# S T #

93.047

Botschaft betreffend das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) sowie die Vergleichs- und Schiedsverträge mit Polen und Ungarn vom 19. Mai 1993

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, mit dem Antrag auf Zustimmung unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), sowie die Vergleichs- und Schiedsverträge mit Polen und Ungarn.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Mai 1993

1993-367

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ogi Der Bundeskanzler: Couchepin

47 Bundesblatt 145.Jahrgang. Bd. II

1153

Übersicht Nach annähernd zwei Jahrzehnte dauernden Bemühungen ist es der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) dank der neuen politischen Lage in Europa gelungen, mittels eines am 15. Dezember 1992 abgeschlossenen Übereinkommens einen europäischen Mechanismus für die friedliche Beilegung von Streitigkeiten auszuarbeiten. Dieser Mechanismus, der nur für Vertragsparteien rechtliche Verpflichtungen schafft, soll die auf bilateraler und multilateraler Ebene bestehenden Streitbeilegungsmittel ergänzen. Von Interesse ist in erster Linie das vorgesehene allgemeine Vergleichsverfahren, dem sich keine Vertragspartei entziehen kann. Daneben führt das Übereinkommen ein - allerdings freiwilliges - Schiedsverfahren ein, dessen Einleitung das Einverständnis der Streitparteien voraussetzt; dieses kann ad hoc für einen konkreten Streitfall oder im voraus für künftige, noch unbestimmte Streitigkeiten gegeben werden. Die beiden Verfahren finden im Rahmen eines europäischen «Vergleichs- und Schiedsgerichtshofs» statt, der aus einer Reihe möglicher Schlichter und Schiedsrichter besteht, die von den Vertragsparteien ernannt und auf zwei getrennte Listen gesetzt werden. Vergleichs- oder Schiedsorgane werden beim Auftreten eines Streitfalles jeweils ad hoc bestellt. Ein Teil ihrer Mitglieder wird vom Präsidium des Gerichtshofes ernannt. Dieses besteht aus fünf Personen; zusammen mit einer kleinen Kanzlei bildet das Präsidium die einzige ständige Institution des neuen Systems. Die für den Gerichtshof anfallenden Kosten werden auf die Vertragsparteien des Übereinkommens aufgeteilt. Als Sitzstaat ist die Schweiz überdies verpflichtet, dem Gerichtshof Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.

Der am 20. Januar 1993 mit Polen abgeschlossene Vergleichs- und Schiedsvertrag ermöglicht es einer Vertragspartei, jede auf dem Verhandlungsweg nicht beigelegte Streitigkeit einer ad hoc zu bestellenden, gemischten und aus drei Mitgliedern bestehenden Vergleichskommission zu unterbreiten. Sollte das Vergleichsverfahren scheitern, kann der Streitfall anschliessend von jeder Partei einem ebenfalls ad hoc zu bestimmenden, aus drei Personen zusammengesetzten Schiedsgericht vorgelegt werden, dessen Spruch rechtlich bindend und endgültig ist. Somit können alle Streitigkeiten zwischen den beiden Staaten einer zwingenden
Lösung zugeführt werden.

Der am 17. Dezember 1992 mit Ungarn abgeschlossene Schieds- und Vergleichsvertrag entspricht in institutioneller Hinsicht dem Vertrag mit Polen. Er unterscheidet sich von letzterem dadurch, dass nur rechtliche Streitfälle einem Schiedsgericht vorgelegt werden können, wobei diese nicht vorgängig einem Vergleichsverfahren zu unterwerfen sind, umgekehrt können nicht-rechtliche, d. h. politische Streitigkeiten einseitig einem solchen Verfahren zugeführt werden.

Die in den zwei neuen bilateralen Verträgen mit Polen und Ungarn vorgesehenen Mittel der Streitbeilegung schaffen rechtlich noch einschneidendere Verpflichtungen als die im KSZE- Übereinkommen festgelegten Verfahren. Deshalb sollte die Schweiz im Rahmen des KSZE-Übereinkommens einen Vorbehalt abgeben des Inhalts, dass die obligatorische Vergleichs- und Schiedsverfahren schaffenden zweiseitigen Verträge der Schweiz den im Übereinkommen festgelegten Verfahren vorgehen.

1154

Botschaft I II

Die Politik der Schweiz im Bereich der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten Allgemeines

Die Schweiz ist stets für Methoden der friedlichen Streitbeilegung eingetreten, die den Beizug einer Drittpartei vorsehen; es handelt sich dabei um eine Konstante der schweizerischen Aussenpolitik. Man muss davon ausgehen, dass solche Verfahren das Gewaltverbot ergänzen und erweitern, welches teilweise in der Völkerbundssatzung vorgesehen war und in Artikel 2 Absatz 4 der Charta der Vereinten Nationen ausgebildet worden ist. Wenn die Anwendung von Gewalt zur Regelung von Konflikten verboten ist, scheint es in der Tat unabdingbar, den Staaten Mechanismen zu ihrer friedlichen Beilegung unter Beizug von Drittpersonen zur Verfügung zu stellen. Es liegt auf der Hand, dass die Schweiz an solchen Verfahren ein grosses Interesse hat: Vor einer Drittinstanz werden nämlich kleine und mittelgrosse Staaten gleich behandelt wie mächtigere Gegenparteien.

12

Multilaterale Regelungen

Seit dem Beginn dieses Jahrhunderts setzt sich die Schweiz für den Abschluss von multilateralen Abkommen zur friedlichen Streitbeilegung auf weltweiter oder auf regionaler Ebene ein. In den Jahren 1900 und 1910 ratifizierte sie die Haager Konventionen von 1899 und 1907 für die friedliche Beilegung internationaler Konflikte (SR 0.193.211 und 0.193.212). Im Jahre 1919 trat sie dem Statut des Ständigen Internationalen Gerichtshofs bei, dessen obligatorische Gerichtsbarkeit sie seit 1920 in einer einseitigen und vorbehaltlosen Erklärung anerkannt hat (BS 7927 788). Im Jahre 1948 hat die Schweiz diese Erklärung im Rahmen des Statuts des Internationalen Gerichtshofs im Haag bekräftigt (SR 0.193.501). Diese von unserem Land auf weltweiter Ebene eingegangenen Verpflichtungen haben indessen eine bescheidene Tragweite, gibt es doch heute noch keine allgemeine Obereinkunft, die den einseitigen Rückgriff auf Streitbeilegungsmittel unter Beizug einer Drittinstanz ermöglichen würde.

Auf europäischer Ebene kannte man bis vor kurzem überhaupt kein multilaterales Abkommen zur friedlichen Streitregelung. Dem am 29. April 1957 im Rahmen des Europarats abgeschlossenen Übereinkommen zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten kommt nur untergeordnete Bedeutung, da es die verschiedensten Vorbehalte zulässt und nur von 13 Staaten ratifiziert wurde".

Im Rahmen der KSZE warf die Schweiz 1973 die Idee eines gesamteuropäischen Systems der friedlichen Streitbeilegung auf, indem sie einen Entwurf zu einem

" Belgien, Dänemark, Deutschland, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz, Vereinigtes Königreich.

1155

Übereinkommen in dieser Sache vorlegte. Dieser bald «Bindschedler-Entwurf» 2 ' genannte Vorschlag hätte es jedem in einen Streitfall verwickelten KSZE-Teilnehmerstaat ermöglicht, diesen einer KSZE-Vergleichskommission zu unterbreiten, sollte er politischer Natur sein, oder ihn - sollte es sich um eine rechtliche Streitigkeit handeln - einem KSZE-Schiedsgericht vorzulegen. Der als zu weitgehend beurteilte schweizerische Vorschlag wurde nicht weiterverfolgt. Er wurde jedoch in der Schlussakte von Helsinki vom 1. August 1975 (BB1 1975-11 924) erwähnt, und der Grundsatz der-friedlichen Beilegung von Streitigkeiten wurde in den «Dekalog» von Helsinki aufgenommen (BB1 7975 II 929).

Mit Unterstützung der westlichen Staaten sowie der Gruppe der Neutralen und Nicht-Blockgebundenen 3) kam die Schweiz an den KSZE-Expertentreffen für friedliche Streitbeilegung von Montreux (1978) und Athen (1984) auf ihr Anliegen zurück. Die Vorschläge, welche sie anlässlich dieser Treffen unterbreitete, gingen zwar auf dem Gebiet der Schiedsgerichtsbarkeit weniger weit als der Bindschedler-Entwurf, enthielten aber nach wie vor ein einseitig auslösbares Vergleichsverfahren für alle Streitigkeiten, die nicht auf dem Verhandlungswege beigelegt werden konnten. Diese Entwürfe und ähnliche westliche Vorschläge scheiterten am Widerstand der Sowjetunion und ihrer Verbündeten. Diese nahmen Anstoss am Beizug einer Drittinstanz; nur der Verhandlungsweg war für diese Staatengruppe annehmbar.

Mit den seit Mitte der achtziger Jahre in den Ländern Mittel1 und Osteuropas eingetretenen Umwälzungen änderte sich die Haltung dieser Staaten gegenüber der friedlichen Streitbeilegung tiefgreifend 4 '. Dies ermöglichte es der KSZE, sich an ihrem Wiener Folgetreffen .(l986-1989) grundsätzlich für den Beizug einer Drittpartei zur Regelung von auf dem Verhandlungswege bislang ungelösten Konflikten auszusprechen. Gleichzeitig berief sie anfangs 1991 nach La Valletta (Malta) ein Expertentreffen ein mit dem Auftrag, «eine allgemein annehmbare Methode zur friedlichen Regelung von Streitfällen zu prüfen und auszuarbeiten, um bestehende Methoden zu ergänzen» 5 '.

Anlässlich dieses vom 15. Januar bis zum S.Februar 1991 dauernden Treffens legte die Schweiz einen von sieben Miteinbringern 6 ' unterstützten Vorschlag vor, der ein umfassendes, einseitig anrufbares Vergleichsverfahren sowie für

2

> KSZE Dokument II/B/1,18. September 1973, Europa-Archiv, 31. Jahrgang, 1976, S. D 38.

Professor R. L. Bindschedler war damals der Rechtsberater des Eidgenössischen Politischen Departements.

31 Diese Gruppe umfasste Finnland* Jugoslawien, Malta, Österreich, Schweden, die Schweiz und Zypern. Später kamen Liechtenstein und San Marino dazu.

J) Vgl. dazu W. Góralczyk, «Changihg Attitudes of Central and Eastern European States towards thé Judicial Seulement of International Disputes», in: Académie de droit international de La Haye, Le règlement pacifique des différends internationaux, en Europe. Perspectives d'avenir. Köln 1990, Dordrecht 1991, S. 447-496.

') BEI 1989 II 425.

61 KSZE Dokument/PSDV/1 vom 15. Januar 1991, Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht, Bd. l, 1991, S. 563. Bei den Miteinbringern handelte es sich um Jugoslawien, Liechtenstein, Österreich, Polen, San Marino, die Tschechoslowakei und Zypern.

1156

bestimmte Streitigkeiten rechtlicher Natur 7 * ein zwingendes Schiedsverfahren vorsah. Dieser Vorschlag stiess namentlich auf den Widerstand der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs. Den in La Valletta versammelten Experten gelang es immerhin, ein Dokument zu erarbeiten, das gewisse allgemeine Grundsätze festhielt und einen «Verfahren von La Valletta» 8 ' benannten Mechanismus begründete.

Dieser Mechanismus, der gute Dienste mit Elementen der Vermittlung und des Vergleichsverfahrens verbindet, geht auf amerikanische, deutsche und italienische Vorstellungen zurück. Er zielt im wesentlichen darauf ab, die in einen Streitfall verwickelten Staaten zu ermutigen, diesen mit Mitteln ihrer Wahl beizulegen.

Wenn eine Streitigkeit auftritt, kann jede Partei die Einsetzung eines «KSZEMechanismus» genannten ad /îoe-Organs verlangen. Die das Verfahren anrufende Partei bezeichnet einen oder mehrere Schlichter aus einer Liste von Personen, die von den KSZE-Teilnehmerstaaten vorgeschlagen werden. Ein kompliziertes Ernennungs- und Ablehnungsverfahren eröffnet der Gegenpartei gewisse Obstruktionsmöglichkeiten. Wenn der KSZE-Mechanismus eingesetzt worden ist, kann er den Streitparteien «allgemeine oder spezifische Hinweise und Ratschläge» - nicht aber Empfehlungen - über Mittel anbieten, die sie zur Beilegung der Streitigkeit verwenden könnten. Falls die Parteien sich nicht über den Gebrauch solcher Mittel verständigen, kann der Mechanismus - ohne dazu verpflichtet zu sein - in einer zweiten Phase «Hinweise oder Ratschläge» hinsichtlich der Substanz des Streitfalles erteilen. Dagegen ist es nicht befugt, den Parteien einen mit Empfehlungen versehenen Bericht zu unterbreiten, wie es eine Vergleichskommission tun könnte. M. a. W.: Die Tätigkeit des KSZE-Mechanismus führt nicht zwangsläufig zu einem Lösungsvorschlag.

Überdies kennt das Verfahren von La Valletta Ausnahmeklauseln, die seine Tragweite wesentlich einschränken. Ein vor einen KSZE-Mechanismus gezogener Staat,kann namentlich behaupten, dass der Streitfall Fragen seiner territorialen Integrität (einschliesslich seiner Grenzen), seiner Hoheitsansprüche auf Landgebiete, seiner Landesverteidigung oder der Abgrenzung von See- oder Lufträumen berührt. Eine solche Behauptung genügt, um das eingeleitete Verfahren zu verhindern oder zu
lahmen. Erschwerend wirkt weiterhin die politische Natur des Valletta-Dokuments. Die darin enthaltenen Verpflichtungen sind rechtlich nicht bindend. Ein Staat kann sich also dem insgesamt doch sehr bescheidenen KSZEVerfahren auch unter dem Vorwand entziehen, dass er rechtlich nicht verpflichtet sei, sich ihm zu unterwerfen.

Aus all diesen Gründen überrascht es nicht, dass das Valletta-Verfahren bisher noch nie angerufen worden ist. Das angestrebte Ziel - die Schaffung einer wirksa-

Es ging um Streitigkeiten in folgenden Bereichen: diplomatische und konsularische Beziehungen; Schiffahrt auf internationalen Gewässern und andere Nutzungen der letzteren; Kommunikationen und Transporte; Schutz öffentlicher und privater Investitionen im Ausland; Auslegung und Anwendung von Verträgen des humanitären Kriegsvölkerrechts; zivil- und strafrechtliche Rechtshilfeverträge; Verträge über Umweltschutz, Terrorismus und Drogenhandel.

Der Wortlaut dieses Dokuments wurde von der Regierung Maltas 1991 in den sechs offiziellen KSZE-Sprachen veröffentlicht.

:

1157

men, einseitig auslösbaren und auf möglichst viele Streitfälle zwischen europäischen Staaten anwendbaren Methode - ist demnach nicht erreicht worden.

13

Bilaterale Verträge

Das Fehlen mehrseitiger Abkommen mit regionaler oder weltweiter Geltung hat dazu geführt, dass zahlreiche Staaten vor allem in der Zwischenkriegszeit bilaterale Vergleichs- und Schiedsverträge abgeschlossen haben. Die Schweiz hat sich durch 23 solche Abkommen verpflichtet, von denen 22 immer noch in Kraft sind.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind nur wenige Verträge dieser Art zustandegekommen. Die weltweite politische Polarisierung sowie der Nord-SüdGegensatz standen der diplomatischen oder gerichtlichen Regelung von Konflikten im Weg. Aufgrund-ihrer besonderen Lage gelang es der Schweiz jedoch, im Verlauf der sechziger Jahre eine neue Reihe von acht Verträgen abzuschliessen, mehrheitlich mit Entwicklungsländern 9 *.

Obschon die von der Schweiz in der Zwischenkriegszeit eingegangenen vertraglichen Bindungen keinesweges einheitlich sind, weisen sie Gemeinsamkeiten auf.

Sie begründen in der Regel ein einseitig anrufbares Vergleichsverfahren vor einem ständigen, aus drei oder fünf Mitgliedern bestehenden gemischten Organ.

Sie unterscheiden üblicherweise rechtliche von politischen Streitigkeiten; indes können manchmal beide Arten von Streitfällen einer gerichtlichen Regelung zugeführt werden. Schliesslich geben sie dem Willen der Vertragsparteien Ausdruck, möglichst wirkungsvolle Verfahren zu schaffen. Trotzdem entsprechen die erwähnten Verträge den neuen Anforderungen in mehrfacher Beziehung nicht mehr. Namentlich die Bildung von ständigen gemischten Vergleichskommissionen ist eine überholte Methode, wie es die Tatsache bezeugt, dass gegenwärtig keines der in über zwanzig von der Schweiz abgeschlossenen Verträgen vorgesehenen ständigen Organe bestellt ist.

Die acht in den sechziger Jahren entstandenen Übereinkommen schaffen hier keine Abhilfe. Die'Mehrzahl dieser Texte legen fest, dass jede nicht auf dem Verhandlungsweg lösbare Streitsache einseitig vor eine ständige gemischte Vergleichskommission gebracht werden kann. Indes ist zur Zeit auch im Rahmen dieser Verträge keines dieser Organe bestellt. Sollte ein : Vergleichsverfahren ergebnislos verlaufen, kann sich jede Partei an den Internationalen Gerichtshof im Haag wenden, wenn es sich um einen rechtlichen Streit handelt, oder an ein ad hoc zu schaffendes Schiedsgericht, wenn die Streitigkeit politischer Natur,ist. In diesem Falle wird
das Schiedsgericht ex aequo et bono (nach Billigkeitserwägungen) entscheiden und allgemeine Rechtsgrundsätze sowie die «gerechten Interessen» der Parteien gebührend berücksichtigen.

Der vorstehende kurze Überblick zeigt, dass die Schweiz auf bilateraler Ebene ein beachtliches Netz Von Übereinkommen zur friedlichen Beilegung von S.treitig-

"> Es handelt sich um Verträge mit Costa Rico, der Elfenbeinküste, Israel, Kamerun, Liberia, Madagaskar, Niger und dem Vereinigten Königreich. Die Namen von Entwicklungsländern sind kursiv gedruckt.

1158

keilen knüpfen konnte. Dieses Netz sollte indes engmaschiger gestaltet und in einzelnen Aspekten auf den neuesten Stand gebracht werden.

Die bilateralen Texte, von denen hier die Rede ist, umfassen die Verträge, die vor dem Zweiten Weltkrieg mit den Staaten Mittel- und Osteuropas abgeschlossen wurden: die Abkommen mit Ungarn (18. Juni 1924, SR 0.193.414.18), Polen (7. März 1925, BS II, 331), Rumänien (3. Febr. 1926, SR 0.193.416.63) und der Tschechoslowakei (20. Sept. 1929, SR 0.193.417.41). Das Übereinkommen mit Polen wurde am 29. September 1952 auf den 10. Juli 1953 von der Warschauer Regierung gekündigt (AS 1953 100), während die drei anderen Texte formell in Kraft geblieben sind. Die politische Wende im Osten und der grundlegende Gesinnungswandel der Staaten dieser Region gegenüber der friedlichen Streitbeilegung machen heute die Aushandlung neuer Verträge möglich. Die ersten Früchte einer schweizerischen Initiative auf diesem Gebiet sind die von der Schweiz mit Polen und Ungarn abgeschlossenen Vergleichs- und Schiedsverträge (vgl. Ziff. 3 und 4).

2 21 211

Das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE Entstehung Das KSZE-Folgetreffen in Helsinki 1992

Angesichts der Mängel des Valletta-Verfahrens (vgl. Ziff. 12) und des zunehmenden Bedarfs nach einem genügend wirksamen System der friedlichen Streitbeilegung im gesamteuropäischen Rahmen unterbreiteten Frankreich und Deutschland dem Vierten Folgetreffen der KSZE in Helsinki (24. März bis 10. Juli 1992) einen Entwurf für eine multilaterale Vergleichs- und Schiedskonvention. Dieser von 15 Staaten unterstützte Entwurf, an dessen Ausarbeitung die Schweiz aktiv teilgenommen hatte, wurde von den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und der Türkei kühl aufgenommen; auch die Begeisterung der Niederlande, Portugals und der skandinavischen Staaten hielt sich in Grenzen. Die Hauptzüge des Vorschlages - Schaffung eines Europäischen «Vergleichs- und Schiedsgerichtshofs», obligatorisches Vergleichsverfahren und freiwilliger Schiedsmechanismus, die Tatsache, dass es nicht mehr, wie in La Valletta, um die Annahme eines lediglich politischen Dokuments ging, sondern um die Schaffung eines Übereinkommens, das für die Vertragsparteien Rechte und Pflichten begründet - stiessen auf scharfe Kritik.

Diese Kritik bewog das Vereinigte Königreich, einen Gegenvorschlag in Form eines politischen Dokuments einzureichen, der ebenfalls ein Vergleichsverfahren vorsah. Der britische Text enthielt im Gegensatz zum Valletta-Verfahren einen echten Vergleichsmechanismus. Letzterer war indes freiwilliger Natur: Er sollte nur mit dem Einverständnis der Streitparteien auslösbar sein, sei es kraft einer ad hoc getroffenen Vereinbarung, sei es aufgrund von im voraus abgegebenen und übereinstimmenden einseitigen Erklärungen aller Parteien, die den in Frage stehenden Streitfall abdecken. Der britische Vorschlag blieb also in einem wesentlichen Punkt hinter dem Valletta-Dokument zurück, das zumindest im Grundsatz ein obligatorisches Verfahren einführen wollte.

