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Bundesblatt

105. Jahrgang

Bern, den 9. April 1958

Band I

Erscheint wöchentlich. Freie SO Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestllungsgebühr Einrückungsgebühr &0 Happen die Petitzelle oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stampf K & Oie, in Bern _

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über ausserordentliche Zuwendungen an kriegsgeschädigte Auslandschweizer (Vom 27. März 1953) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über ausserordentliche Zuwendungen an kriegsgeschädigte Auslandschweizer mit folgender Botschaft vorzulegen.

L Die Kriegsschädenfrage Bund 25 000 Schweizer Bürger haben im zweiten Weltkrieg im Ausland Schäden erlitten. Auch die Höhe der Einbussen ist enorm und wird nach den Meldungen der Geschädigten selbst insgesamt auf 2% Milliarden Schweizer Franken geschätzt. Dabei ist freilich zu beachten, dass diese meist subjektiven Schätzungen von der Schweiz aus zur Hauptsache nicht nachgeprüft worden sind.

Entsprechend der Auffassung des Bundesrates sind unter die eigentlichen Kriegsschäden nicht nur die durch kriegerische Zerstörungen (Bombardierungen, Beschliessungen, usw.) verursachten Einbussen einzureihen, sondern auch Ver luste, die durch Bequisitionen, Plünderungen und Ausschreitungen hervorgerufen worden sind. Dagegen können Nachteile, entstanden z. B. durch staatliche Devisenmassnahmen, Währungszerfall, entgangenen Gewinn usw. nicht als Kriegsschäden angesehen werden. Auch in der Schweiz, meist durch Bombardierungen verursachte Schäden fallen ausser Betracht, da es sich hier um eine besondere Art von Kriegsschäden handelt, nämlich um solche, die in Verletzung der schweizerischen Neutralität verursacht wurden. Die Verluste dieser Art sind übrigens den Betroffenen dank den auf Grund des Völkerrechts von den Verursacherstaaten bezahlten Wiedergutmachungssummen ersetzt worden.

Bundesblatt. 105. Jahrg. Bd. I.

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722 Auf internationalem Boden erfolgten zahlreiche Schritte, obschon das geltende Völkerrecht dafür nur eine unzulängliche Handhabe bietet und die seitherige Entwicklung des internationalen Rechts kaum geeignet ist, die Stellung der Angehörigen neutraler Länder zu verbessern. Einige Erfolge konnten erzielt ·werden, namentlich für Réquisitions-, Plünderungs- und Ausschreitungsschäden, da das Völkerrecht grundsätzlich für diese Kategorien von Schäden einen Wiedergutmachungsanapruch aufstellt. So erklärte sich z. B. Frankreich bereit, für in den Jahren 1940/41 in französischen Häfen vorgenommene Requisitionen Ersatz zu leisten. Insgesamt sind der Schweiz rund 18 Millionen Schweizer Franken für Requisitionsschäden bezahlt worden. Als Entschädigungen für Plünderungen wurden rund 7 Millionen Franken vergütet, ein geringer Bruchteil der Forderungen, da es den Ansprechern in solchen Fällen meist schwer fällt, Beweise für die behaupteten Verluste beizubringen. Für Ausschreitungen wurden von zwei Staaten Entschädigungen ausgerichtet. 1945 bezahlte Japan der Schweiz einen Betrag, der es erkubte, die Schweizer Bürger, welche unter den Ausschreitungen der japanischen Truppen auf den Philippinen zu leiden gehabt hatten, schadlos zu halten. Frankreich leistete eine Abfindung für die von den freifranzösischen Kräften an Schweizern während der Befreiungskämpfe 1944/45 begangenen Ausschreitungen. Dagegen sind leider Begehren um Wiedergutmachung, die bei andern Regierungen wegen Misshandlungen, Tötungen, Folterungen, Deportationen usw. anhängig gemacht wurden, bisher fruchtlos geblieben.

Besass die Schweiz für ihre Ersatzforderungen in bezug auf Ausschreitungs-, Plünderungs- und Requisitionsschäden immerhin im Völkerrecht eine Stütze, so bestand eine andere Sachlage bei den Schäden infolge von Zerstörungen^ d. h. also bei den Kricgsschäden im engeren Sinne. Der Verursacherstaat ist nämlich nach der internationalen Praxis nicht reparationspflichtig. Dasselbe gilt für den Territorialstaat. Ein vom Bundesrat bereits im Anschlüssen den Ersten Weltkrieg, wo sich die nämlichen Probleme stellten, eingeholtes Gutachten von Prof. Walter Burckhardt ibt zum gleichen Ergebnis gelangt, dass nämlich weder für den die Schäden verursachenden .Staat, noch für denjenigen, auf dessen Gebiet sie entstanden sind, eine Ersatzpflicht
besteht, es sei denn, eine solche wäre staatsvertraglich abgemacht worden. Das Gutachten wurde als Anhang zum Bericht veröffentlicht, den der Bundesrat am 30. September 1929 in der Kriegsschädenfrage der Bundesversammlung erstattete. Es hat an Aktualität nichts oirigebüsst. Seine Schlussfolgerungen können heute noch Geltung beanspruchen.

Verschiedene Staaten haben für ihr Gebiet Teilentschädigungen für die eigenen Staatsangehörigen vorgesehen. Die Schweiz hat als Maximum des Erreichbaren zu erwirken versucht, dass die Schweizer gleich wie die Nationalen behandelt werden/Dabei erhob sich allerdings die Frage, ob das «traitement national» Vom Staat, auf dessen Gobiot die Schäden entstandeii wären, auf Neutrale überhaupt angewendet werden könne. Prof. Burckhardt verneinte auch diese Frage. Nach seiner Auffassung ist'kein Staat: verpflichtet, die Ausländer

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(auch nicht die Neutralen) auf dem Gebiete der Kriegschäden wie die Landesangehörigen zu behandeln. Bei dieser Sachlage drängte sich die Frage auf, ob internationale Abkommen, wie z. B. die Niederlassungsverträge, angerufen werden könnten. Allein bloss der Niederlassungsvertrag mit Deutschland enthält eine Klausel über die Gleichbehandlung. Das Deutsche Eeich gab 1944 der Schweiz gegenüber auf dem Gebiet des Kriegschädenersatzes eine solche Gleichbehandlungs-Brklärung ab und es kam zu einer entsprechenden Abmachung, die jedoch infolge des Zusammenbruches des Eeiches nicht wirksam wurde.

Dagegen gemessen nach dem am 1. September 1952 in der Bundesrepublik Deutschland und in Westberlin in Kraft getretenen Gesetz über den Lastenausgleich Ausländer und damit auch Schweizer Bürger mit Bezug auf die Vergütung von Kriegssach- und "sogenannten Ostschäden die gleiche Behandlung wie deutsche Staatsangehörige. Überdies konnte durch das am 26. August mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossene Abkommen zum deutschen Lastenausgleich erwirkt werden, dass schweizerischen Abgabepflichtigen bei den Ausgleichsabgaben dieselben Vergünstigungen wie den Alliierten zustehen, wodurch sich für sie eine nicht unwesentliche Ersparnis ergibt. Auf der Seite der Ausgleichsleistungen ist von Bedeutung, dass entgegen der im Lastenausgleichsgesetz vorgesehenen Eegelung dank dem Abkommen gewisse Vergütungen mehr sozialer Natur schweizerischen Geschädigten auch dann zustehen, wenn sie ihren Wohnsitz ausserhalb Deutschlands, also namentlich in der Schweiz, haben.

Die andern Niederlassungsverträge enthalten keine Gleichbehandlungsklausel. Der Schweiz wurde übrigens entgegengehalten, dass diese Verträge wohl die Beziehungen in Friedenszeiten, nicht aber diejenigen in Kriegszeiten regem.

Bei dieser Eechtslage blieb dem Bundesrat nichts anderes als der Versuch übrig, auf dem Verhandlungsweg zu einer Eegelung des Kriegschädenproblems zu gelangen mit dem Ziel, Gegenseitigkeitsabkommen abzuschliesson, denen zufolge die Schweiz die Ausländer gleich behandeln würde, wenn sie in der Schweiz Kriegschäden erleiden sollten. Dieser Versuch hatte teilweise Erfolg.

Nach den zustande gekommenen Verträgen müssen die in England, den Niederlanden, auf den Philippinen, auf Malaya und Singapore geschädigten schweizerischen Landsleute die gleichen
Vergütungen erhalten wie die Angehörigen dieser Länder.und Gebiete.

Bedauerlicherweise sind die schweizerischen Anstrengungen, mit andern Ländern, namentlich mit Frankreich, Belgien, Italien usw. zu ähnlichen Gegenseitigkeitsabkommen zu gelangen, gescheitert. Diese Staaten machten geltend, kein Interesse daran zu haben, mit der vom Krieg verschont gebliebenen Schweiz Gegenseitigkeitsabkommen über die Kriegschädenfrage zu schliessen.

In der Schweiz bestehen praktische Möglichkeiten der Gleichbehandlung der Ausländer ja nur .bei Schäden aus Neutralitätsverletzungen (Bombardierung von Schafflmusen usw.). Derartige, vom Ausländer erlittene Verluste sind jedoch zu geringfügig,um die in den Krieg verwickelt gewesenen Staaten veranlassen zu können, mit der Schweiz Gegenseitigkeitsvereinbarungen abzuscblies-

724 sen. Die unternommenen Schritte waren immerhin nicht völlig nutzlos, da dank der bisher abgeschlossenen Abkommen zahlreiche Schweizer Bürger mit rund 82 Millionen Franken entschädigt werden konnten. Leider muss gesagt werden, dass kaum Aussicht besteht, noch mit andern als den erwähnten Staaten Verträge in der. Kriegschädenfrage abschliessen zu können.

Über die Entwicklung der Angelegenheit auf nationalem Boden ist folgendes zu sagen: Das Aüsmass der durch den Krieg bewirkten Verluste einerseits sowie die verhältnismässig geringfügigen, vom Ausland geleisteten oder noch in Aussicht stehenden Entschädigungen anderseits Hessen in breiten Schichten der Auslandschweizer und Bückwanderer die Meinung aufkommen, es sei Aufgabe des Bundes, die im Ausland entstandenen Kriegschäden, wenigstens teilweise, aus Bundesmitteln zu ersetzen. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, dàss eine Bechtsverpflichtung des Bundes zum Ersatz von im Ausland verursachten Schäden nicht besteht.

Diesen Standpunkt hat der Bundesrat schon nach dem Ersten Weltkrieg in seiner Botschaft vom 29. August 1921 über Darlehensgewährung an schweizerische Grundbesitzer in den vom ersten Weltkrieg verwüsteten Ländern eingenommen und seither bei verschiedenen Gelegenheiten bestätigt. Die eidgenössischen Bäte haben diese Auffassung geteilt und im Bundesbeschluss vom 21. Juni 1923 über Hilfeleistung an unverschuldet Not leidende Auslandschweizer ausdrücklich auf den freiwilligen Charakter der damals beschlossenen Hilfsmassnahmen hingewiesen (vgl. BEI 1921, 825 ff.; AS 39, 346 und BEI 1946, 117 ff.). Anders wäre die Bechtslage nur dann, wenn ein eidgenössisches Gesetz die Wiedergutmachung im Ausland erlittener Kriegsschäden aus schweizerischen Mitteln vorsähe. Ein derartiges, -von den Interessenten wiederholt verlangtes Gesetz besteht jedoch nicht.

