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Ergänzungsbotschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Änderung des Ersten Titels des Bundesgesetzes über die Krankenund Unfallversicherung (Vom 16. November 1962)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Mit Botschaft vom 5. Juni 1961 haben wir Ihnen unseren Entwurf zu einer Teilrevision des Ersten Titels des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) vorgelegt. Die für die Vorberatung dieses Entwurfes eingesetzte Kommission des Ständerates beantragte, das Arztrecht, d.h. die Artikel 22 und 23 KUVG, die sich mit der für die Ärzte massgebenden Tarifordnung und deren Anwendung befassen, in die Teilrevision einzubeziehen. In der Märzsession dieses Jahres wurde die Beratung von Artikel 22 KUVG im Ständerat jedoch ausgesetzt und der Bundesrat beauftragt, in einer Ergänzungsbotschaft zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen und nach nochmaligen Verhandlungen mit den Ärzten und Krankenkassen allfällige neue Vorschläge zur Eegelung des Arztrechts zu unterbreiten. Dieser Auftrag erfolgte in der Hoffnung, dass es doch noch gelingen möge, eine Einigung unter den direkt Beteiligten herbeizuführen.

Mit vorliegender Ergänzungsbotschaft kommen wir dem Auftrag des Ständerates nach, wobei wir in der Einleitung die bisherigen Verhandlungen und Beratungen über die strittigen Fragen des Arztrechts darlegen, in einem zweiten Teil die Grundzüge der von uns beantragten Verständigungslösung darstellen und in einem dritten Teil die einzelnen Bestimmungen des Gesetzesentwurfes erläutern werden.

1266 Erster Teil Einleitung In unserer Botschaft vom 5. Juni 1961 haben wir zur Frage einer Neuregelung der Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen Stellung genommen.

Der damaligen Verständigung der beiden Partner, auf eine Neuordnung des Arztrechts in der vorliegenden Teilrevision des KUVG zu verzichten, konnten wir uns anschliessen in der Meinung, dass jedoch die Verhandlungen mit den direkt Beteiligten unverzüglich aufzunehmen seien und versucht werden sollte, die Standpunkte einander anzunähern. Wir haben Ihnen auch in Aussicht gestellt, gegebenenfalls eine besondere Vorlage über die Neuordnung des Arztrechtes zu unterbreiten.

Unsere Auffassung ging damals schon davon aus, dass das namentlich bei einem vertragslosen Zustand oft wenig befriedigende Arztrecht neu geregelt und den veränderten Verhältnissen angepasst werden müsse. Wir waren jedoch der Meinung, dass die gegenwärtige Gesetzesvorlage durch die bestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Ärzten und Krankenkassen weder verzögert noch allenfalls gefährdet werden sollte, weshalb die Ausklammerung des Arztrechts verantwortet werden könne.

Demgegenüber hat in der Folge die Kommission des Ständerates den Standpunkt vertreten, dass das Arztrecht in der eingeleiteten Teilrevision des KUVG neu zu ordnen sei. Sie wurde in ihrer Auffassung durch die Ärzteschaft bestärkt, die - auf ihren ursprünglichen Standpunkt zurückkommend - schon jetzt eine Änderung von Artikel 23, Absatz l KUVG in dem Sinne verlangte, dass im Gesetz die Möglichkeit der Abstufung der Taxen nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Versicherten in den Verträgen zwischen Kassen und Ärzten ausdrücklich vorzusehen sei. Die Krankenkassen erklärten sich mit einer solchen Änderung unter der Bedingung einverstanden, dass gleichzeitig die Eechtslage im vertragslosen Zustand durch den Gesetzgeber unmissverständlich festgelegt werde.

In vier Sitzungen versuchte die Kommission des Ständerates eine ausgewogene Lösung auszuarbeiten, welche die Zustimmung der beiden Parteien finden sollte. Die Meinungen in der Kommission blieben jedoch geteilt, und es gelang auch nicht, die auseinandergehenden Standpunkte der direkt Beteiligten einander anzunähern. Der von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Begelung standen zwei Minderheitsanträge hinsichtlich der Tarifordnung
und ein Minderheitsantrag hinsichtlich der Eegelung des Honorarschuldners gegenüber.

Die verschiedenen Anträge sind dem Ständerat in der Märzsession unterbreitet worden (Sten. Bull. StE 1962, S. 150-153). Wir werden bei der Darstellung unseres Entwurfes darauf zurückkommen.

Nach der Märzsession hat das Departement des Innern unverzüglich die Verhandlungen mit den direkt Beteiligten aufgenommen. In getrennten Besprechungen wurde einer Vertretung der Verbindung der Schweizer Ärzte und den Vertretern der Spitzenverbände der anerkannten Krankenkassen der Beschluss

1267 des Ständerates bekanntgegeben. Beide Parteien erklärten sich zur Aufnahme von Verhandlungen bereit, wobei die Vertreter der Ärzteschaft den Wunsch äusserten, dass die Bemühungen um eine Verständigung zunächst direkt unter den Beteiligten, d.h. ohne die Mitwirkung der Behörden erfolgen sollten. Diesem Begehren wurde entsprochen, nachdem auch die ,,Krankenkassen ihr Einverständnis zu direkten Verhandlungen gegeben hatten. Im Juli teilten die Parteien dem Departement mit, dass in den Direktverhandlungen eine Verständigung nicht erzielt werden konnte, wobei Ärzte und Krankenkassen in gesonderten Eingaben ihren grundsätzlichen Standpunkt noch einmal darlegten.

Gestützt hierauf hat das Departement Mitte August die Sachlage mit beiden Parteien in getrennten Konferenzen erneut eingehend besprochen, um die Möglichkeiten einer Verständigung noch einmal abzuklären, und anschliessend den Ärzten und Kassen einen Einigungsvorschlag zur Vernehmlassung mit Frist bis Ende September zugestellt. Die eingegangenen Vernehmlassungen zeigten erneut, dass die Meinungen in grundsätzlichen Fragen der Tarifgestaltung und des Honorarschuldners, stark auseinandergingen. Am 18. Oktober wurden beide Parteien zu einer gemeinsamen Konferenz unter der Leitung des Vorstehers des Departements des Innern einberufen. Nach eingehenden Verhandlungen konnte von beiden Parteien das Einverständnis in den wichtigsten Fragen einer neuen Tarifordnung im vertragslosen Zustand und einer gesetzlichen Eegelung des Honorarschuldners erzielt werden. Anschliessend wurde der Gesetzestext in einer kleinen Eedaktionskommission, bestehend aus Vertretern beider Parteien, unter der Leitung des Bundesamtes für Sozialversicherung bereinigt. Die Ihnen nachstehend beantragte Eegelung des Arztrechts entspricht der an der Konferenz vom 18. Oktober 1962 in grundsätzlicher Hinsicht erzielten Verständigung sowie den Beratungen des Gesetzesentwurfes in der Eedaktionskommission.

In verschiedenen Einzelfragen konnte eine Verständigung allerdings nur mit Vorbehalten der einen oder anderen Partei herbeigeführt werden. In diesen Fällen haben wir jeweils diejenige Eegelung getroffen, die uns den Interessen der Versicherten am besten zu entsprechen scheint.

Zweiter Teil Die Grundzüge der Regelung A. Die bisherige Regelung 1. Artikel 22 und 23 KUVG enthalten folgende
Bestimmungen über die Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen : Gemäss Artikel 22, Absatz l setzen die Kantonsregierungen nach Anhören von Vertretern der Kassen sowie der Berufsverbände der Ärzte die Tarife der ärztlichen Leistungen fest. Die Tarife haben für die einzelnen Leistungen. Mindest- und Höchstbeträge zu enthalten, die nicht unterboten und nicht überschritten werden dürfen. In den Tarifen und bei deren Anwendung sind die örtlichen Verhältnisse sowie die allfällige Leistung von Wartegeld zu berücksichtigen.

1268 Die kantonalen Kahmentarife dienen einem doppelten Zweck : Sie bilden einmal den Rahmen für die Tarifverträge zwischen Ärzten und Krankenkassen. Gemäss Artikel 22, Absatz 2 des Gesetzes bedürfen die Verträge der Genehmigung der Kantonsregierung, die nach der Praxis Gültigkeitserfordernis ist. Die Kantonsregierung hat zu prüfen, ob die vereinbarten Taxen und die sonstigen Vertragsbestimmungen mit dem Gesetz und der Billigkeit in Einklang stehen, d.h. insbesondere, ob die Taxen im Eahmen des kantonalen Tarifes liegen. Gegen den Entscheid der Kantonsregierung kann binnen 30 Tagen Beschwerde an den Bundesrat ergriffen werden.

Für den Fall sodann, dass kein Vertrag zwischen Arzt und Krankenkasse besteht (vertragsloser Zustand), bildet der von der Kantonsregierung erlassene Tarif den Eahmen, innerhalb welchem der Arzt, der einen Versicherten als solchen behandelt, Rechnung zu stellen hat.

Gemäss Artikel 23, Absatz l sind für die Mitglieder einer und derselben Kasse die gleichen Taxen zu berechnen. Artikel 23, Absatz 2 sodann bestimmt, dass die Kassen nicht gehalten sind, ungerechtfertigte Behandlungskosten oder Arzneien, die nicht von einem zur Behandlung befugten Arzt verordnet wurden, zu bezahlen.

Über die Frage, ob die Honorarforderung des Arztes, der einen Versicherten als solchen behandelt, gegenüber diesem oder der Kasse bestehe, enthält das Gesetz keine ausdrückliche Bestimmung.

2. Zur Zeit sind die Beziehungen zwischen Ärzten und Kassen im allgemeinen durch Verträge geregelt.

a. In den meisten dieser Verträge ist für die Honorierung der ärztlichen Leistungen ein Fixtarif vereinbart, dessen Taxen im Rahmen des betreffenden kantonalen Tarifs liegen.

b. In den Kantonen Bern, Zürich, Solothurn, Neuenburg, Waadt und Genf bestehen jedoch Verträge, in denen die Taxen für die ärztlichen Leistungen nach den Einkommensverhältnissen der Versicherten abgestuft sind. Zumeist sind zwei Gruppen vorgesehen. Einzig im Kanton Bern sowie in den Städten Zürich und Winterthur wird noch eine dritte Gruppe ausgeschieden. Die meisten Verträge enthalten als Kriterium der Gruppeneinteilung Jahresbeträge des steuerpflichtigen Einkommens aus Erwerb und Vermögen, die in der Regel nach Zivilstand und Unterstützungspflichten abgestuft sind. Die Verträge mit Stufentarifen umfassen rund 50 Prozent aller Versicherten
und bestehen zum Teil schon sehr lange, z. B. im Kanton Bern seit 1934 und im Kanton Zürich seit 1949.

