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Schweizerisches Bundesblatt.

35. Jahrgang. III.

Nr. 35.

7. Juli 1883.

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Druck und Expedition der Stämpflischen Buchdruckerei in Bern.

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Bundesgesetz betreffend

das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst.

(Vom 23. April 1883.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung des Art. 64 der Bundesverfassung; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 9. Dezember 1881, beschließt: Art. 1. Das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst besteht in dem ausschließlichen Rechte, diese zu vervielfältigen, beziehungsweise darzustellen.

Dieses Recht steht dem Urheber oder seinen Rechtsnachfolgern zu.

Von dem Schriftsteller oder Künstler, der für Rechnung eines andern Schriftstellers oder Künstlers arbeitet, wird angenommen, er habe diesem sein Urheberrecht abgetreten, sofern nicht eine gegentheilige Vereinbarung vorliegt.

Das Urheberrecht begreift auch das Uebersetzungsrecht in sich.

Art. 2. Das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst dauert während der ganzen Lebenszeit des UrBundesblatt. 35. Jahrg. Bd. III.

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hebers und während eines Zeitraums von dreißig Jahren vom Tage seines Todes an.

Wenn es sich um ein nachgelassenes Werk oder ein solches handelt, welches vom Bund, von einem Kanton, einer juristischen Person oder einem Verein veröffentlicht wird, so dauert das Urheberrecht dreißig Jahre vom Tage der Veröffentlichung an.

Der Urheber beziehungsweise dessen Rechtsnachfolger wird in seinem ausschließlichen Uebersetzungsrechte nur geschützt, wenn er von demselben während fünf Jahren nach dem Erscheinen des Werkes in der Ursprache Gebrauch macht.

Uebersetzungen genießen gleich Originalwerken den Schutz dieses Gesetzes gegen Nachdruck.

Art. 3. Nachgelassene und andere im Art. 2, Absatz 2, genannte Werke sind längstens binnen drei Monaten nach ihrer Veröffentlichung in ein vom schweizerischen Handelsdepartement doppelt geführtes Register einzuschreiben.

Für andere Werke ist der Urheber zur Sicherung seines Rechtes an keine Formalitäten gebunden, er kann aber immerhin nach Belieben seiae Werke auch in obbenanntes Register einschreiben lassen.

Die Gebühr für die Einschreibung darf zwei Franken für ein Werk nicht übersteigen.

Der Bundesrath wird zur Ausführung dieser Bestimmungen die nöthigen Vollzugsverfügungen erlassen.

Art. 4. Für die Rechtsverhältnisse zwischen Urheber und Verleger literarischer oder künstlerischer Werke ist das Bundesgesetz über das Obligationenrecht maßgebend.

Art. 5. Sofern nicht gegenteilige Vereinbarungen vorliegen, hat der Erwerber eines Werkes der bildenden Künste nicht das Recht, es vor Ablauf des im Art. 2, Absatz l und 2, vorgesehenen Zeitraumes vervielfältigen zu lassen.

243 Das Vervielfältigungsrecht gilt indessen als mitveräußert, wenn es sich um ein bestelltes Porträt oder eine Porträtbüste handelt.

Weder der Urheber eines Kunstwerkes, noch seine Rechtsnachfolger können behufs Ausübung ihres Vervielfältigungsrechtes den Eigenthümer des Werkes in seinem Besitze stören.

Art. 6. Sofern nicht gegentheilige Vereinbarungen vorliegen , ist der Erwerber von architektonischen Plänen berechtigt, dieselben ausführen zu lassen.

Art. 7. Die Veräußerung des Veröffentlichungsrechtes von dramatischen, musikalischen oder dramatisch-musikalischen Werken schließt an sich nicht schon die Veräußerung des Aufführungsrechtes in sich, noch umgekehrt.

Der Urheber eines solchen Werkes kann die öffentliche Aufführung desselben an spezielle Bedingungen knüpfen, sofern er diese an der Spitze des Werkes veröffentlicht.

Die Tantième soll jedoch den Betrag von 2 °/o der Brutto-Einnahme der betreffenden Aufführung nicht übersteigen.

Wenn die Bezahlung der Tantième gesichert ist, so kann die Aufführung eines schon veröffentlichten Werkes nicht verweigert werden.

Art. 8. Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auch Anwendung auf geographische, topographische, naturwissenschaftliche, architektonische, technische und ähnliche Zeichnungen und Abbildungen.

Art. 9. Erzeugnisse der Photographie und andere ähnliche Werke genießen die Vortheile dieses Gesetzes unter folgenden Bedingungen : a. Das Werk muß nach Art. 3, Absatz l, einregistrirt sein.

b. Die Dauer des Vervielfältigungsrechtes wird auf fünf Jahre festgesetzt, vom Tage der Einschreibung an ge-

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rechnet. Wenn es sich um die Vervielfältigung eines noch nicht zum Gemeingut gewordenen künstlerischen Werkes handelt, so richtet sich die Dauer des Vervielfältigungsrechtes nach der Vereinbarung zwischen dem Photographen und dem Berechtigten. In Ermanglung einer hierauf bezüglichen Vereinbarung bleibt die Dauer auf fünf Jahre bestimmt, nach deren Ablauf der Urheber des Kunstwerkes oder dessen Rechtsnachfolger wieder in alle ihm durch Art. 2 gewährten Rechte eintritt.

c. Wenn das Werk auf Bestellung ausgeführt worden ist, so steht dem Photographen das Vervielfältigungsreeht nicht zu, es sei denn, daß gegenteilige Vereinbarungen getroffen worden sind.

