Bundesgesetz über den Finanzausgleich

Entwurf

(FAG) vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 47, 48, 50 und 135 der Bundesverfassung1, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 14. November 20012, beschliesst:

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 1

Gegenstand

Dieses Gesetz regelt: a.

den Ressourcenausgleich durch die ressourcenstarken Kantone und durch den Bund zu Gunsten der ressourcenschwachen Kantone;

b.

den geografisch-topografischen und den soziodemografischen Lastenausgleich durch den Bund;

c.

die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich.

Art. 2

Ziele

Der Finanzausgleich soll:

1 2

a.

die kantonale Finanzautonomie stärken;

b.

die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit und in der Steuerbelastung zwischen den Kantonen verringern;

c.

die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit der Kantone erhalten;

d.

den Kantonen eine minimale Ausstattung mit finanziellen Ressourcen gewährleisten;

e.

übermässige finanzielle Lasten der Kantone auf Grund ihrer geografischtopografischen oder soziodemografischen Bedingungen ausgleichen;

f.

einen angemessenen interkantonalen Lastenausgleich gewährleisten.

SR 101 BBl 2002 2291

2566

2001-2239

Finanzausgleich. BG

2. Abschnitt: Ressourcenausgleich durch Bund und Kantone Art. 3

Ressourcenpotenzial

1

Das Ressourcenpotenzial eines Kantons ist der Wert der fiskalisch ausschöpfbaren Ressourcen pro Einwohnerin oder Einwohner.

2

Es wird berechnet auf der Grundlage: a.

der steuerbaren Einkommen der natürlichen Personen nach dem Bundesgesetz vom 14. Dezember 19903 über die direkte Bundessteuer;

b.

der Vermögen der natürlichen Personen;

c.

der steuerbaren Gewinne der juristischen Personen nach dem Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer.

3

Der Bundesrat legt einen einheitlichen Abzug (Freibetrag) von den Einkommen fest. Er berücksichtigt bei den Vermögen nur den Zuwachs und trägt bei den Gewinnen der reduzierten Besteuerung der steuerlich privilegierten Gesellschaften Rechnung.

4

Er ermittelt in Zusammenarbeit mit den Kantonen jährlich das Ressourcenpotenzial jedes Kantons auf Grund der Zahlen der letzten drei verfügbaren Jahre.

5

Kantone, deren Ressourcenpotenzial über dem schweizerischen Durchschnitt liegt, gelten als ressourcenstark. Kantone, deren Ressourcenpotenzial unter dem schweizerischen Durchschnitt liegt, gelten als ressourcenschwach.

Art. 4

Finanzierung des Ressourcenausgleichs

1

Die ressourcenstarken Kantone und der Bund stellen die Mittel für den Ressourcenausgleich zur Verfügung.

2 Die jährliche Gesamtleistung der ressourcenstarken Kantone an den Ressourcenausgleich beträgt mindestens zwei Drittel der Leistung des Bundes, soll diese jedoch nicht übersteigen.

Art. 5

Festlegung der Mittel für den Ressourcenausgleich

1

Die Bundesversammlung legt mit einem dem Referendum unterstehenden Bundesbeschluss jeweils für vier Jahre den Grundbeitrag der ressourcenstarken Kantone und denjenigen des Bundes an den Ressourcenausgleich fest. Sie berücksichtigt dabei die Ergebnisse des Wirkungsberichts und hält am Ziel fest, international konkurrenzfähige Steuersätze in den Kantonen zu erhalten.

2

Der Bundesrat passt für das zweite, dritte und vierte Jahr den Grundbeitrag der ressourcenstarken Kantone an die Entwicklung des Ressourcenpotenzials dieser Kantone und den Grundbeitrag des Bundes an die Entwicklung des Ressourcenpotenzials aller Kantone an.

3

SR 642.11

2567

Finanzausgleich. BG

3 Die ressourcenstarken Kantone entrichten pro Einwohnerin oder Einwohner einen einheitlichen Prozentsatz der Differenz zwischen ihren massgebenden eigenen Ressourcen und dem schweizerischen Durchschnitt.

