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Bericht der

Mehrheit der nationalräthlichen Kommission zur

Behandlung der Botschaft des Bundesrathes, betreffend

die Frage des Rückkaufes der schweizerischen Eisenbahnen.

(Vom 17. April 1883.)

Tit.

In der Behandlung der vom Bundesrath unterm 6. März 1. J.

eingereichten Botschaften über die Frage des Rückkaufes der schweizerischen Eisenbahnen und über die Beaufsichtigung" des Rechnungswesens der Bisenbahn-Gesellschaften geht Ihre Kommission mit dem Ständerath, der die Priorität im ersten dieser Verhandlungsgegenstände gehabt hat, insofern einig, als nur die eine der Botschaften, nämlich diejenige über den R ü c k k a u f , in der gegenwärtigen außerordentlichen Session zur Berathung kommen könne und müsse, und zwar einerseits wegen der fatalen Fristen, in welchen allfällige Erklärungen von Seite der Eidgenossenschaft abgegeben werden müßten, anderseits weil, unseres Erachtens, die Frage des Rückkaufes von viel größerer Wichtigkeit ist und auch die Aufmerksamkeit der Bevölkerung in viel größerm Maße auf sich zieht, als das Rechnungswesen der Eisenbahn-Gesellschaften.

Hinwieder weich t Ihre Kommission e i n s t i m m i g vom Ständerath in der Art der Beschlußfassung über die erwähnte Botschaft ab. Zunächst weil sie es nicht am Orte hält, einen Beschluß da zu fassen, wo keine Bundesblatt. 35. Jahrg. Bd. II.

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Rechtsverhältnisse geändert oder geschaffen werden sollen. Wird eine Mittheilung an die Eisenbahngesellschaften nicht gemacht, so bleibt es in Bezug auf das Eigenthum der Eiseubahnen beim Alten.

Was da zu beschließen wäre, wissen wir nicht ! Wenn etwas geändert, wenn vom Rechte des Rückkaufes Gebrauch gemacht werden wollte, so müßten ein oder mehrere Beschlüsse gefaßt werden. Nach unserer Auffassung ist, wenn infolge der Botschaft des Bundesrathes Entschließungen zu einem Rückkaufe nicht gefaßt werden wollen , es höchstens am Orte, am Protokolle in zustimmendem Sinne zu der Botschaft Vormerkung zu nehmen. Höchst eigenthümlich ist es uns vorgekommen, die gewählie Beschlussesformel mit der Dringlichkeitsklausel zu versehen. Nichts kann doch nicht dringlich sein. Sachlich aber liegt in der Entschließung, n i c h t rückzukaufen, eine so große Wichtigkeit, als ir dem Beschluß, den Rückkauf ganz oder theilweise zu bewerkstelligen.

Letzteres, d. i. den theilweisen Rückkauf, schlägt die Kommission in ihrer M e h r h e i t vor ; sie hält es am Orte, das von ihr eingeschlagene und Ihnen zu empfehlende Verfahren kurz zu motiviren; zu weitern sachlichen Erörterungen gebricht es an Zeit.

Allerdings würde in der Schweiz ein gleichmäßigerer Eisenbahnbetrieb erstellt werden können, und es würden auch alle Rechtsund thatsächlichen Verhältnisse für a l l e Bürgen1 und Gesellschaften in der Schweiz die gleichen sein, wenn der Rückkauf a l l e r in der Schweiz bestehenden Eisenbahnen beschlossen werden könnte oder wollte. Allein dieses zu beschließen, halten wir mit dem Bundesrath und dem Ständerath für unthunlich; wir können aber den Schluß nicht ziehen, daß deßhalb auch ein t h e i l w e i s e r Rückkauf nicht möglich sein sollte. Der Wortlaut der Konzessionen, welche zusammenfassen, was sie zusammenfassen wollen, und welche ja selber verschiedene Rückkaufsfristen kennen, läßt eint! solche Auffassung nicht zu. Die bekannte Rechtsformel: .,,qui jure suo utitur neminem lsedita mag hierorts in Erinnerung gebracht werden. Dagegen halten wir es arn Orte, in einem besondern Beschlüsse, der über das ganze Verfahren, so weit es j e t z t übersehen werd;;n kann, Bestimmungen aufstellt, Garantien dafür niederzulegen, daß aus dem Rückkaufe der einen Linie eine Schädigung der andern, nicht zurückgekauften, nicht erfolgen
solle. Die Eidgenossenschaft selber soll die in der Verfassung ausgesprochene Gleichheit vor dem Gesetz nicht stören wollen.