Zur Frage, ob Verträge mit Stufentarifen mit Artikel 23, Absatz l KUVG vereinbar seien, liegt bis jetzt kein Entscheid des Bundesrates vor. Zur Zeit sind allerdings 23 Beschwerden beim Bundesrat hängig, in denen die Aufhebung des im Jahre 1961 im Kanton Bern zwischen Kassen und Ärzten neu abgeschlossenen Vertrages mit abgestuftem Tarif verlangt wird. Zur Begründung wird geltend gemacht, dass solche Verträge gegen Artikel 23, Absatz l KUVG verstossen.

1269 In einem vom Bundesamt für Sozialversicherung im Jahre 1950 eingeholten Rechtsgutachten kam Professor H. Huber (Bern) zum Schluss, dass ein vertraglicher Staffeltarif für die Mitglieder ein und derselben Kasse offensichtlich gegen Artikel 28, Absatz l KUVG verstosse, und zwar auch dann, wenn verschiedene Prämiensätze für die verschiedenen Einkommenskategorien gelten.

Zum gleichen Schluss kam grundsätzlich auch Professor H. Nef (Zürich) in einem Gutachten, das er im Jahre 1958 der Verbindung der Schweizer Ärzte erstattete. Dabei vertrat er die Auffassung, dass es sich verantworten liesse, eine damals beim Bundesrat hängige Beschwerde gegen den Berner Vertrag abzuweisen, wenn der Bundesrat gleichzeitig dem Gesetzgeber beantrage, Artikel 23, Absatz l KUVG unverzüglich zu revidieren. Die dannzumal in Frage stehende Beschwerde wurde später zurückgezogen.

Die hinsichtlich der Auslegung von Artikel 23, Absatz l bestehenden Meinungsverschiedenheiten und die gegen den neuen Berner Vertrag, dessen Genehmigung durch die Kantonsregierung am 12.August 1961 veröffentlicht wurde, eingereichten Beschwerden haben die Kommission des Ständerates in ihrer ersten Sitzung vom 17. August 1961 bewogen, das Arztrecht in die Bevision der Krankenversicherung einzubeziehen. Im Hinblick darauf haben wir den Entscheid über die erwähnten Beschwerden ausgestellt.

c. In den Verträgen in den Kantonen Bern und Neuenburg wird im Gegensatz zu den Verträgen mit Stufentarifen in den andern Kantonen eine Gruppe von sehr gut situierten Versicherten ausgeschieden, der gegenüber der Arzt an keinen Tarif gebunden ist. Die Kasse gewährt diesen Versicherten Rückerstattungen an die Arztrechnungen in der Höhe ihrer Leistungen für die übrigen Versicherten.

3. Können sich Ärzte und Kassen auf einen Vertrag einigen, so ist die Durchführung der Krankenversicherung in einem entscheidenden Punkt gesichert.

Anders verhält es sich im vertragslosen Zustand. Dieser braucht zwar nicht gezwungenermassen zu Schwierigkeiten zu führen. Es kommt vor, dass die Ärzte im vertragslosen Zustand den Kassen im Rahmen des kantonalen Rahmentarifes Rechnung stellen und dass die Kassen ihre Leistungen stillschweigend auf Grund dieses Tarifes erbringen, wobei die Ärzte einen, z.B. auf Grund von Richtlinien der kantonalen Ärztegesellschaft festgelegten Fixtarif
anwenden.

Dagegen entstehen Schwierigkeiten, wenn die Ärzte dazu übergehen, die Kassenmitglieder als Privatpatienten zu behandeln in der Meinung, dass sie damit nicht mehr an den regierungsrätlichen Rahmentarif gebunden seien, und es Sache des Mitgliedes sei, sich mit der Kasse darüber auseinanderzusetzen, was diese an die Behandlung bezahle. In der Regel geben die Ärzte bzw. ihre Organisation in einem solchen Fall die Erklärung ab, dass die Honorare nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Versicherten festgesetzt würden, so dass der kantonale Rahmentarif wenigstens für die Wenigbemittelten de facto weiterhin zur Anwendung komme.

In einer Beschwerde gegen ein Urteil eines kantonalen Schiedsgerichtes gemäss Artikel 25 KUVG, das auf Grund von Artikel 125, Absatz l, Buchstabe b

1270 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege an den Bundesrat weitergezogen wurde, hat dieser im Jahre 1951 entschieden,- dass der Arzt auch im vertragslosen Zustand bei der Eechnungsstellung an die Tarife gemäss Artikel 22 KUVG gebunden sei, sofern sich das Kassenmitglied als solches zu erkennen gebe. Dem Versicherten stehe es jedoch frei, mit dem Arzt Privatbehandlung zu vereinbaren, aber unter ausdrücklichem Verzicht auf seine Eechte als Kassenmitglied, da - was auch in der Literatur unbestritten ist - die Kassen nicht gehalten seien, Kosten von Behandlungen zu übernehmen, die nicht nach den Bestimmungen des KUVG durchgeführt werden (vgl. Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1951, Nr. 118, S. 176 ff.).

Gemäss diesem Entscheid wäre somit eine Aktion, wonach alle Ärzte des Kantons Kassenmitglieder nur noch als Privatpatienten behandeln, als gesetzwidrig zu betrachten, weil sich in einem solchen Fall die Frage, ob das Kassenmitglied auf seine Rechte gegenüber der Kasse verzichten wolle, gar nicht mehr stellen kann, da das Mitglied gezwungen ist, die Privatbehandlung hinzunehmen, weil keine (oder nicht genügend) andere Ärzte zur Verfügung stehen. Dieser Entscheid konnte allerdings bis jetzt -geschlossene Aktionen von Ärzten, bei denen die Kassenmitglieder nur als Privatpatienten behandelt werden, nicht völlig verhindern.

4. In den Verträgen zwischen Ärzten und Kassen wird vielfach vereinbart, dass die Kasse dem Arzt das Honorar schulde (System des tiers payant). Im neuenburgischen Vertrag wird bestimmt, dass die Forderung des Arztes gegenüber dem Mitglied bestehe (System des tiers garant). In den übrigen Verträgen mit Stufentarif wird zum Teil bestimmt, dass die Forderung des Arztes für die Behandlung der wenigbemittelten Versicherten gegenüber der Kasse, für die übrigen Versicherten gegenüber dem Kassenmitglied bestehe.

Was den vertragslosen Zustand betrifft, so hat der Bundesrat im Jahre 1941 in Bestätigung eines Urteils eines kantonalen Schiedsgerichtes entschieden, dass der Arzt für die Behandlung eines Kassenmitgliedes, das sich als solches zu erkennen gegeben hat, eine Forderung gegenüber der Kasse hat und zwar, solange diese leistungsfähig ist, nur dieser gegenüber (vgl. Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1941 Nr. 111, S. 193 ff.). Er ging dabei davon aus,
dass es sich bei der Pflicht der Kassen, ärztliche Behandlung und Arznei zu gewähren, um eine Naturalleistung handle, d.h. dass die Kasse verpflichtet sei, dem Mitglied den Arzt zur Verfügung zu stellen, woraus sich ihre Zahlungspflicht gegenüber dem Arzt und dessen Forderungsrecht ihr gegenüber ergebe. Eine Aktion, in welcher die Ärzte die Kassenmitglieder nur als Privatpatienten behandeln, verstösst auch gegen diesen Entscheid.

B. Die Neuregelung I. Verträge und vertragsloser Zustand 1. Wie in der Einleitung ausgeführt wurde, geht das Hauptanliegen der Ärzte auf eine Eevision von Artikel 23, Absatz l KUVG, wodurch die Möglich-

1271 keit zum Abschluss von Verträgen mit abgestuften Taxen für die ärztlichen Leistungen ausdrücklich im Gesetz vorgesehen wird, während die Krankenkassen vor allem eine Verbesserung der Regelung des vertragslosen Zustandes anstreben. Die in der Einleitung erwähnte Einigung war nur unter der Voraussetzung möglich, dass beide Punkte in die Eevision einbezogen werden. Eine Revisionsvorlage, welche einen der beiden Punkte ausschlösse, würde auf den entschiedenen Widerstand der betroffenen Partei stossen. Aber auch die Versicherten haben das grösste Interesse daran, dass die Krankenversicherung wirksam durchgeführt werden kann ohne Rücksicht darauf, ob sich Ärzte und Kassen auf Verträge einigen oder nicht. Wir schliessen uns deshalb der Auffassung an, dass sich die neue Regelung sowohl auf die Verträge als auch auf den vertragslosen Zustand beziehn muss.

2. Die Parteien waren sich von Anfang an einig darüber, dass die Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen im Prinzip durch Verträge zu regeln seien und der vertragslose Zustand die Ausnahme sein solle. Sie stimmten auch darin überein, dass der vertragslose Zustand nicht so geregelt werden dürfe, dass das Interesse am Vertrag vermindert wird oder verloren geht, und dass insbesondere die Regelung so zu treffen sei, dass im vertragslosen Zustande beide Parteien in gleicher Weise am Abschluss eines neuen Vertrages interessiert sind.

Es läge in der Tat weder im Interesse der Parteien noch in jenem der Versicherten, wenn das Verhältnis zwischen den ersteren durch das Gesetz in eine zu feste Form gekleidet würde. Die Regelung dieser Beziehungen ist vielmehr soweit als möglich den Beteiligten zu überlassen, da diese die oft recht unterschiedlichen Verhältnisse am besten kennen und auch am ehesten beurteilen können, wann eine Änderung der bestehenden Regelung nötig ist. Wir vertreten deshalb mit den Parteien die Auffassung, dass gerade die Entschädigungen für die ärztlichen Leistungen und die damit zusammenhängenden Fragen in erster Linie durch Verträge zu regeln sind und dass der vertragslose Zustand grundsätzlich so zu ordnen ist, dass der Abschluss von Verträgen gefördert, auf alle Fälle aber nicht gehemmt wird. Diese Vertragsfreiheit muss jedoch ihre Schranken am Interesse des Versicherten finden, den zu schützen ja Aufgabe der Krankenversicherung ist.
Um das Ziel des Abschlusses von Verträgen zu erreichen, soll der vertragslose Zustand im Gesetz nicht abschliessend geordnet werden, sondern die Regelung bestimmter Fragen den Kantonen, bzw. den Kantonsregierungen überlassen werden. Es darf erwartet werden, dass die auf diese Weise bestehende Unsicherheit über die Gestaltung eines vertragslosen Zustandes die Parteien veranlassen wird, die Entwicklung in der Hand zu behalten und deshalb, wenn immer möglich, auf den Abschluss von Verträgen zu dringen. Ausserdem darf zur Stärkung des Vertragswillens nicht davor zurückgeschreckt werden, beiden Parteien - soweit dies ohne Benachteiligung der Versicherten geschehen kann im vertragslosen Zustand gewisse Nachteile zuzumuten, die nur durch Verträge behoben werden können.

