkte Gegenüberstellung ist bestenfalls zwischen dem Ressourcenindex und denjenigen Teilindizes des Finanzkraftindexes möglich, welche die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kantone abbilden sollen. Dabei handelt es sich um die Teilindizes «Volkseinkommen» und «Steuerkraft». Allerdings ergeben sich auch bei einem Vergleich zwischen dem Ressourcenindex und dem Volkseinkommen methodische Probleme, sodass nur ein Vergleich zwischen dem Ressourcenindex und der Steuerkraft möglich ist.

4.

Vergleich des Ressourcenindexes mit der Steuerkraft der Kantone Ein Vergleich zwischen dem Ressourcenindex und der Steuerkraft54 wird möglich, da beide Indikatoren das Steuerpotenzial eines Kantons abbilden sollen. Während beim Ressourcenindex durch die ASG die Steuerbemessungsgrundlagen gewichtet und addiert werden, wird mit der Steuerkraft versucht, diese Bemessungsrundlagen indirekt durch eine Gewichtung der effektiv realisierten Steuereinnahmen mit dem Steuerbelastungsindex zu schätzen. Auf dem Weg von den Steuereinnahmen über die Steuerbelastung zur Steuerkraft finden sich jedoch zahlreiche methodische Unzulänglichkeiten, welche schliesslich das so entstandene Bild des steuerlich ausschöpfbaren Potenzials reichlich verzerrt erscheinen lassen und im Übrigen eine Interpretation des Steuerkraftindexes verunmöglichen.

53 54

Vgl. Fischer, Roland; Die Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG) im Vergleich zum Steuerkraftindex der Finanzkraft; Zürich, 2001; S. 6 ff.

Die Steuerkraft eines Kantons wird wie folgt berechnet: Steuereinnahmen eines Kantons dividiert durch den Gesamtindex der Steuerbelastung des Kantons und multipliziert mit 100.

2381

Die Verzerrung zeigt sich darin, dass die Steuerkraft im Vergleich zum Steuerpotenzial einerseits in Kantonen mit einer schwachen Progression und einem tiefen Durchschnittseinkommen zu niedrig, andererseits in Kantonen mit einer starken Progression und einem hohen Durchschnittseinkommen zu hoch ausfällt55.

5.

Berücksichtigung der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung Sensitivitätsanalysen haben gezeigt, dass die Schwankungen des Indexes und der Ausgleichsbeträge für die einzelnen Kantone im Zeitablauf mit dem neuen Ressourcenausgleich grösser ausfallen dürften als beim heutigen Finanzausgleich. Zudem verändern sich beim heutigen Finanzkraftindex gewisse Teilindizes ­ namentlich der Berggebietsindex ­ im Zeitablauf kaum und wirken dementsprechend glättend. Zu beachten ist ferner, dass sich die Beitragsschwankungen im heutigen Finanzausgleich auf verschiedenste Gefässe verteilen, während sie im neuen System ­ gewollt ­ auf die frei verfügbaren Mittel durchschlagen.

Zu grosse Periodenschwankungen sollten beim neuen Ressourcenausgleich allerdings verhindert werden. Sie verringern die Planbarkeit des Finanzausgleichs und sind namentlich von kleineren Kantonen kurzfristig nur schwer aufzufangen. Zudem soll das neue Ausgleichssystem primär die längerfristigen, nachhaltigeren Tendenzen aufnehmen, wenngleich die Reaktionszeit so kurz wie möglich gehalten werden soll.

Dies alles legt nahe, bei der Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone einen Glättungsmechanismus einzubauen. Er ist möglichst einfach ausgestaltet. Der Bundesrat hat sich dabei für eine geringfügige Ausweitung der Bemessungsperiode beim Ressourcenindex entschieden: Massgebend für den jährlich zu aktualisierenden Ressourcenindex sollen jeweils die Bemessungsgrundlagen der drei letzten verfügbaren Steuerjahre sein.

Damit kann eine Glättung der Periodenschwankungen erreicht werden, ohne dass das Zeitintervall zwischen Bemessung und Wirkung zu stark ausgedehnt wird.

5.5.2

Die Wirkungsweise des Ressourcenausgleichs

Der Ressourcenausgleich stellt das Kernelement der NFA dar. Basierend auf den Ergebnissen des Ressourcenindexes (vgl. Ziff. 5.5.1.3) werden die Kantone zunächst in zwei Kategorien eingeteilt. Entscheidend ist dabei, ob die Kantone einen Indexstand ober- oder unterhalb des gesamtschweizerischen Mittels von 100 Indexpunkten aufweisen: ­

55

Kantone mit einem Indexstand von mehr als 100 Punkten werden als ressourcenstarke Kantone bezeichnet. Diese Kantone (Geberkantone) zahlen in den Ressourcenausgleich ein.

Vgl. Fischer, Roland; Die Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG) im Vergleich zum Steuerkraftindex der Finanzkraft; Zürich, 2001; S. 9 ff.

2382

­

Kantone mit einem Indexstand von weniger als 100 Punkten werden als ressourcenschwache Kantone bezeichnet. Diese Kantone (Empfängerkantone) erhalten Finanzmittel aus dem Ressourcenausgleich.

Der Ressourcenausgleich besteht aus zwei Komponenten. Gemäss den Modellberechnungen der vorliegenden Botschaft zahlen die ressourcenstarken Kantone eine Milliarde Franken in den Ressourcenausgleich ein (horizontaler Ressourcenausgleich). Dies entspricht pro Einwohnerin oder Einwohner einer Abgabe von 15 Prozent der Differenz zwischen den standardisierten Steuererträgen des Kantons und dem schweizerischen Durchschnitt.56 Zusätzlich zu den Beiträgen der ressourcenstarken Kantone steuert der Bund weitere 1 431 Millionen Franken an den Ausgleich bei (vertikaler Ressourcenausgleich). Somit umfasst der Ressourcenausgleich insgesamt 2 431 Millionen Franken pro Jahr, die den ressourcenschwachen Kantonen zur Verfügung gestellt werden können.

Im neuen Bundesgesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen wird festgehalten, welcher Wert der Ressourcenindex jedes Kantons nach erfolgtem Ausgleich nach Möglichkeit erreichen sollte. Im Gesetz wird somit ein Richtwert festgelegt, denn je nach Konstellation der jährlich neu festzulegenden Ressourcenindizes der einzelnen Kantone kann ein bestimmtes Mindestausstattungsziel von beispielsweise 85 Prozent des schweizerischen Durchschnitts in einem bestimmten Jahr allenfalls nicht vollumfänglich erreicht werden.

Festgehalten wird im Gesetz auch, dass für die Verteilung der Mittel entsprechend der finanziellen Leistungsfähigkeit ein Progressionstarif zur Anwendung kommt: Je stärker die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Kantons abnimmt, desto mehr Ausgleichsmittel erhält er pro Kopf der Bevölkerung. Er erhält aber nur so viel mehr, dass sein Ressourcenpotenzial nach Ausgleich immer noch tiefer zu liegen kommt als jenes des nächst stärkeren Kantons.

Mit einer solchen progressiven Verteilung kann der Ausschluss von Kantonen, die einen Indexwert zwischen dem Richtwert (85 Punkte) und dem gesamtschweizerischen Mittel (100 Punkte) aufweisen, vom Ressourcenausgleich verhindert und trotzdem eine Konzentration der Mittel auf die finanzschwachen Kantone sichergestellt werden. Zudem bleibt den Kantonen der Anreiz erhalten, das eigene Steuersubstrat zu stärken.

56

Zu den Ressourcenpotenzialen (= Bemessungsgrundlagen) lassen sich effektive Ausgleichszahlungen nicht addieren oder subtrahieren. Zu eruieren, wie sich die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kantone durch den Finanzausgleich verändert, ist im Rahmen einer Wirkungsanalyse jedoch ein vorrangiges Anliegen. Deshalb musste eine Hilfsgrösse entwickelt werden, die sogenannten standardisierten Steuererträge.

Die standardisierten Steuererträge eines Kantons entsprechen den von ihm erzielbaren Steuererträgen unter der Bedingung, dass alle Kantone ihre unterschiedlichen Ressourcenpotenziale identisch ausschöpfen.

Die standardisierten Steuererträge eines Kantons berechnen sich wie folgt: [(Total der effektiven Steuereinnahmen aller Kantone und Gemeinden + gesamter Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer) : schweizerische Wohnbevölkerung] x [Ressourcenindex des Kantons : 100] x Wohnbevölkerung des Kantons

2383

Wirkungsweise des Ressourcenausgleichs Abbildung 5.4 Ressourcenindex (ASG)

160 HRA 1 000 Millionen Franken

140

120

100

80

Ressourcenstarke Kantone

Kantone gem ss Ressourcenindex

VRA+HRA 2 431 Millionen Franken

60

Horizontaler Ressourcenausgleich (HRA)

1'000 Millionen Franken

Vertikaler Ressourcenausgleich (VRA)

1'431 Millionen Franken

Ressourcenausgleich (HRA+VRA)

2'431 Millionen Franken

Ressourcenschwache Kantone

40

Der Ressourcenausgleich soll als politisch steuerbares Instrument ausgestaltet werden. So werden in Zukunft die eidgenössischen Räte alle vier Jahre anhand eines Wirkungsberichts mit einem Bundesbeschluss sowohl die Höhe der Bundesleistung als auch die Höhe des Beitrags der ressourcenstarken Kantone neu festlegen können.

Bei der Festlegung der verschiedenen Beiträge soll ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Beiträgen der ressourcenstarken Kantone und dem Beitrag des Bundes bestehen. Der Bundesrat schlägt daher vor, dass die Gesamtleistung der ressourcenstarken Kantone an den Ressourcenausgleich mindestens zwei Drittel der Leistung des Bundes betragen, diese aber nicht übersteigen soll.

Die von den eidgenössischen Räten festzulegenden Beiträge der ressourcenstarken Kantone und des Bundes stellen Ausgangsbeträge dar, die vom Bundesrat in den Jahren zwischen zwei Wirkungsberichten jährlich anzupassen sind. Dabei orientiert sich der Betrag für den horizontalen Ressourcenausgleich an der Entwicklung des Ressourcenpotenzials der ressourcenstarken Kantone, während sich der Betrag für den vertikalen Ressourcenausgleich an der Entwicklung des Ressourcenpotenzials aller Kantone ausrichtet. Sofern notwendig, wird der Bundesrat ebenfalls den Progressionstarif für die Verteilung der Beiträge an die ressourcenschwachen Kantone aktualisieren. Dabei wird er beachten, dass nach Möglichkeit für alle Kantone ein

2384

Mindeststand von 85 Punkten beim Ressourcenindex erreicht wird. Nach bewährter Praxis im heutigen Finanzausgleich wird er dabei die Kantone anhören.

Die dieser Botschaft zu Grunde liegende Modellberechnung ergibt für die Kantone folgende finanzielle Auswirkungen: Ausgleichswirkungen des Ressourcenausgleichs in Millionen Franken (gemäss NFA-Modellberechnung) Abbildung 5.5 Belastung in Millionen Franken 600 500

400

300

200

100

0

ZH GE

ZG BS BL SZ NW GL GR AR AI

SH OW VD UR AG NE JU

TI

SG SO TG FR

LU VS BE

-100

-200

-300

-400

-500

-600

-700

Entlastung in Millionen Franken

2385

Ausgleichswirkungen des Ressourcenausgleichs in Franken pro Einwohner (gemäss NFA-Modellberechnung) Abbildung 5.6 Belastung in Franken pro Einwohner 1 400

1 200 1 000

800

600

400

200

0

ZG ZH BS NW GE SZ BL GL GR VD AG AR SH SG NE TI

-200

-400

-600

-800

-1 000

-1 200

-1 400

-1 600 Entlastung in Franken pro Einwohner

2386

AI LU SO OW TG FR

BE UR JU VS

Ausgleichswirkungen des Ressourcenausgleichs (gemäss NFA-Modellberechnung) Tabelle 5.7 Kantone

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU Total

5.5.3

Einzahlungen in den Ressourcenausgleich

Bezüge aus dem Ressourcenausgleich

In Franken

In Franken

In Franken pro Einwohner

In Franken pro Einwohner

567 587 105 0 0 0 24 503 639 0 13 577 095 0 134 752 089 0 0 85 262 085 26 787 482 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 147 530 136 0

469 0 0 0 193 0 371 0 1 388 0 0 443 105 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 365 0

0 759 414 191 211 030 615 30 849 369 0 22 455 684 0 107 040 0 185 140 561 150 375 378 0 0 7 997 401 5 307 670 5 755 663 131 506 879 2 664 004 45 717 496 172 437 342 118 074 085 24 532 854 431 527 136 49 151 522 0 77 374 081

0 800 615 893 0 703 0 3 0 787 622 0 0 109 99 396 295 14 85 761 389 39 1 590 296 0 1 150

1 000 000 000

140

2 431 418 969

339

Neuverteilung der Kantonsanteile an den Steuereinnahmen des Bundes und der Gewinne der Schweizerischen Nationalbank

Im Rahmen der NFA fällt die Finanzkraft als Steuerungsinstrument des Finanzausgleichs weg. Neben zahlreichen Subventionen werden heute auch die Kantonsanteile an den Steuereinnahmen des Bundes und ­ zumindest teilweise ­ die Kantonsanteile an den Gewinnen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) anhand der Finanzkraft verteilt. Durch den Wegfall der Finanzkraft ergeben sich folgende Konsequenzen:

2387

­

Bei der direkten Bundessteuer: Gegenwärtig erhalten die Kantone insgesamt 30 Prozent der Erträge aus der direkten Bundessteuer. 17 Prozent der Erträge werden gemäss dem Steueraufkommen und 13 Prozent der Erträge auf Grund der Finanzkraft unter den Kantonen verteilt.

Durch die NFA wird die Berücksichtigung der Finanzkraft bei der Verteilung der Kantonsanteile an den Erträgen der direkten Bundessteuer hinfällig.

Die Verteilung der Kantonsanteile wird neu ausschliesslich gemäss dem Aufkommen erfolgen. Allerdings werden die Kantone insgesamt nicht mehr 30 Prozent der Erträge der direkten Bundessteuer erhalten, da über den Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer den aus der NFA resultierenden Lastenverschiebungen zwischen Bund und Kantonen Rechnung getragen werden soll. Gemäss dem errechneten Modell der vorliegenden Botschaft beträgt der Anteil der Kantone noch 17 Prozent. Der Kantonsanteil kann jedoch erst unter Berücksichtigung der parlamentarischen Beratungen bei der Inkraftsetzung der NFA endgültig festgelegt werden. Neu soll in Artikel 128 Absatz 4 BV (vgl. Entwurf des Bundesbeschlusses zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen) den Kantonen jedoch ein Anteil am Ertrag der direkten Bundessteuer von mindestens 15 Prozent garantiert werden.

­

Bei den Mineralölsteuererträgen: Heute werden von den nicht werkgebundenen Anteilen der Kantone an den Erträgen der Mineralölsteuer 94 Prozent für allgemeine Beiträge und Finanzausgleich im Strassenwesen und 6 Prozent an Kantone mit internationalen Alpenstrassen und an Kantone ohne Nationalstrassen ausgerichtet.

Von den Geldern für die allgemeinen Beiträge und den Finanzausgleich im Strassenwesen werden 46 Prozent gemäss den Strassenlasten und der Strassenlänge verteilt. Bei 42 Prozent wird zusätzlich die Finanzkraft berücksichtigt. Die restlichen 12 Prozent werden auf Grund überdurchschnittlicher Lasten und der steuerlichen Belastung des Motorfahrzeugverkehrs ausgerichtet. Der Verteilschlüssel wird grundsätzlich neu zu gestalten sein. Das Kriterium der kantonalen Finanzkraft wird bei der Verteilung der Mineralölsteuererträge fallen gelassen, während die allgemeinen Beiträge neu auf Grund von strukturellen Indikatoren und einer Komponente «überproportionale Strassenlasten» bemessen werden sollen (vgl. Ziff. 6.1.4.3).

­

Bei den Verrechnungssteuererträgen: Zur Zeit werden 10 Prozent des Reinertrages aus der Verrechnungssteuer an die Kantone verteilt. Dieser Kantonsanteil wird zu 50 Prozent gemäss der Bevölkerungsgrösse und zu 50 Prozent an diejenigen Kantone verteilt, deren Finanzkraft unter dem Landesmittel liegt.

Durch den Wegfall der Finanzkraft als Verteilungskriterium soll in Zukunft die Verteilung des Kantonsanteils ausschliesslich nach der Bevölkerungsgrösse erfolgen. Mit der Einführung der NFA ist die Übergangsbestimmung in Artikel 196 Ziffer 16 der Bundesverfassung zu streichen.

2388

­

Bei den Gewinnen der Schweizerischen Nationalbank (SNB): Heute werden vom Anteil der Kantone am Reingewinn der SNB fünf Achtel ausschliesslich gemäss der Bevölkerungsgrösse und drei Achtel unter Berücksichtigung der Finanzkraft verteilt.

Neu soll der Anteil der Kantone am Reingewinn der SNB nur noch gemäss der Bevölkerungsgrösse verteilt werden.

5.6

Der Lastenausgleich des Bundes

Mit dem Lastenausgleich des Bundes sollen, strikt getrennt vom Ressourcenausgleich, strukturell bedingte, übermässige und von den Kantonen weitgehend unbeeinflussbare Lasten abgegolten werden. Dabei werden zwei Kategorien von strukturellen Lasten berücksichtigt: ­

Geografisch-topografische Lasten. Dies sind Lasten, die aus der geografisch-topografischen Lage und der Besiedlungsstruktur eines Kantons resultieren. Sie sollen mit dem geografisch-topografischen Lastenausgleich (GLA) abgegolten werden (vgl. Ziff. 5.6.1).

­

Soziodemografische Lasten. Dies sind Lasten, die sich auf Grund einer spezifischen Bevölkerungsstruktur ergeben. Sie sollen mit dem soziodemografischen Lastenausgleich (SLA) abgegolten werden (vgl. Ziff. 5.6.2).

Beide Lastenausgleiche werden durch den Bund finanziert. Zur Zeit stehen weder für die geografisch-topografischen noch für die soziodemografischen Lasten gesicherte Angaben bezüglich ihres Umfangs zur Verfügung. Für die Modellberechnung im Rahmen der vorliegenden Botschaft wird deshalb von gleich hohen Dotierungen von je 275 Millionen Franken pro Jahr ausgegangen. Bis zur Inkraftsetzung der NFA werden die statistischen Grundlagen jedoch so weit verbessert sein, dass dann eine allfällige Anpassung der Dotierungen auf einer gesicherten Basis vorgenommen werden kann.

Entsprechend den Regelungen für den vertikalen und horizontalen Ressourcenausgleich sollen nach Inkraftsetzung der NFA auch die Dotierungen der beiden Lastenausgleiche alle vier Jahre mit einem Bundesbeschluss durch die eidgenössischen Räte neu festgelegt und angepasst werden (vgl. Ziff. 5.4). Somit wird auch beim Lastenausgleich des Bundes die finanzpolitische Steuerbarkeit gewährleistet. Für die Jahre zwei, drei und vier der Vierjahresperiode sollen die Gesamtbeträge für den geografisch-topografischen und den soziodemografischen Lastenausgleich jeweils durch den Bundesrat entsprechend der Entwicklung der Teuerung angepasst werden.

Die grundsätzlichen Kriterien für die beiden Lastenausgleiche werden im totalrevidierten Bundesgesetz über den Finanzausgleich (FAG) festgelegt. Die konkrete Ausgestaltung wie z.B. die Erfassung der Lasten mittels geeigneter Indikatoren, deren Gewichtung sowie die Mechanik der Verteilschlüssel soll hingegen auf Verordnungsstufe geregelt werden. Um dem Gesetzgeber ein Bild von der Art und dem Umfang dieser Kompetenzdelegation vermitteln zu können, wird in den beiden folgenden Abschnitten auf die Ausgestaltung sowohl des GLA als auch des SLA näher eingegangen.

2389

5.6.1

Der geografisch-topografische Lastenausgleich (GLA)

5.6.1.1

Bestimmung der geografisch-topografischen Lasten

Der heute geltende Finanzkraftindex enthält als Lastenelement das Kriterium «Anteil Berggebiet» (vgl. Ziff. 5.2.3). Auf diese Weise sollen anfallende Lasten sowohl der Berg- als auch der Voralpen- und Jurakantone berücksichtigt werden. Im Gegensatz dazu enthält der neue Ressourcenindex keinerlei derartige Lastenelemente mehr, was zu einer methodisch eindeutig besseren Erfassung der kantonalen Ressourcenpotenziale führt. Als Ersatz für den Wegfall des Kriteriums «Anteils Berggebiet» ist der geografisch-topografische Lastenausgleich (GLA) des Bundes vorgesehen, der die «Lasten der Weite» abgelten soll.

Durch den GLA sollen spezifische Lasten der Raumnutzung und Besiedelung abgegolten werden. Diese Lasten stehen in einem engen Zusammenhang mit der Raumordnungspolitik und der aktuellen Siedlungsstruktur. So können die geografischtopografischen Lasten folgenden drei Kategorien zugeordnet werden: ­

«Lasten der Höhe». Darunter können z.B. die höheren Kosten des Winterdienstes sowie die mit der Höhe zunehmenden Unterhaltskosten der Infrastrukturen aufgeführt werden.

­

«Lasten der Steilheit». Unter diesem Aspekt können vor allem die kostenintensivere Bewirtschaftung des Waldes ­ sowohl des Schutz- als auch des Nutzwaldes ­ in steilem Gelände sowie die Aufwendungen für Gewässerbau und Lawinenverbauungen aufgeführt werden.

­

«Lasten der feingliedrigen Besiedelung». Werden stark gegliederte Gebiete besiedelt oder genutzt, so führt dies zu hohen Infrastrukturkosten57. Dazu können erhöhte Kosten in den Bereichen Strasseninfrastruktur, Ver- und Entsorgung (Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Elektrizitätsversorgung) sowie das Schulwesen (Schulbus, Aussenschulhäuser) gezählt werden.

Diese Lasten beschränken sich jedoch nicht allein auf das Berggebiet, sondern können auch in stark gegliederten Hügelgebieten des Juras und des Mittellandes anfallen.

5.6.1.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Einem ersten Vorschlag einer Ausgestaltung des GLA wurde in der Vernehmlassung (1999) grundsätzlich zugestimmt, in den Detailregelungen wurde jedoch Kritik geübt. Bemängelt wurden insbesondere die vorgeschlagene Zweckbindung der Ausgleichszahlungen und die verschiedenen Indikatoren, mit denen die geografischtopografischen Lasten erfasst werden sollten. Auf Grund dieser Ergebnisse sowie einer in Auftrag gegebenen Evaluationsstudie58 wurde der GLA vollständig überarbeitet und in zahlreichen Detailregelungen verbessert.

57 58

Vgl. Ecoplan; Siedlungsentwicklung und Infrastrukturkosten; Bern, 2000.

Vgl. Inderbitzin, J.; Second Opinion zum neuen Vorschlag für den geografischen Lastenausgleich; Luzern, 2001.

2390

5.6.1.3

Ausgestaltung und Indikatoren der neuen Lösung

Die Konzeption der neuen Lösung orientierte sich an zwei Hauptgrundsätzen: 1.

Für die Erfassung der geografisch-topografischen Lasten sollen Indikatoren verwendet werden, die durch die Kantone nicht beeinflusst werden können.

Auf diese Weise werden Fehlanreize vermieden.

2.

Die Ausgleichszahlungen des GLA erfolgen in der Form von nicht zweckgebundenen Mitteln.

Basierend auf diesen Grundsätzen sollen die geografisch-topografischen Lasten anhand von vier Indikatoren erfasst werden (vgl. Abb. 5.7).

Erfassung der geografisch-topografischen Lasten Abbildung 5.7

Geografisch-topografischer Lastenausgleich (GLA)

Fl che

Bev lkerung

Fl che ber 1 080 m. .M.

(ohne unproduktive Fl che)

Bev lkerung mit einer Wohnh he ber 800 m. .M.

Gewichtung: 33.3 Prozent 91.6 Mio. Fr.

Gewichtung: 33.3 Prozent 91.6 Mio. Fr.

Besiedlungsstruktur Siedlungen mit weniger als 200 Einwohner

Geringe Bev lkerungsdichte

Gewichtung: 16.7 Prozent 45.8 Mio. Fr.

Gewichtung: 16.7 Prozent 45.8 Mio. Fr.

Der erste Indikator soll die Lasten der Höhe und auch die Lasten der Steilheit berücksichtigen. Zu diesem Zweck wird die besiedelte oder anderweitig genutzte Fläche eines Kantons, die über dem gesamtschweizerischen Höhenmedian von 1080 Meter über Meer liegt, erfasst. Nicht berücksichtigt wird dabei die so genannte unproduktive Fläche. Der Indikator wird mit einem Drittel gewichtet, was einen Anteil von rund 91 Millionen Franken an der gesamten Ausgleichssumme des GLA ausmacht.

Ein zweiter Indikator erfasst die Bevölkerung, die über 800 Meter über Meer wohnt.

Neben den Lasten der Höhe bildet dieser Indikator auch die Lasten der feingliedrigen Besiedelung ab, da es sich bei den besiedelten Gebieten über 800 Meter über Meer in der Regel um feingliedrig besiedelte Regionen handelt. Auch dieser Indikator wird mit einem Drittel gewichtet und mit rund 91 Millionen Franken dotiert.

Die Lasten der feingliedrigen Besiedlungsstruktur fliessen anhand von zwei weiteren Indikatoren (die jeweils mit 16.67 Prozent gewichtet bzw. mit jeweils rund 45,8 Millionen Franken dotiert werden) in den GLA ein. Der erste Indikator erfasst die Einwohner in Siedlungen mit weniger als 200 Einwohnern. Der zweite Indikator berücksichtigt die Bevölkerungsdichte. Beim letztgenannten Kriterium gelten Kantone 2391

als belastet, die eine geringe Bevölkerungsdichte aufweisen. In diesem Sinne sollen mit dem Kriterium der (geringen) Bevölkerungsdichte auch die «Lasten der Weite» abgebildet werden. Beim soziodemografischen Lastenausgleich (SLA) wird demgegenüber mit dem Kriterium der in Agglomerationen lebenden Bevölkerung gleichsam den «Lasten der Enge» Rechnung getragen.

5.6.1.4

Verteilungsschlüssel und finanzielle Auswirkungen

Für jeden der vier Indikatoren wird ein eigener Lastenindex errechnet, wobei das gesamtschweizerische Mittel jeweils einem Indexstand von 100 Punkten entspricht.

Gemäss der Modellrechnung der vorliegenden Botschaft ist der GLA mit insgesamt 275 Millionen Franken pro Jahr und damit gleich hoch dotiert wie der SLA (vgl.

Ziff. 5.6). Finanziert wird der GLA aus allgemeinen Bundesmitteln. Die 275 Millionen Franken werden gemäss der Gewichtung (vgl. Ziff. 5.6.1.3 bzw. Abb. 5.7) auf die einzelnen Indikatoren verteilt. Kantone, die in einem der vier Teilindizes überdurchschnittlich belastet sind (d.h. eine Belastung von mehr als 100 Indexpunkten aufweisen), erhalten Ausgleichsbeiträge. Dies ergibt über sämtliche Teilindizes betrachtet folgende finanzielle Auswirkungen: Grafik zu den GLA-Ausgleichszahlungen (in Millionen Franken) Abbildung 5.8

' Basiskarte: Bundesamt f r Statistik, ThemaKart, Neuch tel 2001

Kantone, die keine Zahlungen erhalten Kantone, die bis 10 Millionen Franken erhalten Kantone, die 10 20 Millionen Franken erhalten Kantone, die ber 20 Millionen Franken erhalten

2392

Diagramm zu den GLA-Ausgleichszahlungen (in Millionen Franken) Abbildung 5.9 in Millionen Franken

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

BE

LU

UR

SZ

OW

NW

GL

ZG

FR

AR

AI

TI

GR

TG

SG

VS

NE

JU

2393

Grafik zu den GLA-Ausgleichszahlungen (in Franken pro Einwohner) Abbildung 5.10

' Basiskarte: Bundesamt f r Statistik, ThemaKart, Neuch tel 2001

Kantone, die keine Zahlungen erhalten Kantone, die unter 100 Franken pro Einwohner erhalten Kantone, die 100 250 Franken pro Einwohner erhalten Kantone, die ber 250 Franken pro Einwohner erhalten

2394

Diagramm GLA-Ausgleichszahlungen (in Franken pro Einwohner) Abbildung 5.11 in Franken pro Einwohner

500

450

400

350

300

250

200

150

100

50

0

BE

LU

UR

SZ

OW

NW

GL

ZG

FR

AR

AI

SG

GR

TG

TI

VS

NE

JU

2395

GLA-Endergebnis Tabelle 5.8 Kantone

Ausgleichszahlungen In Franken

In Franken pro Einwohner

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU

0 14 691 000 5 712 000 8 952 000 3 419 000 3 814 000 810 000 3 953 000 67 000 11 706 000 0 0 0 0 14 639 000 5 982 000 1 911 000 103 315 000 0 3 352 000 10 720 000 0 61 075 000 17 868 000 0 3 014 000

0 15 17 259 27 119 22 103 1 50 0 0 0 0 274 412 4 551 0 15 35 0 225 108 0 45

Total

275 000 000

38

5.6.2

Der soziodemografische Lastenausgleich (SLA)

5.6.2.1

Bestimmung der soziodemografischen Lasten

Von zentraler Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen soziodemografischen Lasten und Zentrumsleistungen. Unter soziodemografischen Lasten werden übermässige Lasten verstanden, die mit der Bevölkerungsstruktur zusammenhängen. Die Lasten der so genannten A-Stadt-Problematik können als typische soziodemografische Lasten bezeichnet werden (vgl. Kasten 5.2).

2396

Die so genannte A-Stadt-Problematik besteht darin, dass die Kernstädte typischerweise einen überdurchschnittlichen Anteil an älteren und armen Personen, Alleinstehenden, Alleinerziehenden, Abhängigen, Auszubildenden, Arbeitslosen, Ausgesteuerten und Ausländern in ihrer Bevölkerungsstruktur aufweisen. Diese AGruppen verbindet, dass sie einerseits verhältnismässig hohe Lasten verursachen und andererseits nur wenig Steuereinnahmen generieren59.

Im Gegensatz zu den soziodemografischen Lasten weisen die Zentrumsleistungen externe Effekte ­ so genannte Spillovers ­ auf. In diesem Zusammenhang werden als Spillovers negative Effekte bezeichnet, die entstehen, wenn Leistungen eines Kantons oder einer Stadt auch durch Bewohnerinnen und Bewohner anderer Gebietskörperschaften in Anspruch genommen werden können, ohne dass diese für die konsumierten Leistungen aufzukommen haben. Zentrumsleistungen mit SpilloverEffekten finden sich z.B. in den Bereichen Verkehr, Gesundheit und Kultur. Zur Abgeltung der Zentrumsleistungen wird im Rahmen der NFA ein Lastenausgleich eingeführt (vgl. Ziff. 4).

5.6.2.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die Einführung des SLA stiess in der zweiten Vernehmlassung (1999) auf ein grundsätzlich positives Echo. Kritik löste hingegen die konkrete Ausgestaltung aus.

Insbesondere wurden folgende zwei Punkte beanstandet: ­

Zum einen wurde die Art und Weise der Erfassung der soziodemografischen Lasten bemängelt. Die vorgeschlagenen Indikatoren würden die Realität nur ungenügend abbilden, teilweise diskriminierend wirken, den neuesten Wissensstand der Forschung nicht widerspiegeln und durch unpräzise Abgrenzungen der einzelnen Indikatoren sowie Doppelzählungen zu verzerrten Resultaten führen.

­

Zum anderen wurde kritisiert, dass die Probleme der Städte bzw. der Kernstädte zu wenig berücksichtigt würden.

Auf Grund der Ergebnisse der Vernehmlassung wurde der SLA konzeptionell nachgebessert. Deren Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt60.

5.6.2.3

Zwei Lösungen

Eine verbesserte Erfassung der soziodemografischen Lasten, wie sie in der Vernehmlassung gefordert wurde, verlangt nach einer breiten und soliden statistischen Grundlage. Indes hat sich gezeigt, dass ein massgeblicher Teil der hierzu benötigten Daten zur Zeit noch nicht zur Verfügung steht, sondern erst ab den Jahren 2003­ 2005 vorliegen wird. Daher wurden zwei Lösungen erarbeitet: 59

60

Vgl. Frey, René L.; Räumliche Ökonomie. Knapper Boden: Optimale Nutzung und nachhaltige Entwicklung; in: Aymo Brunetti et al.; Economics today. Konsens und Kontroverse in der modernen Ökonomie; Zürich, 1998; S. 173­192.

Vgl. EFV; Schlussbericht des Fachteams «soziodemografischer Belastungsausgleich (SLA)»; Bern, 2000.

2397

­

Zunächst wurde eine provisorische Modelllösung erarbeitet, die auf vereinfachten Annahmen und den zur Zeit zur Verfügung stehenden statistischen Daten basiert. Beabsichtigt ist, dem Parlament und den Kantonen im Hinblick auf das zukünftige, definitive Modell eine Annäherungslösung anzubieten, die es ermöglicht, die voraussichtlichen finanziellen Ausgleichswirkungen abzuschätzen. Die dargelegte Modelllösung besitzt somit einen rein indikativen Charakter und wird noch vor Inkrafttreten der NFA durch eine verbesserte Lösung ersetzt.

­

Die definitive Lösung wird rechtzeitig vor der Inkraftsetzung der NFA, basierend auf einer umfassenden und vollständigen statistischen Grundlage bereitgestellt werden. Kann der vorgesehene Zeitplan beibehalten werden, wird sie spätestens ein Jahr vor Inkraftsetzung der NFA bereitstehen.

Der konzeptionelle Aufbau der beiden Lösungen ist weitgehend identisch. Zunächst werden anhand bestimmter Indikatoren die soziodemografischen Lasten erfasst. Danach werden in einem zweiten Arbeitsschritt die verschiedenen Indikatoren gewichtet und zu einer kantonalen Gesamtbelastung aufsummiert. In einem abschliessenden Schritt wird die Ausschüttung der Gelder an die Kantone geregelt.

Der Ausgleich soll vorerst mit jährlich 275 Millionen Franken dotiert und durch den Bund finanziert werden. Mit der Einführung des neuen Finanzausgleichsgesetzes wird es den eidgenössischen Räten obliegen, basierend auf den regelmässig erstellten Wirkungsberichten die Dotierung nach Bedarf neu festzulegen.

5.6.2.4

Ausgestaltung und Indikatoren der Modelllösung

Soziodemografische Lasten erwachsen den Kantonen und Gemeinden auf Grund ihrer Bevölkerungsstruktur und sind daher von ihnen weitestgehend nicht direkt beeinflussbar. Basierend auf dieser Definition, den Ergebnissen der Vernehmlassung und dem Bericht über die Kernstädte61 wurden die zu erfassenden Lasten sechs Bereichen zugeteilt.

Die Belastungen der Bereiche werden anhand von jeweils ein bis drei Indikatoren erfasst. Dabei werden ­ um Fehlanreize im Ausgabengebaren der Kantone auszuschliessen ­ nicht die soziodemografischen Lasten direkt über die Höhe der verursachten Kosten bemessen, sondern indirekt über die Grösse der für die Lasten relevanten Bevölkerungsgruppen. Um die Qualität der Daten zu gewährleisten, kommen nur Indikatoren in Frage, die für die gesamte Schweiz anhand einheitlicher Kriterien erhoben werden. Ferner müssen die Daten aus regelmässig aktualisierten, amtlichen Statistiken stammen. Als Erfassungsperimeter dienen jeweils die Kantone.

61

Vgl. Seco; BRP; Bericht über die Kernstädte; Bern, 1999.

2398

5.6.2.4.1

Bereich A ­ Armut

Zur Zeit existiert weder eine gesamtschweizerische Armutsstatistik noch eine Sozialhilfestatistik. Das Bundesamt für Statistik (BFS) ist jedoch daran, eine gesamtschweizerische Sozialhilfestatistik zu erarbeiten. Diese soll ab dem Jahr 2005 zur Verfügung stehen und den Bereich A des SLA im Rahmen des definitiven Modells vollumfänglich abdecken. Bis es so weit ist, werden zuhanden der provisorischen Modelllösung zwei Behelfsindikatoren verwendet: Zum einen die Anzahl der Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen (EL). Zum anderen die Anzahl alleinerziehender Eltern. Die EL-Bezugsgrenze wurde bereits des Öfteren als politische Armutsgrenze benutzt, während die Gruppe der Alleinerziehenden durch die neuere Armutsforschung klar als eine der Bevölkerungsgruppen mit dem höchsten Armutsrisiko bestimmt worden ist62.

Indikatoren im Bereich A Tabelle 5.9 Indikator

Quelle / Aufdatierung

Provisorische Modelllösung / definitives Modell

AA Anzahl der BSV; Schweizerische EL-Bezügerinnen und SozialversicherungsBezüger statistik

Die beiden Indikatoren werden nur in der provisorischen Modelllösung verwendet. Ab dem Jahr 2005 werden für die Aufdatierung: Jährlich definitive Lösung Daten einer gesamtschweizerischen Sozialhilfestatistik des BFS zur Verfügung stehen.

AB Anzahl alleinBFS; Eidgenössische erziehender Eltern mit Volkszählung ledigen Kindern unter 20 Jahren Aufdatierung: Alle zehn Jahre

5.6.2.4.2

Bereich B ­ Ausgewählte Altersgruppen

Mit dem Bereich B sollen Lasten, die durch zwei bestimmte Altersgruppen der Bevölkerung verursacht werden, abgegolten werden. Bei der ersten Bevölkerungsgruppe handelt es sich dabei um die hochbetagten Personen ­ d.h. Personen ab einem Alter von 80 Jahren. Verschiedene Nationalfondsstudien63 haben ergeben, dass betagte Personen zwischen 60 und etwa 75 Jahren bezüglich Armut und Lebensqualität nicht schlechter gestellt sind als jüngere Altersgruppen und dass sich die sozia62 63

Vgl. Leu, Robert E.; Burri, Stefan; Priester, Tom; Lebensqualität und Armut in der Schweiz; Bern, 1997.

Es handelt sich dabei um verschiedene Studien, die im Rahmen der Nationalen Forschungsprogramme 29 «Wandel der Lebensformen und Soziale Sicherheit» und 32 «Alter» erarbeitet worden sind.

2399

len, gesundheitlichen und nicht zuletzt auch ökonomischen Probleme des Alters auf die hochbetagte Bevölkerung konzentrieren. Daher werden auch nur die Anzahl der hochbetagten im Bereich B berücksichtigt.

Bei der zweiten Bevölkerungsgruppe, die im Bereich B berücksichtigt wird, handelt es sich um die Auszubildenden ­ d.h. Schüler und Schülerinnen sowie Lehrlinge bis zu einem Alter von 20 Jahren. Wobei lediglich die Anzahl der fremdsprachigen Schülerinnen und Schüler sowie die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in Klassen mit besonderem Lehrplan erfasst wird, da vor allem die Ausbildung dieser Schülerinnen und Schüler als besonders kostenintensiv zu erachten ist.

Indikatoren im Bereich B Tabelle 5.10 Indikator

Quelle / Aufdatierung

Provisorische Modelllösung / definitives Modell

BA Anzahl der hochbetagten Personen (Personen ab einem Alter von 80 Jahren)

BFS; Spezialauswer- Diese Indikatoren werden sotung der Bevölkerungs- wohl in der provisorischen statistik Modelllösung als auch im definitiven Modell verwendet.

Aufdatierung: Jährlich

BB Anzahl der fremdBFS; Statistik der sprachigen Schülerin- Schüler und nen und Schüler Studierenden Aufdatierung: Jährlich BC Anzahl der Schülerin- BFS; Statistik der nen und Schüler in Schüler und Schulen mit besonde- Studierenden rem Lehrplan Aufdatierung: Jährlich

5.6.2.4.3

Bereich C ­ Ausländerintegration

Im Bericht über die Kernstädte wird die Integration von Ausländerinnen und Ausländern ausdrücklich als eine soziodemografische Belastung bezeichnet. Zunächst muss berücksichtigt werden, dass ein Grossteil der direkten Integrationskosten der ausländischen Kinder und Jugendlichen bereits durch den Indikator «Fremdsprachige Schülerinnen und Schüler» im Bereich B abgedeckt wird. Daher enthält der Bereich C lediglich einen einzigen Indikator: nämlich die Anzahl der erwachsenen Ausländerinnen und Ausländer, die maximal zehn Jahre in der Schweiz leben.

Die Begrenzung der Aufenthaltsdauer auf maximal zehn Jahre soll verhindern, dass Ausländerinnen und Ausländer der zweiten und dritten Generation sowie solche, die seit sehr langer Zeit in der Schweiz leben, erfasst werden. Kann doch davon ausgegangen werden, dass die direkten Integrationskosten vorwiegend bei neu zugezogenen Ausländerinnen und Ausländern anfallen.

2400

Im Hinblick auf die definitive Lösung bedarf der Bereich C noch zweierlei Abklärungen. So gilt es zunächst, die Relevanz des gewählten Indikators zu überprüfen.

Insbesondere die Aufenthaltsbegrenzung von zehn Jahren muss noch weiter verifiziert werden. Zudem müssen auch die Auswirkungen der seit dem 1. Oktober 200064 in Kraft gesetzten Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern (VIntA) beachtet werden. Unter anderem bezieht sich diese Verordnung auf die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes zur Förderung der Integration von Ausländerinnen und Ausländern. Da neben nicht staatlichen Organisationen auch Kantone und Gemeinden in den Genuss dieser Finanzhilfen kommen, gilt es abzuklären, ob in diesem Zusammenhang allenfalls eine Mehrfachsubventionierung desselben Aufgabenbereichs oder inhaltliche Kompetenzüberschneidungen bestehen.

Sollten solche Überschneidungen festgestellt werden, müssten die betreffende Verordnung und der Bereich C des SLA aufeinander abgestimmt werden. Darauf wird der Bundesrat im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft zurückkommen.

Indikatoren im Bereich C Tabelle 5.11 Indikator

Quelle / Aufdatierung

CA

BFS; SpezialausDieser Indikator wird zuhanwertung der Bevölke- den des definitiven Modells rungsstatistik noch vertieft untersucht und bei Bedarf modifiziert.

Aufdatierung: Jährlich

Anzahl der erwachsenen Ausländerinnen und Ausländer mit einer Aufenthaltsdauer von maximal zehn Jahren

5.6.2.4.4

Provisorische Modelllösung / definitives Modell

Bereich D ­ Drogenproblematik

Zur Zeit existiert keine gesamtschweizerische amtliche Statistik, welche die benötigten Daten bezüglich der Drogenproblematik bereitstellen könnte. Eine solche Datenbasis ist jedoch zur Erfassung dieser Lasten unumgänglich. Das Projekt «actinfo», das vom Bundesamt für Gesundheit (BAG), dem BFS und auch von betroffenen Organisationen getragen wird, wird voraussichtlich in ein bis zwei Jahren in der Lage sein, gesamtschweizerisch harmonisierte Daten aus dem Drogentherapiebereich zur Verfügung zu stellen65. Das Projekt «act-info» soll in eine gesamtschweizerische amtliche Statistik überführt werden, sodass dann die Daten auch für den soziodemografischen Ausgleich verwendet werden können.

64 65

SR 142.205 Vgl. http://www.act-info.ch

2401

Indikatoren im Bereich D Tabelle 5.12 Indikator

Quelle / Aufdatierung

Provisorische Modelllösung / definitives Modell

...

Zur Zeit steht keine gesamtschweizerische amtliche Statistik zur Verfügung, welche die benötigten Daten bereitstellen könnte. Ab dem Jahr 2002 kann auf die Daten des Projektes «act-info» zurückgegriffen werden. Im Rahmen der Erarbeitung des definitiven Modells wird auch noch die Verwendung alternativer Datenquellen (z.B. die Todesfall- und die Kriminalitätsstatistik) geprüft.

5.6.2.4.5

Bereich E ­ Arbeitslosigkeit

Der Bereich E umfasst zwei Indikatoren und soll die strukturellen Kosten der Arbeitslosigkeit (Infrastruktur der Beratung, Arbeitsbeschaffungs- und Weiterbildungsprogramme), nicht jedoch die individuellen ALV-Leistungen abgelten. Neben den stellensuchenden Personen werden daher auch die ausgesteuerten Personen pro Kanton erfasst.

Indikatoren im Bereich E Tabelle 5.13 Indikator

Quelle / Aufdatierung

EA Anzahl der stellensuchenden Personen

Seco; Arbeitsmarktstatistik

EB Anzahl der ausgesteuerten Personen

Seco; Arbeitsmarktstatistik

Provisorische Modelllösung / definitives Modell

Diese Indikatoren werden in beiden Lösungen verwendet.

Allerdings soll im Rahmen der Aufdatierung: Jährlich Erarbeitung des definitiven Modells die Kostenrelevanz des Bereichs E genauer untersucht werden.

Aufdatierung: Jährlich

5.6.2.4.6

Bereich F ­ Kernstadtproblematik

Der Bereich F stellt einen Sonderfall dar. Bereits die Bereiche A bis E erfassen einen grossen Teil der Belastungen der Städte. Die so genannte A-Stadt-Problematik wird durch sie bereits mehrheitlich abgedeckt. Dennoch können auf diese Weise die Belastungen der Städte nicht umfassend berücksichtigt werden. Zeichnen sich doch viele dieser Lasten gerade dadurch aus, dass sie einzeln nur schwer zu erfassen und 2402

zu quantifizieren sind, sich jedoch in ihrer Summe deutlich in den Rechnungen und Budgets der Städte niederschlagen. Dabei ist vor allem an die im Vergleich mit ländlichen Gemeinden überdurchschnittlichen Pro-Kopf-Kosten des Bereichs Sicherheit (Polizei, Rechtswesen, Unterhalt spezialisierter Berufsfeuerwehrkorps, Zivilschutz)66, an die dichte Besiedlung sowie an die sprungfixen Kosten (z.B. verursacht durch einen höheren Professionalisierungsgrad der städtischen Verwaltungen) zu denken. Zudem soll durch den Bereich F auch die ansonsten in der provisorischen Modelllösung nicht erfasste Drogenproblematik, die sich deutlich in den Städten konzentriert, berücksichtigt werden.

Erfasst werden diese verschiedenen Lasten mit einem Indikator. In der Schweiz können neun Agglomerationen von internationaler oder nationaler Bedeutung bestimmt werden67. Es sind dies Zürich, Winterthur, Bern, Luzern, Basel, St. Gallen, Lugano, Lausanne und Genf. Als Indikator für das Ausmass der Belastungen wird jeweils die gesamte Agglomerationsbevölkerung verwendet, da neben der Grösse des eigentlichen Zentrums auch die Grösse der Agglomeration dafür verantwortlich ist.

Im Zuge der Erarbeitung des definitiven Modells wird der Bereich F auf der Basis des Kernstädteberichtes noch weiter abgeklärt, wobei zu prüfen ist, ob die Lasten dieses Bereichs noch durch zielgerichtetere Indikatoren erfasst werden können.

Indikatoren im Bereich F Tabelle 5.14 Indikator

Quelle / Aufdatierung

FA

BFS; Bevölkerungsstatistik

Grösse der Agglomerationsbevölkerung in den Agglomerationen von internationaler und nationaler Bedeutung

Provisorische Modelllösung / definitives Modell

Dieser Indikator wird nur in der provisorischen Modelllösung verwendet. Zuhanden des Aufdatierung der definitiven Modells müssen Grösse der Agglome- noch weitere Abklärungen rationsbevölkerung: vorgenommen werden.

Jährlich Aufdatierung der Einteilung der Agglomerationen als Agglomerationen von internationaler oder nationaler Bedeutung: Alle zehn Jahre anlässlich der Eidgenössischen Volkszählungen

66 67

Vgl. Seco; BRP; Bericht über die Kernstädte; Bern, 1999; S. 32 ff. und S. 66f.

Vgl. Schuler, Martin; Die Raumgliederungen der Schweiz; Bern, 1997.

2403

5.6.2.5

Verteilungsschlüssel und finanzielle Auswirkungen

Es ist vorgesehen, dass im definitiven Modell die einzelnen Indikatoren jeweils anhand ihrer Kostenrelevanz gewichtet und zu einer umfassenden Kennziffer für die Lasten im soziodemografischen Bereich aggregiert werden sollen. Um ein solches Gewichtungs- und Aggregationsverfahren durchzuführen, werden umfangreiche und detaillierte finanzstatistische Daten benötigt, die zur Zeit jedoch noch nicht zur Verfügung stehen. Daher wurde zuhanden der provisorischen Modelllösung eine Übergangslösung erarbeitet, die eine Tendenzrechung der zu erwartenden finanziellen Ausgleichswirkungen ermöglicht.

Zunächst werden die Indikatoren der verschiedenen Bereiche in zwei Gruppen aufgeteilt und zu jeweils einer Belastungskennziffer aggregiert. So werden zur Erfassung der allgemeinen soziodemografischen Lasten die Indikatoren der Bereiche A bis E zu einer Kennziffer zusammengefasst, während die spezifischen Lasten der Kernstädte durch den Bereich F gesondert erfasst werden. Die soziodemografischen Lasten und die spezifischen Lasten der Kernstädte werden dabei unterschiedlich gewichtet. Für die Abgeltung der Lasten der Bereiche A bis E sind zwei Drittel der gesamten Ausgleichssumme des SLA vorgesehen. Dies entspricht, bei einer angenommenen Dotierung des SLA von insgesamt 275 Millionen Franken, einem Betrag von rund 183 Millionen Franken. Für die Abgeltung der Lasten des Bereiches F ist ein Drittel bzw. ein Anteil von rund 92 Millionen Franken der gesamten Ausgleichssumme vorgesehen (vgl. Abb. 5.12).

Finanzielle Gewichtung der Indikatoren des SLA (gemäss NFA-Modellberechnung) Abbildung 5.12

Soziodemografischer Lastenausgleich (SLA)

2404

Soziodemografische Lasten

Spezifische Lasten der Kernst dte

Bereiche A bis E

Bereich F

Gewichtung: 66.6 Prozent 183.3 Millionen Franken

Gewichtung: 33.3 Prozent 91.6 Millionen Franken

Durch diese gesonderte Erfassung und Gewichtung kann den Lasten der Kernstädte in besonderem Mass Rechnung getragen werden. Dem Kanton Zürich werden insgesamt knapp 60 Millionen Franken zugesprochen. Deutlich mehr als die Hälfte davon geht auf die gesonderte Abgeltung der Lasten der Kernstädte zurück. Ähnlich verhält es sich für den Kanton St. Gallen. Bei den Kantonen Bern und Luzern sind sogar sämtliche Ausgleichszahlungen im Rahmen des SLA auf Abgeltungen für die spezifischen Lasten der Kernstädte zurückzuführen (vgl. Tabelle 5.15).

Diagramm zu den SLA-Auszahlungen (in Millionen Franken) Abbildung 5.13

' Basiskarte: Bundesamt f r Statistik, ThemaKart, Neuch tel 2001

Kantone, die keine Zahlungen erhalten Kantone, die bis 10 Millionen Franken erhalten Kantone, die 10 20 Millionen Franken erhalten Kantone, die ber 20 Millionen Franken erhalten

2405

Diagramm zu den SLA-Auszahlungen (in Millionen Franken) Abbildung 5.14 in Millionen Franken 80

70

60

50

40

30

20

10

0

ZH

BE

LU

FR

BS

Zahlungen aufgrund der Lasten der Bereiche A bis E

2406

SH

SG

TI

VD

NE

GE

Zahlungen aufgrund der Lasten des Bereichs F

Diagramm zu den SLA-Auszahlungen (in Franken pro Einwohner) Abbildung 5.15

' Basiskarte: Bundesamt f r Statistik, ThemaKart, Neuch tel 2001

Kantone, die keine Zahlungen erhalten Kantone, die unter 50 Franken pro Einwohner erhalten Kantone, die 50 100 Franken pro Einwohner erhalten Kantone, die ber 100 Franken pro Einwohner erhalten

2407

Diagramm zu den SLA-Auszahlungen (in Franken pro Einwohner) Abbildung 5.16 in Franken pro Einwohner

200

180

160

140

120

100

80

60

40

20

0

ZH

BE

LU

FR

BS

SH

SG

TI

VD

NE

Zahlungen aufgrund der Lasten der Bereiche A bis E Zahlungen aufgrund der Lasten des Bereichs F

2408

GE

Finanzielle Ausgleichswirkungen des SLA Tabelle 5.15 Kantone Bezüge Bereiche A bis E in Franken

Bereich F in Franken

Total In Franken

In Franken pro Einwohner

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU

26 631 749 0 0 0 0 0 0 0 0 780 924 0 22 686 160 0 1 878 716 0 0 1 724 001 0 0 0 21 561 842 44 810 621 0 8 515 749 54 743 572 0

32 868 672 9 899 850 5 628 185 0 0 0 0 0 0 0 0 12 551 938 0 0 0 0 4 122 933 0 0 0 3 563 100 8 924 703 0 0 14 107 286 0

59 500 421 9 899 850 5 628 185 0 0 0 0 0 0 780 924 0 35 238 098 0 1 878 716 0 0 5 846 934 0 0 0 25 124 942 53 735 324 0 8 515 749 68 850 859 0

49 10 16 0 0 0 0 0 0 3 0 183 0 26 0 0 13 0 0 0 83 86 0 51 170 0

Total

183 333 333

91 666 667

275 000 000

38

2409

5.6.2.6

Weitere Arbeiten im Hinblick auf die definitive Lösung

Ab dem Jahr 2005 kann mit einem optimierten Modell für den SLA gerechnet werden, da ab diesem Zeitpunkt die benötigten Statistiken zur Verfügung stehen werden. Das definitive Modell wird eine ganze Reihe von Verbesserungen mit sich bringen: ­

Die Indikatoren des Bereiches A (Armut) werden durch Angaben der dann zur Verfügung stehenden Schweizerischen Sozialhilfestatistik des BFS ersetzt.

­

Der Bereich C (Integration von Ausländerinnen und Ausländern) wird auf mögliche Überschneidungen (Mehrfachsubventionen) im Zusammenhang mit der Arbeit der Eidgenössischen Ausländerkommission (EKA) im Rahmen der Integrationsverordnung überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

­

Für den Bereich D (Drogenproblematik) wird eine gesamtschweizerische, amtliche Statistik zur Verfügung stehen.

­

Die Lasten des Bereiches F (Kernstadtproblematik) und ihre Erfassung werden Gegenstand einer umfassenden Abklärung unter Einbezug des Amtes für Raumentwicklung (ARE) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) sowie verwaltungsexterner Experten sein. Mit ersten Resultaten dieser Arbeiten dürfte ab dem Jahr 2003 zu rechnen sein.

­

Schliesslich werden auch die Gewichtung der Indikatoren sowie der Verteilungsschlüssel vollständig überarbeitet. Es ist vorgesehen, die einzelnen Indikatoren jeweils anhand ihrer Kostenrelevanz zu gewichten. Für alle Bereiche soll dazu ein einheitliches Verfahren entwickelt werden, um die Übersichtlichkeit und Transparenz des SLA zu verbessern.

5.7

Härteausgleich

Ein derart umfassender Systemwechsel, wie ihn die NFA mit sich bringt, kann nicht durchgeführt werden, ohne dass es zu teilweise erheblichen Veränderungen der Finanzflüsse sowohl zwischen Bund und Kantonen als auch zwischen den Kantonen selbst kommt. Diese lassen sich vor allem mit dem Wechsel vom Finanzkraftindex zum neuen Ressourcenindex als der zentralen Steuerungsgrösse des Ausgleichssystems erklären. Je nachdem kann es durch diesen Wechsel zu einer Konstellation kommen, dass einzelne ressourcenschwache Kantone, die durch den heute geltenden Ausgleich bevorteilt werden, neu weniger Mittel aus dem Finanzausgleich erhalten werden. Für diese Kantone kann die Einbusse eine erhebliche Belastung darstellen.

Der Bundesrat ist gemeinsam mit den Kantonen zum Schluss gekommen, dass der Übergang vom heute geltenden zum neuen System deshalb durch einen Härteausgleich abzufedern ist. Der Härteausgleich kann als staatspolitischer Preis der NFA oder auch als Investition eines Teils der Effizienzgewinne in die Akzeptanz bezeichnet werden.

2410

Unter den dieser Botschaft zu Grunde liegenden Modellannahmen wären für den Härteausgleich rund 430 Millionen Franken pro Jahr bereitzustellen. Im Verhältnis zur gesamten Ausgleichssumme der NFA von rund drei Milliarden Franken erscheint dem Bundesrat dieser Mitteleinsatz vertretbar. Dies vor allem im Hinblick auf den klar definierten Kreis der Empfänger von Ausgleichszahlungen. Vom Härteausgleich werden nur ressourcenschwache Kantone profitieren. Die Höhe der Ausgleichszahlungen hängt davon ab, wie ressourcenschwach die betreffenden Kantone eingestuft werden. Finanziert wird der Härteausgleich zu zwei Dritteln durch den Bund und zu einem Drittel durch die Kantone, wobei sich die Finanzierungsanteile der einzelnen Kantone an den jeweiligen Bevölkerungsgrössen ausrichten.

Der Härteausgleich ist als eine Übergangshilfe konzipiert. Als solche weist er gleich in mehrfacher Hinsicht eine funktionale Befristung bzw. Beschränkung auf. So ist nach Inkraftsetzung der NFA keine weitere Erhöhung der Ausgleichssumme vorgesehen. Ebenfalls sieht der Härteausgleich ­ da er eine Übergangslösung darstellt ­ im Unterschied zu den eigentlichen Instrumenten der NFA keine Anpassungen an die Teuerung vor. Dadurch wird die Ausgleichssumme real entwertet. Nach jeweils vier Jahren soll von den eidgenössischen Räten anhand eines Wirkungsberichtes überprüft werden, ob der Härteausgleich auch für eine weitere Vierjahresperiode weitergeführt werden soll. Kantone, deren Ressourcenindex im Laufe der Zeit das schweizerische Mittel von 100 überstiegen haben, verlieren ihren Anspruch auf Zahlungen aus dem Härteausgleich. Kantone, die erst nach dem Inkrafttreten der NFA unter den Grenzwert von 100 Indexpunkten fallen, werden nicht in den Kreis der Empfänger aufgenommen, da ja lediglich der Übergang vom alten zum neuen System abgefedert werden soll. Die Zahl der Kantone, die Zahlungen aus dem Härteausgleich erhalten, dürfte daher mit der Zeit kleiner werden.

Durch diese Regelungen soll erreicht werden, dass der Härteausgleich zwar nicht auf eine bestimmte Anzahl Jahre, aber funktional befristet wird. Zum einen dürfte mit der Zeit der Kreis der ausgleichsberechtigten Kantone kleiner werden. Zum anderen wird auch die eingesetzte Ausgleichssumme abnehmen.