Deßhalb schlägt die Kommission Ihnen das doppelte Verfahren vor, in einem B u n d e s b e s c h l u ß , der d r i n g l i c h erklärt würde, zu Händen der betreffenden Gesellschaften die vorgeschriebenen Mittheilungen anordnen zu wollen, und sodann in einem zweiten B un d e s bes c h l u s s e , der den Rückkauf ausspricht und welcher dem

923 R e f e r e n d u m nicht entzogen wird, einige allgemeine Verwaltungsgrundsätze und Garantien niederzulegen. Abgesehen von diesen Garantien erscheint uns dieser weitere Bundesbeschluß auch deßhalb angezeigt, um auseinanderzusetzen, in welcher Weise die Kommission den Betrieb und die Verwaltung der Eisenbahnen in Zukunft für möglich hält, ohne den schweizerischen Staatshaushalt im Allgemeinen zu belästigen und ohne berechtigte Interessen zu verletzen. Ueberdies halten wir dafür, daß für die Bevölkerung, welche die Eisenbahnen benützt, mehr Garantien geboten seien, wenn die Verwaltung in anderer Weise, als es bei einer Aktiengesellschaft der Fall ist, zusammengesetzt sein wird.

A. Die Aufkündimg der Konzessionen als dringlicher Bnndesbeschlnß.

Durch denselben soll gemäß Konzession den betreffenden Gesellschaften angezeigt werden, daß der Bund ihnen die ertheilte Konzession auf dem Wege des Rückkaufes entziehen wolle; dieser dringliche Beschluß, der auf eine bestimmte Zeit zum Voraus mitgetheilt werden muß, hat mit andern Worten die Bedeutung einer Notifikation oder Aufkündung.

Wichtiger als diese formelle Bedeutung des Beschlusses wird für Sie die Frage sein, ob er gefaßt werden solle, d. i. ob der Rückkauf beschlossen werden solle.

Wir müssen es uns, wie schon gesagt, vorbehalten, die einzelnen Gründe in der mündlichen Diskussion vorzutragen ; hier mag am Orte sein, auseinanderzusetzen, warum wir uns nicht rein auf der Negative, wie es der Ständerath that, verhalten wollen. 'Die s. Z. bei der Erlassung des Bundesgesetzes vom 28. Juli 1851 in langen mündlichen Diskussionen und in vielen schriftlichen Auseinandersetzungen vorgetragenen Gründe über die Vor- und Nachtheile des Privat- oder des Staatsbaues wollen wir jetzt nicht wiederholen. Wir ziehen aus der geschichtlichen Erfahrung seit jener Zeit bloß das Resumé, daß die Wichtigkeit, es solle der Staat -- die Allgemeinheit -- Eigenthümer der auf seinem Gebiete betriebenen Eisenbahnen sein, weit mehr anerkannt wird als früher und daß die V e r s t a a t l i c h u n g der B i s e n b a h n e n fast in allen Ländern, wo sie noch nicht besteht, immer mehr zur Ausführung kommt. Die Eisenbahnen kann man nicht mehr von dem Standpunkt aus betrachten, daß sie das Eigenthurn und das Mittel einer Gesellschaft sein sollen, um daraus einen Erwerb zu ziehen. Die Eisenbahnen sollen dem Lande dienen und dem, wo sie sich befinden, gehören.