1272 Die Neuregelung des Arztrechts, die wir mit dieser Botschaft dem Parlament unterbreiten, ist namentlich auch unter diesen Gesichtspunkten zu betrachten. Sie strebt, wie dies vom Ständerat gewünscht wurde, einen Ausgleich zwischen den Begehren der Ärzte und jenen der Krankenkassen an unter Wahrung der Interessen der Versicherten.

3. Bei der gegenwärtigen Diskussion um die Neuordnung des Arztrechts in der Krankenversicherung stehen sowohl hinsichtlich der Verträge als auch des vertragslosen Zustandes zwei Fragen im Vordergrund, nämlich die Frage der Tarife für die ärztlichen Leistungen und die Frage des Horiorarschuldners. Im Zusammenhang damit stellt sich ferner die Frage, ob die Zuständigkeit der kantonalen Schiedsgerichte gemäss Artikel 25 KUVG auszudehnen und Artikel 40 des Gesetzes durch weitere Strafbestimmungen zu ergänzen sei. Da in der vorliegenden Gesetzesrevision nur das Arztrecht der Krankenversicherung neu geregelt werden soll, Artikel 22 und 28 jedoch gemäss Artikel 73, Absatz l auch auf die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt Anwendung finden, muss die bisher geltende Ordnung des Arztrechtes für die Unfallversicherung in den Zweiten Titel des Gesetzes aufgenommen werden. Ferner wird von den Krankenkassen auch die Revision von Artikel 23, Absatz 2, der die ungerechtfertigten Kosten betrifft, beantragt, so dass auch hierüber zu entscheiden ist. Schliesslich ist noch eine Bestimmung über die Schweigepflicht aufzunehmen.

Im folgenden wird zunächst die Frage der Tarife (Ziffer II) und dann jene des Honorarschuldners (Ziffer III) behandelt. Anschliessend wird zu den übrigen Bestimmungen Stellung genommen (Ziffer IV).

II. Die Frage der Tarife 1. Die R e g e l u n g d u r c h V e r t r ä g e a. Im Abschnitt A, l, hievor wurde ausgeführt, dass die heute von den Kantonsregierungen zu erlassenden Tarife den Rahmen enthalten, in welchem in den Verträgen zwischen Ärzten und Kassen die Taxen für die ärztlichen Leistungen festzusetzen sind. Von den Ärzten wurde darauf hingewiesen, dass sie durch diese Regelung unter gewissen Umständen benachteiligt seien. Werde ein Vertragstarif vereinbart, der praktisch mit dem oberen Rahmen des kantonalen Tarifes identisch sei, so trete bei einer Kündigung des Vertragstarifes zunächst lediglich der im wesentlichen gleiche obere Rahmen des kantonalen
Tarifes in Kraft. Eine durch die Verhältnisse noch so gerechtfertigte Erhöhung der Taxen könne damit von den Ärzten erst nach einer entsprechenden Erhöhung des oberen Rahmens des kantonalen Tarifes erreicht werden, was, wenn die Regierung dazu auch bereit sei, meistens längere Zeit in Anspruch nehme, da nach dem Gesetz dabei auch die Kassen angehört werden müssten. Die Ärzte schlagen deshalb eine Regelung vor, bei welcher für die Verträge keinerlei Bindung durch einen kantonalen Rahmentarif besteht und der obere Rahmen des kantonalen Tarifes, der im vertragslosen Zustand gilt, durch einen Zuschlag zum jeweils geltenden Vertragstarif gebildet wird. Die Kassen stimmen dem zu unter der

1273 Voraussetzung, dass der untere Eahmen analog, d.h. unter dem jeweiligen Vertragstarif festgesetzt wird. Wir kommen im einzelnen unter Ziffer 2 b hienach darauf zurück.

Dieses System hat zur Folge, dass nicht mehr die kantonalen Eahmentarife, sondern die Vertragstarife die Grundlage der Taxordnung bilden. Die Eahmentarife werden nur noch für den Fall des vertragslosen Zustandes festgesetzt und gelten auch nur noch für diesen. Im Verhältnis zum geltenden Eecht wird dadurch nicht nur die Vertragsfreiheit der Parteien wesentlich erweitert, sondern ihnen auch die Möglichkeit gegeben, durch die Verträge indirekt auf die Höhe der Taxen in einem allfälligen vertragslosen Zustand einen entscheidenden Einfluss auszuüben.

Auch wir pflichten dieser Lösung im Sinne einer freiheitlichen Eegelung bei.

Dies kann um so eher verantwortet werden, weil - wie später auszuführen sein wird - die Vertragstarife der Genehmigung der Kantonsregierung unterstellt werden sollen, so dass diese in der Lage ist, nötigenfalls Unbilligkeiten zu verhindern und insbesondere die Interessen der Versicherten zu wahren.

b. Es wurde bereits im Abschnitt A, 2, c, darauf hingewiesen, dass in einzelnen Kantonen Verträge bestehen, bei welchen der Arzt gegenüber Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen an keinen Tarif gebunden ist. Die Parteien haben sich nun darauf geeinigt, dass durch die vorliegende Eevision des Arztrechtes solche Lösungen im Gesetz ausdrücklich vorzusehen seien und dass die Eegelung des vertragslosen Zustandes - was bei Ziffer 2 hiernach näher auszuführen sein wird - sich nicht auf diese Personen erstrecken solle. Die Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen sind danach von der vertraglichen Taxordnung ausgeschlossen, sofern in den Verträgen nichts anderes vereinbart ist. Die Festsetzung des Kreises dieser Personen kann allerdings nicht den Parteien überlassen werden, sondern muss der Kantonsregierung übertragen werden, da hier die Interessen der Versicherten und unter Umständen auch öffentliche Interessen mit Bezug auf die Krankenversicherungsobligatorien berührt werden. Die Zustimmung der Kassen erfolgte allerdings nicht ohne grosse Bedenken, da jede Einteilung der Versicherten in Gruppen, insbesondere jede gesetzliche, d.h. nicht auf Vertrag beruhende Einteilung von weiten
Kreisen der Bevölkerung abgelehnt werde.

Auch der seinerzeit von der Kommission des Ständerates für die Vorberatung der Ee visions vorläge gemachte Vorschlag ging in dieser Eichtung. Dieser Lösung kann beigepflichtet werden, da einerseits keine soziale Notwendigkeit besteht, Personen in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen in die Taxordnung einzubeziehen, und anderseits damit einem alten Postulat der Ärzte ohne sozialpolitische Bedenken entsprochen werden kann. Im Gesetz ist aber zu bestimmen, welche Leistungen die Kasse an die Kosten solcher Behandlungen zu erbringen hat.

Wir beantragen deshalb, es den Parteien zu überlassen, in den Verträgen die Personen in sehr guten wirtchaftlichen Verhältnissen in die Taxordnung einzuBundesblatt. 114. Jahrg. Bd. II.

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1274 beziehen oder nicht, und ferner die Kantonsregierungen mit der Umschreibung des Kreises dieser Versicherten zu beauftragen.

c. Die Parteien haben sich auch darin geeinigt, dass die Taxen für die Behandlung der Versicherten, die gemäss den vorhergehenden Ausführungen unter die Taxordnung fallen müssen, in den Verträgen in zwei Gruppen sollen abgestuft werden können. Die Kassen äusserten dagegen allerdings auch hier die bereits bei Buchstabe b hievor dargestellten Bedenken. Diese Regelung hat die Bedeutung, dass ein Tarif für die wenig bemittelten Versicherten geschaffen werden kann sowie einer für Bessersituierte, die aber nicht' zu den Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen im Sinne von Buchstabe b hievor gehören.

Da solche Verträge in einzelnen Kantonen seit längerer Zeit in Kraft sind und sich während dieser Zeit als durchführbar erwiesen haben, bestellt keine Veranlassung, dieser Lösung nicht zuzustimmen. Daneben soll es den Parteien freistehen, für die in Frage kommenden Versichertengruppen einen Rahmentarif oder aber einen Fixtarif vorzusehen. Auch die yorberatende ständerätliche Kommission hatte eine entsprechende Lösung vorgeschlagen. Damit soll das Begehren der Ärzte erfüllt werden, das für sie Anlass bot, den Einbezug von Artikel 23, Absatz l im Sinne der Streichung in die gegenwärtige Revision des KUVG mit allem Nachdruck zu verlangen.

Wir stellen somit den Antrag, .es seien die Parteien zu ermächtigen, in den Verträgen die Taxen für die Behandlung von Versicherten, die sich nicht in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen befinden, in zwei Gruppen abzustufen.

d. Die ordnungsgemässe Durchführung der Krankenversicherung setzt voraus, dass nach der Kündigung eines Vertrages genügend Zeit für neue Vertragsverhandlungen oder für die Vorbereitung des vertragslosen Zustandes bleibt.

Im Hinblick darauf hatte schon .die vorberatende Kommission des Ständerates eine mindestens einjährige Kündigungsfrist für die Verträge vorgeschlagen. Wir erachten diese Frist als angemessen und haben sie in unsere Regelung übernommen.

e. Nach dem geltenden Recht bedürfen die Verträge zwischen Ärzten und Kassen, wie in Abschnitt A, l ausgeführt wurde, der Genehmigung der Kantonsregierungen, welche zu prüfen haben, ob die vereinbarten Taxen und die sonstigen Vertragsbestimmungen mit
dem Gesetz und der Billigkeit in Einklang stehen. Diese Bestimmung soll in der neuen Regelung beibehalten werden. Da nicht nur die Taxen für die ärztlichen Leistungen, sondern alle Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen Gegenstand der Verträge sein können, ist es möglich, dass diese in mannigfacher Beziehung gegen das Gesetz verstossen und unter Umständen sogar die Rechte der Versicherten beeinträchtigen. Ihre Überprüfung auf Gesetzmässigkeit ist deshalb notwendig. Die Prüfung auf Unbilligkeit betrifft insbesondere die Taxen und die damit zusammenhängenden Vertragsbestimmungen. Sie ist nicht nur im Interesse der Versicherten nötig, sondern soll verhindern, dass allenfalls von einer Partei unter dem Druck der anderen ungerechtfertigte Zugeständnisse gemacht werden müssen.