Rechtliche Verankerung des Härteausgleichs Tabelle 5.16 Ausgleichsgefäss / Regelungsgegenstand

Rechtliche Verankerung Bundesgesetz über den Finanzausgleich

Grundsätze

×

Generelle Kriterien

×

Bundesbeschluss

Bemessung der Kriterien

Verordnung des Bundesrates

×

Dotierung

×

Entscheid über den Weiterbestand

× (alle vier Jahre)

2411

Finanzierung und Ausgleichszahlungen des Härteausgleichs Tabelle 5.17 Kanton

Finanzierungsanteil Bezüge (in Franken)

Netto-Wirkung

In Franken

In Franken pro Einwohner

ZH

24 089 800

0

0

BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD

18 916 746 6 835 000 688 320 2 523 043 636 377 727 934 762 908 1 932 892 4 683 423 4 814 793 3 830 910 5 088 408 1 456 207 1 063 351 289 190 8 878 788 3 735 808 10 690 189 4 513 494 6 051 399 12 426 245

71 0 0 0 342 0 99 0 215 0 0 0 0 518 0 44 0 12 0 0 226

VS NE GE JU

5 406 258 3 308 078 8 047 925 1 340 013

67 901 000 0 0 0 10 930 000 0 3 785 000 0 50 591 000 0 0 0 0 27 635 000 0 19 707 000 0 6 516 000 0 0 140 872 00 0 0 77 069 000 0 23 207 000

142 737 50 0

428 213 00 0

60

Total

5.8

0 464 0 345

In Franken

In Franken pro Einwohner

­ 24 089 800 48 984 254 ­6 835 000 ­688 320 ­2 523 043 10 293 623 ­727 934 3 022 092 ­1 932 892 45 907 577 ­4 814 793 ­3 830 910 ­5 088 408 ­1 456 207 26 571 649 ­289 190 10 828 212 ­3 735 808 ­4 174 189 ­4 513 494 ­6 051 399 128 445 75 5 ­5 406 258 73 760 922 ­8 047 925 21 866 987

­20

285 475 50 0

40

52 ­20 ­20 ­20 322 ­20 79 ­20 195 ­20 ­20 ­20 ­20 498 ­20 24 ­20 ­8 ­20 ­20 206 ­20 444 ­20 325

Verfassungsgrundlage und Totalrevision des Finanzausgleichsgesetzes

Die verfassungsmässige Grundlage für den heute geltenden Finanzausgleich bildet der Artikel 135 BV68. Dieser genügt den Ansprüchen des neuen Ausgleichssystems in keiner Weise. So steht etwa der Absatz 2 mit der von der NFA beabsichtigten 68

SR 101

2412

Trennung von Umverteilungsfunktion und Anreizfunktion im offensichtlichen Widerspruch. Auch sollen neu die wichtigsten Ziele des Finanzausgleichs in der Verfassung abschliessend enumeriert werden. Mit der vorliegenden Botschaft wird deshalb ein völlig neuer Wortlaut von Artikel 135 vorgeschlagen (vgl. Ziff. 6.5.1 und den Entwurf des Bundesbeschlusses zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen).

Angesichts des grundlegenden Umbaus des Ausgleichssystems bedarf das Finanzausgleichsgesetz zwingend einer Totalrevision. Das vorgeschlagene neue Gesetz beinhaltet neben den verschiedenen Instrumenten des bundesstaatlichen Finanzausgleichs auch Bestimmungen zur interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich (vgl. Ziff. 6.6 und den Entwurf des Bundesgesetzes über den Finanzausgleich).

6

Besonderer Teil

Sowohl die Aufgabenentflechtung als auch die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen bedingen eine Reihe von Verfassungsänderungen in den einzelnen Aufgabenbereichen. Ziel der Verfassungsänderungen ist es, eine sachgerechte Aufgabenteilung und Kompetenzregelung zwischen Bund und Kantonen dauerhaft sicherzustellen sowie falsche Anreize und Doppelspurigkeiten zu beseitigen. Verfassungsänderungen werden in den folgenden Aufgabenbereichen vorgenommen: Landesverteidigung (Beschaffung Armeematerial); Bildung, Forschung und Kultur (Sonderschulung, Ausbildungsbeihilfen); Umwelt und Raumplanung (Vermessung); Öffentliche Werke und Verkehr (Strassenverkehr, öffentlicher Agglomerationsverkehr); Soziale Sicherheit (individuelle Leistungen der AHV und IV, Ergänzungsleistungen, Bau- und Betriebsbeiträge der IV, Förderung der Alters- und Behindertenhilfe); Strafrecht (Straf- und Massnahmenvollzug).

Die beantragten Änderungen auf Verfassungsstufe werden Anpassungen in zahlreichen Bundesgesetzen erfordern. Die im Rahmen der vorliegenden Botschaft beantragten Änderungen auf Verfassungsstufe können nur dann Wirkung entfalten, wenn auch die notwendigen Änderungen auf Gesetzesstufe vorgenommen werden. Die finanziellen Auswirkungen der NFA auf Bund und Kantone sind deshalb unter der Annahme berechnet worden, dass alle Reformelemente umgesetzt werden, einschliesslich jener, welche keine Verfassungsänderung benötigen und somit erst im Rahmen der zweiten Botschaft vorzulegen sein werden.

Die Ausführungen des sechsten Kapitels befassen sich mit den Änderungen in den einzelnen Aufgabenbereichen sowie den für die Grundprinzipien der Föderalismusreform notwendigen Verfassungsbestimmungen. Neben den Verfassungs- und Gesetzesänderungen in den einzelnen Aufgabenbereichen (Ziff. 6.1 und 6.2), den laufenden bzw. geplanten NFA-kompatiblen Reformen (Ziff. 6.3) und den aus der NFA ausgeklammerten Aufgabenbereichen (Ziff. 6.4) werden sämtliche Verfassungsänderungen (Ziff. 6.5) sowie das totalrevidierte Bundesgesetz über den Finanzausgleich (Ziff. 6.6) kommentiert. Die Ziffer 6.1 enthält zudem die Ergebnisse der Vernehmlassung in den einzelnen Aufgabenbereichen.

2413

6.1

Verfassungsänderungen in den einzelnen Aufgabenbereichen

Die Reihenfolge der nachfolgend dargestellten Aufgabenbereiche entspricht derjenigen der Bundesverfassung.

6.1.1

Landesverteidigung ­ Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee

6.1.1.1

Ausgangslage

Die militärische Landesverteidigung gehört zu den klassischen Bundeskompetenzen.

Die kantonale Mitverantwortung ist in der Bundesverfassung verankert. Im Wesentlichen handelt es sich um Vollzugsmassnahmen mit beschränktem Handlungsspielraum. Die künftige Ausgestaltung dieser Mitverantwortung hängt von der Doktrin und Struktur der Armee, deren logistischemKonzept sowie vom Einsatz- und Ausbildungskonzept ab.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die kantonale Mitverantwortung für die Milizrmee aus vorab staatspolitischen Überlegungen beizubehalten ist. Er schliesst daher eine vollständige Übertragung der Kompetenzen im Wehrwesen an den Bund aus.

Art und Ausmass der kantonalen Mitverantwortung werden in Zusammenarbeit mit den Kantonen im Rahmen des Armeeleitbildes XXI umrissen. Einzelheiten sind im Militärgesetz und in Leistungsvereinbarungen zwischen Bund und den Kantonen zu regeln.

Im Sinne einer Teilentflechtung wird eine neue Kompetenzabgrenzung im logistischen Bereich vorgeschlagen.

6.1.1.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Als einziger Vernehmlasser lehnte die «Arbeitsgemeinschaft für eine wirksame und friedenssichernde Milizarmee» (AWM) die anvisierte Lösung ab. Es gehe um die grundsätzliche staatspolitische Frage der kantonalen Mitverantwortung an der Landesverteidigung. Die Kantone dürften nicht aus ihr ausgeschlossen werden.

Der Bundesrat unterstreicht, dass mit der angestrebten Zentralisierung im Logistikbereich die kantonale Mitverantwortung an der Landesverteidigung keinesfalls ausgeklammert wird. Es handelt sich vielmehr um eine betriebswirtschaftlich notwendige Massnahme, die eingesetzten Steuergelder optimal einzusetzen.

6.1.1.3

Neue Lösung

Die Vollzugsverantwortung im logistischen Bereich (persönliche Ausrüstung, übriges Armeematerial) liegt neu ausschliesslich beim Bund. Damit wird die Beschaffung, der Unterhalt und der Ersatz der persönlichen Ausrüstung vollständig zur Bundessache. Die zentralgesteuerte Bewirtschaftung des Armeematerials und der 2414

persönlichen Ausrüstung ist bei einer stark verkleinerten Armee eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Aus staatspolitischer Sicht ändert sich mit der beantragten Zentralisierung nichts. Die Kantone tragen im Bereich der Landesverteidigung nach wie vor eine angemessene Mitverantwortung.

6.1.1.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 60 BV Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee: Die Aufhebung der Zuständigkeiten der Kantone für die Beschaffung, den Unterhalt und den Ersatz der persönlichen Ausrüstung bedingt eine Änderung von Artikel 60 Absatz 2 BV (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

6.1.1.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Die abschliessende Zuständigkeit des Bundes im Bereich der Beschaffung der persönlichen Ausrüstung verlangt eine Teilrevision des Militärgesetzes vom 3. Februar 199569 über die Armee und die Militärverwaltung.

Weitere Kompetenzabgrenzungen zwischen Bund und Kantonen werden im Armeeleitbild und in der Militärgesetzgebung zur Armee XXI behandelt. Der Bundesrat hat diese Vorlage am 24. Oktober 2001 überwiesen.

6.1.2

Bildung, Forschung und Kultur

6.1.2.1

Sonderschulung

6.1.2.1.1

Ausgangslage

Sonderschulen sind Schulen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, denen der Besuch der Volksschule nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Sonderschulung umfasst auch Leistungen in den Bereichen der heilpädagogischen Früherziehung, der pädagogisch-therapeutischen Massnahmen, der Unterkunft und Verpflegung sowie der Transporte.

Die Leistungen der Invalidenversicherung umfassen einerseits individuelle Leistungen an Kinder mit Behinderungen von der Geburt bis zum 20. Altersjahr, andererseits kollektive Leistungen an die Durchführungsstellen der Sonderschulung. Im Schulbereich beteiligt sich die Invalidenversicherung heute zu rund 50% an den Kosten der Sonderschulen. Wenn behinderte Kinder zur Zeit aber integrativ in der Volksschule gefördert werden, so fehlt der IV eine Rechtsgrundlage, um sich an diesen heilpädagogisch bedingten Mehrkosten zu beteiligen.

69

SR 510.10

2415

Die individuellen Leistungen sind in Artikel 19 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195970 über die Invalidenversicherung (IVG) geregelt. Die Ausgaben der IV für die individuellen Leistungen im Sonderschulbereich beliefen sich 1999 auf 290 Millionen Franken. Bei der relativ grossen Zahl von Kindern mit Verhaltensstörungen, die nicht als sonderschulbedürftig gelten, übernimmt die IV keine Sonderschulkosten.

Deshalb tragen die Kantone (inkl. Gemeinden) und der Bund die Kosten für verhaltensauffällige Kinder mit sozialer Indikation und für straffällige Kinder.

Die kollektiven Leistungen der IV für die Sonderschulung umfassen einerseits Baubeiträge (Art. 73 Abs. 1 IVG) und andererseits Betriebsbeiträge (Art. 73 Abs. 2 Buchstabe a IVG). 1999 richtete die IV Baubeiträge in der Höhe von 21 Millionen Franken und Betriebsbeiträge von 315 Millionen Franken aus.

Somit wirkt die IV in Abweichung vom Grundsatz der kantonalen Schulhoheit in einem Teilbereich des Schulwesens mit, wobei Regelungsdichte und Leistungsstandards hoch sind.

6.1.2.1.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

17 von 26 Kantonen stimmten der Kantonalisierung der Sonderschulung zu. Eine Gefährdung des Sonderschulwesens sei nicht zu befürchten. Vier Kantone (Bern, Freiburg, Aargau und Tessin) übten grundlegende Kritik. FDP, SVP und der Schweizerische Arbeitgeberverband stellten sich grundsätzlich hinter die Kantonalisierung, während SPS, Arbeitnehmerverbände (CNG, SGB, VSA) und zahlreiche Sozialverbände die Neuregelung ablehnten. Es sei zu erwarten, dass diese zu einem massiven Abbau führen werde. Nur eine gesamtschweizerische Lösung könne den einheitlichen Rechtsanspruch gewährleisten.

Der Bundesrat hält die Gefahr eines Sozialabbaus für nicht gegeben. Er steht jedoch dem Bedürfnis nach mehr Rechtssicherheit positiv gegenüber und schlägt daher eine entsprechende Verankerung des Rechtsanspruchs in der Bundesverfassung vor.

6.1.2.1.3

Neue Lösung

Die IV zieht sich aus der Sonderschulung zurück. Die volle fachliche und finanzielle Verantwortung in diesem Bereich wird den Kantonen übertragen, wobei die Kantone zur interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich verpflichtet sind. Der gegenüber den Kantonen bestehende Individualanspruch auf Sonderschulung wird bundesverfassungsrechtlich abgestützt.

Die Kantone finanzieren die Sonderschulung integral, d.h. sie kommen sowohl für die individuellen als auch für die kollektiven Leistungen an Kinder und Jugendliche mit Behinderungen resp. an entsprechende Institutionen auf. Die heutige, oft künstliche Trennung zwischen IV-Berechtigten und Nicht-IV-Berechtigten fällt dahin und der integrative Ansatz zur Förderung und Schulung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen kann verwirklicht werden. Die Kantone übernehmen damit die Gesamtverantwortung von der heilpädagogischen Früherziehung bis zum Abschluss 70

SR 831.20

2416

der Sonderschulung. Sie entwachsen damit ihrer Rolle als Mitzahler mit ungenügender Mitbestimmung.

Mit der fachlich und finanziell integral verwirklichten Schulhoheit kann das Behindertenwesen auch in konzeptioneller und organisatorischer Hinsicht besser gesteuert werden. Die Planung und Durchführung von integrativen Förderkonzepten für behinderte Kinder und Jugendliche wird erleichtert. Durch die Zusammenlegung der Handlungskompetenz mit der Finanzierungskompetenz können die in der Vergangenheit aufgetretenen Zuständigkeitsprobleme abgebaut werden. Vereinfachungen werden möglich, Doppelspurigkeiten entfallen und die Transparenz wird infolge Reduktion der Ansprachestellen erhöht. Eltern, Elternvereinigungen und Behindertenorganisationen finden leichteren Zugang zu den für die Umsetzung von Sonderschulmassnahmen verantwortlichen Stellen.

Andererseits erwachsen den Kantonen Mehrbelastungen, indem sie das bereits heute geleistete finanzielle Engagement aufstocken müssen, und zwar sowohl bei den individuellen Leistungen (Schulgeld, Kostgeld, pädagogisch-therapeutische Massnahmen, Transportkosten) als auch bei den kollektiven Leistungen (Bau- und Einrichtungsbeiträge, Betriebsbeiträge). Darüber hinaus sind von ihnen rechtliche und organisatorische Massnahmen zu treffen. Die volle Übernahme der finanziellen und fachlichen Verantwortung des Sonderschulwesens erfordert allerdings nur in einigen Teilbereichen Ergänzungen des Aufgabenkatalogs. In einigen Kantonen müssen die Rechtsgrundlagen zur Sonderschulung von Kindern mit Behinderungen von der Geburt bis zum Kindergarten (heilpädagogische Früherziehung) geschaffen bzw. angepasst und in andere gesetzliche Bestimmungen modifiziert oder neu geschaffen werden.

Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass auch die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) ­ teilweise in Zusammenarbeit mit der Sozialdirektorenkonferenz (SODK) ­ als Dienstleistungskonferenz der Kantone vermehrt Aufgaben zu übernehmen hat.

So werden auf der Basis der Interkantonalen Rahmenvereinbarung die Detailbedingungen für bilaterale, regionale und gesamtschweizerische Zusammenarbeitsformen zu entwickeln sein, um auch in finanzieller, konzeptioneller und heilpädagogischer Hinsicht optimale Schulungsangebote sicherstellen zu können. Dabei kommt der Interkantonalen Heimvereinbarung, insbesondere bezüglich des Ausgleichs allfälliger Defizite, eine verstärkte Bedeutung zu.

6.1.2.1.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 62 BV Schulwesen: Im neuen Absatz 3 wird festgehalten, dass die Kantone wie für den Grundschulunterricht für eine ausreichende Sonderschulung aller Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen bis maximal zum vollendeten 20. Altersjahr zu sorgen haben. Damit wird ein gegenüber den Kantonen bestehender Individualanspruch aller behinderten Kinder und Jugendlichen auf Sonderschulung für eine optimale Förderung und Schulung garantiert (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

2417

6.1.2.1.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Die Sonderschulung wird nicht Gegenstand der zweiten Botschaft sein, da sie gemäss neuer Verfassungsbestimmung vollständig in die Kompetenz der Kantone übergeht. Ein Rahmengesetz des Bundes erübrigt sich, da sich auch im übrigen Schulwesen mit derselben Verfassungsbasis ein solches als nicht notwendig erwiesen hat.

6.1.2.2

Ausbildungsbeihilfen

6.1.2.2.1

Ausgangslage

Die Ausrichtung von Ausbildungsbeihilfen (Stipendien und Studiendarlehen) dient der Chancengleichheit. Ausbildungsbeihilfen sollen dazu beitragen, dass Jugendliche und Erwachsene unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation weiterführende Schulen und Ausbildungsgänge (Berufsbildung, berufliche Weiterbildung, Mittelschule, Universität usw.) besuchen können.

Das Stipendienwesen ist grundsätzlich Sache der Kantone. Jeder Kanton hat seine eigene Stipendienordnung. Der 1964 in die Bundesverfassung eingefügte Stipendienartikel ermächtigt den Bund, den Kantonen unter Wahrung ihrer Schulhoheit Beiträge an ihre Aufwendungen für Stipendien und andere Ausbildungsbeihilfen zu gewähren. Das Beitragssystem ist aufwandorientiert. Anrechenbar sind die Stipendienaufwendungen und (seit 1999) auch die durch die Vergabe von Studiendarlehen entstandenen Zinsausfälle. Die angestrebte gesamtschweizerische Harmonisierung wurde nur teilweise erreicht, sodass die kantonalen Stipendienordnungen in ihrer Ausgestaltung zum Teil grosse Unterschiede aufweisen. In eigener Kompetenz gewährt der Bund Stipendien an ausländische Studierende in der Schweiz sowie, subsidiär zu den kantonalen Ausbildungsbeihilfen, an Studierende der ETH.

6.1.2.2.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die überwiegende Mehrheit der Vernehmlasser unterstützten eine Teilentflechtung.

SPS, SGB und VSA sowie einige weitere Vernehmlasser lehnten jeglichen Rückzug des Bundes aus dem Stipendienwesen ab. Sie erachteten es als notwendig, dass die Finanzierung sämtlicher Ausbildungsbeihilfen weiterhin von Bund und Kantonen gemeinsam getragen werden und dass der Bund für alle Stufen Rahmenkriterien festlegt. Damit könne ein wichtiger Beitrag an die dringend notwendige Harmonisierung der kantonalen Stipendienordnungen geleistet werden.

Der Bundesrat unterstreicht, dass mit der anvisierten Teilentflechtung ein wesentlicher Kritikpunkt aus der Vernehmlassung berücksichtigt wird, ohne jedoch den Grundsatz der Subsidiarität zu verletzen.

2418

6.1.2.2.3

Neue Lösung

Vorgeschlagen wird eine Teilentflechtung: ­

Ausbildungsbeihilfen im Tertiärbereich, welche eine Verbundaufgabe von Bund und Kantonen bleiben, sollen weiterhin gemeinsam getragen werden.

­

In Anlehnung an die kantonale Schulhoheit sollen demgegenüber Ausbildungsbeihilfen bis und mit Sekundarstufe II in ausschliesslicher kantonaler Zuständigkeit ausgerichtet werden; es besteht kein Regelungsbedarf seitens des Bundes. Der Bund beteiligt sich nicht mehr an der Finanzierung der auf dieser Stufe ausgerichteten Ausbildungsbeihilfen.

­

Es ist vom Grundsatz auszugehen, dass jeder Kanton für seine Studierenden aufkommt (für Erststudierende gilt das Prinzip des gesetzlichen Wohnsitzes zum Zeitpunkt der Erlangung des Maturitätsausweises). Bezahlt ein Kanton im Rahmen der Interkantonalen Universitätsvereinbarung (IUV) Beiträge für die Kosten eines Studierenden, so hat er auch die allfälligen Ausbildungsbeihilfen zu übernehmen. Diese Regelung gilt für den gesamten Tertiärbereich (Universitäten, ETH, höhere Fachschulen sowie Fachhochschulen).

­

Der Bund erlässt ein Rahmengesetz für den Tertiärbereich, welches insbesondere zentrale Mindeststandards für die Gewährung von Ausbildungsbeihilfen festlegt.

­

Die Kantone verstärken ihrerseits die gesamtschweizerische Stipendienharmonisierung, indem sie in Abstimmung mit dem künftigen Rahmengesetz des Bundes eine interkantonale Vereinbarung abschliessen.

Der Zugang zu höheren, tertiären Ausbildungen und die Mobilität der Studierenden sind auch nationale Anliegen. Deshalb ist hier eine Beteiligung des Bundes nach wie vor gerechtfertigt und muss parallel zur Hochschulförderung aufrechterhalten werden. Die Kantone werden bis und mit Sekundarstufe II auf der Grundlage harmonisierter Mindestnormen in Form einer interkantonalen Vereinbarung frei entscheiden können, ob sie weiterhin Stipendien vorsehen oder auch andere Ausbildungsbeihilfen, etwa in Form rückzahlbarer Darlehen, ausrichten wollen.

Die Abschaffung der über die ETH ausgerichteten subsidiären Stipendien ist auf Grund der anvisierten Harmonisierung auf interkantonaler Ebene folgerichtig. Der Bund bleibt aber wie bisher, in Anlehnung an seine Zuständigkeit in der Aussenpolitik, allein zuständig für die Stipendien an ausländische Studierende in der Schweiz.

6.1.2.2.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 66 BV Ausbildungsbeihilfen: Die geänderte Bestimmung in Absatz 1 sieht vor, dass der Bund Beiträge für Stipendien und Studiendarlehen an Studierende von Hochschulen und anderen höheren Bildungsanstalten auf Tertiärstufe gewähren kann. Dabei fördert er die interkantonale Harmonisierung dieser Ausbildungsbeihilfen (vgl Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

2419

6.1.2.2.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Der Bund erlässt für den Tertiärbereich ein neues Rahmengesetz, welches Grundsätze zur Förderung der interkantonalen Harmonisierung vorsehen soll. Im Weiteren kann er namentlich einige zentrale Mindeststandards für die Gewährung von Ausbildungsbeihilfen festlegen. Dabei sollen die Bundesbeiträge an die Kantone nach Möglichkeit in pauschalierter Form vorgesehen werden.

6.1.3

Umwelt und Raumplanung

6.1.3.1

Vermessung

6.1.3.1.1

Ausgangslage

Der Bund beteiligt sich seit 1912 an der Amtlichen Vermessung71. Die ursprünglich angestrebte, flächendeckende Amtliche Vermessung der Schweiz ist bis heute noch nicht realisiert, so hauptsächlich in Teilen des Berggebiets und Teilen des Mittellandes. Die Amtliche Vermessung gewinnt aber mit steigendem wirtschaftlichem Einfluss des Liegenschaftsmarktes, durch ihren Beitrag zur Sicherung des Grundeigentums und als Basisinformation über Grund und Boden an Bedeutung.

Bis Ende 1997 musste ein Vermessungsauftrag von bis zu vier verschiedenen Stellen begutachtet werden. Das Prinzip der Trennung von strategischer und operativer Führung wurde verletzt, da der Bund in die Kernaufgaben der Kantone eingreifen musste, wenn er seine Aufgaben entsprechend den damaligen Auflagen korrekt erfüllen wollte. Um die erwähnten Probleme kurzfristig lösen zu können, wurde zu Beginn des Jahres 1998 die Verordnung vom 18. November 199272 über die Amtliche Vermessung punktuell angepasst. Gleichzeitig führte der Bund eine neue Form der Zusammenarbeit mit den Kantonen auf der Basis von Leistungsaufträgen und vereinbarungen ein.

Die neuen Rechtserlasse zur Amtlichen Vermessung haben denn auch eine Erweiterung der Aufgabenfelder ermöglicht, um die Bereitstellung von Grundlagendaten im Sinne der eigentlichen amtlichen Landadministration (Erhebung, Nachführung, Verwaltung und Abgabe der Daten) sicherzustellen. Dabei sind die Datenmodelle der verschiedenen Aufgabenbereiche der Gemeinwesen sowie die Eckwerte der Landadministration zwischen den verschiedenen Akteuren zu koordinieren und verbindlich festzulegen73.

71

72 73

Die gesetzliche Grundlage findet sich in Artikel 950 ZGB. In Artikel 39 Schlusstitel ZGB wird im Weiteren festgehalten, dass hauptsächlich der Bund die Kosten für die Amtliche Vermessung zu tragen hat.

SR 211.432.2 Das Datenmodell beschreibt die zu erhebenden Daten, ihre Struktur sowie ihre Beziehungen untereinander. Heute existieren mehrfach geführte Datensätze über das gleiche Gebiet sowie veraltete, teilweise nicht nachgeführte Datensätze, die untereinander nicht kompatibel sind.

2420

6.1.3.1.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die Kantone Freiburg und Neuenburg, die SPS, die VSA und die Konferenz der kantonalen Vermessungsämter verlangten ein verstärktes Engagement des Bundes, da sonst das Ziel der flächendeckenden Vermessung sowie die 1993 eingeleiteten Reformen der Amtlichen Vermessung zeitlich nur weiter hinausgeschoben würden.

Die SVP forderte die Aufhebung des Vermessungsamtes. Die strategische Führung könnte ohne grossen zusätzlichen Aufwand vom Bundesamt für Raumplanung oder vom BUWAL übernommen werden.

Mit der vorgeschlagenen neuen Verfassungsbestimmung wird der erwähnten Kritik Rechnung getragen. Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine flächendeckende Vermessung der Schweiz werden mit Artikel 75a geschaffen. Die Konferenz der kantonalen Vermessungsämter ist mit der neuen Verfassungsbestimmung einverstanden.

Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Vermessungswesens hätte eine Aufhebung der Eidgenössischen Vermessungsdirektion keine Personaleinsparungen zur Folge, da allein mit dem bestehenden Personalbestand die anstehenden und neuen Aufgaben nicht zu bewältigen wären.

6.1.3.1.3

Neue Lösung

Der Bereich der Amtlichen Vermessung bleibt eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Kantonen. Allerdings sind die dargelegten Doppelspurigkeiten und die damit verbundenen administrativen Schwerfälligkeiten und Kompetenzüberschneidungen zu beseitigen und neue Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen vorzusehen.

Die amtliche Landadministration soll als Ergänzung der Amtlichen Vermessung einen eigenen Stellenwert erhalten.

In diesem Sinne schlagen wir in einem ersten Schritt im Interesse einer verfassungsmässigen Abstützung der Vermessung74 eine neue Verfassungsnorm vor.

6.1.3.1.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 75a BV Vermessung: Der neue Artikel umschreibt die Kernaufgaben der Vermessung. Demnach ist für die eigentliche Landesvermessung der Bund abschliessend zuständig. Im Bereich der Amtlichen Vermessung erlässt der Bund Vorschriften, welche den Grund und Boden, namentlich für das Grundbuch, betreffen.

Im Interesse einer landesweiten Koordination amtlicher Informationen kann der Bund Vorschriften erlassen (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

74

Der Oberbegriff «Vermessung» beinhaltet das grundbuch- und amtliche Vermessungswesen, die amtliche Landadministration und die Landesvermessung.

2421

6.1.3.1.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Es wird ein Gesetz über die Vermessung vorgeschlagen, das von folgender Aufgabenteilung ausgehen wird: ­

In der Amtlichen Vermessung definiert der Bund die Ziele und Grundsätze sowie das Grundangebot und stellt die Koordination sicher. Er leistet entsprechend seinem Interesse, das im Grundangebot zum Ausdruck kommt, finanzielle Beiträge.

­

Die Landesvermessung, welche die geodätische und die topografische Landesaufnahme sowie das Landeskartenwerk75 einschliesst, ist Sache des Bundes und wird auch inskünftig vom Bundesamt für Landestopographie wahrgenommen.

­

Die Kantone tragen in der Amtlichen Vermessung die vollständige Verantwortung im operativen Bereich. Sie können das Grundangebot nach ihren Bedürfnissen erweitern. Dabei steht es ihnen frei, ihre Aufgaben selbstständig zu erbringen oder Dienstleistungen des Bundes gegen Bezahlung in Anspruch zu nehmen.

Die heute in unterschiedlichen Erlassen massgebenden Rechtsgrundlagen76 erhalten somit eine eigenständige gesetzliche Grundlage.

6.1.4

Öffentliche Werke und Verkehr

6.1.4.1

Nationalstrassen

6.1.4.1.1

Ausgangslage

Die wichtigsten Strassenverbindungen von gesamtschweizerischer Bedeutung werden von der Bundesversammlung zu Nationalstrassen erklärt (Art. 1 Nationalstrassengesetz). Das vom Parlament beschlossene Netz wird dereinst eine Gesamtlänge von 1856 km aufweisen, und die Erstellung wird nominell rund 65 Milliarden Franken gekostet haben. Ende 1999 waren 1642 km oder 88,5 Prozent in Betrieb und weitere 98 km im Bau.

75

76

Die geodätische Landesvermessung (oder -aufnahme) legt für die ganze Schweiz ein einheitliches Koordinaten- und Höhensystem fest, unterhält es laufend und stellt es der Allgemeinheit zur Verfügung. Das kann geschehen durch die Bereitstellung von Fixpunktnetzen in Lage und Höhe oder heute vermehrt durch einen permanenten satellitengestützten Vermessungsdienst. Die topografische Landesvermessung (oder -aufnahme) ist die Vermessung von Form und Bodenbedeckung der Erdoberfläche in der Schweiz und des angrenzenden Auslands. Sie wird einerseits als gedruckte Karten, vermehrt aber auch als digitale Grundlage für geografische Informationssysteme zur Verfügung gestellt. Das Landeskartenwerk umfasst in der Schweiz Karten in den Massstäben 1:25 000, 1:50 000 1:100 000, 1:200 000, 1:500 000 und 1:1 000 000.

Als Beispiel die Rechtsgrundlagen für die Amtliche Vermessung: ZGB, Bundesbeschluss vom 20. März 1992 über die Abgeltung der Amtlichen Vermessung (SR 211.432.27) sowie die bereits erwähnte Verordnung über die Amtliche Vermessung vom 18.

November 1992.

2422

In den nächsten rund 15 Jahren werden die noch fehlenden Streckenteile gebaut, zudem muss als Daueraufgabe das gesamte Werk betrieben, baulich ausreichend unterhalten sowie, der Verkehrsentwicklung folgend, punktuell ausgebaut werden.

Nach Artikel 83 der neuen Verfassung sind der Bau, der Unterhalt und der Betrieb der Nationalstrassen heute als Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund und Kantonen ausgestaltet. Der Bund hat die Oberaufsicht und beteiligt sich finanziell. Vorbehältlich der Bundesbefugnisse stehen die Nationalstrassen aber unter der Hoheit der Kantone. Die Bundesbeiträge sind abgestuft, je nach der Belastung der einzelnen Kantone durch die Nationalstrassen, ihrem Interesse an diesen Strassen und ihrer Finanzkraft. Beim Bau beträgt der Bundesanteil 50­97 Prozent (1999 im Durchschnitt 88 Prozent), beim Unterhalt bewegt er sich zwischen 80 und 97 Prozent (1999 im Durchschnitt 88 Prozent). Am Betrieb beteiligt sich der Bund mit 40­95 Prozent der anrechenbaren Kosten (1999 im Durchschnitt 67 Prozent). Die Ausgaben beliefen sich 1999 für den Bau auf 1491 Millionen Franken, für den Unterhalt auf 417 Millionen Franken und für den Betrieb auf 106 Millionen Franken.

6.1.4.1.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Der vorgeschlagenen integralen Bundeszuständigkeit wurde mehrheitlich zugestimmt. Von den Strassenverkehrsverbänden wurden allerdings Verzögerungen bei der Fertigstellung des Nationalstrassennetzes befürchtet. Die Kantone stimmten der neuen Lösung im Grundsatz zu, forderten aber einerseits Präzisierungen und Korrekturen am vorgeschlagenen Verfassungstext und andererseits, dass den Auswirkungen auf das gesamte Strassennetz die nötige Beachtung geschenkt wird.

Den Bemerkungen konnte beim nun vorliegenden Verfassungstext Rechnung getragen werden. Sie werden auch bei den noch anstehenden Konkretisierungsarbeiten Berücksichtigung finden.

6.1.4.1.3

Neue Lösung

Was die Fertigstellung des beschlossenen Nationalstrassennetzes betrifft, bleibt der Bau angesichts des fortgeschrittenen Standes eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Kantonen. Dies wird in einer Übergangsbestimmung der Bundesverfassung festgehalten. Der Ausbau des beschlossenen Netzes und die Erweiterung des Netzes durch Aufnahme neuer Strecken gehen vollständig auf den Bund über, sowohl für die Aufgabenerfüllung als auch für die Finanzierung.

Betrieb und Unterhalt der Nationalstrassen gehen ebenfalls in integrale Bundeszuständigkeit über. Der Bund übernimmt für diese Teilaufgaben die Ausführungskompetenz und die Finanzierung. Er kann die Ausführung selber wahrnehmen oder auf Dritte übertragen, wobei sowohl staatliche, private wie auch gemischte Trägerschaften denkbar sind.

2423

6.1.4.1.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 83 BV Nationalstrassen: In Absatz 2 wird die vollumfängliche Bundeszuständigkeit für Bau, Betrieb und Unterhalt der Nationalstrassen verankert. Dabei wird dem Bund ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, die Aufgaben ganz oder teilweise staatlichen, privaten oder gemischten Trägerschaften zu übertragen (vgl.

Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

Eine Übergangsbestimmung zu Artikel 83 BV regelt die gegenüber heute unveränderten Zuständigkeiten und Finanzierungsanteile von Bund und Kantonen für die Fertigstellung des Nationalstrassennetzes gemäss Bundesbeschluss vom 21. Juni 1960 (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2, Art. 197 Ziff. 2 BV).

6.1.4.1.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Die neue Aufgabenteilung bei den Nationalstrassen wird Änderungen des Nationalstrassengesetzes vom 8. März 196077 (NSG) und des Bundesgesetzes vom 22. März 198578 über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer (MinVG) nach sich ziehen. Materiell stellt sich eine ganze Reihe komplexer Fragen, deren Bearbeitung im Hinblick auf die zweite NFA-Botschaft unter Federführung des Bundesamtes für Strassen bereits an die Hand genommen wurde. Zu erwähnen sind insbesondere die Eigentumsfrage, Haftungsfragen, Fragen im Zusammenhang mit der Vergabe von Betrieb und Unterhalt an staatliche, private oder gemischte Trägerschaften sowie Fragen im Zusammenhang mit dem Steuerungsmanagement.

6.1.4.2

Hauptstrassen

6.1.4.2.1

Ausgangslage

Ausgewählte Kantonsstrassen bilden ein Netz von nationaler und zum Teil internationaler Bedeutung. Dieses rund 2300 km lange Hauptstrassennetz wird vom Bundesrat festgelegt. Die Mittelzuteilung erfolgt in Mehrjahresprogrammen, wobei für jedes einzelne Projekt im Stadium der Baureife eine finanzielle Zusicherung notwendig ist. Die Subventionierung beschränkt sich auf Neu- und Ausbauten, Unterhalt und Betrieb sind Sache der Kantone. Die Subventionssätze sind abgestuft nach dem Interesse der Kantone an diesen Strassen, der Finanzkraft, den Strassenlasten und den Kosten des Bauvorhabens. Sie betragen für Jura- und Alpenstrassen zwischen 40 und 75 Prozent, für Talstrassen zwischen 15 und 60 Prozent. Etwa zwei Drittel der Jahreskredite werden für grosse Projekte verwendet, der Rest fliesst in eine Vielzahl von kleineren Projekten. Die Ausgaben beliefen sich 1999 auf 205 Millionen Franken.

77 78

SR 725.11 SR 725.116.2

2424

6.1.4.2.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die vorgeschlagene neue Lösung fand bei den Vernehmlassern mehrheitlich Zustimmung. Verschiedene Kantone forderten indessen Massnahmen zur Sicherung eines genügenden Engagements des Bundes. Bei den noch anstehenden Konkretisierungsarbeiten im Hinblick auf die zweite NFA-Botschaft würde darüber hinaus auch einer klaren Unterscheidung von «schwer finanzierbaren Einzelprojekten» und «übrigen Projekten» besondere Beachtung zu schenken sein.

6.1.4.2.3

Neue Lösung

Die neue Lösung sieht eine Teilentflechtung vor: ­

Normale Bauvorhaben: Diese Aufgabe wird den Kantonen übertragen. Sie erhalten die erforderlichen Mittel in Form von Globalbeiträgen, die nach einem noch zu erarbeitenden gewichteten, strukturellen Indikator «Hauptstrassenlängen» bemessen werden. Die Kantone können diese Mittel sowohl für den Bau als auch für den Betrieb und den Unterhalt einsetzen, was eine Verfassungsänderung nötig macht.

­

Grossprojekte: Darunter werden schwer finanzierbare Einzelprojekte verstanden, welche die Kantone mit ihren eigenen finanziellen Mitteln nicht realisieren können. Grossprojekte bleiben daher eine Verbundaufgabe. Die Mittelsteuerung erfolgt durch den Bund anhand von Programmen.

6.1.4.2.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 86 BV Verbrauchssteuer auf Treibstoffen und übrige Verkehrsabgaben: Die neue Finanzierungsregelung bei den Hauptstrassen erfordert in Absatz 3 eine Neuformulierung von Buchstabe c, indem die Verwendung der Bundesbeiträge auf den Betrieb und Unterhalt der Hauptstrassen ausgeweitet wird (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

6.1.4.2.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Die neue Lösung wird verschiedene Modifikationen beim Bundesgesetz über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer (MinVG) nach sich ziehen. Bezüglich der beiden Regimes «normale Bauvorhaben» und «schwer finanzierbare Einzelprojekte» wird es darum gehen, je den Anwendungsbereich, das Beitragsregime, die Finanzsteuerungs- und Finanzplanungsinstrumente sowie die Kompetenzen der Bundesstelle zu umschreiben. Auch bezüglich des Bereichs Hauptstrassen sind die Konkretisierungsarbeiten für die zweite NFA-Botschaft unter Federführung des Bundesamtes für Strassen bereits angelaufen.

2425

6.1.4.3

Übrige Bereiche der Spezialfinanzierung «Strassenverkehr»

6.1.4.3.1

Ausgangslage

Diese Bereiche dienen allgemein der Unterstützung der Kantone bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im Infrastrukturbereich «Strasse». Dies geschieht in der Form der werkgebundenen Subventionierung von Vorhaben bestimmter Kategorien, wie z.B.

der Sanierung von Niveauübergängen oder dem Schutz vor Naturereignissen. Daneben erhalten die Kantone nicht werkgebundene Beiträge zur freien Verfügung innerhalb der Zweckbindung der Mineralölsteuer.

­

Werkgebundene Beiträge: Es handelt sich um Subventionen. Für die Sanierung der Niveauübergänge und die Verkehrstrennungsmassnahmen beträgt der Beitragssatz des Bundes 40­90 Prozent der anrechenbaren Kosten, abgestuft nach der Finanzkraft und den Kosten der Massnahme (Art. 19 MinVG). Die Mittel werden in mehrjährigen Investitionsprogrammen zugeteilt. Für die übrigen Bereiche richtet sich der Beitragssatz nach der jeweiligen Spezialgesetzgebung (Umweltschutzgesetz für strassenverkehrsbedingte Umweltschutzmassnahmen, Natur- und Heimatschutzgesetz für strassenverkehrsbedingte Landschaftsschutzmassnahmen, Waldgesetz und Wasserbaugesetz).

­

Nicht werkgebundene Beiträge: Der Anteil der nicht werkgebundenen Beiträge beträgt mindestens 12 Prozent der für den Strassenverkehr bestimmten Mineralölsteuer. Er wird seit mehreren Jahren um ausserordentliche Beiträge in der Grössenordnung von knapp 80 Millionen Franken erhöht und belief sich 1999 auf 515 Millionen Franken. Er ist aufgeteilt in «allgemeine Beiträge und Finanzausgleich» (94 Prozent) sowie in «Kantone mit internationalen Alpenstrassen und Kantone ohne Nationalstrassen» (6 Prozent).

6.1.4.3.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die vorgeschlagenen neuen Lösungen wurden mehrheitlich begrüsst. Allerdings befürchteten einige Kantone, dass der Bund über die anvisierte Teilentflechtung sein finanzielles Engagement reduzieren könnte. Sie forderten ein Festhalten am heutigen Mindestanteil der Kantone an den Mineralölsteuererträgen von 12 Prozent. Nicht unumstritten blieben auch die Vorschläge bezüglich einzelner Subventionstatbestände (z.B. Niveauübergänge, Ortsbilderschutz) sowie hinsichtlich der neuen Bemessung der «allgemeinen Beiträge».

Den in der Vernehmlassung geäusserten Anliegen wird der Bundesrat im Rahmen der noch anstehenden Konkretisierungsarbeiten so weit wie möglich Rechnung tragen. Die neue Bemessungsgrundlage für die «allgemeinen Beiträge» wird ebenfalls Gegenstand der zweiten NFA-Botschaft sein.

2426

6.1.4.3.3

Neue Lösung

Werkgebundene Beiträge: ­

Die Sanierung von Niveauübergängen und andere Verkehrstrennungsmassnahmen sollen grundsätzlich in die ausschliessliche Zuständigkeit der Kantone fallen. Eine Ausnahme bilden Verkehrstrennungsmassnahmen in Agglomerationen, welche im Rahmen umfassender Agglomerationsverkehrskonzepte vom Bund in begrenztem Ausmass gefördert werden können (vgl. Ziff. 6.1.4.4.3).

­

Die übrigen werkgebundenen Subventionstatbestände in den Bereichen Umwelt (Luft, Lärm, Wald), Landschaft (Natur- und Landschaftsschutz, Denkmalpflege, Heimat- und Ortsbilderschutz) und Naturgewalten (Hochwasser, Lawinengalerien) werden teils kantonalisiert, teils durch den Bund weiterhin über Programme oder andere Instrumente mitfinanziert (vgl.

Ziff. 6.2.5, 6.2.6, 6.2.7, 6.2.9, 6.2.13).

Nicht werkgebundene Beiträge: ­

Der Teil «internationale Alpenstrassen» soll als solcher aufgehoben werden.

Die bisher dafür vorgesehenen Beiträge entfallen. Soweit es sich um Gebirgsnationalstrassen handelt, wird der hohe Unterhalts- und Betriebsaufwand Bundessache. Die übrigen internationalen Alpenstrassen befinden sich in Kantonen, die durch den neuen geografisch-topografischen Lastenausgleich begünstigt werden. Der besonderen Situation der beiden Kantone Appenzell, als Kantone ohne Nationalstrassen, wird auch im neuen Verteilschlüssel für die nicht werkgebundenen Beiträge Rechnung getragen.

­

Der Teil «allgemeine Beiträge» wird auf eine neue Berechnungsgrundlage gestellt. Die Finanzkraft entfällt als Kriterium. Der neue Verteilschlüssel wird Verschiebungen zwischen den einzelnen Kantonen nach sich ziehen.

Die Beiträge sollen auf Grund von strukturellen Indikatoren (Strassenlängen) und einer Komponente «Strassenlasten» (Kompensation für eine überdurchschnittliche Belastung gestützt auf die Strassenrechnung) neu bemessen werden.

6.1.4.3.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 86 BV Verbrauchssteuer auf Treibstoffen und übrige Verkehrsabgaben: Die Modifikationen von Artikel 86 Absatz 3 tragen den vorgesehenen Änderungen bei den Beiträgen an die Sanierung der Niveauübergänge und an Verkehrstrennungsmassnahmen (Buchstabe b), dem Wegfall des Kriteriums «Finanzkraft» bei den allgemeinen Beiträgen (Buchstabe e) und der Aufhebung der Beiträge an Kantone mit internationalen Alpenstrassen (Buchstabe f) Rechnung (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

2427

6.1.4.3.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Die vorgesehenen Neuerungen bei den werkgebundenen und nicht werkgebundenen Beiträgen werden entsprechende Modifikationen beim Bundesgesetz über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer (MinVG) nach sich ziehen. Die Konkretisierungsarbeiten im Hinblick auf die zweite NFA-Botschaft sind auch in diesem Bereich bereits angelaufen.

6.1.4.4

Agglomerationsverkehr

6.1.4.4.1

Ausgangslage

Der öffentliche Agglomerationsverkehr hat mit einer effizienten Verkehrserschliessung durch öffentliche Transportmittel das Mobilitätsbedürfnis in den Agglomerationen zu befriedigen. Damit stellt der öffentliche Agglomerationsverkehr gleichzeitig die Feinverteilung des Verkehrszustroms aus anderen Agglomerationen und Regionen sicher und ist ein wesentlicher Faktor für die Standortattraktivität einer Agglomeration.

In der Praxis bereitet es zwar gewisse Schwierigkeiten, den Begriff «Agglomerationsverkehr» klar zu definieren. Da sich aber die NFA-Reformvorschläge auf die Investitionen beschränken, kann hier der Begriff als räumliche Zuordnung von Verkehrsinfrastrukturen verstanden werden. Eine genauere Definition wird mit der zweiten NFA-Botschaft vorzulegen sein.

Heute werden die Infrastrukturen in den Agglomerationsräumen analog dem Regionalverkehr über Vereinbarungen bzw. Zahlungsrahmen der SBB finanziert. Der Bund beteiligt sich hingegen nicht an Investitionen zu Gunsten des eigentlichen Ortsverkehrs in städtischen Räumen.

6.1.4.4.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Bezüglich der Einführung des Road-Pricing waren die Meinungen geteilt. Verschiedene Kantone und die dem öffentlichen Verkehr nahe stehenden Kreise befürworteten diese neue Finanzierungsquelle, während sie namentlich die Automobilverbände strikte ablehnten. Von verschiedener Seite wurde zudem ein verstärktes finanzielles Engagement des Bundes gefordert. Skepsis wurde verschiedentlich gegenüber der unterschiedlichen Behandlung von Agglomerations- und Regionalverkehr geäussert.

Dem Ergebnis der Vernehmlassung wird mit der beantragten neuen Lösung so weit wie möglich Rechnung getragen, indem bei Investitionen in neue Linien bzw. Netzerweiterungen ein verstärktes Bundesengagement vorgesehen wird.

2428

6.1.4.4.3

Neue Lösung

Mit der Einführung der NFA wird sich der Bund im bisherigen Rahmen an der Finanzierung der Investitionen für den Unterhalt und die Erneuerung der Infrastruktur beteiligen. Er kann sich neu auch bei grossen Infrastrukturinvestitionen in Agglomerationsräumen engagieren. In beiden Fällen fliessen die Bundessubventionen an Zweckverbände.

­

Zur Finanzierung der Investitionen für den Unterhalt und die Erneuerung der Infrastruktur werden für den Agglomerationsverkehr Zweckverbände vorgeschlagen, die für die Planung und Finanzierung der Verkehrsinvestitionen zuständig sind. In der Regel sind an einem Zweckverband mehrere Kantone beteiligt, weshalb kantonal übergreifende Kooperationsformen nach den Grundsätzen der interkantonalen Zusammenarbeit zu realisieren sind. Die Regelung der Mitgliedschaft, der Organisationsform usw. wird den Zweckverbänden selbst überlassen, um massgeschneiderte Lösungen zu ermöglichen.

Die Zweckverbände finanzieren sich über Mitglieder- und Kantonsbeiträge, Parkplatzgebühren usw. grösstenteils selbst. Es sollen ihnen aber auch neue Finanzierungsquellen erschlossen werden wie beispielsweise das RoadPricing. Dafür ist eine verfassungsmässige Grundlage zu schaffen.

Unter der Voraussetzung, dass die Zweckverbände eine geeignete Form der interkantonalen bzw. interkommunalen Zusammenarbeit praktizieren, können sie vom Bund ­ subsidiär und im Rahmen der Bundesziele zur nachhaltigen Entwicklung ­ finanziell unterstützt werden. Dafür sind begrenzte Mittel aus dem Mineralölsteuerertrag vorgesehen. Empfänger sind die Zweckverbände als Projektträger. Gewisse Teile der neuen Finanzierungsströme (Unterhalt und Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur) und die genaue Abgrenzung der Verantwortlichkeiten für die einzelnen Infrastrukturen werden mit der Bahnreform 2 zu definieren sein, da die Wirkungen über die Agglomerationen hinausgehen.

­

Geht es um die Realisierung von Grossprojekten für den Agglomerationsverkehr (neue Linien bzw. wesentliche Netzerweiterungen), kommt dem Bund zukünftig sowohl bei der Planung als auch der Finanzierung eine bedeutendere Rolle zu als heute. In solchen Fällen wird an Stelle des federführenden Kantons der Zweckverband Partner des Bundes. Für die Deckung des Finanzmittelbedarfs könnte allenfalls auf den FINÖV-Fonds zurückgegriffen werden, was jedoch eine Verfassungsänderung bedingen würde.

Für die Realisierung von Grossprojekten werden geeignete Lösungen ausserhalb der NFA zu suchen sein. Die Institutionalisierung der Zweckverbände, die auf Gesetzesstufe zu konkretisieren ist, muss auf jeden Fall mit den weiteren Schritten der Bahnreform und der Vorlage zweite Etappe Bahn 2000 koordiniert werden. Im Mai 2001 hat die vom UVEK eingesetzte Expertengruppe «Finanzierung des Agglomerationsverkehrs» («Expertengruppe Bieri») ihre Empfehlungen verabschiedet und veröffentlicht79. Der Bun-

79

Vgl. Expertengruppe «Finanzierung des Agglomerationsverkehrs»; Erläuterungen zu den Empfehlungen vom 1. Mai 2001; Bern, 2001; (http://www.brp.admin.ch/medien_2001/bieri_d.html).

2429

desrat hat am 22. August 2001 beschlossen, die Empfehlungen weiter zu vertiefen. Nachdem die von der Expertengruppe empfohlenen Massnahmen die gleiche Verfassungsänderung erfordern, wie sie in der NFA vorgesehen ist, wird aus Gründen der Verfahrensökonomie auf eine separate Botschaft verzichtet. Mit der Verfassungsänderung soll es möglich werden, Schienenund Strasseninvestitionen für den Agglomerationsverkehr auch aus zweckgebundenen Mineralölsteuererträgen zu finanzieren. Der Bundesrat wird in der Botschaft zur Avanti-Initiative über die vorgesehenen Massnahmen zu Gunsten des Agglomerationsverkehrs orientieren und einen Entscheid über die finanzielle Mitteldotation treffen, welche über das in der NFA vorgesehene Ausmass hinausgehen kann.

6.1.4.4.4

Änderung der Bundesverfassung

Die Vorschläge zum Agglomerationsverkehr machen zwei Verfassungsänderungen notwendig: Artikel 82 BV Strassenverkehr: Mit der vorgesehenen Ergänzung in Absatz 3 wird die verfassungsmässige Grundlage für eine allfällige Einführung des Road-Pricing zur Finanzierung der Zweckverbände für den Agglomerationsverkehr geschaffen (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

Artikel 86 BV Verbrauchssteuer auf Treibstoffen und übrige Verkehrsabgaben: Die vorgeschlagene begrenzte finanzielle Unterstützung des Agglomerationsverkehrs mit Mineralölsteuererträgen erfordert einen neuen Artikel 86 Absatz 3 Buchstabe bbis der Bundesverfassung (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

6.1.4.4.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Auf Gesetzesstufe (MinVG) wird die Existenz von Zweckverbänden als Voraussetzung für eine Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Investitionen zu Gunsten des Agglomerationsverkehrs zu verankern sein.

Die Kriterien für die Verteilung der Mineralölsteuererträge zu Gunsten der Zweckverbände sind ebenfalls auf Gesetzesstufe zu regeln. Wichtigstes Kriterium für die Anerkennung der Verbände ist das Vorliegen eines Gesamtverkehrskonzeptes. Zudem müssen die Regeln für die interkantonale Zusammenarbeit beachtet werden. Für die Globalbeiträge des Bundes ist ein Verteilschlüssel zu erarbeiten, der den unterschiedlichen Bedürfnissen der Agglomerationen gerecht wird.

2430

6.1.5

Soziale Sicherheit

6.1.5.1

Individuelle Leistungen der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)

6.1.5.1.1

Ausgangslage

Die individuellen Leistungen der AHV umfassen Alters-, Witwen- bzw. Witwerund Waisenrenten, Entschädigungen an Hilflose und Beiträge an Hilfsmittel. Sie bilden eine der drei Säulen des Altersvorsorgesystems in der Schweiz. Als Leistungen einer obligatorischen Versicherung, die auf dem Umlageverfahren beruht, bezwecken sie die angemessene Deckung des Existenzbedarfs nach dem Erreichen des gesetzlichen Anspruchsalters.

Die AHV richtet in erster Linie Renten aus (Art. 18 ff. Alters- und Hinterlassenenversicherungsgesetz vom 20. Dezember 194680 (AHVG)). Daneben bezahlt sie aber auch Hilflosenentschädigungen (Art. 43bis AHVG) und Hilfsmittel (Art. 43ter AHVG). Anspruch, Berechnung und Auszahlung dieser Leistungen sind bundesrechtlich geregelt. Die Kantone haben keine Regelungsbefugnis.

Die Durchführung des AHVG obliegt den Ausgleichskassen (Art. 49 AHVG). Zur Zeit gibt es zwei Ausgleichskassen des Bundes (eine Kasse für das Bundespersonal, eine Kasse für die Auslandszahlungen), 26 Ausgleichskassen der Kantone und rund 60 Ausgleichskassen der Verbände (Arbeitgeberverbände).

20 Prozent der Ausgaben der AHV werden durch die öffentliche Hand finanziert (Art. 103 AHVG). Der Bundesanteil beträgt 16,36 Prozent, der Anteil der Kantone 3,64 Prozent der Ausgaben81. Die restlichen Ausgaben werden durch die Einnahmen der Versicherung oder aus den Fondsreserven (Beiträge, Einnahmen aus Regress und Zinsertrag des Ausgleichsfonds) gedeckt.

Die Ausgaben der AHV für Geldleistungen und individuelle Massnahmen beliefen sich 1999 auf 27 047 Millionen Franken. Der Bund beteiligte sich mit 4480 Millionen Franken, die Kantone mit 997 Millionen Franken an diesen Kosten.

6.1.5.1.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die überwiegende Mehrheit der Vernehmlasser befürwortete die integrale Bundeslösung.

6.1.5.1.3

Neue Lösung

Es wird eine vollständige Entflechtung vorgeschlagen. Der Beitrag der öffentlichen Hand an die AHV übernimmt ausschliesslich der Bund, der auch die volle Verantwortung für die weitgehend standardisierten Leistungen der AHV übernimmt. Re-

80 81

SR 831.10 Mit dem Stabilisierungsprogramm 1998 wurden ab 1999 0,64 Prozentpunkte vom Bund (vorher 17 Prozent) vorübergehend zu den Kantonen (vorher 3 Prozent) verlagert. Diese Regelung ist bis Ende 2004 befristet.

2431

gelungs- und Ausgabenkompetenz werden zusammengeführt, was auch die einheitliche Rechtsanwendung erleichtert.

Die Kantone werden von der Finanzierung der AHV vollständig entlastet. Diese Zentralisierung hat keine Auswirkungen auf Anspruch, Berechnung und Auszahlung der Leistungen. Sie wirft aber die Frage nach der Stellung der kantonalen Ausgleichskassen auf, zu deren Errichtung die Kantone verpflichtet sind. Letztere bestimmen die interne Kassenorganisation und legen die Aufgaben und Befugnisse des Kassenleiters fest. Ferner stellen sie im Rahmen der kantonalen Regelungen auch das Personal der Ausgleichskasse an. Deshalb haften die Kantone für Schäden, die der Versicherung wegen strafbarer Handlungen und absichtlicher oder grobfahrlässiger Verletzung der Vorschriften durch Ausgleichskassenpersonal entstehen. Da die Kantone als Arbeitgeber den Ausgleichskassen angeschlossen sind und deren Infrastruktur zur Vermeidung administrativer Doppelspurigkeiten mit benützen (z.B.

Abwicklung der Prämienverbilligung in der Krankenversicherung über die kantonalen Ausgleichskassen), sieht das NFA-Projekt keine Reorganisation der Versicherung vor. Die Neuverteilung der Aufgaben hat hier weder organisatorische noch personelle Auswirkungen.

6.1.5.1.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 112 BV Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung: Der revidierte Verfassungsartikel erwähnt die Möglichkeit des Gesetzgebers nicht mehr, Beiträge der Kantone vorzusehen. Dagegen wird präzisiert, dass die Versicherung Geld- und Sachleistungen gewährt (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

6.1.5.1.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

In Artikel 103 des AHVG wird festgehalten werden, dass die Beiträge der öffentlichen Hand nur noch aus Beiträgen des Bundes bestehen.

6.1.5.2

Individuelle Leistungen der Invalidenversicherung (IV)

6.1.5.2.1

Ausgangslage

Einerseits ist die Finanzierung der individuellen Leistungen der IV durch die öffentliche Hand zu regeln, andererseits ist der Vollzug ihrer Ausrichtung sachgerecht zu organisieren. Die IV richtet folgende individuelle Leistungen aus: Eingliederungsmassnahmen (Art. 8 ff. Bundesgesetz vom 19. Juni 195982 über die Invalidenversicherung (IVG)): medizinische Massnahmen, berufliche Massnahmen, Massnahmen für die Sonderschulung und die Betreuung

­

82

SR 831.20

2432

von hilflosen Versicherten vor dem vollendeten 20. Altersjahr, Abgabe von Hilfsmitteln, Ausrichtung von Taggeldern.

­

Renten (Art. 28 ff. IVG).

­

Hilflosenentschädigungen (Art. 42 IVG).

Die gesetzliche Regelung der Geld- und Sachleistungen erfolgt durch den Bund, während bei der Finanzierung und beim Vollzug die Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt sind. Die Hälfte der jährlichen Ausgaben werden durch die öffentliche Hand finanziert, wobei drei Viertel davon auf den Bund und ein Viertel auf die Kantone entfallen (Art. 78 IVG). Letztere gaben im Jahr 1999 für die Invalidenversicherung insgesamt 1041 Millionen Franken aus.

Die Berechnung von Renten und Taggeldern sowie die Auszahlung dieser Leistungen und der Hilflosenentschädigungen obliegt den Ausgleichskassen der AHV (Art. 60 IVG), wobei der Bund die fachliche und die administrative Aufsicht hat.

Der Kanton hat das Recht und die Pflicht, die Organisation und den Sitz der IVStelle zu bestimmen sowie die personalrechtlichen Belange zu regeln (Art. 54 IVG).

Im Rahmen der mit dem zweiten Paket von Massnahmen zur Aufgabenneuverteilung zwischen Bund und Kantonen realisierten 3. IV-Revision wurden während der Jahre 1992 bis 1995 die IV-Sekretariate, die IV-Regionalstellen sowie die IVKommissionen zusammengefasst zu 26 kantonalen IV-Stellen sowie zur IV-Stelle des Bundes für Versicherte im Ausland. Die kantonalen IV-Stellen haben insbesondere die Aufgabe, die individuellen Leistungen der IV festzusetzen und zu überwachen. Daneben übernehmen sie auch Aufgaben im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit.

Wie bei den individuellen Leistungen der AHV fallen auch bei den individuellen Leistungen der IV Regelungs-, Aufgaben- und Ausgabenkompetenz auseinander.

