286

# S T #

Botschaft ® des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den am 14. März 1883 mit Spanien abgeschlossenen Handelsvertrag.

(Vom 9. April 1883.)

Tit.

I.

Der Vertrag, welchen wir Ihnen vorzulegen die Ehre haben, ist dazu bestimmt, an Stelle desjenigen vom 27. August 1869 zu treten. Dieser Vertrag, durch welchen sich die beiden Länder gegen seitig die Behandlung auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation zusicherten , war der erste, welchen die Schweiz, mit Spanien in Handelssachen abgeschlossen hat. Kurz zuvor, am 1. Juli desselbe Jahres, war in diesem Lande ein neues Zollgesetz erlassen worden, welches -- eine Frucht der Revolution von 1868 -- den Bruch mit dem von Alters her geübten Prohibitivsystem .vollzog.

Das Gesetz proklamirte zum ersten Mal in Spanien den Grundsatz allgemeiner Freigebung der Ein- und Ausfuhr und verfügte eine allgemeine graduelle Reduktion der Zölle innerhalb der dem Erlaß des Gesetzes folgenden zwölf Jahre. 1881 sollte demgemäß der höchste Zoll noch 15 °/o vom Werthe betragen. Leider wurden die Ausführung dieser graduellen Zollreduktion durch den nachfolgenden Bürgerkrieg verschoben. Die erste Reduktion erfolgte erst durch den Tarif vom 17. Juli 1877. Die ermäßigten Ansätze sollten jedoch nur auf die Erzeugnisse von Staaten Anwendung finden, welche mit Spanien in einem Vertragsverhältniß stünden. Für die

287 Erzeugnisse der übrigen Länder dagegen blieben die ursprünglichen Zölle von 1869 in Kraft. Dieses System des Doppeltarifs für Vertragsstaaten und Nichtvertragsstaaten ist seitdem von Spanien beibehalten und in seinen jüngsten Vertragsunterhandlungen, unterstützt durch eine planmäßige.Gesetzgebung, mit großem Vortheil venverthet worden. Als es sich im Jahre 1881 um eine abermalige Ermäßigung des spanischen Zolltarifs handelte, wurden von der spanischen Regierung im Hinblick auf den damals theils bereits erfolgten , theils bevorstehenden Ablauf fast sämmtlicher Handelsverträge diese letztern gekündet, um durch neue Unterhandlungen mit den bezüglichen Staaten entsprechende Gegenkonzessioneu zu erlangen.

Die ersten Unterhandlungen wurden mit F r a n k r e i c h eingeleitet.

Die Kündung unseres auf zehn Jahre geschlossenen Vertrages vom 27. August 1869 erfolgte am 18. Oktober 1881; derselbe sollte demnach ein Jahr später, am 18. Oktober 1882, außer Kraft treten. Die spanische Regierung hatte dem Bundesrath zugleich mit der Kündigung den Vorschlag unterbreitet, die Verhandlungen über den Abschluß eines neuen Vertrages gleichzeitig mit den französisch-spanischen Verhandlungen, und durch die nämlichen Bevollmächtigten, in' Paris zu führen. Diese Vermengung der Unterhandlungen schien uns angesichts der ganz ungleichen Natur und Bedeutung unserer Verkehrs- und Vertragsbeziehungen mit Frankreich und mit Spanien nicht zweckmäßig zu sein. Es wurde daher der spanischen Regierung der Wunsch zu erkennen gegeben, vor Beginn der Unterhandlungen das Ergebniß derjenigen mit Frankreich abzuwarten.

Im Juni erklärte sich alsdann der Bundesrath zur Aufnahme der Unterhandlungen bereit und bevollmächtigte hiezu Herrn Bundesrath Droz, Vorsteher des Handels- und Landwirthschaftsdepartements. Ein Vertragsentwurf nebst Konventionaltarif wurde von dem zu den Unterhandlungen spanischerseits bevollmächtigten Gesandten Spaniens in Bern, Herrn Grafen von Almina, mit Note vom 17. September übermittelt, leider zu spät, als daß die Vereinbarung und Ratifikation noch vor dem 18. Oktober, dem Ablaufstermin des alten Vertrages, hätte erfolgen können.