1275 Wie nach geltendem Eecht soll der Genehmigungsentscheid der Kantonsregierung an den Bundesrat weitergezogen werden können. Die Beschwerde soll jedoch nicht nur, wie bisher, wegen Gesetzesverletzung, sondern auch wegen Uri-' angemessenheit erhoben werden können. Wir sind der Auffassung, dass der Weiterzug wegen Unangemessenheit im Interesse aller Beteiligten liegt, da der Bundesrat in der Lage sein wird, den angefochtenen Vertrag durch Vergleich mit Verträgen in anderen Kantonen mit ähnlichen Verhältnissen auf einer breiteren Basis zu beurteilen.

/. Weitere als die in den vorhergehenden Abschnitten erwähnten Bestim-' mungen scheinen uns hinsichtlich der Verträge im Gesetz nicht nötig zu sein, da damit alle Fragen von allgemeiner Bedeutung dem Grundsatz nach beantwortet sind.

2. Die Regelung im vertragslosen Z u s t a n d Im vertragslosen Zustand stellt sich in erster Linie die Frage, ob und inwieweit einerseits die Ärzte durch das Gesetz zu verpflichten sind, sich bei der Rechnungstellung für die Behandlung von Versicherten an gewisse Tarife zu halten, und anderseits die Kassen gehalten sein sollen, ihre Leistungen nach diesen Tarifen zu bemessen.

a. Wenn es den Kassen und Ärzten freisteht, in den Verträgen von der Festsetzung von Taxen für die Behandlung der Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen abzusehen, so sind konsequenterweise diese Personen auch bei der Regelung der Tarife für den vertragslosen Zustand auszunehmen.

Hierüber sind sich die Parteien im wesentlichen einig. So wenig eine sozialpolitische Notwendigkeit besteht, die Parteien zu verpflichten, in den Verträgen auch Taxen für die Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen vorzusehen, so wenig besteht eine solche für den Einbezug dieser Versicherten in die Tarifregelungen des vertragslosen Zustandes. Mit den Parteien und der vorberatenden Kommission des Ständerates, die ebenfalls den gleichen Vorschlag gemacht hat, beantragen wir deshalb, im vertragslosen Zustand keine Tarifregelung für Versicherte in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen vorzusehen.

Dagegen muss, wie bei den Verträgen (vgl. Ziffer II, l, V), auch hier im Gesetz bestimmt werden, welche Leistungen die Kasse an die Kosten solcher Behandlungen zu erbringen hat.

b. Es war von Seiten der Ärzte unbestritten, dass die von den
Kantonsregierungen auf Grund der Vertragstarife aufgestellten Rahmentarife, die wir unter Ziffer II, l, a dargestellt haben, im vertragslosen Zustand für die Behandlung der Kassenmitglieder, die nicht zum Kreis der Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen gehören (Buchstabe a hievor), für den Arzt grundsätzlich verbindlich sein sollen. Dabei schlugen sie vor, dass bei der Anwendung dieser Rahmentarife die wirtschaftlichen Verhältnisse der Versicherten zu berücksichtigen seien. Demgegenüber machen die Kassen geltend, dass eine solche Regelung höchstens in Frage kommen könne, wenn der Rahmen Verhältnismassig eng gezogen werde. Bei einem weiten Rahmen und bei Rechnungstellung

1276 der Ärzte gemäss den wirtschaftlichen Verhältnissen der Versicherten sei die Kostenentwicklung völlig ungewiss und damit eine zuverlässige Berechnung der Mitgliederbeiträge, die die Grundlage für die finanzielle Sicherheit der Kasse bilde, unmöglich. Auch bedeute eine solche Eegelung nichts anderes als eine gleitende Einteilung der Versicherten in Tarifstufen, so dass die Ärzte zum mindesten bei einem weiten Rahmen kein Interesse mehr hätten, Verträge abzuschliessen, in denen lediglich zwei Tarif stuf en vorgesehen werden könnten (vgl.

Ziffer I, l, c hievor), da sie damit nur noch Beschränkungen auf sich nehmen müssten, aber keine Vorteile erzielen könnten. Die Festsetzung des Rahmens könne deshalb auf alle Fälle nicht mehr, wie bisher, vollständig den Kantonsregierungen überlassen werden, sondern es müsse im Gesetz bestimmt werden, wie weit der Rahmen allenfalls gezogen werden könne, wobei diese Marge allerhöchstens 25 Prozent betragen dürfe.

In teilweiser Anerkennung dieser Begründung schlugen die Ärzte vor, zwar die Festsetzung des Rahmens den Kantonsregierungen zu überlassen und im Gesetz keine Begrenzung vorzusehen, weil nur auf diese Weise den unterschiedlichen Verhältnissen in den Kantonen Rechnung getragen werden könne, die Kantonsregierungen aber gleichzeitig zu verpflichten, im vertragslosen Zustand im Rahmen des kantonalen Tarifes einen Rückerstattungstarif festzulegen. Danach wären die Ärzte zwar berechtigt gewesen, im Rahmen des kantonalen Tarifes Rechnung zu stellen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Versicherten, die Kassen jedoch nur verpflichtet, an diese Rechnungen Leistungen bis zur Höhe des Rückerstattungstarifes zu erbringen. Von den Kassen wurde diese Lösung aber mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass dadurch wohl den minderbemittelten Versicherten ein gewisser Schutz gewährt werde> dass die Krankenversicherung aber für die übrigen Versicherten, auf welche die Tarifordnung Anwendung finde, und die, wenigstens in schweren Fällen, auch auf deren Leistungen angewiesen seien, entwertet werde; denn diese Versicherten hätten dann neben dem im Gesetz vorgesehenen Selbstbehalt auch noch den den Rückerstattungstarif übersteigenden Teil der Arztrechnung zu tragen.

An den in der Einleitung erwähnten Einigungsverhandlungen am 18. Oktober 1962 stimmten
die Parteien folgender Lösung zu: aa. Wird ein Tarifvertrag genehmigt, so setzt die Kantonsregierung für den Fall des vertragslosen Zustandes einen Tarifrahmen fest, dessen Mindesttaxen unter und dessen Höchsttaxen über den Taxen dieses Vertrages liegen. Auf diese Weise bildet der jeweilige Vertragstarif die Grundlage für den bei Eintritt des vertragslosen Zustandes zur Anwendung kommenden Rahmen. Bestehen in einem Kanton mehrere Verträge zwischen Ärzten und Kassen, wie dies jetzt schon oft der Fall ist, da einzelne Kassen höhere Taxen vergüten als andere, so entsteht gemäss diesem System für jeden dieser Verträge ein besonderer Rahmen für den Fall des vertragslosen Zustandes. Wird zwischen den Parteien ein Stufentarif vereinbart, bestehen also zwei Tarif stuf en (vgl. Ziffer l, c hievor), so wird für jede Stufe auf Grund der betreffenden Taxen ein Rahmen gebildet, so

1277 dass im vertragslosen Zustand die Abstufung der Taxen zunächst weitergeführt wird. In das Gesetz soll keine Höchstmarge für den oder die Tarifrahmen aufgenommen werden, sondern die Kantonsregierungen sollen den Umfang des Eahmens frei festsetzen und damit die jeweiligen Verhältnisse berücksichtigen können.

Auf der andern Seite wurde das Prinzip, dass der Arzt innerhalb des anwendbaren Tarifrahmens unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Versicherten Eechnung zu stellen habe, durch den Grundsatz ersetzt, dass er das Honorar in diesem Eahmen gemäss der Schwierigkeit der ärztlichen Leistungen festzusetzen habe. Die Ärzte haben allerdings sowohl in den Einigungsverhandlungen vom 18. Oktober 1962 als insbesondere auch in den Beratungen der Eedaktionskommission gegen diese Lösung Bedenken geäussert und darauf hingewiesen, dass die Eechnungsstellung gemäss der Schwierigkeit der ärztlichen Leistung für sich allein dem Arzt an sich keinen Spielraum offenlasse, um das Honorar allfällig veränderten wirtschaftlichen Umständen anpassen zu können. Sie hätten es deshalb für richtiger gehalten, wenn für die Anwendung der Eahmentarife beide Prinzipien, also sowohl dasjenige der Eechnungstellung gemäss der Schwierigkeit der ärztlichen Leistung als auch dasjenige der Eechnungstellung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Versicherten, vorgesehen worden wären.

Angesichts dieser Sachlage ist festzustellen, dass bezüglich der im vertragslosen Zustand anwendbaren Tarife zwar eine Einigung erzielt werden konnte, dass beide Parteien aber ihre Zustimmung nur mit gewissen Bedenken gegeben haben. Wir sind der Auffassung, dass diese Einigung trotzdem vertretbar ist; denn wir halten sie für einen Ausgleich zwischen den Begehren der Parteien, der für beide Teile tragbar ist. Wenn im vertragslosen Zustand die Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen kraft Gesetz von jeder Tarifordnung ausgeschieden sind und die kantonalen Eahmentarife auf der Grundlage des betreffenden Vertragstarifes festgesetzt werden müssen, so ist damit dem Begehren der Ärzte auf Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse in einem Ausmass entsprochen worden, dass ihnen wohl zugemutet werden kann, auf eine individuelle Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Anwendung
der Eahmentarife zu verzichten und hier das Honorar nur nach dem Leistungsprinzip zu bemessen. Die Kassen können die mit Eahmentarifen verbundenen Nachteile in Kauf nehmen, wenn im Tarifrahmen selbst nicht mehr auf die wirtschaftlichen Verhältnisse abgestellt wird. Bei der Eechnungstellung gemäss dem Prinzip der Schwierigkeit der ärztlichen Leistung ergibt sich ein Leistungsdurchschnitt, der wenigstens so stabil ist, .dass auf Grund der jeweiligen Eechnungsabschlüsse mit ausreichender Sicherheit auf die zukünftige finanzielle Entwicklung geschlossen werden kann, womit die Kassen in der Lage sind, ihre Mitgliederbeiträge entsprechend festzusetzen.

bb. Die vorhin geschilderte Eegelung soll wenigstens während eines Jahres nach dem Wegfall des betreffenden Vertragstarifes gelten. Für den Fall, dass infolge stark veränderter Verhältnisse nicht mehr auf den früheren Vertrags-

1278 tarif abgestellt werden kann, sollen die Kantonsregierungen nach Ablauf dieses Jahres ermächtigt sein, nach Anhören der Parteien den Rahmen ohne Rücksicht auf den früheren Tarif neu festzusetzen. Waren die vereinbarten Taxen nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen abgestuft, bestehen also gestützt darauf zwei Rahmentarife, so sollen die Kantonsregiefungen zwar ebenfalls die neue Ordnung ohne Rücksicht auf die früheren Vertragstaxen ändern können, die Einteilung in zwei Rahmentarife jedoch nur aufrechterhalten dürfen, wenn beide Parteien damit einverstanden sind. Im anderen Fall soll anstelle des Stufentarifes ein für die beiden Stufen geltender einheitlicher Rahmentarif gesetzt werden, da sonst das einmal durch Vertrag begründete System von nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Versicherten abgestuften Tarifen nicht mehr aufgehoben werden könnte, wenn es den Verhältnissen nicht mehr entspricht. Alle diese Massnahmen für den vertragslosen Zustand fallen dahin, wenn ein neuer Vertrag abgeschlossen wird. Bei dessen Genehmigung setzt die Kantonsregierung erneut den Rahmentarif fest.