Die sich überschneidenden Zuständigkeiten von Versicherung, Bund und Kantonen im fachlich-organisatorischen Bereich erschweren die einheitliche Rechtsanwendung.

6.1.5.2.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Mehrere Kantone (BE, ZG, BS, AI, GR, TG, NE) lehnten die Bundeskompetenz zur Organisation der IV-Stellen ab. SPS, Arbeitnehmerverbände, Schweizerischer Arbeitgeberverband und zahlreiche Sozialverbände begrüssten den Vorschlag. Der Schweizerische Gewerbeverband lehnte ab, da die breite Abstützung entfalle.

Die überschneidenden Zuständigkeiten von Versicherung, Bund und Kantonen im fachlich-organisatorischen Bereich erschweren eine einheitliche Rechtsanwendung, weshalb der Bundesrat die integrale Bundeszuständigkeit als sinnvoll erachtet. Diese hat zur Konsequenz, dass die Zuständigkeiten im organisatorischen Bereich (Sitz der IV-Stelle, ihre interne Organisation sowie die rechtliche Stellung der Mitarbeitenden) von den Kantonen zum Bund übergehen.

2433

6.1.5.2.3

Neue Lösung

Finanzierung und Vollzug der individuellen Leistungen sollen ausschliesslich Bundessache werden. Das Sonderschulwesen dagegen geht, der Schulhoheit entsprechend, an die Kantone über (vgl. Ziff. 6.1.2.1).

Der Übergang zur ausschliesslichen Bundeszuständigkeit hat keinen Einfluss auf das System der individuellen Leistungen der IV an sich. Trotz des Übergangs der Zuständigkeiten im organisatorischen Bereich auf den Bund (Sitz der IV-Stelle, ihre interne Organisation, rechtliche Stellung der Mitarbeitenden) werden die IV-Stellen für die Versicherten nach wie vor kantonal bzw. regional präsent sein.

Mit der ausschliesslichen Bundeszuständigkeit für die individuellen Leistungen der Invalidenversicherung ­

werden Regelungs-, Aufgaben- und Ausgabenkompetenz zusammengeführt;

­

übernimmt der Bund die volle Verantwortung für die Leistungen der IV, was die Vereinheitlichung der Rechtsanwendung erleichtert;

­

erhält der Bund die Möglichkeit, eine schlankere und kostengünstigere Administration zu realisieren.

6.1.5.2.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 112 BV Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung: Die Verfassung wird so geändert, dass die Bestimmung, welche Kantonsbeiträge ermöglichte, gestrichen wird (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

6.1.5.2.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Im revidierten IVG wird neu festgehalten, dass der Bund zuständig ist, in den Kantonen die IV-Stellen einzurichten. Wo sinnvoll soll der Bund aber gewisse Aufgaben der IV-Stellen nach wie vor durch die Kantone wahrnehmen lassen können, indem er mit diesen Standortverträge abschliesst.

6.1.5.3

Ergänzungsleistungen (EL)

6.1.5.3.1

Ausgangslage

Nach Artikel 112 BV haben die Renten der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung den Existenzbedarf angemessen zu decken. Da dies heute nicht der Fall ist, wird in Form von Ergänzungsleistungen für Abhilfe gesorgt, gemäss der Feststellung des Bundesrates im 3-Säulen-Bericht83, dass die Existenzsicherung zusammen mit den EL zu gewährleisten ist. Dabei bedarf es nicht nur der Umschreibung 83

Vgl. EDI; Bericht des Eidgenössischen Departementes des Innern zur heutigen Ausgestaltung und Weiterentwicklung der schweizerischen 3-Säulen-Konzeption der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge; Oktober 1995.

2434

des Leistungskatalogs, sondern es stellt sich auch die Frage, ob und wie die Aufgaben zwischen Bund und Kantonen aufzuteilen sind.

Gemäss Artikel 196 Ziffer 10 Übergangsbestimmungen BV subventioniert der Bund die Ergänzungsleistungen, welche die Kantone an Rentnerinnen und Rentner mit nicht gedecktem Existenzbedarf ausrichten.

Den EL kommen dabei zwei Hauptaufgaben zu. Einerseits haben sie allen Personen mit Anspruch auf Renten der AHV und der IV eine angemessene Existenzsicherung zu gewährleisten, solange die Versicherungsleistungen der AHV und IV sowie die übrigen Mittel (vgl. Übergangsbestimmung zu Art. 112 BV) nicht ausreichen. Andererseits erfüllen die EL immer mehr auch Aufgaben einer «Pflegeversicherung»84.

Rund ein Drittel der EL-Bezügerinnen und -bezüger hält sich in Heimen auf, wobei etwa 60 Prozent der EL-Kosten auf diese Personenkategorie entfällt.

Das Bundesgesetz vom 19. März 196585 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) ist ein Subventions- und Leistungsgesetz. Es sieht in geraffter Übersicht folgende Leistungen vor: ­

Leistungen in Ergänzung oder an Stelle von Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenrenten;

­

Vergütung von Krankheitskosten und behinderungsbedingten Mehrkosten an rentenberechtigte Personen;

­

Beiträge von AHV und IV an Pro Senectute, Pro Infirmis und Pro Juventute zwecks Milderung individueller Härtefälle (subsidiär zur öffentlichen Sozialhilfe).

Wenn die Kantone vom Bund Subventionen für die ausbezahlten EL beanspruchen, müssen sie die Leistungen an die Versicherten nach den Regeln des ELG festlegen.

Die Subventionen sind nach der Finanzkraft abgestuft. Finanzstarke Kantone erhalten 10 Prozent, finanzschwache 35 Prozent der anrechenbaren Kosten. In den letzten beiden Jahrzehnten hat der Bund die Weiterentwicklung der AHV aus finanziellen Gründen verlangsamt und das System der Ergänzungsleistungen ausgebaut. Dabei erbrachten Bund und Kantone vor 1986, dem Inkrafttreten des ersten Pakets zur Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen, je 50 Prozent der Ergänzungsleistungen, während heute das Verhältnis etwa 20 Prozent (Bund) zu 80 Prozent (Kantone) beträgt.

Das bestehende Verbundsystem führte zu einer unbefriedigenden gemischten Finanzierungs- und Zuständigkeitsregelung. Die Kantone tragen die Hauptlast der Finanzierung. 1999 wendeten die Kantone bei Gesamtausgaben der EL von 2237 Millionen Franken insgesamt 1759 Millionen Franken auf, während die materielle Ausgestaltung der EL weitgehend durch den Bund vorgegeben wird.

84 85

Vgl. EFV; Schlussbericht der Projektgruppe 4 «Sozialversicherungen und Sozialpolitik»; Bern, 1998; S. 34.

SR 831.30

2435

6.1.5.3.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die Stellungnahmen bezogen sich noch auf den Lösungsvorschlag der Vernehmlassungsunterlagen, wonach der Bund die Existenzsicherung zu 100 Prozent, nicht bloss zu 5/8 zu tragen hat.

Die Mehrheit der Kantone unterstützte die Neuregelung, einzelne Kantone (FR, AR, TG, TI, NE) lehnten sie ab. Während sie auch von FDP, SVP und Schweizerischem Arbeitgeberverband befürwortet wurde, stellten sich SPS, SGB, VSA und zahlreiche Sozial- sowie Gemeinde- und Städteverbände dagegen.

Der Bundesrat teilt die geäusserten Bedenken nicht. Die EL bleiben nach wie vor eine Versicherung, auf welche ein Rechtsanspruch besteht. Es handelt sich nicht um einen Sozialabbau, sondern um eine blosse Finanzierungsentflechtung.

6.1.5.3.3

Neue Lösung

Der Bund wird vorwiegend für die EL, also für die Existenzsicherung, zuständig, während die Kantone nebst einer Beteiligung an der Existenzsicherung vollständig für diejenigen Bereiche der EL die Verantwortung übernehmen, welche in einem Zusammenhang mit Heim- oder Gesundheitskosten stehen. Entsprechend werden Finanzierungsverantwortung und Regelungskompetenz ausgestaltet. Jede Staatsebene übernimmt vorwiegend den ihr sachgerecht zukommenden Bereich der EL. Überschneidende Zuständigkeiten fallen weitgehend weg. Die Versicherten haben nach wie vor bloss einen Ansprechpartner, in der Regel die Ausgleichskasse. Dies erhöht die Transparenz und schafft klare Verantwortlichkeiten.

Trotz dieser Teilentflechtung wird der Charakter der EL gegenüber heute nicht verändert. Es werden damit auch nicht etwa Sozialhilfetatbestände geschaffen, wie überhaupt EL und Sozialhilfe nicht vermengt werden dürfen. Konkret bedeutet der Wechsel damit Folgendes: Während für die Personen zu Hause die monatliche EL gleich bleibt wie heute, bestimmen die Kantone neu Umfang und Höhe der zu vergütenden Krankheits- und Behinderungskosten. Für die Personen, die in Heimen leben, legen die Kantone wie heute die berücksichtigbare Heimtaxe und den Betrag für persönliche Auslagen fest.

6.1.5.3.3.1

Existenzsicherung als vorwiegende Bundesaufgabe

Da der Bund nach Artikel 112 BV Vorschriften über die Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung zu erlassen hat, das dort genannte Verfassungsziel einer angemessenen Deckung des Existenzbedarfs aber nicht in allen Fällen erreicht ist, soll der Existenzsicherungsteil der EL Hauptaufgabe des Bundes werden. Berechtigte erhalten daher zur Deckung ihres Existenzbedarfs Ergänzungsleistungen, wel-

2436

che zu 5/8 der Bund und zu 3/8 die Kantone finanzieren86. Es ist sachgerecht, dass sich der Bund entsprechend seinem Anteil an den EL auch an den Verwaltungskosten der EL-Stellen beteiligt. Die bisherigen Subventionen an die Kantone entfallen.

Demzufolge beschränkt sich die Aufsicht des Bundes auf die Existenzsicherungsaufgabe.

Wegen des inneren Zusammenhanges zwischen AHV, IV und EL steuert der Bund mit der Bemessung der Leistungen der AHV und der IV gleichzeitig den Umfang der ebenfalls hauptsächlich von ihm aufzubringenden EL zur Deckung des Existenzbedarfs. Um gegenüber heute keine Leistungsverschlechterung eintreten zu lassen, soll dabei von den bisherigen Werten für den allgemeinen Lebensbedarf (Alleinstehende 16 880 Franken, Ehepaare 25 320 Franken) ausgegangen werden.

6.1.5.3.3.2

Heim- und Pflegekosten in kantonaler Verantwortung

Die Kantone haben, da sie für Bau und Betrieb der Heime verantwortlich sind, einen erheblichen Einfluss auf die Heim- und Pflegekosten. Deshalb sollen sie die durch eine Heimunterbringung verursachten EL auch tragen. Leistungspflichtig werden die Kantone aber nur dann, wenn Heimkosten dazu führen, dass der Existenzbedarf überschritten wird. Zu dessen Bestimmung wird der Einfachheit halber der allgemeine Lebensbedarf (16 880 Franken pro Jahr) und der höchstmögliche Mietzins (13 200 Franken pro Jahr) addiert, was umgerechnet pro Tag einen gerundeten Betrag von 80 Franken ausmacht (vgl. Art. 3b und Art. 5 Abs. 1 Bst. b ELG). Kann eine Heimbewohnerin oder ein Heimbewohner für diese 80 Franken pro Tag nicht selbst aufkommen, übernehmen Bund und Kantone im Verhältnis 5/8 zu 3/8 die Differenz, womit sichergestellt ist, dass zu Hause und im Heim lebende Personen hinsichtlich des Grundbedarfs gleich behandelt werden. Den Betrag, um welchen allgemeiner Lebensbedarf und Heimkosten zusammen 80 Franken pro Tag übersteigen, haben die Kantone alleine zu übernehmen. Da diese wie bisher die maximale Höhe der Heimtaxen festlegen, bestimmen auch sie selbst über den von ihnen zu tragenden Teil der EL. Die Heimtaxen ihrerseits werden in Abhängigkeit von den allfälligen Bau- und Betriebskosten der Heime festgelegt. Bei der Berechnung der EL für die Heimbewohner wird das Einkommen gleich bestimmt wie für Personen zu Hause. Einzig der Vermögensverzehr kann durch die Kantone stärker oder schwächer berücksichtigt werden. Dank diesem neuen System kann ein Kanton zwischen Subjekthilfe (individuelle, d.h. personenbezogene Hilfe) und Objekthilfe (Subventionierung von Institutionen) frei wählen. Subventioniert er das Heim als Objekt, kann er die bei der EL-Berechnung berücksichtigbare Heimtaxe tiefer ansetzen. Tut er das nicht, muss er den Berechtigten höhere EL ausrichten.

86

Im Vernehmlassungsbericht war vorgesehen, dass der Bund den Existenzsicherungsteil nicht zu 5/8, sondern zu 100 Prozent übernimmt. Da gemäss vorliegender Botschaft die Kantone durch Aufgabenentflechtungen insgesamt zu wenig belastet werden, um den Ausbau des Finanzausgleichs für den Bund ausgabenneutral zu gestalten, wird eine entsprechende Kompensation im Existenzsicherungsteil der EL vorgenommen (Mitfinanzierung durch die Kantone im Umfang von 3/8 ).

2437

Die Kantone sollen konsequenterweise in ihrer Ausführungsgesetzgebung auch festlegen, welche Kosten, die durch Krankheit, Pflege, Behinderung, Heim- oder Heilanstaltsaufenthalt sowie Hilfsmittel entstehen, den EL-Bezügerinnen und ELBezügern bezahlt werden und in welchem Umfang diese Kosten vergütbar sind. Die Kantone bestimmen auch den Betrag, der den Heimbewohnern für persönliche Auslagen zukommt. Der vom Bund festgelegte Existenzbedarf jedoch bleibt selbstverständlich in jedem Fall garantiert.

Schliesslich bezeichnen die Kantone die Organe, denen die Entgegennahme der Gesuche sowie die Festsetzung und Auszahlung der Ergänzungsleistungen obliegen.

Sie können mit diesen Aufgaben die kantonalen Ausgleichskassen betrauen, keinesfalls jedoch Sozialbehörden. Da die Kantone abschliessend für den Heim- und Pflegebereich zuständig werden, bedarf es für diesen Bereich keiner Genehmigung der kantonalen Erlasse durch den Bund mehr.

In der Praxis wird demnach auch künftig nur ein EL-Gesuch gestellt, beurteilt und gegebenenfalls bezahlt werden müssen, welches sowohl die Existenzsicherung (vorwiegend Bundesaufgabe) als auch die überschiessenden Pflegeheimkosten (Kantonsaufgabe) beinhaltet. Die Kosten für die Existenzsicherung werden dem Bund von den Kantonen in Rechnung gestellt.

6.1.5.3.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 112a BV Ergänzungsleistungen: Soweit die Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenversicherung den Existenzbedarfnicht deckt, sollen Bund und Kantone Ergänzungsleistungen ausrichten. Leistungsumfang sowie Aufgaben und Zuständigkeiten von Bund und Kantonen sind durch das Gesetz festzulegen. Da der zu ändernde Verfassungstext neu nicht mehr bloss in den Übergangsbestimmungen, sondern im ordentlichen Verfassungsrecht festgehalten wird, kann Artikel 196 Ziffer 10 der Übergangsbestimmungen BV zu Artikel 112 BV gestrichen werden (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

6.1.5.3.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Das ELG (Art. 1­9) ist der Neuregelung anzupassen, indem sich die Bundesbeteiligung auf 5/8 der Kosten der existenzsichernden EL zu beschränken hat. Bedeutungsvoll ist die ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, dass Fürsorgebehörden zur Entgegennahme der Gesuche sowie zur Festsetzung und Auszahlung der EL nicht herangezogen werden dürfen. Weiter sind für die Neuregelung einige neue Gesetzesartikel notwendig (z.B. Regelung des Wohnsitzes bei Heimbewohnern).

2438

6.1.5.4

Bau- und Betriebsbeiträge an Wohnheime, Werkstätten und Institutionen für die berufliche und medizinische Eingliederung

6.1.5.4.1

Ausgangslage

Bau, Einrichtung und Betrieb von Wohnheimen, Werkstätten und Institutionen für die Eingliederung Invalider sind zweckmässig zu regeln, zu finanzieren und zu organisieren.

Gemäss Artikel 73 Absatz 1 und 2 IVG gewährt die IV Beiträge an die Errichtung, den Ausbau und die Erneuerung sowie an die Betriebskosten von Wohnheimen zur dauernden oder vorübergehenden Unterbringung Invalider, an die Kosten von Werkstätten für die Dauerbeschäftigung Invalider sowie an die Kosten von Institutionen, die Eingliederungsmassnahmen der Versicherung durchführen.

1999 hat die IV rund 93 Millionen Franken Bau- und Einrichtungsbeiträge ausbezahlt. Für den Betrieb erhielten die mehrheitlich privaten, gemeinnützigen Trägerschaften von ihr rund 964 Millionen Franken. Insgesamt wurden in diesen Bereichen im Jahr 1999 von der IV somit rund 1057 Millionen Franken ausgerichtet87.

Das Auseinanderklaffen von lokaler Bau- und Betriebs- sowie nationaler Hauptfinanzierungsträgerschaft erweist sich als nicht sachgerecht. Die von Bund/IV vorgegebenen, detaillierten baulichen und betrieblichen Standards können zu teuren Lösungen führen, wobei die Beiträge der IV vom Bund begrenzt werden. Die Beachtung ortsüblicher Rahmenbedingungen ist kaum möglich. Das System kann Fehlanreize in dem Sinne setzen, dass im Rahmen der Bundesvorgaben ein möglichst hoher Bau- und Betriebsstandard angestrebt wird, um die entsprechenden Bundesmittel zu erhalten.

6.1.5.4.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die KdK war mit den Entflechtungen im Sozialbereich einverstanden, denen auch die SODK prinzipiell zugestimmt hat. Bedenken, die NFA werde von den Kantonen dazu benutzt, um einen Leistungs- und Sozialabbau vorzunehmen, seien nicht gerechtfertigt. Doch seien die Kantone bereit, einheitliche Rahmenbedingungen namentlich in Aufgabenbereichen zu akzeptieren, die für die Wohlstandsverteilung und die soziale Sicherheit massgebend sind. Freiburg und Appenzell Ausserrhoden lehnen die Neuregelung ab. Solothurn und Basel-Stadt stimmen dem NFAVorschlag zwar grundsätzlich zu, äussern jedoch punktuelle Bedenken.

Während die SVP und der Schweizerische Arbeitgeberverband mit der Kantonalisierung grundsätzlich einverstanden waren, signalisierten SPS, Arbeitnehmerverbände (CNG, SGB, VSA), zahlreiche Sozialverbände sowie Städteverbände ausdrücklich Ablehnung. Es wird befürchtet, dass bei den Behindertenwerkstätten und Eingliederungsstätten ein Leistungs- und Personalabbau eintritt und der gesetzliche Grundgedanke «Eingliederung vor Rente» zur Utopie verkommt. Die kantonal differierenden Leistungsniveaus stellten einen Bruch mit dem Versicherungsprinzip und damit eine 87

Die entsprechenden Beträge für die Sonderschulung sind in diesen Zahlen nicht enthalten (vgl. Ziff. 6.1.2.1.1).

2439

Rückkehr zum Fürsorgeprinzip dar. Die freie Institutionen- und Wohnortswahl werde gefährdet.

Der Bundesrat befürchtet keinen Sozialabbau, sondern verspricht sich im Gegenteil eine sachgerechtere Aufgabenteilung. Auf Bundesebene werden im Sinne von Mindeststandards Eingliederungsziele formuliert, Verfahrensfragen geregelt und die Kantone durch eine Übergangsregelung verpflichtet, die IV-Leistungen während mindestens dreier Jahre im gleichen Ausmass weiterzuführen.

6.1.5.4.3

Neue Lösung

Kantonalisierung mit ­

interkantonaler Zusammenarbeit

­

Eingliederungszielen der Bundesgesetzgebung als Minimalstandards

Die IV zieht sich aus der Mitfinanzierung von Bau und Betrieb von Institutionen für Behinderte zurück. Die volle fachliche und finanzielle Verantwortung in diesem Bereich wird den Kantonen übertragen. Die IV kommt jedoch nach wie vor für die individuellen Eingliederungsmassnahmen gemäss Artikel 15­17 IVG auf und schliesst mit den Institutionen entsprechende Tarifverträge ab, die auch die bauliche Amortisation und Verzinsung von (Vor-)Investitionen der Kantone und Trägerschaften einschliessen. Dabei streben der Bund und die SODK eine Harmonisierung zwischen den Finanzierungsbeiträgen der IV und denjenigen der Kantone an. Die Kantone unterstützen zudem die IV bei der Erfüllung des Eingliederungsauftrags, indem sie die dafür erforderlichen Einrichtungen zur Verfügung stellen. Die Verpflichtung umfasst die als stationär resp. teilstationär definierten Bereiche vorübergehendes oder dauerndes Wohnen (für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, mit oder ohne interne Beschäftigungsmöglichkeiten), den Aufenthalt von Jugendlichen und Erwachsenen in einer Tagesstätte sowie das Arbeiten von Jugendlichen und Erwachsenen in einer Behindertenwerkstatt (Beschäftigung oder Produktion, zentral oder dezentral organisiert). Dabei haben die Kantone das Angebot so auszugestalten, dass es den in der Bundesgesetzgebung als Minimalstandards formulierten Eingliederungszielen gerecht wird. Diese umfassen: Formelle Eingliederungsziele: ­

Die Kantone verfügen spätestens drei Jahre nach Inkraftsetzung der NFA über ein rechtsverbindliches Konzept, das zumindest die Elemente Bedarfsanalyse, angestrebter Sollzustand (quantitativ und qualitativ), Qualitätssicherungssystem, interkantonale Zusammenarbeit und Umsetzungsplan enthält.

­

Bei von den Kantonen verfügten Massnahmen zur Umsetzung der Konzepte ist für die Betroffenen, Institutionen und legitimierten Organisationen ein kantonaler Instanzenzug vorzusehen. Invalide bzw. ihre Vertreter sind zwingend schriftlich über ihre Rechte zu informieren.

Materielles Eingliederungsziel: ­

2440

Jede behinderte Person (im Sinne des IVG) erhält unabhängig von ihrem Wohnort in den Lebensbereichen «Wohnen», «Bildung», «Arbeit und Beschäftigung» sowie «Soziale Kontakte und Freizeit» unter Wahrung des

Grundsatzes der Integration und der Selbstbestimmung eine ihm angemessene und wirtschaftlich vertretbare Förderung und Betreuung.

Verfahren: ­

Ein aus Vertretern von Bund, Kantonen und Behindertenorganisationen bestehendes Fachgremium begutachtet die kantonalen Konzepte, insbesondere die Frage, ob die Eingliederungsziele des Bundes erfüllt werden (Analyse des zielgruppenspezifischen stationären, teilstationären und ambulanten Angebots und dessen Nutzung im interkantonalen Vergleich; Absprachen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Ergänzung der Kantone (Existenz und Inhalte); Existenz von Qualitätssicherungssystemen mit Fremdbeurteilung).

­

Der Bund genehmigt die Konzepte auf der Basis der Begutachtung durch das Fachgremium.

Übergangsregelung: ­

Die bisherigen IV-Leistungen werden ab Inkrafttreten der NFA zwar neu durch die Kantone erbracht, jedoch so lange gemäss bisherigen Regelungen und bisherigem Berechnungssystem bemessen, bis die Kantone über ein genehmigtes, eigenes Konzept verfügen, mindestens jedoch während drei Jahren.

Die Kantone werden zur interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich verpflichtet (vgl. Art. 12 Abs. 1 lit. i FAG), welcher künftig eine grosse Bedeutung zukommt. Auf diese Weise werden Nutzung und interkantonale Planung der Plätze und Institutionen geregelt. Mit der revidierten und mit Planungs- und verstärkten Koordinationskompetenzen ausgestatteten neuen Interkantonalen Vereinbarung für Soziale Einrichtungen (IVSE), welche die bisherige Interkantonale Heimvereinbarung (IHV) ablöst, wird den Kantonen ein wirksames Instrument zur Verfügung stehen. Im Zuge der aktuellen Revision der IHV wird das Vertragswerk für die Suchtinstitutionen geöffnet. Die Kantone werden mit den Institutionen Leistungsvereinbarungen abschliessen. Die erforderliche Koordination wird durch die SODK sichergestellt.

Um die Kantonalisierung zu realisieren, werden die Kantone Ausführungsgesetze zur innerkantonalen Planung und Finanzierung von Heimen, Werkstätten und weiteren Institutionen, zur Qualitätssicherung, zur Organisation der Aufsicht und zum Rechtsschutz erlassen. Die neue Lösung beseitigt Doppelspurigkeiten und falsche Anreize. Das überholte Konstrukt «hier nationale Finanzträgerschaft, dort lokale Bau- und Betriebsträgerschaft» verschwindet. Für Organisationen und Institutionen werden die Entscheidwege kürzer und direkter. Die Gleichbehandlung Invalider wird soweit nötig durch die vom Bund festgelegten Eingliederungsziele gewährleistet.

Invaliden, Behindertenorganisationen und Behinderteninstitutionen steht nötigenfalls der Rechtsweg offen, um die Zielerreichung durchzusetzen. Der Bund überwacht die Zielerreichung durch ein adäquates und auf Kennzahlen basierendes Controlling.

2441

6.1.5.4.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 112b BV Förderung der Eingliederung Invalider: Nach dem neuen Artikel fördert der Bund die Eingliederung Invalider durch die Ausrichtung von Geld- und Sachleistungen. Zu diesem Zweck kann er Mittel der Invalidenversicherung verwenden.

Demgegenüber sollen die Kantone die Eingliederung Invalider fördern, insbesondere durch Beiträge an den Bau und Betrieb von Institutionen, die dem Wohnen und dem Arbeiten Behinderter dienen. Die Ziele der Eingliederung und, soweit nötig, Grundsätze wird der Bund festlegen (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

6.1.5.4.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Der Bund erlässt ein Rahmengesetz, in welchem die erwähnten Eingliederungsziele konkretisiert und die erwähnten Anforderungen an die kantonalen Konzepte und deren Begutachtung festgelegt werden.

Mit einer Übergangsregelung im Rahmengesetz werden die Kantone sodann verpflichtet, den Institutionen die bisher von der IV geleisteten Beiträge an den Betrieb gemäss bestehendem Berechnungssystem so lange auszurichten, bis die Anforderungen des Rahmengesetzes erfüllt sind, mindestens jedoch während drei Jahren.

6.1.5.5

Unterstützung der Betagten- und Behindertenhilfe inklusive Hilfe und Pflege zu Hause

6.1.5.5.1

Ausgangslage

Die Betagten- und Invalidenhilfe privater Organisationen wie Pro Senectute, Rotes Kreuz oder Spitex-Organisationen soll mit Beiträgen gefördert werden, damit der Staat nicht eigene Strukturen aufbauen muss.

Um die gesellschaftliche Integration Invalider zu fördern, sind auch die Dachorganisationen der privaten Invalidenhilfe zu unterstützen, welche sich um die Eingliederung der Invaliden kümmern.

Die Subventionen an private Spitex-Organisationen werden gestützt auf Artikel 101bis AHVG ausgerichtet für Beratung, Betreuung und Beschäftigung betagter Personen, für die Organisation von Kursen, welche der Selbstständigkeit älterer Personen und der Pflege ihrer Kontakte mit der Umwelt dienen, für Hilfeleistungen/Haushaltshilfen, für Hilfe bei der Körperpflege und für Mahlzeitendienste sowie für Aus- und Weiterbildung von Lehr-, Fach- und Hilfspersonal (z.B. in der Betagtenbetreuung).

Subventionen erhielten: Pro Senectute (1999: 42 Millionen Franken gemäss Leistungsvertrag entsprechend 30 Prozent der Gesamteinnahmen, wovon 4 Millionen Franken für die Geschäfts- und Fachstelle von Pro Senectute Schweiz und 38 Millionen Franken für die vielfältige Tätigkeit der kantonalen Sektionen der Pro Senectute); Schweizerisches Rotes Kreuz (1999: 7 Millionen Franken, weiterverteilt an die kantonalen Sektionen); Spitex-Organisationen (1999: 157 Millionen Franken, entsprechen 15­20 Prozent der Einnahmen). Weitere Organisationen wurden durch 2442

Beiträge in der Höhe von 27 Millionen Franken unterstützt. Gesamthaft erreichten die Beiträge an die private Betagtenhilfe 1999 eine Höhe von 233 Millionen Franken. Auf Grund der geltenden Bestimmungen entfallen 80 Prozent dieser Ausgaben auf die Versicherung, der Bund kommt für 17 Prozent auf und die Kantone tragen 3 Prozent der Ausgaben. Für individuelle Fürsorgehilfen erhalten Pro Senectute zusätzlich 13 Millionen Franken und Pro Juventute 1,6 Millionen Franken, deren Finanzierung allein durch die AHV erfolgt.

Heute ist die Betagtenhilfe eine Verbundaufgabe. Einerseits werden die erwähnten privaten Leistungserbringer auf Grund des AHVG subventioniert, anderseits nehmen auch die Kantone auf diesem Gebiet Aufgaben wahr, vorab in der Alters- und Pflegeheimversorgung sowie bei der Spitex, womit materiell und finanziell ein nicht zweckdienliches Nebeneinander besteht.

Die Dachorganisationen der privaten Invalidenhilfe und die ihnen angeschlossenen Organisationen erhalten von der IV Beiträge an die Kosten für ­

die Beratung und Betreuung Invalider und deren Angehörigen

­

die Durchführung von Kursen sowie

­

themenspezifische Leistungen zur Unterstützung und Förderung der Eingliederung Invalider.

Mit diesen Beiträgen wird die Eingliederung Invalider erleichtert.

Die IV unterstützte 1999 über 600 Organisationen mit Beiträgen im Gesamtbetrag von 142 Millionen Franken. Zusätzlich erhielt die Pro Infirmis gestützt auf das ELG 11 Millionen Franken für die Ausrichtung finanzieller Leistungen an Invalide. Diese Beiträge stellen durch das IVG gesicherte Rechtsansprüche dar. In weit geringerem Umfang als der Bund und meist ohne gesetzliche Vorgabe leisten auch einzelne Kantone Beiträge.

6.1.5.5.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

In der Vernehmlassung wurden die Neuerungen in der privaten Betagten- und Behindertenhilfe separat behandelt.

Während bei der Betagtenhilfe eine Mehrheit der Kantone, wenn auch zum Teil mit gewichtigen Vorbehalten, zustimmte (ZG, FR, SO, BS, GR, TI), lehnt der Kanton Neuenburg ab. SVP, FDP und Schweizerische Arbeitgeberverband machten Ungereimtheiten geltend. SPS, SGB und VSA äusserten sich ablehnend, weil ein gut funktionierendes System zerstört werde. Der CNG und mehrere Sozialverbände forderten ein Bundesrahmengesetz zur Wahrung der Rechtsgleichheit. Die Gemeindeund Städteverbände befürchteten, dass die fehlenden Einnahmen im Spitex-Bereich zum Teil auf sie abgewälzt werden.

Bei der Behindertenhilfe unterstützte eine Mehrheit der Kantone die neue Lösung.

SPS, CNG und SGB erachteten sie als unsinnig.

Der Bundesrat hat der Kritik insofern Rechnung getragen, als die gesamtschweizerische Tätigkeit der Organisationen (inklusive Spitex-Verband) nach wie vor vom Bund subventioniert wird.

2443

6.1.5.5.3

Neue Lösung

Die Subventionierung der privaten Organisationen für deren gesamtschweizerische Tätigkeiten wie Beratung und Betreuung betagter Personen, Organisation von Kursen und Weiterbildung verbleibt gemäss bisheriger Praxis beim Bund. Der Bund schliesst mit den entsprechenden Dachorganisationen wie der Pro Senectute oder dem Schweizerischen Roten Kreuz Leistungsverträge ab. Damit eine gewisse Einheitlichkeit des Leistungsangebots sowie der Fort-, Weiterbildungs- und Qualitätsförderungsmassnahmen im Spitex-Bereich gewährleistet bleibt, wird der Bund auch mit dem Spitex Verband Schweiz einen Leistungsvertrag abschliessen. Die grundsätzlich gleiche, bereits ab dem Jahr 2001 geltende Regelung kommt bei der Subventionierung der privaten Behindertenhilfeorganisationen zum Tragen.

Die Subventionierung der kantonalen und kommunalen Spitex-Organisationen (Krankenpflege, Hauspflege, Haushaltshilfe) dagegen wird kantonalisiert. Dies entspricht wenigstens teilweise der Kompetenzregelung im Gesundheits- und Sozialwesen. Die Rechtsgrundlagen sind in den meisten Kantonen vorhanden, müssen aber gegebenenfalls verbindlicher abgefasst werden. Dabei ist sicherzustellen, dass die Qualität der Spitex-Dienstleistungen aufrechterhalten werden kann. Die Kantone bzw. die Gemeinden schliessen mit den Leistungserbringern der Spitex-Organisationen Leistungsverträge ab.

6.1.5.5.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 112c BV Betagten- und Behindertenhilfe: Die neue Bestimmung bezeichnet die Hilfe und Pflege zu Hause als kantonalen Zuständigkeitsbereich. Tätigkeiten, die nicht als Hilfe und Pflege zu Hause gelten, kann der Bund nach wie vor mit Mitteln aus der Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie der Invalidenversicherung fördern (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

6.1.5.5.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Mit der Änderung der Verordnung vom 17. Januar 196188 über die Invalidenversicherung vom 2. Februar 200089 gilt seit dem 1. Januar 2001 die Bestimmung, wonach gemeinnützige Organisationen der Invalidenhilfe beitragsberechtigt sind, wenn sie Leistungen auf gesamtschweizerischer oder sprachregionaler Ebene erbringen90.

Demzufolge ist keine Anpassung von Artikel 74 IVG notwendig.

Demgegenüber ist Artikel 101bis AHVG anzupassen. Zudem werden die Kantone ihre kantonale Gesetzgebung so ausbauen müssen, dass für den kantonalisierten Bereich ausreichende Rechtsgrundlagen vorhanden sind.

88 89 90

SR 831.201 AS 2000 1199 Gemäss revidiertem Artikel 108 der zitierten Verordnung

2444

6.1.6

Strafrecht

6.1.6.1

Straf- und Massnahmenvollzug

6.1.6.1.1

Ausgangslage

Wichtigstes Ziel des Straf- und Massnahmenvollzugs bei Erwachsenen ist die Resozialisierung von Straftätern. Bei Kindern und Jugendlichen hat der Straf- und Massnahmenvollzug in erster Linie eine erzieherische und fürsorgerische Aufgabe. Er soll dem jungen Menschen, dessen Entwicklung gefährdet ist, die notwendige Führung und Hilfe zukommen lassen.

Gemäss Bundesverfassung gewährt der Bund Beiträge an den Bau und die Einrichtung von Anstalten des Straf- und Massnahmenvollzugs sowie an die Personalkosten von erzieherischen Institutionen. Für den Bau und den Betrieb solcher Institutionen sind ausschliesslich die Kantone zuständig. Sie entscheiden darüber, ob und welche Anstalten wo gebaut und betrieben werden. Dabei sind zwei Bereiche zu unterscheiden, nämlich der Vollzug an Erwachsenen und derjenige an Kindern und Jugendlichen.

Mit dem gesellschaftlichen Wandel ändern sich auch die Ansichten darüber, wie der Straf- und Massnahmenvollzug seine Ziele erreichen soll. Der Gesetzgeber hat deshalb die Möglichkeit vorgesehen, dass im Straf- und Massnahmenvollzug für beschränkte Zeit neue Methoden erprobt, d.h. so genannte Modellversuche durchgeführt werden können (Art. 8­10 des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 198491 über die Leistungen des Bundes für den Straf- und Massnahmenvollzug (LSMG)). Entsprechend kann der Bund weitgehende Beiträge an die Entwicklung und Erprobung neuer Methoden und Konzeptionen im Straf- und Massnahmenvollzug und der Jugendhilfe gewähren.

Die Gesetzgebung auf dem Gebiet des materiellen Strafrechts ist gemäss Artikel 123 BV Sache des Bundes. Diese Kompetenz schliesst auch die Befugnis ein, den Strafvollzug in den Grundzügen zu regeln. Der Bund hat zwar keine umfassende Kompetenz im Bereich des Straf- und Massnahmenvollzugs. Er kann jedoch mit den Beiträgen an die Kantone im Straf- und Massnahmenvollzug lenkend einwirken.

6.1.6.1.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Der Kanton Basel-Stadt machte geltend, dass Erziehungseinrichtungen per se nicht unterstützungswürdiger oder notwendiger seien als andere Einrichtungen. Der Bund stützt sich aber auf Artikel 123 Absatz 2 Buchstabe c BV ab, der eine Unterstützung solcher Einrichtungen explizit vorsieht.

Der Kanton Zug betonte, dass der Straf- und Massnahmenvollzug in die alleinige Kompetenz der Kantone gehöre. Dem ist ebenfalls Artikel 123 BV entgegenzuhalten, der dem Bund die Möglichkeit gibt, die Kantone in ihrer Aufgabe zu unterstützen.

91

SR 341

2445

6.1.6.1.3

Neue Lösung

Wir schlagen vor: ­

Dem Bund ist die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften auf dem Gebiet des Straf- und Massnahmenvollzugs einzuräumen, dies bedingt eine Änderung der Verfassung. Eine Zusammenfassung aller vollzugsrelevanten Vorschriften ist ein Beitrag zu erhöhter Rechtssicherheit. Die strafvollzugsrelevanten Rechtsnormen sind heute weit verstreut, sie finden sich in kantonalen Erlassen, zum Teil im StGB. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts und Strafvollzugsgrundsätze aus internationalen Übereinkommen sind ebenfalls zu berücksichtigen.

­

Mit der Schaffung einer verfassungsmässigen Grundlage für die Einführung einheitlicher Standards im Strafvollzug erübrigt sich ferner eine Prüfung der einschlägigen Regelungen der Kantone im Zusammenhang mit Subventionsgesuchen.

Im Weiteren soll der Straf- und Massnahmenvollzug zum obligatorischen Bestandteil der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich erklärt werden.

Heute bestehen drei interkantonale Vollzugskonkordate (Ostschweiz, Nordwest- und Innerschweiz, Westschweiz und Tessin). Als Koordinationsorgan zwischen den Kantonen und Konkordaten dient der so genannte Neunerausschuss, eine Kommission der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren. Dieser hat freilich nur sehr begrenzte Einwirkungsmöglichkeiten.

Die Konkordate legen fest, welcher Kanton welche Institutionen im Strafund Massnahmenvollzug zu führen hat, können aber entsprechende Beschlüsse bei der Weigerung eines Kantons oder einer Ablehnung der entsprechenden Kredite durch das Volk nicht durchsetzen. Die Beschlüsse der Konkordatsgremien haben zudem nur empfehlenden Charakter, weshalb sich eine verbindliche Zusammenarbeitsform zwischen den Kantonen aufdrängt.

Eine Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich ist auch auf dem Gebiet der Massnahmen für Kinder und Jugendliche (Art. 82 ff.

und 89 ff. StGB) anzustreben. Solche Massnahmen werden mehrheitlich in privaten Heimen vollzogen. Zuständig auf diesem Gebiet sind neben den kantonalen Justiz- oft auch die Erziehungs- und Fürsorgedirektionen, was die interkantonale Zusammenarbeit erschweren kann. Zudem gibt es kein interkantonales Koordinationsorgan. Es bestehen, anders als im Erwachsenenvollzug, keine Konkordate. Die finanzielle Regelung im Jugendmassnahmenvollzug erfolgt auf interkantonaler Ebene durch die Interkantonale Heimvereinbarung. Diese hat, zumindest bis heute, den Charakter einer Verwaltungsvereinbarung und stellt ein reines Kostentragungssystem dar.

Sie ist kein Planungsinstrument. Deshalb ist es angezeigt, das Heimwesen mittels einer ausgebauten horizontalen Zusammenarbeit auf eine einheitliche und koordinierte Basis zu stellen.

2446

6.1.6.1.4

Änderung der Bundesverfassung

Artikel 123 BV Strafrecht: Dem Bund wird eine umfassende Kompetenz zum Erlass von Vorschriften auf dem Gebiet des Straf- und Massnahmenvollzugs eingeräumt (vgl. Erläuterungen in Ziff. 6.5.2).

6.1.6.1.5

Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung

Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen soll effektiver und effizienter gestaltet werden. Im Rahmen des Stabilisierungsprogramms wurde 1999 die rechtliche Grundlage für eine Pauschalierung der Baubeiträge geschaffen. Ob auch bei den Betriebsbeiträgen eine Pauschale eingeführt werden soll, kann heute nicht abschliessend beantwortet werden. Die mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes zum Stabilisierungsprogramm verbundene Reduktion der Beitragssätze auf einen einzigen hat bereits heute zu einer Vereinfachung des Beitragsverfahrens und damit zu einem verminderten Verwaltungsaufwand geführt. Ab 2001 wird zudem das Verfahren noch einmal vereinfacht, indem auf die Mehrzahl von Bescheinigungen über Ausbildungsabschlüsse verzichtet wird. Damit wird den Gesuchstellern selbst und den Kantonen, die eine Aufsichtspflicht über die Heime ausüben, mehr Verantwortung übertragen. Damit kann der administrative Aufwand nochmals reduziert werden. Ob mit Blick darauf die Einführung einer Pauschale noch angezeigt ist, muss ab 2002 geprüft werden. Allenfalls wird dannzumal ein durch einen Kanton ausgearbeiteter Leistungskatalog für die durch den Bund subventionierten Angebote in Kraft sein, welcher vom Bund übernommen werden könnte.

Wann und in welchem Umfang eine Zusammenlegung aller vollzugsrelevanten Vorschriften auf dem Gebiet des Straf- und Massnahmenvollzugs vorgenommen werden soll, wird der Bundesrat bei der Erarbeitung der zweiten NFA-Botschaft zu entscheiden haben. Dies kann durch die Ausarbeitung eines eigenständigen Vollzugsgesetzes oder durch Revision des Strafgesetzbuches erfolgen. Sollte Letzteres in Aussicht genommen werden, hiesse dies unmittelbar nach der Revision des StGB oder dessen Inkraftsetzung dieses erneut zu revidieren. Diesem Umstand wäre Rechnung zu tragen.

6.2

Gesetzesänderungen in den einzelnen Aufgabenbereichen, deren Verfassungsgrundlage keiner Modifikation bedarf

Die beantragten Änderungen auf Verfassungsstufe werden Anpassungen in zahlreichen Spezialerlassen erfordern, dies sowohl in den aufgabenbezogenen als auch in bereichsübergreifenden Bundesgesetzen. Bei Letzteren stehen das Subventions- und Finanzhaushaltsgesetz im Vordergrund. Die hierzu notwendigen Anträge werden wir Ihnen mit der zweiten Botschaft unterbreiten.

2447

Konzeptionell sind beide Botschaften zur NFA nicht voneinander zu trennen. Die im Rahmen der vorliegenden Botschaft beantragten Änderungen auf Verfassungsstufe können nur dann Wirkung entfalten, wenn auch die notwendigen Änderungen auf Gesetzesstufe vorgenommen werden.

Folgerichtig sind die Tendenzen der finanziellen Auswirkungen auf Bund und Kantone (vgl. Ziffer 7.2) unter der Annahme berechnet worden, dass die NFA unter Einschluss aller Reformelemente zum Tragen kommen wird, einschliesslich jener, die keine Verfassungsänderung benötigen und somit erstmals im Rahmen der zweiten Botschaft vorzulegen sein werden. Dies betrifft die nachfolgend aufgeführten Bereiche.

6.2.1

Beiträge an Ausbildungsstätten für Fachpersonal der Sozialberufe

Heute richtet die IV Beiträge an Ausbildungsstätten für Fachpersonal zur Betreuung, Ausbildung und beruflichen Eingliederung von Invaliden aus. Im Interesse einer Harmonisierung des Leistungsspektrums mit den übrigen Sozialversicherungen soll Artikel 74 Absatz 1 Buchstabe d IVG gestrichen und damit die IV von der Finanzierung der Aus-, Fort- und Weiterbildung befreit werden. Soweit in diesem Bereich die Ausbildung von Fachpersonal inskünftig auf Hochschulstufe geregelt wird, wird sich die Verfassungsgrundlage im (neuen) Hochschulartikel finden. Gestützt auf diese Verfassungsgrundlage wird der Bund die in Frage kommenden Ausbildungslehrgänge auch weiterhin unterstützen.

6.2.2

Turnen und Sport in der Schule

Der anvisierte Rückzug des Bundes aus der Subventionierung des freiwilligen Schulsports und der Herausgabe der Lehrmittel für Turnen und Sport in der Schule verlangt eine entsprechende Änderung des Bundesgesetzes vom 17. März 197292 über die Förderung von Turnen und Sport.

6.2.3

Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung

Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung wie Theater-, Opern- und Konzerthäuser, Museen oder Bibliotheken werden neu zum obligatorischen Bestandteil der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich. Die heute von den Leistungserbringern vielfach als unbefriedigend erachtete Situation kann dadurch einer Lösung zugeführt werden, weil die Kantone entsprechende interkantonale Verträge aushandeln werden. Materiell ändert sich durch die Aufnahme des Aufgabenbereichs in den Katalog der interkantonalen Zusammenarbeit auf Bundesebene jedoch nichts. Aus diesem Grund werden die Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung nicht Bestandteil der zweiten Botschaft sein.

92

SR 415.0

2448

6.2.4

Raumplanung

Auf die Subventionierung der kantonalen Richtpläne durch den Bund soll inskünftig verzichtet werden. Mit diesem Verzicht auf die Subventionierung der Richtpläne von Seiten des Bundes liegen Durchführung und Finanzierung der Raumplanung in einer Hand. Obwohl gewisse Grundlagen über längere Zeit Bestand haben, werden Revisionen nötig sein, da Teile der Raumordnung einer hohen Dynamik unterliegen und der Richtplan gemäss Raumplanungsgesetz in der Regel alle zehn Jahre gesamthaft zu überarbeiten ist. Artikel 28 des Raumplanungsgesetzes (RPG) vom 22. Juni 197993 wird entsprechend anzupassen sein.

6.2.5

Wald

Der Bund soll mit den Kantonen künftig Programmvereinbarungen abschliessen können. Er beschränkt sich dabei auf die strategische Ebene und nimmt mittels eines ausgebauten Reportings auf der Basis von Stichproben das Controlling wahr. Die Bundesbeiträge stellen auf ein regional differenziertes Grundangebot ab, sind resultatorientiert und werden global ausgerichtet. Der effektive Programmbeitrag des Bundes ist das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Bund und Kanton. Das Waldgesetz (WaG) vom 4. Oktober 199194 (Art. 35­38) wird entsprechend anzupassen sein.

Im Forstbereich werden bereits seit 1997 im Rahmen des Projekts «Effor2» neue, mit den Grundsätzen der NFA kompatible Formen der Zusammenarbeit und Finanzierung zwischen Bund und Kantonen erprobt (Programmvereinbarungen, Globalbudgets). Eine Revision des Waldgesetzes wird deshalb möglicherweise vor dem zweiten NFA-Paket in Angriff genommen.

6.2.6

Denkmal-, Heimat- und Ortsbilderschutz

Mit einer Teilrevision des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG) vom 1. Juli 196695 werden wir eine Teilentflechtung vorschlagen, indem der Bund neu die alleinige Verantwortung für Objekte von nationaler Bedeutung übernimmt, während die Kantone für die schützenswerten Objekte regionaler und lokaler Bedeutung zuständig sind. Für sie entfällt die Mitfinanzierung von Objekten von nationaler Bedeutung. Ein entsprechendes Inventar der Objekte von nationaler Bedeutung wird zu erstellen sein. Die in der Globalbilanz getroffene Annahme, dass der Bund mit der neuen Lösung inskünftig keine Mehrbelastung gegenüber heute erfährt, ist demzufolge provisorischer Natur und wird im Hinblick auf die zweite Botschaft zu überprüfen sein.

93 94 95

SR 700 SR 921.0 SR 451

2449

Das heutige Verbundsystem beruht auf Artikel 78 Absatz 3 BV. Dessen Wortlaut räumt dem Gesetzgeber die Möglichkeit ein, welche Objekte als förderungswürdig bezeichnet werden ­ freilich unter Berücksichtigung der Grundkompetenz der Kantone (vgl. Art. 78 Abs. 1 BV). Die gültige Verfassungsnorm lässt es somit zu, dass der Gesetzgeber die Förderungskompetenz des Bundes auf die Objekte von nationaler Bedeutung limitiert.

6.2.7

Natur- und Landschaftsschutz

Der Bereich Natur- und Landschaftsschutz bleibt eine Verbundaufgabe. Es wird eine Revision des NHG und allenfalls auch des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) vom 21. Juni 199696 unterbreitet. Diese werden darauf abzielen, dass der Aufgabenbereich mittels Leistungsaufträgen mit Globalbudgets effizienter und wirksamer erfüllt werden kann. Zur Realisierung und Finanzierung von Aktionsprogrammen schliesst der Bund mit jedem Kanton eine mehrjährige Leistungsvereinbarung ab. Diese legt Grundangebot, Finanzrahmen und Art des Controllings fest. Die Verantwortung für die Realisierung der Programme liegt bei den Kantonen. Dem Bund obliegt es, mit einem zweckmässigen Controlling den Mitteleinsatz leistungsorientiert zu überwachen.

6.2.8

Wildtiere (Jagd) und Fischerei

Der Bereich Wildtiere (Jagd) bleibt eine Verbundaufgabe, wobei im Bundesgesetz vom 20. Juni 198697 über die Jagd und den Schutz wild lebender Säugetiere und Vögel (JSG) die Grundlage zur Einführung von Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Kantonen geschaffen werden muss. Im Bereich der Fischerei wird eine Teilentflechtung vorgenommen. Durch Revision der Grundsatzgesetzgebung des Bundes (Bundesgesetz vom 21. Juni 199198 über die Fischerei [BGF]) soll beim fischereilichen Artenschutz die kantonale Mitbeteiligung entfallen.

6.2.9

Hochwasserschutz

Wir werden eine Teilrevision des Wasserbaugesetzes (WBG) vom 21. Juni 199199 (Art. 6­10) vorlegen. Neu soll der Bund im Wesentlichen für grössere Schutzbauten und die Bewältigung bedeutender Schadenereignisse verantwortlich sein. Hierfür wird er mit den Kantonen Leistungsvereinbarungen abschliessen.

96 97 98 99

SR 641.61 SR 922.0 SR 923.0 SR 721.100

2450

6.2.10

Gewässerschutz/Abwasseranlagen

Das Gewässerschutzgesetz (GSchG) vom 24. Januar 1991100 ist in dem Sinn zu straffen, dass die jeweiligen Kompetenzen und Finanzierungsverantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen geklärt werden. Insbesondere soll der Bund auf Grund völkerrechtlicher Verpflichtungen einen Teil der Kosten zur Reduktion des Stickstoffs bei Abwasserreinigungsanlagen weiterhin übernehmen. Falls die bestehenden Bundesabgeltungen von 50 Prozent der Investitionskosten geändert werden müssen, bedingt dies eine Änderung von Artikel 61 GSchG.

6.2.11

Öffentlicher Regionalverkehr

Mit der Revision des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957101 (EBG) auf den 1. Januar 1996 wurde den Anliegen der NFA in Bezug auf die Rollenteilung zwischen Bund und Kantonen bereits weitgehend Rechnung getragen. Allfällige Optimierungen sollen im Rahmen der weiteren Phasen der Bahnreform realisiert werden.

Die von der NFA angestrebte Globalsteuerung ist über das bewährte Instrument der Kantonsquote weiter zu entwickeln. Die Kantonsquoten geben an, welche Abgeltungssummen in den einzelnen Kantonen für den öffentlichen Regionalverkehr insgesamt bereitgestellt werden. Dabei umfassen diese Abgeltungen jeweils den Beitrag des Bundes und den Beitrag des Kantons.

Angebote, welche in der Kantonsquote nicht Platz finden, sind ohne Bundesbeitrag zu realisieren. Der Handlungsspielraum innerhalb der Kantonsquote ist für den einzelnen Kanton dadurch begrenzt, dass öV-Angebote nicht kurzfristig wesentlichen Änderungen unterworfen werden können, sondern einer längerfristigen Entwicklung bedürfen und zudem sehr viele Angebote mehrere Kantone betreffen.

Konkretere Ausführungen zu Rollenteilung und Globalsteuerung im öffentlichen Regionalverkehr wird die zweite NFA-Botschaft enthalten. Der zweckgebundene Finanzierungsanteil des Bundes beim öffentlichen Regionalverkehr wird im Rahmen der NFA von durchschnittlich 69 auf 50 Prozent herabgesetzt. Mit dem Ziel der langfristigen (bzw. dauerhaften) Sicherstellung eines integrierten öV-Angebotes in der Schweiz soll diese finanzielle Aufteilung von je 50 Prozent für Bund und Kantone längerfristig Bestand haben. Sie berücksichtigt den mit der Revision des EBG erhöhten Gestaltungsfreiraum der Kantone einerseits und das Interesse des Bundes an einer flächendeckenden, nachhaltigen Verkehrspolitik andererseits. Letzteres schliesst im Wesentlichen die Beibehaltung des gesamtschweizerischen Stundentaktes und der Einbindung der Transportunternehmungen in ein gesamtschweizerisches Tarifangebot, eine kantonsübergreifende Planung, Koordination und Sicherung von Standards im öffentlichen Regionalverkehr sowie die Aufrechterhaltung des Leistungsangebots in schwach besiedelten, wirtschaftlich benachteiligten Gebieten unseres Landes ein.

100 101

SR 814.20 SR 742.101

2451

6.2.12

Flugplätze

Kompetenzmässig sollen die Flugplätze eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Kantonen bleiben. Allerdings soll die Möglichkeit der Darlehensgewährung durch den Bund aufgehoben werden. Mit der zweiten NFA-Botschaft wird der Bundesrat beantragen, die Bestimmung in Artikel 101a des Luftfahrtgesetzes (LFG) vom 21. Dezember 1948102, wonach der Bund zins- und amortisationsgünstige Darlehen bis zu 25 Prozent gewähren kann, zu streichen. Auf Grund der Rentabilität der Flugplätze ist es nicht notwendig, dass der Bund ein Angebot bestellt und abgilt, wie er dies bei anderen Verkehrsträgern tut.

6.2.13

Luftreinhaltung und Lärmschutz mit Mineralölsteuermitteln

Eine Teilrevision der Artikel 50 und 51 des Umweltschutzgesetzes (USG) vom 7. Oktober 1983103 und der Artikel 25­27 des MinVG soll eine Beschleunigung und Vereinfachung der administrativen Verfahren ermöglichen. Die Kantone sind für die strassenverkehrsbedingte Luftreinhaltung bzw. für den Lärmschutz entlang von Strassen, die weder National- noch Hauptstrassen sind, mit den ihnen zugeteilten Mitteln im Rahmen der Zweckbindung der Mineralölsteuer selber zuständig. Dadurch soll den Kantonen und Gemeinden eine möglichst hohe Selbstständigkeit eingeräumt werden. Auf die fallweise Prüfung von Einzelprojekten durch den Bund kann demzufolge verzichtet werden.

6.2.14

Landwirtschaftliche Strukturverbesserungen

Im Bereich der Bodenverbesserungen und der landwirtschaftlichen Hochbauten sollen inskünftig so weit möglich Pauschalbeiträge ausgerichtet werden, wie diese bereits bei landwirtschaftlichen Gebäuden zur Anwendung kommen. Für grössere Werke werden Leistungsvereinbarungen mit den Kantonen abgeschlossen. Dies verlangt eine Anpassung von Artikel 93 Absatz 2 des Landwirtschaftsgesetzes (LwG) vom 29. April 1998104.

6.2.15

Tierzucht

Im Sinne einer konsequenten Entflechtung soll der Bund zusammen mit den betreffenden Zuchtverbänden die Gestaltung und die Finanzierung der Zuchtförderungsmassnahmen integral übernehmen. Dies setzt eine entsprechende Modifikation von Artikel 143 LwG voraus.

102 103 104

SR 748.0 SR 814.01 SR 910.1

2452

6.2.16

Verbesserung der Wohnverhältnisse in den Berggebieten

Der anvisierte vollständige Rückzug des Bundes aus diesem regionalpolitisch motivierten Aufgabenbereich verlangt die Aufhebung des entsprechenden Bundesgesetzes vom 20. März 1970105. Mit dessen Änderung vom 15. Dezember 2000106 hat das Parlament beschlossen, dass Finanzhilfen längstens bis zum 31. Dezember 2005 zugesichert werden können. Das Parlament hat somit bereits vorgesehen, die Zusicherung von Finanzhilfen zum Zeitpunkt des integralen Inkrafttretens der NFA einzustellen.

6.2.17

Prämienverbilligung in der Krankenversicherung

Der Bundesrat wird eine Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) vom 18. März 1994107 unterbreiten. Neu soll der Bund 25% der durchschnittlichen Gesundheitskosten für 30% der Bevölkerung übernehmen. Die Kantone stocken die Bundesmittel mit dem Ziel auf, dass Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen in den Genuss von Prämienverbilligungen kommen, wenn ihre Prämienlast das tragbare Mass, d.h. im gesamtschweizerischen Durchschnitt 10% des steuerbaren Einkommens, übersteigt. Die anvisierte Neulösung wird eine transparentere und gezieltere Mittelverwendung sicherstellen. Die heutige Praxis, wonach in gewissen Kantonen bis 75% der Bevölkerung Prämienverbilligungsbeiträge erhält, kann zu Gunsten einer sozialpolitisch gezielten Massnahme abgelöst werden.

Die Gesetzesanpassungen im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft und die Arbeiten im Rahmen der zweiten Teilrevision des KVG sind aufeinander abzustimmen.

6.2.18

Spezialkliniken und Spitzenmedizin

Die Zuständigkeit für die Sicherstellung der Versorgung in der Spitzenmedizin und für Spezialbehandlungen bleibt bei den Kantonen. Der Bereich wird neu obligatorischer Bestandteil der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich. Dies hat zur Folge, dass eine normsetzende interkantonale Vereinbarung über die Planung und Aufgabenteilung in der Spitzenmedizin zu erarbeiten sein wird. Bundesrechtliche Vorgaben werden keine vorgesehen. Das Spitalwesen ist und bleibt eine Domäne der kantonalen Gesundheitspolitik. Der Bundesrat hat am 18. September 2000 eine Botschaft betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung108 verabschiedet, welche die Finanzierung der Spitalleistungen in der Krankenversicherung neu regelt. Darin wird ausdrücklich festgehalten, dass die Leistungen unabhängig vom Kanton und vom Spitalträger jeweils zur Hälfte vom Versicherer und vom Wohnkanton des Versicherten zu bezahlen sind. Zudem wird in Ziffer 6 der genannten Botschaft das Verhältnis der KVG-Revision zur Neugestaltung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen beleuchtet.

105 106 107 108

SR 844 BBl 2000 6187 SR 832.10 BBl 2001 741

2453

6.3

Laufende bzw. geplante NFA-kompatible Reformen

Die nachfolgend aufgeführten Aufgabenbereiche, welche Gegenstand der NFAVernehmlassungsvorlage vom 31. März 1999 waren, werden ausserhalb der Reform weiterverfolgt.