Art. 6

Verteilung der Mittel des Ressourcenausgleichs

1

Der Bundesrat legt die Verteilung der Mittel auf die ressourcenschwachen Kantone jährlich auf Grund des Ressourcenpotenzials und der Zahl ihrer Einwohnerinnen und Einwohner fest. Dabei begünstigt er die besonders ressourcenschwachen Kantone überdurchschnittlich.

2

Die Mittel werden den Kantonen ohne Zweckbindung ausgerichtet.

3

Zusammen mit den Leistungen aus dem Ressourcenausgleich wird angestrebt, dass die massgebenden eigenen Ressourcen jedes Kantons pro Einwohnerin oder Einwohner nach Möglichkeit mindestens 85 Prozent des schweizerischen Durchschnitts erreichen.

3. Abschnitt: Lastenausgleich durch den Bund Art. 7

Geografisch-topografischer Lastenausgleich

1

Der Bund gewährt den Kantonen, die durch ihre geografisch-topografische Situation übermässig belastet sind, einen Ausgleich.

2

Kennzeichen für eine hohe Belastung sind insbesondere: a.

ein überdurchschnittlich hoher Anteil an hoch gelegenen Siedlungsgebieten sowie an produktiven Flächen;

b.

disperse Siedlungsstrukturen und eine geringe Bevölkerungsdichte.

Art. 8

Soziodemografischer Lastenausgleich

1

Der Bund gewährt den Kantonen, die durch ihre soziodemografische Situation übermässig belastet sind, einen Ausgleich.

2

Kennzeichen für eine hohe Belastung sind insbesondere überdurchschnittlich hohe Anteile an:

3

a.

in Armut lebenden Menschen;

b.

Betagten;

c.

Jugendlichen in Ausbildung;

d.

Arbeitslosen;

e.

Drogenabhängigen;

f.

Ausländerinnen und Ausländern, die zur Integration Unterstützung brauchen.

Zudem ist der Belastung der Städte und Agglomerationen Rechnung zu tragen.

2568

Finanzausgleich. BG

Art. 9

Festlegung und Verteilung der Mittel

1

Die Bundesversammlung legt mit einem dem Referendum unterstehenden Bundesbeschluss jeweils für vier Jahre den Grundbeitrag für den geografisch-topografischen und für den soziodemografischen Lastenausgleich fest. Sie berücksichtigt dabei die Ergebnisse des Wirkungsberichts.

2

Der Bundesrat passt die Mittel für das zweite, dritte und vierte Jahr an die Teuerung an.

3

Er legt die Kriterien zur Verteilung der Mittel nach Anhörung der Kantone fest.

4

Die Mittel werden den Kantonen ohne Zweckbindung ausgerichtet.

4. Abschnitt: Interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich Art. 10

Ziele

Die Kantone sehen eine Zusammenarbeit mit Lastenausgleich vor, um: a.

eine Mindestversorgung mit öffentlichen Leistungen sicherzustellen;

b.

kantonale Aufgaben im Verbund mit anderen Kantonen wirtschaftlich zu erbringen;

c.

kantonsübergreifende Leistungen bei angemessener Mitsprache und Mitwirkung der betroffenen Kantone gerecht auszugleichen.

Art. 11

Interkantonale Rahmenvereinbarung

Die Kantone erarbeiten für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich eine interkantonale Rahmenvereinbarung. Darin legen sie insbesondere fest: a.

die Grundsätze der interkantonalen Zusammenarbeit;

b.

die Grundsätze des Lastenausgleichs;

c.

die zuständigen Organe;

d.

das Beitritts- und Austrittsverfahren;

e.

das interkantonale Streitbeilegungsverfahren, das für alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich zur Anwendung kommt;

f.

wie weit die Grundsätze der interkantonalen Zusammenarbeit und des Lastenausgleichs im innerkantonalen Verhältnis zwischen den Kantonen und ihren Gemeinden zu beachten sind.