Die Parteien haben damit einer Lösung zugestimmt, die nicht nur eine Anpassung der im vertragslosen Zustand geltenden Rahmentarife an veränderte Verhältnisse ermöglicht, sondern zugleich für beide Teile eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Gestaltung und Entwicklung dieser Tarife schafft. Das ist erwünscht, weil erwartet werden darf, dass damit auf beiden Seiten der Wille zum Abschluss von Verträgen gefördert wird.

c. Es wäre denkbar, alle Ärzte, welche die kantonale Praxisbewilligung haben, zu verpflichten, Kassenpraxis zu betreiben, d. h. nach den unter Buchstabe b dargelegten Grundsätzen Rechnung zu stellen. Die ordnungsgemässe Durchführung der Krankenversicherung erfordert jedoch keine derartige Lösung. Es genügt, wenn -ausreichend Ärzte, worunter auch genügend Angehörige jeder Spezialität sein müssen, zur Behandlung der Versicherten als solchen zur Verfügung stehen. Man kann es allerdings kaum dem Arzt überlassen, einzelne Kassenmitglieder als Versicherte zu behandeln und anderò nicht, weil dadurch der Grundsatz, dass im vertragslosen Zustand die Tarife auf alle Versicherten Anwendung finden sollen, die sich nicht in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen befinden, leicht umgangen
werden könnte. Dagegen kann es dem Arzt freigestellt werden, auf die Kassenpraxis überhaupt zu verzichten, solange für diese genügend Ärzte zur Verfügung stehen. Die Parteien haben sich auf eine Lösung geeinigt, nach der es dem Arzt freisteht, auf die Kassonpraxis zu verzichten, sofern er dies einer von der Kantonsregierung zu bezeichnenden Stelle, z. B. dem Kantonsarzt, bekanntgibt und den Versicherten, der sich trotzdem bei ihm behandeln lassen will, bei Beginn der Behandlung ausdrücklich darauf aufmerksam, macht, dass ein Anspruch auf Kassenleistungen nicht besteht. Wir schliessen uns dieser Lösung an, weil sie das Verhältnis des Versicherten zum Arzt, von Anfang an klarstellt.

Diese Regelung kann natürlich dazu führen, dass nicht mehr genügend Ärzte für die Behandlung der Versicherten als solchen zur Verfügung stehen.

Um dies zu verhindern, muss die Kantonsregierung ermächtigt werden, nötigen-

1279 falls die Ärzte zu verpflichten, Kassenpraxis auszuüben. Da das Wahlrecht des Versicherten gemäss Artikel 15 KUVG auch Ärzte umfassen kann, deren Praxisräume sich ausserhalb des Kantonsgebiets befinden, und der Versicherte auf diese Ärzte, z. B. Spezialärzte, angewiesen sein kann, muss für diese Fälle der Bundesrat ermächtigt werden, entsprechende Anordnungen zu treffen; denn die Eegierung des Wohnkantons des Versicherten kann keine Verfügung gegenüber Ärzten in anderen Kantonen erlassen. Dabei soll es der Kantonsregierung bzw. dem Bundesrat offenstehen, Ärzte von dieser Verpflichtung auszunehmen, denen die Ausübung der Kassenpraxis nicht zugemutet werden kann, wie z. B.

Professoren, Spitalärzte oder Ärzte, die aus Gesundheits- oder Altersgründen nur noch in einem beschränkten Umfang praktizieren. Die Notwendigkeit einer solchen gesetzlichen Eegelung wird von den Ärzten nicht bestritten.

III. Die Frage des Honorarschuldners Eine der in den Verhandlungen zwischen Ärzten und Kassen am meisten umstrittenen Fragen war jene nach dem Honorarschuldner, d. h. die Frage, ob das Honorar für die Behandlung dem Arzt von der Kasse oder vom Versicherten geschuldet werde. Wird das Honorar von der Kasse geschuldet (sogenanntes System des tiers payant) und wird die Eechnung von ihr (ganz oder teilweise) bestritten, so muss der Arzt; wenn er auf der Eechnung beharrt, vor dem kantonalen Schiedsgericht für Streitigkeiten zwischen Ärzten und Kassen gemäss Artikel 25 gegen die Kasse klagen, so dass der Versicherte durch den Eechtsstreit nicht direkt betroffen wird. Anders verhält es sich, wenn der Versicherte Honorarschuldner ist (System des tiers garant). Hier steht der Versicherte zwischen Arzt und Kasse, was ihn in schwierige Situationen bringen kann, wenn der Arzt ihm z. B. nicht die nötigen Angaben für die Geltendmachung seiner Eechte gegenüber der Kasse macht oder die Kasse ihre Zahlungspflicht (ganz oder teilweise) bestreitet. Dieses System verlangt deshalb, dass zugunsten des Versicherten entsprechende Kautelen vorgesehen werden.

· l. Die Parteien sind sich einig darüber, dass in den Verträgen die Eegelung der Frage nach dem Honorarschuldner den Parteien überlassen werden kann, da dort auch beim System des tiers garant zugunsten des Versicherten die nötigen Kautelen vorgesehen werden können. Dies beweist
ein seit Jahren im Kanton Neuenburg bestehender Arztvertrag, nach welchem das Honorar dem · Arzt vom Versicherten geschuldet wird. Es besteht deshalb kein Grund, die Parteien zu verpflichten, in den Verträgen das System des tiers payant vorzusehen. Dieses System wird übrigens zur Zeit, mit Ausnahme des Vertrages im Kanton Neuenburg, in allen Verträgen (in Verträgen mit Stufentarif wenigstens für die untere Gruppe) angewendet. Die Eegelung im Kanton Neuenburg geht auf den Wunsch der Ärzte zurück, nach Möglichkeit direkte Beziehungen zwischen Arzt und Patient aufrechtzuerhalten.

2. Was den vertragslosen Zustand betrifft, so stellten sich die Ärzte auf den Standpunkt, dass ihnen als Angehörigen eines freien Berufes ohne entsprechende

1280 vertragliche Abmachungen eine Bindung an einen Dritten, d. h. hier die Krankenkassen, nur zugemutet werden könne, soweit dies sozialpolitisch notwendig sei. Sie erklärten sich deshalb bereit, für die wenig bemittelten Versicherten das System des tiers payant anzuerkennen, weil dies mit der wirtschaftlichen Situation dieser Versicherten gerechtfertigt werden könne. Bei den übrigen Versicherten, auf die die kantonalen Tarife Anwendung finden, sei es sozialpolitisch nicht nötig, dass die Kassen als Drittzahler eingeschaltet werden.

Demgegenüber forderten die Kassen mit Nachdruck auf der ganzen Linie das System des tiers payant. Zur Begründung führten sie an, dass die Beschränkung des tiers payant auf die wenig bemittelten Versicherten zur Folge habe, dass die unter Tarifschutz fallenden Versicherten von Gesetzes wegen in entsprechende Tarifgruppen eingeteilt werden müssten, so dass abweichende Verträge von den Kassen mit den Ärzten kaum mehr abgeschlossen werden könnten, auch wenn solche Verträge an sich als zulässig erklärt würden. Die Kassen wiesen in diesem Zusammenhang erneut auf die in weiten Kreisen der Bevölkerung bestehende Abneigung gegen jede Klasseneinteilung, insbesondere aber gegen jede Einteilung durch das Gesetz selbst hin. Ferner machten sie geltend, dass auch der besser situierte Versicherte nicht beurteilen könne, ob die Eechnung des Arztes tarifgemäss sei oder sonstwie wegen Verletzung anderer Gesetzesbestimmungen zu Beanstandungen Anlass gebe. Das System des tiers garant komme deshalb, wenn überhaupt, nur unter folgenden Voraussetzungen in Frage: Einmal müsse der Arzt verpflichtet werden, dem Versicherten alle Angaben für die Geltendmachung seines Anspruches gegenüber der Kasse zu machen. Sodann müsse diese das Eecht haben, den Versicherten auf dessen Verlangen vor Gericht zu vertreten, damit dieser nicht mit den Umtrieben belastet werde, die ein Prozess mit sich bringt. Ferner müsse sie bei Verletzung des Gesetzes oder der gestützt darauf ergangenen Erlasse auch zur selbständigen Prozessführung ermächtigt sein, da die Versicherten sich oft nicht getrauten, gegen den Arzt vorzugehen, weil sie von ihm abhängig seien oder sich von ihm doch abhängig fühlten.

In dieser Situation schlug das Eidgenössische Departement des Innern vor, es sei im vertragslosen Zustand in der
obligatorischen Versicherung das System des tiers payant, in der freiwilligen dasjenige des tiers garant, versehen mit den nötigen Kautelen, vorzusehen. In den Einigungsverhandlungen vom 18. Oktober 1962 wurde dieser Vorschlag von den Parteien angenommen. Wir schliessen uns diesem Vorschlag im Sinne eines Kompromisses an.. In der obligatorischen Versicherung drängt sich das System des tiers payant auf, weil dort der Verpflichtung des Versicherten, Beiträge an die Versicherung zu zahlen, die Garantie gegenüberstehen muss, dass deren Leistungen ausgerichtet werden, ohne dass der Versicherte von allfälligen Meinungsverschiedenheiten zwischen Kasse und Arzt betroffen wird. Es lässt sich auch insofern vertreten, als mit wenig Ausnahmen die bestehenden kantonalen und kommunalen Krankenversicherungsobligatorien auf Personen in bescheidenen Einkommensund Vermögensverhältnissen, oft sogar nur auf die eigentlich Minderbemittelten,

1281 beschränkt sind und auch die Ärzte, wie eingangs erwähnt, für solche Versicherte das System des tiers payant anerkannt haben. In der freiwilligen Versicherung kann das System des tiers garant hingenommen werden, wenn der Versicherte durch die von den Krankenkassen verlangten Kautelen geschützt wird.