6.3.1

Familienzulagen

Vorschlag gemäss Vernehmlassungsvorlage: einheitliche Bundeslösung. Der Bundesrat hat in der Stellungnahme vom 28. Juni 2000 zum Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 20. November 1998109 betreffend die Parlamentarische Initiative Fankhauser110 die Bestrebungen begrüsst, die Familienzulagen gesamtschweizerisch zu regeln. Die Familienzulagen sind jedoch nicht Bestandteil des eigentlichen Finanzausgleichs. Die Finanzierung der Zulagen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfolgt ausschliesslich durch Arbeitgeberbeiträge. Die öffentliche Hand tätigt nur Ausgaben in ihrer Rolle als Arbeitgeberin und die Kantone kommen in sehr geringem Ausmass und nur teilweise für die Zulagen der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen auf. Daher wird eine Lösung im Rahmen der genannten Parlamentarischen Initiative anzustreben sein.

6.3.2

Wohnbau- und Eigentumsförderung

Vorschlag gemäss Vernehmlassungsvorlage: Rückzug des Bundes aus dem Aufgabengebiet. Ein gänzlicher Rückzug des Bundes aus der Wohnungspolitik gemäss Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz (WEG) vom 4. Oktober 1974111 ist auf eine breite Opposition gestossen. Der Bundesrat will im Einklang mit den Sozialzielen der Bundesverfassung112 auch inskünftig auf eine wirkungsvolle Einflussnahme des Bundes im Bereich der Wohnbaupolitik nicht verzichten. Mit der Botschaft zu einem neuen Bundesgesetz über die Förderung von preisgünstigem Wohnraum (BFW) wird der Bundesrat die Grundzüge einer künftigen Wohnungspolitik vorlegen. Die Vernehmlassungfrist zum BFW lief Ende August 2001 ab.

Hingegen bleibt die Wohnbausanierung in den Berggebieten Gegenstand der NFAReform. Hier wird eine vollumfängliche Kantonalisierung beantragt. Die Wohnbausanierung in den Berggebieten wird jedoch bis zum vollständigen Inkrafttreten der NFA fortgeführt (vgl. Ausführungen unter Ziff. 6.2.16).

109 110

BBl 2000 4784 91.411 Parlamentarische Initiative Fankhauser Angeline: Leistungen für die Familie, überwiesen am 2. Februar 1992 111 SR 843 112 Vgl. Art. 41 Abs. 1 Bst. e BV, wonach sich Bund und Kantone (in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative) dafür einsetzen, dass Wohnungssuchende für sich und ihre Familien eine angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen finden können.

2454

6.3.3

Berufsbildung einschliesslich Weiterbildung

Vorschlag gemäss Vernehmlassungsvorlage: Teilentflechtung, namentlich Rückzug des Bundes aus der Berufsberatung und der nicht berufsorientierten Weiterbildung.

Der Bundesrat hat in seiner Botschaft zur einem neuen Bundesgesetz über die Berufsbildung (BBG) vom 6. September 2000113 seine Vorstellungen über eine Neuorientierung in der Berufsbildung dargelegt. Diese stimmen mit den übergeordneten Zielen und Grundsätzen der NFA überein114.

6.3.4

Bevölkerungsschutz

Vorschlag gemäss Vernehmlassungsvorlage: Teilentflechtung, namentlich Rückzug des Bundes aus den Bereichen Ausbildung, Material, öffentliche Schutzräume und Einsätze bei einem Aufgebot durch Kantone und Gemeinden. Am 17. Oktober 2001 hat der Bundesrat die Reform des Bevölkerungsschutzes (Leitbild Bevölkerungsschutz und Totalrevision Zivilschutzgesetzgebung) zuhanden des Parlaments verabschiedet. In Bezug auf die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen folgt die Reform dem Grundsatz, wonach die Kantone unter Vorbehalt bundesrechtlicher Kompetenzen für den Bevölkerungsschutz zuständig und verantwortlich sind. Ihnen obliegen namentlich die Massnahmen bei Katastrophen und Notlagen, während der Bund insbesondere für den Fall eines bewaffneten Konflikts oder erhöhter Radioaktivität Anordnungen trifft. Die entsprechenden Kosten werden durch die zuständige Staatsebene vollumfänglich übernommen. Damit findet ein Wechsel von der heutigen Beitragsfinanzierung zur so genannten Zuständigkeitsfinanzierung statt. Diese klare Zuständigkeitsregel steht in Übereinstimmung mit den NFA-Prinzipien. Dies bedeutet, dass der Bund insbesondere neu die vollen Kosten für die Sicherstellung der Alarmierung der Bevölkerung, für die Werterhaltung der Schutzanlagen und für die von ihm durchgeführte Ausbildung trägt. Die Kantone tragen die Kosten für die von ihnen durchgeführte Ausbildung, für das ortsspezifische Material für Katastrophen und Notlagen, für Schutzräume, welche von der öffentlichen Hand gebaut werden, sowie für Einsätze bei einem Aufgebot durch Kantone und Gemeinden.

6.3.5

Hoch- und Fachhochschulen

Vorschlag gemäss Vernehmlassungsvorlage: Verbundaufgabe, mit interkantonaler Zusammenarbeit und Lastenausgleich. Das Ziel einer umfassenden gesamtschweizerischen Hochschulpolitik, wie sie im Rahmen der NFA skizziert worden ist, wird im Rahmen einer von Bund und Kantonen zusammengesetzten Projektorganisation weiterverfolgt. Ausgangspunkte dieses Projekts bilden der im schweizerischen Hochschulwesen anstehende Reformbedarf und eine entsprechende Motion der WBK des Ständerates vom 22. März 1999115. Leitgedanken sind die Einheit des tertiären Bildungsbereichs und die Partnerschaft Bund­Kantone.

113 114 115

BBl 2000 5686 BBl 2000 5746 99.3153 Motion Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerats: Hochschulartikel, überwiesen: vom Ständerat am 21. April 1999, vom Nationalrat am 23. September 1999.

2455

Die Vernehmlassung über den neuen Hochschulartikel wurde am 28. September 2001 eröffnet.

6.4

Ausgeklammerte Aufgabenbereiche

Jene umstrittenen Vorschläge, welche für die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben nicht von zentraler Bedeutung sind, will der Bundesrat nicht weiterverfolgen. In diesem Sinne sollen Ausklammerungen aus dem NFA-Paket, welche die Substanz und die grundlegenden Anliegen der Reform nicht tangieren, dazu beitragen, die politische Akzeptanz des Gesamtpakets zu erhöhen.

6.4.1

Turnen und Sport

Vorschlag gemäss Vernehmlassungsvorlage: Streichung des Drei-Stunden-Obligatoriums des Bundes im Bereich Turnen und Sport in der Schule sowie Rückzug des Bundes aus den Bereichen der Jugend&Sport-Förderbeiträge und Leiterausbildung, einschliesslich Sportfachkurse der Kantone. Die Streichung der Bundeskompetenz, Vorschriften über den Jugendsport zu erlassen sowie den Sportunterricht an Schulen obligatorisch zu erklären, hätte eine entsprechende Modifikation von Artikel 68 Absatz 3 BV zur Folge. Die Vernehmlassung hat gezeigt, dass namentlich der vorgeschlagene Verzicht auf das Drei-Stunden-Obligatorium des Bundes auf zum Teil heftigen Widerstand gestossen ist. Eine Ausklammerung dieses umstrittenen Bereichs ist zu verantworten: Dieser Bereich hat für die Gesamtwirkung der NFAReform keine wesentliche Bedeutung.

Hingegen blieb der Vorschlag nach einem Rückzug des Bundes aus der Subventionierung des freiwilligen Schulsports und der Herausgabe der Lehrmittel für Turnen und Sport in der Schule unbestritten. Der Bundesrat wird im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft eine entsprechende Gesetzesrevision vorlegen (vgl. Ziff. 6.2.2).

6.4.2

Fuss- und Wanderwege

Vorschlag gemäss Vernehmlassungsvorlage: Kantonalisierung. Der Bund hat gemäss Artikel 88 Absatz 2 BV die Kompetenz, Massnahmen der Kantone zur Anlage und Erhaltung von Fuss- und Wanderwegnetzen zu unterstützen und zu koordinieren. Der diesbezügliche finanzielle Bundesbeitrag beläuft sich jährlich auf rund 0,5 Millionen Franken. Die Vernehmlassung hat eine zum Teil massive und breite Opposition hervorgerufen. Ebenso wurde ein Postulat im Ständerat überwiesen, wonach auf den Rückzug des Bundes zu verzichten sei116.

116

98.3130 Postulat Onken Thomas: Wahrung der übergeordneten Interessen- und Koordinationsaufgaben beim Fuss- und Wanderwegnetz, überwiesen am 15. Dezember 1998.

2456

Eine Kantonalisierung ­ und damit ein Verzicht auf die erwähnte Bundesleistung ­ hätte auf das NFA-Gesamtpaket bloss geringe Auswirkungen und kann als marginal bezeichnet werden. Eine Ausklammerung der Fuss- und Wanderwege aus dem NFAPaket ist für den Bundesrat vertretbar und angesichts des hohen und heterogenen Oppositionspotenzials angezeigt.

6.4.3

Milchwirtschaftlicher Inspektions- und Beratungsdienst (MIBD)

Vorschlag gemäss Vernehmlassungsvorlage: Kantonalisierung, der Bund zieht sich vollständig aus der Finanzierung des MIBD zurück und beschränkt sich bei der Qualitätssicherung im Milchbereich auf den Erlass der notwendigen Vorschriften.

Der MIBD nimmt namentlich die von der EU verlangte Qualitätskontrolle der in Verkehr gebrachten Milch vor. Der MIBD wurde spezifisch für die Wahrnehmung dieser Aufgabe umgestaltet, andernfalls wäre 1996 die Ausfuhr von Milch und Milchprodukten in die EU kaum mehr möglich gewesen.

Der Bundesrat erachtet die Leitung des Vollzugs durch den Bund als unerlässlich, um die von der EU verlangte Einheitlichkeit und nationale Abstimmung der Massnahmen zu erzielen. Die Milchqualitätsverordnung (MQV)117 und die Verordnungen über die Qualitätssicherung118 sind von der EU als äquivalent zum EU-Recht beurteilt worden und bilden einen Bestandteil des bilateralen Abkommens119. Ein Rückzug des Bundes aus dem MIBD könnte Neuverhandlungen mit der EU nach sich ziehen, weshalb auf eine Kantonalisierung zu verzichten ist.

6.5

Erläuterungen zu den Verfassungsbestimmungen

6.5.1

Erläuterungen zu den bereichsübergreifenden Verfassungsbestimmungen

Artikel 3a (neu)

Subsidiarität

Nach Artikel 3a ist für das Verhältnis zwischen den Staatsebenen der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten, ein Grundsatz, welcher ursprünglich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der katholischen Soziallehre formuliert worden war und sich namentlich auf das Verhältnis Staat­Familie bezog. Im Rahmen der vorliegenden Föderalismusreform beschränkt sich das Subsidiaritätsprinzip auf das Verhältnis zwischen den Staatsebenen. Eine Ausdehnung auf das Verhältnis Staat­Private müsste zwangsläufig eine Vielzahl von grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Fragen aufwerfen und damit den Rahmen der Finanzausgleichsreform sprengen.

Neuerdings ist das Subsidiaritätsprinzip auch ausdrücklich im europäischen Gemeinschaftsrecht verankert ­ auch dort ohne Einbezug des Verhältnisses Gemeinschaftsrecht­Private.

117 118 119

SR 916.351.0 SR 916.351.021.1­4 Vgl. Landwirtschaftsabkommen, Anhang 11, Anlage 6; BBl 1999 6871

2457

Dem Grundsatz der Subsidiarität im Bundesstaat liegt die Idee zu Grunde, dass der Bund nicht Aufgaben an sich ziehen soll, welche die Gliedstaaten ebenso gut erfüllen können, für die es also keinen zwingenden Grund zur bundesweiten Vereinheitlichung gibt. Die ausdrückliche Verankerung des Subsidiaritätsprinzips war bereits im Rahmen der Nachführung der Verfassung vorgeschlagen worden, wurde indessen in der parlamentarischen Beratung abgelehnt120.

Im vorliegenden Rahmen soll das Anliegen der verfassungsrechtlichen Verankerung des Subsidiaritätsprinzips wieder aufgenommen werden. Für die Neugestaltung des Finanzausgleichs bzw. die Reform des Föderalismus kommt dem Grundsatz der Subsidiarität eine grosse Bedeutung zu als staatspolitische Maxime für die künftige Zuteilung staatlicher Aufgaben auf jene Ebene, die sie am besten zu lösen vermag.

Anders als im Rahmen der Verfassungsnachführung soll sich der Grundsatz der Subsidiarität nicht mehr auf das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen beschränken, sondern umfassend auf das Verhältnis zwischen allen staatlichen Ebenen, also unter Einschluss der Gemeinden, beziehen. Entsprechend wird vorgeschlagen, die betreffende Bestimmung unter die Allgemeinen Bestimmungen des ersten Titels der Verfassung aufzunehmen und nicht im Kapitel über das Verhältnis von Bund und Kantonen.

Es wäre dem schweizerischen Staatsverständnis fremd, die Interpretation des Subsidiaritätsprinzips gerichtlichen Institutionen übertragen zu wollen. Vielmehr handelt es sich bei dessen Anwendung um eine grundsätzliche staatspolitische Frage, die zeitgebunden ihre jeweilige Konkretisierung durch den Verfassungs- und Gesetzgeber finden muss. Dies ergibt sich auch aus der Platzierung dieser Bestimmung im ersten Titel der Bundesverfassung. In dieser Konzeption erweist sich das Subsidiaritätsprinzip als nicht justiziabel.

Artikel 43a (neu) Grundsätze für die Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben Die neue Bestimmung hält fest, nach welchen Grundsätzen die Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben erfolgen soll. Sie enthält einerseits eine Leitlinie für die verfassungsrechtliche Zuweisung und richtet sich damit an den Verfassungsgeber.

Anderseits enthält sie auch Grundprinzipien für die Gesetzgebung und den Vollzug und richtet sich damit an den Gesetzgeber und die Vollzugsbehörden.
Artikel 43a betrifft in erster Linie die vertikale Aufgabenzuweisung und -erfüllung, somit diejenige zwischen Bund und Kantonen. Absatz 1 macht nur in Bezug auf die vertikale Aufgabenverteilung Sinn. Die übrigen Absätze können darüber hinaus, im Sinne von Leitlinien (nicht justiziabler Art) auch die horizontale Aufgabenerfüllung betreffen, z.B. als Grundideen im Hinblick auf die Gestaltung von Verträgen unter den Kantonen nach Artikel 48 BV.

Absatz 1 übernimmt den bisherigen Artikel 42 Absatz 2 und ergänzt ihn. Die Bestimmung erscheint in Artikel 43a systematisch besser platziert, da Artikel 43a nun mehrere wesentliche Grundsätze für die Aufgabenzuweisung und -erfüllung vereinigt. Ergänzend zur bisherigen Fassung von Artikel 42 Absatz 2 wird neu festgehalten, dass der Bund die Aufgaben wahrnimmt, welche die Kraft der Kantone über120

Vgl. Art. 34 Abs. 3 des Verfassungsentwurfs von 1996 und die Hinweise zur Bedeutung des Grundsatzes in BBl 1997 I 209, 595.

2458

steigen. Diese Ergänzung wurde bereits im Rahmen der Nachführung der Bundesverfassung diskutiert und damals von der Verfassungskommission des Ständerates abgelehnt. Es trifft zwar zu, dass das Erfordernis einer einheitlichen Regelung wohl auch die Situationen abdeckt, in denen eine Aufgabe die Kraft der Kantone übersteigt. Hier soll dieser Aspekt aber dennoch wieder aufgenommen werden, um damit das eher abstrakte Erfordernis der einheitlichen Regelung zu konkretisieren.

Die Absätze 2 und 3 gehören zusammen. Sie verankern das Prinzip fiskalischer Äquivalenz. Dieses Prinzip verlangt eine dreifache Kongruenz: Nutzniesser, Kostenträger und Entscheidträger sollen möglichst übereinstimmen. Absatz 2 bezieht sich auf die ersten beiden, Absatz 3 auf die letzten beiden Elemente. Der Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz bezieht sich letztlich auf die in den entsprechenden Gemeinwesen lebenden Personen. Falls diese Personen Nutzen aus öffentlichen Aufgaben ziehen, sollen sie die entsprechenden Aufgaben (über Steuern oder Abgaben) auch selbst finanzieren und darüber demokratisch mitentscheiden. Damit wird sichergestellt, dass die entsprechenden Aufgaben am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und im richtigen Umfang bereitgestellt werden.

Wenn somit der Nutzen einer staatlichen Leistung nicht auf dem ganzen Gebiet der Eidgenossenschaft anfällt, sondern bloss in einem oder mehreren Kantonen, dann sollen diese Kantone auch für den Entscheid und die Finanzierung aufkommen.

Umgekehrt sollen Leistungen, deren Nutzen breit über das Gebiet der Schweiz streut, vom Bund geregelt und gegebenenfalls auch vollzogen werden.

Absatz 4: In gewissen sensiblen Bereichen, die zur Grundversorgung gehören, erweist sich eine gleichmässige Versorgung mit Leistungen über das ganze Landesgebiet als angezeigt. Eine gleichmässige Versorgung kann auf verschiedene Art und Weise sichergestellt werden: Durch Selbstkoordination aller Kantone, durch interkantonale Vereinbarungen, durch eine Bundesregelung bei gleichzeitigem Vollzug durch die Kantone oder durch eine Bundesregelung mit Bundesvollzug. Das Subsidiaritätsprinzip verlangt dabei, dass bei der Gewährleistung eine gleichmässige Versorgung und eine möglichst autonomieschonende Variante gewählt werden. Ob das Erfordernis einer gleichmässigen Versorgung zu einer Zentralisierung führt,
hängt auch davon ab, ob es den Kantonen gelingt, diesem Erfordernis durch Selbstkoordination oder durch vertragliche Zusammenarbeit zu genügen. Hinzuweisen ist im Übrigen darauf, dass Artikel 43a Absatz 4 keine einklagbaren Rechte schafft.

Absatz 5 führt ein zusätzliches Erfordernis ein. Das Gemeinwesen, dem eine staatliche Aufgabe zugeteilt werden soll, muss in der Lage sein, diese bedarfsgerecht und wirtschaftlich zu erfüllen. Der Begriff «bedarfsgerecht» verlangt eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Bedarf und Leistung. Der Begriff «wirtschaftlich» verlangt, dass die angestrebten Wirkungen tatsächlich erreicht werden und die Leistungserbringung zudem zu möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten erfolgt.

Insbesondere das zweite Kriterium kann dazu führen, dass eine Aufgabe, auch wenn deren Nutzen bloss in bestimmten Teilgebieten (Kantonen oder Landesteilen) anfällt, infolge von Grössenvorteilen im Rahmen interkantonaler Zusammenarbeit mit Lastenausgleich oder durch den Bund erfüllt werden muss.

2459

Artikel 46

Umsetzung des Bundesrechts (Abs. 2 und 3)

Die Ergänzung in Absatz 2 beseitigt allfällige Zweifel an der Zulässigkeit von «staatsrechtlichen» Verträgen im Verhältnis zwischen Bund und Kantonen und schafft insofern Rechtssicherheit für die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen. Zudem erfüllt Absatz 2, obgleich es sich um eine Kann-Bestimmung handelt, eine Appellfunktion zuhanden der zuständigen Instanzen, im Bereich der Verbundaufgaben partnerschaftliche Instrumente und vertragliche Formen zur Anwendung zu bringen.

Die vorliegende Neuformulierung von Absatz 3 entspricht dem aktuellen Wortlaut von Absatz 2.

Der heute geltende Absatz 3, wonach der Bund der finanziellen Belastung Rechnung trägt, die mit der Umsetzung des Bundesrechtes verbunden ist, indem er den Kantonen ausreichende Finanzierungsquellen belässt und für einen angemessenen Finanzausgleich sorgt, kann integral gestrichen werden. Zum einen ist die Bestimmung, wonach der Bund den Kantonen ausreichende Finanzierungsquellen belässt, neu in Artikel 47 Absatz 2 enthalten, da dieser auch für die Umsetzung von Bundesrecht gilt. Die verfassungsrechtliche Grundlage für den Finanzausgleich findet sich neu und abschliessend in Artikel 135 BV, womit auch der letzte Satzteil von Artikel 46 Absatz 3 gestrichen werden kann.

Artikel 47

Eigenständigkeit der Kantone (Abs. 2 neu)

Die Bestimmung, wonach der Bund die Eigenständigkeit der Kantone wahrt, ist Ausdruck des unbestrittenen verfassungsrechtlichen Bekenntnisses zur kantonalen Aufgaben-, Finanz- und Organisationsautonomie121. Mit dieser Präzisierung wird in Artikel 47 somit kein verfassungsrechtliches Novum geschaffen, sondern ein integraler Bestandteil des schweizerischen Föderalismus explizit auf Verfassungsstufe wie folgt festgeschrieben:

121

­

Im Rahmen der kantonalen Aufgabenautonomie verpflichtet sich der Bund, die Zuständigkeiten der Kantone so weit wie möglich zu wahren, ihnen also ausreichend eigene Aufgaben zu belassen. Diese Verpflichtung gilt auch für jene Bereiche, in denen der Bund Aufgaben und Kompetenzen wahrnimmt (Grundsatz der schonenden Kompetenzausübung). Zudem sind die Kantone grundsätzlich frei, Aufgaben, welche die Bundesverfassung nicht dem Bund zuweist oder die der Bund nicht ausübt, wahrzunehmen.

­

Die Organisationsautonomie schützt die Kantone vor übermässigen Eingriffen des Bundes in kantonale Organisationsstrukturen. Dies bedeutet namentlich, dass die Kantone ihre behördlichen und administrativen Strukturen, die Art und Weise ihrer Aufgabenerfüllung sowie den Einsatz ihrer finanziellen Mittel im Wesentlichen selber bestimmen.

Vgl. Saladin, Peter; Kommentar zu Artikel 3 BV, Rz. 55 ff. und 222 ff.

2460

­

Der Bund muss unter dem Stichwort der kantonalen Finanzautonomie dazu beitragen, dass die Kantone über ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben ­ der eigenen und der vom Bund übertragenen ­ verfügen. Nach geltendem Verfassungsrecht ist es unbestritten, dass der Bund das Steuersubstrat der Kantone zu schonen hat (Art. 46 Abs. 3 sowie Art. 128 Abs. 2 BV). Selbstverständlich haben auch die Kantone selbst um ausreichende finanzielle Mittel besorgt zu sein, indem sie zum Beispiel das vorhandene Potenzial im Rahmen ihrer Steuerpolitik tatsächlich ausschöpfen.

Die kantonale Eigenständigkeit ist auch dann zu beachten, wenn der Bund seine eigenen Kompetenzen und Aufgaben wahrnimmt. Die Bestimmung lässt erkennen, dass ein Eingriff in den Kern der Autonomie der Kantone gegen die Verfassung verstiesse122.

Artikel 48

Verträge zwischen den Kantonen (Abs. 4­6 neu)

Die Bundesverfassung regelt in Artikel 48 Absätze 1­3 generell die freiwillige vertragliche Zusammenarbeit zwischen den Kantonen sowie eine allfällige Beteiligung des Bundes an solchen Verträgen. Der zusätzlich vorgeschlagene Absatz 4 geht einen substanziellen Schritt weiter und sieht vor, dass der Bund die Kantone auf ihren Antrag hin in gewissen Bereichen, die im Gesetz zu bestimmen sind, zur vertraglichen Zusammenarbeit verpflichten kann.

Das Bundesorgan, das die Kantone zur Zusammenarbeit verpflichten kann, wird auf der Verfassungsstufe bewusst nicht genannt. Im Titel «Bund und Kantone» geht es nur um die Bezeichnung der zuständigen staatlichen Ebene. Die Organzuständigkeit wird dabei in der Regel nicht präzisiert. Sie sind auf Gesetzesstufe zu regeln.

Die Pflicht zur Zusammenarbeit (qua Allgemeinverbindlicherklärung oder Beteiligungspflicht) kann nur in den vom Bundesgesetzgeber abschliessend enumerierten Aufgabenbereichen erfolgen.

Voraussetzung für eine Allgemeinverbindlicherklärung oder Beteiligungspflicht ist stets ein Antrag interessierter Kantone auf Allgemeinverbindlicherklärung eines bestehenden Vertrags oder Vertragsentwurfs bzw. Beteiligungsverpflichtung an einem solchen. Das jeweils notwendige Quorum ist auf Gesetzesebene festzuschreiben.

Absatz 5: Die Übertragung der Befugnis zum Erlass von technischen Normen oder Vollzugsnormen an interkantonale Organe ist verfassungsmässig unbestritten123. Die Frage, ob und inwieweit interkantonalen Organen darüber hinaus Rechtssetzungskompetenzen (im Sinne von Primärnormen) übertragen werden können, war bis anhin umstritten124. Rechtssetzende Normen sind alle generellen und abstrakten Normen, welche natürlichen oder juristischen Personen Pflichten auferlegen bzw.

Rechte einräumen. Zudem regeln sie die Organisation, die Zuständigkeit oder die Aufgaben der Behörden oder des Verfahrens.

122

Vgl. Zimmerli, Ulrich; Bund­Kantone­Gemeinden, in: Zimmerli, Ulrich (Hrsg.); Die neue Bundesverfassung. Konsequenzen für Praxis und Wissenschaft; Bern 2000; S. 52.

123 Vgl. Abderhalden, Ursula; Möglichkeiten und Grenzen der interkantonalen Zusammenarbeit; Fribourg, 1999; S. 71.

124 Vgl. Brunner, Stephan C.; Möglichkeiten und Grenzen regionaler interkantonaler Zusammenarbeit; St. Gallen, Zürich, 2000; S. 131 f.

2461

Im Interesse einer intensiven und effizienten Zusammenarbeit unter den Kantonen sollen interkantonalen Organen Rechtsetzungsbefugnisse übertragen werden können. Die Möglichkeit, interkantonale Organe einzurichten, ist in der nachgeführten Bundesverfassung in Artikel 48 zwar explizit vorgesehen; diese sollen namentlich Aufgaben von regionalem Interesse gemeinsam wahrnehmen können. Um verfassungsrechtliche Klarheit zu schaffen, sollen in Artikel 48 BV, in Anlehnung an die bundesgerichtliche Rechtsprechung, die rechtsstaatlichen Anforderungen an eine solche Delegation umrissen werden: ­

Buchstabe a: Kantonale Organe (Regierung oder Parlament) sollen mittels interkantonaler Verträge interkantonalen Organen nicht mehr Gesetzgebungskompetenzen übertragen können, als sie selbst nach kantonalem Recht haben. Die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an interkantonale Organe muss die Voraussetzungen erfüllen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts für die Delegation solcher Befugnisse generell gegeben sein müssen. Dies bedeutet insbesondere, dass eine Ermächtigung zum Erlass von rechtssetzenden Normen in einem Verfahren beschlossen werden muss, das nach kantonalem Recht für den Erlass von Gesetzen gilt. Daraus folgt, dass die Delegationsnorm dem Referendum unterstehen und sich auf ein bestimmtes, genau umschriebenes Sachgebiet beschränken muss.

­

Buchstabe b: Im Weiteren müssen die grundlegenden Inhalte der Erlasse (d.h. der Gegenstand, das Ziel und das Ausmass bzw. die Leitlinien der an interkantonale Organe delegierten Regelung) in der Delegationsnorm selbst, welche in die Verträge zwischen den Kantonen zu stehen kommt, umschrieben werden. Damit wird sichergestellt, dass die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an interkantonale Organe nur im Rahmen klarer Leitplanken (im Sinne von Auflagen u.a.m.) geschieht.

Was den adäquaten Einbezug kantonaler Parlamente im Rahmen interkantonaler Verhandlungen anbelangt, sind verschiedene Modelle denkbar. Die interkantonale Rahmenvereinbarung hält diesbezüglich fest, dass die Kantonsregierungen verpflichtet sind, ihre Parlamente rechtzeitig und umfassend über bestehende oder beabsichtigte Vereinbarungen im Bereich der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich zu informieren. Im Übrigen bleibt es dem kantonalen Recht vorbehalten, die Mitwirkungsrechte der Parlamente im Bereich der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich zu ordnen. Ob konkret Kantonsparlamente in Vertragsverhandlungen einbezogen werden, haben die einzelnen Kantone zu entscheiden. Die Verfassungen der Kantone Basel-Land und Solothurn sehen entsprechende Mitwirkungsmechanismen explizit vor: Die Parlamente haben das Recht, Kommissionen einzusetzen, die an der Vorbereitung von Verträgen partizipieren, welche der parlamentarischen Genehmigung unterliegen125. In Artikel 64 litera b und Artikel 65 litera c der neuen Verfassung des Kantons St. Gallen z.B. wird vorgesehen, dass das Kantonsparlament seine Vertretungen in interkantonale und internationale parlamentarische Versammlungen und Kommissionen wählt und Abschluss und Kündigung zwischenstaatlicher Vereinbarungen mit Verfassungs- und Gesetzesrang genehmigt.

125

Art. 64 Abs. 3 Verfassung des Kantons Basel-Landschaft vom 17. Mai 1984, SR 131.222.2; Art. 72 Abs. 2 Verfassung des Kantons Solothurn vom 8. Juni 1986, SR 131.221

2462

In Absatz 6 wird die Normenhierarchie zum Ausdruck gebracht: Internationales Recht beansprucht grundsätzlich Vorrang gegenüber nationalem Recht, Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor und Gleiches gilt für das Verhältnis zwischen interkantonalem und kantonalem Recht. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Grundsatz des Vorrangs des interkantonalen Rechts nicht vorbehaltlos gilt. Insbesondere geht interkantonales Recht gegenüber den vom Bund nach Artikel 51 Absatz 2 BV gewährleisteten Kantonsverfassungen nicht ohne weiteres vor.

Dem interkantonalen Recht kommt gegenüber dem kantonalen Gesetzesrecht derogatorische Kraft zu, d.h. eine unmittelbar rechtsetzende Vereinbarung geht kantonalen Gesetzen und Verordnungen vor. In der Lehre bisher nicht geklärt war das Verhältnis zwischen interkantonalem Recht und kantonalem Verfassungsrecht. Die neue Bestimmung soll auch in dieser Hinsicht gelten. Dieses Verhältnis soll damit gleich beurteilt werden wie dasjenige zwischen Bundesverfassungsrecht und Völkerrecht. Ebenso wie vom Bund abgeschlossene Staatsverträge grundsätzlich dem Bundesverfassungsrecht vorgehen, geht auch das interkantonale Recht dem kantonalen Verfassungsrecht vor.

Der Vorrang des interkantonalen Rechts gegenüber entgegenstehendem kantonalen Recht aller Stufen gewährleistet die Bindungskraft des interkantonalen Rechts. Zudem bringt der Grundsatz auch die Solidarität zwischen den Kantonen zum Ausdruck, die sich verpflichten, interkantonalen Verträgen tatsächlich Nachachtung zu verschaffen. Dies ist ein wichtiges Element eines lebendigen Föderalismus. Kantonale Alleingänge, in bestimmten Fällen interkantonale Abmachungen nicht einzuhalten, würden die interkantonale Zusammenarbeit gefährden. Die ausdrückliche Regelung in Absatz 6 stärkt die Rechtssicherheit.

Artikel 128

Direkte Steuern (Abs. 4)

Artikel 128 Absatz 4, der einen fixen Kantonsanteil am Rohertrag der direkten Bundessteuer und einen bestimmten Anteil davon für den interkantonalen Finanzausgleich festlegt, muss revidiert werden. Da das neue System der Verteilung der Bundeseinnahmen nicht mehr in Abhängigkeit der kantonalen Finanzkraft abgewickelt wird, ist die Passage betreffend den interkantonalen Finanzausgleich zu streichen.

Zudem soll die Höhe des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer entsprechend den Lastenverschiebungen zwischen Bund und Kantonen gemäss Globalbilanz variieren (vgl. Ziff. 7.2.1), um das postulierte finanzielle Gleichgewicht zwischen den beiden Staatsebenen einzuhalten (ohne Einrechnung des Härteausgleichs). Die Kantone sollen jedoch eine verfassungsmässige Garantie haben, dass ihr Anteil an der direkten Bundessteuer mindestens 15 Prozent beträgt.

Artikel 132

Stempelsteuer und Verrechnungssteuer (Abs. 2)

Neu in Absatz 2 ist der Nachsatz «Vom Steuerertrag fallen 10 Prozent den Kantonen zu». Der Kantonsanteil am Ertrag der Verrechnungssteuer kann nun definitiv auf 10 Prozent festgeschrieben werden, nachdem die Übergangsbestimmung in Artikel 196 Ziffer 16 mit der Inkraftsetzung der NFA wegfällt.

2463

Artikel 135

Finanzausgleich (Abs. 1 und 2)

Absatz 2 legt in Form von Zielen die wichtigsten Eckpunkte des Finanzausgleichs fest.

Nach Buchstabe a sollen die Unterschiede zwischen den Kantonen in der finanziellen Leistungsfähigkeit verringert werden. Unter «finanzieller Leistungsfähigkeit» werden die für die Einkünfte eines Kantons massgebenden Ressourcen verstanden (Summe der steuerbaren Einkommen und Vermögen der natürlichen Personen sowie der Gewinne der juristischen Personen). Die Formulierung lässt erkennen, dass alle Kantone von dieser Bestimmung angesprochen sind und beispielsweise nicht nur lediglich die finanziell allerstärksten oder allerschwächsten.

Buchstabe b legt ein mit den Erfordernissen nach Buchstabe a nicht immer leicht zu vereinbarendes weiteres Ziel fest: Der Finanzausgleich soll dafür sorgen, dass die finanziell schwächsten Kantone minimale finanzielle Ressourcen haben, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Das Berücksichtigen dieses Ziels hat zur Folge, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der ressourcenschwachen Kantone einander stärker angeglichen wird als diejenige der ressourcenstarken Kantone.

Buchstabe c bezieht sich anders als Buchstabe a und b nicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit bzw. die Ressourcen, sondern auf zwei besondere Lasten mit Auswirkungen auf die Kantone: geografisch-topografische und soziodemografische Bedingungen. Das erste Kriterium führt den Teilindex «Berggebiet» des bisherigen Finanzkraftindexes in ein systematisch und empirisch besser abgestütztes Kriterium über; das zweite Kriterium bezieht sich auf Belastungen, die seit langer Zeit in verschiedenen Staaten, seit rund zwei Jahrzehnten aber auch in der Schweiz vermehrt spürbar sind und namentlich auch die Kernstädte betreffen.

Buchstabe d erwähnt neben den drei vorgehend erwähnten drei Pfeilern des Finanzausgleichs (Ressourcenausgleich, geografisch-topografischer Lastenausgleich, soziodemografischer Lastenausgleich) auch dessen vierten Pfeiler: die Zusammenarbeit mit Lastenausgleich unter den Kantonen. Die Hauptaufgabe dieses wichtigen vierten Pfeilers liegt bei den Kantonen; der Bund kann hier entsprechend dem Wortlaut bloss fördernd wirken.

Artikel 189

Verfassungsgerichtsbarkeit (Abs. 2 neu)

Der Bundesrat hatte im Rahmen der Justizreform die Einführung einer konkreten Normenkontrolle gegenüber Bundesgesetzen und allgemein verbindlichen Bundesbeschlüssen durch das Bundesgericht vorgeschlagen und dabei die Kontrolle beschränkt auf die Frage der Verletzung der verfassungsmässigen Rechte der Privaten sowie der Verletzung der verfassungsmässigen Zuständigkeiten der Kantone. Das Parlament lehnte die Überprüfung von Bundesgesetzen im Rahmen der Beratungen der Justizreform indessen ab. Der vorliegende Vorschlag geht auf eine Anregung der KdK zurück. Der Bundesrat nimmt das Anliegen auf, indem den Kantonen das Recht eingeräumt werden soll, vom Bundesgericht die Frage der Verletzung der verfassungsmässig gewährleisteten Zuständigkeiten der Kantone durch ein Bundesgesetz überprüfen zu lassen. Er überlässt es hingegen dem Bundesgesetzgeber, die Modalitäten der Normenkontrolle näher zu umschreiben. Im Rahmen der NFA und der damit verbundenen Föderalismusreform kommt der Wahrung der Zuständigkeiten der Kantone eine erhöhte Bedeutung zu. Die hier vorgeschlagene Kontrolle von 2464

Bundesgesetzen erlaubt die Durchsetzung bundesverfassungsrechtlich vorgesehener kantonaler Zuständigkeiten auch gegenüber dem Bundesgesetzgeber.

Auf Stufe Bundesverfassung geschützte kantonale Zuständigkeiten können sich aus der Umschreibung der einzelnen Bundeszuständigkeit ergeben. Beispielhaft sei hier auf Artikel 77 BV verwiesen, der die Zuständigkeit des Bundes im Bereich Wald umschreibt. Danach wird dem Bund die Sorge für die Erfüllung der Schutz-, Nutzund Wohlfahrtsfunktionen des Waldes übertragen und ausgeführt, dass der Bund die Grundsätze über den Waldschutz festlegt und Walderhaltungsmassnahmen fördert.

Nach der Konzeption des NFA handelt es sich hier um einen so genannten Verbundbereich, d.h. um einen Bereich der gemeinsamen Aufgabenerfüllung von Bund und Kantonen. Der NFA legt im Interesse einer effizienten und partnerschaftlichen Kooperation von Bund und Kantonen grosses Gewicht auf eine klare Rollenteilung bei der Aufgabenerfüllung. Dabei soll sich der Bund nach Möglichkeit auf die Regelung der Grundsätze und Ziele beschränken. Im Gegenzug soll den Kantonen bei der Erreichung der Ziele eine erhebliche Eigenständigkeit, insbesondere im Mitteleinsatz, zugestanden werden. Soweit Artikel 77 BV den Bund auf die Festlegung von Grundsätzen und die Förderung von Walderhaltungsmassnahmen beschränkt, erscheint eine Begrenzung der Bundeszuständigkeit und eine substanzielle kantonale Eigenständigkeit bereits auf Bundesverfassungsstufe angelegt. Gegenstand der hier vorgeschlagenen bundesgerichtlichen Überprüfung könnte nun gerade die Frage sein, ob die bundesgesetzliche Ausgestaltung der Aufgabenerfüllung, d.h. konkret das Waldgesetz, diese verfassungsrechtliche Grenzziehung zwischen Bundes- und kantonaler Zuständigkeit einhält.

Verfassungsrechtliche Anhaltspunkte für die Rollenteilung in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen ergeben sich zudem aus den allgemeinen Verfassungsbestimmungen über das Verhältnis von Bund und Kantonen126. Hier dürfte allerdings die Justiziabilität an Grenzen stossen. Soweit die allgemeinen Grundsätze den Charakter von Prinzipien oder Maximen haben, lassen sich ihnen wohl kaum verbindliche Vorgaben für den Einzelfall entnehmen.

Was das Verfahren betrifft, so beabsichtigt der Bundesrat, die Überprüfung von Bundesgesetzen im Rahmen der staatsrechtlichen Klage
zu regeln127, also im Rahmen der Klage vor Bundesgericht gemäss der Terminologie des Entwurfs für eine Totalrevision der Bundesrechtspflege128. Die staatsrechtliche Klage weist nämlich vier Vorzüge auf. Erstens ist sie der normale Weg zur Regelung von Kompetenzkonflikten zwischen Bund und Kantonen129. Zweitens ermöglicht sie es, einzig dem Bundesgericht die Kompetenz zur Überprüfung der Verfassungsmässigkeit von Bundesgesetzen vorzubehalten. Drittens erlaubt sie den Kantonen, direkt ans Bundesgericht zu gelangen. Damit wird das Erfordernis der Ausschöpfung sämtlicher Rechtsmittel vermieden, ein Erfordernis, das sinnlos wäre, da weder die kantonalen Gerichte noch die erstinstanzlichen Bundesgerichte (namentlich das künftige Bundesverwaltungsgericht) die Verfassungsmässigkeit von Bundesgesetzen überprüfen 126

Vgl. die Ausführungen in dieser Botschaft zu den Verbundaufgaben und Programmvereinbarungen sowie zu den Grundsätzen der Zuweisung und Erfüllung von Aufgaben im Bundesstaat, Ziffern 2 und 3.

127 Vgl. Art. 83 des Bundesrechtspflegegesetzes, OG; SR 173.110.

128 Vgl. Art. 106 Entwurf Bundesgerichtsgesetz in der Fassung der Botschaft vom 28. Februar 2001.

129 Vgl. Art. 83 Bst. a OG.

2465

könnten. Viertens ist die staatsrechtliche Klage ein besonderes Rechtsmittel, das der Gesetzgeber ohne weiteres auf die Besonderheiten der Kontrolle der Verfassungsmässigkeit von Bundesgesetzen abstimmen kann, indem er zum Beispiel eine Klageanhebungsfrist festlegt.

Obwohl der Bundesrat sich dafür ausspricht, dass die Kontrolle der Bundesgesetze im Rahmen der staatsrechtlichen Klage vorgenommen werden soll, überlässt es die von ihm vorgeschlagene Verfassungsbestimmung dem Bundesgesetzgeber, die Form, in der die Kantone ans Bundesgericht gelangen können, festzulegen. Der Gesetzgeber ist somit frei, die Form der staatsrechtlichen Klage oder die Form der Beschwerde zu wählen. Sache des Gesetzgebers wird es auch sein zu entscheiden, ob die Kantone ein Bundesgesetz direkt anfechten können (abstrakte Normenkontrolle) oder ob sie dazu nur anlässlich eines Anwendungsaktes (konkrete Normenkontrolle) befugt sind. Da der vorliegende Entwurf ­ im Gegensatz zum Entwurf zur Justizreform ­ die Kontrolle der Verfassungsmässigkeit von Bundesgesetzen auf gesetzgeberische Kompetenzkonflikte zwischen Bund und Kantonen beschränkt, hält es der Bundesrat für unnötig und unzweckmässig, bereits auf Verfassungsstufe die abstrakte Kontrolle von Bundesgesetzen auszuschliessen. Es muss nämlich vermieden werden, dass die Kantone gezwungen sind, gegenüber einer Privatperson einen Entscheid in Anwendung eines umstrittenen Bundesgesetzes zu treffen, bevor sie diesen Entscheid und das Bundesgesetz vor Bundesgericht anfechten können Ein solches Vorgehen würde die betroffene Privatperson zum Spielball in einem Konflikt machen, an dem sie nicht beteiligt ist. Daher schlägt der Bundesrat mit Artikel 189 Absatz 2 BV eine recht offene Regelung vor, die den Handlungsspielraum des Bundesgesetzgebers nicht unnötig einengt. Allerdings behält diese Bestimmung das Recht, gegen die Verletzung verfassungsmässiger Zuständigkeiten der Kantone durch den Bundesgesetzgeber das Bundesgericht anzurufen, einzig und allein den Kantonen vor.

Privatpersonen sind nicht dazu legitimiert.

Die Einführung der hier vorgeschlagenen Normenkontrolle durchbricht die Regel von Artikel 190 BV-Justizreform (Art. 191 geltende BV), wonach Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend sind. Aber auch ohne
Änderung von Artikel 190 BV-Justizreform lässt sich nicht bestreiten, dass das Bundesgericht nicht an ein Bundesgesetz gebunden ist, wenn es dessen Übereinstimmung mit den Zuständigkeiten, welche die Bundesverfassung den Kantonen gewährleistet, überprüft. Aus dem Wortlaut von Artikel 189 Absatz 2 Buchstabe a BV geht deutlich hervor, dass diese Bestimmung eine lex specialis zu Artikel 190 BV-Justizreform ist. Eine Änderung dieses Artikels, um die Entscheidbefugnis des Bundesgerichts zu präzisieren, rechtfertigt sich umso weniger, als bereits heute eine implizite Ausnahme besteht: stellt nämlich das Bundesgericht fest, dass ein Bundesgesetz das Völkerrecht und insbesondere ein völkerrechtlich garantiertes Grundrecht verletzt, so behält es sich das Recht vor, die Anwendbarkeit dieses Gesetzes im Einzelfall zu verweigern (BGE 125 II 417, 424 f.). Die Hinzufügung einer expliziten Ausnahme könnte die Geltung der impliziten Ausnahme in Frage stellen. Schliesslich rechtfertigt sich eine Regelung der Entscheidbefugnis auch nicht zum Zweck der Klarstellung, dass das Bundesgericht manchmal auf die Aufhebung eines nicht verfassungskonformen Bundesgesetzes verzichten kann, ja dass es bestimmen kann, inwiefern das betreffende Gesetz anwendbar bleibt. Das Bundesgericht hat für sich seit langem eine ähnliche Kompetenz bezüglich kantonaler Gesetze in Anspruch genommen (vgl. BGE 110 Ia 7, 26 f.; 124 Ia 193, 201 f., ständige Praxis). Es besteht kein Grund zur Annahme, dass das Bundes2466

gericht mangels einer expliziten Verfassungsgrundlage eine entsprechende eigene Kompetenz bezüglich Bundesgesetzen verneinen würde.

Insgesamt rundet der vorliegende Vorschlag die im Rahmen des NFA angestrebte Stärkung der Stellung der Kantone in verfahrensrechtlicher Hinsicht ab. Die Einführung einer Normenkontrolle könnte zur Absicherung der angestrebten kantonalen Handlungsspielräume beitragen und vermöchte damit das für den NFA zentrale Subsidiaritätsprinzip zu stärken.

6.5.2

Artikel 60

Erläuterungen zu den aufgabenbezogenen Verfassungsbestimmungen Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee (Abs. 2)

In Absatz 2 wird die Kompetenz der Kantone für die Beschaffung von Teilen der Bekleidung und Ausrüstung gestrichen. Die Beschaffung wird damit auch in diesem Bereich in die integrale Verantwortung des Bundes überführt. Die kantonale Militärhoheit wird nicht tangiert, die Kantone bleiben im Rahmen des Bundesrechts für die Bildung kantonaler Formationen zuständig sowie für die Ernennung und Beförderung der Offiziere dieser Formationen.

Artikel 62

Schulwesen (Abs. 3 neu)

Sonderschulen sind Schulen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, denen der Besuch der Volksschule nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Sonderschulung umfasst aber auch Leistungen in den Bereichen der heilpädagogischen Früherziehung, der pädagogisch-therapeutischen Massnahmen, der Unterkunft und Verpflegung sowie der Transporte.

Im neuen Absatz 3 wird festgehalten, dass die Kantone für eine ausreichende Sonderschulung aller Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen bis längstens zum vollendeten 20. Altersjahr zu sorgen haben. Damit wird ein gegenüber den Kantonen bestehender Individualanspruch aller Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen auf Sonderschulung für eine optimale Förderung und Schulung garantiert.

Mit der Einfügung des neuen Absatzes 3 wird deutlich gemacht, dass die Kantone neu für das gesamte Schulwesen zuständig sind, d.h. sowohl für den Grundschulunterricht als auch für die Sonderschulung. Den Kantonen wird die volle fachliche und finanzielle Verantwortung übertragen. Sie erhalten verfassungsrechtlich die Möglichkeit, das Schulwesen integrativ anzugehen, d.h. eigentliche Spezialschulen nur dann vorzusehen, wenn auch bei Vornahme individueller Sondermassnahmen eine Integration in der Grundschule nicht möglich oder sinnvoll erscheint.

In einigen Kantonen müssen die Rechtsgrundlagen zur Sonderschulung für behinderte Kinder von der Geburt bis zur Primarstufe (heilpädagogische Früherziehung), auf der Kindergartenstufe und im nachobligatorischen Bereich geschaffen bzw. angepasst und in anderen Kantonen müssen gesetzliche Bestimmungen modifiziert oder neu geschaffen werden.

Die Kompetenzen des Bundes bzw. der IV auf dem Gebiet der Sonderschulung entfallen. Der entsprechende Artikel 19 ist aus dem IVG zu streichen.

2467

Artikel 66

Ausbildungsbeihilfen (Abs. 1)

In Absatz 1 wird neu festgehalten, dass der Bund den Kantonen Beiträge für Stipendien und Studiendarlehen ausschliesslich an Studierende von Hochschulen und anderen höheren Bildungsanstalten gewähren kann. Mit anderen Worten wird die heutige Bestimmung, wonach der Bund generell für Stipendien und Ausbildungsbeihilfen aufkommt, gestrichen. Das heisst, dass bis und mit Sekundarstufe II die Kantone für diesen Bereich zuständig sind und im Rahmen dieser Kompetenzordnung frei sind, hierfür Stipendien oder Darlehen vorzusehen. Im Bereich der tertiären Ausbildungen, auf die sich der Bund inskünftig konzentrieren will, wird er sich verstärkt an der interkantonalen Harmonisierung beteiligen. In einem Rahmengesetz sollen einige gesamtschweizerisch zentrale Punkte der Ausbildungsbeihilfen als Subventionsvoraussetzungen fixiert werden.

Artikel 75a (neu) Vermessung In Absatz 1 wird festgehalten, dass die Landesvermessung abschliessend Sache des Bundes ist. Diese bildet die Grundlage für alle weiteren geografischen und topografischen Informationen in der Schweiz. Zur Aufgabe der Landesvermessung gehört auch die nationale und internationale Koordination der Vermessungsgrundlagen.

In Absatz 2 wird festgelegt, dass der Bund im Bereich Amtliche Vermessung im Sinne einer strategischen Führung Vorschriften erlässt. Bei der Einführung des ZGB ist für den Bereich Amtliche Vermessung eine dezentrale Organisationsform gewählt worden. Die Ausführung erfolgt meistens durch private, patentierte IngenieurGeometer. Die Eidgenössische Vermessungsdirektion ist vom Bundesrat beauftragt, die Funktion der Oberleitung und Oberaufsicht wahrzunehmen. Diese Aufgabe ist erforderlich, damit im ganzen Gebiet der Eidgenossenschaft Daten und Pläne mit gleicher, der Situation entsprechender hoher Qualität entstehen, welche für die Akteure im Bodenmarkt unabdingbar sind. Die effiziente Koordination der Vermessungswerke an den Kantonsgrenzen und die Realisierung eines einheitlichen BasisDaten-Modells über die ganze Schweiz ist nur mittels einer zentralen, unabhängigen und weisungsbefugten Führungsstelle möglich. Hingegen ist die Realisierung und der Betrieb der Amtlichen Vermessung, welche lokalen Gegebenheiten Rechnung tragen sollen, in Zusammenarbeit mit den Kantonen sicherzustellen (vgl. Ziff. 3).

Die Amtliche Vermessung stützt sich auf
die Grundlagen der Landesvermessung ab.

Nach Absatz 3 kann der Bund im Bereich der Harmonisierung amtlicher Informationen über den Grund und Boden, die so genannte «Landadministration», Vorschriften erlassen. Damit das Mehrzweckkataster genau und zuverlässig ist sowie auch die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse abbildet, ist eine entsprechende Harmonisierung amtlicher Informationen unabdingbar. Dadurch kann der Bund sicherstellen, dass die Aufgaben der Gemeinwesen (Bund, Kantone und Gemeinden) auf effiziente Weise erfüllt werden können und die Akteure im Bodenmarkt nachgeführte, verifizierte und vollständige Informationen erhalten.

2468

Artikel 82

Strassenverkehr (Abs. 3)

Die Kompetenz, in Ausnahmefällen eine Gebührenerhebung für öffentliche Strassen zu bewilligen, liegt heute beim Parlament. Neu soll diese Kompetenz dem Bundesrat übertragen werden. Dadurch soll das Verfahren zur Einführung von «Road pricing»Projekten vereinfacht und beschleunigt werden. Für die neu zu schaffenden Zweckverbände für den Agglomerationsverkehr stellt das «Road pricing» ein mögliches zusätzliches Finanzierungsinstrument dar (vgl. Ziff. 6.1.4.4.3).

Artikel 83

Nationalstrassen (Abs. 2 und 3)

Der Begriff «Bau» in Absatz 2 erfasst Ausbauten auf dem bestehenden Netz (z. B.

Ausbau einer bestimmten Strecke auf sechs Spuren) und allenfalls Neubauten von Verbindungen, die neu ins Netz aufgenommen werden. Die Fertigstellung des beschlossenen Netzes wird demgegenüber in der Übergangsbestimmung geregelt (Art. 197 Ziff. 2). «Unterhalt» meint die Erhaltung des gebauten Werkes in seiner Substanz, und unter «Betrieb» versteht man alle Massnahmen, die der Betriebsbereitschaft, der Sicherheit, der Verkehrslenkung und der Verkehrsinformation dienen.

Die Erfüllung dieser Aufgaben samt Finanzierung geht vollständig auf den Bund über. Der Zeitpunkt und die Modalitäten werden auf Gesetzesstufe festgelegt. Das Gesetz wird ebenfalls die Frage des Eigentums an den Nationalstrassen beantworten.

Nach der heutigen Regelung sind die Kantone Eigentümer. Es ist beabsichtigt, das Eigentum auf den Bund zu übertragen, weil das die Aufgabenerfüllung in vielen Bereichen erleichtert, zumal etliche Rechte und Pflichten mit dem Eigentum eng verbunden sind (z.B. Werkeigentümerhaftung, Nachbarrecht, Abschluss von Verträgen, Erteilung von Rechten, Bauherrenrechte). Die Raststätten sind davon nicht betroffen, sie fallen schon heute in die ausschliessliche Kantonszuständigkeit.

Der Bund kann diese Aufgaben nicht selber vollständig wahrnehmen. Er wird Teile davon Dritten übertragen. Das können Private, Kantone oder auch gemischte Trägerschaften sein. Der Bund muss aber für alle Aufgabengebiete die Steuerung behalten, wobei die Kantone in einer noch zu bestimmenden Form miteinbezogen werden.

Absatz 3 ist zu streichen, weil die Nationalstrassen ­ soweit hier bedeutsam ­ nicht mehr eine Verbundaufgabe sind, sondern in die alleinige Zuständigkeit des Bundes fallen. Hingegen ist der Inhalt sinngemäss in die erwähnte Übergangsbestimmung aufzunehmen.

Artikel 86

Verbrauchssteuer auf Treibstoffen und übrige Verkehrsabgaben (Abs. 3 Bst. b, bbis, c, e und f)

Der Buchstabe b wird abgeändert: Die Förderung von Massnahmen «zur Trennung des Verkehrs» wird nicht mehr explizit erwähnt, denn die NFA weist die Zuständigkeit für Verkehrstrennungsmassnahmen grundsätzlich den Kantonen zu. In Städten und Agglomerationen jedoch können solche Massnahmen Bestandteil ganzheitlicher Verkehrskonzepte sein, die vom Bund neu in begrenztem Rahmen gefördert werden können (vgl. Ziff. 6.1.4.4.3). Dementsprechend wird in einem neuen Buchstaben bbis der weitergefasste Förderungstatbestand «Verbesserung des Verkehrsablaufs in Städten und Agglomerationen» verwendet. In diesem Rahmen ist es angebracht, die

2469

Verwendung zweckgebundener Mittel nicht an die konkrete Baumassnahme (bestimmtes Verkehrstrennungsprojekt), sondern an das zu erreichende Ziel (Verbesserung des Verkehrsablaufs) zu binden. Dies wird mit der vorliegenden Formulierung erreicht.

Der Buchstabe c erhält eine neue Fassung. Bisher konnte der Bund nur Beiträge an die Errichtung von Hauptstrassen leisten. Darunter wird der Neu- und Ausbau von Strassen verstanden. Nun wird diese Einschränkung fallen gelassen. Das bedeutet, dass Bundesleistungen auch an den Unterhalt und den Betrieb dieser Strassen erbracht werden können. Hier geht es nur darum, die Verfassungsgrundlage für den erweiterten Subventionsinhalt zu schaffen. Die Ausführungsgesetzgebung wird dann bestimmen, inwieweit dies zum Tragen kommt. Weitere Aspekte wie die Dotierung der Rubrik Hauptstrassen, die Ausgestaltung des Beitragsregimes, die Abgrenzung der schwer finanzierbaren Einzelprojekte (Grossprojekte) und die Programmgestaltung werden auf Gesetzesstufe geregelt.

In Buchstabe e wird die Finanzkraft als Bemessungskriterium gestrichen. In der NFA wird der Finanzausgleich ausschliesslich über das neue Gefäss des Ressourcenausgleichs abgewickelt. Eine Koppelung an anders begründete Mitteltransfers wird dadurch hinfällig.

In Buchstabe f wird der Bereich der internationalen Alpenstrassen als Bemessungskriterium gestrichen. Es handelt sich dabei um eine der ältesten Subventionen. Sie besteht seit 1848. Ursprünglich sollten die Verluste der Alpenkantone ausgeglichen werden, die ihnen durch die Aufhebung der Abgaben für die Benützung bestimmter Strassen und Brücken entstanden sind. Sofern es sich bei den erwähnten Alpenstrassen um Gebirgsnationalstrassen handelt, trägt künftig der Bund die Bau-, Unterhalts- und Betriebskosten. Was die übrigen dem internationalen Verkehr dienenden Alpenstrassen betrifft, wird sich der Bund gemäss neuer Lösung NFA bei schwer finanzierbaren Projekten an den Erstellungskosten beteiligen. Für die Dekkung der Unterhalts- und Betriebskosten können die entsprechenden Kantone Mittel aus dem geografisch-topografischen Lastenausgleich verwenden. Der besonderen Situation der Kantone Appenzell Inner- und Ausserrhoden als Kantone ohne Nationalstrassen wird auch im neuen Verteilschlüssel der nicht werkgebundenen Beiträge Rechnung getragen.

Artikel 112

Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (Abs. 2 Bst. abis, Abs. 3 Bst. b, Abs. 4 und 6)

In Absatz 2 wird zur Verdeutlichung aus Artikel 34quater der alten BV das in der Praxis unbestrittene und bewährte Prinzip übernommen, wonach die Leistungen der Versicherung sowohl aus Geld- als auch aus Sachleistungen bestehen können. Eine neue materielle Bedeutung kommt der Beifügung nicht zu.

Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Zentralisierung wird in den Absätzen 3 und 4 konsequenterweise auf die bis heute bestehende Möglichkeit einer Beteiligung der Kantone an der Finanzierung der Versicherung verzichtet.

Der Absatz 6, wonach der Bund die Eingliederung Invalider fördert und Bestrebungen zu Gunsten Betagter, Hinterlassener und Invalider unterstützt, wird gestrichen und im Rahmen der Artikel 112b und 112c wieder aufgenommen.

2470

Artikel 112a (neu) Ergänzungsleistungen Der Grundsatz, wonach Bund und Kantone Beiträge an die Finanzierung von Ergänzungsleistungen ausrichten, solange die AHV den Existenzbedarf nicht deckt, wird ins ordentliche Verfassungsrecht überführt. Demzufolge kann Artikel 196 Ziffer 10 BV (Übergangsbestimmungen zu Art. 112) gestrichen werden.

Mit der 10. AHV-Revision wurde neu festgelegt, dass Ergänzungsleistungen zu Gunsten der Berechtigten (Betagte, Hinterlassene, Invalide) auch dann ausgerichtet werden können, wenn zu diesem Zeitpunkt noch kein Anspruch auf AHV-/IVLeistungen besteht (BG über die Ergänzungsleistungen: revidierte Artikel 2a, 2b und 2c, jeweils Buchstabe b). Die Formulierung von Artikel 112a BV trägt dieser Gesetzesrevision Rechnung, indem die Verfassung dem Gesetzgeber die Möglichkeit einräumt, dass Ergänzungsleistungen auch dann ausgerichtet werden können, wenn eine Person keinen Anspruch auf Leistungen der AHV oder IV verfügt.