Art. 12

Pflicht zur Zusammenarbeit

1

Der Bundesrat kann die Kantone in den folgenden Aufgabenbereichen zur Zusammenarbeit mit Lastenausgleich verpflichten:

2569

Finanzausgleich. BG

a.

Straf- und Massnahmenvollzug;

b.

kantonale Universitäten;

c.

Fachhochschulen;

d.

Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung;

e.

Abfallentsorgung;

f.

Abwasserreinigung;

g.

öffentlicher Agglomerationsverkehr;

h.

Spitzenmedizin und Spezialkliniken;

i.

Institutionen zur Eingliederung und Betreuung von Invaliden.

2

Die Verpflichtung erfolgt in Form der Allgemeinverbindlicherklärung (Art. 13) oder der Beteiligungspflicht (Art. 14).

3

Die Kantone regeln ihre Zusammenarbeit in interkantonalen Verträgen.

Art. 13 1

2

Allgemeinverbindlicherklärung

Der Bundesrat kann für allgemein verbindlich erklären: a.

auf Antrag von mindestens 21 Kantonen: die interkantonale Rahmenvereinbarung;

b.

auf Antrag von mindestens 18 Kantonen: einen interkantonalen Vertrag in den Bereichen nach Artikel 12.

Er hört die betroffenen Kantone vor seinem Entscheid an.

3

Die Kantone, die durch eine Allgemeinverbindlicherklärung zur Beteiligung an einem Vertrag verpflichtet werden, übernehmen die gleichen Rechte und Pflichten wie die übrigen Vertragspartner.

4

Die Allgemeinverbindlichkeit kann für höchstens 25 Jahre angeordnet werden.

5

Der Bundesrat kann die Allgemeinverbindlichkeit aufheben, wenn ihre Aufrechterhaltung auf Grund der Umstände nicht mehr gerechtfertigt ist, insbesondere wenn: a.

mindestens sechs Kantone die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit der Rahmenvereinbarung verlangen;

b.

mindestens neun Kantone die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit eines interkantonalen Vertrags verlangen.

6

Die Kantone können frühestens nach fünf Jahren einen Antrag auf Aufhebung der Allgemeinverbindlicherklärung stellen.

Art. 14

Beteiligungspflicht

1

Der Bundesrat kann auf Antrag von mindestens der Hälfte der Kantone, die an einem interkantonalen Vertrag oder an einem ausgehandelten Vertragsentwurf beteiligt sind, einen oder mehrere Kantone zur Beteiligung verpflichten.

2

Er hört die betroffenen Kantone vor dem Entscheid an.

2570

Finanzausgleich. BG

3 Die Kantone, die zur Beteiligung verpflichtet werden, übernehmen die gleichen Rechte und Pflichten wie die übrigen Vertragspartner.

4

Die Beteiligung kann für höchstens 25 Jahre angeordnet werden.

5

Der Bundesrat kann die Beteiligungspflicht aufheben, wenn ihre Aufrechterhaltung auf Grund der Umstände nicht mehr gerechtfertigt ist, insbesondere wenn mindestens die Hälfte der Kantone, die an einem interkantonalen Vertrag beteiligt sind, die Aufhebung verlangt.

6

Die Kantone können frühestens nach fünf Jahren einen Antrag auf Aufhebung der Beteiligungspflicht stellen.

Art. 15

Rechtsmittel

1

Die Kantone setzen richterliche Behörden ein, die als letztinstanzliche kantonale oder interkantonale Behörden über Beschwerden gegen Entscheide interkantonaler Organe befinden.

2

Verletzt ein Kanton einen Vertrag oder verbindliche Beschlüsse eines interkantonalen Organs, so kann jeder Kanton oder das entsprechende interkantonale Organ beim Bundesgericht Klage erheben, wenn das interkantonale Streitbeilegungsverfahren zu keiner Einigung geführt hat.

Art. 16

Direkte Anwendbarkeit

Setzt ein Kanton einen Vertrag oder einen verbindlichen Beschluss eines interkantonalen Organs nicht oder nicht rechtzeitig um, so können die betroffenen Bürgerinnen und Bürger Ansprüche aus diesem Vertrag oder diesem Beschluss geltend machen, sofern die entsprechenden Bestimmungen inhaltlich hinreichend bestimmt und klar sind. Der Kanton haftet für den entstandenen Schaden.