IV. Verschiedene Bestimmungen 1. Im Zuge der Beratungen über das Arztrecht wurde von den Kassen beantragt, auch Artikel 23, Absatz 2 in die Eevision einzubeziehen. Gemäss dieser Bestimmung sind diese nicht gehalten, ungerechtfertigte Behandlungskosten zu bezahlen. Von den Kassen wurde darauf hingewiesen, dass in der Praxis Unsicherheit darüber bestehe, ob es sich dabei nur um Kosten handle, die medizinisch, oder auch um solche, die wirtschaftlich ungerechtfertigt seien. Sie schlugen vor, anstelle des gestrichenen Artikels 23, Absatz l eine Bestimmung über die Wirtschaftlichkeit der Behandlung aufzunehmen und die Kassen zu ermächtigen, Leistungen, die im Sinne dieser Bestimmung nicht gerechtfertigt seien, abzulehnen. Das lasse sich schon dadurch rechtfertigen, weil eine ähnliche Bestimmung in den meisten Arztverträgen enthalten sei. Die Ärzte machten dagegen keine Opposition. Wir stimmen der Aufnahme der 'beantragten Bestimmung in das Gesetz zu, wobei wir der Auffassung sind, dass diese auch auf die Apotheker, Hebammen, medizinischen Hilfspersonen, Laboratorien und Heilanstalten auszudehnen ist, da die Verhältnisse dort gleich liegen. Es handelt sich bei dieser Bestimmung um nichts grundsätzlich Neues, sondern um eine Klarstellung.

2. Die Krankenkassen haben der Einführung des gesetzlichen tiers garant für die freiwillig Versicherten nur unter der Voraussetzung zugestimmt, dass bei Streitigkeiten auch in diesen Fällen das kantonale Schiedsgericht gemäss Artikel 25 des Gesetzesentwurfes vom S.Juni 1961 als zuständig erklärt werde, damit nicht verschiedene Instanzen die gleiche Bechtsmaterie anzuwenden hätten, was zu Verschiedenheiten in der Auslegung führen könne. Das Becht zur selbständigen Prozessführung müsse ausserdem den Kassen auch dann zustehen, wenn die Bechnung des Arztes vom Versicherten als Honorarschuldner bereits bezahlt sei, da ihr Prozessführungsrecht sonst illusorisch werde. Diese Begehren der Kassen haben ihre Berechtigung. Es liegt tatsächlich im Interesse der Einheitlichkeit der
Bechtspflege in der Krankenversicherung, wenn alle Honorarstreitigkeiten vom kantonalen Schiedsgericht entschieden werden.

Was das selbständige Prozessführungsrecht der Kassen bei Honorarrechnungen des Arztes, die der Versicherte schon bezahlt hat, betrifft, so dürfte der Versicherte oft nicht in der Lage sein, zu beurteilen, ob eine Behandlung wirtschaftlich und damit auch deren Bezahlung gerechtfertigt war. Es kann sich unter Umständen erst nachträglich bei einer sachkundigen Prüfung durch die Kasse anhand der ihr zur Festsetzung der Leistungen eingereichten Unterlagen herausstellen, dass eine unwirtschaftliche Behandlung erfolgte oder verbindliche Tarife nicht eingehalten wurden. Die Kasse könnte alsdann ihre Leistungen ent-

1282 sprechend herabsetzen, womit aber der Versicherte für die Differenz aufzukommen hätte. Um ihn davor zu schützen, soll eben die Kasse auch dann Klage beim Schiedsgericht einreichen können, wenn die Rechnung des Arztes vom Versicherten bereits bezahlt ist. Artikel 25 soll deshalb entsprechend ergänzt werden.

: 3. Die an der Durchführung der Krankenversicherung beteiligten Personen erhalten zwangsläufig Kenntnis von Tatsachen und Umständen, die die persönlichen Verhältnisse des Versicherten direkt berühren und deren Preisgabe an Aussenstehende eine für den Versicherten weittragende Verletzung der privaten Sphäre sein kann. Es handelt sich vor allem um Wahrnehmungen über den Gesundheitszustand und die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die sich daraus ergebenden Polgen auf die Krankenversicherung des einzelnen Kassenmitgliedes. Es wurde deshalb schon lange als Mangel empfunden, dass keine Bestimmung über die Schweigepflicht der an der Durchführung der Krankenversicherung beteiligten Personen bestand. Eine solche drängt sich jetzt um so mehr auf, als nach neuer Ordnung Angaben über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Versicherten für die Kassen und Ärzte sowie deren Verbände bei der Durchführung der Krankenversicherung unerlässlich sind und den Angaben über den Gesundheitszustand der Versicherten in Anbetracht der für die Aufnahme in eine Krankenkasse neu vorgesehenen Regelung erhöhte Bedeutung zukommt. Die- ständerätliche Kommission hatte eine Bestimmung über die Schweigepflicht betreffend die Angaben über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Versicherten vorgesehen. Wir sind aus den vorerwähnten Gründen der Auffassung, dass die Gelegenheit benutzt werden sollte, eine umfassende Vorschrift über die Schweigepflicht in das Gesetz aufzunehmen.

4. Gegenüber Ärzten, die sich einer allgemeinen Weisung oder einer an sie gerichteten Einzelverfügung der Kantonsregierung oder des Bundesrates betreffend die Sicherstellung der Behandlung der Versicherten (vgl. Abschnitt II, 2, c hievor) nicht unterziehen wollen, müssen im Interesse einer geordneten Durchführung der Krankenversicherung, auf die ja die Bevölkerung angewiesen ist, Strafsanktionen ergriffen werden können. An sich stände zu diesem Zweck ' Artikel 292 des Schweizerischen Strafgesetzbuches zur Verfügung, der den Ungehorsam
gegen amtliche Verfügungen unter bestimmten Voraussetzungen mit Strafe belegt. Da auch die Verletzung der in unserem Entwurf vorgesehenen Schweigepflicht einer Strafsanktion bedarf und damit der ohnehin überholte Artikel 40 KUVG entsprechend ergänzt werden muss-, halten wir dafür, dass in einem neuen Artikel 40 alle 'Straftatbestände, die eine Verletzung des Ersten Titels dieses Gesetzes zum Gegenstand haben, zusammenzufassen und unter eine einheitliche Strafdrohung zu stellen sind.

5. Gemäss Artikel 73, Absatz l, letzter Satz KUVG finden die Artikel 15 bis 25 dieses Gesetzes, also die Bestimmungen, welche die Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen betreffen, sinngemäss auch auf das Verhältnis der Ärzte gegenüber der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) Anwendung. Ärzte und SUVA sind sich einig, dass durch die vorliegende Revision

1283 des Arztrechtes in der Krankenversicherung für' die Anstalt nichts geändert ·werden, sondern dass die heutige Regelung weiter dauern soll. Die neuen Artikel 22 bis 23 des Gesetzes können deshalb nicht auf die SUVA anwendbar erklärt werden, sondern die in den bisherigen Artikeln 22 und 23 getroffene Regelung ist in einen Artikel 73bls für die Unfallversicherung aufzunehmen.

6. Durch die Beratungen über das Arztrecht ist die Behandlung der Vorlage verzögert worden. Das Gesetz kann deshalb nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen, auf den I.Januar 1963 in Kraft gesetzt werden. Die Inkraftsetzung ist nunmehr auf den 1. Januar 1964 vorzusehen.

Dritter Teil Erläuterungen zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen Im Interesse der Übersichtlichkeit soll die neue Ordnung der Tarife und Verträge für die Leistungen der Ärzte in zwei Artikeln aufgeteilt werden, wobei sich den grundsätzlich verschiedenen Verhältnissen entsprechend der erste Artikel mit den Verträgen und der neue Artikel 22Ms mit dem vertragslosen Zustand befasst. Der schon in unserem Gesetzesentwurf vom S.Juni 1961 abgeänderte Randtitel «I. Tarife für Ärzte» wird deshalb unterteilt in «1. Verträge» und «2. Vertragsloser Zustand».

Art. 22 Wie im Zweiten Teil unter Abschnitt B, I, 2 bereits dargelegt wurde, sollen die Taxen für die Leistungen der Ärzte in erster Linie durch Verträge zwischen den Krankenkassen und Ärzten festgesetzt werden. In Absatz l wird der Grundsatz der vertraglichen Regelung deshalb im neuen Artikel 22 vorangestellt.

In Absatz 2 wird die im Zweiten Teil unter Abschnitt B, II, l, b besprochene Ausscheidung der Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen geordnet.

Wie gross diese Gruppe im Verhältnis zum Gesamtbestand der Kassenmitglieder sein wird, hängt von den Verhältnissen in den einzelnen Kantonen ab.

Schon die Expertenkommission zum Vorentwurf 1954 hatte sich mit dieser Frage befasst und ist zum Schluss gekommen, dass durchschnittlich 5 Prozent der Versicherten zu dieser Gruppe zu zählen sind.

Auch die in Absatz 3 enthaltene Regelung für die Verträge, d.h. die Möglichkeit der vertraglichen Abstufung der Tarife, die Kündigungsfrist und die Genehmigungspflicht durch die Kantonsregierung wurde bereits im zweiten Teil unter Abschnitt B, II, l, c-e erörtert, weshalb auf die dortigen Ausführungen verwiesen sei.

Absatz 4 enthält eine Bestimmung über die Durchführung der Einteilung der Versicherten nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Damit diese Einteilung vorgenommen werden kann, müssen sich die mit der Durchführung der Krankenversicherung betrauten Personen in jedem Einzelfall auf zuverlässige Angaben stützen können. In der Praxis handelt es sich um die Ein-

1284 sichtnahme in die Steuerveranlagung der Versicherten. Eine gesetzliche Bestimmung', wonach die Kantone gehalten sind, diese Einsichtnahme zu gewähren, ist deshalb unerlässlich.

Art. 22Ws Durch die Aufnahme dieses neuen Artikels wird der in unserem Gesetzesentwurf vom 5. Juni 1961 vorgesehene Artikel 22bis zu Artikel 22ter.

Absatz l enthält die Eegelung des vertragslosen Zustandes, wie sie schon im Zweiten Teil unter Abschnitt B, II, 2, a und b dargelegt wurde.