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Was die S c h w e i z betrifft, so kann dieselbe, wenn man nicht außerordentliche Maßregeln wie Sequester oder Expropriation u. s. w., am Platze hält, nur durch den k o n z e s s i o n s g e m ä ß e n R ü c k k a u f oder durch V e r t r a g s u n t e r h a n d h i n g e n in denjenigen Zustand gelangen, den wir als den richtigen ansahen. Der Rückkauf kann aber, wie es der Bundesrath richtig entwickelt hat, sehr lästig sein; es kann erwartet werden, daß mit einiger Geduld die Schweiz mit viel weniger Lasten die erhofften Vorthoile doch wird erreichen können. Bei dem Netze der Centralba'on ist dieses jedoch nicht der Fall. Weder ist der aufzubringende Kaufpreis in einem Mißverhältnisse zum Ertragswerth der Linien, noch ist ein geringerer Preis in der Zukunft zu erwarten. Indem wir gerade mit Bezug auf diese Berechnung uns auf die mündliche Auseinandersetzung beziehen müssen*), haben wir den zweiten Grund, der uns bestimmt hat, beizufügen, der darin besteht, daß mit der Erwerbung auch nur einer und zwar dieser Baîm (resp. Bahnnetz) ein anderer und besserer Betrieb wird eiugefdhrt und mit den andern schweizerischen Eisenbahngesellschaften wird vereinbart werden können. Als Eigenthümer der Centralbahnlinien wird der Buiid ein viel-maßgebenderes Wort, als ohne diesen Besitz, sprechen können.

Bin eigentümliches Verhältniß entsteht allerdings dadurch, daß nicht alle der Centralbahngesellschaft gehörenden Eisenbahnlinien nach den Konzessionsbestimmungen zurückgekauft werden können. Wir finden darin jedoch kein Hindemiß; vielmehr halten wir es als ein Gebot der Schicklichkeit und der Loyalität, der Centralbahngesellschaft zu erklären, daß der Bund sie ganz von dem Betriebe aller ihrer Linien entlasten wolle;, wobei der Bund hinwieder sowohl für die Betriebsanschlüsse als für die Rechnungsverhältnisse seinen Vortheil finden kann. Auch erblicken die Landesgegenden, durch welche die betreffenden Bisenbahnlinien führen, in der Uebernahme auch dieses Theiles des Netzes eine Garantie für einen ununterbrochenen richtigen Betrieb. Diese Garantie soll gewährt werden, jedoch, wie gesagt, nicht in dem Beschlüsse über die Aufkündung der Konzessionen, welch' letzterer ein dringlicher ist.

Auf diese Weise glauben wir die Frage wegen des Referendums richtig gelöst zu haben. Es ist die Centralbahn als civilrechtlicher
Theil und das Volk als der andere Theil, zugleich aber auch als staatsrechtliches Ganzes, zu unterscheiden. Gegenüber der Centralbahn als Notifikat muß bei den vielen bestehenden juristischen Zweifeln *) Hierorts müssen wir jedoch jetzt schon berichtigen, daß bei der Berechnung des Bundesrathes in der nachträglichen Mittheilung vom 12. April eine Art double emploi durch die Beiziehung der Gäubahn nach Ertrag u n d Erstellung besteht.

925 eine Mittheilung in ganz; rechtsgültiger Weise gemacht werden, was dadurch geschieht, daß der Beschluß dringlich erklärt wird. So sehr es uns widerstrebt, dem Volke auch nur einen Schatten seiner Rechte entziehen zu wollen, müssen wir darauf aufmerksam machen, daß der Centralbahn eine erste Erklärung vor dem 1. Mai abgegeben werden muß. Es können die Referendumsfristen nicht mehr innegehalten werden. Dagegen soll das Volk wieder zu seinem Rechte kommen , in einer Abstimmung seinen Willen ausspreehen zu können , indem für die grundsätzliche Frage des Rückkaufes, des Betriebes und der Verwaltung u. s. w. sofort (nicht erst in 5 Jahren) ein zweiter Bundesbeschluß aufgestellt wird, von dessen Annahme nicht die Rechtsgültigkeit, sondern die fernere Wirksamkeit des ersten dringlichen Beschlusses abhängig sein wird.