5. Abschnitt: Wirksamkeitsbericht Art. 17

Wirksamkeitsbericht

1

Der Bundesrat legt der Bundesversammlung alle vier Jahre einen Bericht über den Vollzug und die Wirkung dieses Gesetzes vor.

2

Der Bericht gibt Aufschluss über die Erreichung der Ziele des Finanzausgleichs in der vergangenen Periode und erörtert die möglichen Massnahmen für die kommende Periode.

3

Die Wirkungen der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich werden gesondert dargelegt.

2571

Finanzausgleich. BG

6. Abschnitt: Übergangsbestimmungen Art. 18

Härteausgleich

1

Der Bund und die Kantone stellen die finanziellen Mittel zur Verfügung, mit denen für ressourcenschwache Kantone Härten aufgefangen werden, die sich aus dem Übergang vom bisherigen zum neuen Finanzausgleichssystem ergeben.

2

Der Bund finanziert den Härteausgleich zu zwei Dritteln, die Kantone zu einem Drittel.

3 Die Bundesversammlung legt mit einem dem Referendum unterstehenden Bundesbeschluss einmalig fest:

a.

den Beitrag des Bundes;

b.

den Beitrag jedes Kantons auf Grund der Zahl seiner Einwohnerinnen und Einwohner.

4 Die Bundesversammlung beschliesst mit einem dem Referendum unterstehenden Bundesbeschluss über die Aufhebung des Härteausgleichs, wenn sich dessen Weiterführung auf Grund der Ergebnisse des Wirkungsberichts als nicht mehr notwendig erweist.

5 Der Bundesrat regelt die Verteilung der Mittel unter den Kantonen nach Massgabe ihres Ressourcenpotenzials und der Ergebnisse der finanziellen Bilanz aus dem Übergang vom bisherigen zum neuen Finanzausgleichssystem. Er hört vorgängig die Kantone an.

6

Ein Kanton verliert seinen Anspruch auf den Härteausgleich, wenn sein Ressourcenpotenzial über den schweizerischen Durchschnitt steigt.

7

Die Mittel werden den Kantonen ohne Zweckbindung ausgerichtet.

8

Bei der Überprüfung der Erreichung des Mindestausstattungsziels gemäss Artikel 6 Absatz 3 werden die Leistungen aus dem Härteausgleich mitberücksichtigt.

Art. 19

Subventionsrecht

Soweit der neue Finanzausgleich eine finanzielle Entlastung des Bundes vorsieht, gilt: a.

Gesuche um Finanzhilfen und Abgeltungen, die nach Inkrafttreten dieser Bestimmung, aber vor Inkrafttreten des neuen Finanzausgleichs im betreffenden Beitragsbereich eingereicht wurden, werden nach dem im Zeitpunkt der Zusicherung geltenden Recht beurteilt.

b.

Vor dem Inkrafttreten des neuen Finanzausgleichs vom Bund rechtskräftig zugesicherte Beitragsleistungen für Vorhaben, die erst nach dem Inkrafttreten in Angriff genommen werden, sind nur noch geschuldet, wenn die Schlussabrechnung für das realisierte Vorhaben innerhalb von drei Jahren nach dem Inkrafttreten unterbreitet wird.

2572

Finanzausgleich. BG

7. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 20

Vollzug

Der Bundesrat erlässt die Vollzugsbestimmungen. Er hört vorgängig die Kantone an.

Art. 21

Aufhebung bisherigen Rechts

Das Bundesgesetz vom 19. Juni 19594 über den Finanzausgleich unter den Kantonen wird aufgehoben.

Art. 22

Referendum und Inkrafttreten

1

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2

Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

11714

4

RO 1959 913, 1974 139, 1980 1791, 1985 1945

2573

Interkantonale Rahmenvereinbarung (IRV) vom

A. Allgemeine Bestimmungen Art. 1

Zweck der Rahmenvereinbarung

Diese Rahmenvereinbarung hält die Grundsätze und Verfahren der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich fest.

