385

# S T #

Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche Kantonsregierungen, betreffend Eintragungen in's Handelsamtsblatt.

(Vom 13. März 1883.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Es sind hinsichtlich der Vollziehung der Verordnung über die Handelsregister, d. d. 7. Dezember 1882, bei uns mehrere Einfragen gestellt worden, die uns veranlaßen, einige Bestimmungen derselben näher zu interpretiren, andere zu ergänzen.

1. Zunächst walten Zweifel betreffend die Eintragung von V e r s i c h e r u n g s g e s e l l s c h a f t e n , die auf dem Grundsatze der Gegenseitigkeit beruhen.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Versicherungsgesellschaften verpflichtet sind, sich in's Handelsregister eintragen zu lassen; dagegen ist die Frage entstanden, ob sie als Genossenschaft oder als Verein einzutragen seien.

In Uebereinstimmung mit einer Expertemkommission die wir zur Prüfung der Frage beigezogen haben, finden wir, daß die Versicherungsgesellschaften, welche auf der Gegenseitigkeit beruhen, am geeignetsten als G e n o s s e n s c h a f t e n einregistrirt werden.

Das Publikum, welches mit denselben in Verkehr tritt, bedarf näherer Mittheilungen über die Haftbarkeit der Mitglieder der Genossenschaft. Die Bestimmungen, welche die Statuten hierüber enthalten, sind deßhalb in's Handelsregister aufzunehmen und im Handelsamtsblatt zu publiziren; enthalten die Statuten hierüber keine oder

386

nicht deutliche Bestimmungen, so ist eine.Erklärung über die Haftbarkeit zu verlangen. Wer die Anmeldung zu besorgen hat, kann auch diese Erklärung abgeben.

In jedem Falle empfiehlt es sich, daß die Registerführer für die Eintragung der gegenseitigen Versicherungsgesellschaften und Genossenschaften jeweilen bei ihrer Aufsichtsbehörde Weisung einholen.

2. Hinsichtlich der Eintragung von A k t i e n g e s e l l s c h a f t e n enthält Artikel 622 0. die Bestimmung, daß die Anmeldung von sämmtlichen Mitgliedern der Verwaltung vor der Registerbehörde unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden müsse.

Es ist nun die Frage entstanden, ob z. B. bei Eisenbahngesellschaften die Direktion oder der Verwaltungsrath als Verwaltung im Sinne des Gesetzes zu betrachten sei.

Wir haben in Uebereinstimmung mit der beigezogenen Expertenkommission die Frage in letzterem Sinne entschieden, indem die Direktion nicht die Befugnisse einer Verwaltung, wie sie das Obligationenrecht im Auge hat, besitzt. Mitglieder des Verwaltungsrathes, welche entfernt vom Sitze der Gesellschaft wohnen, wird die Erfüllung dieser Vorschrift dadurch erleichtert, daß sie ihre Unterschrift in beglaubigter Form einsenden können.

3. Bei den A g e n t u r e n walten'Zweifel darüber, ob sich die Agenten als selbstständige Kaufleute einzutragen haben, oder ob die Agenturen als Zweigniederlassungen des Geschäftes, welches sie vertreten, einzutragen seien. Das Obligationenrecht enthält hierüber keine nähern Bestimmungen, die den Registerführern als ausreichend dienen könnten; es würde überhaupt schwer halten, solche aufzustellen, die für alle konkreten Fälle genügen würden. Es wird sich demnach empfehlen, daß die Aufsichtsbehörde jeweilen untersucht, ob die sich zur Eintragung anmeldende Agentur als Zweigniederlassung eingetragen werden müsse, oder ob die Eintragung des A g e n t e n als Kaufmann genüge, und sodann dem Registerführer je nach dein Ergebniß der Untersuchung Weisung ertheilt. Dabei wird in Betracht gezogen werden müssen, ob die Agentur nur eine beschränkte Vollmacht zur Vertretung in einzelnen Beziehungen, z. B. zur Vermittlung des Abschlusses von Verträgen u. dgl., oder ob sie Generalvollmacht vom Hauptgeschäfte besitzt; im letztern Falle ist sie als Zweigniederlassung einzutragen.

Wenn sich in einem konkreten Falle Anstände ergeben sollten, so entscheidet gemäß Art. 3 der citirten Verordnung der Bundesrath.

387

Was speziell die Agenturen von auswärtigen Geschäften betrifft, so sind dieselben nach den nämlichen Grundsätzen berechtigt und verpflichtet, sich in's Handelsregister eintragen zu lassen. Es liegt im Interesse des Publikums, über ihre rechtlichen Verhältnisse durch die Publikation der Eintragung unterrichtet zu sein.

Handelt es sich um eine Aktiengesellschaft oder Genossenschaft, so ist ein Ausweis beizufügen, daß sie im Auslande, am Orte ihrer Hauptniederlassung, gesetzlich organisirt sei, und es ist dies im Handelsregister vorzumerken und im Handelsamtsblatt zu publiziren.

Hinsichtlich der Form der Einregistrirung sind die bestehenden eidgenössischen Vorschriften maßgebend.