Hier stellt sich die schwerwiegende Frage, ob ein solches Gesetz, das dem im Ausland kriegsgeschädigten Schweizer einen Bechtsanspruch auf eine gänzliche oder teilweise Wiedergutmachung aus Bundesmitteln gewährleisten würde, geschaffen werden soll. Der Bundesrat verneint diese Frage, weshalb er nach wie vor davon absieht, eine solche Vorlage den eidgenössischen Bäten zu unterbreiten. Die praktischen Gründe für dieses Verhalten werden unter Ziffer IV hiernach auseinandergesetzt. An dieser .Stelle
seien die grundsätzlichen Erwägungen, die zu dieser Auffassung führten, dargelegt.

Vor allem fehlt die verfassungsmässige Grundlage für ein solches Gesetz vollständig. Sie müsste zuerst geschaffen werden. Der Bundesrat glaubt, gegen eine solche Verfassungsbestimmung Bedenken äussern zu müssen. In seinem schon erwähnten Gutachten hat Prof. Burckhardt dargetan, es könne der neutrale Staat im Falle des Krieges nicht beanspruchen, dass der Gebietsstaat seine dort niedergelassenen Angehörigen entschädige. Der Krieg sei ein Würfelspiel und der Ausgang des Krieges ein unberechenbarer Zufall. Wer sich vergegenwärtige, dass keine Macht einen Staat, auch den bestgesinnten, gegen kriegerische Verwicklungen sichern könne und dass die Folgen des Krieges unberechenbar seien, müsse zugeben, dass kein Staat vernünftigerweise ver-

725 pflichtet werden könne, dem Neutralen die Schäden aus einem Kriege zu vergüten, der für ihn ein unverschuldetes Unglück, ja ein erlittenes Unrecht sein könne.

Was hier zum Verhältnis zwischen dem neutralen Staat und dem Gebietsstaat über den Krieg und den Kriegschadenersatz bemerkt wurde, gilt in übertragenem Sinne auch für das Verhältnis zwischen dem neutralen Staat und dessen Angehörigen. Bin in der Verfassung verankerter Ersatzanspruch musate im wahrsten Sinne unabsehbare Folgen haben, da er nicht nur Geltung hätte für die Schäden aus dem zweiten Weltkriege, sondern auch für allfällige künftige Kriegschäden. Und warum sollte die Verfassung gerade bei den Kriegschäden stehen bleiben ? Gäbe es nicht auch andere Verluste, die ebenso sehr einen Eechtsanspruch auf Wiedergutmachung gegen den Staat verdienen würden? Man denke an die Neutralitätsverletzungsschäden, dann aber auch an Naturkatastrophen und ähnliche Ereignisse.

Es ist geltend gemacht worden, die neutrale, vom Krieg verschonte Schweiz dürfe ihre eigenen Bürger in der Kriegschädenfrage nicht schlechter behandeln, als dies ein vom Krieg heimgesuchter Staat seinen eigenen Angehörigen gegenüber tue. Ein solcher Vergleich geht aber von falschen Voraussetzungen aus, weil sich der kriegführende und der neutrale Staat auch in bezug auf die Kriegschäden in einer völlig verschiedenen Lage befinden. Dabei möchten wir die Frage offenlassen, ob die kriegführenden Staaten wirklich und überall ihren betroffenen Angehörigen einen eigentlichen Eechtsanspruch auf Wiedergutmachung gewährten, oder ob die Abfindungen nicht eher den Charakter von Sozialhilfen, von Wiederaufbaumassnahmen, von Leistungen zur Wiederankurbelung der Wirtschaft, usw. haben. Wenn schon zwischen dem kriegführenden Ausland und der neutralen Schweiz verglichen werden soll, dann kann dies im besten Fall für die Neutralitätsverletzungsschäden geschehen. Diese sind zwar nur insofern Kriegschäden, als lediglich der Verursacher-, nicht aber der Gebietsstaat Kriegführender ist. Aber gerade bei diesen Schäden zeigt sich die Richtigkeit der These, dass der Bund einen Eechtsanspruch auf Wiedergutmachung nicht gewährt und nicht gewähren soll. Die durch Neutralitätsverletzungen geschädigten Schweizer Bürger und Ausländer hatten nämlich gegen den Bund keinen Eechtsanspruch auf Schadenersatz,
was vielfach übersehen wird. Der Bund gewährte lediglich in beschränktem Umfange finanzielle Hilfen und verrechnete diese Unterstützungsbeträge in vollem Umfange mit den später von den Verursacherstaaten (vor allem den USA) dem Bund bezahlten und von diesem auf die einzelnen Geschädigten verteilten Schadenersatzbeträgen. Es lässt sich daher sagen, dass der Bund die durch Kriegschäden im Ausland betroffenen Schweizer nicht schlechter behandelt als die in der Schweiz infolge von Neutralitätsverletzungen geschädigten Schweizer, La der den Ausländern zu gewährenden Hilfe stellte der Bund auf das Gegenrecht ab. Erhielten die im Heimatstaat kriegsgeschädigten Schweizer von diesem Land keine Vergütungen, su wurde dem m der Schweiz durch Neutralitätsverletzungen geschädigten Angehörigen des betreffenden Staates ebenfalls keine Hilfe gewährt.

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Der von gewissen Auslandschweizern angestellte Vergleich zwischen dem vom Krieg betroffenen Land, das für seine Angehörigen etwas leistet und der verschonten Schweiz, die ihre in der Feme vom Krieg betroffenen Bürger im Stiche lassen soll, ist somit falsch. Soweit überhaupt ein Vergleich gezogen werden kann, spricht er gegen die Auffassung, es sei den kriegsgeschädigten Schweizern ein Eechtsanspruch auf Schadenersatz aus Bundesrnitteln zuzubilligen.

n. Die bisherigen Hilfsmaßnahmen MUSS es einerseits als ausgeschlossen gelten, im Ausland entstandene Kriegschäden aus schweizerischen Mitteln zu ersetzen, so hat anderseits der Bundesrat nie bestritten, dass es einer politischen und moralischen Pflicht entspreche, den vom letzten Weltkrieg betroffenen Auslandschweizern, wenn auch nicht durch Entschädigungen, so doch durch freiwillige Hilfeleistung Beistand zu gewähren. Es ist gerechtfertigt, auf die bisherigen Bemühungen in dieser Eichtung etwas näher einzutreten, obschon bereits die Botschaft zum Bundesbeschluss vom 17. Oktober 1946 über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer hierfür darlegte, was damals gesagt werden konnte (s. BB11946, II, 117 ff., Ziff. 2).

Bereits bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges im September 1989 organisierte der Bundesrat ein Hilfswerk und stellte zu dessen Finanzierung die erforderlichen Mittel auf Grund der ihm verliehenen ausserordentlichen Vollmachten zur Verfügung. Dieses Hilfswerk wurde nach siebenjähriger Dauer durch den Bundesbeschluss vom 17. Oktober 1946 über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer abgelöst und auf eine vom Volhnachtenrecht unabhängige Grundlage gestellt. Die Bundesversammlung ermächtigte und beauftragte den Bundesrat, in Fortführung des begonnen Hilfswerkes den im Ausland verbliebenen oder nach der Heimat zurückgekehrten Landsleuten durch ausserordentliche Leistungen beizustehen, sofern die Notlage durch den letzten Weltkrieg oder durch politische oder wirtschaftliche Massnahmen ausländischer Behörden verursacht worden war. Gleichzeitig wurden dem Bundesrat, der bis dahin bereits 73 Millionen Franken zur Unterstützung der Auslandschweizer aufgewendet hatte, weitere 75 Millionen Franken zur Verfügung gestellt. Durch eine Vollziehungsverordnung vom 27, Dezember 1946 wurden die Einzelheiten der weiteren Hilfsmassnahmen festgelegt
und die eidgenössische Zentralstelle für Auslandschweizerfragen mit der Durchführung beauftragt.

Durch diese sofortige Hilfe sollte unseren vom Krieg schwer heimgesuchten Mitbürgern beigestanden werden, um ihnen die meist dringend benötigte erste Hilfe angedeihen zu lassen und das weitere Fortkommen im Inland oder im Ausland nach Möglichkeit zu erleichtern. Geholfen wurde in erster Linie durch Vermittlung von Arbeit, durch Beschaffung von Hausrat und von Unterkunft, was hi den Zeiten der grosseu Wohnungsnot nur durch dio Schaffung zahlreicher besonderer Heime möglich war. Hilfe wurde auch gewährt durch Umschulung, um namentlich die Eückwanderer zur Ausübung anderer als der

727 gelernten und im Ausland ausgeübten Berufe zu befähigen. Andere Hilfsformen bestanden darin, die Auslandschweizer und Rückwanderer mit den nötigen Barmitteln zu versehen, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können, sowie um sich Wäsche, Kleider und notwendiges berufliches Werkzeug zu beschaffen.

Besondere Leistungen wurden zur Ausbildung von Jugendlichen und Studierenden erbracht, ferner für die ganz oder teilweise Arbeitsunfähigen. Mit Beiträgen wurde sodann geholfen bei der Wiederauswanderung ins Ausland, ganz besonders aber mit Darlehen an Bückwanderer undAuslandschweizer, die berufsoder altershalber darauf angewiesen waren, eine selbständige Existenz fortzuführen oder sie neu zu schaffen. Die Darlehensgewährung entwickelte sich immer mehr zu einem der wirksamsten Mittel der Bundeshilfe, namentlich seitdem der Bundesrat im September 1949 die Vollziehungsverordnung, die sich im Laufe ihrer Anwendung auch in einzelnen andern Punkten als etwas zu eng erwies, gelockert und besonders die Möglichkeiten der Gewährung von Darlehen vermehrt und die Höchstgrenze für solche auf 20 000 Pranken, für aussergewöhnlicho Fälle sogar auf 30 000 Franken festgesetzt hatte. Diese Darlehen wurden entweder durch die eidgenössische Zentralstelle für Auslandschweizerfragen direkt oder durch schweizerische Banken mit Bürgschaft des Bundes gewährt. Die Tatsache, dass bis Ende 1952 736 Darlehen im Gesamtbetrag von 5 611 000 Franken ausgerichtet wurden, an welche bis Ende 1952 l 804000 Franken zurückbezahlt wurden, beweist die Bedeutung und Nützlichkeit der Darlehensgewährung.

Die im Ausland verbliebenen Landsleute wurden grundsätzlich gleich behandelt wie die Bückwanderer. Sie wurden ausserdem, so lange es notwendig war, in ausgiebigem Mass von der Schweiz aus mit Lebensmitteln, Schuhen, Textilwaren, Mobiliar, Medikamenten usw. ausgerüstet. Heute sind solche Sendungen nur noch für bedürftige Auglandschweizer in einigen Östlichen Ländern nötig.