Art. 2

Ziele der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich

1

Mit der interkantonalen Zusammenarbeit wird eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Aufgabenerfüllung angestrebt.

2 Die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich ist so auszugestalten, dass die Nutzniesser möglichst auch Kosten- und Entscheidungsträger sind.

Art. 3

Geltungsbereich

1

Die Rahmenvereinbarung bildet die Grundlage für interkantonale Zusammenarbeitsverträge in den Bereichen nach Artikel 12 des Bundesgesetzes vom ...5 über den Finanzausgleich (FAG).

2

Einzelheiten regeln interkantonale Verträge in den jeweiligen Sachbereichen.

Art. 4

Formen der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich

Die Rahmenvereinbarung regelt folgende Formen der interkantonalen Zusammenarbeit: a.

Gemeinsame Organisationen und Einrichtungen (gemeinsame Trägerschaften);

b.

Leistungskauf mittels Ausgleichszahlungen oder Tausch von öffentlichen Leistungen.

Art. 5

Ständige Interkantonale Vertragskommission (IVK)

1

Die Kantone schaffen eine Interkantonale Vertragskommission. Diese steht den Kantonen im Rahmen der Streitbeilegung zur Verfügung.

2

Die IVK wird auf Verlangen eines Kantons nach Massgabe der Artikel 26­30 aktiv.

5

SR ...; AS ... (BBl 2002 2566)

2574

Interkantonale Rahmenvereinbarung

Art. 6

Innerkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich

1

Die Kantone verpflichten sich, die Grundsätze der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich sinngemäss auch im innerkantonalen Verhältnis zu beachten.

2

Alle vier Jahre erstatten die Kantone der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) Bericht über den aktuellen Stand der Anwendung der Grundsätze der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich im innerkantonalen Verhältnis. Die KdK veröffentlicht darüber einen Rechenschaftsbericht.

Art. 7

Stellung der kantonalen Parlamente

1

Die Kantonsregierungen sind verpflichtet, die kantonalen Parlamente rechtzeitig und umfassend über bestehende oder beabsichtigte Vereinbarungen im Bereich der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich zu informieren.

2

Im Übrigen bleibt es dem kantonalen Recht vorbehalten, die Mitwirkungsrechte der Parlamente im Bereich der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich zu regeln.

B. Grundlagen für die Ermittlung der Abgeltungen Art. 8

Einführung von Kosten- und Leistungsrechnungen

1

Als Grundlage für die Ermittlung der Abgeltungen erarbeiten die Kantone transparente und nachvollziehbare Kosten- und Leistungsrechnungen.

2

Die an einem Vertrag beteiligten Kantone erarbeiten zusammen die Anforderungen an die Kosten- und Leistungsrechnungen.

Art. 9

Kosten- und Nutzenbilanz

1

Vor Aufnahme von Verhandlungen legen die Verhandlungspartner dar, von welchen Leistungen und Vorteilen sie profitieren und mit welchen nachteiligen Wirkungen sie belastet werden. Die Leistungserbringer weisen die anfallenden Kosten nach.

2

Kantone, die von den Leistungen anderer Kantone massgeblich profitieren, sind verpflichtet, die nötigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

C. Grundsätze für die Abgeltungen Art. 10

Abgeltung von Leistungsbezügen aus anderen Kantonen

1

Leistungen mit erheblichen Kosten, für die ausserkantonale Nutzniesser nicht aufkommen, werden durch Ausgleichszahlungen der Kantone abgegolten.

2

Die Abgeltung für die Beanspruchung von Leistungen erfolgt in der Regel leistungs- und ergebnisorientiert.

2575

Interkantonale Rahmenvereinbarung

3

Die Festlegung der Abgeltung und der sonstigen Vertragsinhalte ist grundsätzlich Sache der Vertragsparteien. Sind die Leistungserbringer Gemeinden, ist diesen ein Anhörungs- und Mitspracherecht einzuräumen.

