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Bericht der

ständeräthlichen Kommission über den Rekurs des Philipp Andermatt in Baar, Kanton Zug, betreffend das Verbot landwirtschaftlicher und gewerblicher Arbeiten an den Feiertagen.

(Vom 30. November 1883.)

Tit.

Wir haben es im vorliegenden Rekursfalle mit der Frage der Anwendung kantonaler Gesetze über Sonntags- und Feiertagsordnung zu thun, und zwar mit einem Rekurse, der, als er vom Bundesrathe abgewiesen war und des Entscheides seitens der eidgenössischen Räthe harrte, von Ihnen an den Bundesrath mit der Weisung zurückgewiesen wurde, es solle noch mit Rücksicht auf die in der Rekursschrift an die eidgenössischen Räthe enthaltenen neuen Angaben, die namentlich tatsächlicher Natur waren, eine Beschlußfassung seitens des Bundesrathes eintreten. Auch dieser nachträgliche Beschluß des Bundesrathes liegt nun nebst Botschaft vom 15. Mai dieses Jahres in Ihren Händen.

Wir wollen den Sachverhalt im Folgenden kurz berühren : l. Unter'm 15. Jänner 1882 hat Philipp Andermatt, Landwirth, in Baar (Kanton Zug), an den Regierungsrath des Kantons Zug das Begehren gestellt: ,,Es seien in Erwägung von Art. 14, Alinea 2, des Bundesgesetzes über die Arbeit in den Fabriken, vom 23. März 1877, an jenen Festtagen, an welchen die Fabriken arbeiten, den Landwirthen und Professionisten im Kanton Zug alle gewerblichen und landwirthschaftlichen Arbeiten zu gestatten." Die Regierung des

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Kantons Zug wies das Begehren mit der Begründung ab, daß das eidgenössische Fabrikgesetz nur für die unter demselben stehenden Fabriketablissemente Geltung habe und § 3 der kantonalen Verordnung über Sonntagspolizei vom Jahre 1876, wonach an Sonnund gebotenen Feiertagen alle öffentlich vorgenommenen Arbeiten oder geräuschvollen Handlungen des landwirtschaftlichen und gewerblichen Betriebes untersagt sind, vorbehaltlich gedachter, durch das eidgenössische Fabrikgesetz geschaffener Ausnahme, in Kraft bleibe. Andermatt wendete sich nun mit Eingabe vom 29. Jänner gleichen Jahres an den Kantonsrath, der darüber einfach zur Tagesordnung schritt.

II. Mit Eingabe, datirt vom 8. Brachmonat 1882, die aber erst am 10. Heumonat einging, rekurrirte der von den heimatlichen Behörden Abgewiesene an dea Bundesrath. Er stützte sich hiebei auf Erwägungen thatsächlicher und rechtlicher Natur. In den ersteren ging Rekurrent von dem eidgenössischen Fabrikgesetze iû dem Sinne aus, daß sich die gesetzliehen Bestimmungen des Kantons Zug hinsichtlich der Zahl der Feiertage nicht nach demselben richten, und in letzteren wurde die formelle Gültigkeit der von der Zuger'schen Regierungsbehörde angewandten Verordnung bestritten.

Ihre Kommission geht nun mit der Schlußnahme des Bundesrathes vom 12. Herbstmonat 1882 einig, wonach ein Rekurs, der die verfassungsmäßige Begründung kantonaler Verordnungen anficht, bezw. sieh darüber beschwert, daß durch das eidgenössische Fabrikgesetz eine Ungleichheit der Bürger geschaffen werde, nach Art. 102, Ziff. 2, und 113 der Bundesverfassung, sowie nach Art. 59, litt, a des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Brachmonat 1874 in die Zuständigkeit des Bundesgericht* gehört und daher unserseits Abweisung zu erfolgen hat.

III. In der darauf folgenden Eingabe an die eidgenössischer.

Räthe brachte Rekurrent unter Benützung der bundesräthlichen Abweisungsbegründung neue Erwägungen rechtlicher und thatsächlicher Natur an. Er behauptete, daß die von uns angeführte kantonale Verordnung einen rein religiös konfessionellen Charakter an sich trage, daher gegen Art. 49 der Bundesverfassung- verstoße, une!

daher den Landwirthen und P r o f e s s i o n i s t e n , welche nicht unter dem Fabrikgesetze stehen, zu gestatten sei, an jenen kirchliche» Feiertagen ihre gewöhnlichen
Berufsarbeiten zu verrichten, an welchen der Fabrikbevölkerung die Arbeit zu verrichten gesetzlich bewilligt ist. Ferner berief sich Rekurrent darauf, daß er laut einer am 20. Jänner 1883 an die Zuger'sehe Regierung abgegebenen Erklärung nicht mehr zum römisch-kathoGlaubensbekennt-bekennt-

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nisse gehöre, sondern sich der christ-katholischen Kirche ,,mit Freuden" angeschlossen habe. Er hob dieses Moment namentlich gegenüber dem Umstände hervor, daß er wegen der mit Vieh und Wagen vorgenommenen Ausfuhr von Jauche am Patroziniumstage der Gemeinde Baar -- am Martinstage 1882 -- zu einer Buße von Fr. 15 und Fr. '2 Untersuchungskosten verfallt worden sei, obschon ihn der Patroziniumstag nach seiner Ausscheidung aus dem Konfessionsverbande nichts mehr angehe; es liege also diesfalls gegenüber dem Rekurrenten ein nach Art. 49 der Bundesverfassung ungebührlicher Zwang vor.