Diese Lösung kann nicht als ein Novum angesehen werden' Das Bundesgesetz vom 20. Juni 1879, betreffend Erhöhung des Eingangszolles auf einzelne Waarengattungen (Tabak u. s. w.), das dem Referendum unterstellt war, ist durch besondern Bundesbeschluß vom gleichen Tage, der als dringlich erklärt worden ist, eingeführt worden. Es ist dadurch dem Bundesrath die Ermächtigung ertheilt worden, die Zollerhöhung s o f o r t einzuführen, was seinerseits bekanntermaßen sogar durch Departementalverfügung angeordnet worden ist, um die auf der Reise befindlichen, aber noch nicht eingeführten Waarenquanta noch treffen zu können. Auch der Bundesbeschluß vom 30. Juni 1882, betreffend Abänderungen des Zolltarifes infolge Abschlusses des Handelsvertrages mit Frankreich, ist in gleicher Weise abgefaßt worden (s. Art. 4), d. i. der Beschluß wird hinfällig, wenn der erst noch zu erlassende Zolllarif die Zustimmung des Volkes nicht erhalten sollte. Und doch sino diejenigen, welche in der Zwischenzeit höher verzollt haben, sd gut civilrechtliche Theile, wie es durch den vorgeschlagenen Beschluß betreffend den Rückkauf die Centralbahn wird.

Diese kann zu einer Schadensersatzklage berechtigt werden, vorausgesetzt, daß sie einen Schaden nachweisen könne. Es wird dieses aber schwerlich der Fall sein, da eine rüekgekaufte Bahn in gutem Zustand übergeben, somit von der Aufkündung an doch verwaltet werden muß. Im Weitern darf behauptet werden, daß sehr wahrscheinlich die Centralbahn die Verwaltung in gleicher Weise
fortführen und selbst 'begehren wird, wie wenn eine Aufkündung nicht stattgefunden hätte.

Dabei verhehlen wir es nicht, daß der von uns in Anbetracht der Zeit gewählte Vorgang nicht vervielfältigt werden sollte, indem wir der Ansicht sind, daß die einzelnen Rückkaufsbeschlüsse dem Referendum nicht entzogen werden sollen. Wir würden auch

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jetzt nicht ganz ohne Bedenken gewesen sein, wenn sich ein Mißverhältniß in der Wertfaung des Netzes zwischen Anlagekapital und Ertrag herausgestellt haben würde.

B. Der Rückkauf und einige Yerwaltungsgrundsätze.

(Bundesbeschluß nach Art. 89 der Bundesverfassung.)

Der erste Artikel gibt eine grundsätzliche Antwort auf die Frage des Rückkaufes im Allgemeinen, sowie über den Rückkauf in einem gegebenen Falle zu einer bestimmten Zeit. D. i. für jetzt wird gesagt, was rückgekauft werden sollte und zwar zunächst gemäß K o n z e s s i o n , sodann aber auch infolge gütlicher V e r e i n barung.

· Daran anschließend ist in Art. 2 ausgesprochen, daß der Bundesrath die besonders in den letzten Zeiten vielfach besprochene V e r e i n h e i t l i c h u n g d e s B e t r i e b e s d e r a u f d e m Gebiete der Eidgenossenschaft betriebenen Eisenbahnen im Auge behalten solle. Auch die Erwerbung von weitern Linien soll nicht ausgeschlossen sein. Dagegen ist gerade vom konstitutionellen Standpunkte aus. wohl zu bemerken, daß alle derartigen Beschlüsse vom Bundesrath nicht definitiv gefaßt werden können, sondern daß die Bundesversammlung mittelst Bundesbeschluß oder Bimdesgeset/, welche der Volksabstimmung unterliegen, entscheiden müsse. Es ist demnach für die weitere Erwerbung von Eisenbahnen die konstitutionelle Garantie gegeben.