4. Es ist die Frage gestellt worden, ob auch Institute mit kaufmännischem Betrieb, welche auf Rechnung öffentlicher Gemeinwesen (Staat, Bezirk, Gemeinden) betrieben werden, eintragspflichtig seien. Wir haben dieselbe entschieden, wie folgt : Wenn ein derartiges Institut, z. B. Staatsinstitut, ein eigenes, ihm vom Staate zugeschiedenes Kapital besitzt und von der übrigen Staatsverwaltung losgetrennt ist, so besteht allerdings die Pflicht der Eintragung in's Handelsregister, selbst wenn die Staatsbehörde das Aufsiehtsrecht sich vorbehalten hat; wenn dagegen ein solches Institut mit der Staatsverwaltung unmittelbar verbunden ist und kein besonderes, ihm zugeschiedenes Betriebskapital besitzt, so ist dasselbe nicht pflichtig, sich eintragen m lassen.

5. Für die E i n t r a g u n g von F i l i a l e n haben wir Formulare aufgestellt und dieselben in Nr. 30 des Handelsamtsblattes vom 3. 1. Mts. publizirt. Die Anmeldung der Filialen von Aktiengesellschaften zur Eintragung geschieht durch den Geschäftsführer derselben (Artikel 624 0.) und ist von ihm zu unterzeichnen; er hat sich beim Registerführer darüber auszuweisen, daß er zum Geschäftsführer bestellt und somit zur Anmeldung berechtigt ist.

6. Gemäß Art. 30 der citirten Verordnung sind für die Eint r a g u n g von B e v o l l m ä c h t i g u n g e n Fr. 5 zu entrichten.

Wenn nun in einer Anmeldung gleichzeitig verschiedene Personen angegeben werden, welche die Unterschrift führen, so ist für jede, mit Ausnahme indessen derjenigen der O r g a n e einer Gesellschaft oder eines Vereins (Präsident etc.) jene Gebühr zu entrichten. Der citirte Artikel 30 hat uns zu einer Abänderung
desselben betreffend die Gebühren für Eintragung von Genossenschaften und zu einer Ergänzung betreffend die Gebühren für Eintragung von Instituten mit kaufmännischem Betrieb, welche auf Rechnung von öffentlichen Gemeinwesen (Staat, Bezirk, Gemeinden) betrieben werden, sodann

388

betreffend die Eintragung von Zweiggeschäften, endlich betreffend die Löschungen, welche von Amtes wegen vorgenommen werden, veranlaßt.

Indem wir Sie ersuchen, den betreffenden kantonalen Amtsstellen von gegenwärtiger Weisung und von der abgeänderten Verordnung, weiche derselben beigefügt ist, zur Nachachtung Mittheilung zu machen, benutzen wir gleichzeitig den Anlaß. Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 13. März 1883.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, D e r B und es p r ä s i d e n t :

L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Eingier.

Unterm 9. März d. J. erließ das eidg. Handels- und Landwirthschaftsdepartement iu Sachen der Eintragungen in das Handelsregister ein K reisschrei ben folgenden Inhalts: Viele Anfragen in Betreff der Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister, hauptsächlich bei Detailhändlern aller Branchen, Viehhändlern, Gasthof- und Wirthschaftsbesitzern, Handwerkern etc., veranlaßen uns zu der Bemerkung, daß allgemein zutreffende Vorschriften sich in dieser Hinsicht nicht aufstellen lassen. Selbst innerhalb einer einzigen Kategorie von Beruftreibenden können die Verhältnisse so verschieden sein, daß im einzelnen Falle unbedingte Pflicht zur Eintragung, im andern Falle keine solche zu konstatiren sein wird. Wir ersuchen daher die kantonalen Registerbehörden, je im einzelnen Falle nach den besonderen Verhältnissen zu entscheiden, wobei es nicht schwierig sein wird, zu ermitteln, ob das Haupterforderniß zur Feststellung der Eintragspflicht -- die im Art. 865 Alinea 4 des 0. vorgesehene k a u f m ä n n i s c h e Art der Führung des Gewerbes -- vorhanden sei.

K a u f m ä n n i s c h e Art wird z. B. angenommen werden müssen, wenn

389 1) der geschäftliche Verkehr eines Gewerbetreibenden zum großen Theil auf Kreditgeben und Kreditnehmen beruht und 2) die genaue Kenntniß der geschäftlichen Schuld- und Forderungsverhältnisse von einer zuverläßigen Buchführung abhängt.

Derjenige, dessen geschäftliche Verhältnisse keine Buchführung im kaufmännischen Sinne des Wortes bedingen, wird nicht als eintragspflichtig betrachtet werden können.

In Verbindung hiemit bringen wir den Registerführern in Erinnerung, daß das Hauptregister nur für E i n t r a g p f l i c h t i g e und Firmen bestimmt ist. Einzelne Bureaux führen in demselben so viele Wirthe und Handwerker auf, daß wir annehmen müssen, es finde eine richtige Unterscheidung der bei den beiden verschiedenen Registern in Betracht fallenden Momente nicht statt.

--4OE)iOI«0-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrathes an sämmtliche Kantonsregierungen, betreffend Eintragungen in's Handelsamtsblatt. (Vom 13. März 1883.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1883

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

11

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

17.03.1883

Date Data Seite

385-389

Page Pagina Ref. No

10 011 795

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.