Art. 11

Kriterien für die Kostenbeteiligung

1

Ausgangslage für die Bestimmung der finanziellen Beteiligungen stellen die durchschnittlichen Vollkosten (Betriebs- und Infrastrukturausgaben) dar.

2 Die Kostenbeteiligung richtet sich nach der effektiven Beanspruchung der Leistungen.

3

Weitere Kriterien bei der Festlegung der Abgeltung sind: a.

eingeräumte oder beanspruchte Mitspracherechte;

b.

der gewährte Zugang zum Leistungsangebot;

c.

ein erheblicher Standortvorteil oder ein bedeutender Wanderungsgewinn bei Studienabsolventen für den Anbieterkanton;

d.

ein erheblicher Standortnachteil für den Anbieterkanton;

e.

Transparenz des Kostennachweises;

f.

Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung.

Art. 12

Abgeltung der effektiven Leistungserbringer

1

Die Kantone verpflichten sich, die Abgeltungen den tatsächlichen Leistungserbringern, so weit sie die Kosten tragen, zukommen zu lassen.

2 In einem interkantonalen Vertrag kann vorgesehen werden, dass Gemeinden oder die von ihnen getragenen Organisationen einen direkten Anspruch auf die Abgeltung haben.

D. Gemeinsame Organisationen und Einrichtungen Art. 13

Mitsprache der Trägerkantone

1

Die Trägerkantone haben in der Trägerschaft grundsätzlich ein paritätisches Mitspracherecht. Dieses kann ausnahmsweise nach der finanziellen Beteiligung gewichtet werden.

2 Das Mitspracherecht ist umfassend und erstreckt sich auf alle Bereiche der Leistungserstellung.

Art. 14

Gleichberechtigter Zugang

Einwohnerinnen und Einwohnern der Trägerkantone wird der gleichberechtigte Zugang zu den Leistungen gewährleistet.

2576

Interkantonale Rahmenvereinbarung

Art. 15

Aufsicht

1

Die Trägerkantone stellen eine wirksame Aufsicht über die Führung und Verwaltung der gemeinsamen Organisationen und Einrichtungen sicher.

2

Sie übertragen die Aufsichtsfunktionen geeigneten bestehenden Organen oder schaffen dazu neue Organe. Allen Trägerkantonen ist die Einsitznahme in die Organe zu ermöglichen.

Art. 16

Geschäftsprüfung

1

Bei gemeinsamen Trägerschaften werden interparlamentarische Geschäftsprüfungskommissionen eingesetzt.

2 Die Sitzzuteilung richtet sich nach dem Finanzierungsschlüssel. Jedem Kanton ist eine Mindestvertretung einzuräumen.

3

Die interparlamentarische Geschäftsprüfungskommission wird rechtzeitig und umfassend über die Arbeit der gemeinsamen Trägerschaft informiert.

4

Interparlamentarische Geschäftsprüfungskommissionen können den beteiligten Kantonen Änderungen des Vertrages beantragen. Sie haben im Rahmen der Erarbeitung eines Leistungsauftrages und Globalbudgets angemessene Mitwirkungsrechte. Einzelheiten regeln die entsprechenden Verträge in den jeweiligen Sachbereichen.

Art. 17 1

Eintritt

Das Eintrittsverfahren ist in den interkantonalen Verträgen zu regeln.

2

Neue Mitglieder der gemeinsamen Trägerschaft bezahlen eine Einkaufssumme, welche den durch die bisherigen Mitglieder getätigten Investitionen anteilsmässig entspricht.

3

Die bisherigen Mitglieder haben im Umfang der von ihnen getätigten Investitionen einen Anspruch auf die Einkaufssumme.

Art. 18 1

Austritt

Das Austrittsverfahren ist in den interkantonalen Verträgen zu regeln.

2

Austretende Mitglieder einer gemeinsamen Einrichtung haben nach Massgabe ihrer Beteiligung an Investitionen, die während ihrer Mitgliedschaft getätigt wurden, Anspruch auf eine Entschädigung, die sich nach dem aktuellen Wert dieser Investition richtet.