Auch Art. 3 halten wir für deutlich. Durch die Vorschrift, daß eine b e s o n d e r e E i s e n b a h n V e r w a l t u n g aufgestellt wer·den und daß nicht die politische Gewalt verwalten soll, wird unseres Erachtens den föderalistischen Ansichten, welche eine Ausdehnung der Gewalten der Bundesbehörden und die Entwicklung und Vermehrung der eidgenössischen Büreaukraüe befürchten, Rechnung getragen. Durch die Redaktion ist selbst die Uebertragung des Betriebes an eine Betriebsgesellschaft (Société fermière) nicht ausgeschlossen, wenn eine solche zweckmäßiger gefunden werden sollte.

Dagegen konnten wir uns nicht entschließen, eine solche Gesellschaft als das einzige Heilmittel zu betrachten. -- Hinwieder ist dem föderalistischen wie dem allgemein politischen Gedanken Rechnung getragen, daß auch die Kantone bei der Vorwaltung in irgend welcher Weise betheiligt sein sollen. Ueber das Wie sich jetzt schon auszusprechen, halten wir verfrüht; vielmehr werden Sie es am Orte finden, daß alle diese Verhältnisse in einem besondern Bundesgesetz nach vom Bundesrath zu erwartenden Vorlagen geordnet werden sollen.

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Dagegen ist nicht in ein späteres Gesetz zu verschieben, sondern jetzt schon die Frage zu lösen, wie sich die Verwaltung der Eisenbahnen des Bundes den andern im Lande betriebenen Eisenbahnlinien und den daherigen Eigenthümern gegenüber verhalten solle.

Diese Lösung ist der Zweck des Art. 4. Wir halten dafür, daß eine Schädigung um so mehr ausgeschlossen sein sollte, als ja bei allen jetzt nicht rückgekauften Linien die Kantone in irgend welcher Weise betheiligt sind. Deshalb sind wir auch der Ansicht, daß die von andern Gesellschaften mit den ausgekauften Gesellschaften abgeschlossenen Verträge nicht durch die Thatsache des Rückkaufes an und für sich hinfällig werden. Auch 'soll nach unserer Ansicht diese Verwaltung Betriebs- und Konkurrenz vertrage, wie sie eben unter Gesellschaften üblich sind, eingehen können. Wir ha.ben in dieser Beziehung einen Grundsatz aufgestellt: die Beachtung des Systems der kürzesten Linien für die Beförderung von Personen und Gütern; immerhin geben wir zu, daß dieser Satz nicht ein unfehlbarer Glaubensartikel ist, und wir halten es auch für möglich, daß unter besonders lästigen Verumständungen von demselben abgegangen werden könne und müsse.

In gleichem Sinne wie Art. 4 ist auch die Redaktion des Art. 5 zu verstehen. Es sollen eingegangene Verpflichtungen des Bundes, wie sie in Art. 3 des Gesetzes vom 23. Dezember 1872 und insbesondere später durch das Gesetz vom 22. August 1878 über die Gewährung von Subsidien des Bundes an die Konstruktion von Alpenbahnen im Osten und Westen der Schweiz ausgesprochen sind, nicht umgangen, sondern loyal erfüllt werden. -- Was im Weitern bei eingegangenen Verpflichtungen der Gesellschaften Rechtens sein soll, kann zum Voraus schwer entschieden werden ; es wird u. A. in Frage kommen, ob infolge des Rückkaufes von Linien eine Eisenbahngesellschaft als solche nichtsdestoweniger doch bestehen bleibt und in welchen finanziellen Verhältnissen dieselbe sich befinden wird. Dieses sind jedoch nur Andeutungen und Meinungen. Die Hauptsache ist, die Ansicht der Kommission auszusprechen, daß durch die Thatsache des Rückkaufes allein eine eingegangene Bauverpflichtung einer Gesellschaft als solcher nicht an und für sich als beseitigt angesehen werden könne.