Die Kollektivhilfe hat es vielen Landsleuten erlaubt, im Ausland durchzuhalten.

Der Bundesbeschluss von 1946 über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer sah vor, dass die Kantone und Gemeinden als verfassungsmässige Träger der Armenpflege sich an den Leistungen des Bundes grundsätzlich mit, einem Drittel beteiligen sollten, ohne dass diese Beiträge als Armenunterstützung
behandelt werden durften. Immerhin blieb die Hilfeleistung an die im Ausland verbliebenen Landsleute dem Bund allein übertragen, wie die Kantone auch nicht verpflichtet waren, sich an der Darlehensgewährung zu beteiligen. Auch die erste Hilfe und die Leistungen auf einzelnen andern Gebieten blieben dem Bunde vorbehalten. So schätzenswert die Mitwirkung der Kantone und Gemeinden auch war, so bewirkte sie ganz naturgemäss, dass doch zum Teil der Charakter der Armenhilfe am Hilfswerk haften blieb, weswegen die gehegte Absicht der Durchführung einer gehobenen Hilfe für die Auslandschweizer, die infolge der ausserordenthchen Ursachen ihrer Notlage zum grössten Teil ja nicht Armengenöasige im eigentlichen Sinne des Wortes darstellten, sich nicht lückenlos durchführen liess. Trotzdem kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die beschriebene, bisher geleistete Hilfe ihren Zweck erfüllt hat, indem sie für die

728 zu Opfern des zweiten Weltkrieges gewordenen Auslandschweizer zu einer eigentlichen Bettungsaktion wurde. Sie gestattete den meisten Bückwanderern, ihre anfänglich so schwierige, ja hoffnungslos scheinende Lage zu überbrücken und ihre Beassimilation zu fördern, die sich oft infolge der durch jahrelange Landcsabwesenheit eingetretenen Entfremdung sowie durch Unkenntnis der schweizerischen Dialekte recht schwierig und mühsam gestaltete. Verfolgte das Hilfswerk zwar nicht den Zweck, Ersatz für erlittene Verluste zu gewähren, so hat es tatsächlich doch im weiten Masse zur Milderung, sogar zur teilweisen Wiedergutmachung der Kriegsschäden beigetragen.

Bei allen diesen Hilfsmassnahmen trug der Bund die Hauptlast. Seit Beginn des Hilfswerkes im September 1939 bis Ende 1952 wurden von ihm allein 140,6 Millionen Franken ausgegeben. Dazu kommen die Anteile der Kantone und Gemeinden mit schätzungsweise 18 Millionen, ferner die Aufwendungen verschiedener gemeinnütziger Institutionen privater Natur, vor allem der Konferenz für Bückwandererhilfe und des Ferien- und Hilfswerkes für Auslandschweizerkinder, im Betrage von rund 7 Millionen Franken. Der Gesamtaufwand bis Ende 1952 beträgt demnach bereits 165,6 Millionen Franken. Von den im Jahre 1946 bewilligten 75 Millionen Franken standen Ende 1952 noch 7,4 Millionen KW: Verfügung. Bis Ende 1953 wird sich dieser Best bei einstweiliger Fortführung der bisherigen Massnahmen mutmasslich um weitere 3,5 Millionen verringern.

Hand in Hand mit der unmittelbar gewährten materiellen Hilfe gingen eine Beihe weiterer Bestrebungen des Bundes, das Los der Auslandschweizer und Bückwanderer auf andere Art zu verbessern. Was der Bund unternahm, um vom Ausland Ersatz für die verursachten Kriegsschäden zu erlangen, ist bereits dargelegt worden. Im Laufe der letzten Jahre ist es aber auch gelungen, durch eine Anzahl von Wirtschafts- und Finanzabkommen mit dem Ausland die früher fast völlig unterbundene Transferierung von Auslandsguthaben nach der Schweiz derart zu fördern, dass Millionen an eingefrorener Vermögenssubstanz, auch Benten, Pensionen usw. nach der Schweiz heimgesohafft werden konnten.

Das hat die Lage der begünstigten Bückwanderer wohltuend beeinflusst.

Wie bekannt, hat der Bund mit verschiedenen Staaten, nämlich einstweilen mit Jugoslawien, Polen, Ungarn, der
Tschechoslowakei und Bumänien über die Entschädigung der durch Nationalisierungsmassnahmen betroffenen Schweizer Bürger Vertrage abgeschlossen. Die durch Bundesbeschluss vom 21. Dezember 1950 eingesetzte Kommission für Nationalisierangsentschädigungen hat den Auftrag, die einzelnen Entschädigungsbeträge festzusetzen und den Berechtigten, unter denen sich auch zahlreiche Rückwanderer befinden, gemäss den eingehenden Mitteln auszurichten. Wenn die Geschädigten auch nioht die Vergütungen erhalten, die sie glaubten, erwarten zu dürfen, so handelt es sich dennoch auch hier um hochwillkommene Zahlungen, durch welche die Lage vieler Auslandschweizer und Bückwariderer nach und nach teilweise recht wesentlich vor bessert wird.

Schliesslich sei noch an den sogenannten Bückwanderertransfer aus Deutschland erinnert. Vor Kriegsende nahm die schweizerische Gesandtschaft in Berlin

729 zur Bestreitung ihrer Betriebsmittel von in Deutschland wohnenden Schweizer Bürgern vor ihrer Heimkehr Geld in deutscher Währung entgegen, wofür ihnen der Gegenwert in der Schweiz in Schweizer Franken ausgehändigt wurde. Auf diese Weise konnten zu einer Zeit, da Transfermöglichkeiten überhaupt nicht bestanden, rund 12 Millionen Franken heimgeschafft werden, die ausschliesslich den an diesem Transfer beteiligten Bückwanderern zugute kamen.

Trotz den bisher unternommenen Hilfs- und Stützungsaktionen, durch welche der Helferwille des Bundes deutlich ersichtlich ist, würde es doch den Verhältnissen nicht entsprechen, eine optimistische Bilanz zu ziehen. Die gegenwärtigen Lebens- und Einkommensverhältnisse zahlreicher Auslandschweizer müssen noch als prekär bezeichnet werden. Die bald nach Beendigung der Feindseligkeiten in der Schweiz aufgetretene Hochkonjunktur auf dem Arbeitsmarkt, die auch heute noch größtenteils fortbesteht, hat glücklicherweise die Eingliederung der arbeitsfähigen Bückwanderer in die Wirtschaft in hohem Masse erleichtert. Die meisten von ihnen haben sofort oder doch nach verhältnismässig kurzer Zeit Arbeitsplätze gefunden. Doch ist dabei zu beachten, dass sich in der Schweiz schon seit längerer Zeit eine Uberfüllung namentlich in den kaufmännischen und in vielen technischen und freien Berufen bemerkbar gemacht hat, so dass zahlreiche Bückwanderer nicht in den Berufen, die sie früher im Ausland ausübten, untergebracht werden konnten, sondern mit beliebigen Stellen vorlieb nehmen mussten, durch die ihr früheres Einkommen nicht wettgemacht zu werden vermochte. Das gilt zum Beispiel für die im Ausland als Obermelker oder Gutsaufseher tätig gewesenen Bückwanderer, aber auch für die früher Selbständigerwerbenden vieler Berufszweige. Die Folge war, dass zahlreiche Bückwanderer bloss als Hilfsarbeiter in Gewerbe und Industrie Verwendung finden konnten.

Selbst wenn man in Bechnung stellt, dass manch einer seither seine Stellung verbessern konnte und heute wieder über ein Einkommen verfügt, das ihn und seine Familie vor Not zu schützen vermag, belastet dieser soziale Abstieg, verbunden mit dem Verlust der in jahrelanger Arbeit im Ausland erworbenen Existenz und den durch direkte oder indirekte Einwirkungen des Krieges erlittenen materiellen Einbussen die Bückwanderer auch moralisch
schwer. Daran konnte die Soforthilfe von Bund, Kantonen und Gemeinden, so bereitwillig, ausgiebig und andauernd sie auch gewährt wurde, grundsätzlich nichts ändern.

Übrigens muss beigefügt werden, dass die Fälle jetzt noch zahlreich sind, in denen das Einkommen ohne Verschulden des Bückwanderers so schmal geblieben ist, dass weitere Unterstützung mehr oder weniger fortlaufend gewährt werden muss.

Besonders bedauerlich ist die Lage derjenigen Bückwanderer, deren Auskommen im Ausland unter normalen Verhältnissen gewährleistet gewesen wäre, die jedoch in der Schweiz, weil bereits in fortgeschrittenem Alter stehend oder ·wegen der Besonderheit ihres Berufes, nur mit grösster Mühe, wenn überhaupt, und meist nur in untergeordneten Posten beschäftigt werden können. Zu gedenken ist besonders auch der älteren, nicht mehr arbeitsfähigen Leute, vou

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denen manche, dank ihrer Ersparnisse, die heute zum Teil verlorengegangen oder stark abgewertet sind, ihren Unterhalt im. Ausland ohne fremde Hilfe hätten fristen oder-den Lebensabend im Kreise ihrer Angehörigen hätten verbringen können, nun aber in der Heimat dauernd auf die Fürsorge der öffentlichen Hand angewiesen sind.

Lässt demnach die Lage vieler Bückwanderer heute noch in mancher Beziehung zu wünschen übrig, so sind andererseits die im Ausland verbliebenen Landsleute, trotz der auch ihnen zuteil gewordenen Hilfe, in nicht besserer Lage, da die vielfach ungünstigen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse ihrer G astländer, die Teuerung, Inflation und Geldknappheit ihnen eine genügende und befriedigende Erholung von den durch den Krieg und seine Folgen hervorgerufenen Erschütterungen kaum erlauben.