3

Austretende Mitglieder haften für Verbindlichkeiten der gemeinsamen Einrichtung, die während der Dauer ihrer Mitgliedschaft entstanden sind.

Art. 19

Auflösung und Liquidation

Ein allfälliger Auflösungs- und Liquidationserlös ist anteilmässig auf die Vertragsparteien zu verteilen.

2577

Interkantonale Rahmenvereinbarung

Art. 20

Haftung der beteiligten Kantone

1

Die beteiligten Kantone haften für die gemeinsamen Organisationen und Einrichtungen subsidiär entsprechend ihren Anteilen.

2 Für die Personen, die in interkantonalen Organen Einsitz haben, haften die jeweiligen Kantone.

3

Im Übrigen gilt das innerkantonale Verantwortlichkeitsrecht.

Art. 21

Information

Die beteiligten Kantone sind über die Tätigkeiten der gemeinsamen Organisationen und Einrichtungen rechtzeitig und umfassend zu informieren.

E. Leistungskauf 1. Abschnitt: Mittels Ausgleichszahlungen Art. 22

Mitsprache der Leistungskäufer

Den Vereinbarungskantonen wird in der Regel mindestens ein partielles Mitspracherecht gewährt.

Art. 23

Zugang zu den Leistungen

1

Den Einwohnerinnen und Einwohnern der Vertragskantone wird grundsätzlich der gleichberechtigte Zugang zu den Leistungen gewährleistet.

2 Bei Zulassungsbeschränkungen werden Nachfragerinnen und Nachfrager aus Vertragskantonen den Nachfragerinnen und Nachfragern aus Nichtvertragskantonen vorgezogen.

3 Bei Zulassungsbeschränkungen werden Nachfragerinnen und Nachfrager aus Mitträgerkantonen den Nachfragerinnen und Nachfragern aus Kantonen, welche Leistungskäufer sind, vorgezogen.

2. Abschnitt: Mittels Tausch Art. 24

Gleichberechtigter Zugang

Für die von den Kantonen vereinbarten Kapazitäten wird den Einwohnerinnen und Einwohnern der betroffenen Kantone grundsätzlich der gleichberechtigte Zugang gewährt.

Art. 25

Informationsaustausch

Die beteiligten Kantone sind vom leistungserbringenden Kanton periodisch über die erbrachten Leistungen zu informieren.

2578

Interkantonale Rahmenvereinbarung

F. Streitbeilegung Art. 26

Verhältnis des interkantonalen Streitbeilegungsverfahrens zur Klage beim Bundesgericht

1

Die Kantone verpflichten sich, bei allen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich vor Erhebung einer Klage gemäss Artikel 106 Absatz 1 Buchstabe b des Bundesgerichtsgesetzes vom ...6 am nachstehend beschriebenen Schlichtungsverfahren teilzunehmen.

2

Sie verpflichten sich, die Unterlagen des Schlichtungsverfahrens zu den Gerichtsakten zu geben.

Art. 27

Schlichtungsverfahren

1

Die Kantone bemühen sich, Streitigkeiten aus bestehenden oder beabsichtigten interkantonalen Verträgen durch Verhandlung oder Vermittlung beizulegen.

2

Das Schlichtungsverfahren ist zweistufig. Es besteht aus einem informellen Vorverfahren vor dem Präsidium der KdK und einem förmlichen Vermittlungsverfahren vor der IVK.

3

Jeder Kanton kann zu diesem Zweck beim Präsidium der KdK mit schriftlichem Vermittlungsgesuch das Schlichtungsverfahren einleiten.

Art. 28

Vorverfahren

1

Nach Eingang des Vermittlungsgesuchs lädt der Präsident oder die Präsidentin der KdK oder eine andere von ihm oder ihr bezeichnete Persönlichkeit Vertretungen der beteiligten Kantone zu einer Aussprache ein.

2

Im Einvernehmen mit den Beteiligten kann eine auf dem Gebiet der Mediation besonders befähigte Person beigezogen werden.

3

Führt die Aussprache oder das daran anschliessende informelle Vermittlungsverfahren nicht innert sechs Monaten zu einer Einigung, so leitet der oder die Vorsitzende das förmliche Vermittlungsverfahren vor der IVK ein.