Artikel 112b (neu) Förderung der Eingliederung Invalider In diesem Artikel werden die Aufgaben des Bundes, die Ausrichtung individueller IV-Leistungen, und jene der Kantone, der Bau und Betrieb von Heimen zur Eingliederung Invalider, geregelt.

Im Rahmen der vorliegenden Reform beschränkt sich die Neuverteilung der Aufgabe auf den Bereich der Eingliederung Invalider, d.h. erwerbsunfähiger Personen im Sinne der Invalidenversicherung.

Absatz 1 hälft fest, dass der Bund die Eingliederung Invalider durch die Ausrichtung von Geld- und Sachleistungen fördert. Damit wird verfassungsrechtlich der Grundsatz verankert, wonach der Bund für die individuellen Leistungen gemäss IVG verantwortlich ist.

Demgegenüber wird in Absatz 2 der Grundsatz verankert, wonach die Kantone die Eingliederung Invalider namentlich durch Beiträge an den Bau und Betrieb von Institutionen, die dem Wohnen und dem Arbeiten dienen, fördern. Mit anderen Worten wird damit der verfassungsrechtliche Grundsatz verankert, wonach die Kantone für kollektive Leistungen zu Gunsten Invalider aufzukommen haben.

In Absatz 3 wird dem Bund die Kompetenz für eine Rahmengesetzgebung eingeräumt, indem er die Eingliederungsziele und, so weit nötig, Anforderungen an die kantonalen Behindertenkonzepte und deren Begutachtung konkretisiert.

Artikel 112c (neu) Betagten -und Behindertenhilfe Der Bereich «Hilfe und
Pflege» gehört nicht zum Aufgabenbereich des Bundes.

Hierfür sind gemäss Absatz 1 die Kantone zuständig.

Dem Bund kommt im Bereich der Betagten- und Behindertenhilfe gemäss Absatz 2 eine subsidiäre Rolle zu, indem er Bestrebungen von sprachregionaler oder gesamtschweizerischer Bedeutung zu Gunsten Betagter und Behinderter unterstützen kann.

Die Umschreibung «Behinderte» umfasst, im Unterschied zur IV, auch jene Personen, die z.B. nicht mehr im erwerbsfähigen Alter stehen oder deren Behinderung keine Auswirkungen auf ihre Erwerbsfähigkeit im Sinne der IV hat. Auf der Grundlage dieser Verfassungsbestimmung kann der Bund Programme zur Integration Be2471

hinderter im Sinne des Entwurfs eines Behindertengleichstellungsgesetzes durchführen130.

Artikel 123

Strafrecht (Abs. 2)

Absatz 2 räumt dem Bund die Kompetenz ein, auf dem Gebiet des Straf- und Massnahmenvollzugs Vorschriften zu erlassen. Bis heute besteht kein Konsens in der Frage, wie weit der Bund die Kompetenz hat, Strafvollzugsgrundsätze zu erlassen.

Die vorgeschlagene Änderung bringt die erwünschte verfassungsrechtliche Klarheit: Mit der gewählten Formulierung wird eine konkurrierende, nachträglich derogierende Kompetenz des Bundes geschaffen. Die Kann-Formulierung signalisiert, dass dem Bund in Bezug auf das «ob» seines Handelns ein gewisser Ermessungsspielraum zusteht, den er braucht, um auf kantonale Anliegen Rücksicht zu nehmen.

Artikel 196 Ziffer 10

Übergangsbestimmung zu Artikel 112 (Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung)

Die Übergangsbestimmung kann gestrichen werden. Siehe dazu den Kommentar zu Artikel 112a (neu).

Artikel 196 Ziffer 16

Übergangsbestimmung zu Artikel 132 (Kantonsanteil an der Verrechnungssteuer)

Diese Übergangsbestimmung regelt den Kantonsanteil am Ertrag der Verrechnungssteuer bis zur Neuordnung des Finanzausgleichs, d.h. mit der Inkraftsetzung der NFA entfällt sie. Der Kantonsanteil von definitiv 10 Prozent wird neu in Artikel 132 Absatz 2 festgeschrieben.

Artikel 197 Ziffer 1

Übergangsbestimmung zu Artikel 83 (Nationalstrassen)

Die Fertigstellung des beschlossenen Netzes ist eine auslaufende, mithin befristete Aufgabe. Die entsprechende Regelung gehört daher in die Übergangsbestimmungen.

Auf diese Weise wird auch klar gezeigt, welcher Bereich vorderhand eine Verbundaufgabe bleibt und welcher in die vollständige Zuständigkeit des Bundes fällt (vgl.

Art. 83). Es werden ausserdem verschiedene übergangsrechtliche Probleme zu lösen sein, weil die Fertigstellung des beschlossenen Netzes sowie Ausbauten auf dem bereits gebauten Netz und Neubauten auf Verbindungen, die noch nicht im Netz enthalten sind, sich zeitlich überlagern können. Dieser Trennung der Aufgabenerfüllung wird in der Ausführungsgesetzgebung ein besonderes Augenmerk geschenkt.

130

Vgl. hierzu die Botschaft des Bundesrates zur Volksinitiative «Gleiche Rechte für Behinderte» und zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Beseitigung von Benachteiligungen behinderter Menschen vom 11. Dezember 2000, Art. 12 und 13; BBl 2001 1715.

2472

6.6

Erläuterungen zum Bundesgesetz über den Finanzausgleich

6.6.1

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1

Gegenstand

Artikel 1 enumeriert die Instrumente des Finanzausgleichs: den Ressourcenausgleich, den geografisch-topografischen und soziodemografischen Lastenausgleich sowie die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich. Nicht aufgeführt wird hier der Härteausgleich, da es sich bei ihm nicht um ein dauerhaftes Instrument handelt. Der Härteausgleich dient lediglich der Abfederung des Systemwechsels vom heutigen zum neuen Finanzausgleich und ist befristet (vgl. Erläuterungen zu Art. 18 sowie Ziff. 5.7 der Botschaft).

Die Instrumente orientieren sich an den von der NFA anvisierten Zielen des Finanzausgleichs im engeren Sinn gemäss Artikel 135 BV.

Artikel 2

Ziele

Nicht alle den Finanzausgleich im engeren Sinn betreffenden Ziele sind in der Bundesverfassung in der entsprechenden Ziffer 135 festgehalten. Auch die Artikel 47, 48 und 50 BV enthalten Normen, die den Finanzausgleich im engeren Sinn direkt oder indirekt betreffen. Die Ziele werden deshalb im FAG nochmals aufgenommen und in Artikel 2 zusammengefasst: Stärkung der kantonalen Finanzautonomie, Verringerung der Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit und in der Steuerbelastung, Erhaltung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit der Kantone, Gewährleistung minimaler finanzieller Ressourcen für alle Kantone, Ausgleich der übermässigen Lasten der Kantone auf Grund ihrer geografisch-topografischen und soziodemografischen Bedingungen, Gewährleistung eines angemessenen interkantonalen Lastenausgleichs.

6.6.2

Artikel 3

2. Abschnitt: Ressourcenausgleich durch Bund und Kantone Ressourcenpotenzial

Weil beim Ressourcenpotenzial stets auf den Pro-Kopf-Wert abzustellen ist, wird es in Absatz 1 gleich als Pro-Kopf-Wert definiert.

Absatz 2 enthält die Elemente des Ressourcenpotenzials. Wesentlich ist, dass bei der künftigen Bemessung der Ausgleichsbetreffnisse nicht auf die von den Kantonen effektiv erzielten Einnahmen, sondern auf die fiskalisch ausschöpfbaren Ressourcenpotenziale abgestellt wird. Damit wird auch bei der Bemessung des Finanzausgleichs dem Postulat Rechnung getragen, dass sich die Besteuerung an der Leistungsfähigkeit der Steuersubjekte zu orientieren hat. Mit dem Ansatz, auf das Ressourcenpotenzial abzustellen, wird zugleich ein Anreiz zur Ausschöpfung dieses Potenzials geschaffen.

2473

Während bei den Buchstaben a und c (steuerbare Einkommen bzw. Gewinne) auf das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer verwiesen werden kann, fehlt bei Buchstabe b (Vermögen) ein solcher Verweis. Das kommt daher, dass der Bund keine Vermögenssteuer erhebt und damit heute auch gesamtschweizerisch harmonisierte Grundlagen fehlen. Auf die Einführung der NFA hin wird jedoch eine gesamtschweizerisch einheitliche Vermögensstatistik erarbeitet (vgl. Ziff. 5.5.1.2 der Botschaft), welche es dem Bundesrat erlauben wird, die Grundlagen zur Bestimmung der Vermögenspotenziale der Kantone detailliert festzulegen.

Die in Absatz 3 erwähnte Freigrenze bei der Einkommensbemessung der natürlichen Personen ist mit der Respektierung des Leistungsfähigkeitsprinzips zu begründen (vgl. Ziff. 5.5.1.1.2 der Botschaft). Sie trägt damit der progressiven Ausgestaltung der Einkommensbesteuerung Rechnung.

Das Vermögen der natürlichen Personen umfasst ebenfalls das Kapital der juristischen Personen, sodass dieses nicht noch zusätzlich erfasst werden muss. Beim Vermögen handelt es sich um eine Bestandesgrösse, während die Einkommen und Gewinne Flussgrössen darstellen. Bestandes- und Flussgrössen können nicht ohne weiteres zu einer Gesamtsumme aufaddiert werden. Deshalb soll nur jener Teil des Vermögens in das Ressourcenpotenzial eingerechnet werden, der besteuert werden kann, ohne dass sich die Vermögenssubstanz vermindert. Es soll also nur der Vermögenszuwachs berücksichtigt werden. Deshalb werden die ausgewiesenen VermöJHQ QXU LP $XVPDVV HLQHV )DNWRUV HLQJHUHFKQHW YJO =LII 5.5.1.1.2 der Botschaft).

Holding- und Verwaltungsgesellschaften werden durch die Kantone gemäss Steuerharmonisierungsgesetz privilegiert besteuert. Diesem Umstand wird bei der Bestimmung des Ressourcenpotenzials Rechnung getragen, indem nur ein bestimmter AnWHLO GLHVHU *eZLQQH EHU FNVLFKWLJW ZLUG YJO =LII 5.5.1.1.2 der Botschaft).

Gemäss Absatz 4 wird bei der jährlichen Ermittlung der Ressourcenpotenziale jeweils auf die Durchschnitte der Basisdaten der letzten drei verfügbaren Jahre abgestellt. Damit sollen die teilweise recht bedeutenden jährlichen Schwankungen geglättet werden.

Absatz 5 legt das Kriterium für die Einteilung in die Kategorien der Zahler- und Empfängerkantone fest. Da gemäss Absatz 1 das Ressourcenpotenzial nur die fiskalisch
ausschöpfbaren (eigenen) Ressourcen berücksichtigt, verstehen sich die Attribute «ressourcenstark» und «ressourcenschwach» in Absatz 5 vor erfolgtem Finanzausgleich.

Artikel 4

Finanzierung des Ressourcenausgleichs

Nach Absatz 1 finanzieren der Bund und die ressourcenstarken Kantone gemeinsam den Ressourcenausgleich.

Absatz 2 fordert, dass der Beitrag der ressourcenstarken Kantone mindestens zwei Drittel der Leistung des Bundes betragen, die Bundesleistung jedoch nicht übersteigen soll. Damit soll die Bandbreite eines vertretbaren Verhältnisses zwischen den Beitragsleistungen des Bundes und der Kantone festgeschrieben werden. Auf Grund der Präzisierung «jährliche Gesamtleistung» genügt es nicht, den Mindestbeitrag der ressourcenstarken Kantone von zwei Dritteln der Bundesleistung nur im Vierjahresdurchschnitt (vgl. Erläuterungen zu Art. 5) zu erreichen. Im Interesse eines konti-

2474

nuierlichen Disparitätenabbaus muss der Mindestbeitrag der ressourcenstarken Kantone auch für jedes einzelne Jahr respektiert sein.

Artikel 5

Festlegung der Mittel für den Ressourcenausgleich

Die politische Steuerung des Finanzausgleichs obliegt dem eidgenössischen Parlament. Dieses legt jeweils einen für eine Periode von vier Jahren geltenden Grundbeitrag der ressourcenstarken Kantone und des Bundes an den Ressourcenausgleich fest (Absatz 1). Es stützt sich dabei auf die Ergebnisse des Berichts über die Wirkungen des Finanzausgleichs (Art. 17), der dem Parlament alle vier Jahre vorgelegt wird.

Um eine Abwanderung von Steuersubstrat ins Ausland nach Möglichkeit zu vermeiden, trägt das Parlament bei der Neufestsetzung des Gesamtbeitrags der ressourcenstarken Kantone jeweils auch der internationalen Konkurrenzfähigkeit der kantonalen Steuersätze Rechnung. Gegen eine übermässige Mittelabschöpfung bei den ressourcenstarken Kantonen enthält das Gesetz zudem eine institutionelle Sicherung, indem der Grundbeitrag der ressourcenstarken Kantone mit einem dem Referendum unterstehenden Bundesbeschluss festgelegt wird. Schliesslich wird im Rahmen des periodisch zu erstellenden Wirkungsberichts jeweils aufzuzeigen sein, wie sich die vom Parlament beschlossene Abschöpfung im horizontalen Ressourcenausgleich auf die Attraktivität und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Zahlerkantone auswirkt. Das Parlament wird mit anderen Worten im Sinne einer Güterabwägung jeweils zu beurteilen haben, inwieweit ein Ausbau des horizontalen Finanzausgleichs zwecks Annäherung der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Steuerbelastung der Kantone mit dem Postulat der Erhaltung international konkurrenzfähiger Steuersätze vereinbar ist.

Damit innerhalb der Vierjahresperiode eine reale Rückbildung des Ressourcenausgleichs vermieden werden kann, gibt Absatz 2 dem Bundesrat die Kompetenz, die Mittel für den Ressourcenausgleich jährlich anzupassen. Dabei soll die Entwicklung des Ressourcenpotenzials berücksichtigt werden, mit dem Effekt, dass der Finanzausgleich im Ausmass des Wachstums der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone angepasst wird. Die näheren Kriterien für diese Anpassung werden in der Verordnung festzulegen sein.

Absatz 3 regelt, wie die gesamte Finanzierungsleistung auf die einzelnen ressourcenstarken Kantone aufgeteilt wird. Der erwähnte Prozentsatz der Differenz zwischen ihren massgebenden eigenen Ressourcen pro Einwohnerin oder Einwohner und dem schweizerischen Durchschnitt ergibt sich in
Abhängigkeit des gemäss Artikel 5 festgelegten Gesamtbeitrags der ressourcenstarken Kantone.

Die für die Bemessung seiner Ausgleichszahlungen massgebenden Ressourcen eines Kantons berechnen sich gemäss den Erläuterungen zu Artikel 6 Absatz 3.

Selbstverständlich wird auch für die Bestimmung der kantonsweisen Betreffnisse des Ressourcenausgleichs ­ wie bei allen solchen Verteilungen ­ auf einen institutionalisierten Verteilschlüssel abgestellt. Beim Ressourcenausgleich kommt dabei der so genannte Ressourcenindex zur Anwendung, wie er in Ziffer 5.5.1 der Botschaft eingehend beschrieben ist. Auf den Begriff «Ressourcenindex» kann im neuen Finanzausgleichsgesetz jedoch verzichtet werden, denn der Ressourcenindex eines Kantons drückt nichts anderes aus als die Höhe seines Ressourcenpotenzials (pro 2475

Einwohnerin oder Einwohner) im Vergleich zum durchschnittlichen Ressourcenpotenzial aller Kantone.

Artikel 6

Verteilung der Mittel des Ressourcenausgleichs

Da das Ressourcenpotenzial der Kantone jährlich neu bemessen wird (Art. 3 Abs.

4), muss auch die Verteilung der Mittel des Ressourcenausgleichs jährlich neu festgelegt werden. Dafür soll gemäss Absatz 1 der Bundesrat zuständig sein.

Bei dieser Verteilung werden die besonders ressourcenschwachen Kantone «besonders begünstigt». Dieser Forderung soll entsprochen werden, indem für die Verteilung der Mittel des Ressourcenausgleichs unter den Kantonen eine progressive Skala angewandt wird: Je geringer das Ressourcenpotenzial eines ressourcenschwachen Kantons ist, desto mehr Mittel aus dem Ressourcenausgleich erhält er pro Einwohnerin oder Einwohner. Eine solcherart progressive Verteilung ermöglicht eine stärkere Konzentration der Ausgleichsmittel auf die ressourcenschwächsten Kantone. Durch die Festlegung des Progressionsverlaufs kann zudem das politisch erwünschte Umverteilungsvolumen mit Blick auf einzelne Kantonsgruppen gezielt gesteuert werden.

In Absatz 2 wird festgehalten, dass die Mittel des Ressourcenausgleichs wie jene des Lastenausgleichs durch den Bund (Art. 9 Abs. 4) und des Härteausgleichs (Art. 18 Abs. 7) den Kantonen ohne Zweckbindung ausgerichtet werden.

In Absatz 3 wird festgehalten, welche minimalen finanziellen Ressourcen jeder Kanton nach erfolgtem Finanzausgleich nach Möglichkeit aufweisen soll.

Wesentlich ist zum einen, dass es sich bei den 85 Prozent des schweizerischen Durchschnitts um ein anzustrebendes und nicht um ein zwingend zu erreichendes Ziel handelt. Der Grund liegt darin, dass durch die eidgenössischen Räte für den Ressourcenausgleich der folgenden vier Jahre jeweils ein Gesamtbetrag festgelegt wird (Art. 5). Je nach Konstellation der gemäss Artikel 3 Absatz 4 jährlich neu zu bemessenden Ressourcenpotenziale der einzelnen Kantone kann deshalb die Erreichung des Mindestausstattungsziels von 85 Prozent des schweizerischen Durchschnitts nicht für alle Kantone und jedes Jahr gewährleistet werden.

Zentral ist im Weiteren, wie die Zielerreichung gemessen wird: In diesem Zusammenhang sind einmal die so genannten «massgebenden eigenen Ressourcen» von Bedeutung. Zu den Ressourcenpotenzialen (= Bemessungsgrundlagen) lassen sich effektive Ausgleichszahlungen nicht addieren oder subtrahieren. Um zu eruieren, wie sich die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kantone durch den
Finanzausgleich verändert, musste deshalb eine Hilfsgrösse entwickelt werden, die so genannten «standardisierten Steuererträge». Dafür wird im Gesetz der weniger technische Begriff «massgebende eigene Ressourcen» verwendet. Die standardisierten Steuererträge eines Kantons entsprechen den von ihm erzielbaren Steuererträgen unter der Bedingung, dass alle Kantone ihre unterschiedlichen Ressourcenpotenziale identisch ausschöpfen.

Weiter ist entscheidend, was zur Bestimmung der Zielerreichung angerechnet wird.

Nebst den massgebenden eigenen Ressourcen sind es die in Artikel 2 Buchstabe d erwähnten Ausgleichsleistungen aus dem Ressourcenausgleich. Angerechnet werden zudem die Härteausgleichszahlungen. Weil aber der Härteausgleich nicht ein dauerhaftes Instrument darstellt, ist seine Anrechnung in den Übergangsbestimmungen, 2476

konkret in Artikel 18 (Abs. 8), verankert. Die Härteausgleichszahlungen werden deshalb angerechnet, weil es sich dabei ­ wie beim Ressourcenausgleich ­ um Zahlungen handelt, die weder an bestimmte Leistungen gebunden noch durch übermässige Lasten begründet sind. Die Anrechnung des Härteausgleichs ist auch deshalb gerechtfertigt, weil die damit ausgelösten Zahlungen gerade für ressourcenschwache Kantone den Systemwechsel zur NFA tragbar machen sollen.

6.6.3

Artikel 7

3. Abschnitt: Geografisch-topografischer und soziodemografischer Lastenausgleich durch den Bund Geografisch-topografischer Lastenausgleich

Der Finanzausgleich könnte auf den Ressourcenausgleich beschränkt werden, wenn die Ausgabenlast pro Kopf der Bevölkerung für alle Kantone ähnlich hoch wäre.

Dem ist aber nicht so. Zu berücksichtigen sind hauptsächlich zwei Arten von übermässigen Lasten: geografisch-topografische und soziodemografische. Die geografisch-topografisch bedingten übermässigen Lasten sind als Ausgleichstatbestand in Absatz 1 angesprochen.

Absatz 2 legt die hauptsächlichen Kennzeichen für geografisch-topografische bedingte übermässige Lasten fest. Die einzelnen Indikatoren sind auf Verordnungsstufe festzulegen.

Artikel 8

Soziodemografischer Lastenausgleich

Absatz 1 spricht den Ausgleichstatbestand der übermässigen soziodemografisch bedingten Lasten an.

Wie in Artikel 7 betreffend den geografisch-topografischen Lastenausgleich legt Absatz 2 die hauptsächlichen Kennzeichen für soziodemografisch bedingte übermässige Lasten fest. Auch dafür sind die einzelnen Indikatoren auf Verordnungsstufe festzulegen.

Absatz 3 ewähnt als weiteren Tatbestand einer übermässigen Last eines Kantons die Belastung der Städte und Agglomerationen. Dieses Kriterium wird deshalb gesondert angefügt, weil der Bemessungsperimeter hier nicht wie bei den Kriterien gemäss Absatz 2 der Kanton, sondern die Agglomeration ist.

Die Verordnung wird die genauen Kriterien für die Berücksichtigung der Agglomerationen festlegen. Es sollen einzig die Agglomerationen von nationaler und internationaler Bedeutung berücksichtigt werden, in Anlehnung an den Bericht des Bundesrates vom 22. Mai 1996 über die Grundzüge der Raumordnung Schweiz131.

131

BBl 1996 III 556, S. 596

2477

Artikel 9

Festlegung und Verteilung der Mittel

Analog dem Verfahren beim Ressourcenausgleich wird auch für die beiden Lastenausgleichsgefässe alle vier Jahre je ein Grundbeitrag festgelegt; dies ebenfalls mit einem dem Referendum unterstehenden Bundesbeschluss durch das eidgenössische Parlament (Absatz 1) und gestützt auf den Wirkungsbericht gemäss Artikel 17. Auch der Lastenausgleich wird somit politisch gesteuert werden können.

Beim geografisch-topografischen und soziodemografischen Lastenausgleich sollen die Gesamtbeträge ebenfalls jährlich durch den Bundesrat angepasst werden, wobei in diesem Fall auf die Teuerung abzustellen sein wird. Näheres wird auch hier auf Verordnungsstufe zu regeln sein.

Die genauen Kriterien für übermässige geografisch-topografisch bzw. soziodemografisch bedingte Lasten werden in der Verordnung festgelegt (Abs. 3).

In Absatz 4 wird festgehalten, dass die Mittel des Lastenausgleichs durch den Bund wie jene des Ressourcenausgleichs (Art. 6 Abs. 2) und des Härteausgleichs (Art. 18 Abs. 7) den Kantonen ohne Zweckbindung ausgerichtet werden.

6.6.4

4. Abschnitt: Interkantonale Zusammenarbeit und interkantonaler Lastenausgleich

Artikel 10

Ziele

Ganz allgemein dient die interkantonale Zusammenarbeit einer wirtschaftlichen Aufgabenerfüllung. Gleichzeitig soll eine übermässige Zentralisierung öffentlicher Aufgaben verhindert werden. Insbesondere sollen gesamtschweizerische oder beschränkt gebietsbezogene Entscheidungen und Handlungen ermöglicht werden, ohne dass eine Aufgabe zu einer solchen des Bundes erklärt werden muss.

Hinzuweisen ist auf den Umstand, dass es nach wie vor um kantonale Aufgaben geht, die aber im Verbund mit andern Kantonen erfüllt werden sollen. Damit soll deutlich gemacht werden, dass nicht die Absicht besteht, im bundesstaatlichen Aufbau eine eigenständige vierte Ebene einzuführen.

Zu den Zielen sind folgende Bemerkungen anzubringen: ­

Buchstabe a: Die interkantonale Zusammenarbeit ist notwendig, um eine Mindestversorgung öffentlicher Leistungen sicherzustellen.

­

Buchstabe b: Der Begriff «wirtschaftlich» umfasst die bedarfsgerechte und effiziente Erfüllung kantonaler Aufgaben im Verbund mit anderen Kantonen. Es geht dabei um die richtige Versorgung der Schweiz bzw. einer Region mit öffentlichen Leistungen. Die Kapazitäten müssen richtig dimensioniert sein, damit Über- und Unterkapazitäten vermieden werden. Dagegen stellt die Frage der Effizienz eher die operative Seite der Aufgabenerfüllung dar. Effizient ist eine Aufgabenerfüllung dann, wenn die Leistungserstellung zu insgesamt minimalen Kosten erfolgt. Dies kann namentlich dann erzielt werden, wenn gewisse minimale erforderliche Betriebsgrössen erreicht werden können, wie z.B. bei Spitälern der Spitzenmedizin oder bei Kehrichtverbrennungsanlagen.

2478

­

Buchstabe c besagt, dass eine Abgeltung kantonsübergreifender Leistungen «gerecht» zu erfolgen hat. Dies impliziert namentlich eine angemessene Mitsprache und Mitwirkung der Nachfragerkantone. Das heisst, dass Ausgleichszahlungen stets das Produkt von Verhandlungen zwischen gleichberechtigten Partnern sind.

Bereits BV Artikel 43a befasst sich mit der Gestaltung der Entscheidungszuständigkeiten und der Verteilung der Kosten. Der Aufbau entsprechender kantonaler oder interkantonaler Strukturen für die Aufgabenträger ist auf die tatsächlichen Nutzniesser der öffentlichen Leistungen auszurichten, d.h. auf diejenigen Personen oder Institutionen, welche von den betreffenden Leistungen profitieren. Je stärker und je breiter beispielsweise die Nutzniesser geografisch verteilt sind, desto mehr Argumente sprechen dafür, dass interkantonale Entscheidungszuständigkeiten für die betreffende Aufgabe geschaffen und die Kosten unter den betroffenen Kantonen verteilt werden.

Die Bestimmungen von Artikel 10 richten sich in erster Linie an die Kantone. Sie geben indessen auch dem Bund Anhaltspunkte dafür, ob bei einem interkantonalen Vertrag eine Allgemeinverbindlicherklärung resp. eine Beteiligungspflicht ausgesprochen werden soll.

Artikel 11

Interkantonale Rahmenvereinbarung

Die Buchstaben a­f in Absatz 1 legen fest, welche Inhalte die Rahmenvereinbarung zu regeln hat. Die materielle Ausgestaltung derselben ist jedoch allein Sache der Kantone. Die Rahmenvereinbarung stellt die Basis der Zusammenarbeit dar. Darin einigen sich die Kantone auf grundlegende Fragen wie z.B. die zuständigen Organe, das Beitritts- und Austrittsverfahren oder die möglichen Formen der Zusammenarbeit sowie die interkantonale Streitbeilegung.

Artikel 12

Pflicht zur Zusammenarbeit

In den abschliessend aufgeführten Aufgabenbereichen in Absatz 1 werden jene Aufgabenbereiche enumeriert, in welchen die Kantone vom Bundesrat in Form der Allgemeinverbindlicherklärung (Art. 13) oder der Beteiligungspflicht (Art. 14) zur Zusammenarbeit verpflichtet werden können.

Die Nennung der Aufgabenbereiche auf Gesetzesstufe ist sachgerecht, da der Bund auf die materielle Vertragsausgestaltung nicht Einfluss nimmt, sondern lediglich die normative Wirkung eines interkantonalen Vertrages auf einen oder mehrere Kantone ausdehnt. Dieser neue Ansatz wird durch den neuen Artikel 48 Absatz 4 BV abgesichert.

Die Aufgabenbereiche, die gegebenenfalls einer Pflicht zur Zusammenarbeit unterliegen, werden im Gesetz abschliessend aufgezählt. Dies hat den Vorteil, dass vom Bundesgesetzgeber bei Bedarf eine Modifikation der Aufgabenliste im Gesamtkontext des Finanzausgleichs vorgenommen werden kann. Die eidgenössischen Räte definieren die Eckwerte des Ressourcenausgleichs. Konsequenterweise muss dem gleichen Gesetzgeber auch die Kompetenz eingeräumt werden, die für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich vorgesehenen Aufgabenbereiche aufzuzählen, um ein kohärentes Vorgehen zu gewährleisten.

2479

In den Absätzen 2 und 3 wird festgehalten, dass die Zusammenarbeitspflicht in den aufgeführten neun Bereichen dann greift, wenn eine Allgemeinverbindlicherklärung oder eine Beteiligungspflicht ausgesprochen worden ist. Dabei regeln die Kantone die fachspezifischen Details der Zusammenarbeit in einem bestimmten Aufgabenbereich in entsprechenden interkantonalen Verträgen, wobei die IRV die Basis bildet.

Artikel 13

Allgemeinverbindlicherklärung

Absatz 1: Sowohl bei der Rahmenvereinbarung (Bst. a) sowie generell bei den interkantonalen Verträgen zu den einzelnen Aufgabenbereichen (Bst. b) obliegt es den Kantonen, den entsprechenden Vertragsinhalt im Einzelnen auszuhandeln, wobei die Bestimmungen der Rahmenvereinbarung bzw. des Streitbeilegungsverfahrens für die Vertragspartner oder ­ im Falle der Allgemeinverbindlicherklärung ­ für alle Kantone Geltung haben und nicht mehr wiederholt werden müssen.

Die interkantonalen Rahmenvereinbarungen können ihre Wirkung nur dann optimal entfalten, wenn sie für alle Kantone gelten. Deshalb wird vorgesehen, dass sie ab einem bestimmten Quorum Antrag stellender Kantone vom Bundesrat allgemeinverbindlich erklärt werden können. Dabei ist es letztlich eine politische Frage, wie hoch das Quorum für die Allgemeinverbindlicherklärung der Rahmenvereinbarung angesetzt wird.

Mit Blick auf übergeordnete, gesamtschweizerische Interessen sollen zu kleine Sperrminoritäten verhindert werden. Andererseits gilt es auch, Minderheiten zu schützen und zu verhindern, dass Kantone ohne Not zur Zusammenarbeit verpflichtet werden. Aus diesen Überlegungen soll das entsprechende Quorum für die Antragsstellung zur Allgemeinverbindlicherklärung der interkantonalen Rahmenvereinbarung relativ hoch, das heisst bei 21 Kantonen, festgelegt werden (Bst. a). Interkantonale Verträge, welche in den einzelnen Aufgabenbereichen ausgehandelt und abgeschlossen werden, können auf Antrag von mindestens 18 Kantonen allgemeinverbindlich erklärt werden (Bst. b).

Die Allgemeinverbindlicherklärung eines sachbereichsspezifischen interkantonalen Vertrags, der sich inhaltlich auf die Rahmenvereinbarung bezieht, setzt nicht voraus, dass die Rahmenvereinbarung selbst von allen Kantonen unterzeichnet oder vom Bund allgemeinverbindlich erklärt wird. Soweit die Rahmenvereinbarung zum integrierenden Bestandteil des entsprechenden Vertrags erklärt wird, hat sie im Falle der Unterzeichnung durch alle Kantone oder im Falle der Allgemeinverbindlicherklärung durch den Bund für den entsprechenden Sachbereich Geltung.

Auf die Aufnahme von Verfahrensvorgaben wird bewusst verzichtet. Solche sind entbehrlich, weil der Bundesrat als Entscheidbehörde für die Allgemeinverbindlicherklärung und die Beteiligungspflicht hinlänglich Gewähr für korrekte Verfahrensabläufe bietet.
Der Bundesrat muss bei einem Begehren der Kantone, die Rahmenvereinbarung oder interkantonale Verträge allgemeinverbindlich zu erklären, prüfen, inwieweit gewisse Kriterien erfüllt sind, so zum Beispiel: ­

2480

ob alle Kantone ausreichend Gelegenheit hatten, ihre Anliegen in die Verhandlungen einzubringen;

­

ob allen Kantonen für ihren Entscheidungsprozess ausreichend Zeit zur Verfügung stand;

­

ob die Anliegen sämtlicher Kantone ausreichend berücksichtigt werden;

­

ob das gesamtschweizerische Interesse eine Allgemeinverbindlichkeit erfordert.

Spezielle Probleme stellen sich im Zusammenhang mit der Kündigung der Rahmenvereinbarung. Zunächst ist festzuhalten, dass die Kündigung nicht durch den Bundesrat genehmigt werden muss. Vielmehr ist die Verfahrensregelung Sache der Kantone. Die Kündigungsmodalitäten sind demzufolge im Rahmen der Vertragsverhandlungen festzulegen. Weil auf Bundeskompetenzen verzichtet wird, finden sich im Gesetz konsequenterweise keine Bestimmungen zur Kündigung. Zu den Wirkungen der Allgemeinverbindlicherklärung auf das Kündigungsverfahren vgl. unten zu Absatz 5.

Der Bundesrat kann seine Entscheidung anhand der vorgenannten Kriterien nach freiem, politischen Ermessen treffen (s. die obigen Erläuterungen zu Abs. 1). Gesetzlich verankert werden soll gemäss Absatz 2 indessen das Anhörungsrecht der betroffenen Kantone.

Gemäss Absatz 3 übernehmen die Kantone, die auf Grund einer Allgemeinverbindlicherklärung zur Beteiligung an einem Vertrag verpflichtet werden, alle für sie darin vorgesehenen Rechte und Pflichten. Sie sind den bisherigen Vertragskantonen als Partner gleichgestellt.

Gemäss Absatz 4 muss die Verpflichtung zur Zusammenarbeit in einem Aufgabenbereich zeitlich limitiert sein. Aus diesem Grund kann die Allgemeinverbindlichkeit für höchstens 25 Jahre angeordnet werden.

Absatz 5: Während der Dauer der Allgemeinverbindlichkeit sind die in der Rahmenvereinbarung oder in einem interkantonalen Vertrag vorgesehenen Kündigungsrechte sistiert, da eine Kündigung mit dem Wesen der Allgemeinverbindlichkeit nicht vereinbart werden kann. Voraussetzung für eine Kündigung ist somit die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit durch den Bundesrat. Für die Aufhebung sind Quoren von sechs bzw. neun Kantonen massgebend. Der Bundesrat kann die Allgemeinverbindlichkeit aber auch aufheben, wenn ihre Aufrechterhaltung auf Grund anderer Umstände nicht mehr gerechtfertigt ist, beispielsweise wenn sich die Rahmenbedingungen stark verändert haben, wenn auf Grund veränderter Umstände eine Beteiligung aller Kantone nicht mehr erforderlich ist, wenn der Vertrag für einzelne Kantone zu unzumutbaren Belastungen führt oder wenn sich aus dem Vertrag aus gesamtschweizerischer Sicht unerwünschte Wirkungen ergeben.

So wie es keine «ewige» Zusammenarbeitspflicht geben kann (vgl. die Erläuterungen zu Art. 13 Abs. 4), soll andererseits in Absatz
6 im Interesse einer minimalen Kontinuität in der horizontalen Zusammenarbeit bundesrechtlich festgelegt werden, dass ein Antrag auf eine Aufhebung der Allgemeinverbindlicherklärung frühestens nach fünf Jahren gestellt werden kann.

Konsequenz der Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit ist, dass diejenigen Kantone verpflichtet bleiben, die sich aus eigenem Antrieb an einem interkantonalen Vertrag beteiligt haben. Zur Aufhebung dieser Pflicht bedarf es der im Vertrag vorgesehenen Kündigung.

2481

Artikel 14

Beteiligungspflicht

Gemäss Absatz 1 soll bereits das Vorliegen eines bilateralen Vertrages oder ausgehandelten Vertragsentwurfs in den Aufgabenbereichen nach Artikel 12 genügen, damit ein Kanton dem Bundesrat Antrag stellen kann, einen weiteren oder mehrere Kantone zu verpflichten, dem Vertrag beizutreten. Der Bundesrat ist, wie im Falle der Allgemeinverbindlicherklärung, bei einem Antrag auf eine Beteiligungspflicht frei, diesem stattzugeben oder nicht. Die «kann»-Formulierung bringt dies klar zum Ausdruck.

Die übrigen Bestimmungen der Absätze 2 bis 6 lehnen sich sinngemäss an jene von Artikel 13 an. Auch bezüglich der Kündigung regionaler Verträge und deren Aufhebung gelten sinngemäss die für die Allgemeinverbindlichkeit dargestellten Verfahren. Die durch Beteiligungspflicht neu am Vertrag beteiligten Kantone übernehmen alle darin für sie vorgesehenen Rechte und Pflichten. Eine Kündigung ist für sie sowie für die bisherigen Vertragspartner bis zum Ablauf der Beteiligungspflicht oder deren Aufhebung nicht möglich. Die Beteiligungspflicht wirkt sich damit auch auf die Kündigungsrechte der bisherigen Vertragspartner aus. Eine Aufhebung der Beteiligungspflicht kann erfolgen, wenn die Voraussetzungen dazu nicht mehr gegeben sind, namentlich wenn die Kündigung von mehr als der Hälfte der am Vertrag beteiligten Kantone beantragt wird.

Konsequenz der Aufhebung der Beteiligungspflicht ist, dass die Kantone verpflichtet bleiben, die sich aus eigenem Antrieb an einem interkantonalen Vertrag beteiligt haben. Zur Aufhebung dieser Pflicht bedarf es der vorgesehenen Kündigung.

Artikel 15

Rechtsmittel

Absatz 1 stimmt mit den Zielen des Entwurfs zu einem Bundesgerichtsgesetz überein, insofern als das Bundesgericht grundsätzlich nur noch Entscheide von richterlichen Vorinstanzen überprüfen soll. Im Bereich des kantonalen bzw. interkantonalen öffentlichen Rechts kann den Kantonen die Einsetzung einer richterlichen Vorinstanz jedoch nur vorgeschrieben werden, wenn auch eine entsprechende Verfassungsgrundlage geschaffen wird (vgl. Art. 191b Abs. 1 BV Justizreform).

Absatz 2 hält die Rechtsfolgen einer Verletzung eines Vertrags oder verbindlicher Beschlüsse eines interkantonalen Organs durch einen Kanton fest (Klagemöglichkeit beim Bundesgericht).

Artikel 16

Direkte Anwendbarkeit

Diesem Artikel dürfte eine deklaratorische Wirkung zukommen. Soweit interkantonales Recht direkt anwendbare Normen enthält (also «self-executing» ist), kann sich der Einzelne schon heute vor Bundesgericht darauf berufen.

2482

6.6.5 Artikel 17

5. Abschnitt: Wirkungsbericht Wirkungsbericht

Die regelmässige Erstellung und Publikation eines Berichts (Abs. 1) wird die zuständigen Behörden, namentlich die eidgenössischen Räte, den Bundesrat und die Kantonsregierungen, in die Lage versetzen, den Vollzug des Finanzausgleichs und die Zielkonformität der getroffenen Massnahmen zu überprüfen. Die politische Diskussion wird damit an Objektivität und Transparenz gewinnen, und die allfällig zu treffenden Massnahmen werden adäquat formuliert werden können.

Gemäss Absatz 2 setzt sich der Wirkungsbericht einerseits mit der Erreichung der Ziele in der vergangenen Vierjahresperiode und andererseits mit den zu treffenden Massnahmen für die kommende Vierjahresperiode auseinander. Richtschnur sind in beiden Fällen die in Artikel 2 festgeschriebenen übergeordneten Ziele des Finanzausgleichs. Bezüglich der zurückliegenden Periode wird die Überprüfung der Wirkungen des Ressourcenausgleichs, des Lastenausgleichs durch den Bund und ­ in der Übergangsphase ­ des Härteausgleichs im Vordergrund stehen.

Eines der wesentlichen Instrumente des Berichts wird eine Wirkungsbilanz nach Kantonen sein. In dieser Bilanz wird die Situation der Kantone vor und nach erfolgtem Finanzausgleich dargestellt werden. Absatz 3 legt dabei fest, dass die Wirkungen der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich (4. Abschnitt) gesondert aufzuzeigen sind. Das bedeutet, dass der interkantonale Lastenausgleich nicht mit dem Ressourcenausgleich, dem Lastenausgleich des Bundes und dem Härteausgleich saldiert werden darf. Bei der Gesamtwürdigung der Finanzausgleichswirkungen sollen die Ergebnisse des interkantonalen Lastenausgleichs jedoch ebenfalls Berücksichtigung finden.

Der Grund für die getrennte Erfassung des interkantonalen Lastenausgleichs liegt im unterschiedlichen Charakter dieses Ausgleichsgefässes (vgl. auch Ziff. 7.2.1). Beim interkantonalen Lastenausgleich handelt es sich nicht wie beim konventionellen Finanzausgleich um ein Umverteilungsintrument. Vielmehr geht es um eine Abgeltung bezogener Leistungen. Die im Rahmen des interkantonalen Lastenausgleichs getätigten Zahlungen werden denn auch zweckgebunden ausgerichtet, währenddem der übrige Finanzausgleich im engeren Sinn mit zweckungebundenen Zahlungen abgewickelt wird. Ein weiterer grundlegender Unterschied liegt darin, dass der Ressourcenausgleich, der Lastenausgleich
des Bundes und der Härteausgleich durch den Bund zentral steuerbar sind, wogegen der interkantonale Lastenausgleich die finanzielle Seite der interkantonalen Verträge darstellt, welche durch den Bund materiell nicht beeinflusst werden können.

2483

6.6.6 Artikel 18

6. Abschnitt: Übergangsbestimmungen Härteausgleich

In Absatz 1 ist das Instrument des Härteausgleichs verankert. Der Härteausgleich dient der Abfederung des Systemwechsels vom heutigen zum neuen Finanzausgleich und der damit namentlich für ressourcenschwache Kantone verbundenen Härten.

Im Sinne einer Konzentration der Mittel wird der Kreis der durch den Härteausgleich zu begünstigenden Kantone auf die ressourcenschwachen Kantone beschränkt, das heisst auf Kantone mit einem unterdurchschnittlichen Ressourcenpotenzial. Die Verteilung der Mittel wird gemäss Absatz 5 durch den Bundesrat festgelegt.

Bezüglich des Attributs «ressourcenschwach» ist eine weitere Präzisierung anzubringen: Kriterium ist die Einstufung vor erfolgtem Finanzausgleich. Bezüglich der Nichtanrechnung des Ressourcenausgleichs allein ist diese Präzisierung nicht von Belang, denn die gewählte Mechanik des Ressourcenausgleichs verunmöglicht, dass dadurch ein ressourcenschwacher zu einem ressourcenstarken Kanton mutieren kann. Notwendig ist die Klarstellung jedoch mit Blick auf den Lastenausgleich des Bundes, da dieser ­ allenfalls zusammen mit dem Ressourcenausgleich ­ einen ressourcenschwachen Kanton sehr wohl zu einem ressourcenstarken Kanton machen kann.

Absatz 2 regelt die Finanzierungsanteile von Bund und Kantonen: Der Bund finanziert zwei Drittel, die Kantone ein Drittel des für den Härteausgleich nötigen Gesamtbetrages.

Absatz 3 umreisst die Kompetenzen des eidgenössischen Parlaments. Es legt mit Bundesbeschluss ­ einmalig ­ den Finanzierungsbeitrag des Bundes (Bst. a) und den Finanzierungsbeitrag jedes Kantons (Bst. b) fest. Der Beitrag jedes Kantons ergibt sich aus der Aufteilung des von den Kantonen insgesamt zu finanzierenden Betrages nach Massgabe ihrer Einwohnerzahlen.

Mit dem Zusatz «einmalig» wird sichergestellt, dass der für den Härteausgleich vorgesehene Betrag nominell eingefroren wird, sodass er sich im Laufe der Jahre real zurückbildet.

Aus Absatz 4 geht hervor, dass sich der Wirkungsbericht gemäss Artikel 17 jeweils auch über die Weiterführung des Härteausgleichs auszusprechen hat. Eine Aufhebung des Härteausgleichs würde mit Bundesbeschluss erfolgen.

Absatz 5 spricht die Verteilung der für den Härteausgleich bestimmten Mittel unter den Kantonen an. Diese Verteilung wird in einer Verordnung zu regeln sein. Kriterien werden die Ergebnisse der letzten
Globalbilanz vor Einführung der NFA sowie der Ressourcenindex sein. Die so fixierten kantonsweisen Beträge werden für die Folgejahre nominell eingefroren. Damit wird sich der Härteausgleich im Laufe der Zeit real zurückbilden. Die Beträge werden so lange ausgerichtet, bis sie gemäss den Erläuterungen zu Absatz 4 hinfällig werden.

Aus der Beschränkung des Härteausgleichs auf ressourcenschwache Kantone (Abs. 1) ist zu folgern, dass ein Kanton keine Mittel mehr aus dem Härteausgleich erhält, wenn sein Ressourcenpotenzial das schweizerische Mittel übertroffen hat. Im Interesse der Klarheit wird dies in Absatz 6 noch explizit festgehalten. Dabei wird unter 2484

«Ressourcenpotenzial» auch hier die Situation vor erfolgtem Finanzausgleich verstanden (vgl. analoge Erläuterung zu Abs. 1).

Gemäss Absatz 7 werden die Mittel des Härteausgleichs wie jene des Ressourcenausgleichs (Art. 6 Abs. 2) und des Lastenausgleichs durch den Bund (Art. 9 Abs. 4) den Kantonen ohne Zweckbindung ausgerichtet.

Absatz 8 schliesslich bildet die sachlogische Ergänzung zu Artikel 6 Absatz 3 (vgl.

Erläuterungen dazu): In diesem Absatz wird festgehalten, dass bei der Kontrolle, inwieweit das Mindestausstattungsziel ­ 85 Prozent des schweizerischen Durchschnitts ­ erreicht wird, die Härteausgleichszahlungen anzurechnen sind.

Artikel 19

Subventionsrechtliche Übergangsbestimmungen

Um einem möglichen «Gesuchsstau» präventiv entgegenzuwirken (vgl. Ziff. 1.4.3.1.), ist eine geeignete subventionsrechtliche Übergangsbestimmung vorzusehen. Der hierfür vorgesehene Artikel 19 Buchstabe a ist in Verbindung mit Artikel 36 des Subventionsgesetzes (SuG) zu sehen.

Artikel 36 befindet sich im 3. Kapitel des SuG. Dieses Kapitel ist nach Artikel 2 SuG anwendbar, soweit nicht andere Bundesgesetze oder allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse Abweichendes vorschreiben. Der vorliegende Buchstabe a sieht für die betroffenen Beitragsbereiche für eine Übergangszeit eine solche Abweichung vor. Die Bestimmung soll vom Bundesrat unmittelbar nach der Verabschiedung des FAG in Kraft gesetzt werden, während das Gesetz als solches erst dann integral in Kraft zu setzen sein wird, nachdem die Spezialgesetze revidiert worden sind.

Die Bestimmung wird es erlauben, Gesuche um Finanzhilfen und Abgeltungen, die im Anschluss an die Inkraftsetzung der subventionsrechtlichen Übergangsbestimmung bis zum vollständigen Inkrafttreten des neuen Finanzausgleichs eingereicht werden, nach dem im Zeitpunkt der Zusicherung geltenden Recht zu beurteilen.

Entscheidend für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ist daher nicht mehr der Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, sondern jener der Beitragszusicherung. Diese Lösung legt das Schicksal derjenigen Beitragsgesuche, die nach dem Inkrafttreten der Übergangsbestimmung eingereicht werden, weitgehend in die Hand der Verwaltung. Als Korrelat dazu ist Letztere verpflichtet, den Entscheid über die zeitliche Gesuchsbehandlung ausschliesslich an sachlichen Kriterien zu orientieren und ihre Praxis gegenüber den Gesuchstellern offenzulegen.

Mit dieser Vorgehensweise kann sichergestellt werden, dass der Umfang der Gesuchsbehandlung und der dafür erforderliche Mittelbedarf auch in der Übergangszeit den courant normal nicht übersteigen.

Wie erwähnt, stellt Artikel 19 eine von Artikel 36 Buchstabe a SuG abweichende Übergangsbestimmung dar. Da sie grundsätzlich auf alle betroffenen Beitragsbereiche abzielt, ist sie von allgemeiner Tragweite. Wird aber die Frage des anwendbaren Rechts in einzelnen Beitragserlassen speziell geregelt, gehen diese Sonderregeln sowohl dem SuG als auch der neuen Übergangsbestimmung vor. In solchen Fällen wird eine Feinabstimmung bei der Anpassung der betreffenden Spezialerlasse zu prüfen sein.

2485

Mit der Bestimmung in Buchstabe b soll sichergestellt werden, dass der Bund für zugesicherte Beitragsleistungen für Vorhaben, die beim Inkrafttreten der Reform noch nicht in Angriff genommen wurden, innerhalb eines vom Gesetzgeber klar definierten Zeitraums leisten muss. Diese Bestimmung soll mit anderen Worten die Beitragsberechtigten zu einem zügigen Realisieren von Vorhaben ­ es wird ein Zeitraum von drei Jahren vorgeschlagen ­ animieren. Es kann weder im Interesse des Bundes noch der Kantone sein, das Realisieren von Vorhaben «auf die lange Bank» zu schieben.

Mit der Bestimmung in Buchstabe b relativiert der Bund eine eingegangene Verpflichtung gegenüber dem Subventionsnehmer in zeitlicher Hinsicht. Die gewählte Zeitdauer von drei Jahren, in welcher die Schlussabrechnung für das realisierte Vorhaben vorgelegt werden muss, gewährt dem Subventionsnehmer Vertrauensschutz und nimmt gleichzeitig auf das Interesse des Bundes Rücksicht: Nach Inkrafttreten des neuen Finanzausgleichs wird der Bund seine Zahlungen im Bereich des Finanzausgleichs im engeren Sinn verstärken (vgl. Ziff. 5). Auf Grund der Mechanik der NFA finanziert der Bund dieses Mehrengagement im Ausmass der Streichungen zweckgebundener Subventionen infolge der Aufgaben- und Finanzierungsentflechtungen. Durch die Übergangsbestimmung wird der Bund aber während der Übergangszeit doppelt belastet, indem er sowohl im direkten Finanzausgleich mehr leistet als auch gleichzeitig seinen altrechtlichen Verpflichtungen nachkommt. Soll diese Doppelbelastung in einem zeitlich vernünftigen Ausmass eingeschränkt werden, ohne den Grundsatz von Treu und Glauben zu verletzen, stellt die Zeitspanne von drei Jahren sowohl für den Bund als auch für den Subventionsnehmer eine praktikable und faire Lösung dar.

6.6.7 Artikel 20

7. Abschnitt: Schlussbestimmungen Vollzug

Der Bundesrat erlässt die notwendigen Vollzugsbestimmungen. Er hört die Kantone vorgängig an.

Artikel 21

Aufhebung bisherigen Rechts

Das aktuelle Bundesgesetz über den Finanzausgleich ist aufzuheben.

Artikel 22

Referendum und Inkrafttreten

Referendum Nach Verabschiedung der vorliegenden ersten Botschaft durch die eidgenössischen Räte sollen zunächst die Verfassungsmodifikationen Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet werden. Erst nach Annahme des entsprechenden Bundesbeschlusses durch Volk und Stände wird das total revidierte Bundesgesetz über den Finanzausgleich im Bundesblatt veröffentlicht, womit die Referendumsfrist zu laufen beginnt.

2486

Inkrafttreten Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten des FAG. Dieses kann sinnvollerweise erst dann integral in Kraft gesetzt werden, wenn sämtliche Elemente der Reform verabschiedet worden sind. Diese Voraussetzung ist nach Ablauf der Referendumsfrist im Anschluss an die zweite NFA-Botschaft gegeben. Dies schliesst aber nicht aus, dass einzelne Elemente des FAG ­ soweit sie nicht einzelne Kantone oder Kantonsgruppen einseitig bevorteilen ­ zeitlich vorgezogen werden und damit der Erlass gestaffelt in Kraft gesetzt wird. Ein solches Vorgehen zeichnet sich für die subventionsrechtlichen Übergangsbestimmungen (Art. 19) ab, um namentlich der dargelegten Gefahr eines «Gesuchsstaus» wirksam zu begegnen.

7

Auswirkungen

Im Zusammenhang mit den periodisch zu erstellenden Wirkungsberichten werden sowohl die NFA als Ganzes als auch die einzelnen Instrumente auf ihre Wirkung geprüft. Eine in Auftrag gegebene Expertise kommt zum Schluss, dass die NFA die gesteckten staats- und finanzpolitischen Ziele erreicht.

Analysen ähnlichen Inhalts werden nach Einführung der NFA die periodisch zu erstellenden Wirkungsberichte enthalten. Sie werden dem Parlament alle vier Jahre vorzulegen sein. Nach erfolgtem Systemwechsel wird der Finanzausgleich im engeren Sinn in diesen Wirkungsberichten im Vordergrund stehen.

Die finanziellen Auswirkungen der NFA auf Bund und Kantone werden in der Globalbilanz dargestellt. Es wird gezeigt, dass die Unterschiede zwischen den Kantonen in Bezug auf die finanzielle Leistungsfähigkeit und die Steuerbelastung mit der NFA verkleinert werden können. Den Kantonen eröffnen sich durch die Zunahme der frei verfügbaren Mittel neue Handlungsspielräume.

Die NFA kann nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn die kantonalen Finanzausgleichssysteme mit dem neuen System kompatibel sind. Nur so kann sichergestellt werden, dass die innerkantonalen Disparitäten abgebaut und die Anliegen der städtischen Agglomerationen und der Gemeinden eine angemessene Berücksichtigung finden.

Neben der Wirkungsanalyse des Gesamtpakets NFA (Ziff. 7.1), den finanziellen Auswirkungen auf Bund und Kantone (Ziff. 7.2), den volkswirtschaftlichen Auswirkungen (Ziff. 7.3), den personellen Auswirkungen (Ziff. 7.4), den Auswirkungen auf die Informatik (Ziff. 7.5), dem Vergleich mit den kantonalen Finanzausgleichssystemen (Ziff. 7.6) und den Auswirkungen auf die städtischen Agglomerationen und Gemeinden (Ziff. 7.7), werden die Auswirkungen auf die Regionalpolitik des Bundes erläutert (Ziff. 7.8) sowie die Auswirkungen der NFA auf die Haushaltsteuerung des Bundes dargelegt (Ziff. 7.9).

2487

7.1

Wirkungsanalyse des Gesamtpakets NFA

Mit der Wirkungsanalyse soll zunächst aufgezeigt werden, inwieweit die ursprünglich gesteckten Ziele mit den nun vorgeschlagenen Massnahmen auch tatsächlich erreicht werden können. Weiter wird der Frage nachgegangen, ob die NFA zu einer richtigen Verhaltensweise der Kantone führt oder selbst neues Fehlverhalten hervorruft. Schliesslich soll auch untersucht werden, wie die Ergebnisse der Globalbilanz für die einzelnen Kantone finanzwissenschaftlich zu beurteilen sind und wie eine möglichst reibungslose Umsetzungs- und Übergangsphase gewährleistet werden kann.

Zur Durchführung der qualitativen Analyse wurde ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Dessen Ergebnisse können in zehn Punkten wiedergegeben werden132: 1.

Die NFA leistet einen wichtigen Beitrag zur Reform des schweizerischen Föderalismus. Sie verstärkt dessen Stärken und verringert dessen Schwächen. Die Beurteilung der NFA hat daher primär unter diesem Gesichtspunkt zu erfolgen und nicht danach, wie sich die Zahlungsströme zwischen Bund und Kantonen einzeln oder insgesamt gegenüber dem heutigen Finanzausgleich verändern. Ein solcher Vergleich ist unvollständig und daher irreführend. Entscheidend ist das Finanzausgleichssystem.

2.

Die Aufgabenentflechtung nach dem Subsidiaritätsprinzip ist ein Kernstück der NFA. Sie erweist sich gleichzeitig aber auch als möglicher Stolperstein der Reform. Bei allen (berechtigten) politischen Kompromissen muss darauf geachtet werden, dass das angestrebte neue Gleichgewicht zwischen der Zuteilung von Aufgabenkompetenzen und Finanzierungslasten zwischen Bund und Kantonen gewahrt bleibt.

Es ist zweckmässig, Aufgabenbereiche aus dem NFA-Paket auszuklammern, bei welchen ohnehin Reformen mit ähnlicher Stossrichtung im Gange sind, oder stark umstrittene Aufgabenentflechtungen in ein späteres Reformpaket zu verlagern.

3.

Die Neuausrichtung der Kooperation von Bund und Kantonen stellt ein innovatives und die Effizienz steigerndes Element der NFA dar. Dies gilt vor allem für die mehrjährigen Programmvereinbarungen und die Ausrichtung von Globalbeiträgen.

Rechtliche Verfügungs- und Sanktionsmöglichkeiten zur Erzwingung von Programmvereinbarungen stellen jedoch einen Fremdkörper dar. Die vertikale Kooperation sollte konsequent auf eine partnerschaftliche Basis gestellt werden.

4.

132

Die Förderung der interkantonalen Zusammenarbeit und vor allem der interkantonale Lastenausgleich sind ebenfalls innovative Elemente der NFA.

Der Lastenausgleich ist nötig, weil sich namentlich in den Zentrumsregionen die Anforderungen an die Kantone (und Gemeinden) immer weniger mit ihren Zuständigkeiten decken. Zudem erlaubt der Lastenausgleich der schleichenden Zentralisierung von öffentlichen Aufgaben entgegenzuwirken, in-

Vgl. Frey, René L.; Ziel und Wirkungsanalyse des Neuen Finanzausgleichs. Bericht zuhanden der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) und der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK); Basel, 2001.

2488

dem die Gebietskörperschaften wieder vermehrt die Verantwortung für öffentliche Aufgaben mit einem regional begrenzten Wirkungskreis selbstständig wahrnehmen können.

5.

Mit dem Ressourcenindex auf Basis der Aggregierten Steuerbemessungsgrundlage (ASG) ist ein ausgezeichneter Ersatz für den mit zahlreichen Mängeln behafteten bisherigen Finanzkraftindex entwickelt worden. In die richtige Richtung gehen auch der geografisch-topografische und der soziodemografische Lastenausgleich. An allen drei Elementen des Ressourcenund Lastenausgleichs ist festzuhalten. Kleinere Verbesserungen sind allenfalls bei den Kriterien denkbar.

Im Interesse der Erhaltung der hohen Standortattraktivität der Schweiz im Rahmen des internationalen Steuerwettbewerbs sollten beim Ressourcenausgleich in der NFA rechtliche Sicherungen vorgesehen werden, damit die ressourcenstarken Kantone nicht zu immer grösseren Belastungen gezwungen werden können133.

133

6.

Aus der Globalbilanz ist lediglich ein Teil der Wirkungen der NFA ersichtlich. Bei der Interpretation der quantifizierbaren Auswirkungen ist daher Vorsicht angezeigt. Sie bedingt politische Urteile über das «richtige» Niveau an öffentlichen Leistungen und der Steuerbelastung. Auf jeden Fall ist es falsch, die NFA ausschliesslich nach den Vorzeichen der «letzten Spalte» der Globalbilanz zu beurteilen. Entscheidend sind die NFA als System und deren «Mechanik». Insgesamt sind diese als ausgesprochen positiv einzuschätzen.

7.

Um die Realisierungschancen der NFA zu vergrössern, ist es angezeigt, die gegenüber dem heutigen Finanzausgleich deutlich bessere NFA durch einen Härteausgleich politisch abzusichern. Die entsprechenden Zahlungen sollten jedoch nur an heute eindeutig ressourcenschwache Kantone fliessen. Es macht wenig Sinn, die Mängel des alten Systems auf ewig zu perpetuieren und sogar neue zu schaffen.