Als Bedingung der in Folge dessen vorgeschlagenen provisorischen Verlängerung des alten Vertrags forderte Spanien die Erklärung des Bundesrathes, mit dem erwähnten Vertragsentwurf nebst Tarif für die Einfuhr in die Schweiz prinzipiell einverstanden zu sein -- eine Erklärung, welche der Bundesrath nicht anders

288

auffassen konnte als eine Verbindlichmachung, die von Spanien geforderten Tarifreduktionen zu gewähren. In diesen Forderungen war nun aber außer einer starken Reduktion des Zolls für Südfrüchte, Olivenöl und Korkwaaren auch diejenige der Ermäßigung des Weinzolls auf Fr. 2 per metrischen Zentner Inbegriffen, eine Reduktion, welche in Folge der den übrigen Nationen gewährleisteten Behandlung auf dem Fuße der Meistbegünstigung auch französischen, italienischen, österreichisch-ungarischen, deutschen etc. Weinen zu Gute gekommen wäre und für den schweizerischen Fiskus daher eine Mindereinnahme von über einer Million Franken bedeutet hätte.

Für die Eingehung einer solchen Bedingung konnte der Bundes rath selbst auf die Gefahr eines vorübergehenden vertragslosen Zustandes hin auch nicht den Schein einer Verbindlichkeit übernehmen, nachdem schon in den Unterhandlungen mit Frankreich, dessen Interessen in dieser Hinsicht in weit größerem Maße in Betracht gekommen waren, Zugeständnisse gemacht werden mußten, welche das Maß dessen weit überschritten, was die Schweiz zuzugeben je gewillt war, und die nur gegen eine entsprechende spezielle Konzession auf Stickereien ausgetauscht worden waren.

, In Folge dieser Weigerung des Bundesrathes wurde auf die schweizerischen Waaren schon am 19. Oktober der hohe spanische Tarif für Nichtvertragsstaaten angewendet, wonach sich der Bundesrath anschickte, von den ihm für solche Fälle gemäß Art. 34 des eidgenössischen Zollgesetzes vorn Jahr 1851, sowie vom Bundesbeschluß vom 28. Juni 1878 Gebrauch zu machen und die hauptsächlichsten spanischen Erzeugnisse bei ihrer Einfuhr in die Schweiz entsprechend hohem Zöllen zu unterwerfen. Diese Maßregel unterblieb in Folge der inzwischen von der spanischen Regierung ertheilten Versicherung, daß die von ihr verlangte Erklärung lediglich die Verpflichtung in sich schließen sollte, Tarifreduktionen überhaupt einzugehen, keineswegs aber die von Spanien speziell geforderten. In gleichem Sinne hatte die deutsche Regierung die von Spanien gewünschte Erklärung abgegeben und in Folge dessen eine provisorische Verlängerung bis 15. Dezember'vorigen Jahres vereinbart. In diesem Sinne konnte auch der Bundesrath seine Zustimmung geben. Die Verlängerung bis zum genannten Termin erfolgte nach 12tägigern vertragsloseu Zustand am 1. November, ·wobei
jedoch vereinbart wurde, daß diese Verlängerung gleich zu achten sei, als wenn sie v o r dem Ablauf des Vertrags erfolgt, d. h. als ob kein Unterbruch, in der gegenseitigen Behandlung auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation erfolgt wäre. Die in fraglicher Zwischenzeit durch die spanische Zollbehörde von schweizerischen Waareu zu viel erhobenen Zollbeträge mußten also zurück-

289 erstattet werden. Sodann begannen die eigentlichen Verhandlungen über den neuen Vertrag, welcher nach wiederholter Verlängerung des alten am 14. März dieses Jahres, so wie er vorliegt, zu Stande gekommen ist. · II.

Nach erfolgter Kündung des alten Vertrags, im Oktober 1881, hatte das Handelsdepartement die Kantonsregierungen und den Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins ersucht, die zur Orientirung des Bundesrathes nöthigen Ermittlungen über den schweizerischen Handelsverkehr mit Spanien und über die Wünsche der schweizerischen Interessenten hinsichtlich der zu treffenden Vereinbarungen zu veranstalten.

Außerdem unterbreitete genanntes Departement die in Betracht kommenden Punkte einer, zunächst zum Zwecke der Berathung über den Handelsvertrag mit Italien zusammenberufenen Kommission, welche aus folgenden Herren Experten bestand : (Siehe unsere Botschaft zum Handelsvertrag mit Italien).

a. Das Ei-gebniß dieser Umfragen läßt auf das Vorhandensein sehr beträchtlicher Handelsbeziehungen der beiden Länder schließen.