1159

Die Vereinigten Staaten forderten ein «Vergleichsverfahren auf Anordnung».

Die politischen Organe der KSZE - der Rat der Aussenminister (KSZE-Rat) und der Ausschuss der Hohen Beamten (AHB) - würden ermächtigt, in einen Streitfall verwickelte KSZE-Staaten auf ein Vergleichsverfahren zu verpflichten, selbst wenn sich diese auf das Gegenteil geeinigt haben sollten. Dies stellte eine eigentliche Neuerung dar: Das Vergleichsverfahren auf Anordnung sollte die europäischen Streitbeilegungsmechanismen mit einem Schuss «kollektiver Sicherheit» anreichern.

Die Arbeiten des Vierten Folgetreffens führten zu einem Kompromiss, der in den Absätzen 57 bis 62 von Kapitel III der am 10. Juli 1992 von den Staats- oder Regierungschefs der KSZE-Staaten in Helsinki gefassten Beschlüsse wiedergegeben ist. Darin wurde festgehalten, dass vom 12. bis zum 23. Oktober 1992 (möglicherweise mit einer Verlängerumg um zwei Wochen im Monat November) in Genf ein Sondertreffen zum Thema der friedlichen Streitbeilegung stattfinden würde: Dieses Treffen sollte dazu dienen, die Beratungen über alle in Helsinki vorgelegten Vorschläge - den französisch-deutschen Konventionsentwurf, die britischen und amerikanischen Texte - sowie «andere Mittel» zu prüfen und «einen umfassenden und zusammenhängenden Satz von Massnahmen auszuhandeln». Die Ergebnisse des Genfer Treffens sollten anlässlich der am 14./I5. Dezember 1992 in Stockholm vorgesehenen Tagung dem KSZE-Rat zur Billigung vorgelegt werden.

Dieser Kompromiss stellte die Einbringer aller Vorschläge zufrieden. Er war dahin auszulegen, dass alle Entwürfe ihre Berechtigung hatten, dass sie von der Substanz her allesamt annehmbar und miteinander vereinbar waren, ja sich gegenseitig ergänzten.

212 212.1

Das Genfer Treffen Allgemeines

Das Genfer Treffen konnte innerhalb der vorgesehenen zwei Wochen am 23. Oktober 1992 zum Abschluss gebracht werden. Dessen Ergebnisse wurden zusammengefasst in einem an den KSZE-Rat zur Genehmigung überwiesenen «Beschlussentwurf», der vier Beilagen enthielt: 1. ein auf einem gemeinsamen Vorschlag der Schweiz und der Vereinigten Staaten fussender Text, der das Verfahren von La Valletta durch eine Vereinfachung des Bestellungsverfahrens für den KSZE-Mechanismus verbessert; 2. ein politisches Dokument, das auf der Grundlage des britischen Vorschlages (vgl. Ziff. 211) ein fakultatives Vergleichsverfahren einführt; 3. ein weiteres politisches Dokument, welches das von den Vereinigten Staaten vorgeschlagene Vergleichsverfahren auf Anordnung vorsieht; 4. das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE, wie es aus dem französisch-deutschen Vorschlag hervorging. Hier steht nur der letzterwähnte Text zur Debatte, wobei jedoch zu prüfen wäre, ob und in welchem Mass die vier Beilagen miteinander vereinbar sind bzw. sich gegenseitig ergänzen.

1160

212.2

Das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

Bei der Festlegung des Mandats für das Genfer Treffen hatten die Staats- oder Regierungschefs der KSZE im Sommer 1992 in Helsinki die Vorschläge Grpssbritanniens, der Vereinigten Staaten, Frankreichs und Deutschlands im Grundsatz entgegengenommen (siehe Ziff. 211). Dies bedeutete, dass sich die Verfasser der Vorschläge verpflichteten, die von anderen Staaten eingebrachten Texte in ihren grossen Zügen zu respektieren. Dennoch war zu befürchten, dass die Gegner des französisch-deutschen Entwurfs versuchen könnten, diesen zu Fall zu bringen, was durchaus möglich gewesen wäre: Obschon das angestrebte Übereinkommen nur für Vertragsparteien bindend sein sollte, erforderte dessen Text - wegen seiner Ausarbeitung im Rahmen der KSZE-den Konsens aller KSZE-Teilnehmerstaaten. Der Verlauf der Verhandlungen zeigte, dass diese Befürchtung nicht gänzlich aus der Luft gegriffen war.

Der Widerstand gegen den französisch-deutschen Entwurf ging in erster Linie von den Vereinigten Staaten und vom Vereinigten Königreich aus und betraf im wesentlichen zwei Punkte: die Finanzierung des vorgeschlagenen «Vergleichsund Schiedsgerichtshofs» und dessen allfällige Ermächtigung zur Abgabe von Rechtsgutachten. In beiden Punkten war der Widerstand vom Anliegen geleitet, es müsse verhindert werden, dass das Übereinkommen Pflichten für Staaten schaffe, welche ihm nicht beizutreten wünschten.

Das Problem der Finanzierung wird von Artikel 13 des Übereinkommens gelöst, der bestimmt, dass die Kosten des Gerichtshofs von den Vertragsparteien zu tragen sind. Die Verteilung dieser Kosten auf die Vertragsstaaten sollte in einem vom AHB zu genehmigenden Finanzprotokoll geregelt werden, von dem später die Rede sein wird (siehe Ziff. 23).

Die im französisch-deutschen Entwurf ausgedrückte Absicht, einer Abteilung des künftigen Gerichtshofs die Aufgabe zu übertragen, auf Ersuchen des KSZERats Gutachten zu hängigen Rechtsfragen abzugeben, scheiterte an der entschiedenen Ablehnung der Vereinigten Staaten. Diese sahen darin einen Versuch, den Anwendungsbereich des Übereinkommens über den Kreis der Vertragsparteien hinaus auszudehnen.

Während die Vereinigten Staaten ihren Widerstand auf die eben erwähnten zwei Punkte beschränkten, versuchte das Vereinigte Königreich - welches einen späteren Beitritt zum Übereinkommen nicht völlig ausschloss -,
den französisch-deutschen Entwurf seinen Bedürfnissen anzupassen. So war es bestrebt, den Anwendungsbereich der vorgesehenen Vergleichs- und Schiedsverfahren möglichst weit einzuschränken, namentlich durch die Übernahme der im Verfahren von La Valletta vorgesehenen Ausnahmeklauseln: territoriale Integrität, Hoheitsansprüche auf Landgebiete, Landesverteidigung, Abgrenzung von See- oder Lufträumen (vgl. Ziff. 12). Diese Bestrebungen wurden von den Befürwortern des französisch-deutschen Texts - vor allem von denjenigen aus Mittel- und Osteuropa - heftig bekämpft; letztere legten Wert auf ein umfassendes Vergleichsverfahren, das eben auch diejenigen Sachbereiche einschliessen sollte, welche das Vereinigte Königreich ihm zu entziehen suchte. Vor die Wahl gestellt, ein lückenhaftes, indes für Grossbritannien annehmbares System zu schaffen, oder einen griffige1161

ren, vor allem den Bedürfnissen der Staaten Mittel- und Osteuropas besser entsprechenden Mechanismus einzuführen, dem das Vereinigte Königreich hingegen nicht beipflichten konnte, entschied man sich für letztere Option. Das Übereinkommen lässt keine Vorbehalte ausser den im Vertragstext ausdrücklich gestatteten zu (Art. 34).

Nach der Regelung dieser Probleme fand der Übereinkommensentwurf insgesamt Zustimmung. Dessen Text wurde am 23. Oktober 1992 in Genf angenommen. Am 15. Dezember 1992 Jahres wurde er vom KSZE-Rat gebilligt und gleich anschliessend zur Unterzeichnung aufgelegt 10 '. Genf wurde zum Sitz des künftigen Gerichtshofs erkoren. Eine ad /zoc-Arbeitsgruppe des AHB-Finanzausschusses hat unterdessen ein Finanzprotokoll ausgehandelt, das am 28. April 1993 vom AHB gebilligt wurde (vgl. Ziff. 23).

22

Inhalt des Übereinkommens

221

Allgemeines

Der Inhalt des neuen Übereinkommens über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE soll in fünf Abschnitten behandelt werden: l. Anwendungsbereich; 2. institutionelle Aspekte; 3. obligatorisches Vergleichsverfahren; 4.

Schiedsverfahren; 5. allgemeine und Schlussbestimmungen.

222

Anwendungsbereich

Wie im dritten Absatz der Präambel angedeutet, sind die im Übereinkommen vorgesehenen Verfahren subsidiärer Natur gegenüber bestehenden Streitbeilegungsmechanismen und hängigen Verfahren. Artikel 19 führt diesen Gedanken fort.

Er bestimmt, dass eine Vergleichskommission oder eine Schiedsinstanz, die im Rahmen dieses Übereinkommens zur Prüfung eines Falles eingesetzt worden ist, diese Prüfung einzustellen hat, falls ein richterlicher Mechanismus ausserhalb des Übereinkommens anwendbar ist und dieser angerufen worden ist oder bereits entschieden hat; in solchen Fällen läge ein hängiges Verfahren oder ein rechtsgültiger Sachentscheid vor. Von den im Übereinkommen geschaffenen Verfahren sind auch - ebenfalls aufgrund von Artikel 19 - Streitfälle ausgeschlossen, für welche die Parteien vorgängig die ausschliessliche Zuständigkeit eines Rechtsprechungsorgans anerkannt oder die Suche nach einer Regelung ausschliesslich durch Mittel ihrer Wahl vereinbart haben.

Nach Artikel 19 tritt das vorgesehene Vergleichsverfahren auch vor obligatorischen gerichtlichen Verfahren ausserhalb des Übereinkommens zurück, wenn letztere bereits eingeleitet worden sind. Eine in Anwendung des Übereinkom'"' Bisher ist das Übereinkommen von den folgenden 33 Staaten unterzeichnet worden: Albanien, Armenien, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kanada, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Moldau, Monaco, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, San Marino, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Ukraine, Ungarn, Zypern.

,1162

mens geschaffene Vergleichskommission setzt die Prüfung der Streitigkeit ebenfalls aus, wenn diese bereits einer anderen Vergleichsinstanz vorgelegt worden ist: Sie muss die Prüfung des Falles unterbrechen und darf diese erst wieder aufnehmen, wenn die Bemühungen der Erstinstanz gescheitert sind.

Die eben erwähnten Klauseln decken im wesentlichen zwei Möglichkeiten ab: diejenige eines ausserhalb des Übereinkommens angesiedelten richterlichen oder Vergleichsorganes, welches angerufen worden ist, sowie diejenige von Parteien, welche vorgängig oder für den in Frage stehenden Fall die ausschliessliche Zuständigkeit einer Gerichtsinstanz ausserhalb des Übereinkommens für eine verbindliche Entscheidung anerkannt haben. Zwei andere Möglichkeiten bleiben unerwähnt: diejenige eines vorgängig oder ad hoc von den Streitparteien vereinbarten externen Vergleichsverfahrens, welches mit dem im neuen Übereinkommen vorgesehenen Mechanismus kollidiert, sowie diejenige eines Konflikts zwischen einem durch das Übereinkommen geschaffenen Schiedsgericht und einem aussenstehenden Rechtsprechungsorgan, dessen Zuständigkeit keine ausschliessliche ist. Nach Artikel 19 Absatz 4 ist es möglich, mittels Vorbehalten Streitbeilegungsmitteln ausserhalb des Übereinkommens den Vorrang einzuräumen. Der Absatz lautet: «Ein Staat kann zum Zeitpunkt der Unterzeichnung, Ratifikation oder des Beitritts zu diesem Übereinkommen einen Vorbehalt anbringen, um die Vereinbarkeit des in diesem Übereinkommen festgelegten Streitbeilegungsmechanismus mit anderen Mitteln der Streitbeilegung sicherzustellen, die sich aus internationalen Verpflichtungen ergeben, die auf diesen Staat anwendbar sind.» Dieser Wortlaut ermöglicht es jedem Staat, sämtliche anderen, ausserhalb des Übereinkommens eingegangenen oder künftig einzugehenden Verpflichtungen vorzubehalten.

In ihren zweiseitigen Abkommen hat die Schweiz eingewilligt. Streitigkeiten mit anderen Staaten einem Vergleichsorgan, einem Schiedsgericht oder einem ständigen richterlichen Organ zu unterwerfen. Es ist wünschenswert, ja sogar notwendig klarzustellen, dass diese Verpflichtungen den Vorrang haben. Darum wäre von der Schweiz zum Zeitpunkt der Ratifizierung des neuen Übereinkommens folgender Vorbehalt anzubringen: «In Anwendung von Artikel 19 Absatz 4 behält sich der schweizerische Bundesrat
die Vergleichs- und gerichtlichen Verfahren vor, die in den von der Schweiz abgeschlossenen und abzuschliessenden bilateralen Verträgen vorgesehen sind, soweit diese Verfahren einseitig eingeleitet werden können. Er behält sich auch ad hoc vereinbarte oder zu vereinbarende Vergleichs- und Gerichtsverfahren für einen besonderen Streitfall oder eine Reihe von besonderen Streitfällen vor.» Ein derartiger Vorbehalt ist wünschenswert, mag es doch aus verschiedenen Gründen angezeigt scheinen, einen Streitfall eher einem vereinbarten bilateralen Verfahren als dem aus dem Übereinkommen hervorgehenden multilateralen System zuzuweisen. Überdies wäre der Einsetzungs- und Bestellungsmechanismus für die bilateralen Vergleichs- oder Schiedsorgane der im Übereinkommen vorgesehenen Methode vorzuziehen (vgl. Ziff. 224 und 225).

1163

223

Institutionelle Fragen

Trotz seines Namens ist der in Artikel l des Übereinkommens geschaffene «Vergleichs- und Schiedsgerichtshof» eine bescheidene Einrichtung. Innerhalb von zwei Monaten, nachdem das Übereinkommen für ihn in Kraft getreten ist, ernennt jeder Vertragsstaat für eine erneuerbare Amtszeit von sechs Jahren zwei Schlichter 1 " und einen Schiedsrichter 12 * (sowie einen Stellvertreter, der letzteren im Falle des Todes, einer Verhinderung oder des Rücktritts ersetzt). Die Schlichter und Schiedsrichter (und deren Stellvertreter) werden in zwei vom Kanzler des Gerichtshofs geführte Listen eingetragen und bilden zwei «Kollegien». Die beiden Kollegien wählen gemeinsam den Präsidenten des Gerichtshofs; anschliessend bestimmt jedes Kollegium aus seinen eigenen Reihen zwei Personen. Die so gewählten Schlichter und Schiedsrichter bilden mit dem Präsidenten das Präsidium des Gerichtshofs (Art. 7). Dieses Organ tritt von Zeit zu Zeit zusammen, um die im Übereinkommen vorgesehenen Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen. Das andere ständige Organ ist die Kanzlei, die von einem durch den Gerichtshof ernannten Kanzler geleitet wird. Sie umfasst das erforderliche administrative und technische Personal (Art. 9). Solange die Tätigkeiten des Gerichtshofs einen begrenzten Umfang haben, ist davon auszugehen, dass der Kanzler und sein Personal teilzeitlich beschäftigt werden können, was die anfallenden Kosten reduzieren wird.

Zwei weitere institutionelle Bestimmungen verdienen Erwähnung.

Artikel 10 legt Genf als Sitz des .Gerichtshofs fest und führt weiter aus, dass auf Antrag der Streitparteien und mit Zustimmung des Präsidiums eine Vergleichskommission oder ein Schiedsgericht anderswo zusammentreten kann.

Diese den Sitz des Gerichtshofes betreffende Bestimmung ist offensichtlich bedeutsam, da sie eine rasche Ratifizierung des Übereinkommens durch die Schweiz als wünschenswert erscheinen lässt und für die Schweiz Kostenfolgen hat (vgl. Ziff. 23).

Die Verfahrensordnung, einschliesslich der sich auf die Arbeit des Präsidiums beziehenden Regeln, soll in einem vom Gerichtshof auszuarbeitenden Reglement niedergelegt werden, welches den Vertragsstaaten zur Billigung vorzulegen ist (Art. 11). Die Verfahrensordnung soll auch Regeln über die Arbeitssprachen des Gerichtshofs enthalten (Art. 12). Es ist wahrscheinlich, dass zur Eindämmung der Kosten das Präsidium oder der Kanzler mit den Vorarbeiten zu diesem : Reglement betraut wird.

"' Mindestens einer der beiden Schlichler «ist sein Staatsangehöriger. Der andere kann Staatsangehöriger eines anderen KSZE-Teilnehmerstaats sein.» Dies bedeutet, dass ein Staat entweder zwei seiner eigenen Staatsangehörigen oder einen eigenen Staatsangehörigen und einen Staatsangehörigen eines anderen KSZE-Teilnehmerstaates bezeichnen kann.

12) Im Gegensatz zur unbeschränkt erneuerbaren Amtszeit der Schlichter kann diejenige der Schiedsrichter nur einmal erneuert werden (Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 3).

1164

224

Das obligatorische Vergleichsverfahren

Das in den Artikeln 20-25 vorgesehene obligatorische Vergleichsverfahren bildet den Grundpfeiler des Übereinkommens. Tritt zwischen Vertragsstaaten eine Streitigkeit auf, die in angemessener Frist auf dem Verhandlungswege nicht ausgeräumt werden kann, so ist jede Vertragspartei berechtigt, die Bildung einer ad hoc-Vergleichskommission zu beantragen (Art. 18 Abs. 1; Art, 20 Abs. 1). Die Einsetzung einer solchen Kommission kann auch aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Streitparteien erfolgen (Art. 20 Abs. 2). Eine ad /îoc-Kommission besteht in der Regel aus fünf Personen. Jede Streitpartei bestellt einen Schlichter, der ihr Staatsangehöriger sein kann, es aber nicht sein muss (Art. 21 Abs. 1); sollte eine Partei dies nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist tun, bestellt das Präsidium den Schlichter (Art. 22 Abs. 2). Nach Befragung der Streitparteien bestimmt das Präsidium drei weitere Schlichter von der Liste, worauf der Vorsitzende der Kommission von letzterer aus den Reihen der vom Präsidium bestimmten Mitglieder gewählt wird (Art. 21 Abs. 5 und 6). Das Übereinkommen enthält auch Vorschriften über die Einsetzung von Vergleichskommissionen für Streitigkeiten zwischen mehr als zwei Parteien (Art. 21 Abs. 2) und für solche zwischen einer oder mehreren Vertragsparteien mit einem oder mehreren Ländern, die nicht Vertragsparteien sind (Art. 20 Abs. 3).

Die Bestimmungen über die Einsetzung von Vergleichskommissionen beschreiten insofern Neuland, als die drei überparteilichen Mitglieder vom Präsidium bestellt werden. Es wäre zweifellos besser gewesen, in einer ersten Phase die einvernehmliche Ernennung dieser Schlichter durch die Streitparteien und erst in einer allfälligen zweiten Phase und bei fehlendem Einvernehmen ein Eingreifen des Präsidiums vorzusehen. Die Mitwirkung der Parteien bei der Ernennung der überparteilichen Schlichter, wie sie in den bilateralen und namentlich in den von der Schweiz abgeschlossenen Verträgen üblich ist, fördert in der Tat die Annahme der Empfehlungen des Vergleichsorgans. Diese Erwägung rechtfertigt es, den von der Schweiz angenommenen obligatorischen bilateralen Vergleichsverfahren ausserhalb des Übereinkommens den Vorrang einzuräumen (vgl.

Ziff. 222).

; Die anderen Bestimmungen des Übereinkommens betreffend das Vergleichsverfahren entsprechen den üblichen
Regeln, mit Ausnahme von Artikel 24. der vorschreibt, dass die Vergleichskommission den Parteien hilft, «eine Beilegung ihrer Streitigkeit gemäss dem Völkerrecht und ihren KSZE-Verpflichtungen zu finden». Diese Bestimmung ist ungewöhnlich, da sie die Anwendung von Rechtssätzen im Bereich der diplomatischen Streitbeilegungsverfahren vorschreibt, in welchem die Drittinstanz gewöhnlich über ein weitgehendes Ermessen verfügt.