8.

Die Gesamtbeurteilung des NFA-Systems ist positiv. Unbedingt festgehalten werden muss an folgenden Elementen: ­ an der vertikalen Kooperation mit Programmvereinbarungen und Globalbudgets ­ an der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich ­ an der Abgeltung geografisch-topografischer und soziodemografischer Lasten ­ am neuen Ressourcenindex

Die Frage, ob und inwieweit die Attraktivität und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Geberkantone durch die Finanzausgleichsreform tangiert werden könnten, wurde durch ein zusätzlich in Auftrag gegebenes Gutachten untersucht (vgl. Ziff. 7.2.4).

2489

9.

Als notwendig erachtet werden lediglich kleinere Verbesserungen. Diese betreffen: ­ Die vertikale Kooperation zwischen Bund und Kantonen. Sie sollte strikt partnerschaftlich ausgestaltet werden. Auf rechtliche Verfügungsund Sanktionsmöglichkeiten zur Erzwingung von Programmvereinbarungen sollte verzichtet werden.

­ Vorkehrungen zur Erhaltung einer hohen Standortattraktivität im internationalen Steuerwettbewerb. Beim Ressourcenausgleich sollten rechtliche Sicherungen vorgesehen werden, die verhindern, dass den ressourcenstarken Kantonen immer höhere Abgaben und Lasten aufgezwungen werden.

­ Die Kriterien des geografisch-topografischen Lastenausgleichs. Einige der Kriterien bedürfen noch einer Überarbeitung. So ist z.B. kaum erklärbar, weshalb sämtliche, über dem schweizerischen Höhenmedian liegenden Flächen gleich behandelt und als Belastungen erfasst werden sollen. Diesbezüglich sollte zwischen bewohnten und genutzten Flächen sowie Gletschern und Geröllhalden differenziert werden.

­ Den Härteausgleich. Ausgleichszahlungen sollten nur an heute ressourcenschwache Kantone entrichtet werden.

10. Die Zustimmung zur NFA liegt langfristig im ureigensten Interesse nicht nur des Bundes, sondern auch der Kantone. Beide müssen daran interessiert sein, dass sie ihre finanziellen Mittel optimal einsetzen können und dass mit dem Finanzausgleich ein Sicherheitsnetz zur Verfügung steht, das in finanziell schwierigen Zeiten für alle Kantone tragfähig ist. In der heutigen Zeit des globalen Standortwettbewerbs muss allen an einem leistungsfähigen Föderalismus gelegen sein. Und dazu leistet die NFA einen wichtigen Beitrag.

Zu den durch das Gutachten angeregten Verbesserungen (vgl. Punkt 9) müssen folgende Bemerkungen angebracht werden: ­

Die Kooperation von Bund und Kantonen auf partnerschaftlicher Basis ist ein wichtiges Element der NFA. Partnerschaftlichkeit lässt sich indessen nicht diktieren und hängt in der Realität von verschiedenen Faktoren ab wie z.B. von der effektiv vorhandenen Kooperationsbereitschaft der konkret beteiligten Amtsstellen und beauftragten Personen. Partnerschaftlichkeit kann daher nicht zum Selbstzweck erhoben werden, sondern muss vielmehr daran gemessen werden, in welchem Grad sich die angestrebten Ziele, d.h. die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, verwirklichen lassen. Im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft wird der Bundesrat auf diese zentralen Aspekte zurückkommen und die dazugehörigen rechtlichen Fragen, die auf Gesetzesstufe zu regeln sein werden, umfassend darlegen (vgl. Ziff. 3).

­

Auf die Frage, ob und inwieweit die Attraktivität und internationale Wettbewerbsfähigkeit der ressourcenstarken Kantone durch die NFA tangiert werden könnten, wird unter Ziffer 7.2.4 ausführlich eingegangen.

2490

­

Beim geografisch-topografischen Lastenausgleich sind die Kriterien zur Erfassung der Lasten durch ein zusätzliches Gutachten134 untersucht und entsprechend angepasst und verbessert worden. So wurde unter anderem die oben aufgeführte Kritik ebenfalls berücksichtigt und die entsprechenden Mängel behoben (vgl. Ziff. 5.6.1).

­

Der Kritik betreffend den Härteausgleich wurde Rechnung getragen. Neu soll der Härteausgleich nur an ressourcenschwache Kantone ausgerichtet werden (vgl. Ziff. 5.7).

7.2

Finanzielle Auswirkungen auf Bund und Kantone

Nachfolgend werden die finanziellen Auswirkungen der NFA auf die Haushalte von Bund und Kantonen dargestellt, soweit sich diese bereits quantifizieren lassen. Einen breiten Raum nimmt dabei die Untersuchung der Effekte auf die Haushalte der einzelnen Kantone ein. Dabei werden insbesondere die Verringerung der Unterschiede bezüglich der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Steuerbelastung zwischen ressourcenstarken und -schwachen Kantonen, die Erweiterung der Handlungsspielräume der Kantone und die Entwicklung der Anteile an nicht zweckgebundenen Finanzmitteln untersucht und dargestellt.

7.2.1

Globalbilanz

Die finanziellen Auswirkungen der einzelnen Instrumente wie auch die Gesamtwirkung der NFA werden anhand der so genannten Globalbilanz sowohl für den Bund als auch für die Kantone dargestellt. Zunächst muss jedoch auf die beschränkte Aussagekraft der Globalbilanz hingewiesen werden. Während einige Angaben zur Zeit noch nicht exakt quantifiziert werden können, mussten andere Werte mit Hilfe von Hochrechnungen geschätzt werden. Zudem beinhaltet die Globalbilanz eine Reihe von Modellannahmen.

134

­

Ein Teil der finanziellen Auswirkungen der NFA kann zur Zeit nicht auf verlässliche Art und Weise beziffert werden. So können z.B. weder das Effizienzsteigerungspotenzial der Aufgabenentflechtung noch dasjenige der neuen Zusammenarbeitsformen zwischen Bund und Kantonen zuverlässig quantifiziert werden. Auch lassen sich die potenziellen Einsparungen, die sich durch die zusätzlichen Handlungsspielräume der Kantone ergeben werden, noch nicht exakt bemessen. Ein weiteres Einsparungspotenzial beinhaltet auch die verstärkte interkantonale Zusammenarbeit, welche sich in ihren finanziellen Auswirkungen ebenfalls heute noch nicht zuverlässig beziffern lässt.

­

Für die Schätzung der finanziellen Auswirkungen der NFA mussten verschiedene für die Bilanzergebnisse ins Gewicht fallende Modellannahmen getroffen werden. Als Beispiele seien hier die Eckwerte des Finanzausgleichs erwähnt (Beitragssummen für den horizontalen und den vertikalen Vgl. Inderbitzin, J.; Second Opinion zum neuen Vorschlag für den geografischtopografischen Lastenausgleich; Luzern, 2001.

2491

Ressourcenausgleich, betragsmässige Dotierung des geografisch-topografischen und des soziodemografischen Lastenausgleichs). Diese Eckwerte werden durch das eidgenössische Parlament festzulegen sein. Je nach deren Festlegung können die Bilanzergebnisse der einzelnen Kantone wesentliche Änderungen erfahren.

­

Die für den Ressourcenindex verfügbaren Steuerbemessungsgrundlagen widerspiegeln auf Grund der Vergangenheitsbemessung und der eingeschränkten Verfügbarkeit der Daten die wirtschaftlichen Verhältnisse Anfang der 90er-Jahre. Um über eine aktuelle Datengrundlage zu verfügen, wurde der Ressourcenindex mit Hilfe von Schätzungen auf einen Zweijahresdurchschnitt für die Jahre 1998/1999 hochgerechnet (vgl. Ziff. 5.5.1.3).

Bei Einführung der NFA wird sich der Ressourcenindex auf die jährlich aktualisierte Gegenwartsbemessung abstützen können und somit werden aktuellere Basisdaten zur Verfügung stehen. Eine behelfsmässige Hochrechnung wird sich dann erübrigen.

­

Schliesslich handelt es sich auch bei den vier zentralen Grössen des Finanzausgleichs im engeren Sinn um Modellannahmen. Über die Dotierungen des vertikalen und des horizontalen Ressourcenausgleichs sowie des geografisch-topografischen und soziodemografischen Lastenausgleichs ist der Finanzausgleich im engeren Sinn steuerbar. Nach Einführung der NFA werden die eidgenössischen Räte diese Dotierungen alle vier Jahre neu festlegen.

Um bis zur Einführung der NFA auch Zahlen präsentieren zu können, wurden diese vier Werte anhand eines theoretischen Modells errechnet.

­

Die Globalbilanz stellt lediglich eine Momentaufnahme dar. Die NFA wird voraussichtlich erst im Jahr 2006 eingeführt werden. Bis dahin dürften sich die Basisdaten der NFA bedingt durch den unterschiedlichen Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung der Kantone, aber auch dadurch, dass zahlreiche heute noch nicht existierende statistische Grundlagen dann zur Verfügung stehen werden, noch markant verändern. Daher wird auf die zweite NFA-Botschaft hin eine aktualisierte Globalbilanz zu erarbeiten sein.

­

Zu beachten gilt es auch, dass die vorliegende Globalbilanz nichts darüber aussagt, ob die Finanzmittel an die Kantone in zweckgebundener oder nicht zweckgebundener Form ausgerichtet werden und wie sich dementsprechend die Handlungsspielräume der Kantone entwickeln werden. Eine diesbezügliche Analyse findet sich unter Ziffer 7.2.3.

Um trotz dieser Einschränkungen und Modellannahmen ein Bild über die finanziellen Auswirkungen der NFA auf den Bund und die einzelnen Kantone zu ermöglichen, sind in den Tabellen 7.1 und 7.2 die quantifizierbaren Ergebnisse als Zweijahresdurchschnitt für die Referenzjahre 1998 und 1999 wiedergegeben.

2492

Globalbilanz: Lastenverschiebungen durch die Aufgabenneuverteilung inklusive vertikale Finanzkraftabstufung (in 1000 Franken; gemäss NFA-Modellberechnung) Tabelle 7.1 Bund

Landesverteidigung Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee 10 350 Zivilschutz ­21 768

Kantone

Dritte

­10 350 21 768

0 0 0

Total

­11 419

11 419

Bildung, Forschung und Kultur Sonderschulung Berufsbildung Hoch- und Fachhochschulen Ausbildungsbeihilfen Turnen und Sport

0 0 0 ­36 881 ­265

616 070 0 0 36 881 265

­616 070a) 0 0 0 0

Total

­37 146

653 216

­616 070

Umwelt und Raumplanung Luftreinhaltung mit Erträgen der Mineralölsteuer Lärmschutz mit Erträgen der Mineralölsteuer Abfallanlagen Raumplanung Vermessung Hochwasserschutz Gewässerschutz / Abwasseranlagen Wald Natur- und Heimatschutz Denkmal-, Heimat- und Ortsbilderschutz Wildtiere (Jagd) Fischerei

0 176 0 0 ­540 ­25 054 ­13 704 ­699 ­24 207 ­4 025 0 0 0

­20 176 0 0 540 25 054 13 704 699 24 207 4 025 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

Total

­48 053

48 053

0

Öffentliche Werke und Verkehr Nationalstrassen Hauptstrassen Anteil an der Mineralölsteuer und den Strassenabgaben Niveauübergänge und Verkehrstrennung Öffentlicher Regionalverkehr Flugplätze

110 809 ­34 539 ­54 626 ­1 ­290 094 ­3 767

­110 809 4 539 54 626 1 290 094 0

Total

­272 219

268 452

0 0 0 0 0 3 767b) 3 767

Bemerkungen: (+) = Belastung; (­) = Entlastung a)

Unter der Rubrik «Dritte» werden an dieser Stelle die finanziellen Auswirkungen auf den AHV-Ausgleichsfonds erfasst. Die Entlastung des Fonds um 616 Millionen Franken wird dadurch abgegolten, dass der Bund den Wegfall der Kantonsbeiträge an die IV nicht vollständig kompensiert.

b) Die Rubrik «Dritte» bezieht sich an dieser Stelle auf die Eigentümer der Flugplätze, welche die entfallenden Bundesdarlehen zu übernehmen haben.

2493

Tabelle 7.1 Fortsetzung Bund

Wirtschaft Tierzucht Direktzahlungen Landwirtschaftliche Strukturverbesserungen Landwirtschaftliche Aus- und Weiterbildung/Beratung Wohnbausanierung im Berggebiet Total Wohnen, Arbeit, soziale Sicherheit und Gesundheit Individuelle Leistungen der AHV Individuelle Leistungen der IV Kollektive Leistungen der AHV / IV Ergänzungsleistungen zur AHV / IV Private Betagten- und Behindertenhilfe Familienzulagen in der Landwirtschaft Prämienverbilligungen in der Krankenversicherung Total

Kantone

Dritte

20 495 0 ­10 697 0 ­11 610

­20 495 0 10 697 0 11 610

0 0 0 0 0

­6 412

1 812

0

653 578 ­675 776 12 850 202 781 0 ­1 454 ­487 000

­811 528 157 950c) ­1 020 444 1 696 220d) 1 067 300 ­1 080 150e) ­202 781 0 157 950 ­157 950f) 1 454 0 487 000 0

­295 021 0

­321 049

616 070

Zivilrecht, Strafrecht, Messwesen Straf- und Massnahmenvollzug

0

0

0

Total

0

0 0

Total der Aufgabenneuverteilungg)

­670 269h)

661 902

8 367h)

Bemerkungen: (+) = Belastung; (­) = Entlastung c) Der

Bund übernimmt die Kantonsbeiträge an die AHV von 812 Millionen Franken. Da der AHV-Ausgleichsfonds jedoch im Bereich der Betagtenhilfe um 158 Millionen Franken entlastet wird und eine Entlastung des Fonds im Rahmen der NFA nicht beabsichtigt ist, reduziert der Bund seinen Zusatzbeitrag von 812 Millionen Franken um ebendiese 158 Millionen Franken. Die Nettobelastung des Bundes beim Beitrag an den AHV-Ausgleichsfonds beträgt demnach 654 Millionen Franken.

d) Die Rubrik «Dritte» betrifft die IV. Sie wird infolge der Kompetenzverschiebungen bei der Sonderschulung (616 Millionen Franken) und bei den kollektiven Leistungen der IV (1080 Millionen Franken) um insgesamt 1 696 Millionen Franken entlastet. Da im Rahmen der NFA nicht beabsichtigt ist, den Ausgleichsfonds zu entlasten, reduziert sich der durch den Wegfall der Kantonsbeiträge an die IV bedingte Zusatzbeitrag des Bundes entsprechend: Statt einer Belastung um 1020 Millionen Franken resultiert deshalb für den Bund beim Beitrag an die IV eine Reduktion um 676 Millionen Franken.

e) Die Entlastung des Ausgleichsfonds um insgesamt 1080 Millionen Franken resultiert zur Hauptsache aus der Übernahme der Bau- und Betriebsbeiträge an Wohnheime, Werkstätten und Institutionen für die berufliche und medizinische Eingliederung durch die Kantone (1042 Millionen Franken). Diese Entlastung des Ausgleichsfonds wird über geringere Bundesbeiträge an die IV kompensiert.

f) Auch an dieser Stelle bezieht sich die Rubrik «Dritte» auf den AHV-Ausgleichsfonds. Durch Kantonalisierung der privaten Betagten- und Behindertenhilfe wird der Fonds um 158 Millionen Franken entlastet, dies wird jedoch durch entsprechend geringere Zusatzbeiträge des Bundes an die AHV kompensiert.

g) Das Total der Aufgabenentflechtung von rund 670 Millionen Franken kann auch in der Tabelle 7.3 errechnet werden. Vgl. Tabelle 7.3, Spalte 1 und Spalte 3.

2494

h) Im

«Total der Aufgabenneuverteilung», in den Spalten «Bund» und «Dritte», ist noch je ein Betrag von 4,6 Millionen Franken enthalten, der auf einen ursprünglich vorgesehenen Rückzug des Bundes aus dem Milchwirtschaftlichen Inspektions- und Beratungsdienst (MIBD) zurückzuführen ist. Für den Bund hätte dies zu einer entsprechenden Entlastung, für den MIBD zu einer entsprechenden Belastung geführt. Von dieser Massnahme wurde in einer späten Phase abgesehen, sodass diese Entlastung des Bundes effektiv nicht eintreten wird (vgl.

Ziff. 6.4.3). In der vorliegenden Globalbilanz wurde der Betrag MIBD trotzdem belassen, weil eine Korrektur der Globalbilanz angesichts des kleinen Betrags einen unverhältnismässig grossen Aufwand nach sich gezogen hätte und die finanziellen Auswirkungen auf die einzelnen Kantone als absolut marginal zu bezeichnen sind. Sämtliche mit der Globalbilanz zusammenhängenden Berechnungen (so auch der Härteausgleich) beruhen somit auf einer Entlastung des Bundes aus der Aufgabenverteilung um 670 Millionen Franken, obwohl die tatsächliche Entlastung des Bundes nur auf rund 666 Millionen (genauer Wert in 1000 Franken: 665 669) zu veranschlagen wäre und sich die Belastung Dritter per Saldo auf rund 3,8 Millionen Franken (genauer Wert in 1000 Franken: 3767) belaufen würde. Im Rahmen der für die zweite NFABotschaft vorzunehmenden Aktualisierung der Globalbilanz wird die Korrektur dann selbstverständlich vorgenommen.

Insgesamt umfassen die Lastenverschiebungen innerhalb der Aufgabenneuverteilung ein Volumen von rund 5,5 Milliarden Franken135. Da sich die einzelnen Verschiebungen zwischen Bund und Kantonen zum Teil gegenseitig aufheben, resultieren deutlich tiefere Netto-Verschiebungen. Durch die Aufgabenneuverteilung wird der Bund insgesamt um rund 670 Millionen Franken entlastet, während die Kantone sowie Dritte (Sozialversicherungen und private Organisationen) um denselben Betrag belastet werden.

Die grössten Lastenverschiebungen erfolgen im Bereich «Wohnen, Arbeit, soziale Sicherheit und Gesundheit». Namentlich bei den Leistungen der AHV und der IV, der privaten Betagten- und Behindertenhilfe sowie den Prämienverbilligungen in der Krankenversicherung. Ebenfalls deutliche Verschiebungen fallen in den Bereichen Sonderschulung, Nationalstrassen und öffentlicher Regionalverkehr an.

Wie bereits erwähnt, wird der Bund durch die Aufgabenneuverteilung mit rund 670 Millionen Franken entlastet. Diese Mittel setzt der Bund für den notwendigen Ausbau des Finanzausgleichs im engeren Sinn ein. Für einen genügenden Ressourcen- und Lastenausgleich muss der Bund jedoch zusätzlich rund 1,3 Milliarden Franken zur Verfügung stellen. Dieser Betrag wird über eine Verringerung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer kompensiert. Unter den für die vorliegende Botschaft getroffenen Modellannahmen würde sich der Kantonsanteil von heute 30 auf neu 17 Prozent zurückbilden. Damit bliebe sowohl für den Bund als auch für die Kantone die Haushaltsneutralität der NFA gewahrt (vgl. Tabelle 7.2).

Um den Wechsel vom bestehenden zum neuen Finanzausgleich politisch abzusichern, wurde als Übergangshilfe der Härteausgleich von rund 428 Millionen Franken eingeführt (vgl. Ziff. 5.7). Finanziert wird der Härteausgleich durch Bund und Kantone, wobei der Bundesanteil zwei Drittel oder 285 Millionen Franken beträgt.

Somit resultiert als Endergebnis inklusive Härteausgleich eine Belastung des Bundes bzw. Entlastung der Gesamtheit der Kantone um diesen Betrag.

135

Ohne Berücksichtigung von Mehrfachzählungen.

2495

Globalbilanz: Quantifizierbare Gesamtauswirkungen der NFA auf Bund und Kantone (in 1000 Franken; gemäss NFA-Modellberechnung) Tabelle 7.2 Bund

Total der Finanzierungs- und Aufgabenentflechtung (Übertrag aus Tabelle 7.1) Finanzausgleich im engeren Sinn Vertikaler Ressourcenausgleich Geografisch-topografischer Lastenausgleich Soziodemografischer Lastenausgleich Kompensation direkte Bundessteuer (13%) Korrekturposten (Dritte) b) Gesamtwirkung der NFA vor Härteausgleich

Kantone

­670

269a)

Dritte

661 902

1 431 419 ­1 431 419 275 000 ­275 000 275 000 ­275 000 ­1 319 518 8 367

1 319 518

8 367a)

0 0 0 0

0 ­8 367

0

0

0

Härteausgleich

285 475

­285 475

0

Gesamtwirkung der NFA nach Härteausgleich

285 475

­285 475

0

Bemerkungen: (+) = Belastung; (­) = Entlastung a) Vgl.

Bemerkung h) zu Tabelle 7.1.

einzelnen Be- und Entlastungen Dritter führen im Endeffekt grösstenteils zu einer direkten oder indirekten Be- oder Entlastung entweder des Bundes oder der Kantone in entsprechender Höhe. Im Interesse der Lesbarkeit der Globalbilanz können sie deshalb vor der abschliessenden Saldierung der Lastenverschiebungen Bund/Kantone durch eine Gegenbuchung eliminiert werden.

b) Die

Wie sich die finanziellen Auswirkungen für die einzelnen Kantone präsentieren, zeigt die Tabelle 7.3.

2496

­155 333

Total

2497

­12 983 14 270 ­19 019 ­9 631 ­10 331 389 ­6 337 ­4 054 ­6 423 7 089 5 724 ­23 244 ­24 663 ­7 088 9 586 ­2 531 ­37 391 ­16 272 ­27 548 11 916 ­38 412 65 804 ­6 070 ­13 534 ­9 859 ­3 656 8 936

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU Divers

Aufgabenentflechtung

1 319 518

261 184 96 962 43 916 4 004 84 658 3 499 8 984 18 193 89 128 31 751 27 791 87 940 45 125 10 122 7 195 1 791 50 576 30 914 67 991 26 197 47 478 90 845 20 146 23 279 132 437 7 411 0

Kompensation direkte Bundessteuer

817 234

1 412 213 734 52 446 18 028 7 248 7 501 2 047 4 193 97 62 052 18 010 11 4 935 2 534 8 132 1 810 57 301 49 122 25 332 28 616 51 619 70 730 59 159 50 832 932 19 401 0 +/­1 185 899

­475 115 394 624 73 218 11 971 ­83 995 21 628 ­12 653 ­10 916 ­109 509 115 190 10 657 ­139 970 ­70 844 ­11 177 19 603 4 073 43 250 25 803 ­42 846 11 692 17 216 ­31 276 291 370 75 370 ­197 599 70 235 0 ­2 431 419

0 ­759 414 ­211 031 ­30 849 0 ­22 456 0 ­107 0 ­185 141 ­150 375 0 0 ­7 997 ­5 308 ­5 756 ­131 507 ­2 664 ­45 717 ­172 437 ­118 074 ­24 533 ­431 527 ­49 152 0 ­77 374 0

Vertikal

Vertikal

Horizontal

Ressourcenausgleich

Verzicht auf Finanzkraftabstufung

1 000 000

567 587 0 0 0 24 504 0 13 577 0 134 752 0 0 85 262 26 787 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 147 530 0 0

Horizontal

­275 000

0 ­14 691 ­5 712 ­8 952 ­3 419 ­3 814 ­810 ­3 953 ­67 ­11 706 0 0 0 0 ­14 639 ­5 982 ­1 911 ­103 315 0 ­3 352 ­10 720 0 ­61 075 ­17 868 0 ­3 014 0

GLA

­275 000

­59 500 ­9 900 ­5 628 0 0 0 0 0 0 ­781 0 ­35 238 0 ­1 879 0 0 ­5 847 0 0 0 ­25 125 ­53 735 0 ­8 516 ­68 851 0 0

SLA

Lastenausgleich des Bundes

Globalbilanz: Quantifizierbare finanzielle Auswirkungen der einzelnen Instrumente auf die Kantone im Vergleich zum heute geltenden System (in 1 000 Franken; gemäss NFA-Modellberechnung) (Fortsetzung: nächste Seite) (+) = Belastung; (­) = Entlastung

0

282 585 ­64 415 ­71 810 ­15 429 18 665 6 747 4 809 3 355 107 978 18 455 ­88 193 ­25 238 ­18 659 ­15 486 24 569 ­6 595 ­25 530 ­16 412 ­22 788 ­97 369 ­76 018 117 835 ­127 997 60 412 4 591 13 002 8 936

NFABasismodell

Tabelle 7.3

2498

Total

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU Divers

0

282 585 ­64 415 ­71 810 ­15 429 18 665 6 747 4 809 3 355 107 978 18 455 ­88 193 ­25 238 ­18 659 ­15 486 24 569 ­6 595 ­25 530 ­16 412 ­22 788 ­97 369 ­76 018 117 835 ­127 997 60 412 4 591 13 002 8 936

NFA-Basismodell (Übertrag)

­428 213

0 ­67 901 0 0 0 ­10 930 0 ­3 785 0 ­50 591 0 0 0 0 ­27 635 0 ­19 707 0 ­6 516 0 0 ­140 872 0 ­77 069 0 ­23 207 0 142 738

24 090 18 917 6 835 688 2 523 636 728 763 1 933 4 683 4 815 3 831 5 088 1 456 1 063 289 8 879 3 736 10 690 4 513 6 051 12 426 5 406 3 308 8 048 1 340 0 ­285 475

306 675 ­113 399 ­64 975 ­14 741 21 188 ­3 547 5 537 333 109 911 ­27 452 ­83 378 ­21 408 ­13 571 ­14 030 ­2 003 ­6 305 ­36 358 ­12 676 ­18 614 ­92 856 ­69 966 ­10 611 ­122 591 ­13 349 12 639 ­8 865 8 936

In 1 000 Franken

Ausgleichsanteil

Finanzierungsanteil

Endergebnis

Härteausgleich

(+) = Belastung; (­) = Entlastung

­40

254 ­119 ­189 ­427 167 ­111 151 9 1 133 ­117 ­345 ­111 ­53 ­192 ­38 ­434 ­82 ­68 ­35 ­410 ­230 ­17 ­452 ­80 31 ­132 1

In Franken pro Einwohner

Tabelle 7.3

­

2.6% ­2.5% ­3.8% ­9.2% 2.1% ­2.3% 1.7% 0.1% 7.1% ­2.4% ­6.9% ­1.2% ­0.7% ­3.2% ­0.6% ­8.1% ­1.5% ­1.0% ­0.6% ­8.5% ­4.3% ­0.3% ­11.7% ­1.5% 0.3% ­3.0% ­

In Prozent der standardisierten Steuererträgea)

Globalbilanz: Quantifizierbare finanzielle Auswirkungen der einzelnen Instrumente auf die Kantone im Vergleich zum heute geltenden System (in 1 000 Franken; gemäss NFA-Modellberechnung) (Fortsetzung)

Bemerkungen: a) Zu den Ressourcenpotenzialen (= Bemessungsgrundlagen) lassen sich effektive Ausgleichszahlungen nicht addieren oder subtrahieren. Zu eruieren, wie sich die finan-zielle Leistungsfähigkeit der Kantone durch den Finanzausgleich verändert, ist im Rahmen einer Wirkungsanalyse jedoch ein vorrangiges Anliegen. Deshalb musste eine Hilfsgrösse entwickelt werden, die so genannten standardisierten Steuererträge.

Die standardisierten Steuererträge eines Kantons entsprechen den von ihm erzielbaren Steuererträgen unter der Bedingung, dass alle Kantone ihre unterschiedlichen Ressourcenpotenziale identisch ausschöpfen.

Die standardisierten Steuererträge eines Kantons berechnen sich wie folgt: [(Total der effektiven Steuereinnahmen aller Kantone und Gemeinden + gesamter Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer) : schweizerische Wohnbevölkerung] x [Ressourcenindex des Kantons : 100] x Wohnbevölkerung des Kantons

Be- und Entlastungen durch die NFA in Millionen Franken (gemäss NFA-Modellberechnung) Abbildung 7.1 Belastung 350 in Millionen Franken 300 250 200 150 100 50

0

ZH ZG SZ GE NW GL AR OW AI JU VD GR NE BL SH UR AG BS FR SG LU TI SO TG BE VS

-50 -100 -150 Entlastung

2499

Be- und Entlastungen durch die NFA in Franken pro Einwohner (gemäss NFA-Modellberechnung) Abbildung 7.2 Belastung in Franken pro Einwohner durch die NFA 1 100 1 000 900 800 700 600 500 400 300 200 100

0

ZG ZH SZ NW GE GL VD AG AR BL GR NE SG OW BS FR BE JU LU SH TI SO TG UR AI VS

-100 -200 -300 -400 -500 Entlastung in Franken pro Einwohner durch die NFA

2500

Dank des Härteausgleichs erfährt im Endeffekt keiner der 19 Kantone ­ mit Ausnahme des Kantons Glarus136 ­ mit unterdurchschnittlichem Ressourcenpotenzial eine finanzielle Einbusse. Auch ist der Härteausgleich von rund 430 Millionen Franken im Verhältnis zur Grössenordnung des gesamten Finanzausgleichs im engeren Sinn von knapp 3 Milliarden Franken sowie infolge der strikten Fokussierung der Auszahlungen an ressourcenschwache Kantone vertretbar.

Von den ressourcenstarken Kantonen weisen vor allem die Stadtkantone Basel und Genf eine relativ günstige Veränderung auf. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass durch den Lastenausgleich des Bundes nicht nur die übermässigen Lasten der Bergkantone, sondern auch jene der Zentrumskantone abgegolten werden.

Die finanziellen Auswirkungen des interkantonalen Lastenausgleichs (ILA) werden getrennt von den übrigen Instrumenten der NFA dargestellt, da es sich zum einen beim Lastenausgleich nicht um ein Umverteilungsinstrument handelt, sondern um ein Instrument zur Abgeltung bezogener Leistungen. Zum anderen drängt sich auch auf Grund der Datenqualität eine getrennte Darstellung auf. Zur Zeit sind die Angaben über die Abgeltungen im Rahmen des ILA notgedrungen mit vielen Fragezeichen behaftet. In den einzelnen Aufgabenbereichen, für die Abgeltungszahlungen vorgesehen sind (vgl. Ziff. 4), werden die betroffenen Kantone von Fall zu Fall die entsprechenden Zahlungen durch Verhandlungen festlegen. Somit ist es nicht möglich, die künftigen Abgeltungen bereits zu diesem Zeitpunkt zuverlässig zu beziffern. Um in etwa den Umfang der künftigen Abgeltungen abzuschätzen, kann zunächst auf die Abgeltungen, die auf Grund der bereits heute bestehenden interkantonalen Regelungen vereinbart worden sind, zurückgegriffen werden (vgl. Tabelle 7.4). Zudem liegen für drei Bereiche Schätzungen über die Grösse der künftig, auf Grund der NFA zu erwartenden Abgeltungen vor (vgl. Tabelle 7.5). Auch wenn diese Daten keine präzisen Aussagen ermöglichen, lassen sie doch auf die generelle Stossrichtung der finanziellen Ausgleichswirkungen schliessen. Zudem müssen die Ergebnisse des ILA selbstverständlich in die politische Würdigung der NFA einbezogen werden.

136

Für den Kanton Glarus resultiert eine Einbusse von 333'000 Franken.

2501

Bereits bestehende Abgeltungen zwischen den Kantonen (in 1000 Franken) Tabelle 7.4 Kantone Spitzenmedizin und Spezialkliniken a)

Kantonale Fachhochschulen Institutionen zur Total der bestehenden Universitäten (Fachhochschul- Förderung und Abgeltungen (Universitätsver- vereinbarung) c) Betreuung einbarung) b) Invalider d) In Franken

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU (FL) Total

­37 400 ­33 900 ­3 700 3 900 26 300 5 500 5 200 3 800 9 700 10 000 18 900 ­35 700 5 800 6 500 6 500 2 300 ­5 500 10 700 4 100 10 000 18 000 ­32 600 8 600 12 000 ­31 000 12 000 +/­ 179 800

Bemerkung: a) Schätzung

­91 333 ­38 757 26 479 2 353 10 452 2 712 3 162 2 655 9 333 ­35 704 22 524 ­35 042 7 021 5 644 4 241 1 302 7 839 15 723 46 833 13 826 26 318 ­20 760 29 754 ­1 780 ­25 042 7 245 (3 002)

­15 955 ­6 881 ­989 ­59 2 578 79 ­235 1 105 1 154 994 2 537 ­669 ­2 043 3 031 50 6 886 1 150 7 270 4 618 4 056 ­2 148 205 ­228 ­1 109 703 (­105)

­2 449 ­1 419 ­1 000 724 2 386 335 1 031 1 340 2 008 1 090 999 ­3 000 5 793 1 534 ­3 300 202 ­8 300 400 892 1 555 ­108 ­2 500 ­100 998 ­571 1 460

­147 137 ­80 957 20 790 6 918 41 716 8 626 9 158 8 900 22 195 ­23 620 44 960 ­74 411 16 571 16 709 7 491 3 810 ­5 075 27 973 59 095 29 999 48 266 ­58 008 38 459 10 990 ­57 722 21 408 (2897)

+/­ 248 417 +/­ 30 420

+/­ 22 747

+/­ 481 384

In Franken pro Einwohner

­125 ­86 61 193 337 275 249 227 237 ­104 187 ­382 65 226 138 257 ­11 150 111 133 158 ­96 141 67 ­146 311

(+) = Belastung; (­) = Entlastung; (+/­) = Total der Belastungen bzw. Total der Entlastungen

für Rechnungsjahr 1996 auf Grund der Studierendenzahlen 2000/2001 und der vereinbarten Beiträge für 2001/2002 c) Hochrechnung auf Grund der Studierendenzahlen 2000 und der vereinbarten Beiträge für 2001/2002 d) Schätzung für Rechnungsjahr 1996 b) Hochrechnung

2502

Schätzung der künftigen Abgeltungen durch den interkantonalen Lastenausgleich (in 1000 Franken) Tabelle 7.5 Kantone

Agglomerationsverkehr

Kultureinrichtun- Institutionen zur gen von überregio- Förderung und Benaler Bedeutung treuung Invalider

Total der künftigen Abgeltungen

In Franken

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU Total

­19 000 ­2 200 ­1 800 100 2 500 500 1 200 300 2 000 1 900 1 500 ­ ­ 1 200 1 200 100 ­3 100 300 11 600 2 000 ­ 2 900 500 1 000 ­5 000 300

­24 000 ­1 300 ­2 000 300 2 800 600 1 000 600 3 200 2 000 4 500 ­7 000 1 200 1 000 2 200 200 ­4 000 1 400 14 000 4 000 ­ 2 800 500 600 ­5 000 400

­11 271 ­9 555 ­300 219 728 365 1 216 1 463 382 1 190 1 015 ­9 000 1 130 468 ­1 707 185 7 152 5 178 3 232 6 314 ­317 754 39 1 581 ­837 376

­54 271 ­13 055 ­4 100 619 6 028 1 465 3 416 2 363 5 582 5 090 7 015 ­16 000 2 330 2 668 1 693 485 52 6 878 28 832 12 314 ­317 6 454 1 039 3 181 ­10 837 1 076

+/­ 31 100

+/­ 43 300

+/­ 32 987

+/­ 107 387

Bemerkung:

In Franken pro Einwohner

­45 ­14 ­12 18 48 46 93 62 58 22 29 ­83 9 36 32 33 0 37 54 54 ­1 10 4 19 ­27 16

(+) = Belastung; (­) = Entlastung; (+/­) = Total der Belastungen bzw. Total der Entlastungen

In der Tendenz ergeben sich dadurch substanzielle Verbesserungen für fünf Anbieterkantone Basel-Stadt, Genf, Zürich, Bern und Luzern, während sich 17 Nachfragerkantone in unterschiedlichem Ausmass in die Belastung teilen. Die Kantone St. Gallen, Tessin, Wallis und Waadt weisen in etwa gleich hohe Be- und Entlastungen auf.

7.2.2

Verringerung von Disparitäten

Wenn im Folgenden die Auswirkungen der NFA auf den Abbau dieser Disparitäten untersucht werden, muss beachtet werden, dass die Ergebnisse massgeblich durch die getroffenen Modellannahmen bestimmt sind. Würde im Rahmen des horizontalen Ressourcenausgleichs bei den ressourcenstarken Kantonen mehr abgeschöpft als 2503

in der vorliegenden Botschaft angenommen, würden sich auch die Disparitäten stärker zurückbilden. Würde der Bund hingegen mehr Mittel für den vertikalen Ressourcenausgleich einsetzen, würde dies ebenfalls den Abbau der Disparitäten verstärken. Wobei von einer Verstärkung des horizontalen Ressourcenausgleichs die deutlich stärkste Ausgleichswirkung ausgehen würde. Dies weil durch den vertikalen Ressourcenausgleich zwar die ressourcenschwachen Kantone mehr Finanzmittel erhalten, die ressourcenstarken Kantone jedoch überhaupt nicht tangiert werden, während beim horizontalen Ressourcenausgleich eine direkte Umverteilung von den ressourcenstarken hin zu den ressourcenschwachen Kantonen vorliegt.

Im Rahmen einer umfassenden Analyse der Entwicklung der kantonalen Disparitäten bei der finanziellen Leistungsfähigkeit sowie den Steuerbelastungen gilt es auch die Auswirkungen des geografisch-topografischen und des soziodemografischen Lastenausgleichs sowie des Härteausgleichs einzubeziehen. Zwar gehört der Disparitätenabbau nicht zu den unmittelbaren Zielen ­ die beiden Lastenausgleiche sollen die Lasten der Berg- und der Zentrumskantone abgelten und der Härteausgleich ist als eine funktionell befristete Übergangshilfe konzipiert ­, dennoch wird die Entwicklung der kantonalen Disparitäten beeinflusst. Zumal die beiden Lastenausgleiche mit 550 Millionen Franken und der Härteausgleich mit 428 Millionen Franken mit beachtlichen Beträgen dotiert sind.

7.2.2.1

Verringerung der Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit

Eines der drei vorrangigen Ziele der NFA ist die Steigerung der Wirksamkeit des Ausgleichssystems, um eine Verringerung der Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone und der kantonalen Steuerbelastungsunterschiede herbeizuführen (vgl. Ziff. 1.1.7). Ob und inwieweit dieses Ziel erreicht werden kann, wird in der folgenden Analyse untersucht. Dabei werden die Wirkungen der folgenden Ausgleichsgefässe analysiert: ­

der horizontale Ressourcenausgleich (gemäss Modellberechnung mit 1 Milliarde Franken dotiert)

­

der vertikale Ressourcenausgleich (gemäss Modellberechnung mit 1,4 Milliarden Franken dotiert)

­

der geografisch-topografische und der soziodemografische Lastenausgleich des Bundes (gemäss Modellberechnung mit jeweils 275 Millionen Franken dotiert)

­

der Härteausgleich (gemäss Modellberechnung mit 428 Millionen Franken dotiert)

2504

Auswirkungen der NFA auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kantone (gemäss NFA-Modellberechnung) Tabelle 7.6 Kantone

Ressourcenindex vor Ausgleichszahlungen (1998/1999)

Ausgleichszahlungen gemäss NFA in Prozent des Ressourcenpotenzials

Ressourcenindex nach Ausgleichszahlungen NFA

Ressourcenindex nach Ausgleichszahlungen gemäss bestehendem Systema)

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU

146.7 71.1 74.7 69.5 119.2 72.9 136.9 98.3 238.0 71.3 74.5 144.1 110.4 89.3 89.8 79.7 82.5 96.2 90.6 71.8 79.9 93.6 57.8 82.4 136.3 65.2

­ 4.3% 18.8% 13.0% 24.7% ­ 2.1% 23.8% ­ 3.8% 3.1% ­ 8.7% 22.1% 12.5% ­ 2.7% ­ 1.4% 2.3% 14.8% 15.1% 6.5% 8.8% 1.6% 16.1% 9.5% 5.6% 46.8% 16.6% ­ 2.1% 35.3%

140.4 84.5 84.3 86.7 116.7 90.3 131.7 101.3 217.3 87.1 83.8 140.2 108.9 91.3 103.2 91.7 87.7 104.6 92.1 83.4 87.4 98.9 84.9 96.1 133.4 88.1

140.8 80.7 80.1 82.4 110.2 86.5 132.6 95.7 221.2 82.6 76.3 133.2 106.6 87.6 97.6 85.7 85.8 102.1 90.1 74.5 83.2 94.5 77.1 93.8 129.0 85.0

Schweiz

100.0

­ 3.7%/ + 12.6%b)

100.0

100.0

29.2

31.0

Standard­ abweichung

38.2

Bemerkung:

(+) = Belastung; (­) = Entlastung

a)

Berücksichtigung der Ausgleichszahlungen gemäss heute geltendem Finanzausgleich an Stelle der Ausgleichszahlungen gemäss NFA.

b) Die ­3.7 Prozent entsprechen dem durchschnittlichen Mittelabfluss bei den ressourcenstarken Kantonen. Die +12,6 Prozent entsprechen dem durchschnittlichen Mittelzufluss bei den ressourcenschwachen Kantonen

2505

Ressourcenindex der Kantone vor und nach NFA (gemäss NFA-Modellberechnung) Abbildung 7.3 Ressourcenindex

225 200 175 150 125 100 75 50 25 0

ZG

ZH

BS

NW GE

SZ

BL

GL

Stand Ressourcenindex vor NFA

2506

GR

VD

AG

AR

SH

SG

NE

TI

AI

LU

SO

Stand Ressourcenindex nach NFA

OW TG

FR

BE

UR

JU

VS

Zu- bzw. Abnahme des Ressourcenindexes durch die NFA (gemäss NFA-Modellberechnung) Abbildung 7.4 Zunahme des Ressourcenindexes durch die NFA

30 25

20

15

10

5

0

ZG ZH NW BS GE SZ BL AG SH GL SG VD TI GR SO LU TG AI BE AR NE FR

UR OW JU VS

-5

-10

-15

-20 Abnahme des Ressourcenindexes durch die NFA

Ein Vergleich der Extremwerte zeigt, dass die NFA die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit deutlich verringert. So weist der Kanton Zug als ressourcenstärkster Kanton ohne Finanzausgleich einen Indexstand von 238,0 Punkten auf, während der Kanton Wallis als ressourcenschwächster Kanton einen Indexstand von gerade einmal 57,8 Punkten erreicht. Dies entspricht einer Differenz von 180,2 Indexpunkten. Mit anderen Worten verfügt der ressourcenstärkste Kanton Zug über mehr als das vierfache Ressourcenpotenzial als der ressourcenschwächste Kanton Wallis. Nach den Ausgleichszahlungen der NFA verbleibt der Kanton Zug mit ei2507

nem Indexstand von 217,3 Punkten der ressourcenstärkste Kanton. Der ressourcenschwächste Kanton ist nun allerdings nicht mehr der Kanton Wallis, sondern der Kanton Thurgau mit 83,4 Punkten.137 Die Differenz der beiden Extremwerte hat sich auf 133,9 Punkte verringert. Somit weist der Kanton Zug noch etwas mehr als das zweieinhalbfache Ressourcenpotenzial des Kantons Thurgau auf.

Betrachtet man nur die Entwicklung der Kantone Zug und Wallis (des ressourcenstärksten und des ressourcenschwächsten Kantons vor dem Finanzausgleich), so verringert die NFA den Unterschied in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen den beiden Kantonen um 38 Prozent (mit heutigem Finanzausgleich um 30 Prozent).

Aussagekräftiger als ein Vergleich der Extremwerte ist allerdings ein Vergleich anhand der Standardabweichung138. Diesbezüglich weisen die kantonalen Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit ohne Finanzausgleich einen Wert von 38,2 Indexpunkten auf. Sowohl die NFA als auch der heute geltende Finanzausgleich reduzieren diese Unterschiede. Bei der NFA reduziert sich die Standardabweichung auf 29,2 Indexpunkte, was einer Reduktion der Disparitäten um 24 Prozent entspricht, während der heute geltende Finanzausgleich die Disparitäten auf 31,0 Indexpunkte verringert, was einer Reduktion von 19 Prozent entspricht. Die ausgleichende Wirkung der NFA ist somit um 26 Prozent grösser als jene des heutigen Finanzausgleichs.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass heute drei Viertel der finanziellen Transfers vom Bund an die Kantone (vgl. Ziff. 5.2.2) zweckgebunden ausgerichtet werden und voraussetzen, dass die Kantone in den entsprechenden Aufgabenbereichen auch beträchtliche eigene Mittel bereitstellen. Somit wird ein bedeutender Teil der Ausgleichszahlungen gleichsam neutralisiert. Die Ausgleichszahlungen gemäss NFA werden demgegenüber vollumfänglich in der Form frei verfügbarer Mittel erfolgen und werden an keine vorbestimmten Eigenleistungen der Kantone gebunden sein.

Nach den Ausgleichszahlungen der NFA und unter Berücksichtigung des Härteausgleichs weisen alle ressourcenschwachen Kantone Werte auf, die deutlich näher am schweizerischen Mittel liegen als dies mit dem heutigen Finanzausgleich möglich ist. Im Vergleich zum heutigen System reduziert sich die «Unterdotierung»139 mit eigenen Mitteln bei verschiedenen
Kantonen gar beträchtlich. Für den Kanton Thurgau reduziert sich die Unterdotierung von 25 auf 17 Prozent, für den Kanton Solothurn von 24 auf 16 Prozent, für den Kanton Wallis von 23 auf 15 Prozent und für den Kanton Appenzell Innerrhoden von 14 auf 8 Prozent.

Eine weitere Analyse zeigt, dass je ressourcenschwächer ein Kanton ist, desto höher fallen in der NFA in der Regel auch die Ausgleichszahlungen aus. Beim ressourcenschwächsten Kanton (Wallis) wird das Ressourcenpotenzial durch die Ausgleichszahlungen um 47 Prozent erhöht, beim zweitschwächsten (Jura) immer noch um 35 Prozent. Der ressourcenstärkste Kanton (Zug) tritt knapp 9 Prozent seines Ressourcenpotenzials ab, der zweitstärkste Kanton (Zürich) gut 4 Prozent. Gemessen 137

Dass der Kanton Wallis nach erfolgten Ausgleichszahlungen eine höhere finanzielle Leistungsfähigkeit aufweist als der Kanton Thurgau liegt daran, dass der Kanton Wallis zur Deckung seiner übermässigen Berggebietslasten zusätzlich zum Ressourcenausgleich noch einen Lastenausgleich erhält.

138 Die Standardabweichung legt ein Mass der Streuung der Werte um den Mittelwert fest.

139 Als Unterdotierung wird die Lücke bzw. die Differenz zwischen dem schweizerischen Durchschnitt des Ressourcenindexes (100 Punkte) und dem Indexstand des betreffenden Kantons bezeichnet. Die Unterdotierung selbst wird in Prozenten ausgedrückt.

2508

am Ressourcenpotenzial beträgt die durchschnittliche Abschöpfung bei den ressourcenstarken Kantonen knapp 4 Prozent und der durchschnittliche Zuschuss an die ressourcenschwachen Kantone knapp 13 Prozent. Der Grund für dieses Ungleichgewicht liegt in den vom Bund (und nicht von den ressourcenstarken Kantonen) finanzierten Ausgleichszahlungen mit gewollt einseitigen Nutzniessern.

Mit der NFA werden auch die Ressourcenpotenziale der ressourcenschwächsten Kantone auf klar über 80 Prozent des schweizerischen Mittels angehoben. So kann der Kanton Wallis seinen Indexstand von 57,8 auf 84,9 Punkte und der Kanton Jura seinen Indexstand von 65,2 auf 88,1 Punkte erhöhen. Wird das geringere Kostenniveau in den ressourcenschwachen Kantonen berücksichtigt, so kann die NFA auch das Ziel erfüllen, dass alle Kantone mit genügend eigenen Finanzmitteln auszustatten sind. Zum Vergleich: Mit dem heutigen Finanzausgleich werden die eigenen Finanzmittel des Kantons Thurgau nur auf Index 74,5 erhöht, jene der Kantone Solothurn auf 76,3 und Wallis auf 77,1.

Bei den vorstehenden Betrachtungen wurden die Betreffnisse des geografischtopografischen und des soziodemografischen Lastenausgleichs stets in die Summen der Ausgleichszahlungen einbezogen. Die Begründung liegt darin, dass auch die Mittel aus dem Lastenausgleich den Kantonen zweckungebunden ausgerichtet werden. Sie können somit ebenso nach freiem Ermessen zur Finanzierung der Staatsaufgaben verwendet werden wie die eigenen Mittel und jene aus dem Ressourcenoder dem Härteausgleich.

Nun lässt sich allerdings auch argumentieren, die Lastenausgleichszahlungen dienten dem Ausgleich übermässiger Lasten; ihnen käme somit eine spezifische Aufgabe zu. Aufgabe des Ressourcen- und des Härteausgleichs ­ sei es demgegenüber, die eigenen Mittel der Kantone so weit aufzustocken, dass diese die «Normallast» mit ähnlichen Belastungen zu finanzieren vermöchten. Eine solche Differenzierung liegt denn auch dem Entwurf des Finanzausgleichsgesetzes zu Grunde: Dieses schreibt in Artikel 6 Absatz 3 vor, dass das für alle Kantone anzustrebende Mindestausstattungsziel von 85 Indexpunkten ohne Berücksichtigung der Zahlungen aus dem geografisch-topografischen und soziodemografischen Lastenausgleich erreicht werden soll. Unter den getroffenen Modellannahmen würden einige Kantone dieses
Ausstattungsziel nicht erreichen. Mit Bern, Luzern, Uri, Solothurn, Thurgau und Wallis handelt es sich jedoch ausnahmslos um Kantone, die zu den grössten Gewinnern aus dem Systemwechsel zu zählen sind (vgl. Tabelle 7.3). Ein solches Ergebnis dürfte somit als verkraftbar bezeichnet werden können.

Es bleibt nochmals darauf hinzuweisen, dass das NFA-Ausgleichssystem von seiner Konstruktion her ­ über entsprechende Dotierungen der Ausgleichsgefässe ­ auch einen bedeutend stärkeren Abbau der Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone zulässt als im vorliegenden Modell angenommen. Wie gross der Abbau der Disparitäten bzw. wie hoch die Mittelausstattung auch der ressourcenschwächsten Kantone sein soll, ist ein politischer Entscheid, welcher mehr oder weniger Ausgleichsmittel erfordert. Mit dem neuen System kann dieser politische Wille durch das eidgenössische Parlament einfach und direkt umgesetzt werden (Steuerbarkeit des Finanzausgleichs).

2509

7.2.2.2

Verringerung der Unterschiede in der Steuerbelastung

Im Gegensatz zur Verringerung der Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone kann der Abbau der Steuerbelastungsunterschiede in der NFA nur ein mittelbares Ziel sein, da die materielle Steuerhoheit der Kantone durch die NFA nicht beschnitten werden soll. Somit besteht auch keine direkte Einwirkungsmöglichkeit der NFA auf die kantonalen Steuerbelastungen. Auf indirekte Weise kann die NFA hingegen auf die Steuerbelastungen der Kantone einwirken.

Der Steuerwettbewerb wirkt im Verbund mit der in der Schweiz gegebenen Kompetenz des Souveräns über die Höhe der Steuern abzustimmen sowie der bei grösseren Ausgaben vorgesehenen Möglichkeit von Finanzreferenden tendenziell steuersenkend140. Aber auch die Finanzausgleichsmassnahmen selbst haben einen indirekten Einfluss auf die Steuerbelastungsunterschiede. Je umfangreicher der horizontale Ressourcenausgleich ausfällt und je höher die Gefässe des Lastenausgleichs des Bundes sowie des Härteausgleichs dotiert werden, desto geringer präsentiert sich das Einnahmen- und das Ausgabengefälle unter den Kantonen und desto grösser wird auch das Potenzial zur Reduktion der Steuerbelastungsunterschiede.

Wieweit die durch die NFA begünstigten Kantone dieses Potenzial in eine effektive Reduktion der Steuerbelastungen umsetzen, ist allerdings allein ihre Entscheidung und kann rechnerisch nicht vorweggenommen werden. Ebenso wenig kann vorausgesagt werden, wie jene Kantone, welche durch die NFA belastet werden, ihre Mehrbelastung auffangen werden. Es stehen ihnen dabei grundsätzlich drei Optionen offen. Sie können Spar- und Effizienzsteigerungsprogramme durchführen, sich verstärkt verschulden oder die Steuern anheben.

Wie auch bei der Höhe der Effizienzgewinne, die durch die NFA ermöglicht werden, so kann auch die Entwicklung der Steuerbelastungsunterschiede nicht exakt beziffert werden. Gesichert ist einzig das Vorhandensein eines Potenzials. Inwiefern die ressourcenschwachen Kantone dann dieses Potenzial auch in konkrete Steuerreduktionen umsetzen, kann nicht berechnet werden, da dies durch politische Entscheidungen bedingt sein wird. Es kann jedoch das Potenzial der Reduktion der Steuerbelastungsunterschiede berechnet werden (vgl. Tabelle 7.7). Dies unter der Annahme, dass die ressourcenstarken Kantone ihre Mehrbelastung durch eine Steuererhöhung auffangen und die ressourcenschwachen Kantone mit den erhaltenen Ausgleichszahlungen eine Reduktion der Steuerbelastung finanzieren.

140

Vgl. Schaltegger, Christoph A.; Feld, Lars P.; On government centralization and budget referendums: Evidence from Switzerland; Mimeo; Universität St. Gallen, 2001.

2510

Potenzielle Verringerung der Steuerbelastungsunterschiede gemäss NFA (gemäss NFA-Modellberechnung) Tabelle 7.7 Kantone

Steuereinnahmen der Durchschnittliche Steuer- Gesamttransfers durch Durchschnittliche SteuerKantone und Gemein- belastung ohne NFA die NFA inklusive Härte- belastung nach NFAa) den in 1000 Franken (1998/1999) ausgleich in 1000 Franken (1998/1999) (1) (2) (3) (4)

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU Divers

8 980 177 5 527 694 1 971 037 137 530 655 659 135 517 185 364 188 899 676 370 1 262 264 1 250 292 1 944 371 1 679 142 422 136 284 441 62 900 2 531 591 1 050 385 2 818 715 1 235 016 1 972 859 4 316 167 1 293 525 1 036 915 4 322 738 368 955

81.8 122.1 116.7 90.8 79.9 112.5 70.8 102.9 58.0 120.3 99.5 111.3 91.7 99.5 105.7 91.6 100.8 91.1 96.4 103.3 96.3 109.1 126.1 125.9 110.3 128.4

­ 306 676 113 399 64 975 14 741 21 189 3 547 ­ 5 537 ­ 344 ­ 109 911 27 452 83 378 21 407 13 571 14 030 2 003 6 306 36 357 12 676 18 613 92 856 69 966 10 611 122 591 13 349 ­ 12 639 8 866 ­ 8 935

84.7 119.6 113.0 82.0 82.6 109.6 73.0 103.1 69.3 117.7 93.3 110.1 91.0 96.3 105.0 83.3 99.4 90.0 95.8 96.1 93.0 108.8 115.2 124.3 110.6 125.4

Schweiz

46 310 652

100.0

285 475

100.0

Standard­ abweichung

17.3

15.4

Bemerkungen: a) Die Steuerbelastung nach NFA wird wie folgt berechnet: Durchschnittliche Steuereinnahmen 1998 / 1999 (1) : [(Durchschnittliche Steuereinnahmen 1998 / 1999 (1) + Gesamttransfers durch die NFA (3)] x Durchschnittlicher Steuerbelastungsindex ohne NFA (2).

2511

Steuerbelastungsindex der Kantone vor und nach NFA (gemäss NFA-Modellberechnung) Abbildung 7.5 Steuerbelastungsindex

200 140 120 100 80 60 40 20 0

JU

VS

NE

BE

FR

LU

OW BS

GE

Stand Steuerbelastungsindex vor NFA

2512

VD

AR

TG

GL

SG SO

SH

AG

TI

BL

AI

Stand Steuerbelastungsindex nach NFA

GR

UR

ZH

SZ

NW

ZG

Zu- bzw. Abnahme des Steuerbelastungsindexes durch die NFA (gemäss NFA-Modellberechnung) Abbildung 7.6 Zunahme des Steuerbelastungsindexes durch die NFA

12 10

8

6

4

2

0

ZG ZH SZ NW GE GL VD AG BL AR GR BS SG NE BE FR OW JU SH TI LU SO TG AI UR VS

-2

-4

-6

-8

-10

-12 Abnahme des Steuerbelastungsindexes durch die NFA

2513

Die Kantone Zug und Jura weisen sowohl vor als auch nach den Transfers der NFA die niedrigste bzw. die höchste Steuerbelastung auf. Wobei sich die Steuerbelastung des Kantons Zug von 58,0 auf 69,3 Indexpunkte erhöht, während der Kanton Jura seine Steuerbelastung von 128,4 auf 125,4 Punkte leicht reduzieren kann. Die Spannweite der Steuerbelastung verringert sich somit von 70,4 auf 56,1 Punkte bzw.

um 20.3 Prozent.

Wie erwähnt, handelt es sich hierbei um rein theoretische Berechnungen, anhand deren sich die bei den getroffenen Modellannahmen maximal mögliche Verringerung der Steuerbelastungsunterschiede ermitteln lässt. Schlagen sich die mit der Einführung der NFA verbundenen Belastungsveränderungen nicht vollständig in den Steuerbelastungen der Kantone nieder (indem die Kantone beispielsweise zusätzliche Verschuldung oder Sparmassnahmen einer Steuererhöhung bzw. die Übernahme neuer Aufgaben, zusätzliche Investitionen oder einen Schuldenabbau einer Steuerreduktion vorziehen), vermindert sich die Reduktion der Steuerbelastungsunterschiede entsprechend.

Wichtig scheint dem Bundesrat die Feststellung, dass die NFA ­ nicht zuletzt dank des Härteausgleichs ­ allen Kantonen mit einer überdurchschnittlichen Steuerbelastung das Potenzial eröffnet, sich der durchschnittlichen schweizerischen Steuerbelastung anzunähern.

Zur Entwicklung der Steuerbelastungsunterschiede sind noch einige Zusatzbemerkungen anzubringen. Divergierende Steuerbelastungen können zum einen auf unterschiedliche Ansprüche der Bevölkerung an den Staat zurückgeführt werden. Zum andern sind unterschiedliche Ressourcenausstattungen und unterschiedliche strukturelle Bedingungen zu erwähnen, welche ihrerseits zu Steuerbelastungsunterschieden führen können.

Der Bundesrat unterstreicht auch an dieser Stelle, dass der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen zu begrüssen ist (vgl. Ziff. 1.1.5). Eine materielle Steuerharmonisierung wäre mit der hier vorgelegten Finanzausgleichsreform nicht verträglich.

Folglich sind gewisse Unterschiede in der Fiskalbelastung der Kantone zuzulassen.

Die Festlegung maximal zulässiger Steuerbelastungsunterschiede kann daher kein NFA-kompatibles Ziel sein. Trotzdem stellt sich die Frage des Ausmasses dieser Unterschiede. Wie der Bundesrat in seinem Finanzleitbild vom 4. Oktober 1999 betonte, sollten nicht zuletzt
aus Gründen der Steuergerechtigkeit und der Rechtsgleichheit die Steuerbelastungsunterschiede zwischen den Kantonen ein gewisses Mass nicht überschreiten141.