Spanien war von jeher namentlich ein Abnehmer unserer St Galler- und Toggenburger-Artikel, unserer Uhren und Bijouterien. Der Haupttheil dieses immerhin beschränkten Verkehrs vollzog sich aber auf Rechnung des französischen Handels oder durch dessen Vermittlung. Eine der Größe und Bedeutung des Landes angemessene Produktion und Konsumtion von Industrie- und Bodenerzeugnissen hat sich erst im letzten Jahrzehnt, als segensreiche Folge der ge"ordneteren finanziellen Zustände und der Eingangs erwähnten rationelleren Handelspolitik, entwickelt. Spanien ist dadurch zu einem nennenswerthen direkten Abnehmer unserer Uhren, Stickereien und glatten Gewebe, gefärbten und bedruckten Baumwolltücher, Nähseiden und Seidengewebe, elastischen Gewebe, Maschinen, Farben, kondensirten Milch und Kindermehl geworden. Hinwiederum hat sich dessen Weinausfuhr nach der Schweiz gehoben, und außerdem liefert uns dieses Land wohl beträchtliche Quantitäten Olivenöl für unsere Fettindustrie (Seifen, Parfümerien, Stearin etc.), Kork und Korkwaaren, Südfrüchte, sowie Metalle etc. Bestimmte Angaben über die bezüglichen Mengen besitzen wir leider nicht. In der Statistik Spaniens wird der schweizerische Antheil nicht angegeben.

Die schweizerische Statistik aber unterscheidet nur nach Grrenzstrecken.

Bundesblatt.

35. Jahrg.

Bd. II.

19

290 o. Die veranstalteten Untersuchungen haben ferner ergeben,, daß man im schweizerischen Industrie- und Handelsstande zwar mannigfaltige Wünsche hinsichtlich einer Erleichterung der Einfuhr in Spanien hegt; daß man aber von den neuen Vertragsunterhandlungen mit diesem Lande im Großen und Ganzen kaum mehr erwartete, als die Erneuerung der Vereinbarung, sich gegenseitig auf dem- Fuße der meistbegünstigten Nation zu behandeln.

Der spanische Zolltarif ist, auch nach den jüngsten, Frankreich zugestandenen Ermäßigungen, für die meisten Artikel noch so hoch und protektionistisch, wo nicht prohibitiv, daß mau sich zum vorneherein die Unmöglichkeit vergegenwärtigte, von Spanien mit Aussicht auf Erfolg diejenigen Reduktionen zu verlangen, welche nöthig wären, um neue Verbindungen anknüpfen oder bestehende Beziehungen beträchtlich ausdehnen zu können. Bei verschiedenen Hauptartikeln wäre hiezu eine Zollreduktion um 50 °/o und noch mehr erforderlich gewesen.

III.

Der Vertrag, den wir vereinbart haben, ist denn auch im Wesentlichen wenig mehr als eia Meistbegünstigungsvertrag. Die Bestimmungen (Artikel 8 und 9), welche .derselbe außerdem über die Handlungsreisenden, den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken und Muster und Modelle enthält, sind theils dem schweizerisch-französischen,theils dem französisch-spanischen Handelsvertrag entlehnt und beschränken sich im Wesentlichen ebenfalls auf die Zusicherung der gegenseitigen Behandlung auf dem Fuße der Inländer oder der meistbegünstigten Nation. In dem, dem Vertrag beigefügten Tarif für die Einfuhr in die Schweiz, wird der gegenwärtige Zoll für eine Anzahl spanischer Exportprodukte, namentlich Wein, Essig, rohe Metalle, Wolle, Fische, Chocolade etc., gebunden, eine Herabsetzung desselben aber nur für Olivenöl, Südfrüchte, Kork und Korkwaaren gewährt, wogegen in dem, dem Vertrag ebenfalls beigefügten Tarif für die Einfuhr in Spanien einige wichtige schweizerische Exportprodukte, welche bisher im spanischen Zolltarif nicht namentlich aufgeführt sind und daher der Gefahr arbiträrer Taxirung unterliegen, den zutreffenden Positionen ausdrücklich einverleibt werden (Kardengarnituren, Crochetstickereien, Kindermehl) und in welchem ferner hinsichtlieh einer Anzahl, für den schweizerischen Export ebenfalls wichtigen Artikel, für welche der Ansatz des spanischen Tarifs nicht übermäßig hoch erscheint (landwirtschaftliche Maschinen, Bewegungsmaschinen nebst Kessel, Stroh- und Bastarbeiten, Farben, Lacke) dieser Ansatz gebunden wird.