Ob nun die in diesen beiden Artikeln 4 und 5 niedergelegten Garantien als genügend betrachtet
werden können, wollen wir nicht zum Voraus entscheiden, sondern wir behalten uns vor, die in Ihrer Mitte gestellten Anträge zu prüfen; das Entscheidende scheint uns, daß der Bund die Eidgenossen nicht schädigen und nicht unberechtigte Vortheile wie ein minderer Krämer sich aneignen soll.

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Eine weitere Garantie, nicht für andere Gesellschaften und Verwaltungen, sondern für das Schweizervolk selber, dürfen wir jedoch nicht vergessen. Es ist dieses die Beantwortung der Frage, wie die zurückgekauften Linien bezahlt werden sollen. Wir halten es für durchaus möglich, daß der durch den heutigen Beschluß nothwendig werdende Kaufpreis ohne Belästigung des SchweizerVolkes aufgebracht werden könne. Es sind in dieser Beziehung mehrere Modalitäten möglich; wir halten es aber am Orte, eine bezügliche bestimmte VorInge vom Bundesrathe zu erwarten. Unter Anderai wird jedoch bereits jetzt das S y s t e m der A n n u i t ä t e n in Ihrer Mitte von uns ausführlich beleuchtet werden. Dabei darf nie vergessen werden, daß die Eidgenossenschaft ein dem K a u f p r e i s a d ä q u a t e s Objekt erwirbt, von dem das Schweizervolk durch die Anbahnung der Vereinheitlichung des Belriebes noch weitere Vortheile zu erwarten haben wird.

Daß die Referendumsklausel bei diesem Beschluß angebracht werde, halten wir für selbstverständlich ; welchen erweiterten Sinn sie haben soll, haben wir bereits wiederholt bemerkt; es wird mit derselben sachlich gesagt, daß o h n e die E i n w i l l i g u n g des S c h w e i z e r v o l k e s k e i n e B i s e n b a h n e n g e k a u f t werden sollen.

Schließlich sprechen wir die Versicherung aus, daß wir glauben, unsere Anträge im wohlverstandenen Intereisse des Vaterlandes und seiner Bevölkerung gestellt zu haben: sine ira et studio.

Mit vollkommener Hochachtung!

B e r n , den 17. April 1883.

Die Mitglieder der Kommission:*) Dr. S. Kaiser, Berichterstatter.

Chenevière.

Curti.

Häberlin.

Holdener.

KUnzli.

Leuba.

Meister.

Ruffy.

Stockmar.

W liest.

*) Von den hier genannten Mitgliedern haben sich die Herren Holdener, Lenta, Ruffy gegen den Rückkauf ausgesprochen; sie haben nur mit diesem Vorbehalt an den Berathungen über die vorgeschlagenen Bnndesbeschlüsse Theil genommen.

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.A. n la. a n g-,

Richtigstellung der Berechnung (von Hrn. Curti, Mitglied der Kommission).

(Vom 18. April 1883.)

Nach der Botschaft vom 6. März und dem ergänzenden Bericht des Bundesrathes vom 12. April scheinen mir für die finanzielle Seite der Frage folgende Ziffern maßgebend zu sein.

Die 25fachen R e i n e r t r ä g n i s s e der fünf Bahnen des Centralbahnnetzes sind zu beziffern : 1. Stammnetz .

.

. F r . 112,532,525 2. G-äubahn . ,, 14,045,600 3. Verbindungsbahn .

. ,, 1,465,325 4. Bötzbergbahn . ,, 17,362,325 5. Südbahn .

.

.

. ,, 5,635,500 Fr. 151,041,275 Hiebei ist zu bemerken, daß bei der Gäubahii von den zwei Angaben,. die wir besitzen, der Reinertrag des Jahres 1878 zu Grunde gelegt wurde, welcher geringer war, als derjenige des Jahres 1877. Später ist eine getrennte Rechnung nicht mehr geführt worden.