225

Das Schiedsverfahren

Das im Übereinkommen vorgesehene Schiedsverfahren (Art. 26-32) ist grundsätzlich freiwillig. Es kann auf einer Vereinbarung beruhen, d. h. auf einem ad hoc vertraglich festgestellten Einverständnis der in einen konkreten Streitfall verwickelten Parteien. Es kann auch auf einer dem Artikel 36 Absatz 2 des Statuts 1165

des Internationalen Gerichtshofes (SR 0.193.501 ) '?> entnommenen Technik gründen, nämlich auf im voraus einseitig abgegebenen, gegenseitigen Erklärungen der Parteien, welche die Streitigkeit abdecken. Zwar ist es einem Staat freigestellt, eine solche Erklärung abzugeben oder nicht; hat er dies aber einmal getan, ist er daran gebunden. Allerdings darf er seine Erklärung durch Vorbehalte einschränken. Anders als nach Artikel 36 Absatz 2 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs sind solche Vorbehalte jedoch nur zulässig, wenn sie sich im Rahmen der im Välletta-Dokument aufgeführten Bereiche halten, nämlich Fragen der territorialen Integrität, von Hoheitsansprüchen auf Landgebiete, der Landesverteidigung sowie der Abgrenzung von See- oder Lufträumen (Ziff. 12).i Die Einsetzung eines ad /zoc-Schiedsgerichts kann kraft einer Vereinbarung erfolgen oder durch einseitiges Ersuchen verlangt werden, falls die Streitparteien in übereinstimmenden Erklärungen die Zuständigkeit eines solchen Gerichts anerkannt haben. Dieses Ersuchen kann erst nach Ablauf einer Frist von 30 Tagen gestellt werden, nachdem der Bericht der mit der Streitigkeit befassten Vergleichskommission an den KSZE-Rat das Scheitern des Vergleichsverfahrens festgestellt hat (Art. 26 Abs. l und 3); M. a. W.: Ausser im Falle einer anderslautenden Absprache der Parteien kann die schiedsgerichtliche Erledigung erst nach dem Scheitern eines Vergleichsverfahrens beginnen.

Die Einsetzung und Zusammensetzung der Schiedsgerichte sind bis ins einzelne geregelt. Die von jeder Streitpartei auf die Schiedsrichterliste gesetzte Person (oder, falls diese nicht verfügbar ist, ihr Stellvertreter) ist von Amts wegen Mitglied des Gerichts (Art. 28 Abs. 2 und 4). Zu den beiden so bezeichneten Schiedsrichtern treten die vom Präsidium gewählten, «so dass die Anzahl der von ihm bestellten Mitglieder die der von Amts wegen tätigen um mindestens eins übersteigt» (Art. 28 Abs. 3). Normalerweise setzt sich ein Schiedsgericht also aus fünf Personen zusammen. Auch hier regeln Sonderbestimmungen die Zusammensetzung des Gerichts, wenn eine der Streitparteien nicht Vertragsstaat ist (Art. 26 Abs. 1; Art. 28 Abs. 5) oder wenn sich mehr als zwei Staaten gegenüberstehen (Art. 28 Abs. 2 und 3). Wie im Falle der Vergleichskommissionen wäre es auch hier besser gewesen, wenn
die Parteien, in Anbetracht der grossen Bedeutung der überparteilichen Schiedsrichter für die Streitbeilegung, zumindest in einer ersten Phase bei der Ernennung dieser Schiedsrichter hätten mitwirken können.

Angesichts dieses Einwands könnte die Schweiz vorderhand von der Abgabe einer einseitigen Erklärung absehen, worin sie sich dem im Übereinkommen vorgesehenen Schiedsverfahren unterwirft, dies umso mehr, als sie über ein beachtliches Netz bilateraler Schiedsverträge verfügt. Der Bundesrat sollte aber ermächtigt werden, künftig eine solche Erklärung abzugeben, falls er dies für angebracht hält.

Die wichtigsten Regeln für das Schiedsverfahren finden sich in Artikel 29 des Übereinkommens, während die restlichen gemäss Artikel 11 Absatz 2 in einem 13

> Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut: «Die Teilnehmer am vorliegenden Statut können jederzeit erklären, dass sie von Rechts wegen und ohne besonderes Abkommen gegenüber jedem in gleicher Weise sich verpflichtenden Staat die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs in allen nachfolgenden Arten von Streitigkeiten rechtlicher Natur als obligatorisch anerkennen ...».

1166

durch den Gerichtshof auszuarbeitenden Reglement niederzulegen sind. Bei den in Artikel 29 enthaltenen Regeln ist der Beitritt von Drittstaaten zu laufenden Verfahren 1 besonders zu erwähnen; dieser wird sehr grosszügig gewährt, selbst wenn der interessierte Staat nicht Vertragspartei ist.

226

Allgemeine und Schlussbestimmungen

Da das Übereinkommen im Rahmen der KSZE ausgearbeitet worden ist, sind dessen Verbindungen mit der Konferenz eng. Es ist bereits erwähnt worden, dass die vorgesehenen Vergleichs- und Schiedsverfahren auch KSZE-Staaten offenstehen, die nicht Vertragsparteien sind. Artikel 14 verpflichtet das Präsidium, dem KSZE-Rat alljährlich einen Bericht über die Tätigkeit des Gerichtshofs vorzulegen. Nach den Artikeln 15 und 37 sind Ersuchen um die Eröffnung von Vergleichs- oder Schiedsverfahren sowie Mitteilungen an den Verwahrer, die schwedische Regierung, an alle KSZE-Teilnehmerstaaten zu übermiteln. Obwohl nach Artikel 35 Änderungen des Übereinkommens nur von Vertragsstaaten vorgeschlagen werden können, bedarf deren Annahme der Zustimmung durch den alle Teilnehmerstaaten umfassenden KSZE-Rat. Zu ihrer Inkraftsetzung wiederum hat die Änderung von allen Vertragsstaaten genehmigt zu werden. Hervorzuheben ist hier der Umstand, dass die Wirkung des Übereinkommens den Kreis der Vertragsstaaten nur dort sprengt, wo es Rechte einräumt. Die vertraglichen Verpflichtungen dagegen sind strikte auf diese Staaten begrenzt (Art. 38).

Eine weitere Schlussbestimmung macht das Übereinkommen allen Teilnehmerstaaten der KSZE zugänglich und bestimmt, dass es zwei Monate nach Hinterlegung der zwölften Ratifikation- oder Beitrittsurkunde in Kraft tritt (Art. 33).

Nach Artikel 36 schliesslich kann das Übereinkommen jederzeit gekündigt werden. Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer wirksam. Allfällige Kündigungen haben selbstverständlich keinen Einfluss auf laufende Verfahren.

23

Das Finanzprotokoll

231

Rechtsgrundlage

Artikel 13 des Übereinkommens bestimmt, dass der AHB ein Finanzprotokoll zu verabschieden hat, und legt die Grundlagen dieses Protokolls fest. Letzteres soll Bestimmungen über die Berechnung der Kosten, die Erstellung und Billigung des Budgets des Gerichtshofs, die Verteilung der Auslagen auf die Vertragsparteien, die Prüfung der Bücher des Gerichtshofs und damit zusammenhängende Angelegenheiten enthalten. Artikel 13 legt auch den Grundsatz fest, dass alle Kosten des Gerichtshofs von den Vertragsstaaten gemeinsam zu tragen sind.

Dieser Grundsatz soll verhindern, dass Streitparteien wegen möglicherweise anfallender Verfahrenskosten darauf verzichten, einen Fall dem Gerichtshof zu unterbreiten. Streitparteien und beitretende Parteien haben lediglich ihre eigenen Ausgaben zu bestreiten. Schliesslich bestimmt Artikel 13, dass ein Staat durch das Protokoll gebunden ist, sobald er Vertragspartei des Übereinkommens wird.

1167

Das Finanzprotokoll ist auf der Grundlage dieser Bestimmungen von einer ad /zoc-Arbeitsgruppe des AHB-Finanzausschusses in drei Verhandlungsrunden ausgearbeitet, vom AHB am 28. April 1993 genehmigt und bei der schwedischen Regierung hinterlegt worden.

; Wie oben (vgl. Ziff. 12) ausgeführt, hat sich die Schweiz seit 1973 aktiv für die Schaffung eines möglichst umfassenden und zwingenden Mechanismus zur friedlichen Streitregelung in Europa eingesetzt. Es überrascht also nicht, dass nach Verwirklichung dieser Idee dank der französisch-deutschen Initiative Genf zum Sitz des neuen Vergleichs- und Schiedsgerichtshofs bestimmt worden ist. Das Finanzprotokoll ist deshalb für die Schweiz von zweifacher Bedeutung: Als zukünftiger Vertragsstaat des Übereinkommens wird sie auch Partei dieses Protokolls; als Gastland des Gerichtshofs erwachsen ihr spezifische Verpflichtungen.

232 232.1

Die einzelnen Bestimmungen Die Kosten des Gerichtshofs

Artikel l Absatz l des Protokolls bekräftigt den in Artikel 13 des Übereinkommens festgelegten Grundsatz, wonach alle Kosten des Gerichtshofs von der Gesamtheit der Vertragsstaaten zu tragen sind. Die Kosten für Schlichter und Schiedsrichter sind Kosten des Gerichtshofs.

Die anfallenden Ausgaben gliedern sich wie folgt: Auslagen für die Räumlichkeiten des Gerichtshofs; Kosten, die aus der Tätigkeit des Präsidiums des Gerichtshofs und der Kanzlei erwachsen; Kosten, die für den Gerichtshof anfallen, wenn ein Streitfall vor ihm hängig gemacht wird; Verfahrenskosten der Streitparteien.

Die Auslagen für die Räumlichkeiten sind vom Gastland zu tragen. Der Bundesratsbeschluss vom 28. Oktober 1992 ermächtigte den Vorsteher des EDA, der KSZE die Übernahme der Auslagen für die Räumlichkeiten (Miete, Ausstattung, Unterhalt, Versicherungen, Sicherheit, Nebenkosten), vorerst für drei Jahre, anzubieten. Die Einzelheiten des Angebots sind, wie Artikel l Absatz 2 des Protokolls ausführt, in einem Briefwechsel zwischen dem Gastland und dem Gerichtshof festzulegen. Eine Schätzung der zu erwartenden Ausgaben findet sich unter den Ziffern 252 und 253.

Die durch die Tätigkeit des Präsidiums und der Kanzlei verursachten Ausgaben, die von den Vertragsstaaten des Übereinkommens zu tragen sind, bestehen im wesentlichen aus Personalkosten für die Mitglieder des Präsidiums, den Kanzler und das Sekretariat, Kosten des Bürobetriebs und Reisekosten. Sie.sind zum voraus berechenbar und bilden einen Fixposten des Jahresbudgets. Die Ausgaben, die entstehen, wenn ein Streitfall vor den Gerichtshof kommt, umfassen die Kosten für die Schlichter oder Schiedsrichter und für zusätzliches Personal, einschliesslich Übersetzer und Dolmetscher, die Reisekosten und Verschiedenes.

Diese Auslagen sind variabel und können im Jahresbudget lediglich geschätzt werden.

Die Streitparteien haben für die eigenen Verfahrenskosten selbst aufzukommen.

Nach Artikel 11 des Protokolls können die Vertragsstaaten ein Konto für Sonderzahlungen einrichten, welches zur Unterstützung von Streitparteien mit Finanzie-

1168

rungsschwierigkeiten dient. Dieses Konto wäre aus freiwilligen Beiträgen der Vertragsparteien zu speisen.

232.2

Beiträge zum Budget des Gerichtshofs

Die Beiträge zum Budget des Gerichtshofs werden nach Artikel 2 Absatz l des Protokolls aufgrund des in der KSZE geltenden Beitragsschlüssels berechnet, wobei sie der Anzahl der Vertragsparteien anzupassen sind. Der Beitragsanteil der Schweiz innerhalb der aus 52 Staaten bestehenden KSZE beträgt 2,3 Prozent. Wenn angenommen wird, dass vorerst 12 Staaten aus allen Anteilskategorien dem Übereinkommen beitreten, dürfte der Beitrag der Schweiz anfänglich zwischen 10 und 15 Prozent des Budgets liegen.

Der von Staaten, die dem Übereinkommen später beitreten, zu leistende Beitrag an das laufende Jahresbudget berechnet sich pro rata temporis (Art. 2 Abs. 2 des Protokolls). Ein Staat, der dem Gerichtshof einen Streitfall unterbreitet, ohne Vertragspartei zu sein, bezahlt während der Dauer des Verfahrens einen Beitrag an das Budget des Gerichtshofs, wie wenn er Vertragspartei wäre. Artikel 2 Absatz 3 regelt die Einzelheiten solcher Zahlungen.

232.3

Budget des Gerichtshofs (Art. 3 des Prot.)

Das Budget wird vom Kanzler in Übereinstimmung mit dem Präsidium des Gerichtshofs aufgestellt und dessen Entwurf für das folgende Finanzjahr vor dem 15. September den Vertragsstaaten zugeleitet. Es ist von den Vertretern der Vertragsstaalen zu genehmigen. Sofern nichts anderes vereinbart wird, erfolgen Erörterung und Billigung des Budgets in Wien, verfügen doch die KSZE-Teilnehmerstaaten in Wien über ständige Vertretungen.

Die Billigung des Budgets erfolgt, wie alle Beschlüsse im Rahmen dieses Protokolls (vgl. Art. 12), durch Konsens der Vertragsparteien. Als Schutzklausel gegen eine mögliche Lähmung des Gerichtshofs durch Verweigerung der Zustimmung dient Artikel 3 Absatz 3 des Protokolls, wonach der Gerichtshof seiner Arbeit das Vorjahresbudget zugrunde legt und der Kanzler die Vertragsparteien um Überweisung ihrer Beiträge entsprechend diesem Budget ersucht, wenn das neue Budget bis zum 31. Dezember nicht gebilligt werden konnte.

Die Beiträge werden zu je 50 Prozent auf den I . J a n u a r beziehungsweise den 1. April fällig. Das Budget ist, wenn nichts anderes beschlossen wird, in Schweizer Franken zu erstellen, und die Beiträge sind in dieser Währung zu entrichten.

Staaten, welche dem Gerichtshof einen Streitfall unterbreiten, ohne Vertragsparteien zu sein, entrichten ihren Beitrag innerhalb von zwei Monaten, nachdem der Kanzler darum ersucht hat.

Im Jahr des Inkrafttretens des Übereinkommens leisten die Vertragsparteien ihren Beitrag innerhalb von zwei Monaten nach Hinterlegung der zwölften Ratifikationsurkunde. Da während dieses Jahrs für die Errichtung des Gerichtshofs Mittel benötigt werden, bevor ein Budget erstellt werden kann, wird ein erstes Jahresbudget mit einem Betrag von 250000 Franken im Finanzprotokoll selbst festgelegt.

1169

Wenn es die Umstände erfordern, ist der Kanzler befugt, den Vertragsparteien ein überarbeitetes Budget, wenn nötig mit dem Ersuchen um zusätzliche 1 Mittel, zur Genehmigung vorzulegen. Diese Bestimmung in Artikel 4 Absatz 4 des Protokolls erlaubt es; kurzfristig Mittel für unvorhergesehene Ausgaben zu beschaffen, vor allem wenn ein Streitfall vor den Gerichtshof gelangt.

232.4

Betriebsmittelfonds

Nach Artikel 5 des Protokolls können die Vertragsparteien einen Betriebsmittelfonds bilden, sollten sie dies als notwendig erachten. Ein solcher Fonds würde zur Überbrückung von unvorhergesehenen Liquiditätsengpässen dienen, die vor allem bei der Unterbreitung von Streitfällen entstehen könnten, und wurde die sofortige Bearbeitung der Streitfälle durch den Gerichtshof gewährleisten. Für die Errichtung eines Betriebsmittelfonds im Protokoll selbst konnte kein Konsens gefunden werden. Gegner dieser Idee machten geltend, die unmittelbare Bearbeitung eines Streitfalls sei durch die in den Jahreshaushalt aufzunehmenden variablen Kosten für Streitfälle sowie durch die Möglichkeit, ein Nachtragsbudget zu beantragen, hinreichend gewährleistet. Die Erfahrung wird zeigen, ob ein Betriebsmittelfonds tatsächlich nötig ist.

232.5

Entschädigung der Mitglieder des Gerichtshofs

Nach Artikel 6 des Protokolls erhalten die Mitglieder des Präsidiums des Gerichtshofs, der Vergleichskommissionen und der Schiedsgerichte ein Taggeld für jeden Tag, an dem sie ihre Aufgaben wahrnehmen. Die Mitglieder des Präsidiums erhalten zudem eine jährliche Nominalpauschale, welche sie für ihre zusätzliche Tätigkeit entschädigt. Die Höhe des Taggelds und der Pauschale wird von den Vertragsstaaten festgelegt. Für den Kanzler und das Sekretariat legen die Vertragsparteien nach Artikel 7 des Protokolls ein Gehalt fest und sorgen dafür, dass diese Personen in den Genuss einer angemessenen Sozialversicherung und Altersrente kommen. Artikel 8 des Protokolls gilt den Modalitäten zur Berechnung der bei einer Streitigkeit anfallenden Reisekosten.

232.6

Finanztechnische Bestimmungen

Das Protokoll legt Vorschriften für die Rechnungsführung und den Jahresabschluss (Art. 4 und 9) sowie die Rechnungsprüfung (Art. 10) fest. Diese Regeln entsprechen internationaler Praxis und sind aus dem KSZE-Finanzreglement übernommen worden.

232.7

Änderungen des Finanzprotokolls

Änderungen des Protokolls erfolgen nach dem in Artikel 35 des Übereinkommens vorgesehenen Verfahren (siehe Ziff. 226).

1170

232.8

Schlussbestimmungen

Das Finanzprotokoll ist - wie das Übereinkommen selbst - in allen offiziellen KSZE-Sprachen (deutsch, englisch, französisch, italienisch, russisch und spanisch) abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist. Es wurde vom AHB am 28. April 1993 angenommen und bei der schwedischen Regierung hinterlegt.

24

Gesamtbeurteilung

241

Allgemeines

Im Vergleich zu den bestehenden multilateralen Abkommen bringt das neue Übereinkommen einen beachtlichen Fortschritt. Es erfüllt eines der wichtigsten Anliegen, welche die Schweiz in der KSZE seit 1973 vertreten hat: die Schaffung eines allgemeinen, einseitig auslösbaren Vergleichsverfahrens. Dies stellt eine bedeutsame Neuerung dar, obwohl das Resultat des Verfahrens rechtlich nicht zwingend ist, obwohl die im Übereinkommen ebenfalls vorgesehene Schiedsgerichtsbarkeit freiwilliger Natur ist und obwohl man bemängeln kann, dass die Drittmitglieder der Beilegungsorgane durch das Präsidium des Gerichtshofs ohne aktive Beteiligung der Streitparteien ernannt werden. Ein anderer positiver Aspekt des Übereinkommens ist die Tatsache, dass die geschaffenen Verfahren für die Staaten Mittel- und Osteuropas von besonderem Interesse sind und so zur Erhaltung des Friedens und der Sicherheit auf dem ganzen Kontinent beitragen dürften, sofern die betroffenen Staaten den politischen Willen haben, auf diese Mittel zurückzugreifen.

242

Vereinbarkeit und Komplementarität der von der KSZE geschaffenen Mittel zur friedlichen Streitbeilegung

Das neue Übereinkommen ist rechtlich verbindlich, während alle anderen von der KSZE in diesem Bereich verabschiedeten Texte, einschliesslich des Dokuments von La Valletta, bloss politisch bindend sind. Formell ist ein Konflikt zwischen diesen beiden Kategorien von Instrumenten ausgeschlossen.

Auch materiell liegt keinerlei Unvereinbarkeit vor. Das aus dem britischen Vorschlag hervorgegangene Vergleichsverfahren ist freiwilliger Natur; es gilt nur zwischen Staaten, die es mittels einer Vereinbarung oder gleichlaufender einseitiger Erklärungen als auf den Streitfall anwendbar erklärt haben, und vorausgesetzt, dass die betreffenden Staaten nicht dem Übereinkommen beigetreten sind. Als lex specialis findet letzteres zwischen Vertragsstaaten Anwendung, selbst wenn sich diese auch dem vom Vereinigten Königreich vorgeschlagenen Verfahren unterworfen haben. Das Vergleichsverfahren «auf Anordnung» schliesslich, welches einem amerikanischen Vorschlag entstammt, hat keinerlei autonome Wirkung, verweist es doch die Parteien zwingend an das vom Vereinigten Königreich vorgeschlagene Verfahren oder an das im Übereinkommen enthaltene. Das Verfahren von La Valletta (siehe Ziff. 12) kann trotz seiner Mängel als «Sicherheitsnetz» für Staaten dienen, die weder Vertragsparteien sind noch das aus dem britischen Vorschlag hervorgegangene Vergleichsverfahren angenommen haben.

1171

243

Das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE und die bilateralen Verträge

Werden die Vergleichs- und Schiedsverträge, welche die Schweiz abgeschlossen hat oder in Zukunft abschliessen wird, durch das neue Übereinkommen hinfällig? Man muss diese Frage aus folgenden drei Gründen mit Nein beantworten: 1.

Die meisten der von der Schweiz eingegangenen bilateralen Verträge sehen neben einem Vergleichsverfahren ein zwingendes rechtliches Streitregelungsverfahren vor, was das neue Übereinkommen unterlässt. 2. Die bilateral geschaffenen Vergleichs- und Schiedsverfahren gestatten grundsätzlich den Parteien, bei der Bestellung der Drittmitglieder von Vergleichs- und Schiedskommissionen aktiv mitzuwirken, während im Rahmen des Übereinkommens diese Aufgabe dem Präsidium des Gerichtshofs zufällt. 3. Das Übereinkommen ist ohne Umstände kündbar, so dass es nützlich ist, Verfahren beizubehalten, die im Falle einer Kündigung diejenigen des Übereinkommens ersetzen könnten. Die vorstehenden drei Bemerkungen sollen den Nutzen des neuen Instruments keineswegs in Zweifel ziehen. Sie sollen vielmehr zeigen, dass die bilateralen Verträge im Bereich der friedlichen Streitbeilegung trotz des Übereinkommens ihre Daseinsberechtigung nicht verloren haben.