Ein Vergleich mit den vielen Inlandschweizern, die infolge des Krieges ebenfalls Schwer zu kämpfen hatten, lässt sich zwar ziehen, ist aber insofern nicht völlig am Platze, weil die Inlandschweizer in jedem Zeitpunkt Haus und Heim unversehrt bewahren konnten und ihnen im Inland, dank ihrer Ansässigkeit und vorhandener Verbindungen zahlreiche natürliche Möglichkeiten und Hilfsquellen zur Verfügung standen, die der mittellos Heimgekehrte oder in der Fremde Verbliebene schmerzlich vermissen muss. Aus diesen Gründen darf der Bund sich nach der Auffassung des Bundesrates heute noch nicht auf den Standpunkt stellen, genug getan zu haben, zumal das Auslandschweizertum als wertvoller Bestandteil unseres Volkes jede gebotene Bücksicht verdient und der Bund sich nicht dem Vorwurf aussetzen darf, auf halbem Wege stehen gebheben zu sein.

m. Die Tätigkeit der Expertenkommission für Auslandschweizerfragen Im Verlaufe der verflossenen Jahre hat sich gezeigt, dass die sofortige materielle Hilfeleistung an die Auslandschweizer und Eückwanderer, so notwendig und unaufschiebbar sie auch war, nicht das einzige das Auslandschweizertum berührende Problem darstellte. Weitere wichtige Fragen, die ihren Ursprung zum Teil in den Kriegsereignissen haben, teilweise jedoch anderer Natur sind, sollten einer Lösung entgegengeführt werden. Von der Überzeugung geleitet, dass diese Probleme nicht innerhalb der Bundesverwaltung allein geprüft werden können, bestellte mit Ermächtigung des Bundesrates das Eidg. Justizund
Polizeidepartement im Jahre 1946 die Expertenkommission für Auslandschweizerfragen, welcher der Auftrag erteilt wurde, Lösungsvorschläge für die einzelnen Fragen auszuarbeiten. In diese Kommission, welche die Probleme von allen Gesichtspunkten aus, auch von innerschweizerischen, prüfen sollte, wurden Vertreter des eidgenössischen Parlaments, der Kantone, der in der Schweiz tätigen Auslandschweizer- und Kückwandererorganisationen berufen, ferner Vertreter von wirtschaftlichen Spitzenverbänden, philantropischen Organisationen und der Neuen Helvetischen Gesellschaft.

731 Nachdem die Expertenkommission im Jahre 1946 zunächst den nun in Durchführung begriffenen Bundesbeschluss über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer und die zugehörige Vollziehungsverordnung des Bundesrates begutachtet hatte, behandelte sie besonders in den Jahren 1949/50 die übrigen zur Diskussion gestellten Probleme. Die vom Vorsteher des Eidg. Justizund Polizeidepartementes präsidierte Kommission schloss ihre Arbeiten arn 21. Dezember 1950 ab und erstattete unter diesem Datum zuhanden des Bundesrates einen umfangreichen Bericht, der eine ganze Eeihe von Empfehlungen enthält, die meist an den Bundesrat, zum Teil aber auch an andere, private Kreise gerichtet sind.

Die Kriegsschädenfrage hat in den Beratungen der Expertenkommission naturgemäss eine grosse Eolle gespielt. Wiederholt und nachdrücklich wurde besonders von den Vertretern der Auslandschweizer erklärt, dass es bei den bisherigen Massnahmen nicht sein Bewenden haben könne. Vielmehr werde vom Bundesrat und der Bundes vers ammlung weitere Hilfe in erheblichem Umfang erwartet, die nicht auf blosse Fürsorge, sondern auf einen wenigstens teilweisen Ersatz der von den Auslandschweizern erlittenen Kriegsschäden gerichtet sein müsse, Der Bundesrat hat der Expertenkommission seine Auffassung über die Frage des Kriegsscbädenersatzes schriftlich und mündlich wiederholt bekanntgegeben.

Gleichzeitig liess er die Kommission aber auch wissen, dass er zum Antrag an die eidgenössischen Bäte bereit sei, das der Schweiz zufallende Liquidationsergebnis aus dem Abkommen von Washington im Sinne von Sozialleistungen zugunsten der schweizerischen Opfer des Krieges zu verwenden. Wörtlich wurde vom Vertreter des Bundesrates beigefügt: «Damit ist gesagt, dass eine prozentuale Verteilung an Kriegsgeschädigte nicht in Frage kommt. Ebenso deutlich ist damit zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht um Armenunterstützungen handeln kann ... ». Von diesen bestimmten, am 15. Juli 1949 abgegebenen Erklärungen nahm die Expertenkommission Kenntnis. Sie sah unter diesen Verhältnissen davon ab, die Frage des Ersatzes der Kriegsschäden weiter zu prüfen, befasste sich vielmehr mit dem Problem der Schaffung einer «neuen Aktion».

Sie sollte darin bestehen, dass die flüssig werdenden Mittel aus dem Abkommen von Washington unter die Bückwanderer und Auslandschweizer,
die Opfer des zweiten Weltkrieges geworden sind und jetzt noch unter den Kriegsfolgen leiden, verteilt würden, immerhin unter Beachtung sozialer Gesichtspunkte.

Die gesamte Expertenkommission billigte diesen Vorschlag und empfahl in ihrem Schlussbericht dem Bundesrat: 1. den eidgenössischen Bäten die Durchführung einer «neuen Aktion», bestehend aus Zuwendungen an Auslandschweizer und Bückwanderer, die Opfer des zweiten Weltkrieges geworden sind oder heute noch unter den Kriegsfolgen leiden, vorzuschlagen ; hierfür wären die der Schweiz aus dem Liquidationserlös des Abkommens von Washington anfallenden Mittel zu verwenden, ohne dass die früheren Aufwendungen gemäss Bundesbeschluss

732 über ausserórdentliclie Leistungen an Auslandschweizer vom 17. Oktober 1946 angerechnet werden; .

2. den eidgenössischen Bäten die Vorlage ad 1. ohne Bücksicht auf den Stand der Verhandlungen über das Abkommen von Washington zu unterbreiten und im übrigen alles zu tun, um dessen baldige Durchführung sicherzustellen; 3. den eidgenössischen Bäten zur Anhandnahme der «neuen Aktion» die Gewährung eines Vorschusses zu beantragen, um daraus in berücksichtigenswert en Fällen vorweg Teilzahlungen ausrichten zu können ; 4. den eidgenössischen .Bäten vorzuschlagen, die Durchführung der «neuen Aktion» gegebenenfalls aus andern Mitteln zu ermöglichen, sofern der Ertrag aus dem Abkommen von Washington, unzureichend sein sollte.

Die Expertenkommission hat dem Bundesrat im weitern empfohlen, bei der Ausgestaltung der «neuen Aktion» gewisse Bichtlinien zu befolgen, die sich auf den Kreis der zu berücksichtigenden Personen, den Verteilungsmodus usw.

bezogen. Sie hat ausdrücklich hervorgehoben, dass bei der Beurteilung der Einzelfälle die frühere Stellung und Lage im Ausland, die gegenwärtige Lage (Vermögens- und Einkommensverhältnisse, berufliche Stellung, Familienlasten usw.), die Zukunftsaussichten, die erlittenen Vermögenseinbussen (Kriegsschäden) und die bisher empfangenen Leistungen gewürdigt werden sollten. Ausserdem befürworteten die Experten, für die Durchführung der Aufgabe eine von der Bundesverwaltung unabhängige Kommission und eine Bekursinstanz zu schaffen.

Als im April 1951 mit den Alliierten endlich eine Verständigung über die Durchführung des Abkommens von Washington erzielt werden konnte, rechnete man mit einem Nettoergebnis für die Schweiz von noch rund 130 Millionen Franken. In der Expertenkommission wurde aus Bückwandererkreisen ein solcher Betrag für die «neue Aktion» als ungenügend bezeichnet. Einen Antrag, es möchten auf jeden Fall 250 Millionen, entsprechend dem ursprünglich angenommenen schweizerischen Anteil am Liquidationsergebnis, bereitgestellt werden, lehnte die Kommission ab. Sie wollte diese Frage offen lassen. Seither erhielt der Bundesrat verschiedene Eingaben von interessierter Seite, worin er ersucht wurde, sich bei den eidgenössischen Bäten für die Gewährung eines Kredites von rund 200 Millionen Franken zur Durchführung der «neuen Aktion» einzusetzen.

.

In diesem
Zusammenhang sei noch erwähnt, dass die «neue Aktion» nicht das einzige Postulat der Expertenkommission darstellt, das vom Bund weitere namhafte Geldleistungen zugunsten der Auslandschweizer und Bückwanderer erfordern würde. Eine der Empfehlungen geht dahin, dass heute nicht realisier-

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bare Guthaben verschiedener Art von Schweizern im Ausland bis zu einem noch zu bestimmenden Höohstbetrag gegen Übernahme der Ausfallhaftung durch den Bund von schweizerischen Bankinstituten bevorschusst werden möchten.

Ferner wird die Gewährung eines besonderen Kredites empfohlen, um den durch die Nationalisierungsmassnahmen ausländischer Staaten betroffenen Schweizer Burgern Vorschüsse auf ihre Ansprüche aus den Globalentschädigungsabkommen zu gewähren, sofern sie durch die Massnahmen des Auslandes ihre Existenz verloren haben und in finanziell bedrängten Verhältnissen leben. Sohliesslich wird die Schaffung eines Solidaritätsfonds angeregt, aus dem bei künftigen Katastrophen den betroffenen Auslandschweizern Zuwendungen zu machen wären. Dieses Ziel sollte zwar in erster Linie durch eine Selbsthilfeorganisation der Auslandschweizer erreicht werden, doch empfiehlt die Expertenkommission, den Fonds durch Subventionen des Bundes, die dem Ertrag des allenfalls abzuschaffenden Militärpflichtersatzes der Auslandschweizer zu entsprechen hätten, zu unterstützen und das Hilfswerk damit zu ermöglichen. Die Mittel zur Verwirklichung dieser Postulate hat die Expertenkommission nicht errechnet und hätte sie angesichts der Unabgeklärtheit der Probleme auch gar nicht errechnen können. Sicher ist jedoch, dass für ihre Ausführung weitere Millionenbeträge erförderlich wären.

IV. Die «neue Aktion» Der Bundesrat hatte zunächst zu untersuchen, ob er den eidgenössischen Eäten die Bewilligung weiterer Mittel zur Durchführung der «neuen Aktion», die nach den schliesslichen Empfehlungen der Expertenkommission eine Kombination von Kriegsschädenersatz und Sozialhilfe dargestellt hätte, beantragen soll. Die Prüfung überzeugte den Bundesrat jedoch davon, dass die «neue Aktion» administrativ unmöglich durchgeführt werden kann und auch das Hauptziel der Interessenten, die Kriegsschädenfrage befriedigend zu lösen, nicht zu erreichen wäre.

Die rund 25 000 Schweizer Bürger, die Kriegsschäden erlitten haben, müssten zum vornherein als Anwärter für die «neue Aktion» betrachtet werden.

Es würde jedoch einem Gebot der Gerechtigkeit entsprechen, ausserdem auch diejenigen Auslandschweizer als Ansprecher ins Auge zu fassen, die zwar nicht messbare Schäden erlitten, aber dennoch auf andere Weise vom Krieg arg mitgenommen wurden und heute noch unter seinen Folgen leiden. Bei Zusammenfassung aller in Betracht kommenden Personenkategorien könnte sich eine Zahl von etwa 80 000 Anwärtern ergeben, deren Berechtigung zum Einbezug in die «neue Aktion» zu überprüfen wäre. Da die «neue Aktion» im wesentlichen eine teilweise Vergütung der Kriegsschäden bezweckt, wäre es unerlässlich, Erhebungen im Ausland anzustellen, um wenigstens zu einer Schätzung der wirklich erlittenen Einbussen und ihren Ausmassen zu gelangen. Die vorgenommenen Schätzungen (soweit solche örtlich und sachlich heute überhaupt noch gemacht werden könnten) müssten gegeneinander abgewogen und mit der ermittelten gegenwärtigen sozialen Lage des Einzelnen verglichen werden, bevor über Zu-

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. lassung oder Abweisung des einzelnen Bewerbers entschieden werden könnte.