Art. 29

Förmliches Vermittlungsverfahren

1

Sobald das Sekretariat der IVK Kenntnis vom Scheitern des Vorverfahrens erhält, gibt es den Parteien Kenntnis von der Eröffnung des förmlichen Vermittlungsverfahrens. Gleichzeitig lädt es die Mitglieder der IVK ein, gemeinsam eine Persönlichkeit als Vorsitzenden oder Vorsitzende für das hängige Vermittlungsverfahren zu bezeichnen. Wird diese Person von einer Partei abgelehnt oder können sich die Mitglieder nicht innert Monatsfrist auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen, so wird der oder die Vorsitzende von der Präsidentin oder vom Präsidenten des Schweizerischen Bundesgerichts ernannt.

6

SR ...; AS ... (BBl 2001 4202)

2579

Interkantonale Rahmenvereinbarung

2 Die Parteien sind befugt, ihre abweichenden Standpunkte zuhanden der IVK schriftlich festzuhalten und zu dokumentieren, und sie erhalten Gelegenheit, sich mündlich vor der IVK zu äussern. Über die Verhandlung ist ein Protokoll zu führen.

3 Die Eröffnung des Vermittlungsverfahrens ist unter Angabe des Streitgegenstandes der Bundeskanzlei anzuzeigen. Werden durch die Streitigkeit Interessen des Bundes berührt, so kann der Bundesrat eine Person bezeichnen, die als Beobachterin des Bundes am Vermittlungsverfahren teilnimmt.

4

Eine allfällige Einigung wird von der IVK zuhanden der Beteiligten in einer Urkunde festgehalten.

5 Die Kantone verpflichten sich, die Klage beim Schweizerischen Bundesgericht innert sechs Monaten nach förmlicher Eröffnung eines allfälligen Scheiterns des Vermittlungsverfahrens zu erheben.

Art. 30

Interkantonale Vertragskommission

1

Die IVK besteht aus sechs Mitgliedern, welche von der KdK auf eine Amtszeit von vier Jahren gewählt werden. Bei der Wahl ist auf eine angemessene Vertretung der Amtssprachen Rücksicht zu nehmen.

2 Die IVK kann gültig verhandeln, wenn mindestens vier Mitglieder und der oder die für jeden Vermittlungsfall besonders ernannte Vorsitzende mitwirken.

3

Sie verfügt über ein eigenes Sekretariat.

4

Sie gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Genehmigung durch die KdK bedarf.

G. Schlussbestimmungen Art. 31

Beitritt

Der Beitritt zur interkantonalen Rahmenvereinbarung wird mit der Mitteilung an die interkantonale Vertragskommission wirksam.

Art. 32

Inkrafttreten

Die Rahmenvereinbarung tritt in Kraft, wenn 18 Kantone der Rahmenvereinbarung beigetreten sind, frühestens jedoch auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes über den neuen Finanzausgleich.

Art. 33 1

Geltungsdauer

Die Geltung der Rahmenvereinbarung ist auf 25 Jahre ab Inkrafttreten befristet.

2

Wird die Rahmenvereinbarung von keiner Partei nach Artikel 34 gekündigt, verlängert sich die Geltungsdauer der Rahmenvereinbarung um weitere 10 Jahre.

2580

Interkantonale Rahmenvereinbarung

Art. 34 1

Kündigung der Rahmenvereinbarung

Die Rahmenvereinbarung kann gekündigt werden: a.

auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer unter Einhaltung einer Frist von einem Jahr;

b.

jeweils auf den 31. Dezember unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren, erstmals auf den 31. Dezember (...).

2

Eine Kündigung kann frühestens 5 Jahre nach erfolgtem Beitritt eingereicht werden.

Art. 35

Revision der Rahmenvereinbarung

Auf Antrag von drei Kantonen leitet die interkantonale Vertragskommission die Revision der Rahmenvereinbarung ein. Sie tritt unter den Voraussetzungen von Artikel 32 in Kraft.

11714

2581