25

Finanzielle und personelle Folgen

251

Allgemeines

Die Ratifikation des Übereinkommens über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb des KSZE hat keinerlei Folgen im Hinblick auf den Personaletat.

Die finanziellen Folgen der Ratifikation sind doppelter Art. Als Vertragspartei des Übereinkommens wird die Schweiz einen jährlichen Beitrag an das Budget des Gerichtshofs entrichten müssen. Als Gaststaat des Gerichtshofs wird sie die Auslagen für dessen Büroräume in Genf zunächst für eine Dauer von drei Jahren zu tragen haben. Die von der Schweiz erwarteten finanziellen Leistungen,die nur geschätzt werden können, sind in den beiden nächsten Rubriken aufgeführt.

252

Ordentlicher Beitrag an das Budget des Gerichtshofs

Die Personalkosten sind das entscheidende Element für die Schätzung des Jahresbudgets des Gerichtshofs. Unter Beizug der Entschädigungspraxis des Internationalen Gerichtshofs sind folgende Beträge vorgesehen: Taggeld für jedes Mitglied des Präsidiums, einer Vergleichskommission oder eines Schiedsgerichts Jährliche Pauschalabgeltung für die fünf Mitglieder des Präsidiums Jahresgehalt des Kanzlers (Teilzeitanstellung) Jahresgehälter des Kanzleipersonals

Franken 400.5 000.12000.20000.-

Für das Jahr des Inkrafttretens des Übereinkommens ist in Artikel 3 Absatz 7 des Finanzprotokolls ein Budget von 250 000 Franken vorgesehen (siehe Ziff. 232.3).

Dieser Betrag hätte den Hauptanteil der Entstehungskosten des Gerichtshofs zu

1172

decken. Wenn diesem kein Streitfall unterbreitet wird, sollte das Budget für das folgende Jahr 150 000 Franken nicht überschreiten.

Falls dem Gerichtshof eine Streitigkeit unterbreitet wird, sind die durch die Vergleichskommission oder das Schiedsgericht verursachten Kosten ausschlaggebend. Die Summe der Taggelder für eine Kommission oder ein Schiedsgericht beläuft sich in der Regel auf 2000 Franken pro Tag.

Der schweizerische Beitrag hängt von der Anzahl Vertragsstaaten ab. Im ersten Jahr wird er sich zwischen 25 000 und 35 000 Franken bewegen.

253

Auslagen für die Räumlichkeiten des Gerichtshofs in Genf

Der Gerichtshof umfasst: die Kanzlei (Kanzler. Sekretariatspersonal), das Präsidium (fünf Mitglieder), sowie mögliche Vergleichskommissionen und Schiedsgerichte, die aus wenigstens fünf Schlichtern bzw. Schiedsrichtern zusammengesetzt sind. Für die Sitzungen dieser Organe mit den Konfliktparteien wäre im Minimum ein Sitzungsraum für 30 Personen mit Simultanübersetzungsanlagen vorzusehen. Das Plenum des Gerichtshofs, welches im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens nach Vorliegen von' zwölf Ratifikationen mindestens 36 Schlichter und Schiedsrichter umfasst, dürfte für seine konstituierende Sitzung und möglicherweise zu periodischen Wahlgeschäften zusammenkommen. Für diese Anlässe wären Räumlichkeiten ad hoc zu finden.

Daraus ergeben sich folgende Raumbedürfnisse: ein Sitzungszimmer für das Präsidium, sieben Büroräume für Kanzler und Sekretariatspersonal, ein Sitzungsraum für rund 20 Personen (auch als Bibliothek- und Archivraüm verwendbar) und ein Sitzungsraum für rund 30 Personen mit Simultanübersetzungsanlage, insgesamt rund 400 m2 Raumfläche, deren Miete und Ausstattung zu 1993 geltenden Preisen wie folgt zu veranschlagen sind: Franken

Miete und Nebenkosten Technische Einrichtungen (ohne EDV) Ausstattung von Büros und Sitzungsräumen, inklusive Bibliothek/Archiv

200 000.200 000.350 000.-

Total

750 000.-

Bei dieser Kostenberechnung handelt es sich um eine Schätzung, welche sich auf die für Genf massgebenden Durchschnittspreise sowie auf konkrete Erfahrungen des Bundes im Zusammenhang mit dem «Geneva Executive Centre» (GEC) in Châtelaine abstützt. Ein grosser Teil dieses «Centre» wurde vom Bund zwecks Beherbergung verschiedener Umweltschutzorganisationen gemietet. Es verfügt über Zusatzflächen, welche für den Gerichtshof gemietet oder allenfalls gekauft und eingerichtet werden könnten, ohne dass andere Möglichkeiten zum vornherein ausgeschlossen wären. Im Zusammenhang mit dem obenstehenden Voranschlag wäre noch zu bemerken, dass nur der Posten «Miete und Nebenkosten» alljährlich wiederkehrenden Auslagen entspricht. Die Posten «Technische Einrichtungen» und «Ausstattung» beziehen sich, mit Ausnahme der Amortisationskosten, auf einmalige Ausgaben.

1173

254

Auswirkungen für den Finanzplan 1994-1996

Die für die Schweiz anfallenden Kosten, sei es als Vertragsstaat des Übereinkommens oder als Sitzstaat des Gerichtshofs, sind im Finanzplan 1994-1996 vom 2. November 1992 nicht vorgesehen und stellen deshalb zusätzliche Ausgaben dar.

26

Legislaturplanung

Das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE ist in der Legislaturplanung nicht vorgesehen. Der Abschluss eines solchen Vertrags wurde von der Schweiz im Rahmen der KSZE seit 1973 angestrebt. Erst die Ereignisse der letzten Jahre und Monate haben es aber erlaubt, dieses Ziel zu erreichen.

27

Verfassungsmässigkeit

Der Bundesbeschluss, der Ihnen zur Genehmigung unterbreitet wird, stützt sich auf Artikel 8 BV, der den Bund ermächtigt, Verträge mit dem Ausland abzuschliessen, und auf Artikel 85 Ziffer 5 BV, der die Genehmigung der völkerrechtlichen Verträge durch die Bundesversammlung vorsieht.

Es bleibt zu prüfen, ob das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE dem fakultativen Staatsvertragsreferendum (Art. 89 Abs. 3 BV) unterliegt.. Wie bereits erwähnt (siehe Ziff. 226), ist das Übereinkommen kündbar. Es führt keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbei, sondern schafft Verfahren und Mechanismen für die friedliche Beilegung zwischenstaatlicher Streitigkeiten.

Es stellt auch keinen Vertrag dar, der den Beitritt zu einer internationalen Organisation im Sinne von Artikel 89 Absatz 3 BV vorsieht. Übereinkommen wie das vorliegende, welche Organe mit Kontroll- oder Rechtsprechungsbefugnissen einsetzen, ohne eine internationale Organisation mit Völkerrechtspersönlichkeit zu schaffen, sind dem Referendum nicht unterworfen (D.Schindler, Nr. 9 ad Art. 89 Abs. 3 BV, Kommentar der Bundesverfassung III). Ausserdem ist das aus fünf Mitgliedern bestehende Präsidium des Vergleichs- und Schiedsgerichtshofs, welches den Ablauf der vorgesehenen Verfahren überwacht, nicht ständig versammelt.

Die im Übereinkommen vorgesehenen Vergleichskommissionen und Schiedsgerichte ihrerseits werden ad hoc, für konkret auftretende Streitfälle, bestellt; deshalb fehlt ihnen jeder ständige Charakter.

Daraus folgt, dass das Übereinkommen nicht dem fakultativen Staatsvertragsreferendum (Art. 89 Abs. 3 BV) unterliegt.

3 31

Der Vergleichs- und Schiedsvertrag mit Polen Allgemeines und Entstehung

Der am 7. März 1925 zwischen der Schweiz und Polen abgeschlossene Vergleichsund Schiedsvertrag (BS //, 331), der am 11. Juli 1926 in Kraft trat, unterwarf die 1174

Mehrzahl der Streitigkeiten zwischen den beiden Staaten einem Vergleichsverfahren, falls sie nicht auf diplomatischem Weg ausräumbar waren. Das Vergleichsorgan, das einseitig angerufen werden konnte, war eine ständige, aus fünf Mitgliedern bestehende Kommission: Jede Vertragspartei sollte ein Mitglied ernennen; die drei übrigen Schlichter waren im gemeinsamen Einvernehmen von den beiden Staaten zu bezeichnen.

Streitigkeiten, die nicht durch ein Schlichtungsverfahren beigelegt wurden, konnten anschliessend von jeder Vertragspartei einem Schiedsgericht unterbreitet werden, welches durch eine gemeinsame Vereinbarung zwischen den Parteien ad hoc oder, mangels Vereinbarung, wie folgt zu bestellen war: Jede Vertragspartei sollte zwei Schiedsrichter ernennen, wovon einer, der aus der Liste des Ständigen Schiedshofs zu wählen war u) , nicht ihr Staatsangehöriger sein durfte; das fünfte Mitglied, das im Gericht den Vorsitz führen sollte, war einvernehmlich von den bereits bestimmten vier Schiedsrichtern zu bezeichnen oder, bei fehlendem Einvernehmen, durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten.

Die vorstehende Beschreibung zeigt, dass der Vertrag von 1925, falls er noch in Kraft stünde, heute überholt wäre, weil er ein ständiges Vergleichsorgan vorsah und vor allem, weil er dem Präsidenten der Vereinigten Staaten die Aufgabe zuwies, bei fehlender Einigung zwischen den von den betroffenen Parteien bezeichneten Schiedsrichtern den Obmann zu ernennen. Wahrscheinlich hat im übrigen letztere Bestimmung Polen dazu bewegen, den Vertrag für 1953 zu kündigen. Das Vertragswerk verwirklichte dennoch eine Idee, die es wieder aufzunehmen galt: die Möglichkeit, alle nicht auf diplomatischem Weg gelösten Streitigkeiten einem Vergleichs- und, bei Scheitern dieses Mittels, einem Schiedsverfahren zu unterwerfen.

Der neue Vergleichs- und Schiedsvertrag zwischen den beiden Staaten wurde am I.Juni 1992 in Warschau ausgehandelt. Er wurde am 20. Januar 1993, ebenfalls in der polnischen Hauptstadt, unterzeichnet.

32

Hauptmerkmale des Vertrages

Das neue Instrument, das sich durch seine Einfachheit auszeichnet, greift die Idee auf, welche dem Vertrag von 1925 zugrunde lag: Jede Streitigkeit, die innerhalb eines vernünftigen Zeitrahmens auf diplomatischem Weg nicht beigelegt wird, kann einseitig einem Vergleichs- und. bei dessen Scheitern, einem Schiedsverfahren zugeführt werden (siehe Ziff. 31). Im Gegensatz zum Text von 1925 setzt sich das nunmehr vorgesehene Vergleichsorgan indessen aus drei Mitgliedern zusammen und ist für anfallende Streitigkeiten jeweils ad hoc zu bestellen. Jede Partei bestimmt einen Schiedsrichter; der dritte wird einvernehmlich gewählt. Falls ein Staat untätig bleibt, oder kein Einvernehmen erreicht wird, werden die fehlenden N)

Nach Artikel 44 der Haager Konvention von 1907 zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle kann jeder Vertragsstaat vier Personen bezeichnen, deren Namen auf eine vom Generalsekretär des Ständigen Schiedshofs geführte Liste gesetzt werden. Die auf diese Liste gesetzten Personen bilden den Ständigen Schiedshof. Dieser stellt daher ein Reservoir für potentielle Schiedsrichter dar, ist aber im eigentlichen Sinne weder ein «Gerichtshof» noch «ständig».

1175

Mitglieder vom Generalsekretär des Europarats ernannt. Dasselbe Verfahren ist bei der Bestellung von Schiedsgerichten einzuschlagen; fehlende Mitglieder werden hier allerdings durch den Präsidenten des Internationalen, Gerichtshofs bestimmt.

33 331

Die einzelnen Bestimmungen des Vertrags Anwendungsbereich

Die durch den Vertrag geschaffenen Verfahren sind auf jede zwischen den zwei Parteien auftretende Streitigkeit anwendbar, die nicht innerhalb eines Jahres auf dem Verhandlungsweg beigelegt wird (Art. 1). Ausgeschlossen sind lediglich Streitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten des Vertrages entstanden sind, sowie Streitfälle, welche von den Parteien einvernehmlich einem anderen Beilegungsverfahren zugewiesen werden (Art. 14). Letztere Kategorie schliesst namentlich zwischenstaatliche Streitigkeiten ein, die sich auf die Auslegung oder die Anwendung des zwischen der Schweiz und Polen am 8. November 1989 abgeschlossenen Abkommens über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen (SR 0.975.264.9) beziehen, für deren Regelung Artikel 10 des Abkommens ein besonderes Verfahren geschaffen hat.

332

Vergleichsverfahren

Jede Streitigkeit, die nicht innert Jahresfrist auf dem Verhandlungsweg beigelegt wird, kann durch eine der Vertragsparteien mittels schriftlicher Mitteilung an die andere Vertragspartei einem Vergleichsverfahren zugeführt werden (Art. 2).

Der das Verfahren auslösende Staat bezeichnet in dieser Mitteilung einen Schlichter, der sein Staatsangehöriger sein kann. Der Empfängerstaat verfügt über einen Zeitraum von 60 Tagen, um seinerseits einen Schlichter zu ernennen. Innerhalb von 90 Tagen nach Ablauf dieser Frist bezeichnen beide Staaten einvernehmlich einen dritten Schlichter, der in der Kommission den Vorsitz führt. Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Vertragsparteien über den dritten Schlichter nicht verständigen können oder dass der Empfängerstaat der in Artikel 2 vorgesehenen schriftlichen Mitteilung versucht, das Verfahren zu lahmen, indem er seinen Schlichter nicht ernennt 15 '. Darum bestimmt der Vertrag, dass beim Ausbleiben von Ernennungen innert 150 Tagen nach erfolgter Mitteilung eine neutrale Instanz, nämlich der Generalsekretär des Europarats, die fehlenden Schlichter bezeichnet. Er trifft dabei seine Wahl unter Personen, die Staatsangehörige weder der einen noch der anderen Streitpartei sind (Art. 3).

Nach ihrer Einsetzung legt die Vergleichskommission unter Rücksprache mit den Vertretern der Parteien selbst ihren Tagungsort und ihre Verfahrensregeln fest.

Dabei ist sie allerdings an die gewohnheitsrechtlichen Grundsätze der Gleichheit

I5

> Zu dieser Hypothese siehe das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 30. März 1950 betreffend die Auslegung der Friedensverträge mit Bulgarien, Ungarn und Rumänien, Recueil 1950, S. 65.

:

1176

der Parteien und des kontradiktorischen Charakters des Verfahrens gebunden.

Die Kommission kann letzteres jederzeit aussetzen, um den Parteien die Wiederaufnahme der Verhandlungen zu ermöglichen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung ihrer Empfehlungen (Art. 5). Sie kann den Parteien vorsorgliche Massnahmen vorschlagen (Art. 4), Die Abwesenheit einer Partei steht einer Fortsetzung des Verfahrens nicht im Weg (Art. 6 Abs. 2). Sechs Monate nach Abschluss des Vergleichsverfahrens verfasst die Kommission einen vertraulichen Bericht mit Empfehlungen an die Vertragsparteien. Die Vertraulichkeit dieses Berichts soll die Parteien ermuntern, mit der Kommission zusammenzuarbeiten. Die Parteien haben anschliessend sechs Monate Zeit, um die Kommission schriftlich über Annahme oder Ablehnung ihrer Empfehlungen zu informieren. Nehmen beide Parteien diese an, gilt die Streitigkeit als vertraglich beigelegt (Art. 7).

333

Schiedsverfahren

Jeder Streitfall, der auf dem Wege der Schlichtung nicht beigelegt wurde, kann einseitig einem Schiedsgericht zugeführt werden. Die Vertragsparteien können überdies vereinbaren, eine rechtliche Streitigkeit unter Übergehung des Vergleichsverfahrens unmittelbar einem Schiedsgericht zu unterbreiten (Art. 8).

Die Einsetzung des ad /zoc-Schiedsgerichts erfolgt gemäss den Regeln, die auf Vergleichskommissionen anwendbar sind (vgl. Ziff. 332), jedoch mit der Besonderheit, dass Ernennungen, die nach Ablauf der in Artikel 3 Buchstabe d vorgesehenen Frist von 150 Tagen nicht erfolgt sind, vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs oder, im Verhinderungsfall, von dessen Vizepräsidenten oder dem amtsältesten Mitglied des Gerichtshofs vorzunehmen sind (Art. 9).

Nach seiner Einsetzung legt das Schiedsgericht unter Rücksprache mit den Vertretern der Parteien selbst seinen Tagungsort und seine Verfahrensregeln fest. Dabei ist es an die gewohnheitsrechtlichen Grundsätze der Gleichheit der Parteien, des kontradiktorischen Charakters des Verfahrens sowie der Aufteilung des letzteren in einen schriftlichen und einen mündlichen Teil gebunden (Art. 11). Auf Ersuchen einer Partei oder aus eigenem Antrieb kann das Gericht vorsorgliche Massnahmen anordnen (Art. 10); der Vertrag enthält somit den Grundsatz der Rechtsverbindlichkeit vorsorglicher Massnahmen, der bereits in einigen neueren multilateralen Übereinkommen enthalten ist 16 '. Abwesenheit oder Nichtgeltendmachung der Rechtsmittel einer Partei vor Gericht steht der Fortführung des Schiedsverfahrens nicht im Weg (Art. 12).

Der Schiedsspruch ist innerhalb von neun Monaten nach Abschluss des Verfahrens zu fällen. Er muss sich auf die Regeln des Völkerrechts stützen; die Parteien können aber das Gericht einvernehmlich ermächtigen, einen Fall aufgrund von Billigkeitserwägungen (ex aequo et bono) zu entscheiden. Diese Klausel, welche

"' Siehe Artikel 290 der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen, welche am 10. Dezember 1982 zur Unterzeichnung aufgelegt wurde, sowie Artikel 6 Absatz l Buchstabe b eines Anhangs über Schiedsgerichtsbarkeit des dem Antarktisvertrag vom 1. Dezember 1959 beigefügten Protokolls über den Schutz der antarktischen Umwelt vom 4. Oktober 1991.

Die Schweiz hat beide Abkommen unterzeichnet.

1177

in zahlreichen Verträgen, darunter auch dem Statut des Internationalen Gerichtshofs (Art. 38 Abs. 2), enthalten ist, eignet sich besonders für den vorliegenden Vertrag, erlaubt dieser doch, sowohl politische als auch rechtliche Streitigkeiten einem Schiedsgericht zu unterbreiten. Der Schiedsspruch ist verbindlich und endgültig; er unterliegt keiner Berufung. Jede Partei kann jedoch innerhalb von 90 Tagen nach dessen Bekanntgabe vom Schiedsgericht eine Auslegung des Spruchs verlangen (Art. 13).

334

Allgemeine Bestimmungen

Die Regeln des Vertrags sind nicht unabänderlich; die Parteien können im gegenseitigen Einverständnis davon abweichen (Art. 14 Abs. 2).

Neben den besonderen Bestimmungen über vorsorgliche Massnahmen (Art. 4 und 10) enthält der Vertrag eine Klausel, die einen allgemeinen G,rundsatz des Völkerrechts wiedergibt: Während des Verfahrens sind die Vertragsparteien verpflichtet, sich jeder Handlung zu enthalten, welche die Situation verschlimmern oder die Beilegung der Streitigkeit durch die im Vertrag geschaffenen Mittel erschweren oder verhindern könnte (Art. 15).

Artikel 16 beruht auf einem anderen allgemeinen Grundsatz des Völkerrechts: Er bestimmt, dass die durch den Vertrag vorgesehenen ad /zoc-Organe über ihre eigene Zuständigkeit entscheiden. Dieser Grundsatz ist wesentlich, denn wenn diese Befugnis den Vertragsstaaten überlassen würde, könnte jeder Staat versuchen, die vertraglich geschaffenen Verfahren durch willkürliche einseitige Auslegungen zu behindern.

; Artikel 17 stellt die üblichen Kostenregeln auf: Die durch Vergleichskommissionen und Schiedsgerichte Verursachten Ausgaben werden zwischen den Vertragsparteien aufgeteilt; umgekehrt trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, d. h. die durch die Darstellung der eigenen Thesen verursachten Auslagen.

Der Vertrag, der mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft tritt, ist auf fünf Jahre abgeschlossen und wird anschliessend stillschweigend für weitere Zeiträume von fünf Jahren erneuert. Er kann jeweils sechs Monate vor Ablauf dieser Zeiträume gekündigt werden. Ist bei Erlöschen des Vertrags ein Vergleichs-oder Schiedsverfahren hängig, nimmt dieses grundsätzlich nach den Bestimmungen des Vertrags seinen Fortgang (Art. 18 Abs. 2 und 3).

34

Gesamtbeurteilung

Letzten Endes ermöglicht es der neue Vertrag zwischen der Schweiz und Polen, jede zwischen den beiden Staaten inskünftig entstehende Streitigkeit rechtlich verbindlich zu regeln. Er entspricht somit auf der ganzen Linie der von der Schweiz seit 1919 im Bereich der friedlichen Streitbeilegung verfolgten Politik. Er geht über die Regeln des neuen Übereinkommens über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE hinaus (vgl. Ziff. 2).