Erst nachher wäre es möglich, die Zugelassenen in Kategorien einzuteilen und die Vergütung iin Einzelfall festzulegen.

Zieht man die grosse Zahl von Ansprechern in Betracht, so kann man ermessen, dass die Dauer der Abwicklung unabsehbar sein müsste. Das würde nicht im Interesse der Beteiligten liegen, die ja eine rasohe Erledigung der dringenden Probleme erwarten. Das Arbeitsvolumen bliebe übrigens dasselbe, wenn man die «neue Aktion», statt durch die Verwaltung von einer von dieser losgelösten Kommission durchführen lassen wollte. Auch die Kosten der Verteilungsaktion müssten beim Umfang des verwickelten Verfahrens ein ungewöhnliches Mass erreichen; auf jeden Fall wäre die Anstellung einer ganz erheblichen Anzahl von Arbeitskräften auf längere Dauer nicht zu umgehen.

Allein auch das materielle Ergebnis dürfte keinesfalls die Erwartungen der Auslandschweizer und Bückwanderer erfüllen. Es wäre zwar denkbar, dass von den mutmasshch ungefähr 30 000 Anwärtern eine grössere Zahl von Bewerbern in verhältnismässig günstiger ökonomischer Lage zugunsten Schlechtergestellter noch ausgeschaltet werden könnte, so dass die endgültige Zahl der Anwärter auf etwa 25 000 gesenkt würde. In diesem Falle ergäbe sich bei einer verteilbaren Summe von rund 120 Millionen Franken eine Durchschnittsvergütung von 4800 Franken auf den einzelnen Begünstigten. Es ist leicht vorauszusehen, dass ein solcher Durchschnittsanteil nur wenige der Berücksichtigten befriedigen würde, während die meisten andern ob des in der Tat magern Eesultates enttäuscht wären. Die Unzufriedenheit würde andauern und das Kriegsschädenproblem bliebe in den Augen der Geschädigten als ungelöst bestehen. Der Bundesrat ist sich auch bewusst, dass jeder Art von Geldverteilung eine Menge von Fehlerquellen und Härten anhaften und es namentlich bei grossen Bewerberzahlen und stark differenzierten Verhältnissen unmöglich ist, ein Verteilungssystem zu finden, das die Ansprüche und Wünsche auch nur einer grösseren Zahl von Beteiligten zufriedenstellen könnte. Selbst wenn die Verteilungssumme auf 180 oder gar auf 200 Millionen erhöht würde, so dass sich eine Durchschnittsvergütung von 7200 bzw. 8000 Franken ergäbe, blieben die nämlichen Schwierigkeiten tatsächlicher, technischer und
psychologischer Art bestehen.

- . Ausserdem ist zu beachten, dass weit mehr als die Hälfte der kriegsgeschädigten Auslandschweizer :verhältnismässig geringe Einbussen am Vermögen erlitten haben, weil sie neben ihrem Mobiliar nur bescheidene Ersparnisse besassen .und hauptsächlich auf ihr Erwerbseinkommen oder auf Benten von Sozialversicherungen angewiesen, waren. :Durch den kriegsbedingten Verlust ihrer herkömmlichen Existenz haben namentlich die Bückwanderor Schäden zu verzeichnen, die zwar kapitalmässig kaum zu erfassen, aber doch für sie sehr empfindlich sind. Bei einer im wesentlichen auf Berücksichtigung der Vermögeiisschäden beruhenden-Art. der Geldverteiluhg müssten gerade dieso Opfor :des Krieges am schlechtesten wegkommen, und zwar auch darin, wenn man die sozialen Komponenten der «neuen Aktion» berücksichtigt. Demnach würdeu>

735 kurz gesagt, diejenigen viel erhalten, die vorher viel besassen, während die früher wenig Vermöglichen auch mit geringen Zuwendungen bedacht würden. An diesem Grundsatz vermöchten auch die Berücksichtigung der heutigen Lage und der Zukunftsaussichten des Einzelnen nichts Wesentliches zu ändern.

Bei dieser Sachlage sieht der Bundesrat sich veranlasst, Ihnen zu beantragen, es sei auf die Durchführung der «neuen Aktion» im Sinne der Empfehlungen der Expertenkommission, aber auch auf jede sonstige Art einer Geldverteilung zu verzichten. Andererseits ist er auf Grund der gemachten Erfahrungen und Beobachtungen davon überzeugt, dass die gegenwärtige Lage der Auslandschweizer und Bückwanderer noch unbefriedigend ist und weitere Hilfsmassnahmen des Bundes sich daher rechtfertigen. Nach sorgfältiger. Prüfung ist deshalb der Bundesrat dazu gelangt, Ihnen den Entwurf zu einem neuen Bundesbeschluss vorzulegen, der grundsätzlich auf andern als den von der Expertenkommission gemachten Überlegungen beruht.

V. Die neue Vorlage des Bundesrates . 1. Wie schon nach dem ersten als auch während des zweiten Weltkrieges und seither, kann auch den künftigen Massnahmen des Bundes zugunsten der kriegsgeschädigten Auslandschweizer bloss der Charakter einer Sozialhilfe innewohnen, da nur auf Leistungen solcher Art die Auslandschweizer und Bückwanderer einen moralischen Anspruch erheben können. Daher kann lediglich eine Portsetzung der bisherigen Hilfeleistung, wenn auch der veränderten Sachlage entsprechend unter Einbezug neuer Gesichtspunkte, in Frage kommen.

Der Bundesrat muss dabei auch deutlich zum Ausdruck bringen, dass die allenfalls von den eidgenössischen Bäten neu beschlossene Sozialhilfe eine ausserordentliche Bundesleistung als Folge aussergewöhnlicher Ereignisse darstellt.

2. Für eine rechtliche Begelung der Materie sind die nämlichen Gründe massgebond, die bereits in der Botschaft vom 10. Mai 1946 über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer (Abschnitt 5, Ziff. 2) erörtert worden sind.

Auch in verfassungsmässiger Hinsicht darf auf die dort in Ziffer 3 enthaltenen Ausführungen abgestellt werden.

3. Die neue Vorlage unterscheidet inhaltlich zwischen der sozialen Betreuung der gesunden Auslandschweizer, die wieder ins Wirtschaftsleben eingegliedert werden können, und der Hilfeleistung an die wegen
Alters, Krankheit oder Gebrechlichkeit nicht mehr. Arbeitsfähigen, die des dauernden Beistandes bedürfen. Den Arbeitsfähigen soll beigestanden werden beim Aufbau einer neuen Existenz. Den Alten und den nicht mehr Erwerbsfähigen wird die Sorge um die Existenz durch dauernde Hilfeleistung abgenommen.

4. Nach Auffassung des Bundesrates sollte die nach dem vorhegenden Entwurf zugedachte Hilfe inskünftig, nicht mehr von der Mitwirkung der Kantone und Gemeinden abhängig gemacht, sondern vom

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Bund allein geleistet worden. Wie wir weiter oben ausführten, entsprachen bisher schon die Leistungen der Kantone und Gemeinden nur einem verhältnismässig kleinen, nämlich bloss etwa dem 8. Teil der gesamten Aufwendungen des Bundes und würden auch inskünftig nicht grössor werden. Die Erfahrungen mit dem gegenwärtig noch in Geltung befindlichen Bundesbeschluss von 1946 zeigen auch einen ganz erheblichen administrativen Aufwand, da nicht selten langwierige und oft recht mühsame Verhandlungen mit einzelnen Kantonen und Gemeinden geführt werden müssen, um den vorgesehenen Anteil zugesagt zu erhalten.

Ganz besonders wäre es jedoch aus psychologischen Gründen angebracht, auf eine rechtlich verankerte Mitwirkung der Kantone zu verzichten. Nur ein solcher Verzicht vermöchte nämlich den praktisch weitgehend berechtigten Einwand namentlich der Bückwanderer endlich zu beseitigen, sie seien trotz der angeblichen Gehobenheit der Hilfe doch von der Armenpflege abhängig. Die sozusagen alleinige Durchführung der künftigen Hilfe durch den Bund würde nicht nur die Gleichmässigkeit der Leistungen fördern, sondern namentlich bewirken, dass der Grundsatz der gehobenen Fürsorge praktisch wesentlich besser zu verwirklichen wäre. Das ist nicht zu erzielen, wenn sich Kantone und Gemeinden mit sehr unterschiedlich dotierten Armenmitteln daran beteiligen müssen.

5. Die Botschaft des Bundesrates vom 14. Juni 1946 über die Genehmigung des Abkommens von Washington erwähnte die dort getroffene Kompromisslösung, wonach das Betreffnis aus der Liquidation der deutschen Vermögenswerte zur Hallte den schweizerischen Opfern des Krieges, zur andern Half te dem Wiederaufbau Europas und namentlich auch der Ernährung notleidender Bevölkerungen zugute kommen sollte. Der Bundesrat gab zu verstehen, dass diese Lösung seiner Auffassung nach durchaus den Verhältnissen und der Billigkeit entspreche. Die Interessenten haben sich in der Eolge zur Begründung ihrer Ansprüche in der Kriegsschädenfrage auf diese Meinungsäusserung immer berufen. Sie war es auch, die im Sommer 1949, als mit der Durchführung des Abkommens noch gerechnet wurde, den Bundesrat dazu bewog, der Expertenkommission gegenüber seine Bereitwilligkeit zu erklären, das Liquidationsbetreffnis (vorbehaltlich der Zustimmung der eidgenössischen Bäte) zugunsten der schweizerischen
Opfer des Krieges verwenden zu wollen. Dies um so mehr, als es der Bundesrat angesichts der Kritik, die am Abkommen von Washington seinerzeit geübt wurde, nicht für richtig halten konnte, das der Schweiz allenfalls zufliessende Geld einfach der Bundeskasse einzuverleiben. Heute hat sich die Lage geändert. Wie aus der Botschaft des Bundesrates vom 29. August 1952 über die Ablösung des Abkommens von Washington ersichtlich ist, wird dieses Abkommen in bezug auf die Liquidierung der deutschen Vermögenswerte nicht mehr vollzogen, sondern durch eine Zahlung der deutschen Bundesrepublik an die Alliierten ersetzt. Im schweizerisch-deutschen Abkommen über die liegelung der schweizerischen Staatsforderungen gegenüber dem ehemaligen Deutschen Beich ist gleichzeitig eine erste deutsche Akontozahlung von 121,5 Millionen

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vereinbart worden, die in verhältnismässig kurzer Zeit entrichtet werden soll.