291

An der Forderung einer Reduktion des schweizerischen Weinzolls, welche die Hauptschwierigkeit der Verhandlungen bildete, hat Spanien bis zum letzten Augenblicke festgehalten, wogegen wir aus den angegebenen Gründen mit eben derselben Entschiedenheit
Die Einfuhr von Olivenöl in Flaschen ist zu unbedeutend, als daß für den Fiskus aus der zugestandenen Zollermäßigung eine erhebliche Einbuße erwüchse. Ebenso unbedenklich erscheint die Herabsetzung des Zolls auf Korkwaaren, sowohl mit Bezug auf die finanzielle Einbuße, als auch mit Rücksicht darauf, daß wir in der Schweiz keinen Industriezweig besitzen, dessen Interessen dadurch erheblich beeinträchtigt würden. Was hingegen die Sudf'rihthte und die darin inbegriffenen gelrockneten Weintrauben betrifft, so bedauern wir allerdings, durch den Drang der Umstände zu dieser Konzession gezwungen worden zu sein. Dieselbe mago den Interessen O o der schweizerischen Weinbauer entgegen sein -- doch glauben wir nicht, daß es sich gerechtfertigt hätte, durch starres Festhalleri am betreffenden Zollsatz den ganzen Vertrag auf das Spiel zu setzen, um so weniger, als wir dadurch eigentlich die Notwendigkeit einer, denselben Interessen ungleich naf.htheiligern Reduktion des Weinzolles umgangen haben.

Was schließlich die Dauer des Vertrags betrifft, so hätten wir gewünscht, dieselbe, gleich wie diejenige des französisch-spanischen Vertrags, auf 10 Jahre, d. h. bis 1892 auszudehnen. Dem stand jedoch der Umstand entgegen, daß das nach dem Abschluß des letztgenannten Vertrags erlassene spanische Zollgesetz (vom 6. Juli 1882) auf das Jahr 1887 eine weitere Zollreduktion in Aussieht nimmt, die jedoch nur dann stattfinden soll, wenn die fremden Nationen zu neuen Gegenkonzessionen Hand bieten werden. Im Hinblick hierauf mußte sich die spanische Regierung auf jenen Zeitpunkt freie Hand vorbehalten.

Der vereinbarte Vertrag soll daher am 30. Juni 1887 unwiderruflich und ohne vorausgehende Kündigung außer Kraft treten.

292

Indem wir auf die beendigten Unterhandlungen zurückblicken, können wir uns nicht verhehlen, daß in dem Ergebniß derselben von schweizerischer Seite mehr Nachgiebigkeit zu Tage tritt als spanischerseits. Wenn wir uns jedoch vergegenwärtigen, daß wir um den Preis dieser, verhältnismäßig-geringe Opfer bedingenden Nachgiebigkeit, außer den im Vertragstarif für die Einfuhr in Spanien geregelten, bisher zum Theil dem Zweifel Raum lassenden Zollansätzen, in den Mitgenuß aller von Spanien an Frankreich gemachten und in der Folge eventuell andern Nationen noch zu gewährenden Vortheile treten ; daß wir ferner einen vielleicht langen, für unsere zu mannigfachen Hoffnungen berechtigenden Handelsbeziehungen mit Spanien außerordentlich nachtheiligen Zollkrieg vermieden haben, während die gleichzeitig mit den unsrigen geführten Unterhandlungen Spaniens mit einer Reihe der wichtigsten europäischen Staaten, worunter England, Deutschland, Italien, die Niederlande, Dänemark etc., gescheitert sind, so daß auf die Erzeugnisse derselben der außerordentlich hohe spanische Tarif für Nichtvertragsstaaten zur Anwendung gelangt, so glauben wir den vorliegenden Vertrag mit Recht für annehmbar zu erachten, und beantragen Ihnen hiermit aus vollster Ueberzeugung, dem beiliegenden Entwürfe eines bezüglichen Bundesbeschlusses Ihre Sanktion ertheilen zu wollen.

Wir benützen diesen Anlaß, Sie, Tit., neuerdings unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 9. April 1883.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den am 14. März 1883 mit Spanien abgeschlossenen Handelsvertrag. (Vom 9. April 1883.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1883

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

17

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.04.1883

Date Data Seite

286-292

Page Pagina Ref. No

10 011 837

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.