Absatz 2 ordnet Fälle, in denen die im vorangehenden Absatz getroffene Eegelung zur Festsetzung des Eahmens des kantonalen Tarifes nicht zur Anwendung kommen kann. Dies trifft dann zu, wenn eine Kasse noch nie einen Vertrag mit den Ärzten abgeschlossen hat, sei es weil sie neu anerkannt ist und kein Vertrag mit den Ärzten zustandegekommen ist, sei es weil sie einem bestehenden Vertrag nicht beitreten will. Dasselbe gilt, wenn eine anerkannte Taggeldkasse die Krankenpflegeversicherung einführt und sie keinen Tarifvertrag abschliessen kann. In diesen Fällen muss die Kantonsregierung zwangsläufig einen Eahmentarif festsetzen, der sich auf keinen Vertragstarif stützt. Der geschilderte Sachverhalt kann auch eintreten, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes kein Vertrag zwischen Kassen und Ärzten besteht.

Da es sich hier aber bloss um eine Übergangszeit handelt, soll dieser Tatbestand am Schluss unter Ziffer V geordnet werden.

Absatz 3 regelt die Frage, wieweit die kantonalen Eahmentarife im vertragslosen Zustand für den Arzt verbindlich sind, sowie die Frage, wie die Taxen im Tarif rahmen anzuwenden sind. Wir verweisen auf die Ausführungen im zweiten Teil unter Abschnitt B, II, 2, b.

Absatz 4 regelt die Leistungspflicht der Kassen in bezug auf die Arzttarife.

Wie für den Arzt, so muss auch für die Kassen hinsichtlich der Bemessung der Versicherungsleistungen der kantonale Eahmentarif verbindlich sein, wenn der Versicherte einen umfassenden Schutz durch die Krankenversicherung erhalten soll. In Absatz 4 wird deshalb bestimmmt, dass den Versicherten, auf die der kantonale Tarif Anwendung findet, die Kasse grundsätzlich die Kosten zu decken hat, die vom Arzt gemäss diesem Tarif in Eechnung gestellt wurden. Den Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen soll die Krankenversicherung zumindest die gleichen
Leistungen gewähren wie den übrigen Versicherten ; denn es wäre nicht einzusehen, weshalb diese Versichertengruppe geringere Leistungen erhalten soll, nachdem sie im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse ohnehin höhere Honorare zu bezahlen hat. Aus demselben Grunde soll die Kasse bei abgestuftem Tarif ihre Leistungen an diese Versicherten nach den Ansätzen der obersten Tarifgruppe bemessen müssen. Diese Eegelung gilt auch dann, wenn die Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen von der vertraglichen Taxordnung ausgenommen sind. Artikel 14bls muss bei dieser Eegelung für alle Versicherten vorbehalten werden, da die Kassen nur zur

1285 Kostenübernahme unter Abzug des in diesem Artikel vorgesehenen Selbstbehaltes verpflichtet sind.

Die in Absatz 5 getroffene Eegelung zur Sicherstellung der Behandlung wurde im Zweiten Teil unter Abschnitt B, II, 2, c erörtert, weshalb auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.

Auch die in Absatz 6 enthaltene Eegelung des Honorarschuldners haben wir im wesentlichen bereits im Zweiten Teil unter Abschnitt B, III, l und 2 erläutert, weshalb an dieser Stelle nur einige ergänzende Bemerkungen anzubringen sind, die die Pflicht des Arztes betreffen, dem Honorarschuldner die zur Festsetzung des Leistungsanspruches notwendigen Angaben zu machen. Wie die Erfahrung zeigt, werden von den Ärzten im vertragslosen Zustand die zur Festsetzung der Versicherungsleistungen der Kassen notwendigen Angaben oft nur unvollständig oder summarisch gemacht. Dadurch kann die Durchführung der Krankenversicherung erschwert oder sogar in Frage gestellt werden. Die in diesem Absatz vorgesehene Pflicht zur Bekanntgabe aller notwendigen Angaben bezieht sich vor allem auf die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit, die auch in der Krankengeldversicherung notwendig ist, auf Angaben über die Art der Erkrankung, damit festgestellt werden kann, ob die Krankheit unter einen Versicherungsvorbehalt fällt, und über die nach dem massgebenden Tarif in Rechnung gestellten ärztlichen Leistungen, damit die von der Kasse zu übernehmenden Kosten festgesetzt werden können. Da es sich hiebei zum Teil um Angaben handelt, die unter Umständen auch dem Versicherten nicht bekanntgegeben werden sollen, muss der Arzt berechtigt sein, sie nur dem Vertrauensarzt der Kasse zu eröffnen.

Art. 22
In diesem neuen Artikel soll das Beschwerderecht zusammengefasst und auf alle Erlasse und Entscheide der Kantonsregierung hinsichtlich Verträge und Tarife ausgedehnt werden. Dabei kann Absatz 6 des im Entwurf vom 5. Juni 1961 vorgeschlagenen Artikels 22tlls (neu Artikel 22ter) gestrichen werden, da er in Artikel 22iuater aufgenommen wird. Im Zweiten Teil haben wir unter Abschnitt B, II, l, e die Gründe dargelegt, weshalb die Möglichkeit der Beschwerdeführung auch wegen Unangemessenheit des kantonalen Erlasses oder Entscheides eingeräumt werden soll. Sie gelten für alle Erlasse und Entscheide über die ärztlichen Leistungen und die in Artikel 22ter, Absatz 2 bis 5 erwähnten Leistungen der Hebammen, medizinischen Hilfspersonen, Laboratorien und Heilanstalten.

Zur Beschwerdeführung sind neben den Parteien (Kassen und Ärzte) auch Drittpersonen legitimiert, sofern diese durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid in ihren rechtlich geschützten Interessen verletzt sind. Dies hat der Bundesrat in analoger Anwendung von Artikel 103, Absatz l des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 mit Bezug auf die Krankenversicherten neuerdings bestätigt. Im massgebenden Entscheid vom 21. Juli 1961 wurde die Beschwerdelegitimation eines Versicherten gegen die von einer Kantonsregierung erfolgte Genehmigung eines Vertrages zwischen Kran-

1286 kenkassen und Ärzten ausdrücklich bejaht, nachdem festgestellt worden war, dass ein rechtlich zu schützendes Interesse des Versicherten vorliege.

Art. 23 Dieser Artikel enthält die Bestimmungen über die Wirtschaftlichkeit der Behandlung, auf die wir schon im Zweiten Teil unter Abschnitt B, IV, l eingetreten sind.

Abs. l bestimmt zunächst den Personenkreis, auf den sich das Gebot der Wirtschaftlichkeit erstreckt, d.h. jene Personen, die Behandlungen für Versicherte im Eahmen dieses Gesetzes durchführen. Alsdann legt dieser Absatz fest, was als wirtschaftliche Behandlung zu gelten hat, nämlich diejenige Behandlung, die auf das durch das Interesse der Versicherten und den Behandlungszweck erforderliche Mass beschränkt ist.

Abs. 2 entspricht dem Grundsatz nach der bisherigen Eegelung. Neben den Kassen sollen nun auch die Versicherten befugt sein, die Kosten ungerechtfertigter Leistungen abzulehnen, da sie unter dem System des tiers garant Honorarschuldner sind. Die. Möglichkeit der Ablehnung der Bezahlung muss sich zwangsläufig auf alle Leistungen gemäss Absatz l erstrecken. Mit dem Hinweis auf Absatz l wird gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass jede Behandlung als ungerechtfertigt und damit als unwirtschaftlich zu gelten hat, die hinsichtlich ihrer Art oder Anwendung nicht dem Gebot der Beschränkung auf das zur Heilung oder Linderung der Krankheit Notwendige und Zweckmässige entspricht.

Art. 25 Die Eegelung des Honorarschuldners gemäss Artikel 22Ws, Absatz 6 erfordert eine Ergänzung des Ihnen mit Botschaft vom 5. Juni 1961 neu beantragten Artikels 25.

Die in Absatz 2bls getroffene Eegelung haben wir im wesentlichen bereits im Zweiten Teil unter Abschnitt B, IV, 2 erörtert. Wir verweisen auf die dortigen Ausführungen in grundsätzlicher Hinsicht. Mit der kostenlosen Vertretung des Versicherten vor Schiedsgericht, die in Anbetracht der besonderen Sachkenntnisse, die die Prozessführung unter Umständen erfordert, einem dringenden Bedürfnis entspricht, haben sich die Kassen unter der Voraussetzung einverstanden erklärt, dass für sie die Pflicht dazu nicht bestehen soll, wenn von Seiten des Versicherten'offensichtlicher Missbrauch vorliegt. Diese Einschränkung ist gerechtfertigt, weshalb wir sie in den Gesetzesentwurf aufgenommen haben.

Tritt der Versicherte vor dem Schiedsgericht als Partei auf, so soll der allgemeine Grundsatz gelten, wonach der Wohnsitz des Schuldners den Gerichtsstand bestimmt. Führt jedoch die Kasse selbständig Klage vor dem Schiedsgericht, so findet dieselbe Eegelung Anwendung, die gilt, wenn die Kasse Schuldner ist, d.h. die alternative Gerichtsstandregelung gemäss Absatz 2.

1287 Art. 34bis Im Zweiten Teil, Abschnitt B, IV, 8 haben wir die Gründe dargelegt, weshalb eine besondere Bestimmung über die Schweigepflicht in das Gesetz aufgenommen werden soll. Sie gilt für alle in diesem Artikel erwähnten Personen, d.h. alle Personen, die an der Durchführung der Krankenversicherung beteiligt sind und dabei von den persönlichen Verhältnissen des Versicherten Kenntnis erhalten, deren Geheimhaltung gegenüber Dritten der Versicherte beanspruchen kann. Welche Wahrnehmungen unter die Schweigepflicht fallen, kann durch das Gesetz nicht zum vornherein im einzelnen und abschliessend festgelegt werden.

Die vorliegende Gesetzesbestimmung muss sich vielmehr auf einen Hinweis auf die in Betracht kommenden Interessensphären wie Gesundheitszustand, wirtschaftliche Verhältnisse, Leistungsanspruch und Leistungsbezug des Versicherten beschränken. Im übrigen muss es allenfalls Sache des Eichters sein, im konkreten Einzelfall darüber zu befinden, ob und inwieweit durch die Preisgabe einer Wahrnehmung an einen Dritten ein durch die Schweigepflicht rechtlich geschütztes Interesse des Versicherten verletzt worden ist.