Dieser Betrag ist nicht zufällig identisch mit demjenigen, den die deutsche Bundesrepublik in Ablösung des Abkommens von Washington an die Alliierten zu leisten hat. Er ergibt sich auf Grund folgender Sachlage: Die landläufige Auffassung, wonach der schweizerische Anteil am Erlös aus dem Abkommen von Washington ursprünglich 250 Millionen Franken betragen hätte, ist irrig. Allerdings wurde 1945 den unzutreffenden Behauptungen der Alliierten, es lägen in der Schweiz mehrere Milliarden Dollars an deutschen Vermögenswerten, seitens unserer Behörden entgegengehalten, die in Frage stehende Summe belaufe sich auf höchstens l Milliarde Schweizerfranken, wobei davon bloss rund die Hälfte unter die Bestimmungen des Abkommens fielen.

Daraus ergab sich vorerst die Folgerung, der schweizerische Anteil am Erlös werde ungefähr 250 Millionen Franken betragen. Schon damals wusste man aber nicht nur, dass es sich um eine ganz grobe, vorläufige Schätzung handle, sondern auch, dass im Abkommen das Vermögen des ehemaligen Deutschen Reiches (einschliesslich Eeichsbank und Eeichsbahn) und die sogenannten «Clearingrückstände» von der Liquidation ausgenommen waren.

Erst im Verlauf der Jahre konnte in mühsamer Kleinarbeit nach und nach ein genaueres Bild über die zu erwartenden Liquidationsergebnisse erreicht werden. So ging man bei der schweizerisch-alliierten Einigung über den Durchführungsplan im Frühling 1951 von folgender Zahlengrundlage aus: Voraussichtliches Liquidationsergebnis abzüglich ostdeutsche Guthaben

417 Millionen Franken 80 Millionen Franken

bleiben abzüglich Guthaben bis zu 10 000 Franken bleiben

387 Millionen Franken 27 Millionen Franken 360 Millionen Franken

Die Alliierten erklärten, ihre Ansprüche um einen Viertel reduzieren zu wollen, falls auch die Schweiz dazu bereit sei, was diese keinesfalls ablehnen konnte. Dieser Viertel von zusammen 90 Millionen hätte der Bundesrepublik Deutschland in Devisen zur Verfügung gestellt werden sollen. Man ging also davon aus, dass ein Liquidationsergebnis bleiben würde von 270 Millionen Franken, wovon die Alliierten und die Schweiz je die Hälfte, also je 135 Millionen Franken zu erhalten hätten.

Als dann die Bundesrepublik Deutschland den schweizerisch-alliierten Plan ablehnte und dafür die Idee einer Ablösungssumme in Vorschlag brachte, konnte sie sich mit den Alliierten ziemlich rasch über die Höhe dieser Abfindungssumme einigen, nämlich auf die vorgesehenen 135 Millionen Franken, abzüglich eines Diskonts von 10 Prozent für sofortige Auszahlung, somit 121,5 Millionen Franken.

Die Schweiz, die auf jede Beteiligung am Liquidationsergebnis verzichtete, ging aber davon aus, dass für die schweizerischen Kriegsopfer bei den AbmaBundeablatt. 105. Jahrg. Bd. I.

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chungen über die schweizerischen Staatsforderungen gegenüber dem ehemaligen Deutschen Eeicheine Sonderbehandlung angezeigt sei, und zwar in gleicher Höhe, wie sie für die alliierte Abfindungssumme bestimmt war, nämlich 121,5 Millionen.

Das ist denn auch geschehen.

Diese Summe tritt also gleichsam anstelle des schweizerischen Anteils am Liquidationsergebnis gemäss dem Plan vom Frühling 1951. Es sollte damit erreicht werden, dass die schweizerischen Kriegsopfer, vorbehaltlich der Zustimmung der Bundesversammlung, gleich viel erhalten, wie sie bei der Durchführung des letztjährigen Planes erhalten hätten.

Vielleicht liesse sich der Standpunkt, vertreten, ein rechtlicher Zusammenhang zwischen dein Abkommen von Washington und der Zahlung der Bundesrepublik Deutschland bestehe nicht, weil diese zur Abtragung einer längst bestehenden Schuld des Deutschen Beiches gegenüber der Eidgenossenschaft geleistet werde. Deshalb seien auch die seinerzeit auf das Abkommen von Washington gestützten Erklärungen des Bundesrates gegenstandslos geworden.

Es muss jedoch hier wiederholt werden, dass in den Verhandlungen mit der deutschen Bundesrepublik über die schweizerischen Staatsforderungen im Hinblick auf die schweizerischen Opfer des Krieges die beschleunigte Zahlung von 121,5 Millionen Franken gefordert wurde, nämlich des gleichen Betrages, den die Bundesrepublik den Alliierten zur Ablösung des Abkommens von Washington zu entrichten hat.

So haben die Auslandschweizer und Eückwanderer nicht ganz Unrecht, wenn sie auf diese tatsächliche Verbindung zwischen dem Abkommen von Washington und der Zahlung der Bundesrepublik Deutschland hinweisen. Der Bundesrat kann sich nicht auf den Standpunkt der formal-rechtlichen Auslegung begeben.

Aus diesen Gründen sieht sich der Bundesrat veranlasst, Sie um die Gewährung neuer.Mittel zu ersuchen, die bei den vorhandenen Zusammenhängen und den erteilten Zusicherungen 121,5 Millionen Franken betragen sollten, entsprechend der Höhe der von der Deutschen Bundesrepublik vorerst zu leistenden Zahlung.

Dagegen stellt sich die Frage, was mit dem beim allfälligen Inkrafttreten des im Entwurf vorgelegten neuen Bundesbeschlusses noch verbleibenden Best der durch den Bundesbeschluss vom 17. O k t o b e r 1946 über ausserordentliche Leistungen an Ausländschweizer zur Verfügung gestellten
Mittel von 75 Millionen Franken zu geschehen habe. Dieser Best betrug auf Ende 1952 noch 7,4 Millionen Franken. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es im Hinblick auf die durch die Ablösung des Abkommens von Washington enttäuschten Hoffnungen der kriegsgeschädigten Auslandschweizer: nicht gerechtfertigt ·wäre, ihnen diese für sie bestimmten Mittel vorzuenthalten. Er beantragt Ihnen deshalb, den zu erwartenden Best zum obenerwähnten Betrag von 121,5 Millionen Franken hinzuzurechnen.

739 Es kann noch nicht überblickt werden, welchen Einfluss die den Auslandschweizern auf Grund des deutschen Gesetzes über den Lastenausgleich zustehenden Leistungen auf die Sozialhilfe ini Sinne dieser Vorlage haben werden.

Der Bundesrat hat deshalb keinen Anlass, die Summe von 121,5 Millionen Franken zu vermindern.

Nach eingehenden Berechnungen benötigt die Durchführung der beantragten Sozialhüfe sehr erhebliche Geldbeträge. Von der eidgenössischen Zentralstelle für Auslandschweizerfragen werden gegenwärtig gemäss dem noch geltenden Bundesbeschluss von 1946 über ausserordentliche Leistungen an AuslandSchweizer im In- und Ausland rund 2500 gänzlich arbeitsunfähige Personen, die durch den Krieg in Not geraten sind, unterstützt. Ihre Zahl wird zunächst noch ansteigen, dann aber im Laufe der Jahre stetig abnehmen, bis etwa nach 20 Jahren oder etwas später der Nullpunkt erreicht sein dürfte. Bei Annahme von 1800 Rückwanderern und 1500 Schweizer Bürgern im Ausland als anfänglicher Höchstzahl mit gestaffelter Bückbüdung wären für die Bückwanderer eine Aufwendung von 55 Millionen Franken, für die Auslandschweizer eine solche von 36 Millionen Franken, demnach allein für die dauernd Erwerbsunfähigen zusammen 91 Millionen Franken erforderlich.

Hilfe vorübergehender Art muss den arbeitsfähigen Auslandschweizern und Bückwanderern, sowie den nicht sehr zahlreichen Teil-Arbeitsfähigen geleistet werden. Das Gleiche gilt für eine einstweilen nicht ermittelbare Zahl von Bückwanderern, die zwar vom Bund unterstützt werden, dann jedoch wegen Fristablaufes der kantonalen Armenpflege überlassen werden mussten. Bei Durchführung der neuen Sozialhilfe des Bundes wären sie wenn nötig wieder durch diesen zu betreuen. Für alle diese Fälle ist auf Grund der angestellten Berechnungen noch ein Betrag von 20 Millionen Franken erforderlich. Ferner würde die Fortsetzung der Darlehensgewährung auf bisheriger Grundlage weitere 3 bis 4 Millionen Franken erfordern.

Es ergeben sich daher für die Durchführung der Sozialhilie an die kriegsgeschädigten Auslandschweizer mutmasslich folgende Aufwendungen: Dauernde Hilfe an die Arbeitsunfähigen im In- und Ausland 91 Millionen Franken Vorübergehende Hilfe an die Arbeitsfähigen im Inund Ausland 20 Millionen Franken Darlehenshilfe 4 Millionen Franken Zusammen

. 115 Millionen Franken

Unter Einsatz einer allgemeinen Beserve von 6 Millionen würde somit der mutmassliche Gesamtaufwand rund 121 Millionen Franken betragen.

6. Die vorgesehene Regelung hat gegenüber der «neuen Aktion» den Vorteil, dass kein a u f g e b l ä h t e r Verwaltungsapparat geschaffen werden muss. Wenn, wie es die Vorlage ins Auge fasst, die Durchführung der Sozialhilfe der bestehenden eidgenössischen Zentralstelle für Auslandschweizerfragen über-

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tragen wird, vermag diese voraussichtlich mit dem vorhandenen, gut eingearbeiteten Personal auszukommen. Bedarf es während der Anlaufzeit einer Personalvermehrung, so würde es sich um bloss 2 bis 3 vorübergehend benötigte Arbeitskräfte handeln.

Es folgen einige Erläuterungen zur neuen Vorlage des Bundesrates und Mitteilungen über wichtige Punkte der "Vollziehungsverordnung, die in Bearbeitung ist.

Art. l enthält die allgemeinen Bestimmungen. Die Hilfe soll sowohl den im Ausland verbliebenen als auch den heimgekehrten kriegsgeschädigten Schweizer Bürgern zukommen. Der Entwurf zur Vollziehungsverordnung wird vorsehen, dass auch ehemalige Schweizerinnen in gewissem Umfang berücksichtigt werden können. Bei der Bemessung der Zuwendungen ist unter anderem dem früheren sozialen Stand des Auslandschweizers Rechnung zu tragen, was einem wesentlichen Postulat der Expertenkommission entspricht.

Als kriegsgeschädigt gelten nicht nur Auslandschweizer, die unter direkten Einwirkungen des Krieges gelitten haben, sondern auch solche, die durch die mit dem Krieg zusammenhängenden wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse der Vor- oder Nachkriegszeit in Mitleidenschaft gezogen worden sind.

Art. 2 umschreibt die Hilfsmöglichkeiten für die verschiedenen Kategorien von Auslandschweizern. Den Arbeitsfähigen soll durch ausreichende, grundsätzlich aber vorübergehende Hilfe eine Grundlage für den Aufbau und die Festigung ihrer Existenz geschaffen werden.

