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Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über das Gesuch der Herren E. Bohy & Brack in Nyon, betreffend Entschädigung wegen Aufhebung des Phosphorverbotes.

(Vom 1. Juni 1883.)

Tit.

Am 20. April dieses Jahres hat das Präsidium des Nationalrathes uns ein vom 19. April gì. J. datirtes Gesuch der Herren E. Bohy
Die für diese Forderung angeführten Gründe lassen sich auf folgende zwei zurückführen : 1) Das Gesetz vom 23. Dezember 1879 habe die Fabrikanten gezwungen, ihre Bauten und Apparate mit großen Kosten neu zu erstellen oder umzuändern, und neue Rohstoffe anzuschaffen; 2) durch die am 22. Juni 1882 erfolgte Aufhebung dieses Gesetzes seien die zur Fabrikation der keinen gelben Phosphor enthaltenden Zündhölzehen errichteten Installationen, sowie die Vorräthe und Rohstoffe nutzlos geworden, weil Niemand mehr solche Zündhölzchen verlange.

Wir haben hierüber Folgendes zu bemerken: Was zunächst die rechtliche Seite dieser Angelegenheit betrifft, so ist die Frage, ob der Staat in Fällen, wie der vorliegende, ent-

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schädigungspflichtig sei, grundsätzlich zu verneinen. Diese Entschädigungspflicht kann im Verhältniß des Staates zu den Privaten erst dann eintreten, wenn er deren w o h l e r w o r b e n e R e c h t e schmälert. Wohlerworbene Rechte sind begriffsgemäß b e s t i m m t e n Personen zu eigenem und selbstständigem Gebrauche verliehen. Der Vortheil, welcher unter der Herrschaft einer gesetzlichen Bestimmung von einem Jeden, der sich den betreffenden Bedingungen unterziehen will, für sich erreicht werden kann, bildet aber nicht das p r i v a t e R e c h t irgend eines Bürgers ; es fehlt ihm der Charakter der Selbstständigkeit und Besonderheit. Wenn daher der Staat die gesetzlichen Bedingungen einer Privatthätigkeit früher oder später abändert, so kann daraus wohl dem Einzelnen ein Schaden erwachsen, es steht jedoch dem Staat nicht ein S o n d e r r e c h t des Einzelnen gegenüber, welches er nur gegen Entschädigung aufzuheben befugt wäre. Der Bund ist also rechtlich nicht verpflichtet, die Herren Bohy & Brack zu entschädigen, da kein Privatrecht derselben verletzt worden ist.

Es gibt aber noch andere, mehr nebensächliche Gründe, welche gegen eine, allenfalls der Billigkeit halber geboten erscheinende Entschädigung sprechen. Es ist nämlich konstatirt, daß die Petenten lange vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 23. Dezember 1879 die Fabrikation von Phosphorzündhölzchen einstellten, hauptsächlich in Folge von Krankheitserscheinungen, welche bei einem der Geschäftstheilhaber durch den gelben Phosphor hervorgerufen wurden. Das Gesetz vom 23. Dezember 1879 trat am 6. April 1880, das Verbot der Fabrikation von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor erst mit dem 1. Januar 1881 in Kraft, und schon im November 1878 konstatirte der Fabrikinspektor, daß die Herren Bohy & Brack ausschließlich schwedische Zündhölzchen herstellten. Diese Thatsache widerlegt eo ipso das Anbringen der Petenten, als ob es die Einführung des Gesetzes von 1879 gewesen sei, die sie zu besondern Ausgaben für Bauten, Apparate etc. veranlaßt hätte, welche dann durch dessen Aufhebung werthlos geworden wären; sie haben, unberührt durch die legislatorischen Vorgänge, während des Zeitraumes, da sich letztere abspielten, die schwedische Fabrikation betrieben.

Wenn die Petenten in ihrer Beweisführung noch speziell betonen, daß sie ein eigenes Gebäude mit
mehrern Annexen hätten erbauen müssen, um den Anforderungen des Gesetzes und des Konsums zu genügen, so bemerken wir, daß dasselbe laut Bericht des Fabrikinspektors im Februar 1881, also zu einer Zeit, da das Gesetz von 1879 längst in Kraft war, noch nicht existirte, daß aber die damals vorhandenen Räumlichkeiten sowohl für die eine als Bundesblatt. 35. Jahrg. Bd. III.

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die andere Fabrikationsart ganz ungeeignet und bauliche Veränderungen in jedem Falle unvermeidlich waren.

Die Petenten haben, wie aus dem Angeführten hervorgeht, am wenigsten Ursache, sich über Schädigung durch den Staat zu beklagen, indem sie sich in einer günstigem Situation befanden als ihre Kollegen. Aber auch abgesehen hievon ist die Behauptung, die für die Fabrikation schwedischer Zündhölzchen verwendeten Einrichtungen, sowie die Vorräthe und Rohstoffe seien durch die Aufhebung des Gesetzes voo 1879 werthlos geworden, nicht richtig.

Die schwedischen Zündhölzchen finden bei uns auch jetzt noch stets Absatz, ja sie scheinen immer mehr sich einzubürgern, und es gibt daher Etablissemente in der Schweiz, welche sich ausschließlich (ein solches mit 70 Arbeitern) oder theilweise mit der Herstellung von Sicherheitszündhölzchen befassen.

Die Petenlen bringen auch keine Belegstücke für ihre Forderung vor und machen' keine Andeutungen, durch welche Berechnung sie zu derselben gelangt sind. Die Summe von Fr. 23,600 scheint sehr hoch gegriffen zu sein, wenn man bedenkt, daß das Etablissement zu den kleinern gehört: früher beschäftigte es, laut Aussage des Fabrikinspektors, nie mehr als 3--4 Arbeiter, gegenwärtig figurirt es auf der Fabrikliste mit 7.

Wir beantragen daher, das Gesuch der Herren Bohy & Brack, Zündholzfabrikanten in Nyon, um Ausbezahlung einer Entschädigung von Fr. 23,600 für den durch die Bundesgesetzgebung über die Fabrikation und den Verkauf von Zündhölzchen angeblich erlittenen Schaden sei als unbegründet abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 1. Juni 1883.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

L. Ruchonnet.

Der Stellvertreter des Kanzlers der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung über das Gesuch der Herren E. Bohy & Brack in Nyon, betreffend Entschädigung wegen Aufhebung des Phosphorverbotes.

(Vom 1. Juni 1883.)

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23.06.1883

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