Der Vertrag berücksichtigt überdies die Gebote der Einfachheit, der Wirtschaftlichkeit und der Mitwirkung der Parteien an der Bestellung der Streitregelungsorgane. Diese Organe haben nur drei Mitglieder; eine Drittinstanz schaltet sich bei 1178

deren Ernennung nur dann ein, wenn sich die beiden Parteien nicht einigen können oder wenn eine Partei es unterlassen hat, ihr eigenes Mitglied zu ernennen.

Gleichwohl ist die automatische Bestellung der Organe vollumfänglich sichergestellt.

4

Der Schieds- und Vergleichsvertrag mit Ungarn

41

Allgemeines, Entstehung und Hauptmerkmale

Der am 13. Juli 1992 mit Ungarn ausgehandelte Schieds- und Vergleichsvertrag ersetzt den Schieds-und Vergleichsvertrag, der am 18. Juni 1924 zwischen den beiden Staaten abgeschlossen worden war (BS //, 376) und noch in Kraft steht. Nach dem Text von 1924 kann jede Streitigkeit zwischen den beiden Staaten, die nicht innerhalb einer vernünftigen Frist auf diplomatischem Wege geregelt wird, einseitig einem einzigen Schlichter vorgelegt werden. Letzterer wird entweder einvernehmlich oder, wenn zwischen den Parteien keine Einigung zustandekommt, durch Ihre Majestät die Königin der Niederlande ernannt. Wenn das Vergleichsverfahren zu keiner Lösung führt, kann eine völkerrechtliche Streitigkeit von jeder Vertragspartei einem einvernehmlich gebildeten ad /7Oc-Schiedsgericht vorgelegt werden, oder, falls innerhalb von sechs Monaten kein Einvernehmen erreicht wird, dem Internationalen Gerichtshof.

Der Vertrag von 1924 unterscheidet also rechtliche von politischen Streitfällen.

Während sämtliche Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien einem Vergleichsverfahren zugeführt werden können, sind nur rechtliche Streitfälle - und auch diese erst nach einem erfolglosen Vergleichsverfahren - einem gerichtlichen Verfahren unterwerfbar. Wäre es nicht einfacher gewesen, wenn schon zwischen rechtlichen und anderen Streitigkeiten unterschieden wird, erstere unter Einlassungszwang auf direktem Wege einem Schiedsgericht zuzuleiten, ohne den Umweg über ein Vergleichsverfahren, wogegen letzteres politischen Streitigkeiten vorbehalten wäre? Der Vertrag von 1924 ist in einer weiteren Hinsicht bedenklich: Die Hinzuziehung eines einzigen Schlichters genügt den modernen Anforderungen nicht mehr, ebensowenig wie die Vorschrift, diesen Schlichter gegebenenfalls durch einen ausländischen Herrscher ernennen zu lassen. Schliesslich mag es auch wenig sinnvoll sein, das zwingende gerichtliche Entscheidungsverfahren auf den Haager Gerichtshof zu beschränken.

Diese drei Einwände sind anlässlich der Verhandlungen zum Abschluss des neuen Vergleichs- und Schiedsvertrags zwischen der Schweiz und Ungarn berücksichtigt worden. Dieses Vertragswerk räumt jedem Vertragsstaat die Möglichkeit ein, eine innerhalb von sechs Monaten auf diplomatischem Wege nicht beigelegte rechtliche Streitigkeit einem aus drei Personen zusammengesetzten ad
hocSchiedsgericht zu unterbreiten. Politische Streitigkeiten können ihrerseits einer ebenfalls aus drei Personen gebildeten ad hoc-Vergleichskommission vorgelegt werden. Somit ist die im Vertrag von 1924 begründete Unterscheidung rechtlicher und anderer Streitfälle beibehalten worden: Erstere können rechtlich zwingend beigelegt werden, letztere werden einem obligatorischen Vergleichsverfahren unterstellt. In quantitativer Hinsicht ist dies weniger als die im Vertrag mit Polen getroffene Regelung (vgl. Ziff. 34), doch ist es immer noch beachtlich.

1179

42

Grobanalyse

Inhaltlich sind die Bestimmungen des hier zu erörternden Vertrags meist identisch mit denjenigen des Vertrags mit Polen, weshalb es möglich ist, hier nur die fünf wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Vertragswerken darzulegen.

Für die übrigen Bestimmungen sei auf die vorstehende Beschreibung des Vertrags mit Polen verwiesen (vgl. Ziff.33).

Der erste, bedeutendste Unterschied ist schon angesprochen worden (vgl.

Ziff. 41): Der Vertrag mit Ungarn unterscheidet rechtliche von politischen Streitigkeiten. Erstere können unmittelbar einem Schiedsgericht vorgelegt werden, dessen Spruch rechtlich zwingend ist. Diese Lösung besticht durch ihre Einfachheit: Die vorgängige Einleitung eines Vergleichsverfahrens erübrigt sich. Politische Streitfälle können dagegen nur einem Vergleichsverfahren zugewiesen werden, dessen Ergebnis rechtlich nicht bindend ist. Folglich besteht weder eine Sequenz Vergleichsverfahren-Schiedsgericht noch ein für alle Konfliktarten offenstehendes Schiedsverfahren. Rechtliche Streitfälle werden in Artikel 2 des Vertrags mit Ungarn als Konflikte definiert, in denen «sich die Parteien gegenseitig ein Recht streitig machen» 17 >, während alle nicht unter diese Definition fallenden Auseinandersetzungen politischer Natur sind.

Der zweite Unterschied betrifft das Vergleichsverfahren. Artikel 12 des Vertrags mit Ungarn sieht im Gegensatz zu Artikel 6 des Vertrags mit Polen nicht vor, dass die Kommission auch bei Abwesenheit einer Partei ihre Arbeit fortführen kann; diese Auslassung wird teilweise durch Artikel 14 - der Vertrag mit Polen: enthält keine gleichartige Bestimmung - kompensiert, welcher festlegt, dass auch der Fehlschlag eines Vergleichsverfahrens die Parteien der Pflicht nicht enthebt, ihre Bemühungen um eine friedliche Beilegung der Streitigkeit fortzusetzen.

Im Vertrag mit Ungarn (Art. 13 Abs. 1) werden der Vergleichskommission nach Abschluss des Verfahrens neun Monate (Vertrag mit Polen: sechs Monate) eingeräumt, um ihren mit Empfehlungen versehenen Bericht auszuarbeiten. Dies ist der dritte inhaltliche Unterschied zwischen den beiden Vertragswerken.

Der vierte Unterschied bezieht sich auf den zeitlichen Anwendungsbereich: Die Anwendung des Vertrags mit Polen ist auf Streitigkeiten begrenzt, die nach Inkrafttreten des Vertrags entstehen (Art. 14, vgl. Ziff. 331). Der
Vertrag mit Ungarn enthält keine derartige Einschränkung (vgl. Art. 16).

Als fünfter und letzter Unterschied ist schliesslich zu erwähnen, dass Artikel 19 Absatz 3 des Vertrags mit Ungarn den früheren Vertrag mit diesem Land vom 18. Juni 1924 aufhebt. Eine entsprechende Klausel ist im Falle Polens überflüssig, da der Vertrag vom 7. März 1925 mit diesem Staat nicht mehr in Kraft ist.

43

Gesamtbeurteilung

Der Vertrag mit Ungarn weist alle Vorzüge des mit Polen abgeschlossenen; Vertrages auf (vgl. Ziff. 34), mit der Einschränkung, dass nur rechtliche Streitfälle einer 171

Diese Definition ist Artikel 17 der Generalakte zur friedlichen Beilegung völkerrechtlicher Streitigkeiten vom 26. September 1928 (SR 0.193.213) entnommen.

1180

zwingenden Lösung zugeführt werden können. Auch dieser Vertrag geht indes weiter als das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE.

5

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die mit Polen und Ungarn abgeschlossenen Vergleichs- und Schiedsverträge ziehen weder finanzielle Lasten noch Auswirkungen auf den Personaletat nach sich.

Auslagen entstehen erst im Falle einer Auslösung der in diesen Abkommen vorgesehenen Verfahren durch eine Streitpartei.

6

Legislaturplanung

Die Vergleichs- und Schiedsverträge mit Polen und Ungarn sind in der Legislaturplanung nicht vorgesehen. Die politischen Wandlungen der letzten Jahre und Monate haben es als angezeigt erscheinen lassen, mit den Staaten Mittel- und Osteuropas zeitgemässe bilaterale Vergleichs- und Schiedsverträge einzugehen, wobei sich Polen und Ungarn als erste Partner anboten.

7

Verfassungsmässigkeit

Die Verträge mit Polen und Ungarn sind kündbar (vgl. Ziff. 33 und 42); sie bewirken weder den Beitritt zu einer internationalen Organisation noch eine multilaterale Rqchtsvereinheitlichung. Auch was diese beiden Verträge betrifft, untersteht der Ihnen zur Genehmigung vorgelegte Bundesbeschluss nicht dem fakultativen Referendum nach Artikel 89 Absatz 3 BV

1181

Bundesbeschluss

Entwurf

betreffend das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), den Vergleichs- und Schiedsvertrag mit Polen sowie den Schieds- und Vergleichsvertrag mit Ungarn

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 8 der Bundesverfassung, nach Einsicht in die, Botschaft des Bundesrates vom 19. Mai 1993, " beschliesst: Art. l 1 Das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE, welches von der Schweiz am 15. Dezember 1992 unterzeichnet worden ist, sowie das beiliegende Finanzprotokoll werden angenommen.

2 Der Bundesrat wird ermächtigt, das Übereinkommen mit dem folgenden Vorbehalt zu ratifizieren: «In Anwendung von Artikel 19 Absatz 4 behält sich der schweizerische Bundesrat die Vergleichs-und gerichtlichen Verfahren vor, die in den von der Schweiz abgeschlossenen und abzuschliessenden bilateralen Verträgen vorgesehen sind, soweit diese Verfahren einseitig eingeleitet werden können. Er behält sich auch ad hoc vereinbarte und zu vereinbarende Vergleichs- und Gerichtsverfahren für einen besonderen Streitfall oder eine Reihe von besonderen Streitfällen vor.» 3 Der Bundesrat wird ermächtigt, zu einem ihm geeignet scheinenden Zeitpunkt durch eine einseitige Erklärung das in Artikel 26 Absatz 2 des Übereinkommens vorgesehene Schiedsverfahren anzunehmen.

4 Die Beiträge an das Budget des Vergleichs- und Schiedsgerichtshofs der KSZE werden gemäss dem in letzterer geltenden Beitragschlüssel berechnet, wobei dieser an die Anzahl der Vertragsparteien anzupassen ist. Der Bundesrat wird ermächtigt, die Mietkosten und die laufenden Auslagen für die Räumlichkeiten des Gerichtshofs sowie für deren Ausstattung, Unterhalt, Versicherung und Sicherheit zunächst für eine Dauer von drei Jahren zu übernehmen.

Art. 2 1 Der am 20. Januar 1993 zwischen der Schweiz und Polen unterzeichnete Vergleichs- und Schiedsvertrag wird angenommen.

2 Der Bundesrat wird ermächtigt, den Vertrag zu ratifizieren.

" BB11993II 1153

1182

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE und mit Polen sowie mit Ungarn. BB

Art. 3 1 Der am 17. Dezember 1992 zwischen der Schweiz und Ungarn unterzeichnete Schieds- und Vergleichsvertrag wird angenommen.

2 Der Bundesrat wird ermächtigt, den Vertrag zu ratifizieren.

Art. 4 Dieser Beschluss unterliegt nicht dem Staatsvertragsreferendum.

6161

1183

Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

Originaltext

Abgeschlossen am 15. Dezember 1992 in Stockholm

Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens, die Teilnehmerstaaten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, im Bewusstsein ihrer Verpflichtung aus Artikel 2 Absatz 3 und Artikel 33 der Charta der Vereinten Nationen, ihre Streitigkeiten friedlich beizulegen; hervorhebend, dass sie in keiner Weise beabsichtigen, die Zuständigkeit anderer bestehender Einrichtungen oder Mechanismen, einschliesslich des Internationalen Gerichtshofs, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Ständigen Schiedshofs, zu beeinträchtigen; in Bekräftigung ihrer feierlichen Verpflichtung, Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beizulegen, und ihres Beschlusses, Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Teilnehmerstaaten zu entwickeln; eingedenk dessen, dass allein schon die vollständige Verwirklichung aller KSZEPrinzipien und -Verpflichtungen ein wesentliches Element zur Verhinderung von Streitigkeiten zwischen den KSZE-Teilnehmerstaaten ist; bestrebt, die Verpflichtungen zu erweitern und zu verstärken, die insbesondere im Bericht über das Expertentreffen über die friedliche Regelung von Streitfällen, der in La Valletta angenommen und von dem KSZE-Rat der Aussenminister auf seinem Treffen am 19. und 20. Juni 1991 in Berlin gebilligt wurde, enthalten sind; sind wie folgt übereingekommen: Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen Artikel! Errichtung des Gerichtshofs Es wird ein Vergleichs- und Schiedsgerichtshof errichtet, der die Aufgabe hat, durch das Mittel des Vergleichs und gegebenenfalls der Schiedsgerichtsbarkeit die Streitigkeiten beizulegen, die ihm gemäss den Bestimmungen dieses Übereinkommens unterbreitet werden.

Artikel 2 Vergleichskommissionen und Schiedsgerichte (1) Das Vergleichsverfahren wird von einer Vergleichskommission durchgeführt, die für jede einzelne Streitigkeit gebildet wird. Die Kommission setzt sich 1184

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

aus Schlichtern zusammen, die anhand einer gemäss Artikel 3 erstellten Liste bestellt werden.

(2) Das Schiedsverfahren wird von einem Schiedsgericht durchgeführt, das für jede einzelne Streitigkeit gebildet wird. Das Gericht setzt sich aus Schiedsrichtern zusammen, die anhand einer gemäss Artikel 4 erstellten Liste bestellt werden.

(3) Die Gesamtheit der Schlichter und Schiedsrichter bildet den Vergleichs- und Schiedsgerichtshof innerhalb der KSZE, im folgenden «Gerichtshof» genannt.

Artikel 3 Ernennung der Schlichter (1) Jeder Vertragsstaat dieses Übereinkommens ernennt innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten des Übereinkommens zwei Schlichter, von denen mindestens einer sein Staatsangehöriger ist. Der andere kann Staatsangehöriger eines anderen KSZE-Teilnehmerstaats sein. Ein Staat, der nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens Vertragspartei wird, ernennt seine Schlichter innerhalb von zwei Monaten, nachdem das Übereinkommen für ihn in Kraft getreten ist.

(2) Die Schlichter müssen Personen sein, die hohe innerstaatliche oder internationale Funktionen ausüben oder ausgeübt haben, und anerkannte Fachleute auf dem Gebiet des Völkerrechts, der internationalen Beziehungen oder der Streitbeilegung sind.

(3) Die Schlichter werden für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt; Wiederernennung ist zulässig. Während ihrer Amtszeit können sie vom ernennenden Staat nicht abberufen werden. Im Fall des Todes, des Rücktritts oder einer vom Präsidium anerkannten Verhinderung ernennt der betreffende Staat einen neuen Schlichter; dessen Amtszeit entspricht der verbleibenden Amtszeit seines Vorgängers.

' .

(4) Nach Ablauf ihrer Amtszeit setzen die Schlichter die Behandlung aller Fälle fort, mit denen sie bereits befasst sind.

(5) Die Namen der Schlichter werden dem Kanzler notifiziert, der sie in eine Liste einträgt, welche dem KSZE-Sekretariat zur Weiterleitung an die KSZETeilnehmerstaaten übermittelt wird.

Artikel 4 Ernennung der Schiedsrichter (1) Jeder Vertragsstaat dieses Übereinkommens ernennt innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten des Übereinkommens einen Schiedsrichter und einen Stellvertreter, die seine eigenen Staatsangehörigen oder Staatsangehörige eines anderen KSZE-Teilnehmerstaats sein können. Ein Staat, der nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens Vertragspartei wird, ernennt seinen Schiedsrichter und dessen Stellvertreter innerhalb von zwei Monaten, nachdem das Übereinkommen für ihn in Kraft getreten ist.

Bundesblatt 145.Jahrgang. Bd.II

1185

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

(2) Die Schiedsrichter und ihre Stellvertreter müssen die in ihrem Staat für die höchsten richterlichen Ämter erforderlichen Voraussetzungen erfüllen oder Völkerrechtsgelehrte von anerkanntem Ruf sein.

(3) Die Schiedsrichter und ihre Stellvertreter werden für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt; einmalige Wiederernennung ist zulässig. Während ihrer Amtszeit können sie vom ernennenden Staat nicht abberufen werden. Im Fall des Todes, des Rücktritts oder einer vom Präsidium anerkannten Verhinderung eines Schiedsrichters tritt sein Stellvertreter an seine Stelle.

(4) Wenn ein Schiedsrichter und sein Stellvertreter sterben, zurücktreten oder beide verhindert sind, wobei die Verhinderung vom Präsidium anerkannt ist, werden Neuernennungen gemäss Absatz l vorgenommen. Der neue Schiedsrichter und sein Stellvertreter beenden die Amtszeit ihrer Vorgänger.

(5) Die Verfahrensordnung des Gerichtshofs kann eine teilweise Neuernennung der Schiedsrichter und ihrer Stellvertreter vorsehen.

(6) Nach Ablauf ihrer Amtszeit setzen die Schiedsrichter die Behandlung aller Fälle fort, mit denen sie bereits befasst sind.

(7) Die Namen der Schiedsrichter werden dem Kanzler notifiziert, der sie in eine Liste einträgt, welche dem KSZE-Sekretariat zur Weiterleitung an die KSZETeilnehmerstaaten übermittelt wird.

Artikel 5 Unabhängigkeit der Mitglieder des Gerichtshofs und des Kanzlers Die Schlichter, die Schiedsrichter und der Kanzler üben ihr Amt in völliger Unabhängigkeit aus. Vor Aufnahme ihrer Tätigkeit geben sie eine Erklärung a,b, dass sie ihre Befugnisse unparteiisch und gewissenhaft ausüben werden.

; Artikel 6 Vorrechte und Immunitäten Die Schlichter, die Schiedsrichter, der Kanzler sowie die Bevollmächtigten und die Rechtsbeistände der Streitparteien geniessen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten dieses Übereinkommens die Vorrechte und Immunitäten, die den mit dem Internationalen Gerichtshof im Zusammenhang stehenden Personen gewährt werden.

Artikel 7 Präsidium des Gerichtshofs (1) Das Präsidium des Gerichtshofs besteht aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und drei weiteren Mitgliedern.

(2) Der Präsident des Gerichtshofs wird von den Mitgliedern des Gerichtshofs aus ihren eigenen Reihen gewählt. Der Präsident führt den Vorsitz im Präsidium.

(3) Die Schlichter und
die Schiedsrichter wählen aus ihren eigenen Reihen je zwei Mitglieder des Präsidiums und deren Stellvertreter.

(4) Das Präsidium wählt seinen Vizepräsidenten aus den Reihen seiner Mitglieder. Ist der Präsident ein Schiedsrichter, so wird ein Schlichter zum Vizepräsiden-

1186

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

ten gewählt; ist der Präsident ein Schlichter, so wird ein Schiedsrichter zum Vizepräsidenten gewählt.

(5) Die Verfahrensordnung des Gerichtshofs legt die Verfahren für die Wahl des Präsidenten und der anderen Mitglieder des Präsidiums und deren Stellvertreter fest.

Artikels Entscheidungsfindungsverfahren (1) Die Entscheidungen des Gerichtshofs werden mit der Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder gefasst. Stimmenthaltungen gelten als nicht abgegebene Stimmen.

(2) Die Entscheidungen des Präsidiums werden mit der Mehrheit seiner Mitglieder gefasst.

(3) Die Entscheidungen der Vergleichskommissionen und der Schiedsgerichte werden mit der Mehrheit ihrer Mitglieder gefasst; Stimmenthaltung ist nicht zulässig.

(4) Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

Artikel 9 Kanzler Der Gerichtshof ernennt seinen Kanzler und kann für die Ernennung der erforderlichen sonstigen Bediensteten sorgen. Die Personalordnung für die Kanzlei wird vom Präsidium ausgearbeitet und von den Vertragsstaaten dieses Übereinkommens angenommen.

Artikel 10 Sitz (1) Sitz des Gerichtshofs ist Genf.

(2) Auf Antrag der Streitparteien und mit Zustimmung des Präsidiums kann eine Vergleichskommission oder ein Schiedsgericht an einem anderen Ort zusammentreten.

Artikel 11 Verfahrensordnung des Gerichtshofs (1) Der Gerichtshof gibt sich eine Verfahrensordnung, die der Billigung durch die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens bedarf.

(2) Die Verfahrensordnung des Gerichtshofs legt insbesondere die Verfahrensregeln fest, die von den Vergleichskommissionen und den Schiedsgerichten anzuwenden sind, die aufgrund dieses Übereinkommens gebildet werden. Sie bezeichnet die Regeln, von denen die Streitparteien auch einvernehmlich nicht abweichen dürfen.

Artikel 12 Arbeitssprachen Die Verfahrensordnung des Gerichtshofs legt Regeln für die Verwendung der Sprachen fest.