Die neue Originalaufnahme eines bereits photographirten Gegenstandes gilt nicht als Nachbildung.

Art. 10. Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden Anwendung auf die in der Schweiz domizilirten Urheber für alle ihre Werke, gleichviel wo dieselben erseheinen oder veröffentlicht werden; sodann auf die nicht in der Schweiz domizilirten Urheber für diejenigen Werke, welche in der Schweiz erscheinen oder veröffentlicht werden.

Die nicht in der Schweiz domizilirten Urheber genießen für diejenigen Werke, die im Auslande erscheinen oder veröffentlicht werden, die gleichen Rechte wie die Urheber der in der Schweiz erscheinenden Werke, sofern die letzteren in dem ' betreffenden Lande gleich behandelt werden wie die Urheber der daselbst erscheinenden Werke.

Art. 11. Eine Verletzung des Urheberrechtes wird nicht begangen : A. an Werken der Literatur: 1) durch Aufnahme von Auszügen oder ganzen Stücken aus belletristischen oder wissenschaftlichen Werken in Kritiken, literarisch-historischen Werken und Samm-

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Jungen zum Schulgebrauch, sofern die benutzte Quelle angegeben wird; 2) durch die Vervielfältigung von Gesetzen, Beschlüssen und Verhandlungen der Behörden und von öffentlichen Verwaltungsberichten ; 3) durch die Veröffentlichung von Berichten über öffentliche Versammlungen; 4) durch den unter Quellenangabe erfolgenden Abdruck von Artikeln aus Tagesblättern und Zeitschriften, es sei denn, daß der Urheber in dem betreffenden Tagesblatt oder der Zeitschrift ausdrücklich den Abdruck verboten hat ; für Artikel politischen Inhalts, welche in den Tagesblättern erschienen sind, ist ein solches Verbot unwirksam ; 5) durch den Abdruck von Tagesneuigkeiten, selbst wenn die Quelle derselben nicht angegeben wird ;

B. an Werken der bildenden Künste: 6) durch die theilweise Wiedergabe eines den bildenden Künsten angehövigen Werkes iu einem für den Schulunterricht bestimmten Werke; 7") durch die Nachbildung von Kunstgegenständen, welche sich bleibend auf Straßen oder öffentlichen Plätzen befinden, vorausgesetzt, daß diese Nachbildung nicht in der Kunstform des Originals stattfindet; 8) durch die Aufnahme oder Ausführung von Plänen und Zeichnungen bereits erstellter Gebäude oder Theilen derselben, sofern diese letztern nicht einen spezifisch künstlerischen Charakter haben ;

C. an dramatischen und musikalischen Werken: 9) durch die Aufnahme bereits veröffentlichter, kleinerer musikalischer Kompositionen in ein speziell für die Schule oder Kirche bestimmtes Sammelwerk, mit oder ohne Originaltext, unter der Voraussetzung, daß die Quelle angegeben wird;

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10) durch die Aufführung von dramatischen, musikalischen oder dramatisch-musikalischen Werken, welche ohne Absicht auf Gewinn veranstaltet wird, wenn auch aus derselben eine Einnahme zum Zwecke der Kostendeckung oder zu Gunsten eines wohlthätigen Zweckes erzielt wird; ' 11) durch die Benutzung musikalischer Kompositionen für Spielwerke.

Art. 12. Wer vorsätzlich oder aus grober Fahrläßigkeit Werke der Literatur und Kunst unerlaubt vervielfältigt, beziehungsweise aufführt, oder sich des Imports oder des Verkaufs von nachgedruckten oder nachgebildeten Werken schuldig macht, hat den Urheber oder dessen Rechtsnachfolger auf deren Klage hin zu entschädigen.

Der Richter setzt die Höhe der Entschädigung nach freiem Ermessen fest.

Wer ohne ein solches Verschulden eine unbefugte Vervielfältigung vornimmt, oder einen Nachdruck oder eine unerlaubte Nachbildung verbreitet, oder eine unzuläßige Aufführung veranstaltet, kann nur auf Unterlassung weiterer Störungen des Urheberrechtes und auf Herausgabe der Bereicherung (Art. 73. 0.) belangt werden.

Art. 13. Wer aus Vorsatz oder grober Fahrläßigkeit das Urheberrecht verletzt, kann überdies auf Klage des Geschädigten je nach der Schwere der Verletzung zu einer Geldbuße von Fr. 10 bis zu Fr. 2000 verurtheilt werden.

Wurde auch der Name oder die Marke des Urhebers oder des Verlegers nachgebildet, so kann auf Gefängniß bis auf ein Jahr oder zu Geldbuße und Gefängniß innerhalb der angegebenen Begrenzung erkannt werden.