Die Dauerleistungen für die Arbeitsunfähigen sind zu Beginn des Abschnittes V dieser Botschaft unter Ziffer 3 schon erörtert worden. Zur Festlegung der Grenzen für die Dauerhilfe sieht die VollziehungsVerordnung zum gegenwärtigen Beschluss etwas weitergehende Bedingungen vor als für den Arbeitsfähigen.

Es wird verlangt, dass der Auslandschweizer schon vor Ausbruch des Krieges mindestens 5 (statt bloss 2) Jahre ununterbrochen im Ausland gelebt hat, und ferner, dass sein Auskommen dort unter normalen Verhältnissen gesichert gewesen wäre. Der jetzt schon gänzlich Arbeitsunfähige soll dauernde Hilfe erhalten.

Später gänzlich arbeitsunfähig werdende Rückwanderer und Auslandschweizer werden dieser Hilfe teilhaftig, wenn sie bei Inkrafttreten des neuen BundesbeSchlusses ein vorgeschrittenes Alter erreicht haben. Zur Vermeidung von Härten sollen Auslandschweizer,
obschon sie die Voraussetzungen nicht voll erfüllen, in die Dauerhilfe einbezogen werden können, wenn dazu besondere Gründe vorhegen. Der Bundesrat glaubt, durch Aufstellung »olcher Bestimmungen in der Vollziehungsverordnung die richtige Schranke gefunden zu haben, um einerseits eine übermässige Ausdehnung der Dauerhilfe zu verhindern und andererseits dennoch diejenigen alten und gebrechlichen Auslandschweizer zu erfassen, die infolge de» erlittenen Schicksals für eine Berücksichtigung in Frage kommen.

Die nachstehenden Beispiele aus der Praxis sollen verdeutlichen, welche Fälle sich für eine Dauerhilfe eignen können oder nicht.

741 Fall A. Der 1950 heimgekehrte Ausländschweizer ist heute 50jährig. Er war lange Jahre im Ausland ansässig und als Fabrikarbeiter tätig. Eine gleichartige Stelle fand er auch bald in der Schweiz. Es sind drei Kinder vorhanden.

Die Familie wurde während eines Jahres ausgiebig unterstützt. Heute ist der Rückwanderer finanziell unabhängig. Es könnten bei Bedarf noch Nachleistungen erfolgen. Er ist wieder in gleicher Lage wie früher im Ausland.

Fall B. Es handelt sich um einen heute 81 Jahre alten Mann, der zur Zeit des ersten Weltkrieges einen (nicht kriegsbedingten) Unfall erlitt, durch den er gänzlich arbeitsunfähig wurde. Er muss seit Jahren durch dieHeimatgemeinde unterstützt werden. Für eine Berücksichtigung in der neuen Dauerhilfe käme der Betreffende nicht in Frage, da sein Zustand mit dem zweiten Weltkrieg und seinen Folgeerscheinungen nichts zu tun hat. Der Mann muss als aus gewöhnlichen Gründen verarmt betrachtet werden.

Fall C. Der Auslandschweizer besass in Ostpreussen ein grosses landwirtschaftliches Gut. Er starb 1944 an einer Lungenentzündung. Die Witwe kehrte 1944 mit ihren 8 Kindern in die Schweiz zurück, wo sie vom Bund unterstützt wurde. Da die Frau jedoch arbeitsfähig war, musste nach einer gewissen Zeit die Bundeshilfe eingestellt und die weitere Unterstützung dem Heimatkanton überlassen werden. Diese Hilfe muss einstweilen fortgesetzt werden, da vier der Kinder noch minderjährig sind. Würde die Frau, die heute SSjährig ist, später arbeitsunfähig und könnten ihr die heranwachsenden Kinder nicht ausreichend helfen, so wäre ein Einbezug in die Dauerhilfe des Bundes möglich, da die Voraussetzungen dafür vorliegen. Jedenfalls könnte die gegenwärtig noch nötige temporäre Hilfe nach den künftigen Bestimmungen wieder vom Bund übernommen werden.

Fall D. Der Auslandschweizer ist heute 67 Jahre alt. Er hatte im Ausland als Freileitungsmonteur eine verhältnismässig bescheidene Existenz, doch wäre im Ausland dank einer genügenden Bente das Auskommen gesichert gewesen.

Nach der 1948 erfolgten Rückwanderung war er bei einer Tiefbauunternehraung als Hilfsarbeiter angestellt. Wegen Altersboschwerden ist er seit einiger Zeit dauernd unterstützungsbedürftig. Obschon seine materiellen Kriegsschäden nicht sehr bedeutend sind, konnte er sich altershalber im Inland nicht mehr eine gleichwertige
Existenz aufbauen, wie er sie im Ausland besass. Er leidet daher fortgesetzt unter den Folgen des kriegsbedingten Existenzverlustes und wurde in die Dauerhilfe des Bundes nach Artikel 14 der noch geltenden Vollziehungsverordnung zum Bundesbeschluss von 1946 übernommen. Auch unter dem neuen Bundesbeschluss würde er ihrer teilhaftig werden, da die Voraussetzungen dafür vorlägen.

Fall E. Der Ehemann, Melker auf einem grossen landwirtschaftlichen Gut in Ostpreussen, wurde beim Einmarsch der Russen verschleppt. Er ist seither verschollen und wahrscheinlich tot. Die Frau, heute 88 Jahre alt, hat 5 Kinder, die in den Jahren 1933 bis 1948 geboren wurden. Eines der Kinder ist heute erwerbsfähig. Obschon die Frau verhältnismässig jung und arbeitsfähig ist,

742 kann sie wegen der Obsorge für die Kinder selbst keinem Verdienst nachgehen.

Die Bundeshilfe musste, nachdem sie solange wie möglich gewährt wurde, eingestellt und die weitere Unterstützung dem Heimatkanton überlassen werden.

Auch dieser Fall könnte inskünftig wiederum in die temporäre Bundeshilfe einbezogen werden.

Fall. F. Ein heute 72 Jahre alter Auslandschweizer kehrte 1941 im Alter von 61 Jahren in die Schweiz zurück. Er besass in Deutschland ein Export- und Importgeschäft mit 60 Angestellten und war sehr wohlhabend. Durch systematische Massnahmen des Dritten Eeiches wurde er als Jude nach und nach ruiniert. Bei seiner Eückwanderung war er völlig verarmt. Trotz seinem Alter suchte er sich immer wieder ohne fremde Hilfe durchzubringen, indem er alle möglichen Aushilfsstellen annahm. Es ist das Beispiel eines Eückwanderers, der nicht nur durch den Krieg, sondern schon vorher durch politische und wirtschaftliche Massnahmen des Auslandes schwer geschädigt wurde. Die heutige Bedürftigkeit ist immer noch eine Folge dieser Massnahmen, weil der Mann nach seiner Bückkehr in die Schweiz keine Möglichkeit mehr hatte, eine feste Existenz zu erhalten. Die Voraussetzungen für dauernde Hilfe sind gegeben, und zwar unter Berücksichtigung der frühern sozialen Verhältnisse.

Absatz 4 dieses Artikels sieht vor, dass anstelle der oben genannten Hilfsformen auch eine einmalige Zuwendung als abschliessende Hilfe treten kann.

Ihr Äusmass wird in der Eegel durch die im Einzelfall voraussichtlich notwendig werdenden Leistungen begrenzt sein. Diese Massnahme trägt einem vom Zentralvorstand der Neuen Helvetischen Gesellschaft vorgebrachten und von der Expertenkommission gutgeheissenen Antrag Rechnung. Sie soll es ermöglichen, in geeigneten Fällen dem Auslandschweizer Mittel in die Hand zu geben, die er beim Wiederaufbau oder bei der Festigung seiner Existenz nach seinem Gutdünken verwenden kann. Dem Wesen einer solchen Zuwendung entspricht es, dass weitere Bundesleistungen ausgeschlossen sind.

Art. 3. Wie bisher soll auch den Auslandschweizern Hilfe gewährt werden, die in ihr früheres Gastland zurückkehren oder nach einem dritten Staat wieder auswandern.

Art. 4. Die Bevorschussung von Guthaben aus bilateralen Abkommen über die Entschädigung Schweizerischer Interessen ist eine besondere Möglichkeit der
Hilfeleistung an kriegsgeschädigte Auslandschweizer und sollte deshalb im Bundesbeschluss erwähnt werden. Da die von den ausländischen Abkommenspartnern zu leistenden Entschädigungsbeträge zum Teil in Raten gezahlt werden, die sich über mehrere Jahre erstrecken, wird eine Bevorschussung der zu erwartenden Einzelentschädigungen für Auslandschweizer und Rückwanderer in bedrängter Lage eine wichtige Hilfe bedeuten. Unter den im Entwurf aufgestellten Bedingungen ist das Verlustrisiko gering. Durch die Aufnahme dieser Bestimmung würde auch ein Postulat der Expertenkommission im Rahmen des Möglichen verwirklicht.

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Es hat sich die Frage gestellt, ob auch Vorschüsse auf Ansprüche aus ausländischer Gesetzgebung über Kriegsschadenersatz geleistet werden sollen, wobei das deutsche Gesetz über den Lastenausgleich im Vordergrund stehen würde. Die Verhältnisse liegen aber hier ganz anders als bei den Vergütungen für Nationalisierung schweizerischen Eigentums. Diese beruhen auf einem Staatsvertrag, auf Grund dessen die Eidgenossenschaft gegenüber dem ersatzpflichtigen Staat Gläubigerin ist, und die Zahlungen in der Schweiz erfolgen.

Die ordentliche Abwicklung der Vorschussgewährung ist deshalb Verhältnismassig gesichert. Die Ansprüche aus ausländischer Kriegsschadenregelung dagegen beruhen auf autonomer Gesetzgebung eines fremden Staates, ohne dass der Bund die Möglichkeit der Einwirkung hätte. Ausserdem erfolgen die Zahlungen im Ausland und sind äo der Kontrolle weitgehend entrückt. Das deutsche Lastenausgleichsgesetz im besondern wird während eines Zeitraumes von 27 Jahren vollzogen, wobei die Zahlungen erst in einigen Jahren einsetzen sollen.

Seine Auswirkungen können also noch nicht genügend abgeschätzt werden und die Unsicherheitsfaktoren sind sehr beträchtlich. Der Bundesrat muss daher davon absehen, im Rahmen des vorliegenden Bundesbeschlusses Vorschüsse auf Ansprüche aus ausländischer Kriegsschadenregelung zu beantragen.

Art. 5 bringt vor allem zum Ausdruck, dass die Bundeshilfe für Auslandschweizer als Folge aussergewöhnlicher Ereignisse eine Massnahme ausserordentlicher Art darstellt und nicht etwa grundsätzliche Bedeutung in dem Sinne haben kann, dass der Bund den Kantonen und Gemeinden ihre Fürsorgepflichten abnehmen soll.