Wie der Tabelle 7.7 entnommen werden kann, hält sich die bei den getroffenen Modellannahmen maximal mögliche Verringerung der Unterschiede in Grenzen. Dank der politischen Steuerbarkeit des Finanzausgleichs werden die eidgenössischen Räte jedoch in der Lage sein, dessen Eckwerte festzulegen. Je mehr Finanzmittel für die Ausgleichsgefässe vom Parlament bereitgestellt werden, desto grösser wird auch das Potenzial zur Angleichung der Steuerbelastungen in der Schweiz.

141

Vgl. Bundesrat; Finanzleitbild. Ziele, Grundsätze und Instrumente für die Finanzpolitik des Bundesrates; Bern 1999.

2514

7.2.3

Handlungsspielräume, Effizienzpotenziale und nicht zweckgebundene Mittel

7.2.3.1

Entfallende zweckgebundene Transfers zwischen Bund und Kantonen inklusive Abstufung nach Finanzkraft

Im Bereich der Aufgabenneuordnung setzt sich die NFA zum Ziel, nicht nur Ordnung und Transparenz in die Kompetenzverhältnisse zu bringen, sondern für Bund und Kantone auch grössere Handlungsspielräume und damit ein Potenzial für Effizienzgewinne zu schaffen. Zu diesem Zweck sollen insbesondere die durch die zweckgebundenen Transferzahlungen verursachten Abhängigkeiten und Fehlanreize beseitigt werden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich aus finanzpolitischer Sicht die Frage, wie viele der heutigen Aufgabenbereiche durch die NFA entkoppelt werden können. Diesbezügliche Angaben auf Grund der Zahlen des Durchschnitts der Jahre 1998 und 1999 können der Tabelle 7.8 entnommen werden.

Entfallende zweckgebundene Transfers zwischen Bund und Kantonen inklusive Abstufung nach Finanzkraft (gemäss NFA-Modellberechnung) Tabelle 7.8 Kantone

Zweckgebundene Transfers zwischen Bund und Kantonen in 1000 Franken (1998/1999)

Durch die NFA entfallende zweckgebundene Transfers zwischen Bund und Kantonen In 1000 Franken

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU Alle Kantone

In Prozent

1 230 911 1 719 435 592 600 172 500 185 048 86 325 80 389 62 723 89 341 601 070 363 733 399 241 310 693 86 813 84 812 36 415 674 395 749 874 562 117 322 721 496 016 977 807 660 706 492 436 498 425 310 256

866 848 724 129 238 757 29 172 71 615 23 433 20 886 24 148 67 579 197 303 175 247 206 018 185 691 48 945 52 283 7 993 295 255 137 877 341 511 153 868 270 748 560 218 228 656 144 598 344 015 65 378

70 42 40 17 39 27 26 38 76 33 48 52 60 56 62 22 44 18 61 48 55 57 35 29 69 21

11 846 802

5 482 169

46

Ressourcenstarke Kantone

62

Ressourcenschwache Kantone

41

Quelle:

EFV; Die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen 1998; Bern 2000.

EFV; Die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen 1999; Bern 2001.

2515

Die NFA entkoppelt somit 5,5 Milliarden oder 46 Prozent des gesamten heutigen Finanzierungsverbundes zwischen Bund und Kantonen. Für die ressourcenstarken Kantone beträgt der Abbau im Durchschnitt 62 Prozent, für die ressourcenschwachen Kantone 41 Prozent.

7.2.3.2

Entfallende zweckgebundene Transfers zwischen Bund und Kantonen exklusive Abstufung nach Finanzkraft

Die in der Tabelle 7.8 dargestellten Beträge schliessen auch den mit den Transfers verbundenen Finanzausgleich ein. Interessiert einzig das Ausmass der Aufgabenentflechtung, ist der Finanzausgleichsteil auszuklammern. Der Entflechtungsgrad präsentiert sich dann wie folgt: Entfallende zweckgebundene Transfers zwischen Bund und Kantonen exklusive Abstufung nach Finanzkraft (gemäss NFA-Modellberechnung) Tabelle 7.9 Kantone

Zweckgebundene Transfers zwischen Bund und Kantonen in 1000 Franken (1998/1999)

Durch die NFA entfallende zweckgebundene Transfers zwischen Bund und Kantonen In 1000 Franken

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU Alle Kantone

In Prozent

1 050 419 1 373 445 515 257 150 241 169 540 72 021 74 107 56 969 74 474 497 957 339 380 353 185 272 405 77 928 69 765 33 362 600 359 690 623 511 955 287 020 426 958 885 321 501 632 411 375 431 990 265 064

686 356 378 139 162 414 6 913 56 107 9 129 14 604 18 394 52 711 94 191 150 894 159 961 147 403 40 059 37 237 4 940 221 219 78 626 291 349 118 167 201 690 467 732 69 582 63 537 277 581 20 185

65 28 31 5 33 13 20 32 71 19 44 45 54 51 53 15 37 11 57 41 47 53 14 15 64 8

10 193 751

3 829 118

38

Ressourcenstarke Kantone

57

Ressourcenschwache Kantone

31

Quelle:

2516

EFV; Die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen 1998; Bern 2000.

EFV; Die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen 1999; Bern 2001.

Wertmässig werden durch die Neuzuteilung der Aufgaben somit knapp 40 Prozent des heutigen Aufgabenverbundes entflochten. Für die ressourcenstarken Kantone beläuft sich dieser Wert auf durchschnittlich rund 60 Prozent, für die ressourcenschwachen Kantone auf durchschnittlich rund 30 Prozent.

7.2.3.3

Handlungsspielräume und Effizienzpotenziale

Die NFA eröffnet sowohl dem Bund als auch den Kantonen Effizienzpotenziale.

Vor allem im Rahmen der neuen Aufgabenzuordnung und der neuen Zusammenarbeitsformen zwischen Bund und Kantonen, aber auch zwischen den Kantonen selbst besteht ein Potenzial an Einsparungsmöglichkeiten, ohne dass Leistungen abgebaut werden.

Mit der Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung wird für möglichst viele Aufgabenbereiche die fiskalische Äquivalenz angestrebt. Wann immer möglich sollen die Nutzniesser eines Aufgabenbereichs auch die Kosten- und Entscheidungsträger sein.

Auf diese Weise kann dem Grundsatz «Wer zahlt, befiehlt» bzw. «Wer befiehlt, bezahlt» Geltung verschafft und den Kantonen können Handlungs- und Gestaltungsspielräume eröffnet werden. Zudem werden dadurch die Verantwortlichkeit der Entscheidungsträger gestärkt und gezielte Kosten- und Wirkungskontrollen gefördert.

Zuletzt ist auch zu erwarten, dass administrative Doppelspurigkeiten sowie überdimensionierte Leistungen und Projekte eher vermieden werden, da nun die Entscheidungsträger auch die Kosten ihrer Entscheidungen tragen müssen.

Aber auch die neuen Zusammenarbeitsformen zwischen Bund und Kantonen in den verbleibenden Verbundaufgaben sowie die interkantonale Zusammenarbeit eröffnen Effizienzpotenziale. Bei den Verbundaufgaben sollen die neuen Programmvereinbarungen dazu dienen, die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen klarer zu trennen. Dadurch wird die Aufgabenerfüllung ziel- und wirkungsorientierter. Die Kantone erhalten zudem den Anreiz, die mit dem Bund vereinbarte Zielerfüllung so effizient wie möglich sicherzustellen.

Die Neuerungen bei der Subventionsbemessung werden den haushälterischen Mitteleinsatz ebenfalls fördern: An die Stelle der prozentualen Kostenübernahmen treten Global- oder Pauschalbeiträge, die nicht mehr aufwand-, sondern ergebnisabhängig festgelegt werden. Zudem sinken durch den Wegfall der Finanzkraftzuschläge die Beitragssätze, was das Kostenbewusstsein der Subventionsempfänger zusätzlich fördert.

Das neue Instrumentarium der interkantonalen Zusammenarbeit eröffnet den Kantonen in den betreffenden Aufgabenbereichen neue Handlungsspielräume. Da sich die funktionalen Räume in Wirtschaft und Gesellschaft je länger je weniger mit den politischen Grenzen der Kantone decken, bietet die interkantonale Zusammenarbeit die
Möglichkeit, kantonsübergreifende öffentliche Leistungen auf effiziente Art und Weise zu erbringen (vgl. Ziff. 4).

Im Gegensatz zur Vernehmlassungsvorlage der Projektorganisation möchte der Bundesrat von einer Bezifferung des Effizienzgewinnpotenzials absehen. Eine Vorwegnahme der Handlungsoptionen der Kantone und des Bundes in neu gewonnenen Freiräumen ist nicht möglich. Fest steht einzig, dass das Effizienzgewinnpotenzial angesichts des finanziellen Volumens von 11,8 Milliarden Franken (vgl. Tabel2517

le 7.8) als beträchtlich einzuschätzen ist. Dabei bleibt nochmals festzuhalten, dass die vorgeschlagenen Massnahmen nicht auf einen Leistungsabbau abzielen, sondern lediglich die Effizienz der eingesetzten Finanzmittel erhöhen sollen.

7.2.3.4

Nicht zweckgebundene Mittel

Im Rahmen der NFA werden den Kantonen vermehrt nicht zweckgebundene Mittel zur Verfügung gestellt. Mit diesen zur freien Verfügung stehenden Mitteln eröffnen sich den Kantonen neue Handlungs- und Gestaltungsspielräume. Sie werden in die Lage versetzt, die Erbringung öffentlicher Leistungen verstärkt an ihren spezifischen Strukturen und an den Präferenzen der jeweiligen Kantonsbevölkerung auszurichten. Bei der Frage, welche Veränderungen die NFA bei den nicht zweckgebundenen Mitteln bewirkt, ist nicht nur das Ergebnis für die Kantone insgesamt, sondern auch der Vergleich zwischen ressourcenstarken und ressourcenschwachen Kantonen von Bedeutung.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die nachfolgenden Ausführungen auf die Ergebnisse der getroffenen Annahmen des berechneten NFA-Modells stützen. Je höher die vertikalen Ausgleichsgefässe dotiert werden, desto höher fällt für die begünstigten Kantone mit geringem Ressourcenpotenzial (vertikaler Ressourcenausgleich) und mit übermässigen Lasten (geografisch-topografischer und soziodemografischer Lastenausgleich) die Zunahme der nicht zweckgebundenen Mittel aus. Und je höher das Volumen des horizontalen Ressourcenausgleichs festgelegt wird, desto mehr nicht zweckgebundene Mittel kommen den ressourcenschwachen Kantonen zu und desto weniger verbleiben den ressourcenstarken Kantonen.

Eine Bilanz der Veränderungen hinsichtlich der nicht zweckgebundenen Mittel ist stufenweise darzustellen: Frei werdende Mittel aus den Entlastungen der Kantone auf Grund der Aufgabenneuverteilung +

Veränderungen beim nicht zweckgebundenen Finanzausgleich im engeren Sinn (inklusive des Härteausgleichs)

=

Veränderung bei den nicht zweckgebundenen Mitteln vor Wahrnehmung der neuen Aufgaben

2518

Bilanz der Veränderungen bei den nicht zweckgebundenen Mitteln (in 1000 Franken) Tabelle 7.10 Kantone

ZH BE LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU Divers Alle Kantone

Nicht zweckgebundene Mittel aus den Entlastungen der Kantone auf Grund der Aufgabenneuverteilung (ohne Finanzkraftabstufung) 1

Nicht zweckgebundene Mittel aus dem Finanzausgleich im engeren Sinn (inklusive Härteausgleich)

Veränderung der nicht zweckgebundenen Mittel (vor der Wahrnehmung der neuen Aufgaben)

2

1+2

Zusatzbelastung aus neuen Aufgabenzuständigkeiten und als Folge des Wegfalls der Finanzkraftabstufung

+ 416 632 + 340 667 + 143 002 + 21 620 + 38 972 + 10 082 + 12 517 + 14 524 + 30 050 + 93 839 + 86 848 + 107 447 + 94 647 + 26 858 + 23 881 + 5 470 + 179 017 + 72 524 + 175 625 + 74 885 + 167 719 + 263 505 + 95 059 + 79 957 + 167 581 + 32 458

­ 318 246 + 341 303 + 98 402 + 23 137 ­ 24 271 + 11 436 ­ 9 827 ­ 194 ­ 116 236 + 96 594 + 107 113 ­ 1 825 ­ 6 157 + 9 476 + 19 720 + 5 584 + 56 267 + 45 526 + 16 398 + 133 387 + 83 174 + 147 145 + 175 681 + 50 647 ­ 21 565 + 24 610

+ 98 386 + 682 070 + 241 404 + 44 758 + 14 701 + 21 519 + 2 690 + 14 330 ­ 86 186 + 190 433 + 193 960 + 105 622 + 88 490 + 36 334 + 43 602 + 11 054 + 235 284 + 118 050 + 192 023 + 208 272 + 250 893 + 410 650 + 270 740 + 130 604 + 146 016 + 57 067

­ 405 161 ­ 568 564 ­ 176 419 ­ 30 017 ­35 903 ­ 17 961 ­ 8 231 ­ 14 665 ­ 23 735 ­ 162 939 ­ 110 595 ­ 84 236 ­ 74 948 ­ 22 314 ­ 41 427 ­ 4 722 ­ 198 942 ­ 105 352 ­ 173 456 ­ 115 430 ­ 180 921 ­ 400 104 ­ 148 030 ­ 117 227 ­ 158 695 ­ 48 359 ­ 8 936

+ 2 775 388

+ 947 377

+ 3 722 764a)

­ 3 437 289

+ 369 718

­ 790 909

+3 353 046

­2 646 380

Ressourcenstarke Kantone Ressourcenschwache Kantone

Bemerkungen: a) Die Differenz von rund 285 Millionen Franken gegenüber dem Total der Zusatzbelastungen entspricht dem Bundesanteil bei der Finanzierung des Härteausgleichs.

Die in der letzten Spalte der Tabelle 7.10 dargestellten Zusatzbelastungen basieren auf einer Modellberechnung. Sie würden nur dann vollumfänglich anfallen, wenn den neu allein zuständigen Kantonen für die Zusatzaufgaben und infolge Entfalls der Finanzkraftzuschläge bei den Bundesbeiträgen ebenso viele Ausgaben erwachsen würden wie im heutigen Aufgabenverbund mit dem Bund, wenn also keine Effi-

2519

zienzgewinne erzielt werden könnten. Da die Effizienzgewinne aber nicht exakt bezifferbar sind, wird bewusst auf eine Saldierung mit den nicht zweckgebundenen Mitteln verzichtet.

Vor der Übernahme der durch die NFA neu zugeteilten Aufgaben werden somit ­ mit Ausnahme des Kantons Zug­ alle Kantone über deutlich mehr nicht zweckgebundene Mittel verfügen als heute.

Mit dem Zusatz an nicht zweckgebundenen Mitteln von gut 3,7 Milliarden Franken müssen die Kantone nun jene Aufgaben finanzieren, für die sie neu zuständig sind, und zudem den Entfall der Finanzkraftzuschläge bei den Bundesbeiträgen kompensieren. Je nachdem wie die Kantone dies bewältigen, können die damit verbundenen Aufwände grösser oder kleiner ausfallen als heute. Die unter der Ziffer 7.2.3.3 erörterten Effizienzpotenziale lassen vermuten, dass die Kantone in der Lage sein werden, diese Aufgaben kostengünstiger zu erbringen, als dies heute der Fall ist. Wie gross die zu erwartenden Einsparungen sein werden, kann aber wie bereits erwähnt nicht exakt vorhergesagt werden.

Das Ergebnis aus dem Vergleich der zusätzlichen nicht zweckgebundenen Mittel mit den Zusatzbelastungen für die neu zu übernehmenden Aufgaben fällt für die ressourcenstarken und die ressourcenschwachen Kantone unterschiedlich aus. Den ressourcenstarken Kantonen bringt die NFA einen deutlich grösseren zusätzlichen Handlungsspielraum als den ressourcenschwachen Kantonen. Das entsprechend grössere Effizienzpotenzial müsste die ressourcenstarken Kantone befähigen, das negative Ergebnis aus dem Vergleich zwischen freigespielten Mitteln und Zusatzaufgaben zumindest teilweise zu kompensieren.

Bei den ressourcenschwachen Kantonen fällt das Ausmass der Aufgabenentflechtung und damit die zusätzlichen Handlungsspielräume deutlich geringer aus als für die ressourcenstarken Kantone. Für die Kantone mit unterdurchschnittlichem Ressourcenpotenzial ist aber primär ­ und nicht zuletzt mit Blick auf ihre in der Regel höhere Steuerbelastung ­ eine verbesserte Eigenfinanzierungskraft von Bedeutung.

Dank des Härteausgleichs wird dieses Ziel für alle erreicht: Auch ohne Effizienzgewinne würde der Vergleich zwischen den zusätzlichen nicht zweckgebundenen Mitteln und dem Aufwand für die neu zu übernehmenden Aufgaben für alle142 ressourcenschwachen Kantone positiv ausfallen. Insgesamt stehen
für die ressourcenschwachen Kantone den zusätzlichen nicht zweckgebundenen Mitteln von knapp 3,4 Milliarden Franken zusätzliche Aufwendungen von lediglich 2,6 Milliarden Franken gegenüber; dies auch ohne Berücksichtigung der möglichen Effizienzgewinne.

7.2.4

Auswirkungen auf die Standortgunst im internationalen Steuerwettbewerb

Im Rahmen einer umfassenden Wirkungsanalyse der NFA spielen die Fragen, ob und inwieweit die durch die NFA zu erwartende Mehrbelastung der ressourcenstarken Kantone eine Gefahr der Abwanderung von Steuersubjekten ins Ausland beinhaltet und ob zusätzliche institutionelle Vorkehrungen vorgesehen werden müssen,

142

Dies trifft einzig für den Kanton Glarus nicht zu. Vgl. Ziffer 7.2.1.

2520

eine zentrale Rolle. Daher wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches diesen Punkt anhand der Situation des Kantons Zug ausführlich untersucht143.

Der Kanton Zug wurde aus zwei Gründen ausgewählt: Zum einen wird der Kanton Zug durch die NFA am stärksten belastet. Zum anderen hat der Kanton Zug als einziger Kanton vehement auf die Gefahr der Abwanderung von Steuersubjekten ins Ausland hingewiesen. Die Erkenntnisse des Gutachtens dürften indessen auch bei Kantonen mit ähnlichen Verhältnissen zutreffen (z.B. die Kantone Nidwalden und Schwyz). Die wesentlichen Schlussfolgerungen des Gutachtens können anhand von drei Punkten zusammengefasst werden: 1.

Eine massive Abwanderung von juristischen Personen ins Ausland ist nicht zu befürchten. Dies gilt auch für die mobilen Holding- und Verwaltungsgesellschaften. Hierfür sprechen folgende Gründe: ­ Der effektive Grenzsteuersatz für die im Kanton Zug ansässigen Betriebsgesellschaften ist im internationalen Vergleich sehr niedrig. Dies gilt auch dann noch, wenn die Steuern im Kanton Zug im Ausmass der durch die NFA bedingten Mehrbelastung erhöht werden müssten. Im europäischen Raum könnte diesbezüglich allenfalls Irland ein Konkurrent sein. Die in Irland bedeutend niedrigeren Lohnkosten stellen für die Schweiz jedoch ein bedeutend stärkerer Standortnachteil dar als ein möglicherweise um 0,8 Prozentpunkte erhöhter effektiver Grenzsteuersatz.

­ Holding- und Verwaltungsgesellschaften werden nur in sehr geringem Masse von einer Erhöhung der kantonalen Steuern betroffen. Die Kapitalsteuer beträgt für eine deutliche Mehrheit dieser Firmen heute gerade noch 150 Franken pro Jahr. Sie liegt damit niedriger als die Gebühren, die in einer Reihe von «Steuerparadiesen» erhoben werden.

Was die Steuern betrifft, ist die Schweiz diesbezüglich absolut konkurrenzfähig. Solange nicht eine Vervielfachung zur Diskussion steht, würde eine Erhöhung dieser minimalen Steuer die Konkurrenzfähigkeit kaum beeinträchtigen.

Auch gemischte Gesellschaften werden heute kaum von den kantonalen Steuern betroffen. Wird dennoch eine Abwanderung ins Ausland befürchtet, würde die Möglichkeit bestehen, diese Gesellschaften von der Steuererhöhung auszunehmen, indem man die Erträge aus dem Ausland zu einem geringeren Anteil besteuern würde. Es wäre allerdings näher zu prüfen, ob dies eine Änderung von Artikel 28 Absatz 4 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) vom 14. Dezember 1990144 voraussetzen würde.

143

Vgl. Kirchgässner, Gebhard; Hauser, Heinz; Abwanderungsgefahr von Steuersubstrat ins Ausland im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben (NFA).

Gutachten zuhanden der Eidgenössischen Finanzverwaltung und der Konferenz der Kantonsregierungen; St. Gallen, 2001.

144 SR 642.14

2521

Angesichts der sehr niedrigen Steuern für natürliche Personen besteht auch die Möglichkeit, entweder die Ertrags- oder die Kapitalsteuern oder beide von einer Erhöhung auszunehmen. In diesem Fall würden die Unternehmen durch die Steuererhöhung überhaupt nicht betroffen.

2.

Nach Ansicht der Experten besteht auch bei den natürlichen Personen keine Gefahr einer Abwanderung ins Ausland. Gerade Standorte, die für Unternehmen sehr günstige Bedingungen haben, erheben häufig recht hohe Steuern auf persönlichen (Arbeits-)Einkommen. Da der Kanton Zug zwar recht günstige steuerliche Bedingungen für natürliche Personen bietet, aber weder bei der Einkommens- noch bei der Vermögenssteuer die niedrigsten Sätze in der Schweiz aufweist, könnte theoretisch die Gefahr bestehen, dass Personen mit hohem Einkommen oder Vermögen in Gemeinden anderer Kantone wechseln, insbesondere in Gemeinden der Kantone Schwyz und Nidwalden.

Doch dürften die NFA und die innerkantonalen Finanzausgleichsreformen auch diesen Gemeinden inskünftig Mehrbelastungen bringen. Zudem könnten solche Binnenwanderungen zwar das Steuerpotenzial des Kantons Zug reduzieren, aber sie ändern nichts am Aufkommen der direkten Bundessteuer und damit auch nichts an der Situation der Schweiz insgesamt.

3.

Generell ist festzustellen, dass eine Steuererhöhung nicht das einzige Mittel darstellt, um eine Mehrbelastung aus der NFA aufzufangen. Das Gutachten kam zum Schluss, dass ­ wie in allen Kantonen ­ auch für den Kanton Zug Sparpotenziale bestünden, die flankierend zu einer Steuererhöhung ausgeschöpft werden könnten. Es ist deshalb völlig offen, um wie viel der Kanton Zug letztlich die Steuern erhöhen müsste, um die durch die NFA bedingte Mehrbelastung aufzufangen. Für allfällige strukturelle Massnahmen auf der Kostenseite bliebe dem Kanton Zug bis zur Inkraftsetzung der NFA genügend Zeit.

Das Gutachten kommt zum Schluss, dass selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass nach einer möglichen Steuererhöhung im Kanton Zug einzelne Firmen oder Personen die Schweiz verlassen. Nichts spricht aber dafür, dass dies in grösserer Zahl der Fall sein würde. Auch wenn man die Besorgnis des Kantons Zug verstehen kann, ergibt sich daraus für die Gesamtheit der Kantone und für die Eidgenossenschaft kein Grund, das vorgeschlagene Konzept der NFA nicht zu realisieren. Ein wirksamer Finanzausgleich, der die als ungerecht empfundenen Disparitäten abbaut, ist für die Schweiz wichtig, um zu verhindern, dass das Konzept des fiskalischen Föderalismus durch eine materielle Steuerharmonisierung unterhöhlt wird.

Diese würde den Kanton Zug und andere steuergünstige Kantone sehr viel stärker beeinträchtigen als die NFA.

Angesichts der Schlussfolgerungen des Gutachtens verzichtet der Bundesrat darauf, im Ressourcenausgleich einen Mechanismus zur Begrenzung der Beiträge der ressourcenstarken Kantone einzubauen. Er vertritt die Auffassung, dass die vorgesehene institutionelle Bremse in der Form des referendumsfähigen Bundesbeschlusses genügen wird, um bei Neufestlegungen der Ausgleichsbeiträge eine übermässige Ausschöpfung bei den ressourcenstarken Kantonen zu verhindern. Zudem weist das Finanzausgleichsgesetz das Parlament an, bei der Festlegung des Beitrages der ressourcenstarken Kantone an den Ressourcenausgleich stets auch das Ziel zu beachten, in den Kantonen international konkurrenzfähige Steuersätze zu erhalten. Darüber hinaus soll die jährliche Gesamtleistung der ressourcenstarken Kantone jene 2522

des Bundes nicht übersteigen. Der periodisch zu erstellende Wirkungsbericht wird aufzuzeigen haben, ob und in welchem Ausmass ein späterer Ausbau des horizontalen Ressourcenausgleichs mit dem Gebot, international konkurrenzfähige Steuersätze in den Kantonen zu erhalten, verträglich ist.

7.3

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Im allgemeinen und besonderen Teil der Botschaft wurden bereits umfangreiche Überlegungen zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der NFA angestellt. An dieser Stelle sollen die wesentlichen Überlegungen zusammengefasst und durch zusätzliche Aspekte ergänzt werden.

7.3.1

Notwendigkeit und Möglichkeit der staatlichen Intervention

Die Bundesverfassung schreibt vor, dass der Bund den Finanzausgleich unter den Kantonen fördern soll (Art. 135 BV). Der bundesstaatliche Finanzausgleich korrigiert das Ergebnis der sich aus der ungleichen wirtschaftlichen Entwicklung ergebenden primären regionalen Einkommensverteilung. Er ist als Bestandteil der Verteilungsgerechtigkeit ein klassisches Instrument der Finanzpolitik. Die Wohlfahrtsökonomie bietet verschiedene Konzepte der Verteilungsgerechtigkeit an. Das in der NFA angewandte Verteilungskonzept orientiert sich am Prinzip der Chancengleichheit und zielt somit auf Prozessgerechtigkeit und nicht Ergebnisgleichheit. Mit der Reform des Finanzausgleichs wird ein effizienter Mitteleinsatz durch Bund und Kantone angestrebt, zudem werden neuartige Instrumente zur Erreichung der verteilungspolitischen Ziele eingeführt.

Im marktwirtschaftlichen Prozess werden Allokation und Distribution simultan bestimmt. Möglichen Zielkonflikten zwischen diesen beiden Dimensionen, der Effizienz einerseits und der Gerechtigkeit andererseits, beugt die NFA durch eine Trennung in anreiz- und umverteilungsorientierte Instrumente vor. Der Finanzausgleich im engeren Sinne soll die Unterschiede zwischen ressourcenstarken und ressourcenschwachen Kantonen bezüglich der finanziellen Leistungsfähigkeit verkleinern. Auf diesem Weg sollen fiskalische Externalitäten, welche durch den Steuerwettbewerb entstehen, internalisiert werden und eine Entmischung in einkommensstarke und einkommensschwache Gebietskörperschaften verhindert werden. Das Angebot an öffentlichen Leistungen soll verstärkt dezentral erbracht werden und so den Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger besser entsprechen. Damit die Anreize für die Bereitstellung öffentlicher Leistungen möglichst wenig verzerrt werden, müssen zusätzlich räumliche Externalitäten internalisiert und übermässige Lasten abgegolten werden.

Weiter sollen die Aufgaben zwischen Bund und Kantonen gemäss dem Subsidiaritätsprinzip und dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz neu verteilt werden. Die Aufgabenerfüllung wird durch eine klare Kompetenzregelung jener Staatsebene zugeteilt, welche die Aufgabe am besten lösen kann. Der Gestaltungsspielraum der Kantone soll ebenfalls im Rahmen der vertikalen Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen durch neue Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen erhöht wer2523

den. Die Kantone erhalten dadurch Anreize, ihren Mitteleinsatz intersektoral und intertemporal zu optimieren. Brachliegende Effizienzpotenziale auf Grund von Grössen- und Verbundvorteilen sollen im Rahmen der interkantonalen Zusammenarbeit ausgeschöpft werden.

Der heute bestehende Finanzausgleich ist intransparent, politisch kaum steuerbar und entfaltet ungewollte Wirkungen. Die NFA korrigiert somit Fehlanreize und Fehlwirkungen des heutigen Finanzausgleichs und will durch die Einführung neuartiger Instrumente die Effizienz der bundesstaatlichen Zusammenarbeit erhöhen. Von der NFA werden alle Bürgerinnen und Bürger auf Grund geringerer Kosten und/oder eines reichhaltigeren Angebots bzw. einer besseren Qualität öffentlicher Leistungen profitieren.

7.3.2

Auswirkungen auf die verschiedenen Gesellschaftsgruppen

Die Aufgabenentflechtung führt in Zukunft bei den kantonalisierten Aufgaben auf Grund der unterschiedlichen Lösungsansätze zu einer stärkeren Leistungsauffächerung für die Bürgerinnen und Bürger. Um die Stabilität der angestrebten Entflechtungen sicherzustellen, sind für gewisse Leistungen Mindeststandards vorgesehen.

Dadurch soll unter anderem verhindert werden, dass ein neuerlicher Ruf nach einem Eingriff des Bundes begründet wird. Mit der Verankerung des Subsidiaritätsprinzips in der Bundesverfassung soll auch in Zukunft sichergestellt werden, dass die Bewohnerinnen und Bewohner einer Gebietskörperschaft möglichst viele Entscheide vor Ort beeinflussen und mitgestalten können. Dadurch werden zwei wesentliche Standortfaktoren im sich globalisierenden Standortwettbewerb, die politische Stabilität und das Angebot an öffentlichen Leistungen eines Investitionsstandorts, gesichert.

Den Bewohnerinnen und Bewohnern wirtschaftlich schwacher Regionen wird mit den Umverteilungsmassnahmen der NFA indirekt ein Schutz vor konjunkturellen Einbrüchen gewährleistet. Das jeder Umverteilungsmassnahme inhärente Risiko, auf die Leistungsfähigkeit anderer zu bauen, wird bei der Ausgestaltung des Ressourcenausgleichs durch das Aufrechterhalten der Anreize, die eigene Situation zu verbessern, Rechnung getragen. In der NFA ist mit dem vorgesehenen fakultativen Referendum zudem ein Sicherungsmechanismus eingebaut, welcher eine finanzielle Überbeanspruchung wirtschaftlich starker Regionen verhindern sollen.

7.3.3

Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

Die dezentrale Bereitstellung öffentlicher Güter stärkt zusammen mit der Möglichkeit von Finanzreferenden die Position der Steuerzahler im politischen Prozess und drängt den Einfluss von Interessengruppen zurück. Die im internationalen Vergleich immer noch relativ tiefe Steuer- und Staatsquote der Schweiz dürfte im Wesentlichen auf diese Kontrollmechanismen zurückzuführen sein. Durch die dezentrale Bereitstellung öffentlicher Leistungen werden zusätzlich auch innovative Ansätze zur Problemlösung gefördert, indem lokal begrenzte Reformmodelle, die sich bewährt haben, von anderen Gebietskörperschaften übernommen werden können. Die Zu2524

nahme der Effizienz in der Bereitstellung öffentlicher Leistungen hat generell einen positiven Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Produktivität.

Die NFA soll den ressourcenschwachen Kantonen durch die vermehrte Zurverfügungstellung nicht zweckgebundener Mittel die Möglichkeit zu Steuersenkungen oder Infrastruktur- und Humankapitalinvestitionen eröffnen. Die Kantone werden in Zukunft weniger darauf achten müssen, mit welchen Ausgaben sie Bundesmittel auslösen. Mittel- bis langfristig sollten diese Massnahmen dazu führen, dass die betreffenden kantonalen Volkswirtschaften einen höheren Wachstumspfad erreichen können. Zukunftsorientierte öffentliche Investitionen sollten deshalb gerade in den ressourcenschwachen Kantonen im Finanzhaushalt noch stärker gewichtet werden145.

Wachstumstheoretische und standortpolitische Überlegungen legen die mit der NFA umgesetzte Verstetigung des Ressourcenausgleichs nahe. So können die langfristigen Erwartungen der Wirtschaftssubjekte bezüglich dem Angebot öffentlicher Leistungen und der damit verbundenen Abgabenlast stabilisiert werden. Der Abbau von Unsicherheit führt dazu, dass die Planung von Konsum-, Spar- und Investitionsentscheiden erleichtert wird. In ihrer Gesamtheit dürfte die NFA die Attraktivität der schweizerischen Regionen im internationalen Standortwettbewerb stärken und so als Teil eines standortorientierten Massnahmenbündels als Grundlage für zukünftigen Wohlstand dienen.

In welche Richtung sich die Staatsquote entwickeln wird, lässt sich nicht abschliessend beurteilen. Die Staatsquote wird zum einen auf Grund des Bundesanteils am Härteausgleich um maximal 0,07% steigen146. Die Auswirkungen der NFA auf die Staatsquote hängt im Weiteren insbesondere auch davon ab, wie die ressourcenschwachen Kantone die ihnen zusätzlich zur Verfügung gestellten Mittel einsetzen und die ressourcenstarken Kantone die zusätzlichen Mittel beschaffen werden. Für den Fall, dass sämtliche Mehreinnahmen der ressourcenschwachen Kantone ausgegeben und sämtliche Mehrausgaben der ressourcenstarken Kantone durch Steuererhöhungen eingefordert würden, erhöht sich die Staatsquote um maximal 0,24%147.

Ebenfalls von Bedeutung ist die Art und Weise, wie die Kantone die sich aus der Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung ergebenden Optimierungspotenziale ausschöpfen werden. Auf
Grund der zu erwartenden Effizienzgewinne (vgl.

Ziff. 7.2.3.3) kann davon ausgegangen werden, dass eine allfällige maximale Erhöhung der Staatsquote um 0,31% kompensiert würde. Zudem wirkt der nationale und internationale Steuerwettbewerb möglichen Ausgabensteigerungen bzw. Steuererhöhungen der Kantone tendenziell entgegen.

145

Vgl. Singh, Raju J.; Weber, René; The composition of public expenditures and economic growth. Can anything be learned from Swiss data?; in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik 133; 1997; S. 617­634.

146 Der Bundesanteil am Härteausgleich von 285 Millionen Franken wird ins Verhältnis zum BIP von 389 Milliarden Franken (1999) gesetzt.

147 Die Summe der absoluten kantonalen Veränderungen von 1216 Millionen Franken (vgl. Tabelle 7.3, Spalte «Endergebnis») wird um den Bundesanteil am Härteausgleich von 285 Millionen Franken korrigiert und ins Verhältnis zum BIP von 389 Milliarden Franken (1999) gesetzt.

2525

7.3.4

Andere in Frage kommende Regelungen

In der NFA wird mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz zentralen Anliegen des Föderalismus bzw. der Nichtzentralisierung, der Autonomieschonung untergeordneter Gebietskörperschaften, der Nichtausbeutung des zentralen Budgets und der Innovationsfähigkeit Rechnung getragen. Das heute bestehende Finanzausgleichssystem weist in dieser Hinsicht bedeutende Mängel auf und konnte trotz hohem Mitteleinsatz die angestrebte Ausgleichswirkung nicht herbeiführen. Der Verbleib beim Status quo kann deshalb trotz der Budgetmittel, welche der funktional befristete Härteausgleich bei Inkrafttreten der NFA vom Bund erfordert, mit Sicherheit keine Alternative sein. Staats- und wirtschaftspolitische Überlegungen sprechen gegen fundamentalere Reformen, die in einer materiellen Steuerharmonisierung oder in einer Gebietsreform bestehen würden (vgl. Ziff. 1.1.5 bzw. 1.1.6).

7.3.5

Aspekte der Anwendung

Die jährliche Aktualisierung der Daten sowie die alle vier Jahre zu erstellenden Wirkungsberichte werden Bundesrat und Parlament die Informationsgrundlage für die im Rahmen eines referendumspflichtigen Bundesbeschlusses erfolgende Dotierung der Ausgleichsgefässe liefern. Dabei werden auch die Verfassungsbestimmungen zur Schuldenbremse zu berücksichtigen sein. Die vorgeschlagenen politischen Steuerungsmöglichkeiten des Parlaments sollen die Flexibilität und Transparenz des Finanzausgleichsystems sicherstellen.

Ausgabenseitig werden die verschiedenen Entflechtungsmassnahmen einen Beitrag zur Deregulierung und administrativen Entlastung bringen. Auf Grund der Globalund Pauschalsubventionierung werden ebenfalls weniger Dossiers zwischen Bund und Kantonen hin- und hergeschickt. Dadurch verringert sich der administrative Aufwand zwischen den Staatsebenen.

7.4

Personelle Auswirkungen

Unbestritten dürfte sein, dass sich namentlich durch die Benennung klarer Verantwortlichkeiten und die Respektierung der fiskalischen Äquivalenz der administrative Aufwand reduzieren lässt. Angaben über personelle Auswirkungen sind aus heutiger Sicht jedoch nicht quantifizierbar. Verlässliche Berechnungen werden dann möglich sein, wenn im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft die entsprechenden Gesetzesrevisionen in den einzelnen Aufgabenbereichen an die Hand genommen werden.

Die Übertragung von Aufgaben an die Kantone dürfte zu einer Entlastung des Personals im betreffenden Fachamt des Bundes führen. Dabei sind auch weitergehendere personalpolitische Konsequenzen auf Bundesebene, etwa in Form eines Stellenabbaus, nicht ausgeschlossen.

Umgekehrt zeichnet sich die Tendenz ab, dass die Übertragung von Aufgaben an die Kantone zu einem erhöhten kantonalen Aufwand in den betreffenden Politikbereichen führen dürfte ­ vor allem dann, wenn es sich um besonders umfangreiche Aufgabenbereiche wie z.B. im Bereich der kollektiven IV-Massnahmen handelt. Ob und 2526

in welchem Umfang aber dies in den Kantonen effektiv zu einem Mehrbedarf an Personal führen wird, kann u.a. davon abhängig sein, welche Formen der interkantonalen Zusammenarbeit, welche Synergien mit anderen Politikbereichen greifen oder auch welche Rollen und Funktionen die jeweiligen Direktorenkonferenzen einnehmen werden.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die heutige Ausgestaltung der Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen grundsätzlich kostenorientiert ausgestaltet ist und einen entsprechenden Kontrollaufwand benötigt, der von Bund und Kantonen gleichermassen zu erbringen ist. Der Wechsel von der heutigen Form der kostenorientierten Einzelsubventionierung hin zum pauschal- oder globalsubventionierten Mehrjahresprogramm mit definierten Leistungs- oder Wirkungszielen dürfte jedoch in der Einführungsphase vorerst zu einem erhöhten Aufwand führen (Definition und Bildung von Indikatoren zur Messung der erwünschten Wirkungen, Aufbau eines outputorientierten Monitoring- und Controllingsystems u.a.m.).

Zweifellos kann davon ausgegangen werden, dass die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen mittelfristig zu einem merklichen Abbau des administrativen Aufwands bei Bund und Kantonen führen dürfte. In welchem konkreten Ausmass personalpolitische Konsequenzen aus der NFA-Reform für Bund und Kantone insgesamt zu erwarten sind, kann erst im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft schlüssig beantwortet werden.

7.5

Auswirkungen auf die Informatik

Die Auswirkungen auf die Informatik können erst im Rahmen der zweiten NFABotschaft abgeschätzt werden.

7.6

Vergleich mit den kantonalen Finanzausgleichssystemen

Die NFA kann ihr volles Effizienz- und Wirkungspotenzial nur dann entfalten, wenn die kantonalen Finanz- und Lastenausgleichssysteme eine ähnliche Stossrichtung aufweisen. Eine allein im Raum stehende Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs würde beispielsweise nicht genügen, um die innerkantonalen bzw. interkommunalen Spillovers abzugelten, da der Lastenausgleich der NFA lediglich interkantonale Spillovers berücksichtigt. Soll jedoch eine optimale Bereitstellung zentralörtlicher Leistungen gewährleistet werden, müssen auch die innerkantonalen Spillovers durch einen innerkantonalen Finanz- und Lastenausgleich abgegolten werden. Folgerichtig verpflichten sich die Kantone, die Grundsätze der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich sinngemäss im innerkantonalen Verhältnis zu beachten (vgl. Ziff. 4).

Ein weiteres Beispiel, das aufzeigt, wie sehr die NFA auf ähnlich ausgerichtete kantonale Finanz- und Lastenausgleichssysteme angewiesen ist, stellt die Abgeltung von übermässigen Lasten dar. Geografisch-topografische und soziodemografische Lasten werden in der NFA durch den Lastenausgleich des Bundes berücksichtigt.

Dessen Ausgleichszahlungen fliessen an die Kantone. Neben den Kantonen gehören aber auch die Gemeinden ­ zu denken ist vor allem an die Städte ­ zu den effektiven 2527

Trägern dieser Lasten. Eine Weitergabe der Ausgleichsmittel an die effektiven Träger der Lasten kann wiederum nur durch zusätzliche, kantonale Lastenausgleichssysteme mit einer ähnlichen Funktionsweise gewährleistet werden.

Ähnliches gilt für fast sämtliche Ziele der NFA. Vor diesem Hintergrund soll ein Blick auf die geltenden Finanz- und Lastenausgleichssysteme der Kantone sowie deren Reformbestrebungen geworfen werden. Zu diesem Zweck führte die EFV im Februar 2001 gemeinsam mit der Fachgruppe für kantonale Finanzfragen (FkF) eine Umfrage bei den kantonalen Finanzverwaltungen durch. Dabei standen zwei Fragen im Mittelpunkt der Befragung: ­

In welchem Umfang überarbeiten und bauen die Kantone ihre Aufgabenteilungen und Finanzausgleichssysteme um?

­

Wie kompatibel sind die bestehenden Finanzausgleichssysteme bzw. die kantonalen Reformprojekte mit der NFA?

In nicht weniger als 23 Kantonen befinden sich augenblicklich Reformen des Finanzausgleichssystems in Planung oder Umsetzung. Nur gerade in drei Kantonen sind solche Reformen zur Zeit kein Thema (vgl. Tabelle 7.11).

Kantonale Reformprojekte bezüglich des Finanzausgleichs Tabelle 7.11 Reformprojekte in Umsetzung

Reformprojekte in Planung

Keine Reformprojekte in Planung oder Umsetzung

Anzahl

18

5

3

Kantone

BE, LU, SZ, OW, NW, ZH, UR, ZG, BS, GE GL, GR, VS FR, SO, BL, SH, AR, AI, SG, AG, TG, TI, VD, NE, JU

Bis zum integralen Inkrafttreten der NFA werden auch sämtliche sich zur Zeit in Umsetzung oder Planung befindlichen kantonalen Reformprojekte abgeschlossen sein. Bei drei Kantonen war der Abschluss der Reformprojekte noch offen. Doch dürften auch sie ihre Projekte spätestens bis 2005 abgeschlossen haben (vgl. Tabelle 7.12).

Zeitlicher Rahmen der kantonalen Reformprojekte Tabelle 7.12 Reformprojekte sind bis Reformprojekte sind bis Abschluss der Reform2002 abgeschlossen 2005 abgeschlossen projekte ist noch offen

Anzahl 11

9

Kantone BE, LU, SZ, NW, ZH, UR, OW, SO, BL, SH, AR, FR, AI, AG, TI, SG, TG, NE VD, JU

2528

Es sind keine Reformprojekte vorgesehen

3

3

ZG, BS, GE

GL, GR, VS

Von zentraler Bedeutung ist jedoch, wie kompatibel die geltenden, kantonalen Finanzausgleichssysteme bzw. die kantonalen Reformprojekte mit der NFA sind. Dieser Frage wurde in der EFV/FkF-Umfrage in zweifacher Hinsicht nachgegangen.

Zunächst wurde den Kantonen direkt die Frage gestellt, als wie kompatibel sie ihre Finanzausgleichssysteme bzw. ihre Reformprojekte mit der NFA erachten. Danach wurde die Frage indirekt angegangen, indem die kantonalen Systeme bzw. die Reformprojekte anhand ihrer Zielsetzungen und massgeblichen Instrumente mit der NFA verglichen wurden. Die zusammengefasste Analyse kann den Tabellen 7.13 und 7.14 entnommen werden.

Kompatibilität des geltenden Finanzausgleichs mit der NFA Tabelle 7.13 Kaum kompatibel

Teilweise kompatibel

Weitgehend kompatibel

Anzahl

11

12

3

Kantone

LU, SZ, SH, AR, AI, ZH, BE, UR, NW, OW, GR, NE SG, AG, TG, VS, GE, GL, ZG, FR, SO, BS, JU BL, TI, VD

Kompatibilität der vorgesehenen Reform Finanzausgleich mit dem NFA-Projekt Tabelle 7.14 Kaum kompatibel

Teilweise kompatibel

Weitgehend kompatibel Es sind keine Reformprojekte vorgesehen

Anzahl 0

7

16

Kantone ­

UR, NW, ZG, SO, BS, AI, SG

ZH, BE, LU, SZ, GL, GR, VS OW, FR, BL, SH, AR, AG, TG, TI, NE, GE, VD, JU

3

Die beiden oben stehenden Tabellen zeigen deutlich auf, dass die Kantone in Erwartung der NFA ihre eigenen Finanzausgleichssysteme anpassen. Während zur Zeit noch elf Kantone ihren Finanzausgleich als nur wenig kompatibel und nur gerade drei ihr System als weitgehend kompatibel zur NFA bezeichnen, weisen die Reformprojekte diesbezüglich deutlich bessere Werte auf. Ab 2005 werden fast alle Kantone über zumindest teilweise, in den meisten Fällen sogar über weitgehend NFA-kompatible Finanzausgleichssysteme verfügen.

Somit können folgende drei Punkte als Fazit festgehalten werden: ­

In den Kantonen hat ein breit abgestützter Reformprozess eingesetzt. Nicht weniger als 23 Kantone befassen sich zur Zeit mit einer Reform ihres Finanzausgleichs.

2529

­

Sämtliche kantonalen Reformprojekte werden bis 2005, also vor der Inkraftsetzung der NFA, abgeschlossen sein.

­

Die Kantone antizipieren die NFA. Die vorgesehenen, kantonalen Reformen weisen bezüglich der vorgeschlagenen Zielsetzungen und Instrumente eine deutlich höhere Kompatibilität mit der NFA auf als die zur Zeit geltenden Finanzausgleichssysteme. Die NFA kann somit in eine Reihe ähnlicher, teilweise fast deckungsgleicher kantonaler Finanzausgleichssysteme eingebettet werden, was ihre Effizienz verbessern und ihre Wirkung verstärken wird.

7.7

Auswirkungen auf die städtischen Agglomerationen und Gemeinden

Den in der Vernehmlassung geäusserten Forderungen nach direkten finanziellen Abgeltungen des Bundes an die Städte, namentlich im Zusammenhang mit dem soziodemografischen Lastenausgleich (vgl. Ziff. 5.6.2), konnte aus übergeordneten staatspolitischen Überlegungen und in Würdigung der geltenden verfassungsmässigen Kompetenzordnung nicht entsprochen werden. Dennoch bietet die vorgeschlagene Lösung deutliche Verbesserungen für die Städte und Agglomerationen. So wurde bei der Erfassung der soziodemografischen Lasten die Problemlage der Kernstädte ausdrücklich berücksichtigt ­ nicht zuletzt durch die Erfassung der Kernstadtproblematik.

Der Bundesrat hat im Bericht über die Kernstädte auf die besondere Situation der städtischen Agglomerationen aufmerksam gemacht. Er anerkennt die Bedeutung der Städte in der sozioökonomischen und kulturellen Landschaft der Schweiz sowie seine Mitverantwortung für die Zukunft der Agglomerationen und Städte. Ein funktionsfähiges Städtesystem, wie im Bericht über die Grundzüge der Raumordnung Schweiz vom 22. Mai 1996 festgehalten, ist längerfristig ein massgeblicher Garant für eine raum- und kostensparende Siedlungsentwicklung und eine erfolgreiche Stellung der Schweiz im internationalen Standortwettbewerb148.

Neben Standortvorteilen weisen die Kernstädte zahlreiche strukturelle Probleme auf, an deren Lösung auch der Bund ein Interesse hat. Insbesondere sind die steigenden Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen Kernstädten und deren Umland problematisch. Dabei ist eine der effektiven Nutzenstreuung angepasste Finanzierung der zentralörtlichen Leistungen ­ unter Beachtung einer angemessenen Mitsprache der Leistungsbezüger ­ für die Reform der innerkantonalen Finanzausgleichssysteme eine zentrale Herausforderung.

Im Sinne einer zusammenfassenden Übersicht halten wir im Folgenden die für die städtischen Agglomerationen relevanten Punkte der Finanzausgleichsreform fest: ­

148

Mit dem soziodemografischen Lastenausgleich des Bundes ist ein neues, innovatives Instrument vorgesehen. Dieses ist gegenüber der Vernehmlassungsvorlage wesentlich verfeinert ausgestaltet worden, was zu einer wesentlich differenzierten Erfassung der relevanten übermässigen Lasten führt.

Vgl. BRP; Bericht über die Grundzüge der Raumordnung der Schweiz; Bern,1996.

2530

­

Die Kantone verpflichten sich in der interkantonalen Rahmenvereinbarung, die Grundsätze der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich auch im innerkantonalen Verhältnis sinngemäss, das heisst den jeweiligen kantonalen Gegebenheiten angepasst, zu beachten. Das bedeutet, dass entsprechende innerkantonale Lastenausgleichssysteme vorgesehen werden müssen. Diese sollen namentlich die interkommunale Zusammenarbeit und die Einhaltung des Äquivalenzprinzips, das Deckungsgleichheit zwischen Nutzniessern sowie Kosten- und Entscheidungsträgern verlangt, sicherstellen.

­

Darüber hinaus stellen die Kantone in ihrer Rahmenvereinbarung sicher, dass die Abgeltungszahlungen den tatsächlichen Kostenträgern zufliessen.

Geschieht dies nicht, können Städte ihre Zentrumsfunktionen nicht befriedigend wahrnehmen, womit ihre Wettbewerbsfähigkeit in Frage gestellt ist.

Dieser Tendenz ist nicht nur im Interesse der jeweiligen Agglomerationen, sondern auch der gesamten Volkswirtschaft entgegenzutreten.

­

Im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft wird der Bundesrat dem Parlament weitere Gesetzesänderungen beantragen, welche auch die Stellung der Städte und Gemeinden betreffen, so u.a. im Zusammenhang mit den neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen.

Weitere Massnahmen des Bundes zur Stärkung der Agglomerationen sind angezeigt: Erste Überlegungen zu einer besseren Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Städten und Agglomerationen bei der Ausarbeitung von Sektorpolitiken wurden, wie im Bericht über die Kernstädte festgehalten worden ist, skizziert. Demzufolge sind die im Rahmen der Finanzausgleichsreform vorgeschlagenen Massnahmen nur als weitere Schritte auf dem Weg einer kohärenten Städte- und Agglomerationspolitik des Bundes zu verstehen. Zur Zeit werden konkrete Handlungsoptionen in Zusammenarbeit von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden evaluiert. Die Agglomerationspolitik des Bundes will erreichen, dass der Bund bei seinen raumrelevanten Tätigkeiten die besondere Situation und Probleme von Städten und Agglomerationen vermehrt berücksichtigt.

Das stärkere Engagement des Bundes hat aber die geltende verfassungsmässige Kompetenzordnung zu respektieren. An der Dreistufigkeit des Staatswesens soll nicht gerüttelt werden. Es wäre staats- und finanzpolitisch verfehlt, wenn der Bund ­ abgesehen von begründeten Ausnahmefällen149 ­ Beiträge in welcher Form auch immer an Städte und Gemeinden ausrichten würde. Primäre Ansprechpartner des Bundes sind und bleiben die Kantone. Diese sind in erster Linie dazu aufgerufen ­ und auch bereit ­ die Situation ihrer Städte und Gemeinden zu verbessern, indem z.B. innerkantonale Spillovers einer gerechten Lösung zugeführt werden sollen. Solche innerkantonalen Reformen sind von entscheidender Bedeutung für eine substanzielle Entlastung der Kernstädte. Um ihr volles Effizienz- und Wirkungspotential

149

Die Stadt Bern und der Kanton Genf erhalten für ihre ausserordentlichen Zusatzleistungen, die sie im Interesse des Bundes erbringen (Gewährleistung der Sicherheit von völkerrechtlich geschützten Vertretungen und Personen, des Parlaments, der schweizerischen Magistraten sowie der Bundesverwaltung, Sicherheitsaufwendungen bei Grossdemonstrationen, die in einem nationalen Zusammenhang stehen), eine Abgeltung des Bundes. Diese betrug 1999 gemäss Staatsrechnung der Eidgenossenschaft rund 13 Millionen Franken.

2531

entfalten zu können, ist die NFA-Reform auf Ausgleichssysteme mit ähnlicher Stossrichtung und Wirkung auf kantonaler Ebene angewiesen (vgl. Ziff. 7.6).

1999 haben die KdK und der SSV im Rahmen einer paritätisch zusammengesetzten Arbeitsgemeinschaft einen Bericht veröffentlicht, in dem u.a. festgehalten wird, dass die Kantone die Städteproblematik zusammen mit den Kernstädten und den Agglomerationsgemeinden verstärkt angehen wollen. Die von den Kernstädten erbrachten Zentrumsleistungen seien grundsätzlich abzugelten, und die vertikale Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Städten sei im Rahmen der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung zu verstärken. Diese Arbeiten sollen im Rahmen einer tripartiten Agglomerationskonferenz, welche sich aus Vertretern des Bundes, der Kantone, der Städte und Gemeinden zusammensetzt, fortgesetzt werden. Dabei steht der verstärkte vertikale Dialog und die Entwicklung einer kohärenten und koordinierten Agglomerationspolitik im Vordergrund. Die konstituierende Sitzung der Agglomerationskonferenz fand am 20. Februar 2001 statt.

Der Bundesrat ist überzeugt, dass mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs sowie mit den in Angriff genommenen übrigen Arbeiten die Stellung der Städte und Agglomerationen zum Nutzen der jeweiligen Region sowie der gesamten Volkswirtschaft massgeblich gestärkt werden kann. Es liegt daher im Interesse aller Beteiligten, die verfassungsmässigen Zuständigkeiten zu respektieren. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass überlagerte Zuständigkeiten und Aktionsfelder, aus denen neue Verflechtungen entstehen könnten, konsequent vermieden werden.

7.8

Auswirkungen auf die Regionalpolitik des Bundes

1996 hat der Bundesrat eine umfassende Neuorientierung in der Regionalpolitik vorgenommen. Als Teil der Wirtschaftspolitik verfolgt die Regionalpolitik das Ziel, die Regionen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit und ihrem Entwicklungspotenzial nachhaltig zu stärken.

Das grundlegend revidierte Bundesgesetz vom 21. März 1997150 über Investitionshilfe für Berggebiete (IHG) dient diesem Ziel. Es will sukzessive auf die Unterstützung von Basisinfrastrukturvorhaben verzichten und gleichzeitig gezielt Projekte unterstützen, die regionale Potenziale ausschöpfen, Wachstumsimpulse auslösen und dadurch Regionen mit einem ganzheitlichen Ansatz stärken.

Die im IHG vorgesehenen Leistungen können sich demzufolge auf ihre Steuerungsaufgaben konzentrieren. Distributive Ziele hingegen, also der eigentliche Ausgleich in der finanziellen Leistungskraft zwischen ressourcenstarken und ressourcenschwachen Kantonen bzw. Regionen, sollen über eine Verstärkung des Finanzausgleichs im engeren Sinn erzielt werden. Mit der NFA werden ressourcenschwache Kantone ­ und damit auch das Berggebiet ­ in die Lage versetzt, die Basisversorgung dank dem ausgebauten Finanzausgleich im engeren Sinn nach eigenen Prioritäten sicherzustellen und, wo notwendig, auszubauen. Die Vermischung von Allokations- und

150

SR 901.1

2532

Distributionszielen fällt weg. Damit wird die Effizienz der eingesetzten Mittel sowohl im Bereich der Regionalpolitik als auch im Ressourcenausgleich erhöht.151 Auch werden ­ losgelöst vom Ressourcenausgleich ­ überproportional hohe Ausgaben des Berggebiets auf Grund seiner geografisch-topografischen Lage im Rahmen des neuen Belastungsausgleichs des Bundes abgegolten (vgl. Ziff. 5.6.1).

Damit erweist sich die NFA mit dem Instrument des Ressourcenausgleichs als Basis und Voraussetzung zur Konkretisierung der neuen Prinzipien der Regionalpolitik: Mit der NFA kann sich die neu konzipierte Regionalpolitik des Bundes verstärkt auf ihre originären Allokationsziele ausrichten und damit ihre beabsichtigten Wirkungen voll entfalten.

7.9

Auswirkungen auf die Haushaltssteuerung des Bundes

Die NFA wird den Bundeshaushalt auf das Einführungsjahr hin im Umfang des Härteausgleichs netto um rund 285 Millionen Franken belasten. Diese Mehrausgaben sind vergleichbar mit irgend einer anderen Mehrausgabe als Folge eines Entscheides von Bundesrat, Parlament oder Volk. Daneben wird die NFA die Zusammensetzung der Transfers an die Kantone verändern. Schliesslich werden die Bundesleistungen an den Finanzausgleich im engeren Sinn (vertikaler Ressourcenausgleich, geografisch-topografischer und soziodemografischer Lastenausgleich) indexiert (vgl. Kap. 5.5.2 bzw. 5.6). Nach jeweils vier Jahren wird Bilanz gezogen. Unter Umständen werden die Dotierungen der verschiedenen Gefässe angepasst.

Die beschriebenen Vorgänge unterscheiden sich nicht fundamental von anderen Prozessen auf der Ausgabenseite, mit denen der Bund schon heute konfrontiert ist.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Mehrausgaben in jedem Fall finanziert sein müssen. Das gilt auch für die zusätzlichen Leistungen im Rahmen der NFA. Allerdings sind die zu erwartenden Effizienz- und Effektivitätsgewinne (vgl.

Ziff. 7.2.3.3.) aufzuführen, welche zusätzliche Leistungen des Bundes in einem aus heutiger Sicht nicht quantifizierbaren Ausmass kompensieren werden. Unbestritten ist, dass alle Bindungen und Indexierungen die Flexibilität der Haushaltssteuerung beeinträchtigen. Indes überwiegen die Vorteile der NFA die haushaltspolitischen Nachteile bei weitem. Sie sind relativ zur Bedeutung der NFA klein und können nicht als Argument gegen die NFA ins Feld geführt werden.

Aus der Sicht der Kantone stellt sich aus nahe liegenden Gründen die Frage, ob der Bund auch in finanziellen Engpasssituationen seinen Verpflichtungen aus der NFA nachkommen wird. Gestützt auf die Erfahrungen der Vergangenheit lässt sich aus heutiger Sicht dazu Folgendes sagen: Die Kantonsanteile an den Einnahmen des Bundes waren nie Gegenstand von Kürzungen. Zwar ist es richtig, dass im Rahmen von Sparprogrammen auch aufgabenbezogene Leistungen des Bundes an die Kantone gekürzt werden mussten, dies angesichts des hohen Anteils der Transferausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes. Aber der Bund hat dabei bereits eingegangene 151

Der Bundesrat hat bereits in der Botschaft über die Neuorientierung der Regionalpolitik auf die konzeptionellen Zusammenhänge zwischen der neuen Regionalpolitik und der NFA aufmerksam gemacht, namentlich in den Erläuterungen zu Art. 6 IHG.