Ihre Kommission geht hinsichtlich der angeführten Momente von der Anschauung aus, daß in der Vorschrift der Enthaltung von geräuschvollen Arbeiten an Sonn- und Feiertagen -- wie sie in der Zuger'schen Verordnung liegt -- kein konfessioneller Zwang liege, da dadurch nicht zu gewissen konfessionellen Handlungen (des in die Kirche Gehens u. s. w.) angeleitet wird. Es liegt darin vielmehr nur das bundesstaatsrechtliche Verhältniß vor, das mit Bezugnahme auf den Bundesbeschluß vom 25./3i. Januar 1862 und Ullmer (staatsrechtliche Praxis I, 161) in der Nachtragsbotschaft des Bundesrathes vom 15. Mai dieses Jahres folgendermaßen berührt ist: ,,Es ist der öffentlichen Ordnung und dem Frieden unter den Konfessionen angemessen, daß an den Feiertagen der einen Konfession die Bekenner der andern sich jeder den kirchlichen Kultus störenden Beschäftigung enthalten; eine weiter gehende Beschränkung der bürgerlichen Gewerbsthätigkeit jedoch, welche sich lediglich aus den besondern Vorschriften einer Konfession ergibt, darf den Angehörigen einer andern Konfession nicht auferlegt werden."

Was sodann den Austritt aus dem römisch-katholischen Konfessionsverband anbetrifft, wie ihn Rekurrent behauptete, erzeigt sich die bezügliche Anzeige vom 20. Jänner 1883 an den Zuger'schen Regierungsrath mit Bezug auf die Thatsache vom 11. Wintermonat 1882, hezw. die Bußverfällung vom 30. Christmonat 1882, und die noch früher erfolgte Rekurseingabe als verspätet, ganz abgesehen davon, daß Andermatt selbst noch am 28. März 1883 nach einem zu den Akten gelegten Ausweise des Kirchenrathes Baar als ,,römischkatholischer Kirchgenosse" im Stimmregister für Gemeindeversammlungen in kirchlichen Angelegenheiten eingeschrieben war.

Nach dieser gedrängten Darstellung
der in Betracht fallenden Gesichtspunkte erlaubt sich der Berichterstatter, dahin zusammen zu fassen, daß die Bundesverfassung hinsichtlich Sonntags- und Feiertagsheiligung keine besondern Bestimmungen aufstellt und daher nach Art. 3 des Grundgesetzes die Kantone diesfalls souverän sind

749 -- allerdings mit Ausnahme der Bestimmungen des eidgenössischen Fabrikgesetzes und unter Berücksichtigung des im Art. 49 der Bundesverfassung enthaltenen Grundsatzes der Gewissensfreiheit. -- Der Bundesrath umsehreibt in seiner mehrerwähnten Botschaft (S. 8) das einschlägige Bundesrecht in d e m Sinne, daß das Verbot der ,,öffentlich vorgenommenen Arbeiten" für alle Einwohner nur hinsichtlich der S o n n t a g e verbindlich sei -- hinsichtlich der Feiertage für die Angehörigen der betreffenden Konfession -- immerhin in der Meinung, daß von den Angehörigen anderer Konfessionen nicht feiertagsstörende Handlungen vorgenommen werden dürfen.

Im vorliegenden Rekursfalle handelt es sieh nun gerade um die werktäglichen Handlungen an einem Feiertage seitens eines Konfessionsgenossen selbst; und wenn auch die nachträgliche Erklärung des Rekurrenten über Austritt aus dem Konfessionsverbande selbst rückwirkende Kraft hätte, bliebe die vorgenommene Handlung in Folge ihres besonders die Peiertagsfeier verhöhnenden Charakters nach Maßgabe des Bundesrechtes eine unzaläßige, und es wird Ihnen daher seitens Ihrer Kommission einstimmig beantragt, c,en bezüglichen Rekurs abzuweisen.

B e r n , den 30. Wintermonat 1883.

Namens der ständeräthliehen Rommission, Der Berichterstatter: J. B. E. Busch.

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Bericht der ständeräthlichen Kommission über den Rekurs des Philipp Andermatt in Baar, Kanton Zug, betreffend das Verbot landwirtschaftlicher und gewerblicher Arbeiten an den Feiertagen. (Vom 30. November 1883.)

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05.12.1883

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