Art. 6 bringt im zweiten Absatz zum Ausdruck, dass der bei der Durchführung der vorgesehenen Aktion entstehende jährliche Finanzbedarf entsprechend dem Grundsatz der Universalität des Budgets jeweils in den Voranschlag eingestellt werden muss. Dies ist nicht etwa ein Vorbehalt in dem Sinne, dass das Parlament auf dem Wege des Budgetbeschlusses die benötigten Mittel nachträglich wieder verweigern könnte. Dem Voranschlag der Eidgenossenschaft kommt nicht Gesetzescharakter zu, so dass auf diesem Wege nicht allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse abgeändert oder eingeschränkt werden können.

Mit Absatz 2 wird vielmehr eine auch für die eidgenössischen Bäte verbindliche Weisung aufgestellt,
den für die Durchführung dieses Bundesbeschlusses nötigen jährlichen Kreditbedarf jeweils durch den Voranschlagsbeschluas bereitzustellen.

Art..7. Der Bundesbeschluss vom 17. Oktober 1946 nannte als Ausschlussgrund nur die Widerhandlung gegen schweizerische öffentliche Interessen und überliess es im übrigen dem Bundesrat, in der Vollziehungsverordnung weiteres zu bestimmen. Der vorliegende Entwurf dagegen führt abschhessend alle Tatbestände an, die Verweigerung der Bundeshilfe zur Folge haben.

Es sei darauf hingewiesen, dass unter lit. a. dieses Artikels auch schwerwiegende Verletzungen militärischer Pflichten fallen, z. B. unerlaubter fremder Militärdienst.

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Art. 8. Der Bundesrat verzichtet darauf, besondere Strafbestimmungen zu beantragen, obwohl der Bundesbeschluss von 1946 solche enthält. Sie wurden aber bisher nie angewandt, da strafbares Verhalten in Zusammenhang mit der Bundeshilfe praktisch ausnahmslos unter den Begriff des Betruges fällt und nach den Vorschriften des Schweizerischen Strafgesetzbuches geahndet werden kann, wie es bisher in vereinzelten Fällen geschehen ist.

Dagegen ist eine Bestimmung notwendig, wonach auf widerrechtliche Weise erwirkte Leistungen zurückzuerstatten sind.

Art. 9. Einem Postulat der Expertenkommission und don heutigen Bestrebungen nach Ausbau der Verwaltungsrechtspflege entsprechend wird beantragt, eine ausserhalb der Bundesverwaltung stehende Kommission mit der Behandlung der gegen Verwaltungsentscheide gerichteten Beschwerden zu betrauen.

Art. 10. Ausser den Vorschriften über den Kreis der berechtigten Personen sowie über das Ausmass und die Begrenzung der Zuwendungen wird die Vollziehungsverordnung des Bundesrates auch Vorschriften über die Organisation der Hilfeleistung und die Kontrolle enthalten.

Art. 11 bezieht sich namentlich auf Büokzahlungsverpflichtungen, die unter der Herrschaft des Bundesbeschlusses von 1946 eingegangen wurden. Sie sollen auf Grund der weitherzigeren Bestimmungen des vorliegenden Beschlusses auf ihren Weiterbestand geprüft werden.

Art. 12. Nach der heute feststehenden Praxis der Bundesbehörden werden Finanzbeschlüsse in die Form des einfachen Bundesbeschlusses gekleidet und daher nicht mehr dem Beferendum unterstellt. Es handelt sich jedoch im vorliegenden Fall nicht um einen reinen Finanzbeschluss. Ein solcher liegt lediglich insoweit vor, als er einen auf 121,5 Millionen Franken begrenzten Betrag für die weitere Hilfeleistung an Auslandschweizer bereitstellt. Darüber hinaus enthält er u, a. in den Artikeln l und 2 Bestimmungen, die unter gewissen Voraussetzungen geradezu eine Verpflichtung des Bundes zur Hilfeleistung begründen. Diese Verpflichtung stützt sich weder auf ein Gesetz noch auf die Verfassung. Sodann stellt Artikel 9 eine Organisationsnorm dar, durch die eine Bekurskommission geschaffen wird.

Der Beschlussentwurf in seiner heutigen Form enthält also zwar keine allgemeinverbindlichen Normen im Sinne von Artikel 89, Absatz 2 der Bundesverfassung, weshalb für ihn die
Form des allgemeinverbindlichen anstelle des einfachen Bundesbeschlusses nicht zwingend vorgeschrieben ist. Weil aber die Vorlage anderseits nicht einen reinen Pinanzbeschluss darstellt, sondern Verpflichtungen des Bundes begründet, die in Gesetzgebung und Verfassung nicht vorgesehen sind, ist die Form des allgemeinverbindlichen, referendumspflichtigen BundesbeschlusseB zu empfehlen. Jedenfalls beantragt der Bundesrat diese Beschltissform.

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VI. Schiiissbemerkungen Die Empfehlungen der Expertenkommission für Auslandschweizerfragen werden durch den Bundesrat, zum Teil auch durch die Neue Helvetische Gesellschaft geprüft, soweit sie nicht durch den vorgeschlagenen neuen Bundesbeschluss über Fortsetzung der Hilfeleistung an kriegsgeschädigte Auslandschweizer als erledigt zu gelten haben. Der Bundesrat wird der Expertenkommission gegenüber zu den einzelnen Empfehlungen unmittelbar Stellung nehmen.

Sollte es sich in bezug auf einzelne Vorschläge als nötig erweisen, noch an die eidgenössischen Räte zu gelangen, so würde das durch eine besondere Vorlage geschehen. Dringlich ist die Eegelung der weitern Sozialhilfe an die kriegsgeschädigten Auslandschweizer gemäss dem heutigen Antrag.

Wir empfehlen Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme und benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 27. März 1953.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Etter Der Bundeskanzler : Ch. Oser

746 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

ausserordentliche Zuwendungen an kriegsgeschädigte Auslandschweizer

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundosrates vom 27. März 1953, beschliesst : Art. l Den im Ausland verbliebenen oder nach der Heimat zurückgekehrten kriegsgeschädigten und hilfsbedürftigen Schweizerbürgern werden ausserordentliche Zuwendungen gewährt. Bei der Bemessung dieser Zuwendungen ist den früheren und gegenwärtigen Verhältnissen des Auslandschweizers, seinem Alter und der Dauer seines Aufenthaltes im Ausland Rechnung zu tragen.

Als kriegsgeschädigt im Sinne dieses Beschlusses gilt, wer durch den Zweiten Weltkrieg und damit im Zusammenhang stehende politische oder wirtschaftliche Massnahmen ausländischer Behörden unmittelbar oder mittelbar erheblich benachteiligt wurde und, als Folge davon, der Hilfe bedarf.

Art. 2 Arbeitsfähigen Auslandschweizern wird nötigenfalls vorübergehend geholfen.

Sie sollen durch Vermittlung von angemessener Arbeit und von Unterkunft, durch Förderung der beruflichen Fortbildung oder Umschulung, durch Ausbildung der Kinder sowie durch Barzuwendungen, Darlehen oder durch sonstige Hilfsmittel in die Lage versetzt werden, sich unter Einsatz der eigenen Kräfte eine ausreichende Existenz zu schaffen.

Auslandschweizern, die wegen Alters, Krankheit oder Gebrechen gänzlich arbeitsunfähig sind, wird eine ihren Verhältnissen entsprechende Hilfe gewährt.

Teilweise Arbeitsunfähigen, Kranken oder Kurbedürftigen wird die ihrem Zustand und ihren Verhältnissen angemessene Hilfe geboten.

Wo besondere Verhältnisse es rechtfertigen, kann ausnahmsweise eine einmalige Zuwendung als abschliessende Hilfe ausgerichtet werden, wenn der

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Empfänger dies ausdrücklich wünscht und erklärt, auf jede weitere Zuwendung durch den Bund zu verzichten. Bei Verheirateten, die zusammenleben, muss die Erklärung beider Ehegatten vorliegen.

Art. S Auslandschweizern, die in ihr früheres Gastland zurückkehren oder nach einem dritten Staat wiederauswandern, kann ebenfalls Hilfe geleistet werden.

Art. 4 Auslandschweizern, die sich infolge von Nationalisierungsmassnahmen des Auslandes in bedrängter Lage befinden und denen auf Grund zwischenstaatlicher Abkommen über die Entschädigung schweizeiischer Interessen Entschädigungsleistungen zustehen, können Vorschüsse gewährt werden, sofern ihre Ansprüche rechtlich anerkannt sind und Zahlungen des Auslandes in bestimmter Aussicht sind.

Der Empfänger hat seine Forderung im Umfang des Vorschusses der Eidgenossenschaft abzutreten.

Art. 5 Die Zuwendungen im Sinne dieses Beschlusses stellen eine Hilfe ausserprdentlioher Art dar.

Andere dem Auslandschweizer zur Verfügung stehende Einkünfte sind zu berücksichtigen.

Eine Eückerstattungspflicht besteht nur dort, wo sie zum vorneherein ausbedungen wurde.

Art. 6 Für die Durchführung dieses Beschlusses werden dem Bundesrat Mittel im Umfang von 121,5 Millionen Franken zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag erhöht sich um die auf Grund des Bundesbeschlusses vom 17. Oktober 1946 über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer bei Inkrafttreten des vorhegenden Beschlusses noch zur Verfügimg stehenden Mittel.

Der jährliche Kreditbedarf ist in den Voranschlag einzustellen.

Art. 7 Von Zuwendungen im Sinne dieses Beschlusses ist ausgeschlossen: a. wer den schweizerischen Öffentlichen Interessen in schwerwiegender Weise zuwidergehandelt hat; b. wer die Bedürftigkeit eigenem Verschulden zuzuschreiben hat, insbesondere wer angebotene und zumutbare Arbeit ausschlägt oder sich nicht um solche bemüht ;

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c. wer durch strafgerichtliches Urteil in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt ist; d. wer wegon strafbarer Handlungen, die im Zusammenhang mit diesem Beschluss stehen, rechtskräftig verurteilt wurde.

Art. 8 Zuwendungen, die auf widerrechtliche Weise erwirkt wurden, sind zurückzuerstatten.

Art. 9 Die Entscheide der mit der Durchführung dieses Beschlusses beauftragten Verwaltungsstelle des Bundes können durch Beschwerde an eine vom Bundesrat bestellte, ausserhalb der Bundesverwaltung stehende Rekurskommission weitergezogen werden, die endgültig entscheidet.

Der Bundesrat regelt Organisation und Verfahren der Eekurskommission durch ein Reglement.

Art. 10 Der Bundesrat regelt durch eine Verordnung den Vollzug dieses Beschlusses.

Er setzt insbesondere den Kreis der begünstigten Personen sowie das Ausmass und die Begrenzung der Zuwendungen fest.

Art. 11 Der Bundesbeschluss vom 17. Oktober 1946 x) über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer ist aufgehoben.

Für die Weiterbehandlung bisheriger Hilfsfälle gelten die Bestimmungen des neuen Bundesbesohlusses.

Art. 12 Der Bundesrat wird, gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntgabe dieses Bundesbeschlusses veranlassen und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens festsetzen.

*) BS 051

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über ausserordentliche Zuwendungen an kriegsgeschädigte Auslandschweizer (Vom 27. März 1953)

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