1187

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

Artikel 13 Finanzprotokoll Vorbehaltlich des Artikels 17 werden alle Kosten des Gerichtshofs von den Vertragsstaaten dieses Übereinkommens getragen. Die Bestimmungen über die Berechnung der Kosten, die Erstellung und Billigung des Jahreshaushaits des Gerichtshofs, die Verteilung der Kosten auf die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens, die Prüfung der Bücher des Gerichtshofs und damit zusammenhängende Angelegenheiten sind in einem vom Ausschuss Hoher Beamter anzunehmenden Finanzprotokoll enthalten. Ein Staat ist an das Protokoll gebunden, sobald er Vertragspartei des Übereinkommens wird.

Artikel 14 Regelmässiger Bericht , Das Präsidium legt dem KSZE-Rat über den Ausschuss Hoher Beamter'alljährlich einen Bericht über die Tätigkeiten im Rahmen dieses Übereinkommens vor.

Artikel 15 Mitteilung über Ersuchen um Vergleichs- oder Schiedsverfahren Der Kanzler des Gerichtshofs teilt dem: KSZE-Sekretariat alle Ersuchen um Vergleichs- oder Schiedsverfahren zum Zweck der unverzüglichen Weiterleitung an die KSZE-Teilnehmerstaaten mit.

Artikel 16 Verhaltensregeln für die Parteien - Einstweilige Massnahmen (l ) Während des Verfahrens enthalten sich die Streitparteien jeder Handlung,, welche die Lage verschärfen oder die Beilegung der Streitigkeit weiter erschweren oder verhindern kann.

(2) Die Vergleichskommission kann die Parteien der Streitigkeit, mit der sie befasst ist, auf Massnahmen hinweisen, die diese ergreifen könnten, um eine Verschärfung der Streitigkeit oder eine Erschwerung ihrer Beilegung zu verhindern.

(3) Das für eine Streitigkeit gebildete Schiedsgericht kann einstweilige Massnahmen bezeichnen, die-von den Streitparteien gemäss Artikel 26 Absatz 4 ergriffen werden sollten.

Artikel 17 Verfahrenskosten Die Streitparteien und jede einem Verfahren beitretende Partei tragen ihre eigenen Kosten.

, Kapitel II:

Zuständigkeit

Artikel 18 Zuständigkeit der Kommission und des Gerichts (1) Jeder Vertragsstaat 'dieses Übereinkommens kann einer Vergleichskommission jede Streitigkeit mit einem anderen Vertragsstaat unterbreiten, die nicht in angemessener Frist durch Verhandlung beigelegt worden ist.

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

(2) Streitigkeiten können einem Schiedsgericht unter den in Artikel 26 angeführten Voraussetzungen unterbreitet werden.

Artikel 19 Wahrung bestehender Mittel der Streitbeilegung (1) Eine Vergleichskommission oder ein Schiedsgericht, die für eine Streitigkeit gebildet wurden, werden in dieser nicht weiter tätig: a) wenn die Streitigkeit, bevor sie der Kommission oder dem Gericht unterbreitet worden ist. einem Gerichtshof oder einem Schiedsgericht vorgelegt worden war, dessen Zuständigkeit in der Streitigkeit die beteiligten Parteien anzuerkennen rechtlich verpflichtet sind, oder wenn eine solche Instanz bereits eine Sachentscheidung über die Streitigkeit getroffen hat; b) wenn die Streitparteien im voraus die ausschliessliche Zuständigkeit eines anderen Rechtsprechungsorgans als des im Rahmen dieses Übereinkommens gebildeten Gerichts anerkannt haben, das zuständig ist, über die ihm unterbreitete Streitigkeit verbindlich zu entscheiden, oder wenn die beteiligten Parteien übereingekommen sind, die Beilegung der Streitigkeit ausschliesslich mit anderen Mitteln anzustreben.

(2) Eine für eine Streitigkeit gebildete Vergleichskommission wird nicht weiter tätig - selbst wenn ihr die Streitigkeit bereits unterbreitet wurde -, wenn eine oder alle Parteien die Streitigkeit einem Gerichtshof oder Schiedsgericht unterbreiten, dessen Zuständigkeit in der Streitigkeit die beteiligten Parteien anzuerkennen rechtlich verpflichtet sind.

(3) Eine Vergleichskommission setzt die Prüfung einer Streitigkeit aus, wenn diese einem anderen Qrgan vorgelegt worden ist, das die Zuständigkeit hat, Vorschläge zu derselben Streitigkeit abzugeben. Kann die Streitigkeit durch diese vorherigen Bemühungen nicht beigelegt werden, so nimmt die Kommission auf Ersuchen der Streitparteien oder einer von ihnen ihre Arbeit vorbehaltlich des Artikels 26 Absatz l wieder auf.

(4) Ein Staat kann zum Zeitpunkt der Unterzeichnung, Ratifikation oder des Beitritts zu diesem Übereinkommen einen Vorbehalt anbringen, um die Vereinbarkeit des in diesem Übereinkommen festgelegten Streitbeilegungsmechanismus mit anderen Mitteln der Streitbeilegung sicherzustellen, die sich aus internationalen Verpflichtungen ergeben, die auf diesen Staat anwendbar sind.

(5) Gelangen die Parteien zu irgendeinem Zeitpunkt zu einer Beilegung ihrer Streitigkeit, so
streicht die Kommission oder das Gericht die Streitigkeit aus ihrer Liste, sobald eine schriftliche Bestätigung aller beteiligten Parteien eingegangen ist, dass sie eine Beilegung der Streitigkeit erreicht haben.

(6) Haben die Streitparteien unterschiedliche Auffassungen über die Zuständigkeit der Kommission oder des Gerichts, so entscheidet die Kommission oder das Gericht.

:

1189

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

Kapitel III: Vergleichsverfahren Artikel 20 Ersuchen um Bildung einer Vergleichskommission (l ) Jeder Vertragsstaat dieses Übereinkommens kann einen Antrag an den Kanzler richten, in dem er um Bildung einer Vergleichskommission für eine Streitigkeit zwischen sich und einem oder mehreren anderen Vertragsstaaten ersucht.

Zwei oder mehr Vertragsstaaten können auch gemeinsam einen Antrag an den : Kanzler richten.

(2) Die Bildung einer Vergleichskommission kann auch aufgrund einer Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten oder zwischen einem oder mehreren Vertragsstaaten und einem oder mehreren anderen KSZE-Teilnehmerstaaten beantragt werden. Die Vereinbarung wird dem Kanzler notifiziert.

Artikel 21 Bildung der Vergleichskommission (1) Jede Streitpartei bestellt anhand der gemäss Artikels erstellten Liste der Schlichter einen Schlichter zum Mitglied der Kommission.

(2) Sind mehr als zwei Staaten Parteien derselben Streitigkeit, so können die Staaten mit gleichen Interessen einvernehmlich einen einzigen Schlichter bestellen. Wird ein solches Einvernehmen nicht erzielt, so bestellt jede der beiden Seiten der Streitigkeit die gleiche Anzahl von Schlichtern bis zu einer vom Präsidium bestimmten Höchstzahl.

(3) Ein Staat, der Partei einer der Vergleichskommission unterbreiteten Streitigkeit ist, ohne Vertragspartei dieses Übereinkommens zu sein, kann eine Person entweder anhand der gemäss Artikel 3 erstellten Liste der Schlichter oder unter anderen Personen, die Staatsangehörige eines KSZE-Teilnehmerstaats sind, zum Mitglied der Kommission bestellen. In diesem Fall haben diese Personen zum Zweck der Prüfung der Streitigkeit dieselben Rechte und Pflichten wie die anderen Mitglieder der Kommission. Sie üben ihre Aufgaben in voller Unabhängigkeit aus und geben die in Artikel 5 vorgesehene Erklärung ab, bevor sie ihren Sitz in der Kommission einnehmen.

(4) Sobald der Antrag oder die Vereinbarung eingegangen ist, mit denen die Streitparteien um Bildung einer Vergleichskommission ersuchen, konsultiert der Präsident des Gerichtshofs die Streitparteien hinsichtlich der Zusammensetzung der übrigen Kommission.

(5) Das Präsidium bestellt drei weitere Schlichter zu Mitgliedern der Kommission. Diese Zahl kann vom Präsidium erhöht oder verringert werden, sie muss jedoch ungerade sein. Mitglieder des
Präsidiums und ihre Stellvertreter,, die auf der Liste der Schlichter stehen, können zu Kommissionsmitgliedern bestellt wer^ den.

: (6) Die Kommission wählt ihren Vorsitzenden aus den Reihen der vom Präsidium bestellten Mitglieder.

1190

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

(7) Die Verfahrensordnung des Gerichtshofs legt die Verfahren fest, die Anwendung finden, wenn eines der bestellten Kommissionsmitglieder abgelehnt wird oder zu Beginn oder im Verlauf des Verfahrens verhindert ist oder sich weigert, als Kommissionsmitglied tätig zu sein.

(8) Jede Frage bezüglich der Anwendung dieses Artikels wird vom Präsidium als Vorfrage entschieden.

Artikel 22 Verfahren zur Bildung einer Vergleichskommission (1) Wird mittels eines Antrags um Bildung einer Vergleichskommission ersucht, so sind in dem Antrag der Streitgegenstand, die Partei oder die Parteien, gegen die sich der Antrag richtet, sowie der Name des Schlichters oder der Schlichter anzugeben, die von der oder den antragstellenden Streitparteien bestellt werden.

In dem Antrag sind auch kurz die bereits in Anspruch genommenen Mittel der Streitbeilegung anzugeben.

(2) Sobald ein Antrag eingegangen ist, notifiziert der Kanzler dies der oder den anderen in dem Antrag angegebenen Streitparteien. Die andere oder anderen Streitparteien bestellen innerhalb von fünfzehn Tagen nach der Notifikation den oder die Schlichter ihrer Wahl zum Mitglied der Kommission. Haben eine oder mehrere Streitparteien innerhalb dieser Frist das oder die Kommissionsmitglieder, zu deren Bestellung sie berechtigt sind, nicht bestellt, so bestellt das Präsidium die entsprechende Anzahl von Schlichtern. Diese Bestellung wird aus den Reihen der gemäss Artikel 3 von der oder von jeder betroffenen Partei ernannten Schlichter vorgenommen, oder, sollten diese Parteien noch keine Schlichter ernannt haben, aus den Reihen der anderen Schlichter, die nicht von der oder den anderen Streitparteien ernannt wurden.

(3) Wird mittels einer Vereinbarung um Bildung einer Vergleichskommission ersucht, so ist in der Vereinbarung der Streitgegenstand anzugeben. Gibt es keine völlige oder teilweise Übereinstimmung hinsichtlich des Streitgegenstands, so kann jede beteiligte Partei ihren eigenen Standpunkt zu dem Streitgegenstand darlegen.

(4) Gleichzeitig mit dem Ersuchen um Bildung einer Vergleichskommission mittels Vereinbarung notifiziert jede Partei dem Kanzler den Namen des Schlichters oder der Schlichter, die sie zu Mitgliedern der Kommission bestellt hat.

Artikel 23 Vergleichsverfahren (1) Das Vergleichsverfahren ist vertraulich; alle Streitparteien haben das
Recht, gehört zu werden. Vorbehaltlich der Artikel 10 und 11 und der Verfahrensordnung des Gerichtshofs bestimmt die Vergleichskommission nach Konsultation der Streitparteien das Verfahren.

(2) Sofern die Streitparteien damit einverstanden sind, kann die Vergleichskommission jeden Vertragsstaat dieses Übereinkommens, der ein Interesse an der Beilegung der Streitigkeit hat, zum Beitritt zum Verfahren einladen.

1191

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

Artikel 24 Ziel des Vergleichs Die Vergleichskommission hilft den Parteien, eine Beilegung ihrer Streitigkeit gemäss dem Völkerrecht und ihren KSZE-Verpflichtungen zu finden.

Artikel 25 Ergebnis des Vergleichs (l ) Gelangen die Streitparteien während des Verfahrens mit Hilfe der Vergleichskommission zu einer für alle Seiten annehmbaren Lösung, so halten sie die Bedingungen dieser Lösung in einem Ergebnisprotokoll fest, das von ihren Vertretern und den Mitgliedern der Kommission unterzeichnet wird. Mit der Unterzeichnung dieser Urkunde ist das Verfahren abgeschlossen. Der KSZE-Rat wird über den Ausschuss Hoher Beamter von dem erfolgreichen Vergleich unterrichtet.

(2) Gelangt die Vergleichskommission zu der Auffassung, dass alle Gesichtspunkte der Streitigkeit und alle Möglichkeiten, eine Lösung herbeizuführen, geprüft worden sind, so arbeitet sie einen Schlussbericht aus. Dieser Bericht enthält die Vorschläge der Kommission zur friedlichen Beilegung der Streitigkeit.

(3) Der Bericht der Vergleichskommission wird den Streitparteien notifiziert; diese verfügen über eine Frist von dreissig Tagen, um den Bericht zu prüfen und dem Vorsitzenden der Kommission mitzuteilen, ob sie bereit sind, die vorgeschlagene Lösung anzunehmen.

(4) Nimmt eine Streitpartei die vorgeschlagene Lösung nicht an, so sind die anderen Parteien nicht länger an ihre eigene Annahme der Lösung gebunden.

(5) Haben die Streitparteien die vorgeschlagene Lösung nicht innerhalb der in Absatz 3 festgelegten Frist angenommen, so wird der Bericht dem KSZE-Rat über den Ausschuss Hoher Beamter zugeleitet.

(6) Ein Bericht zur sofortigen Notifikation des KSZE-Rates über den Ausschuss Hoher Beamter wird auch über die Umstände erstellt, unter denen eine Partei nicht zum Vergleichsverfahren erscheint oder ein Verfahren nach dessen Beginn verlässt.

Kapitel IV:

Schiedsverfahren

Artikel 26 Ersuchen um Bildung eines Schiedsgerichts (1) Ein Ersuchen um ein Schiedsverfahren kann jederzeit aufgrund einer Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten dieses Übereinkommens oder zwischen einem oder mehreren, Vertragsstaaten des Übereinkommens und einem oder mehreren anderen KSZE-Teilnehmerstaaten gestellt werden.

(2) Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens können jederzeit durch eine an den Verwahrer gerichtete Mitteilung erklären, dass sie unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts ipso facto und ohne besondere Übereinkunft als obligatorisch anerkennen. Diese Erklärung kann für unbestimmte Zeit oder für eine bestimmte Zeit abgegeben werden. Sie kann für 1192

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

alle Streitigkeiten gelten oder Streitigkeiten ausschliessen, die Fragen ihrer territorialen Integrität oder ihrer Landesverteidigung, ihrer Hoheitsansprüche auf Landgebiete oder konkurrierende Ansprüche hinsichtlich der Hoheitsgewalt über andere Gebiete berühren.

(3) Ein Ersuchen um ein Schiedsverfahren gegen einen Vertragsstaat dieses Übereinkommens, der eine Erklärung nach Absatz 2 abgegeben hat, kann erst nach Ablauf von dreissig Tagen mittels eines Antrags an den Kanzler gestellt werden, nachdem der Bericht der mit der Streitigkeit befassten Vergleichskommission an den KSZE-Rat gemäss Artikel 25 Absatz 5 übermittelt worden ist.

(4) Wird eine Streitigkeit gemäss diesem Artikel einem Schiedsgericht unterbreitet, so kann das Gericht von sich aus oder auf Ersuchen einer oder aller Streitparteien einstweilige Massnahmen bezeichnen, welche von den Streitparteien ergriffen werden sollten, um zu verhindern, dass sich die Streitigkeit verschärft, ihre Beilegung erschwert oder durch das Verhalten einer oder mehrerer Streitparteien die Durchsetzbarkeit eines künftigen Spruchs des Schiedsgerichts unmöglich gemacht wird.

Artikel 27 Einem Schiedsgericht unterbreitete Fälle (l ) Wird mittels Vereinbarung ein Ersuchen um ein Schiedsverfahren gestellt, so wird darin der Streitgegenstand angegeben. Gibt es keine völlige oder teilweise Übereinstimmung hinsichtlich des Streitgegenstands, so kann jede beteiligte Partei ihren eigenen Standpunkt zu dem Streitgegenstand darlegen.

(2) Wird mittels eines Antrags ein Ersuchen um ein Schiedsverfahren gestellt, so werden darin der Streitgegenstand, der oder die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens, gegen die sich der Antrag richtet, sowie die wesentlichen Punkte in sachlicher und rechtlicher Hinsicht angegeben, auf denen der Antrag beruht.

Sobald der Antrag eingegangen ist. notifiziert der Kanzler dies dem oder den anderen in dem Antrag genannten Vertragsstaaten.

Artikel 28 Bildung des Schiedsgerichts (1) Wird ein Ersuchen um ein Schiedsverfahren gestellt, so wird ein Schiedsgericht gebildet.

(2) Die von den Streitparteien gemäss Artikel 4 ernannten Schiedsrichter sind von Amts wegen Mitglieder des Gerichts. Sind mehr als zwei Staaten Parteien derselben Streitigkeit, so können die Staaten mit gleichen Interessen einvernehmlich einen einzigen Schiedsrichter bestellen.
(3) Das Präsidium bestellt aus den Reihen der Schiedsrichter eine Anzahl von Mitgliedern des Schiedsgerichts, so dass die Anzahl der von ihm bestellten Mitglieder die der von Amts wegen tätigen um mindestens eins übersteigt. Die Mitglieder des Präsidiums und ihre Stellvertreter, die auf der Liste der Schiedsrichter stehen, können zu Mitgliedern des Gerichts bestellt werden.

1193

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

(4) Ist ein von Amts wegen tätiges Mitglied verhindert oder hat es schon früher in irgendeiner Eigenschaft an der Sache mitgewirkt, die Gegenstand der dem Gericht unterbreiteten Streitigkeit ist, so wird dieses Mitglied durch seinen Stellvertreter ersetzt. Ist der Stellvertreter in derselben Lage, so bestellt der betreffende Staat ein Mitglied zur Prüfung der Streitigkeit gemäss den in Absatz 5 festgelegten Bedingungen. Bestehen Zweifel daran, ob ein Mitglied oder sein Stellvertreter dem Gericht angehören darf, so entscheidet das Präsidium.

(5) Ein Staat, der Partei einer dem .Schiedsgericht unterbreiteten Streitigkeit ist, ohne Partei dieses Übereinkommens zu sein, kann eine Person seiner Wahl entweder anhand der gemäss Artikel 4 erstellten Liste der Schiedsrichter oder unter anderen Personen, die Staatsangehörige eines KSZE-Teilnehmerstaates sind, zum Mitglied des Gerichts bestellen. Eine so bestellte Person muss die in Artikel 4 Absatz 2 festgelegten Anforderungen erfüllen; zum Zwecke der Prüfung der Streitigkeit hat sie dieselben Rechte und Pflichten wie die anderen Mitglieder des Gerichts. Die Person übt ihre Aufgaben in völliger Unabhängigkeit aus und gibt die in Artikel 5 vorgesehene Erklärung ab, bevor sie ihren Sitz im Gericht einnimmt.

(6) Das Gericht ernennt seinen Vorsitzenden aus den Reihen der vom Präsidium bestellten Mitglieder.

(7) Kann ein vom Präsidium bestelltes Mitglied des Gerichts am Verfahren nicht teilnehmen, so wird dieses Mitglied nur dann ersetzt, wenn die Anzahl der vom Präsidium bestellten Mitglieder unter die Anzahl der von Amts wegen tätigen Mitglieder beziehungsweise der von den Streitparteien gemäss Absatz 5 bestellten Mitglieder sinkt. In diesem Fall bestellt das Präsidium ein oder mehrere neue Mitglieder nach Massgabe der Absätze 3 und 4 dieses Artikels. Im Falle der Bestellung eines oder mehrerer neuer Mitglieder wird ein neuer Vorsitzender nur dann gewählt, wenn das verhinderte Mitglied der Vorsitzende des Gerichts ist.

Artikel 29

Schiedsverfahren

(1) Während des Schiedsverfahrens, das den Grundsätzen eines gerechten Verfahrens entspricht, haben alle Parteien das Recht, gehört zu werden. Das Verfahren besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil.

(2) Das Schiedsgericht besitzt gegenüber den Streitparteien die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Untersuchungs- und Ermittlungsbefugnisse.

(3) Jeder KSZE-Teilnehmerstaat, welcher der Auffassung ist, ein besonderes rechtliches Interesse zu haben, das durch die Entscheidung des Gerichts berührt werden könnte, kann innerhalb von fünfzehn Tagen nach der in Artikel 15 genannten Weiterleitung der Notifikation durch das KSZE-Sekretariat beim Kanzler ein Ersuchen um Beitritt zum Verfahren stellen. Dieses Ersuchen wird den Streitparteien und dem für die Streitigkeit gebildeten Gericht umgehend übermittelt.

1194,

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

(4) Weist der um Beitritt ersuchende Staat nach, dass er ein solches Interesse hat, so ist er befugt, in dem zum Schutz dieses Interesses erforderlichen Umfang am Verfahren teilzunehmen. Der entsprechende Teil der Entscheidung des Schiedsgerichts ist für den beitretenden Staat bindend.

(5) Die Streitparteien können dem Gericht ihre Stellungnahmen zu dem Ersuchen um Beitritt innerhalb einer Frist von dreissig Tagen zukommen lassen. Das Gericht entscheidet über die Zulässigkeit des Ersuchens.