Die Theilnahme und die Versuchshandlungen werden mit einer geringeren Strafe belegt.

Im Rückfall kann die Strafe bis auf das Doppelte erhöht werden.

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Art. 14. Die Bußen fallen in die betreffende Kantonskasse. Bei Ausfällung der Geldbuße hat der Richter für den Fall der Nichteinbringlichkeit derselben eiue entsprechende Gefängnißstrafe festzusetzen, welche an Stelle der ersteren tritt.

Art. 15. Die Strafverfolgung geschieht nach der Strafprozeßordnung desjenigen Kantons, in welchem die Klage angestrengt wird. Diese kann entweder am Domizil des Angeschuldigten oder am Orte, wo das Vergehen begangen wurde, erhoben werden. In keinem Falle dürfen für das gleiche Vergehen mehrere strafrechtliche Verfolgungen eintreten.

Art. 16. Nach Einleitung der Klage können vom Richter die nöthigen vorsorglichen Verfügungen (Arrest, Kaution, Verbot der Weiterproduktion u. s. w.) getroffen werden.

Art. 17. Sowohl die civil- als die strafrechtliche Klage ist nicht mehr zuläßig, wenn mehr als ein Jahr verflossen ist, seitdem der geschädigte Urheber oder sein Rechtsnachfolger von dem Nachdruck, der Nachbildung oder der Aufführung und der Person des Schuldigen Kenntniß erlangt hat, und jedenfalls nach Ablauf von fünf Jahren von dem Tage an, wo die Veröffentlichung, die Aufführung oder der Verkauf des nachgemachten Werkes stattgefunden hat.

Art. 18. Sowohl gegen den Nachdrucker oder Nachbildner als gegen den Importeur und Verkäufer kann der Richter nach freiem Ermessen auf Konfiskation des nachgedruckten oder nachgebildeten. Werkes erkennen. Ebenso soll es mit den speziell für den Nachdruck oder die Nachbildung bestimmten Instrumenten und Gerätschaften gehalten werden.

Wenn es sich um die Aufführung eines dramatischen oder musikalischen oder dramatisch-musikalischen Werkes handelt, so kann der Richter die Konfiskation der Einnahmen verfügen.

248 Das Brgebniß der Konfiskation oder die konfiszirten Einnahmen sind zunächst zur Ausbezahlung der Civilentschädigung des Eigenthiimers des Werkes zu verwenden.

Art. 19. Das gegenwärtige Gesetz rindet auf alle vor dem Inkrafttreten desselben erschienenen Schriften, Kunstwerke, musikalischen Kompositionen und dramatischen oder dramatisch-musikalischen Werke Anwendung, selbst wenn dieselben nach dem bisherigen kantonalen Rechte keinen Schutz gegen Nachdruck, Nachbildung oder öffentliche Aufführung genossen hatten.

Bei Berechnung der Schutzfristen wird die seit der Veröffentlichung eines Werkes bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes abgelaufene Zeit in gleicher Weise angerechnet, wie wenn das Gesetz schon zur Zeit der Veröffentlichung gegolten hätte.

Wegen Nachbildungen, welche vor dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes stattgefunden haben, findet weder strafrechtliche noch zivilrechtliche Verfolgung nach Maßgabe dieses Gesetzes statt. Dagegen ist der Verkauf derselben nach dem Inkrafttreten des Gesetzes nur gestattet, wenn der Eigenthümer sich hierüber mit dem Autor verständigt, oder in Abgang einer Verständigung die Entschädigung, welche vom Bundesgericht festzusetzen ist, geleistet hat.

Art. 20. Die durch Art. 2 bestimmte, den bisherigen gesetzlichen Vorschriften gegenüber verlängerte Schutzfrist kommt dem Urheber und dessen Erben, nicht aber dem Verleger oder einem andern Cessionaren, zu gut. Ist die Schutzfrist nach gegenwärtigem. Gesetze kürzer, so bleiben die nach bisherigen gesetzliehen Vorschriften erworbenen Rechte gleichwohl fortbestehen.

Art. 21. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1884 in Kraft.

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Durch dieses Gesetz werden die mit demselben in Widerspruch stehenden Bestimmungen der kantonalen Gesetze und Verordnungen und im Besondern das Konkordat vom 3. Dezember 1856 (Amtl. Sammlung, Bd. V, S. 494--497) aufgehoben.

Art. 22. Der Bundesrath wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten.

Also beschlossen vom Ständerathe, B e r n , den 20. April 1883.

Der Präsident: Wilh. Vigier.

Der Protokollführer: Schatzmann.

Also beschlossen vom Nationalrathe, B e r n , den 23. April 1883.

Der Präsident: A. Deucher.

Der Protokollführer: Ringier.

Der schweizerische Bundesrath beschließt: Aufnahme des vorstehenden Bundesgesetzes in das Bundesblatt.

B e r n , den 18. Juni 1883.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

Note. Datum der Publikation : 7. Juli 1883.

Ablauf der Einspruchsfrist : 5. Oktober 1883.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst. (Vom 23.

April 1883.)

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1883

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3

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35

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

07.07.1883

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241-249

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