Die K a u f s u m m e (beim Stammnetz der Nettoertrag, bei den übrigen Bahnen das Anlagekapital) würde betragen für : 1. das Stammnetz .

. Fr. 112,532,525 2. die Gäubahn . ,, 14,825,541 3. die Verbindungsbahn . ,, 1,986,415 4. die Bötzbergbahn .

. ,, 24,400,632 5. die Südbahn . ,, 10,627,219 Fr. 164,372,332

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Die D i f f e r e n z zwischen Reinertrag und Kaufsumme, beträgt also Fr. 13,331,057. Diese Differenz würde ausgeglichen: \. Durch die unter den Aktiven der Centralbahn aufgeführten Kursverluste im Betrage von Fr. 9,368,958, soweit dieselben in Betracht fallen können.

2. Durch die voraussichtlich am Anlagekapital zu erwirkenden erheblichen Reduktionen bei den Gründlings- und Organisationskosten, Kosten für Umbauten u. s. w. Der Bnndesrath erklärt, er glaube zu der Annahme berechtigt zu sein , ,,daß sich der Ruckkaufspreis, wenn er durch den Richter festgestellt werden müßte, für den Bund günstiger als nach den Rechnungen der Centralbahn gestalten würde"1.

3. Durch die voraussichtliche Steigerung der Betriebseinnahmen nach Maßgabe der bisherigen Ziffern. In den letzten zehn Jahren waren die Betriebseinnahmen der Centralbahn ziemlich gleichmäßige, die Betriebsausgaben hingegen verminderten i-ich. Bei der Bötzbergbahn ergibt die Berechnung des Nettoertrages deßhalb nur etwa 17 Millionen , weil von den sieben Jahren , aus welchen der Durchschnitt berechnet werden m u ß , die Einnahmen der ersten zwei Jahre weit geringer waren, als diejenigen der spätem Jahre.

Bei Zugrundelegung der Ergebnisse von 1879--1881 .betrug der 25fache Nettoertrag bereits 809,543 + 899,906 + 766,434 X 25 = ^ ^^^ o

Da ferner die Südbahn, seit der Eröffnung der Gotthardbahn, jährlich über Fr. 800,000 Betriebseinnahmen HU liefern verspricht, so kann ihr Werth, gegenüber dem Anlagekapital von rund 10 Millionen, auf 20 Millionen Franken angeschlagen werden.

4. Es ist ferner eine Steigerung der Befriebseinnahmen von der Benutzung der Bötzberg- und Centralbahnlinien durch die Arlbergbahn zu erwarten.

5. Es lassen sich Ersparnisse erzielen, indem, bei gleicher Verwaltung für die verschiedenen Linien, Güter, welche jetzt den Umweg durch den Hauensteintunnel nach Basel nehmen, künftig über die Bötzbergbahn dahin geführt werden.

6. Lassen sich auch durch den einheitlichen Betrieb Ersparnisse erzielen, falls, wie es wahrscheinlich, eine Betriebsfusion mit den Jurabahnen und andern Eisenbahnen zu Stande kommt.

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Bundesbeschluß betreffend

ausnahmsweise Verlegung des Beginns der ordentlichen Sommersession der Bundesversammlung.

(Vom 24. April 1883.)

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , um die Erledigung des Zolltarifs in nächster Session zu ermöglichen, beschließt: Es wird, in Abweichung vom Bundesbeschlusse vom 17. Dezember 1873, der Beginn der Sommersession 1883 auf den 18. Juni angesetzt.

Also beschlossen vom Nationalrathe, B e r n , den 23. April 1883.

Der Präsident : A. Deucher.

Der Protokollführer: Ringier.

Also beschlossen vom Ständerathe, B e r n , den 24. April 1883.

Der Präsident: Wilh. Vigier.

Der Protokollführer : Schatzmann.

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(Vom 17. April 1883.)

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12.05.1883

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