(6) Die Verhandlungen vor dem Gericht erfolgen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, sofern das Gericht auf Antrag der Streitparteien nichts anderes beschliesst.

(7) Erscheinen eine oder mehrere Streitparteien nicht, so können die anderen beteiligten Parteien das Gericht ersuchen, im Sinne ihrer Anträge zu entscheiden. Bevor das Gericht diesem Ersuchen stattgibt, muss es sich seiner Zuständigkeit und der Begründetheit der Anträge der am Verfahren beteiligten Partei oder Parteien vergewissern.

Artikel 30 Aufgabe des Schiedsgerichts Aufgabe des Schiedsgericht ist es, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten gemäss dem Völkerrecht zu entscheiden. Diese Bestimmung berührt nicht die Befugnis des Gerichts, einen Fall ex aequo et bono zu entscheiden, sofern die Streitparteien dies vereinbaren.

Artikel 31 Schiedsspruch (1) Der Schiedsspruch des Schiedsgerichts ist zu begründen. Gibt er weder ganz noch zum Teil die übereinstimmende Auffassung der Mitglieder: des Schiedsgerichts wieder, so hat jedes Mitglied das Recht, eine persönliche oder abweichende Meinung zu äussern.

(2) Vorbehaltlich des Artikels 29 Absatz 4 ist der Schiedsspruch des Gerichts nur für die Streitparteien und nur für den Fall bindend, auf den er sich bezieht.

(3) Der Schiedsspruch ist endgültig und unterliegt keinem Rechtsmittel. Die Streitparteien oder eine von ihnen können jedoch das Gericht ersuchen, den Schiedsspruch hinsichtlich seiner Bedeutung oder seiner Tragweite auszulegen.

Sofern die Streitparteien nichts anderes vereinbaren, ist ein solcher Antrag spätestens sechs Monate nach Übermittlung des Schiedsspruchs zu stellen. Nachdem das Gericht die Stellungnahmen der Streitparteien erhalten hat, nimmt es diese Auslegung so bald wie möglich vor.

(4) Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Schiedsverfahrens kann nur gestellt werden, wenn eine Tatsache
von entscheidender Bedeutung bekannt wird, die vor Verkündung des Schiedsspruchs dem Gericht und der oder den die Wiederaufnahme beantragenden Streitparteien unbekannt war. Der Antrag auf Wiederaufnahme muss spätestens sechs Monate nach Bekanntwerden der neuen Tatsa-

1195

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

ehe gestellt werden. Nach Ablauf von zehn Jahren nach Übermittlung des Schiedsspruchs ist ein Wiederaufnahmeantrag nicht mehr zulässig.

(5) Soweit möglich wird ein Auslegungsersuchen oder ein Wiederaufnahmeantrag von dem Gericht geprüft, das den Schiedsspruch gefällt hat. Ist dies nach Auffassung des Präsidiums nicht möglich, so wird ein anderes Gericht gemäss Artikel 28 gebildet.

Artikel 32 Veröffentlichung des Schiedsspruchs Der Schiedsspruch wird durch den Kanzler veröffentlicht. Eine beglaubigte Abschrift wird den Streitparteien und dem KSZE-Rat über den Ausschuss Hoher Beamter übermittelt.

Kapitel V: Schlussbestimmungen Artikel 33

Unterzeichnung und Inkrafttreten

(1) Dieses Übereinkommen liegt für die KSZE-Teilnehmerstaaten bei der Regierung Schwedens bis zum 31. März 1993 zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation.

(2) Die KSZE-Teilnehmerstaaten, die dieses Übereinkommen nicht unterzeichnet haben, können ihm später beitreten.

(3) Dieses Übereinkommen tritt zwei Monate nach Hinterlegung der zwölften Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft.

(4) Für jeden Staat, der dieses Übereinkommen nach Hinterlegung der zwölften Ratifikations- oder Beitrittsurkunde ratifiziert oder ihm beitritt, tritt das Übereinkommen zwei Monate nach Hinterlegung seiner Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft.

(5) Die Regierung Schwedens ist Verwahrer dieses Übereinkommens.

Artikel 34

Vorbehalte

Vorbehalte zu diesem Übereinkommen sind nicht zulässig, sofern sie darin nicht ausdrücklich zugelassen sind.

Artikel 35 Änderungen (1) Änderungen dieses Übereinkommens müssen nach Massgabe der folgenden Absätze beschlossen werden.

(2) Änderungen dieses Übereinkommens können von jedem Vertragsstaat des Übereinkommens vorgeschlagen werden; sie werden vom Verwahrer dem KSZE-Sekretariat zur Weiterleitung an die KSZE-Teilnehmerstaaten übermittelt.

11,96

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

(3) Beschliesst der KSZE-Rat den vorgeschlagenen Wortlaut der Änderung, so wird dieser vom Verwahrer an die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens zur Annahme nach Massgabe ihrer jeweiligen verfassungsrechtlichen Erfordernisse weitergeleitet.

(4) Jede derartige Änderung tritt am dreissigsten Tag nach dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem alle Vertragsstaaten dieses Übereinkommens dem Verwahrer ihre Annahme der Änderung mitgeteilt haben.

Artikel 36 Kündigung (1) Jeder Vertragsstaat dieses Übereinkommens kann das Übereinkommen jederzeit durch eine an den Verwahrer gerichtete Notifikation kündigen.

(2) Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation bei dem Verwahrer wirksam.

(3) Dieses Übereinkommen bleibt jedoch für die kündigende Partei im Hinblick auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kündigung laufenden Verfahren gültig. Diese Verfahren werden zu Ende geführt.

Artikel37 Notifikationen und Mitteilungen Die vom Verwahrer vorzunehmenden Notifikationen und Mitteilungen werden dem Kanzler und dem KSZE-Sekretariat zur Weiterleitung an die KSZE-Teilnehmerstaaten übermittelt.

Artikel 38 Nichtvertragsparteien Im Einklang mit dem Völkerrecht wird bekräftigt, dass nichts in diesem Übereinkommen so auszulegen ist, dass KSZE-Teilnehmerstaaten, die nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind. Verpflichtungen entstehen, sofern solche Verpflichtungen nicht ausdrücklich vorgesehen sind und von solchen Staaten nicht ausdrücklich in schriftlicher Form anerkannt werden.

Artikel 39 Übergangsbestimmungen (1) Der Gerichtshof wählt innerhalb von vier Monaten nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens das Präsidium, nimmt seine Verfahrensordnung an und ernennt den Kanzler gemäss den Bestimmungen der Artikel 7, 9 und 11. Die Regierung des Sitzstaats des Gerichtshofs trifft im Zusammenwirken mit dem Verwahrer die erforderlichen Vorkehrungen.

(2) Bis zur Ernennung eines Kanzlers werden die Aufgaben des Kanzlers gemäss Artikel 3 Absatz 5 und Artikel 4 Absatz 7 vom Verwahrer wahrgenommen.

1197

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

Geschehen zu Stockholm am 15. Dezember 1992 in deutscher, englischer, französischer, italienischer, russischer und spanischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist.

Es folgen die Unterschriften

6161

1198

Finanzprotokoll

Originaltext

nach Artikel 13 des Übereinkommens über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE

Angenommen am 28. April 1993 in Prag

Artikel l

Kosten des Gerichtshofs

1. Alle Kosten des durch das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE (im folgenden als «Übereinkommen» bezeichnet) errichteten Gerichtshofs werden von den Vertragsstaaten des Übereinkommens getragen. Die Kosten für die Schlichter und Schiedsrichter sind Kosten des Gerichtshofs.

2. Die Verpflichtungen des Gaststaats hinsichtlich der Ausgaben im Zusammenhang mit den Räumlichkeiten und der Ausstattung des Gerichtshofs, deren Unterhaltung, Versicherung und Sicherheit sowie deren Nebenkosten werden in einem Schriftwechsel zwischen dem mit Zustimmung und im Namen der Vertragsstaaten des Übereinkommens handelnden Gerichtshof und dem Gaststaat festgelegt.

Artikel 2 Beiträge zum Haushalt des Gerichtshofs 1. Die Beiträge zum Haushalt des Gerichtshofs werden unter den Vertragsstaaten des Übereinkommens entsprechend dem in der KSZE geltenden Beitragsschlüssel aufgeteilt und unter Berücksichtigung des zahlenmässigen Unterschieds zwischen den KSZE-Teilnehmerstaaten und den Vertragsstaaten des Übereinkommens angepasst.

2. Ratifiziert ein Staat das Übereinkommen nach seinem Inkrafttreten oder tritt er ihm danach bei, so beträgt sein Beitrag für das laufende Finanzjahr ein Zwölftel seines Anteils an dem nach Absatz l berechneten Satz für jeden vollen Monat des Finanzjahrs, das, nach dem Zeitpunkt verbleibt, zu dem das Übereinkommen für den Staat in Kraft getreten ist.

3. Unterbreitet ein Staat, der nicht Vertragspartei des Übereinkommens ist, dem Gerichtshof nach Artikel 20 Absatz 2 oder Artikel 26 Absatz l des Übereinkommens eine Streitigkeit, so trägt er für die Dauer des Verfahrens zur Finanzierung des Haushalts des Gerichtshofs bei, als sei er Vertragspartei des Übereinkommens.

Bezüglich der Anwendung dieses Absatzes gilt das Vergleichsverfahren als an dem Tag begonnen, an dem der Kanzler die Mitteilung von der Vereinbarung der.

Parteien über die Bildung einer Kommission erhält, und als an dem Tag beendet, an dem die Kommission den Parteien ihren Bericht notifiziert. Zieht sich eine Partei aus dem Verfahren zurück, so gilt das Verfahren als an dem Tag beendet, an dem der in Artikel 25 Absatz 6 des Übereinkommens genannte Bericht notifiziert wird. Das Schiedsverfahren gilt als an dem Tag begonnen, an dem der Kanz-

1199

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE. Finanzprotokoll

1er die Mitteilung von der Vereinbarung der Parteien über die Bildung eines Gerichts erhält, und als an dem Tag beendet, an dem das Gericht seinen Schiedsspruch fällt.

Artikel 3 Finanzjahr und Haushalt 1. Das Finanzjahr beginnt am 1. Januar und endet am 31. Dezember.

2. Der Kanzler stellt in Übereinstimmung mit dem Präsidium des Gerichtshofs alljährlich einen Haushaltsentwurf für den Gerichtshof auf. Der Haushaltentw u r f f ü r das folgende Finanzjahr wird den Vertragsstaaten des Übereinkommens vor dem 15. September zugeleitet.

' 3. Der Haushalt wird von den Vertretern des Vertragsstaaten des Übereinkommens gebilligt. Die Erörterung und Billigung des Haushalts erfolgt in' Wien, sofern die Vertragsstaaten des Übereinkommens nichts anderes vereinbaren.

Nach Billigung des Haushalts für das Finanzjahr ersucht der Kanzler die Vertragsstaaten des Übereinkommens um Überweisung ihrer Beiträge.

Ist der Haushalt bis zum 31. Dezember nicht gebilligt, so legt .der Gerichtshof seiner Arbeit den vorigen Haushalt zugrunde und, vorbehaltlich späterer Anpassungen, ersucht der Kanzler die Vertragsstaalen des Übereinkommens um Überweisung ihrer Beiträge entsprechend diesem Haushalt.

Der Kanzler ersucht die Vertragsstaaten des Übereinkommens, fünfzig Prozent ihres Beitragsam 1. Januar und die übrigen fünfzig Prozent am 1. April zur Verfügung zu stellen.

4. Vorbehaltlich eines gegenteiligen Beschlusses durch die Vertreter der Vertragsstaaten des Übereinkommens lautet der Haushalt auf Schweizer Franken, und die Beiträge der Staaten werden in dieser Währung geleistet.

5. Ein Staat, der das Übereinkommen nach dessen Inkrafttreten ratifiziert oder ihm danach beitritt, zahlt seinen ersten Beitrag zum Haushalt innerhalb vo.n zwei Monaten, nachdem der Kanzler darum ersucht hat.

6. Staaten, die nicht Vertragspartei des Übereinkommens sind, dem Gerichtshof jedoch eine Streitigkeit unterbreitet haben, entrichten ihren Beitrag innerhalb von zwei Monaten, nachdem der Kanzler darum ersucht hat.

7. Im Jahr des Inkrafttretens des Übereinkommens entrichten die Vertragsstaaten des Übereinkommens ihren Beitrag zum Haushalt innerhalb von zwei Monaten nach Hinterlegung der zwölften Ratifikationsurkunde zu dem Übereinkommen. Dieser Haushalt wird vorläufig auf 250 000 Schweizer Franken festgesetzt.

Artikel 4 Verpflichtungen,
Zahlungen und überarbeiteter Haushalt l. Mit der Billigung des Haushalts erhält der Kanzler die Befugnis, unter der Verantwortung des Präsidiums des Gerichtshofs bis zu der genehmigten Höhe und zu den genehmigten Zwecken Verbindlichkeiten einzugehen und Zahlungen zu täti-

1200

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE. Finanzprotokoll

2. Der Kanzler ist unter der Verantwortung des Präsidiums des Gerichtshofs befugt, zwischen den Einzelposten und Unterpositionen Übertragungen bis zu fünfzehn Prozent der Einzelposten/Unterpositionen vorzunehmen. Alle diese Übertragungen müssen vom Kanzler im Zusammenhang mit dem in Artikel 9 genannten Jahresabschluss gemeldet werden.

3. Verbindlichkeiten, die am Ende des Finanzjahres noch offen sind, werden ins nächste Finanzjahr übertragen.

4. Wenn es die Umstände erfordern, ist der Kanzler nach sorgfältiger Prüfung der zur Verfügung stehenden Mittel im Hinblick auf Einsparungen befugt, einen überarbeiteten, von den Vertretern der Vertragsstaaten des Übereinkommens zu billigenden Haushalt vorzulegen, mit dem ein Ersuchen um zusätzliche Mittelzuweisungen einhergehen kann.

5. Jeder Überschussbetrag für ein bestimmtes Finanzjahr wird von den veranschlagten Beiträgen für das Finanzjahr abgezogen, welches auf dasjenige folgt, in dem die Abrechnung von den Vertretern der Vertragsstaaten des Übereinkommens gebilligt wurde. Jeder Minusbetrag wird auf das folgende Finanzjahr übertragen, es sei denn, die Vertreter der Vertragsstaaten des Übereinkommens beschliessen zusätzliche Beiträge.

Artikel 5 Betriebsmittelfonds Ein Betriebsmittelfonds kann gebildet werden, falls die Vertragsstaaten des Übereinkommens ihn als notwendig erachten. Er wird von den Vertragsstaaten des Übereinkommens finanziert.

Artikel 6 Tagegelder und Nominalpauschalen 1. Die Mitglieder des Präsidiums des Gerichtshofs, der Vergleichskommissionen und der Schiedsgerichte erhalten ein Tagegeld für jeden Tag. an dem sie ihre Aufgaben wahrnehmen.

2. Die Mitglieder des Präsidiums des Gerichtshofs erhalten zusätzlich eine jährliche Nominalpauschale.

3. Das Tagegeld und die jährliche Nominalpauschale werden von den Vertretern der Vertragsstaaten des Übereinkommens festgelegt.

Artikel 7 Gehälter, Sozialversicherung und Altersruhegeld 1. Der Kanzler und alle nach Artikel 9 des Übereinkommens ernannten Bediensteten der Kanzlei erhalten ein von den Vertretern der Verlragsstaaten des Übereinkommens festgelegtes Gehalt.

2. Die Bediensteten der Kanzlei werden auf die zur Gewährleistung der Arbeit des Gerichtshofs erforderliche absolute Mindestzahl beschränkt.

3. Die Vertreter der Vertragsstaaten des Übereinkommens sorgen dafür, dass der Kanzler und die Bediensteten der Kanzlei in den Genuss einer angemessenen Sozialversicherung und eines angemessenen Altersruhegeldes kommen.

1201

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE. Finanzprotokoll

Artikel 8 Reisekosten 1. Den Mitgliedern des Präsidiums des Gerichtshofs, der Vergleichskommissionen und der Schiedsgerichte sowie dem Kanzler und den Bediensteten der Kanzlei werden Reisekosten gezahlt, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben unbedingt erforderlich sind.

2. Die Reisekosten umfassen die tatsächlichen Fahrtkosten, einschliesslich der üblichen Reisenebenkosten, und ein Tagegeld zur Abdeckung aller Aufwendungen für Verpflegung, Unterkunft, Gebühren und Zuwendungen sowie anderer persönlicher Ausgaben. Das Tagegeld wird von den Vertretern der Vertragsstaaten des Übereinkommens festgelegt.

Artikel 9 Unterlagen urïd Geschäftsbücher 1. Der Kanzler trägt unter der Verantwortung des Präsidiums des Gerichtshofs dafür Sorge, dass über die Transaktionen entsprechende Unterlagen und Geschäftsbücher geführt und alle Zahlungen ordnungsgemäss genehmigt werden.

2. Der Kanzler legt unter der Verantwortung des Präsidiums des Gerichtshofs den Vertragsstaaten des Übereinkommens spätestens am 1. März einen Jahresabschluss vor, in dem für das vorangegangene Finanzjahr folgendes ausgewiesen ist: a) die Einnahmen und Ausgaben auf allen Konten; b) der Stand hinsichtlich der Haushaltsbereitstellungen; c) die finanziellen Aktiva und Passiva am Ende des Finanzjahrs.

Artikel 10 Rechnungsprüfung i 1. Die Geschäftsbücher des Gerichtshofs werden von zwei Rechnungsprüfern unterschiedlicher Staatsangehörigkeit geprüft, die von den Vertragsstaaten des Übereinkommens für verlängerbare Zeiträume von drei Jahren ernannt werden.

Personen, die auf der Liste der Schlichter oder Schiedsrichter geführt werden oder wurden, beziehungsweise nach Artikel 7 dieses Protokolls vom Gerichtshof Zahlungen erhalten haben, dürfen nicht Rechnungsprüfer sein.

2. Die Rechnungsprüfer führen alljährlich eine Rechnungsprüfung durch. Sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Bücher, die Aufstellung der Aktiva und Passiva und die Kontenaufstellungen. Die Bücher stehen spätestens am l. März für die jährliche Rechnungsprüfung und Einsichtnahme zur Verfügung.

3. Die Rechnungsprüfer führen die von ihnen als notwendig erachteten Buchprüfungen durch, uni zu bestätigen, a) dass der ihnen vorgelegte Jahresabschluss richtig ist und mit den Büchern und Unterlagen des Gerichtshofs übereinstimmt, b) dass die in dem Abschluss ausgewiesenen
Finanztransaktionen in Übereinstimmung mit den einschlägigen Regeln, Haushaltsbereitstellungen und sonstigen gegebenenfalls anwendbaren Richtlinien durchgeführt wurden und

1202

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE. Finanzprotokoll

c)

dass die hinterlegten und die verfügbaren Mittel anhand von Bestätigungen, die unmittelbar von den Hinterlegungsstellen eingegangen sind, oder durch Zählen nachgeprüft wurden.

4. Der Kanzler stellt den Rechnungsprüfern die Hilfe und die Erleichterungen zur Verfügung, die für die ordnungsgemässe Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig sind. Die Rechnungsprüfer erhalten insbesondere ungehinderten Zugang zu den Büchern, Unterlagen und Dokumenten, die nach ihrer Auffassung für die Buchprüfung notwendig sind.

5. Die Rechnungsprüfer erstellen alljährlich einen Bericht, der die Richtigkeit der Buchführung bestätigt und die Stellungnahmen zu der Buchprüfung enthält.

Sie können in diesem Zusammenhang auch von ihnen als notwendig erachtete Anmerkungen zur Wirksamkeit der Finanzverfahren, des Buchführungssystems und der internen Finanzkontrolle machen.

6. Der Bericht wird den Vertretern der Vertragsstaaten des Übereinkommens spätestens vier Monate nach Ablauf des Finanzjahrs vorgelegt, auf das sich die Buchführung bezieht. Der Bericht geht dem Kanzler im voraus zu, damit dieser mindestens fünfzehn Tage Zeit hat, um ihm notwendig erscheinende Erklärungen und Rechtfertigungen abzugeben.

7. Zusätzlich der jährlichen Rechnungsprüfung haben die Rechnungsprüfer jederzeit ungehinderten Zugang zum Zweck der Prüfung der Bücher, der Aufstellung der Aktiva und Passiva und der Kontenaufstellungen.

8. Auf der Grundlage des Rechnungsprüfungsberichts erteilen die Vertreter der Vertragsstaaten des Übereinkommens ihre Zustimmung zum Jahresabschluss oder treffen die ihnen angemessen erscheinenden Massnahmen.

Artikel 11

Sonderauszahlungskonto

1. Von den Vertragsstaaten des Übereinkommens kann ein Sonderauszahlungskonto eingerichtet werden, das dazu dient, die Verfahrenskosten für die Staaten zu senken, die Parteien einer dem Gerichtshof unterbreiteten Streitigkeit sind und Schwierigkeiten haben, diese Kosten zu tragen. Es wird durch freiwillige Beiträge der Vertragsstaaten des Übereinkommens finanziert.