Vgl. BBl 1996 II 1104.

2533

Verpflichtungen stets honoriert und zusammen mit den Kantonen jeweils nach einvernehmlichen Lösungen gesucht.

Die Schuldenbremse stellt diese Prozesse nicht in Frage. Zum einen werden sich bei konsequenter Umsetzung Sparprogramme in Zukunft erübrigen und zum andern lässt ja auch die Schuldenbremse ein Ausgabenwachstum im Ausmass des mittelfristigen Wirtschaftswachstums zu.

8

Legislaturplanung

Die erste Botschaft zur NFA wurde im Bericht über die Legislaturplanung 1999­ 2003 vom 1. März 2000 als Richtliniengeschäft angekündigt152. Jene Geschäfte, die der Bundesrat in der Legislaturperiode 1999­2003 zuhanden des Parlaments zu verabschieden gedenkt und in denen ein Koordinationsbedarf mit der NFA besteht, wurden im Anhang speziell aufgeführt153.

Bei diesen Geschäften sieht der Bundesrat jeweils ein Kapitel in den betreffenden Botschaften vor, in dem auf das Verhältnis zur NFA eingegangen wird. Anfallende Differenzen konnten ­ nach Rücksprache mit den Kantonen ­ verwaltungsintern und im Bundesrat bereinigt werden, sodass die laufenden Geschäfte bis heute keine Widersprüche zur NFA ergeben haben.

9

Die NFA aus europapolitischer Perspektive

Die NFA wirft mit ihren institutionellen Klärungen und Erneuerungen im bundesstaatlichen Gefüge die Frage auf, ob und in welchem Ausmass ein solches innenpolitisches Reformprojekt mit einem allfälligen EU-Beitritt der Schweiz kompatibel wäre. Die Reform des Finanzausgleichs soll daher so konzipiert sein, dass sie nicht im grundsätzlichen Widerspruch zur Integrationspolitik des Bundesrates und bei einem allfälligen EU-Beitritt der Schweiz nicht grundlegend überarbeitet werden müsste. Die NFA erfüllt diese zentrale Voraussetzung. Von besonderem Interesse ist, dass im Falle eines EU-Beitritts die von der NFA ohnehin angestrebte Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich spürbar an Bedeutung gewinnen würde.

Bezüglich der Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen (vgl. Ziff. 9.2.4) wäre eine Überprüfung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs auf Grund der erheblichen Veränderungen der Einnahmen und Ausgaben von Bund und Kantonen unumgänglich. Die Grundsätze des modernisierten Finanzausgleichs, wie sie in Artikel 135 BV Entwurf NFA festgehalten sind, würden aber auch nach einem EU-Beitritt wichtige, ja unabdingbare Eckpfeiler eines wirksamen und politisch steuerbaren bundesstaatlichen Finanzausgleichs darstellen. Es zeigt sich, dass die NFA gerade auch aus integrationsspezifischer Perspektive sowohl zur Stärkung der Kantone insgesamt als auch der erhöhten aussenpolitischen Handlungsfähigkeit des Bundes beiträgt.

152 153

BBl 2000 III 2276; S. 2300f.

BBl 2000 III 2276; S. 2328 ff.

2534

Im Folgenden wird in Ziffer 9.1 das Verhältnis der anvisierten Reform zum europäischen Recht dargelegt. Ziffer 9.2 geht einen Schritt weiter und analysiert im Hinblick auf einen allfällgen EU-Beitritt der Schweiz die «Europatauglichkeit» der NFA-Reform.

9.1

Verhältnis zum europäischen Recht

Die in der Vorlage anvisierten Aufgaben- und Kompetenzentflechtungen zwischen Bund und Kantonen bieten im Hinblick auf das europäische Recht sowie auch auf die Einhaltung der sektoriellen Abkommen mit der Europäischen Gemeinschaft (EG)154 keinerlei Schwierigkeiten.

Diese unproblematische Ausgangslage betrifft sämtliche in der vorliegenden ersten NFA-Botschaft vorgeschlagenen Neuerungen auf Verfassungsstufe. Im Rahmen der zweiten NFA-Botschaft werden selbstverständlich all jene Massnahmen, die keiner Verfassungsänderung bedürfen und somit nicht Gegenstand der vorliegenden Botschaft sind, ebenso auf ihre Kompatibilität mit den sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG zu untersuchen sein.

9.2

Die «Europatauglichkeit» der NFA

Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob und inwiefern die NFA mit einem allfälligen Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union (EU) kompatibel wäre. Die Vertiefung dieser Frage erscheint dem Bundesrat deshalb als sinnvoll, weil ein EU-Beitritt deutlich weit reichendere Auswirkungen sowohl auf die Regelungskompetenzen von Bund und Kantonen als auch auf die Staatsfinanzen hätte als ein Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder ein weiterer Ausbau der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EG155.

Die nachfolgenden Ausführungen sind allein im Kontext zur NFA zu sehen. Der Bundesrat wird zu gegebener Zeit auf die Auswirkungen eines allfälligen EUBeitritts der Schweiz auf einige zentrale Politikbereiche wie namentlich den Föderalismus, die Volksrechte, die Finanzordnung sowie die Wirtschafts- und Währungspolitik ausführlich zurückkommen156.

154

Beim Personenfreizügigkeitsabkommen sind neben der EG auch alle EG-Mitgliedstaaten Vertragsparteien, da dieses Abkommen auch Bereiche betrifft, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ­ und nicht in diejenige der EG ­ fallen.

155 So werden etwa die finanziellen Folgen einer EWR-Teilnahme nur auf etwa 10 bis 15 Prozent der Kosten einer Mitgliedschaft in der EU geschätzt. Der weitere Ausbau der bilateralen Beziehungen hat sogar noch geringere Auswirkungen auf die Finanzen von Bund und Kantonen. Vgl. Bundesrat; Integrationsbericht 1999; Bern, 1999; S. 250­267 (Ziff. 251.03­251.05).

156 Vgl. Bundesrat; Aussenpolitischer Bericht. Präsenz und Kooperation. Interessenwahrung in einer zusammenwachsenden Welt; Bern, 2000; S. 316­320 (Ziff. 3.3.2.).

2535

9.2.1

Auswirkungen eines allfälligen EU-Beitritts auf die Aufgaben von Bund und Kantonen

Ein Beitritt der Schweiz zur EU würde eine deutliche Verschiebung von Regelungskompetenzen auf die supranationale Ebene der EG und zugleich eine gewisse Erweiterung der öffentlichen Aufgaben mit sich bringen. In den EU-Mitgliedstaaten wird heute ein substanzieller Teil der öffentlichen Aufgaben durch das Gemeinschaftsrecht mitbestimmt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass ein beträchtlicher Teil der schweizerischen Rechtsordnung heute bereits durch das Gemeinschaftsrecht geprägt ist, dies auf Grund der zahlreichen Verträge mit der EG und ihren Mitgliedstaaten sowie auf Grund des autonomen Nachvollzugs (z.B. im Rahmen des SwissLex-Programms).

Die Überlagerung der nationalen Rechtsordnungen durch das Gemeinschaftsrecht führt zu einer Durchdringung von fast allen Rechtsbereichen mit mehr oder weniger weit gehenden gemeinschaftsweit harmonisierten Regelungen. Dadurch werden diejenigen Aufgabenbereiche, welche die Mitgliedstaaten vollständig autonom erfüllen können, reduziert. Gleichzeitig erwachsen den Mitgliedstaaten dadurch aber auch neue Aufgaben (etwa im Verkehrswesen, bei der Koordination der Sozialversicherungen, im höheren Bildungswesen und in der Gesundheitsvorsorge). Die durch das Gemeinschaftsrecht in den nationalen Rechtsordnungen hervorgerufenen Veränderungen erfassen nicht nur die Zuständigkeiten, sondern namentlich auch die Art der Rechtsgestaltung, etwa durch die Forcierung des Wettbewerbsprinzips oder durch den Ausbau der grenzüberschreitenden Kooperation. Die Veränderungen wirken schliesslich öfters über einen bestimmten sektoriellen Rechtsbereich hinaus (so etwa Auswirkungen der EG-Agrarpolitik auf die Raumordnung in den Mitgliedstaaten oder Wirkungen der technischen Bauprodukte-Vorschriften auf die regionalen Bauordnungen).

Schon die sektoriellen Verträge mit der EG und ihren Mitgliedstaaten (z.B. betreffend die Personenfreizügigkeit oder den Landverkehr) umfassen auch Rechtsbereiche, welche innerstaatlich in die Zuständigkeit der Kantone fallen. Ein EU-Beitritt der Schweiz hätte auf alle zentralen Rechtsbereiche, welche in den kantonalen oder gar kommunalen Zuständigkeitsbereich fallen, mehr oder weniger weit gehende Auswirkungen.

Bei einem EU-Beitritt der Schweiz wären daher klare verfassungsrechtliche Grundsätze für die Zuweisung der Umsetzungs- und Vollzugsaufgaben sowohl
auf Bundes- als auch auf kantonaler Ebene zu entwickeln. Infolge der fortlaufenden Aufgabenveränderungen und -verschiebungen auf Gemeinschaftsebene müsste diese Kompetenzverteilung zudem periodisch einer Überprüfung unterzogen werden.

9.2.2

Zuweisung der Umsetzungs- und Vollzugsaufgaben an Bund und Kantone

Das Gemeinschaftsrecht überlässt es den Mitgliedsstaaten, welchen Staatsebenen sie landesintern die Umsetzungs- und Vollzugsaufgaben zuweisen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich die eigentliche Umsetzungs- und Vollzugspflicht aus der Treuepflicht der Mitgliedstaaten insgesamt gegenüber der Gemeinschaft ergibt. Umsetzung und Vollzug von Gemeinschaftsrecht ergäben sich somit nicht etwa aus auto2536

nomen Entscheidungen des Bundes, sondern wären eine Aufgabe von Bund und Kantonen gleichermassen.

In der Schweiz würde im Falle eines EU-Beitritts die Zuweisung der Umsetzungsund Vollzugsaufgaben betreffend das Gemeinschaftsrecht primär nach der bestehenden bundesstaatlichen Aufgabenverteilung erfolgen (z.B. entsprechend der Gesetzgebungs- und Vollzugszuteilung im Umweltschutz oder im Gesundheitswesen), während sich die Zuständigkeit für teilweise oder gänzlich neue Aufgaben nach Artikel 3 BV richten würde. Generell wären aber gerade auch nach einem Beitritt zur EU die folgenden Grundsätze des schweizerischen Bundesstaats zu beachten: ­

das Subsidiaritätsprinzip, das gemäss NFA in der Bundesverfassung im Sinne einer staatspolitischen Maxime klarer verankert werden soll (vgl.

Ziff. 2.6.1).

­

die Grundsätze für die Aufgabenzuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben gemäss Artikel 43a BV Entwurf NFA (vgl. Ziff. 2.6.2).

­

die Grundsätze der Wahrung der Eigenständigkeit, Gestaltungsfreiheit und Organisationsautonomie der Kantone sowie die Sicherstellung von eigenen Finanzierungsquellen und ausreichenden finanziellen Mitteln für die Kantone, welche gemäss NFA in der BV deutlicher zum Ausdruck kommen sollen (vgl. Ziff. 2.6.3).

Aus Sicht der NFA von besonderem Interesse ist, dass im Falle eines EU-Beitritts die interkantonale Zusammenarbeit spürbar an Bedeutung gewinnen würde. So wäre bereits bei der Schaffung von Gemeinschaftsrecht eine interkantonale Kooperation notwendig, damit die kantonalen Interessen angemessen gewahrt blieben, wie dies Artikel 55 BV und das Bundesgesetz vom 22. Dezember 1999157 über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes (BGMK) vorschreiben. Eine interkantonale Kooperation wäre aber vor allem auch bei der Erfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungs- und Vollzugsaufgaben erforderlich, damit eine optimale, effiziente und zeitgerechte Umsetzung des Gemeinschaftsrechts gewährleistet werden könnte. Dabei würde sich ein wichtiger Anwendungsbereich für die neuen Kooperationsformen nach Artikel 48 Absatz 4 und 5 BV Entwurf NFA ergeben.

9.2.3

Beurteilung der Aufgabenentflechtung gemäss NFA

Auf Grund der Erfahrungen in den Bundesstaaten Deutschland und Österreich lässt sich feststellen, dass die Integrationspolitik zu einer Zentralisierung bei der Umsetzung und Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben führen kann158. Für diese Zentralisierungstendenz gibt es mehrere Gründe: Für die den Bundesstaaten verbleibenden, oftmals eher organisatorischen Umsetzungsaufgaben scheint eine Bundeslösung der einfachste Weg zu sein. Der Bund stellt ebenfalls im Vollzug die Koordination zwischen den innerstaatlichen Ebenen und der EG-Kommission sowie ihren Verwal157 158

SR 138.1 Vgl. Pfisterer, Thomas; Der schweizerische Föderalismus vor der Herausforderung eines möglichen Beitritts der Schweiz zur Europäischen Union; in: KdK (Hrsg.); Die Kantone vor den Herausforderungen eines EU-Beitritts. Bericht der Arbeitsgruppe «EuropaReformen der Kantone»; Zürich, 2001; S. 322 ff.

2537

tungsstellen her. Schliesslich versuchen die Bundesverwaltungsstellen nach der Einschränkung ihrer Zuständigkeiten (etwa im Wirtschaftsrecht) innerstaatlich eine Kompensation mit Zugriff auf die Kompetenzen der Bundesländer zu erreichen.

Soweit die Gliedstaaten durch die Umsetzung und den Vollzug betroffen sind, erfüllen sie diese Aufgaben dann häufig unter der Leitung und im Verbund mit den Bundesstellen.

Demgegenüber kann festgestellt werden, dass ein Beitritt zur EU nicht nur Risiken, sondern auch Chancen für den Föderalismus beinhalten könnte. So treten die deutschen Länder, nicht zuletzt mit Blick auf ihre Rolle in der EU, deutlich selbstbewusster auf. Auch zeigt sich selbst in eher zentralistisch organisierten Ländern, dass deren Regionen vermehrt versuchen, über das Gemeinschaftsrecht mehr innerstaatliche Kompetenzen zu erhalten.

Im Hinblick auf einen allfälligen EU-Beitritt gilt es demzufolge, Risiken und Chancen gleichermassen zu beurteilen. Als vorläufiges Fazit lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:

159

1.

Wenn nicht jetzt ein erster Schritt zur Klärung und Entflechtung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen und zu mehr Eigenverantwortung der Kantone getan wird, so wird die Bewältigung der durch einen EU-Beitritt ausgelösten Veränderungen der öffentlichen Aufgaben wesentlich komplizierter und schwieriger. Die Schweiz hat die Chance, im Rahmen der vorliegenden Reform eine ausgewogene Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung vorzunehmen, die interkantonale Ebene zu stärken und gleichzeitig den Finanzausgleich im engeren Sinn zu modernisieren.

2.

Durch eine Aufgabenverteilung nach föderalen Grundsätzen zwischen Bund und Kantonen kann die Verzettelung sowie die Vermischung von Verantwortung und Kompetenzen reduziert werden. Dadurch würde die Schweiz im Falle eines EU-Beitritts eine erhöhte Handlungsfähigkeit erreichen.

3.

Selbstverständlich ist entscheidend, dass der Bund nach einem allfälligen Beitritt in der EU aktiv die Interessen der Schweiz vertreten kann. Wenn die Kantone ihre Interessen klar erkennen und diese auf Grund eines Ausbaus der interkantonalen Kooperation auch rasch und entschieden vertreten können, so unterstützen sie damit die Bundesbehörden in der Europapolitik am Besten. Die Mitwirkungsfähigkeit der Schweiz in der EU verlangt geradezu eine eigenständige Mitwirkung und substanzielle Interessenwahrung seitens der Kantone159. Der von der NFA anvisierte Ausbau der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich erweist sich gerade auch aus dieser Perspektive als zwingende Voraussetzung sowohl zur Stärkung der Kantone insgesamt als auch der aussenpolitischen Handlungsfähigkeit des Bundes.

4.

Auch wenn von den Entscheidungsverfahren und den administrativen Abläufen her nach einem allfälligen EU-Beitritt der Schweiz in vielen Bereichen eine Bundeslösung zumindest vordergründig als einfache und logische Lösung erscheinen mag, so darf nicht übersehen werden, dass weiterhin die Sach- und Bürgernähe in zentralen Politikbereichen für eine kantonal und

Vgl. Aubert, Jean-François; Mitwirkung der Kantone an der europäischen Politik im Falle eines Beitritts der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Europäischen Union; in: KdK (Hrsg.); Die Kantone vor den Herausforderungen eines EU-Beitritts. Bericht der Arbeitsgruppe «Europa-Reformen der Kantone»; Zürich, 2001; S. 159­208.

2538

kommunal verankerte Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sprechen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil gerade bei einem EU-Beitritt die politischen, sprachlichen und kulturellen Vielfältigkeiten der Schweiz zu achten und zu bewahren wären.

5.

9.2.4

Es ist nicht zu bestreiten, dass sowohl über die NFA als auch über die Europapolitik die horizontale Zusammenarbeit der Kantonsregierungen stark zunehmen und damit eine zusätzliche gesamtschweizerische oder regionale Ebene ausgebaut werden wird. Dieser Tendenz könnte durch eine radikale Neugliederung des schweizerischen Bundesstaates entgegengewirkt werden, bei der die bestehenden Kantone in fünf bis sieben Regionen zusammengefasst würden160. Allerdings streben weder die Integrationspolitik des Bundes und der Kantone noch die NFA einen solchen Umbau an. Vielmehr sollen die bestehenden föderalen Strukturen modernisiert und den heutigen Bedürfnissen angepasst und nicht abgeschafft werden (vgl. Ziff. 1.1.6).

Auswirkungen eines EU-Beitritts auf die öffentlichen Finanzen

Die NFA strebt eine Verbesserung des Finanzausgleichs im engeren Sinn zwischen Bund und Kantonen an. Insbesondere sollen sowohl ein Ressourcenausgleich als auch ein Lastenausgleich des Bundes für geografisch-topografische bzw. soziodemografische Lasten der Kantone verwirklicht werden. Diese Instrumente würden durch einen EU-Beitritt konzeptionell nicht in Frage gestellt. Sie müssten lediglich auf Grund der erheblichen Verschiebungen in den Finanzen von Bund und Kantonen neu austariert werden. Die finanziellen Verschiebungen würden sich namentlich durch folgende Mehrausgaben und Mehreinnahmen ergeben: 1.

Als Mitgliedstaat müsste die Schweiz der EU einen Nettobetrag von rund 3,1 Milliarden Franken überweisen161. Der schweizerische Nettobeitrag an die EU wäre vom Bund zu leisten.

2.

Bund und Kantone würden gewisse Einnahmenausfälle zu verzeichnen haben, namentlich durch die Harmonisierungen bei den direkten Steuern für international tätige Unternehmen, bei der Emissionsabgabe auf die Ausgabe von Obligationen und Geldmarktpapieren sowie bei den (noch bestehenden) Zöllen gegenüber EU-Mitgliedstaaten162.

3.

Bei einem Beitritt zur EU müsste die Schweiz den Mehrwertsteuersatz von 7,5 auf mindestens 15 Prozent erhöhen. Von den daraus resultierenden Mehreinnahmen von rund 15 Milliarden Franken wäre allerdings der Nettobeitrag an die EU abzuziehen; ein weiterer Teil der Mehreinnahmen wäre für die Finanzierung demografiebedingter Zusatzlasten heranzuziehen. Die restlichen Mehreinnahmen müssten ­ unter Wahrung der Finanzautonomie der Kantone ­ durch eine Senkung anderer Abgaben kompensiert werden. Neben der Reduktion der direkten Bundes- und Kantonssteuern könnte auch

160 161

Vgl. derselbe; S. 200 ff.

Die Zahlen wurden auf der Basis des Jahres 1997 errechnet. Vgl. Bundesrat; Integrationsbericht 1999; Bern, 1999; S. 250­263 (Ziff. 251.03).

162 Vgl. Bundesrat; Integrationsbericht 1999; Bern, 1999; S. 373 ff. (Ziff. 333.08.01).

2539

eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge in Frage kommen. Diese Lösung hätte den Vorteil, dass nicht in das Steuersubstrat der Kantone eingegriffen werden müsste und auch keine Transferzahlungen zwischen Bund und Kantonen notwendig würden. Zugleich könnte mit einer Reduktion der Lohnnebenkosten die Stellung der Schweiz im internationalen Standortwettbewerb verbessert werden163.

4.

Schliesslich würde der Beitritt zur Wirtschafts- und Währungsunion zum Verlust des Zinsbonusses der Schweiz führen. Das Zinsniveau würde sich um schätzungsweise ein Prozent erhöhen. Auf Grund ihrer Position als Nettoschuldner würde sich daraus für Bund, Kantone und Gemeinden eine jährliche Mehrbelastung von geschätzten zwei Milliarden Franken ergeben.

Gleichzeitig müsste auch mit einer Erhöhung der Hypothekarzinsen gerechnet werden, wodurch sich die Mietzinsausgaben der öffentlichen Hand etwas erhöhen dürften. Schliesslich könnte das höhere Zinsniveau auch zu einem tieferen Steueraufkommen führen. Diese Mehrausgaben und eventuellen Mindereinnahmen sollten aber durch integrationsbedingte Produktivitätsund Ertragsgewinne in der Wirtschaft aufgefangen werden können164.

Diese bedeutsamen, bei einem EU-Beitritt auftretenden Verschiebungen in den öffentlichen Finanzströmen lassen abschliessend für den bundesstaatlichen Finanzausgleich folgende Feststellungen zu: 1.

Mit einem Beitritt zur EU wäre eine Überprüfung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs auf Grund der erheblichen Veränderungen von Einnahmen und Ausgaben von Bund und Kantonen unausweichlich. Es macht aber Sinn, den Finanzausgleich möglichst rasch und integral zu modernisieren, unabhängig von der Frage nach einem allfälligen EU-Beitritt der Schweiz.

2.

Die Grundsätze einer Neuordnung des Finanzausgleichs nach Artikel 135 BV Entwurf NFA wären im Falle eines Beitritts zur EU nicht hinfällig. Im Gegenteil, sie würden auch nach einem Beitritt wichtige, ja unabdingbare Eckpfeiler eines wirksamen und politisch steuerbaren bundesstaatlichen Finanzausgleichs darstellen.

3.

Für die im Zusammenhang mit einem allfälligen EU-Beitritt notwendige Überprüfung der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen würden die im NFA entwickelten Grundsätze eine Erleichterung und zugleich eine Sicherung der kantonalen politischen Autonomie darstellen.

163

Vgl. Jeanrenaud, Claude; Die Folgen einer Integration in die Europäische Union für die Finanzpolitik der Kantone; in: KdK (Hrsg.); Die Kantone vor den Herausforderungen eines EU-Beitritts. Bericht der Arbeitsgruppe «Europa-Reformen der Kantone»; Zürich, 2001; S. 131 ff.

164 Vgl. derselbe, S. 141 ff.

2540

10

Verfassungsmässigkeit und Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

10.1

Verfassungsmässigkeit

Der Bundesrat macht von seinem Vorschlagsrecht gemäss Artikel 181 BV Gebrauch und legt, wie in der Legislaturplanung angekündigt165, eine Botschaft zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen vor.

Gleichzeitig mit den verfassungsrechtlichen Änderungen legt der Bundesrat ein total revidiertes Bundesgesetz über den Finanzausgleich (FAG) vor. Dieses stützt sich auf die zu revidierenden Artikel 47 BV (Konkretisierung der Eigenständigkeit der Kantone), Artikel 48 BV (Kompetenz des Bundes, die Kantone zur interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich mittels Allgemeinverbindlicherklärung und Beteiligungspflicht zu verpflichten sowie die Ermächtigung interkantonaler Organe zum Erlass rechtsetzender Bestimmungen) und Artikel 135 BV (Kompetenz des Bundes, Vorschriften über einen Bundesfinanzausgleich zu erlassen).

10.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Gemäss den Bestimmungen des FAG sollen folgende Rechtssetzungsbefugnisse an den Bundesrat delegiert werden:

165

­

Artikel 3 Absatz 3 FAG: Festlegung eines einheitlichen Abzugs (Freibetrag) von den Einkommen.

Begründung: Detailliertere Regelungen bereits auf Gesetzesstufe wären zu starr. Den sich ändernden Verhältnissen könnte nicht ohne weiteres Rechnung getragen werden. Zusätzlich ist zu beachten, dass der vorgesehene Freibetrag auf den heutigen Freibetrag bei der direkten Bundessteuer abstellt. Dieser könnte aber aus Gründen, die mit der NFA nichts zu tun haben, geändert werden. Damit ergäbe sich eine sachfremde Verknüpfung von DBStG und FAG.

­

Artikel 6 Absatz 1 FAG: Jährliche Festlegung der Verteilung der Mittel des Ressourcenausgleichs auf die ressourcenschwachen Kantone.

Begründung: Die jährliche Neuberechnung des Ressourcenpotenzials und Anpassung der Mittel für den Ressourcenausgleich verlangen auch eine jährliche Neuverteilung der verfügbaren Mittel. Dies umso mehr, als auch für die ressourcenschwächsten Kantone nach Ausgleich jeweils ein Ressourcenpotenzial von 85 Prozent des schweizerischen Mittels anzustreben ist.

­

Artikel 9 Absatz 3 FAG: Festlegung der Verteilungskriterien für den Lastenausgleich.

Begründung: Wenn der Finanzausgleich steuerbar sein und veränderten Verhältnissen Rechnung getragen werden soll, muss der Bundesrat die Einzelheiten der Ausgleichsgefässe regeln und insbesondere die Verteilungskriterien festlegen können.

BBl 2000 III 2276; S. 2300 f.

2541

­

2542

Artikel 18 Absatz 5 FAG: Regelung der Mittelverteilung des Härteausgleichs.

Begründung: Um einen sachgerechten und wirkungsvollen Härteausgleich vornehmen zu können, soll beim Härteausgleich die Mittelverteilung erst auf Grund der Ergebnisse der unmittelbar vor Einführung der NFA aktualisierten Globalbilanz endgültig festgelegt werden. Nach Einführung der NFA ist keine Anpassung des Gesamtbetrages für den Härteausgleich nach oben mehr vorgesehen. Der Betrag wird nominell eingefroren. Eine Anpassung nach unten ist jedoch möglich. Überschreitet nämlich ein vom Härteausgleich begünstigter Kanton bei der (jährlich vorgenommenen) Neuberechnung des Ressourcenindexes das schweizerische Mittel von 100, erlischt seine Begünstigung, und der Gesamtbetrag für den Härteausgleich verringert sich entsprechend.

Anhang 1

Glossar Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG)

Die Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG) fasst das steuerbare Einkommen und Vermögen der natürlichen Personen sowie die Gewinne der juristischen Personen zu einer Masszahl zusammen.

Sie dient der Ermittlung der Ressourcenpotenziale der Kantone.

Allokation

Allokation ist die örtliche, zeitliche und verwendungsspezifische Zuordnung von knappen Gütern zur Erstellung von wirtschaftlichen Leistungen. In Bezug auf den öffentlichen Haushalt bedeutet Allokation die Aufteilung von Ressourcen auf den privaten und öffentlichen Sektor, sowie innerhalb des öffentlichen Sektors auf Art und Umfang der einzelnen öffentlichen Ausgaben.

A-Stadt-Problematik

Die Kernstädte weisen in der Regel einen überdurchschnittlichen Anteil an älteren und armen Personen, Alleinstehenden, Alleinerziehenden, Abhängigen, Auszubildenden, Arbeitslosen, Ausgesteuerten und Ausländern in ihrer Bevölkerung auf. Diese A-Gruppen verbindet, dass sie verhältnismässig hohe Kosten verursachen und andererseits nur wenig Steuereinnahmen einbringen.

Entflechtung

Von einer Entflechtung wird dann gesprochen, wenn eine öffentliche Aufgabe, die zuvor von Bund und Kantonen gemeinsam erfüllt worden ist, neu nur noch von einer staatlichen Ebene erfüllt wird (vgl.

Teilentflechtung und Verbundaufgabe).

Externalität, externer Effekt Eine Externalität oder ein externer Effekt ist die Auswirkung einer ökonomischen Aktivität, bei welcher Verursacher und Betroffene nicht übereinstimmen. Beispiel negativer externer Effekt: Lärm, Beispiel positiver externer Effekt: Leuchtturm.

Finanzausgleich

Der Finanzausgleich umfasst alle finanziellen Transfers zwischen staatlichen Körperschaften, welche als Anreiz zur Erfüllung von Staatsaufgaben oder dem Ausgleich von Unterschieden in der finanziellen Leistungsfähigkeit dienen.

Finanzausgleich im engeren Der Finanzausgleich im engeren Sinn umfasst alle Sinn finanziellen Transfers, welche der Umverteilung zwischen den Kantonen sowie dem Ausgleich übermässiger struktureller Lasten dienen.

2543

Finanzausgleich im weiteren Der Finanzausgleich im weiteren Sinn umfasst alle Sinn horizontalen und vertikalen finanziellen Transfers, die mit der Aufgaben- und Einnahmenverteilung zusammenhängen.

Finanzielle Leistungsfähigkeit

Vgl. Ressourcenpotenzial.

Finanzkraftindex

Masszahl im geltenden bundesstaatlichen Finanzausgleich zur Bemessung der Finanzkraft der Kantone. Der Index wird in der NFA durch den neuen Ressourcenindex ersetzt.

Fiskalische Äquivalenz

Wenn bei öffentlichen Leistungen bei denjenigen Bürgerinnen und Bürgern Abgaben erhoben werden, die aus diesen Leistungen Nutzen ziehen, besteht fiskalische Äquivalenz. Wird diese verletzt, so entstehen externe Effekte, die zu Wohlfahrtsverlusten führen.

Geografisch-topografischer Lastenausgleich (GLA)

Kantone, die bedingt durch ihre Höhenlage, die Steilheit des Geländes oder auf Grund ihrer spezifischen Besiedlungsstruktur übermässig Lasten zu tragen haben, werden durch den GLA entlastet. Der GLA wird vollständig durch den Bund finanziert.

Horizontaler Finanzausgleich

Der horizontale Finanzausgleich umfasst sämtliche Finanzströme, welche von Kanton zu Kanton fliessen.

Horizontaler Ressourcenausgleich

Der horizontale Ressourcenausgleich stellt die Umverteilung von den Kantonen mit einem überdurchschnittlichen Ressourcenpotenzial zu den Kantonen mit einem unterdurchschnittlichen Ressourcenpotenzial dar.

Interkantonaler Lastenausgleich (ILA)

Mit dem interkantonalen Lastenausgleich werden die von den Bewohnerinnen und Bewohnern eines Kantons genutzten öffentlichen Leistungen eines andern Kantons abgegolten. Es handelt sich um die finanzielle Seite der interkantonalen Zusammenarbeit.

Lastenausgleich

Vgl. interkantonaler Lastenausgleich, geografischtopografischer Lastenausgleich und soziodemografischer Lastenausgleich.

Ressourcenpotenzial

Das Ressourcenpotenzial umfasst die fiskalisch ausschöpfbaren Ressourcen eines Kantons (vgl. ASG) ohne Berücksichtigung der effektiven Steuereinnahmen und Steuerbelastungen und entspricht damit seiner finanziellen Leistungsfähigkeit.

2544

Ressourcenindex

Der Ressourcenindex eines Kantons setzt dessen Ressourcenpotenzial pro Einwohner ins Verhältnis zum gesamtschweizerischen Mittel. Der Ressourcenindex basiert auf der Aggregierten Steuerbemessungsgrundlage (ASG). Er soll den Finanzkraftindex des geltenden bundesstaatlichen Finanzausgleichs ablösen.

Soziodemografischer Lastenausgleich (SLA)

Kantone, die durch ihre Bevölkerungsstruktur (vgl. AStadt-Problematik) oder ihre Zentrumsfunktionen übermässig belastet sind, werden durch den SLA entlastet. Der SLA wird vollständig durch den Bund finanziert.

Spillover-Effekte

Wenn öffentliche Leistungen einer Gebietskörperschaft auch durch Bewohnerinnen und Bewohner anderer Gebietskörperschaften in Anspruch genommen werden, ohne dass sie für die konsumierten Leistungen vollumfänglich aufkommen, entstehen externe, räumliche Effekte, so genannte Spillovers. Liegen Spillovers vor, so wird das Gebot der fiskalischen Äquivalenz verletzt. Sollen Spillovers und die mit ihnen verbundenen, volkswirtschaftlichen Verluste internalisiert werden, bedarf es eines interkantonalen Lastenausgleichs.

Subsidiaritätsprinzip

Gemäss dem Subsidiaritätsprinzip sollen Aufgaben nur dann einer übergeordneten staatlichen Ebene übertragen werden, wenn diese die Aufgaben nachweislich besser erfüllen kann als die untergeordneten staatlichen Ebenen.

Teilentflechtung

Von einer Teilentflechtung wird dann gesprochen, wenn innerhalb eines Aufgabenbereichs nur gewisse Teilbereiche entflochten werden. In den entflochtenen Teilbereichen ist dann nur noch eine Staatsebene (Bund oder Kantone) zuständig, während die nicht entflochtenen Teilbereiche nach wie vor von beiden Staatsebenen gemeinsam getragen werden (vgl.

Entflechtung und Verbundaufgabe).

Verbundaufgabe

Von einer Verbundaufgabe wird dann gesprochen, wenn ein Aufgabenbereich von Bund und Kantonen finanziell gemeinsam getragen wird (vgl.

Entflechtungen und Teilentflechtungen).

Vertikaler Finanzausgleich

Der vertikale Finanzausgleich umfasst sämtliche Finanzströme, welche zwischen Bund und Kantonen fliessen.

2545

Vertikaler Ressourcenausgleich

2546

Vom Bund finanzierter Teil des Ressourcenausgleichs. Kantone, welche im Vergleich zum gesamtschweizerischen Mittel ein unterdurchschnittliches Ressourcenpotenzial aufweisen, werden vom Bund finanziell unterstützt.

Anhang 2

Abkürzungsverzeichnis AB

Amtliches Bulletin

AHV

Alters- und Hinterlassenenversicherung

AHVG

Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung

ARE

Bundesamt für Raumentwicklung

AS

Amtliche Sammlung des Bundesrechts

ASG

Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage

AWM

Arbeitsgemeinschaft für eine wirksame und friedenssichernde Milizarmee

BAG

Bundesamt für Gesundheit

BBG

Bundesgesetz über die Berufsbildung

BBl

Bundesblatt

BGE

Bundesgerichtsentscheid

FAG

Bundesgesetz über den Finanzausgleich

BFS

Bundesamt für Statistik

BFW

Bundesgesetz über die Förderung von preisgünstigem Wohnraum

BGF

Bundesgesetz über die Fischerei

BRP

Bundesamt für Raumplanung (heute ARE)

BSV

Bundesamt für Sozialversicherungen

BV

Bundesverfassung

CNG

Christlichnationaler Gewerkschaftsbund

CVP

Christlichdemokratische Volkspartei

EBG

Eisenbahngesetz

EDK

Erziehungsdirektorenkonferenz

EFD

Eidgenössisches Finanzdepartement

EFV

Eidgenössische Finanzverwaltung

EG

Europäische Gemeinschaft

EKA

Eidgenössische Ausländerkommission

EL

Ergänzungsleistungen zur AHV und IV

ELG

Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung

EU

Europäische Union

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

FDK

Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren

FDP

Freisinnig-Demokratische Partei 2547

FHG

Bundesgesetz über den eidgenössischen Finanzhaushalt

FkF

Fachgruppe für kantonale Finanzfragen

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade

GLA

Geografisch-topografischer Lastenausgleich

GPS

Grüne Partei der Schweiz

GSchG

Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer

IHG

Bundesgesetz über Investitionshilfe für Berggebiete

IHV

Interkantonale Heimvereinbarung

ILA

Interkantonaler Lastenausgleich

IRV

Interkantonale Rahmenvereinbarung

IUV

Interkantonale Universitätsvereinbarung

IV

Invalidenversicherung

IVG

Bundesgesetz über die Invalidenversicherung

IVK

Interkantonale Vertragskommission

IVSE

Interkantonale Vereinbarung für Soziale Einrichtungen

JSG

Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wild lebender Säugetiere und Vögel

KdK

Konferenz der Kantonsregierungen

LFG

Bundesgesetz über die Luftfahrt

LPS

Liberale Partei der Schweiz

LSMG

Bundesgesetz über die Leistungen des Bundes für den Straf- und Massnahmenvollzug

LwG

Bundesgesetz über die Landwirtschaft

MIBD

Milchwirtschaftlicher Inspektions- und Beratungsdienst

MinöStG

Mineralölsteuergesetz

MinVG

Bundesgesetz über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer

MQV

Verordnung über die Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle in der Milchwirtschaft

NFA

Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen

NHG

Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz

NPM

New Public Management

NSG

Bundesgesetz über die Nationalstrassen

NUTS

Nomenclature des unités territoriales statistiques

OECD

Organization for Economic Co-Operation and Development

OG

Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege

2548

RPG

Bundesgesetz über die Raumplanung

SAB

Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete

SBV

Schweizerischer Bauernverband

seco

Staatssekretariat für Wirtschaft

SGB

Schweizerischer Gewerkschaftsbund

SGeV

Schweizerischer Gemeindeverband

SGU

Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz

sgv

Schweizerischer Gewerbeverband

SLA

Soziodemografischer Lastenausgleich

SNB

Schweizerische Nationalbank

SODK

Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren

SPS

Sozialdemokratische Partei der Schweiz

SR

Systematische Sammlung des Bundesrechts

SSV

Schweizerischer Städteverband

StGB

Schweizerisches Strafgesetzbuch

StHG

Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden

SuG

Subventionsgesetz

SVP

Schweizerische Volkspartei

USG

Bundesgesetz über den Umweltschutz

VIntA

Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern

VSA

Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände

WaG

Bundesgesetz über den Wald

WBG

Bundesgesetz über den Wasserbau

WBK

Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur

WEG

Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz

WTO

World Trade Organization

2549

Anhang 3

Liste der zuhanden der NFA erstellten Expertisen und Gutachten 1.

Biaggini, Giovanni; Expertise zu diversen Rechtsfragen betreffend Verbundaufgaben und Programmvereinbarungen; Zürich, 31. August 2000.

2.

Fischer, Roland; Expertenbericht betreffend aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG) / Ressourcenindex im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben (NFA); Zürich, Januar 2001.

3.

Fischer, Roland; Rapport d'expertise concernant l'assiette fiscale agrégée (AFA) et l'indice des ressources dans le cadre de la réforme de la péréquation financière et de la répartition des tâches entre la Confédération et les cantons (RPT); Zurich, janvier 2001 (französische Übersetzung von 2).

4.

Fischer, Roland; Vergleich zwischen kantonalen Steuertarifen, ASG-Beitrag und Einkommensverteilung auf der Basis der steuerbaren Einkommen der direkten Bundessteuer. Ergänzung zum Expertenbericht vom Januar 2001; Zürich, 19. April 2001.

5.

Fischer, Roland; Comparaison entre les barèmes fiscaux cantonaux, la contribution de la base d'imposition agrégée (ASG) et la répartition des revenus sur la base du revenu imposable de l'impôt fédéral direct. Complément au rapport d'expertise de janvier 2000; Zurich, 19 avril 2001 (französische Übersetzung von 4).

6.

Fischer, Roland; Die Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage (ASG) im Vergleich zum Steuerkraftindex der Finanzkraft; Zürich, 25. Mai 2001.

7.

Fischer, Roland; Analyse comparée entre la base d'imposition agrégée (ASG) et l'indice de capacité fiscale déterminant la capacité financière; Zurich, 25 mai 2001 (französische Übersetzung von 6).

8.

Fischer, Roland; Die Entwicklung von Einkommens-Disparitäten zwischen den Kantonen 1987­1999; Zürich, 13. Juli 2001.

9.

Frey, René L.; Ziel- und Wirkungsanalyse des Neuen Finanzausgleichs; Basel, 14. Mai 2001.

10. Frey, René L.; Analyse de l'objectif et de l'efficacité de la nouvelle péréquation financière; Bâle, 14 mai 2001 (französische Übersetzung von 9).

11. Frey, René L.; Spillmann, Andreas; Dafflon, Bernard; Jeanrenaud, Claude; Meier, Alfred; Der Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen. Expertise zu den Finanzhilfen und Abgeltungen des Bundes an die Kantone im Auftrag der EFV und der FDK; Bern, 1994.

12. Frey, René L.; Spillmann, Andreas; Dafflon, Bernard; Jeanrenaud, Claude; Meier, Alfred; La péréquation financière entre la Confédération et les cantons. Expertise relative aux aides financières et indemnités de la Confédération en faveur des cantons mandatée par l'AFF et la CDF; Berne, 1994 (französische Übersetzung von 11).

2550

13. Inderbitzin, J.; Second Opinion zum neuen Vorschlag für den geografischtopografischen Lastenausgleich; Luzern, 24. Mai 2001.

14. Jeanrenaud, Claude; Blöchliger, Hansjörg; Neuer Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen: Beispiele für neue Subventionsformen; Neuchâtel und Basel, 2000.

15. Kirchgässner, Gebhard; Hauser, Heinz; Abwanderungsgefahr von Steuersubstrat ins Ausland im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben (NFA); St. Gallen, 10. August 2001.

16. Zimmerli, Ulrich; NFA - Interkantonales Streitbeilegungsverfahren und die Normtexte; Bern, 31. Mai 2001.

2551

Inhaltsverzeichnis Übersicht

2293

1 Allgemeiner Teil 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ausgangslage 1.1.2 Die NFA als Teil einer allgemeinen Föderalismusreform 1.1.3 Reform der Aufgabenzuordnung 1.1.4 Reform des Finanzausgleichs im engeren Sinn 1.1.5 Reform der Steuerordnung 1.1.6 Gebietsreformen 1.1.6.1 Gebietsreformen auf kommunaler Ebene 1.1.6.2 Gebietsreformen auf kantonaler Ebene 1.1.7 Die Ziele der NFA im Überblick 1.2 Vorarbeiten zur NFA 1.2.1 Die Finanzausgleichsbilanz von 1991 1.2.2 Der Orientierungsrahmen von 1992 1.2.3 Die finanzwissenschaftliche Expertise von 1994 1.2.4 Bericht zu den Grundzügen der NFA 1.2.5 Ergebnisse der ersten Vernehmlassung 1.2.6 Vertiefung und Konkretisierung der Grundzüge 1.2.7 Ergebnisse der zweiten Vernehmlassung 1.2.8 Nachbesserungen infolge der zweiten Vernehmlassung 1.3 Verfahren für die beantragte Verfassungs- und Gesetzesrevision 1.3.1 Änderungen auf Verfassungsstufe 1.3.2 Änderungen auf Gesetzesstufe 1.4 Institutionelle Umsetzung und weiteres Vorgehen 1.4.1 Institutionelle Umsetzung der ersten NFA-Botschaft 1.4.2 Ausblick auf die zweite NFA-Botschaft 1.4.3 Übergangsrechtliche Probleme 1.4.3.1 Zum Problem der präventiven Gesuche 1.4.3.2 Zum Problem altrechtlicher Verpflichtungen des Bundes

2301 2302 2302 2303 2305 2307 2308 2311 2311 2312 2314 2314 2314 2315 2315 2316 2317 2317 2319 2323 2323 2324 2325 2325 2326 2328 2328 2328 2329

2 Die Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung 2.1 Gegenstand 2.2 Mängel der heutigen Aufgaben- und Finanzierungsverflechtung 2.3 Ziele 2.4 Ergebnisse der Vernehmlassung 2.5 Die Anträge in den einzelnen Aufgabenbereichen im Überblick 2.5.1 Bundesaufgaben 2.5.2 Kantonsaufgaben 2.5.3 Verbundaufgaben 2.5.4 Zusammenhang mit der interkantonalen Zusammenarbeit 2.6 Änderungen der Bundesverfassung 2.6.1 Verfassungsrechtliche Verankerung des Subsidiaritätsprinzips

2329 2330 2331 2332 2334 2335 2335 2336 2337 2338 2339 2339

2552

2.6.2 Verfassungsrechtliche Verankerung der Aufgabenzuweisungskriterien 2339 2.6.3 Verfassungsrechtliche Verankerung der Autonomie der Kantone bei der Erfüllung ihrer Aufgaben 2340 2.6.4 Einführung einer Normenkontrolle 2340 3 Die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen 2340 3.1 Gegenstand 2341 3.2 Mängel der heutigen Finanzierungsformen 2342 3.3 Ziele 2342 3.4 Ergebnisse der Vernehmlassung 2343 3.5 Die neuen Zusammenarbeitsformen aus staats- und verwaltungsrechtlicher Sicht 2344 3.5.1 Grundsätze der Zusammenarbeit 2344 3.5.2 Das Instrument der Programmvereinbarung 2345 3.5.2.1 Inhalt und bisherige Erfahrungen 2345 3.5.2.2 Programmvereinbarungen als Vertrag oder als Verfügung? 2346 3.5.2.3 Gleichbehandlung der Kantone 2347 3.5.2.4 Die Stellung der Leistungserbringer 2348 3.5.3 Flexible Umsetzung 2348 3.6 Die neuen Finanzierungsformen 2348 3.6.1 Die neue Doktrin 2348 3.6.2 Ausblick auf die zweite Botschaft 2349 3.7 Verfassungsgrundlage für die Programmvereinbarungen 2349 4 Die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich 4.1 Gegenstand 4.2 Die heutige interkantonale Zusammenarbeit und ihre Mängel 4.3 Ziele 4.4 Ergebnisse der Vernehmlassung 4.5 Die Ebene des Bundes 4.5.1 Die Förderung der interkantonalen Zusammenarbeit auf der Ebene des Bundes 4.5.2 Die Ermächtigung interkantonaler Organe zum Erlass von Primärnormen 4.5.3 Vorrang des interkantonalen Rechts gegenüber dem kantonalen Recht 4.6 Die Ebene der Kantone 4.6.1 Die Interkantonale Rahmenvereinbarung (IRV) 5 Der Finanzausgleich im engeren Sinn 5.1 Gegenstand 5.2 Die Mängel des heutigen Finanzausgleichs 5.2.1 Grosser Mitteleinsatz, geringe Wirkung 5.2.2 Sich verengender Handlungsspielraum der Kantone

2350 2350 2351 2352 2353 2354 2354 2356 2356 2357 2357 2359 2360 2361 2361 2365 2553

5.3 5.4 5.5

5.6

5.7 5.8

5.2.3 Mangelhafter Finanzkraftindex 5.2.4 Zielkonflikte und Fehlanreize Ziele Das neue Ausgleichssystem im Überblick Der Ressourcenausgleich 5.5.1 Der Ressourcenindex 5.5.1.1 Konzeption und Elemente des neuen Ressourcenindexes 5.5.1.1.1 Das Grundkonzept 5.5.1.1.2 Die Elemente des neuen Ressourcenindexes 5.5.1.2 Weiterentwicklung des Ressourcenindexes bis zur Einführung der NFA 5.5.1.3 Die Ergebnisse des hochgerechneten Ressourcenindexes 5.5.1.4 Analysen zum neuen Ressourcenindex 5.5.2 Die Wirkungsweise des Ressourcenausgleichs 5.5.3 Neuverteilung der Kantonsanteile an den Steuereinnahmen des Bundes und der Gewinne der Schweizerischen Nationalbank Der Lastenausgleich des Bundes 5.6.1 Der geografisch-topografische Lastenausgleich (GLA) 5.6.1.1 Bestimmung der geografisch-topografischen Lasten 5.6.1.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 5.6.1.3 Ausgestaltung und Indikatoren der neuen Lösung 5.6.1.4 Verteilungsschlüssel und finanzielle Auswirkungen 5.6.2 Der soziodemografische Lastenausgleich (SLA) 5.6.2.1 Bestimmung der soziodemografischen Lasten 5.6.2.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 5.6.2.3 Zwei Lösungen 5.6.2.4 Ausgestaltung und Indikatoren der Modelllösung 5.6.2.4.1 Bereich A ­ Armut 5.6.2.4.2 Bereich B ­ Ausgewählte Altersgruppen 5.6.2.4.3 Bereich C ­ Ausländerintegration 5.6.2.4.4 Bereich D ­ Drogenproblematik 5.6.2.4.5 Bereich E ­ Arbeitslosigkeit 5.6.2.4.6 Bereich F ­ Kernstadtproblematik 5.6.2.5 Verteilungsschlüssel und finanzielle Auswirkungen 5.6.2.6 Weitere Arbeiten im Hinblick auf die definitive Lösung Härteausgleich Verfassungsgrundlage und Totalrevision des Finanzausgleichsgesetzes

2367 2367 2369 2369 2372 2372 2373 2373 2373 2377 2377 2379 2382 2387 2389 2390 2390 2390 2391 2392 2396 2396 2397 2397 2398 2399 2399 2400 2401 2402 2402 2404 2410 2410 2412

6 Besonderer Teil 2413 6.1 Verfassungsänderungen in den einzelnen Aufgabenbereichen 2414 6.1.1 Landesverteidigung ­ Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee 2414 6.1.1.1 Ausgangslage 2414 6.1.1.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2414 6.1.1.3 Neue Lösung 2414 6.1.1.4 Änderung der Bundesverfassung 2415 2554

6.1.1.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2415 6.1.2 Bildung, Forschung und Kultur 2415 6.1.2.1 Sonderschulung 2415 6.1.2.1.1 Ausgangslage 2415 6.1.2.1.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2416 6.1.2.1.3 Neue Lösung 2416 6.1.2.1.4 Änderung der Bundesverfassung 2417 6.1.2.1.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2418 6.1.2.2 Ausbildungsbeihilfen 2418 6.1.2.2.1 Ausgangslage 2418 6.1.2.2.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2418 6.1.2.2.3 Neue Lösung 2419 6.1.2.2.4 Änderung der Bundesverfassung 2419 6.1.2.2.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2420 6.1.3 Umwelt und Raumplanung 2420 6.1.3.1 Vermessung 2420 6.1.3.1.1 Ausgangslage 2420 6.1.3.1.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2421 6.1.3.1.3 Neue Lösung 2421 6.1.3.1.4 Änderung der Bundesverfassung 2421 6.1.3.1.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2422 6.1.4 Öffentliche Werke und Verkehr 2422 6.1.4.1 Nationalstrassen 2422 6.1.4.1.1 Ausgangslage 2422 6.1.4.1.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2423 6.1.4.1.3 Neue Lösung 2423 6.1.4.1.4 Änderung der Bundesverfassung 2424 6.1.4.1.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2424 6.1.4.2 Hauptstrassen 2424 6.1.4.2.1 Ausgangslage 2424 6.1.4.2.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2425 6.1.4.2.3 Neue Lösung 2425 6.1.4.2.4 Änderung der Bundesverfassung 2425 6.1.4.2.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2425 6.1.4.3 Übrige Bereiche der Spezialfinanzierung «Strassenverkehr» 2426 6.1.4.3.1 Ausgangslage 2426 6.1.4.3.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2426 6.1.4.3.3 Neue Lösung 2427 6.1.4.3.4 Änderung der Bundesverfassung 2427 6.1.4.3.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2428

2555

6.1.4.4 Agglomerationsverkehr 2428 6.1.4.4.1 Ausgangslage 2428 6.1.4.4.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2428 6.1.4.4.3 Neue Lösung 2429 6.1.4.4.4 Änderung der Bundesverfassung 2430 6.1.4.4.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2430 6.1.5 Soziale Sicherheit 2431 6.1.5.1 Individuelle Leistungen der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) 2431 6.1.5.1.1 Ausgangslage 2431 6.1.5.1.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2431 6.1.5.1.3 Neue Lösung 2431 6.1.5.1.4 Änderung der Bundesverfassung 2432 6.1.5.1.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2432 6.1.5.2 Individuelle Leistungen der Invalidenversicherung (IV) 2432 6.1.5.2.1 Ausgangslage 2432 6.1.5.2.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2433 6.1.5.2.3 Neue Lösung 2434 6.1.5.2.4 Änderung der Bundesverfassung 2434 6.1.5.2.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2434 6.1.5.3 Ergänzungsleistungen (EL) 2434 6.1.5.3.1 Ausgangslage 2434 6.1.5.3.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2436 6.1.5.3.3 Neue Lösung 2436 6.1.5.3.3.1 Existenzsicherung als vorwiegende Bundesaufgabe 2436 6.1.5.3.3.2 Heim- und Pflegekosten in kantonaler Verantwortung 2437 6.1.5.3.4 Änderung der Bundesverfassung 2438 6.1.5.3.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2438 6.1.5.4 Bau- und Betriebsbeiträge an Wohnheime, Werkstätten und Institutionen für die berufliche und medizinische Eingliederung 2439 6.1.5.4.1 Ausgangslage 2439 6.1.5.4.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2439 6.1.5.4.3 Neue Lösung 2440 6.1.5.4.4 Änderung der Bundesverfassung 2442 6.1.5.4.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2442 6.1.5.5 Unterstützung der Betagten- und Behindertenhilfe inklusive Hilfe und Pflege zu Hause 2442 6.1.5.5.1 Ausgangslage 2442 6.1.5.5.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2443 2556

6.2

6.3

6.4

6.5

6.1.5.5.3 Neue Lösung 2444 6.1.5.5.4 Änderung der Bundesverfassung 2444 6.1.5.5.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2444 6.1.6 Strafrecht 2445 6.1.6.1 Straf- und Massnahmenvollzug 2445 6.1.6.1.1 Ausgangslage 2445 6.1.6.1.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 2445 6.1.6.1.3 Neue Lösung 2446 6.1.6.1.4 Änderung der Bundesverfassung 2447 6.1.6.1.5 Ausblick auf die Änderungen in der Spezialgesetzgebung 2447 Gesetzesänderungen in den einzelnen Aufgabenbereichen, deren Verfassungsgrundlage keiner Modifikation bedarf 2447 6.2.1 Beiträge an Ausbildungsstätten für Fachpersonal der Sozialberufe 2448 6.2.2 Turnen und Sport in der Schule 2448 6.2.3 Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung 2448 6.2.4 Raumplanung 2449 6.2.5 Wald 2449 6.2.6 Denkmal-, Heimat- und Ortsbilderschutz 2449 6.2.7 Natur- und Landschaftsschutz 2450 6.2.8 Wildtiere (Jagd) und Fischerei 2450 6.2.9 Hochwasserschutz 2450 6.2.10 Gewässerschutz/Abwasseranlagen 2451 6.2.11 Öffentlicher Regionalverkehr 2451 6.2.12 Flugplätze 2452 6.2.13 Luftreinhaltung und Lärmschutz mit Mineralölsteuermitteln 2452 6.2.14 Landwirtschaftliche Strukturverbesserungen 2452 6.2.15 Tierzucht 2452 6.2.16 Verbesserung der Wohnverhältnisse in den Berggebieten 2453 6.2.17 Prämienverbilligung in der Krankenversicherung 2453 6.2.18 Spezialkliniken und Spitzenmedizin 2453 Laufende bzw. geplante NFA-kompatible Reformen 2454 6.3.1 Familienzulagen 2454 6.3.2 Wohnbau- und Eigentumsförderung 2454 6.3.3 Berufsbildung einschliesslich Weiterbildung 2455 6.3.4 Bevölkerungsschutz 2455 6.3.5 Hoch- und Fachhochschulen 2455 Ausgeklammerte Aufgabenbereiche 2456 6.4.1 Turnen und Sport 2456 6.4.2 Fuss- und Wanderwege 2456 6.4.3 Milchwirtschaftlicher Inspektions- und Beratungsdienst (MIBD) 2457 Erläuterungen zu den Verfassungsbestimmungen 2457 6.5.1 Erläuterungen zu den bereichsübergreifenden Verfassungsbestimmungen 2457

2557

6.5.2 Erläuterungen zu den aufgabenbezogenen Verfassungsbestimmungen 2467 6.6 Erläuterungen zum Bundesgesetz über den Finanzausgleich 2473 6.6.1 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen 2473 6.6.2 2. Abschnitt: Ressourcenausgleich durch Bund und Kantone 2473 6.6.3 3. Abschnitt: Geografisch-topografischer und soziodemografischer Lastenausgleich durch den Bund 2477 6.6.4 4. Abschnitt: Interkantonale Zusammenarbeit und interkantonaler Lastenausgleich 2478 6.6.5 5. Abschnitt: Wirkungsbericht 2483 6.6.6 6. Abschnitt: Übergangsbestimmungen 2484 6.6.7 7. Abschnitt: Schlussbestimmungen 2486 7 Auswirkungen 2487 7.1 Wirkungsanalyse des Gesamtpakets NFA 2488 7.2 Finanzielle Auswirkungen auf Bund und Kantone 2491 7.2.1 Globalbilanz 2491 7.2.2 Verringerung von Disparitäten 2503 7.2.2.1 Verringerung der Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit 2504 7.2.2.2 Verringerung der Unterschiede in der Steuerbelastung 2510 7.2.3 Handlungsspielräume, Effizienzpotenziale und nicht zweckgebundene Mittel 2515 7.2.3.1 Entfallende zweckgebundene Transfers zwischen Bund und Kantonen inklusive Abstufung nach Finanzkraft 2515 7.2.3.2 Entfallende zweckgebundene Transfers zwischen Bund und Kantonen exklusive Abstufung nach Finanzkraft 2516 7.2.3.3 Handlungsspielräume und Effizienzpotenziale 2517 7.2.3.4 Nicht zweckgebundene Mittel 2518 7.2.4 Auswirkungen auf die Standortgunst im internationalen Steuerwettbewerb 2520 7.3 Volkswirtschaftliche Auswirkungen 2523 7.3.1 Notwendigkeit und Möglichkeit der staatlichen Intervention 2523 7.3.2 Auswirkungen auf die verschiedenen Gesellschaftsgruppen 2524 7.3.3 Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen 2524 7.3.4 Andere in Frage kommende Regelungen 2526 7.3.5 Aspekte der Anwendung 2526 7.4 Personelle Auswirkungen 2526 7.5 Auswirkungen auf die Informatik 2527 7.6 Vergleich mit den kantonalen Finanzausgleichssystemen 2527 7.7 Auswirkungen auf die städtischen Agglomerationen und Gemeinden 2530 7.8 Auswirkungen auf die Regionalpolitik des Bundes 2532 7.9 Auswirkungen auf die Haushaltssteuerung des Bundes 2533 8 Legislaturplanung

2534

9 Die NFA aus europapolitischer Perspektive

2534

2558

9.1 Verhältnis zum europäischen Recht 9.2 Die «Europatauglichkeit» der NFA 9.2.1 Auswirkungen eines allfälligen EU-Beitritts auf die Aufgaben von Bund und Kantonen 9.2.2 Zuweisung der Umsetzungs- und Vollzugsaufgaben an Bund und Kantone 9.2.3 Beurteilung der Aufgabenentflechtung gemäss NFA 9.2.4 Auswirkungen eines EU-Beitritts auf die öffentlichen Finanzen

2535 2535 2536 2536 2537 2539

10 Verfassungsmässigkeit und Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 2541 10.1 Verfassungsmässigkeit 2541 10.2 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 2541 Anhänge 1 Glossar 2 Abkürzungsverzeichnis 3 Liste der Expertisen

2543 2547 2550

Bundesbeschluss zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (NFA) (Entwurf)

2560

Bundesgesetz über den Finanzausgleich (FAG) (Entwurf)

2566

Interkantonale Rahmenvereinbarung (IRV)

2574

2559