2. Ein Staat, der Partei einer dem Gerichtshof unterbreiteten Streitigkeit ist und der wünscht, Mittel aus dem Sonderauszahlungskonto zu erhalten, richtet an den Kanzler ein Ersuchen mit einer ausführlichen Darstellung der geschätzten Verfahrenskosten.

Das Präsidium des Gerichtshofs prüft das Ersuchen und leitet seine Empfehlung an die Vertreter der Vertragsstaaten des Übereinkommens weiter, die darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang dem Ersuchen stattzugeben ist.

Nachdem in der Sache verhandelt wurde, richtet der Staat, der Mittel aus dem Sonderauszahlungskonto erhalten hat, an den Kanzler zur Prüfung durch das Präsidium einen ausführlichen Bericht über die talsächlichen Verfahrenskosten;

1203

Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE. Finanzprotokoll

gegebenenfalls erstattet er die, über die tatsächlichen Kosten hinausgehenden Beträge.

Artikel 12 Entscheidungsfindung Alle auf diesem Protokoll beruhenden Beschlüsse der Vertragsstaaten des Übereinkommens oder ihrer Vertreter werden im Konsensverfahren gefasst.

Artikel 13 Änderungen Änderungen dieses Protokolls werden nach Massgabe des Artikels,35 des Übereinkommens beschlossen. Das Präsidium des Gerichtshofs kann dem;KSZESekretariat seine Auffassung über Änderungsvorschläge zur Weiterleitung,an die KSZE-Teilnehmerstaaten übermitteln.

Dieses Protokoll, das in deutscher, englischer, französischer, italienischer, russischer und spanischer Sprache abgefasst ist, wobei jeder Wortlaut gleiehermassen verbindlich ist, und das nach Artikel 13 des Übereinkommens über Vergleichsund Schiedsverfahren innerhalb der KSZE am 28. April 1993 in Prag vom Ausschuss Hoher Beamter angenommen wurde, wird bei der Regierung von Schweden hinterlegt.

6161

1204

Vergleichs- und Schiedsvertrag Übersetzung* zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Polen

Abgeschlossen am 20. Januar 1993 in Warschau

Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Republik Polen, vom Wunsche geleitet, die zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Polen bestehenden Bande der Freundschaft zu festigen und im Dienste des Friedens und der Sicherheit in Europa und in der Welt die Schaffung von Verfahren zur friedlichen und gerechten Beilegung ihrer Streitigkeiten zu fördern, haben den folgenden Vertrag geschlossen: A. Verhandlungen Artikel l Die Vertragsparteien bemühen sich, ihre Streitigkeiten durch Verhandlungen beizulegen. Falls diese innerhalb eines Jahres nach ihrem Beginn keinen erfolgreichen Abschluss finden, kann jede Partei die Streitigkeit dem nachfolgend beschriebenen Vergleichsverfahren unterwerfen.

B. Vergleichsverfahren Artikel 2 Jede Streitigkeit, die durch Verhandlungen innerhalb der in Artikel l festgelegten Frist nicht beigelegt werden konnte, kann von jeder Partei mittels schriftlicher Mitteilung an die andere Partei einem Vergleichsverfahren unterworfen werden.

Artikel 3 Die Vergleichskommission wird wie folgt bestellt: a) In der schriftlichen Mitteilung nach Artikel 2 ernennt die das Vergleichsverfahren einleitende Partei ein Mitglied der Kommission, das einer ihrer Staatsangehörigen sein kann.

Übersetzung des französischen Originaltextes

1205

Vergleichs- und Schiedsvertrag mit Polen

b) c)

d)

e)

Die andere Partei ernennt innerhalb von 60 Tagen nach Erhalt dieser Mitteilung ein zweites Mitglied, das einer ihrer Staatsangehörigen sein kann.

Innerhalb von 90 Tagen nach der unter b) vorgesehenen Ernennung ernennen die Parteien einvernehmlich ein drittes Mitglied, das der Kommission vorstellen wird.

Jede Ernennung, die nicht innerhalb einer Frist von 150 Tagen nach Erhalt der in Artikel 2 vorgesehenen schriftlichen Mitteilung erfolgt ist, wird vom Generalsekretär des Europarats vorgenommen, wobei nur Angehörige von Drittstaaten zur Wahl stehen.

Bei Todesfall, Rücktritt oder Verhinderung eines Mitglieds der Kommissionist dieses nach dem für seine Ernennung vorgesehenen Verfahren umgehend zu ersetzen.

Artikel 4 Ist die Vergleichskommission bestellt, kann sie den Parteien die ihr angebracht erscheinenden vorsorglichen Massnahmen empfehlen. Die Parteien unterrichten die Kommission unverzüglich von den Vorkehrungen, die sie zur Ausführung dieser Massnahmen getroffen haben.

Artikel 5 1. Die Vergleichskommission legt ihren Tagungsort sowie ihr Verfahren nach Anhörung der Parteienvertreter selbst fest. Dabei hält sie sich an die Grundsätze der Gleichheit der Parteien und des kontradiktorischen Charakters des Verfahrens.

2. Die Kommission kann das Vergleichsverfahren jederzeit aussetzen und die Parteien einladen, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und dabei gegebenenfalls ihren Empfehlungen Rechnung zu tragen.

Artikel 6 1. Die Parteien nehmen am gesamten Verfahren teil und lassen der Vergleichskommission die von ihr geforderten Aktenstücke und Auskünfte zukommen.

2. Die Abwesenheit einer Partei hindert die Kommission nicht an der Fortführung ihrer Arbeit.

Artikel 7 1. Innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Verfahrens erstellt die Vergleichskommission einen mit Empfehlungen versehenen vertraulichen Bericht, den sie unverzüglich den Parteien übergibt.

2. Die Parteien teilen der Kommission innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe des Berichts schriftlich mit, ob sie ihre Empfehlungen annehmen. Die Annahme der Empfehlungen der Kommission durch die Parteien gilt als die Streitigkeit beilegende Vereinbarung.

1206

Vergleichs- und Schiedsvertrag mit Polen

C. Schiedsverfahren Artikel 8 1. Eine Streitigkeit, die durch das in den Artikeln 2 bis 7 vorgesehene Vergleichsverfahren nicht beigelegt werden konnte, kann von jeder Partei mittels schriftlicher Mitteilung an die andere Partei einem Schiedsverfahren unterworfen werden.

2. Die Parteien können vereinbaren, das Schiedsverfahren unter Übergehung des Vergleichsverfahrens zu benützen.

Artikel 9 Das Schiedsgericht wird auf die gleiche Weise wie die Vergleichskommission, nach Artikel 3, bestellt, ausser dass die Ernennungen, die nicht innerhalb der in Artikel 3 Buchstabe d festgelegten Frist erfolgt sind, vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs vorzunehmen sind. Ist der Präsident verhindert, diese Aufgabe zu erfüllen, oder ist er Staatsangehöriger einer Vertragspartei, werden die nötigen Ernennungen vom Vizepräsidenten des Gerichtshofs vorgenommen.

Wenn der Vizepräsident aus denselben Gründen die erforderlichen Ernennungen nicht vornehmen kann, werden diese vom amtsältesten Mitglied des Gerichtshofs vorgenommen, das Staatsangehöriger weder der einen noch der andern Partei ist.

Artikel 10 Ist das Schiedsgericht bestellt, kann es auf Ersuchen einer Partei oder aus eigenem Antrieb die vorsorglichen Massnahmen vorschreiben, die es für angebracht hält, um die Rechte der Parteien zu wahren. Letztere haben diese Massnahmen nach Treu und Glauben auszuführen.

Artikel 11 Das Schiedsgericht legt seinen Tagungsort sowie sein Verfahren nach Anhörung der Parteienvertreter selbst fest. Dabei hält es sich an die Grundsätze der Gleichheit der Parteien, des kontradiktorischen Charakters des Verfahrens und der Aufteilung des letzteren in eine schriftliche und eine mündliche Phase.

Artikel 12 1. Die Parteien nehmen am gesamten Schiedsverfahren teil. Die Abwesenheit einer Partei oder die Tatsache, dass diese es unterlässt, ihre Mittel geltend zu machen, hindert den weiteren Ablauf des Verfahrens nicht.

2. Die Parteien lassen dem Gericht die von ihm geforderten Aktenstücke und Auskünfte zukommen.

1207

Vergleichs- und Schiedsvertrag mit Polen

Artikel 13 1. Das Schiedsgericht fällt seinen Schiedsspruch mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder innerhalb von neun Monaten nach Abschluss des Schiedsverfahrens.

2. Der Schiedsspruch, der begründet sein muss, stützt sich auf das Völkerrecht.

Auf Verlangen beider Parteien kann das Gericht ex aequo et bono entscheiden.

3. Der Schiedsspruch wird den Parteien umgehend bekanntgegeben. Er ist für diese verbindlich und endgültig und muss nach Treu und Glauben angewandt werden.

4. Beim Vorliegen einer Meinungsverschiedenheit oder von Zweifeln über den Sinn und die Tragweite des Schiedsspruchs kann jede Partei innerhalb von 90 Tagen nach dessen Bekanntgabe vom Gericht eine Auslegung dieses Spruchs verlangen.

: D. Allgemeine Bestimmungen Artikel 14 1. Die Bestimmungen des vorliegenden Vertrags finden keine Anwendung auf Streitigkeiten: · , a) die vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Vertrags entstanden sind; b) welche die Parteien einem andern Verfahren der friedlichen Streitbeilegung zu unterwerfen übereingekommen sind oder übereinkommen werden.

2. Die Parteien können jederzeit gemeinsam beschliessen, bei der Beilegung einer Streitigkeit im Rahmen des vorliegenden Vertrags dessen Bestimmungen auszusetzen.

Artikel 15 Solange die Streitigkeit nicht .beigelegt worden ist, enthalten sich die Parteien jeden Verhaltens, das die Situation verschlimmern und die Streitbeilegung durch die im vorliegenden Vertrag vorgesehenen Mittel schwieriger gestalten oder verhindern könnte.

Artikel 16 Die Vergleichskommission und das Schiedsgericht, die im vorliegenden Vertrag vorgesehen sind, entscheiden über ihre eigene Zuständigkeit.

Artikel 17 1. Die Mitglieder der Vergleichskommission und des Schiedsgerichts beziehen eine von den Parteien festgelegte Entschädigung, für welche die Parteien zu gleichen Teilen aufkommen.

1208

Vergleichs- und Schiedsvertrag mit Polen

2. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der der Vergleichskommission oder dem Schiedsgericht erwachsenen Kosten, Artikel 18 1. Der vorliegende Vertrag bedarf der Ratifizierung. Die Ratifikationsurkunden sollen so bald wie möglich in Bern ausgetauscht werden.

2. Der Vertrag tritt mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft. Er ist von seinem Inkrafttreten an auf fünf Jahre abgeschlossen. Wird er nicht sechs Monate vor Ablauf dieser Frist gekündigt, so gilt er als für weitere fünf Jahre erneuert, und so weiter.

3. Ist bei Erlöschen des Vertrags ein Vergleichs- oder Schiedsverfahren hängig, nimmt dieses seinen Fortgang gemäss den Bestimmungen des Vertrags oder jedes Abkommens, das von den Vertragsparteien an dessen Stelle abgeschlossen wird.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den vorliegenden Vertrag unterzeichnet.

Geschehen in zwei Urschriften, in französischer und in polnischer Sprache, in Warschau am 20. Januar 1993, wobei die beiden Texte gleichermassen verbindlich sind.

Für den Schweizerischen Bundesrat:

Für die Regierung der Republik Polen:

Lucius Caflisch

Krzysztof Skubiszewski

6161

1209

Schieds-und Vergleichsvertrag Übersetzung1 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Ungarn

Abgeschlossen am 17. Dezember 1992 in Budapest

Die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Republik Ungarn, vom Wunsche geleitet, die zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Ungarn bestehenden Bande der Freundschaft zu festigen und im Dienste des Friedens und der Sicherheit in Europa und in der Welt die Schaffung von Verfahren zur friedlichen und gerechten Beilegung ihrer Streitigkeiten zu fördern, haben den folgenden Vertrag geschlossen: A. Verhandlungen Artikel l Die Vertragsparteien bemühen sich, ihre Streitigkeiten durch Verhandlungen beizulegen. Falls diese innerhalb eines Jahres nach ihrem Beginn keinen erfolgreichen Abschluss finden, kann jede Partei die Streitigkeit dem entsprechenden, nachfolgend beschriebenen Verfahren unterwerfen.

B. Schiedsverfahren Artikel 2 Jede Streitigkeit, in der sich die Parteien gegenseitig ein Recht streitig machen und die durch Verhandlungen innerhalb der in Artikel l festgelegten Frist nicht beigelegt werden konnte, kann von jeder Partei mittels schriftlicher Mitteilung an die andere Partei einem Schiedsverfahren unterworfen werden.

Artikel 3 Das Schiedsgericht wird wie folgt bestellt: a) In der schriftlichen Mitteilung nach Artikel 2 ernennt die das Schiedsverfahren einleitende Partei ein Mitglied des Gerichts, das einer ihrer Staatsangehörigen sein kann.

b) Die andere Partei ernennt innerhalb von 60 Tagen nach Erhalt dieser Mitteilung ein zweites Mitglied, das einer ihrer Staatsangehörigen sein kann.

" Übersetzung des französischen Originaltextes

1210

Schieds- und Vergleichsvertrag mit Ungarn

c)

d)

Innerhalb von 90 Tagen nach der unter b) vorgesehenen Ernennung ernennen die Parteien einvernehmlich ein drittes Mitglied, das dem Gericht vorstehen wird.

Jede Ernennung, die nicht innerhalb einer Frist von 150 Tagen nach Erhalt der in Artikel 2 vorgesehenen schriftlichen Mitteilung erfolgt ist, wird vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs vorgenommen, wobei nur Angehörige von Drittstaaten zur Wahl stehen. Ist der Präsident verhindert, diese Aufgabe zu erfüllen, oder besitzt er die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei, werden die nötigen Ernennungen vom Vizepräsidenten des Gerichtshofs vorgenommen. Wenn der Vizepräsident aus denselben Gründen die erforderlichen Ernennungen nicht vornehmen kann, werden diese vom amtsältesten Mitglied des Gerichtshofs vorgenommen, das Staatsangehöriger weder der einen noch der andern Partei ist.

Artikel 4 Ist das Schiedsgericht bestellt, kann es auf Ersuchen einer Partei oder aus eigenem Antrieb die vorsorglichen Massnahmen vorschreiben, die es für angebracht hält, um die Rechte der Parteien zu wahren. Letztere führen diese Massnahmen

Artikel 5 Das Schiedsgericht legt seinen Tagungsort sowie sein Verfahren nach Anhörung der Parteienvertreter selbst fest. Dabei hält es sich an die Grundsätze der Gleichheit der Parteien, des kontradiktorischen Charakters des Verfahrens und der Aufteilung des letzteren in eine schriftliche und eine mündliche Phase.

Artikel 6 1. Die Parteien nehmen am gesamten Schiedsverfahren teil. Die Abwesenheit einer Partei oder die Tatsache, dass diese es unterlässt, ihre Mittel geltend zu machen, hindert den weiteren Ablauf des Verfahrens nicht.

2. Die Parteien lassen dem Gericht die von ihm geforderten Aktenstücke und Auskünfte zukommen.

Artikel 7 1. Das Schiedsgericht fällt seinen Schiedsspruch innerhalb von neun Monaten nach Abschluss des Schiedsverfahrens.

2. Der Schiedsspruch, der begründet sein muss, stützt sich auf die Regeln des Völkerrechts. Auf Verlangen beider Parteien kann das Gericht ex aequo et bono entscheiden.

3. Der Schiedsspruch wird den Parteien umgehend bekanntgegeben. Er ist für diese verbindlich und endgültig und muss nach Treu und Glauben angewandt werden.

1211

Schieds- und Vergleichsvertrag mit Ungarn

4. Beim Vorliegen einer, Meinungsverschiedenheit oder von Zweifeln über den Sinn und die Tragweite des Schiedsspruchs kann jede Partei innerhalb von 90 Tagen nach dessen Bekanntgabe vom Gericht eine Auslegung dieses Spruchs verlangen.

C. Vergleichsverfahren Artikel 8 Eine Streitigkeit, die .durch Verhandlungen innerhalb der in Artikel l festgelegten Frist nicht beigelegt werden konnte und nicht zur in Artikel 2 genannten Kategorie gehört, kann von jeder Partei mittels schriftlicher Mitteilung an die .andere Partei einem Vergleichsverfahren unterworfen werden.

Artikel 9 Die Vergleichskommission wird auf die gleiche Weise wie das Schiedsgericht, nach Artikel 3, bestellt, ausser dass die Ernennungen, die nicht innerhalb der in Artikel 3 Buchstabe d festgelegten Frist erfolgt sind, vom Generalsekretär des Europarats vorzunehmen sind.

Artikel 10 Ist die Vergleichskommission bestellt, kann sie den Parteien die ihr angebracht erscheinenden vorsorglichen Massnahmen empfehlen. Die Parteien unterrichten die Kommission von den Vorkehrungen, die sie zur Ausführung dieser Massnahmen getroffen haben.

Artikel!!

1. Die Vergleichskommission legt ihren Tagungsort sowie ihr Verfahren nach Anhörung der Parteienvertreter selbst fest. Dabei hält sie sich an die Grundsätze der Gleichheit der Parteien und des kontradiktorischen Charakters des Verfahrens.

2. Die Kommission kann das Vergleichsverfahren jederzeit aussetzen und die Parteien einladen, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und dabei gegebenenfalls ihren Empfehlungen Rechnung zu tragen.

Artikel 12 Die Parteien nehmen am gesamten Vergleichsverfahren teil und lassen der Vergleichskommission die von ihr geforderten Aktenstücke und Auskünfte zukom-

1212

Schieds- und Vergleiclisvertrag mit Ungarn

Artikel 13 1. Innerhalb von neun Monaten nach Abschluss des Verfahrens erstellt die Vergleichskommission einen mit Empfehlungen versehenen vertraulichen Bericht, den sie unverzüglich den Parteien übergibt.

2. Die Parteien teilen der Kommission innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe des Berichts schriftlich mit, ob sie ihre Empfehlungen annehmen. Die Annahme der Empfehlungen der Kommission durch die Parteien gilt als die Streitigkeit beilegende Vereinbarung.

Artikel« Ein Fehlschlag des Vergleichsverfahrens enthebt die Parteien nicht der Pflicht, ihre Anstrengungen im Hinblick auf eine friedliche Beilegung ihrer Streitigkeit fortzusetzen.

D. Allgemeine Bestimmungen Artikel 15 Solange die Streitigkeit nicht beigelegt worden ist, enthalten sich die Parteien jeden Verhaltens, das die Situation verschlimmern und die Streitbeilegung durch die im vorliegenden Vertrag vorgesehenen Mittel schwieriger gestalten oder verhindern könnte.

Artikel 16 1. Die Parteien körirren jederzeit gemeinsam beschliessen, eine Streitigkeit mit andern als den im vorliegenden Vertrag vorgesehenen Mitteln beizulegen.

2. Die Parteien können jederzeit gemeinsam beschliessen,. bei der Beilegung einer Streitigkeit im Rahmen des vorliegenden Vertrags Bestimmungen des letzteren auszusetzen.

Artikel 17 Das Schiedsgericht und die Vergleichskommission, die im vorliegenden Vertrag vorgesehen sind, entscheiden über ihre eigene Zuständigkeit.

Artikel 18 1. Die Mitglieder des Schiedsgerichts und der Vergleichskommission beziehen eine von den Parteien festgelegte Entschädigung, für welche die Parteien zu gleichen Teilen aufkommen.

2. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der dem Schiedsgericht oder der Vergleichskommission erwachsenen Kosten.

1213

Schieds- und Vergleichsvertrag mit Ungarn

Artikel 19 1. Der vorliegende Vertrag bedarf der Ratifizierung. Die Ratifikationsurkunden sollen so bald wie möglich in Bern ausgetauscht werden.

2. Der Vertrag tritt mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft. Er ist von seinem Inkrafttreten an auf fünf Jahre abgeschlossen. Wird er nicht sechs Monate vor Ablauf dieser Frist gekündigt, so gilt er als für weitere fünf Jahre erneuert, und so weiter.

3. Der am 18. Juni 1924 in Budapest unterzeichnete Vergleichs- und Schiedsvertrag zwischen der Schweiz und Ungarn wird mit dem Inkrafttreten des vorliegenden Vertrags aufgehoben.

4. Ist bei Erlöschen des Vertrags ein Schieds- oder Vergleichsverfahren hängig, nimmt dieses seihen Fortgang gemäss den Bestimmungen des Vertrags oder jedes Abkommens, das von den Parteien an dessen Stelle abgeschlossen wird.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den vorliegenden Vertrag unterzeichnet.

Geschehen jn zwei Urschriften, in französischer und in ungarischer Sprache, in Budapest am 17. Dezember 1992, wobei die beiden Texte gleichermassen verbindlich sind.

Für die Schweizerische Eidgenossenschaft:

Für die Republik Ungarn:

Jakob Kellenberger

Jânos Martonyi

6161

1214

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft betreffend das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) sowie die Vergleichs- und Schiedsverträge mit Polen und Ungarn vom 19. Mai 1993

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1993

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

29

Cahier Numero Geschäftsnummer

93.047

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.07.1993

Date Data Seite

1153-1214

Page Pagina Ref. No

10 052 717

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.