Art. 40 Wir haben bereits im Zweiten Teil, Abschnitt B, IV, 4 darauf hingewiesen, dass der geltende Artikel 40 des KUVG überholt ist und, da er mit Bezug auf die Verletzung der Schweigepflicht ohnehin ergänzt werden muss, den neuen Verhältnissen angepasst werden sollte. In Absatz l sind alle Straftatbestände aufgeführt, die eine Verletzung des Ersten Titels dieses Gesetzes zum Gegenstand haben und für die .eine einheitliche Strafdrohung in Aussicht genommen wird, sofern nicht ein mit einer höheren Strafe bedrohtes Verbrechen oder Vergehen vorliegt. Bei der Strafdrohung hielten wir uns an die Strafarten und Strafrahmen, wie sie auch bei anderen Sozialversicherungszweigen (z.B. AHV, Arbeitslosenversicherung) vorgesehen sind. Die Absätze 2 und 3 entsprechen dem bisherigen Artikel 40 unter Anpassung an die allgemeinen Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches und die Bundesstrafprozessordnung.

Hbis Dieser Abschnitt befasst sich, wie schon im Zweiten Teil unter B, IV, 5 dargelegt, mit denjenigen Bestimmungen des bisherigen Arztrechts, die für die SUVA weiterhin Geltung haben und zum Teil in den Zweiten Titel des KUVG übergeführt werden sollen. Da sich alle übrigen Bestimmungen unseres vorliegenden Gesetzesentwurfes und desjenigen vom 5. Juni 1961 ausschliesslich auf den Ersten Titel des KUVG beziehen, haben wir die für die Unfallversicherung im Zweiten Titel notwendigen Gesetzesänderungen in einem selbständigen Abschnitt zusammengefasst und als' IIbls zwischen die Abschnitte II und III des Entwurfes vom 5. Juni 1961 eingeschoben, wobei Absatz 9 von II hinfällig wird.

In Artikel 73, Absatz l, letzter Satz sind jene Bestimmungen des Ersten Titels

1288 des Gesetzes aufgeführt, die ohne weiteres auch für den Zweiten Titel anwendbar erklärt werden können. In einem neuen Artikel 73Ms wird die in den bisherigen Artikeln 22 und 23, Absatz l getroffene Eegelung übernommen.

V Wir verweisen auf unsere Erläuterungen zu Artikel 22bls, Absatz 2, in denen die Gründe dargelegt wurden, weshalb eine Übergangsbestimmung in das Gesetz aufgenommen werden muss.

VII Wir verweisen auch hier auf unsere bereits im Zweiten Teil unter Abschnitt B, IV, 6 zur Inkraftsetzung des neuen Gesetzes gemachten Ausführungen.

Wir beehren uns, Urnen zu beantragen, die neuen Bestimmungen zum Gesetzesentwurf, den wir Ihnen mit der Botschaft vom 5. Juni 1961 vorgelegt hatten und der vom Ständerat am 22. März 1962 bereits behandelt und teilweise genehmigt wurde, gemäss den in der Beilage enthaltenen Ergänzungen und Änderungen zu genehmigen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 16. November 1962.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : P. Chaudet Der Bundeskanzler: Ch. Oser

1289 Beilage

Neue Vorschläge des Bundesrates zur Ergänzung des Gesetzesentwurfes vom S.Juni 1961 betreffend die Änderung des Ersten Titels des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung

Art. 22 i Die Taxen für die Leistungen der Ärzte werden in Verträgen zwi- H. Tarife und sehen den Kassen und Ärzten festgesetzt.

^r^für I 2 Ärzte Die Kantonsregierungen setzen nach Anhören von Vertretern der Kassen und Ärzte die Einkommens- und Vermögensgrenzen für die Ver- '' ertrage sicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen fest. Die gemäss Absatz l festgelegten Taxen finden auf diese Versicherten nicht Anwendung, sofern in den Verträgen nichts anderes vereinbart ist.

3 In den Verträgen der Kassen mit Ärzten können die Taxen nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Versicherten in zwei Gruppen oder bei Einschluss der Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen in drei Gruppen abgestuft werden. Die Kündigungsfrist hat mindestens ein Jahr zu betragen. Die Verträge bedürfen der Genehmigung der Kantonsregierung; diese prüft, ob die vereinbarten Taxen und die sonstigen Vertragsbestimmungen mit dem Gesetz und der Billigkeit in Einklang stehen.

4 Die Kantone haben den Kassen und Ärzten sowie deren Verbänden die Angaben, die für die Einteilung der Versicherten nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemäss Absatz 2 und 3 notwendig sind, kostenlos zur Verfügung zu halten.

' Art. 22Ms (neu) ; 1 Bei der Genehmigung der Verträge setzen die Käntonsregierungen 2. Vertragsloser nach Anhören von Vertretern der Kassen und Ärzte Rahmentarife fest, deren Mindestansätze unter und deren Höchstansätze über den Taxen der genehmigten Vertragstarife liegen müssen. Diese Rahmentarife finden Anwendung bei Wegfall der Verträge. Nach Ablauf des dem Wegfall eines Vertrages folgenden Jahres kann die Kantonsregierung nach Anhören der Parteien den Rahmen ohne Rücksicht auf den früheren VerBundesblatt. 114. Jahrg. Bd. II.

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1290 tragstarif neu festsetzen. Waren die vertraglich vereinbarten Taxen nach Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Versicherten abgestuft, so kann die Kantonsregierung diese Eegelung weiterführen, sofern die Parteien damit einverstanden sind; andernfalls hat sie die Abstufung durch einen einheitlichen Bahmentarif zu ersetzen. Die von der Kantonsregierung gemäss diesem Absatz festgelegten Eahmentarife sind nicht anwendbar auf die Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen.

2 Wird eine Kasse anerkannt oder führt eine anerkannte Kasse die Krankenpflegeversicherung ein und kommt kein Vertrag mit den Ärzten zustande, so setzt die Kantonsregierung nach Anhören von Vertretern der Kasse und Ärzte einen Eahmentarif fest ; dieser findet keine Anwendung auf die Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen.

3 Die Tarife gemäss Absatz l und 2 sind für den Arzt verbindlich, sofern sich die Versicherten bei Beginn der Behandlung als solche zu erkennen geben und der Arzt nicht jede Behandlung im Eahmen dieses Gesetzes durch eine Erklärung gegenüber einer von der Kantonsregierung bezeichneten Stelle abgelehnt hat. Wendet sich ein Versicherter an einen Arzt, der diese Erklärung abgegeben hat, so hat ihn dieser bei Beginn der Behandlung darauf aufmerksam zu machen, dass ein Anspruch auf Kassenleistungen nicht besteht. Absatz 5 bleibt vorbehalten. Bei der Anwendung der Eahmentarife ist die Schwierigkeit der ärztlichen Leistung zu berücksichtigen.

4 Die Leistungen der Kassen haben die Kosten zu decken, die vom Arzt nach dem massgebenden Tarif in Bechnung gestellt worden sind.

Den Versicherten in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen gemäss Artikel 22, Absatz 2 haben die Kassen mindestens die gleichen Leistungen zu gewähren wie den' übrigen Versicherten ; bestehen für diese Versicherten Tarifgruppen, so haben die Leistungen mindestens denjenigen für die oberste Tarifgruppe zu entsprechen. Artikel 14bls bleibt vorbehalten.

6 Die Kantonsregierung sorgt nötigenfalls für die Sicherstellung der Behandlung der Versicherten im Eahmen dieses Gesetzes ; erstreckt sich das Wahlrecht der Versicherten auf Ärzte ausserhalb des Kantons, so sorgt nötigenfalls der Bundesrat für diese Sicherstellung.

6 Für die Behandlung von Versicherten, die der obligatorischen Versicherung im Sinne von
Artikel 2 unterstehen, wird das Honorar von der Kasse, für die Behandlung aller übrigen Versicherten vom Versicherten geschuldet, sofern in den Verträgen der Kassen mit Ärzten nichts anderes vereinbart ist. Der Arzt hat in der Krankenpflege- und Krankengeldversicherung dem Honorarschuldner alle Angaben zu machen, die für die Festsetzung des Anspruchs auf Leistungen der Kasse notwendig sind. Wo das Interesse des Versicherten es erfordert, ist der Arzt berechtigt, die medizinischen Angaben nur dem Vertrauensarzt der Kasse bekanntzugeben.

1291 Art. 22iuarter (neu) Gegen die Erlasse und Entscheide der Kantonsregierung gemäss ni. Beschwerderecht Artikel 22, Absatz 2 und 3, Artikel 22TMs, Absatz l, 2 und 5 sowie Artiter kel 22 , Absatz 2 bis 5 kann binnen dreissig Tagen Beschwerde an den Bundesrat ergriffen werden; mit der Beschwerde kann auch Unangemessenheit des kantonalen Erlasses oder Entscheides geltend gemacht werden.

Art. 23 1 Die Ärzte, Apotheker, Hebammen, medizinischen Hilfspersonen, iv. WirtschaftLaboratorien und Heilanstalten haben sich in der Behandlung, in der Behandlung Verordnung und Abgabe von Arzneimitteln sowie in der Anordnung und Durchführung von wissenschaftlich anerkannten Heilanwendungen und Analysen auf das durch das Interesse des Versicherten und den Behandlungszweck erforderliche Mass zu beschränken.

2 ,Die Kassen und Versicherten sind nicht gehalten, Leistungen, die im Sinne von Absatz l nicht gerechtfertigt sind, zu bezahlen.

Art. 25, Abs. 2Ms (neu) Das Schiedsgericht ist auch zuständig, wenn das Honorar des Arztes vom Versicherten geschuldet wird. In diesen Fällen hat die Kasse den Versicherten auf dessen Begehren auf ihre Kosten zu vertreten, sofern das Eechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Zuständig ist das Schiedsgericht desjenigen Kantons, in dem der Versicherte seinen Wohnsitz hat. Bei Verletzungen dieses Gesetzes oder der gestützt darauf ergangenen Erlasse' ist die Kasse zur selbständigen Prozessführung ermächtigt ohne Rücksicht darauf, ob die Rechnung des Arztes vom Versicherten als Honorarschuldner bereits bezahlt ist ; in diesen Fällen findet Absatz 2 Anwendung.

Art. 34bls (neu) Die Ärzte, Apotheker, Hebammen, medizinischen Hilfspersonen so- ix. Schweigeptlicht wie die Personen, die für die entsprechenden Berufsverbände, für die Krankenkassen, Laboratorien und Heilanstalten tätig sind, haben über ihre Wahrnehmungen hinsichtlich Gesundheitszustand, wirtschaftliche Verhältnisse, Leistungsanspruch und Leistungsbezug der Versicherten · gegenüber Dritten Verschwiegenheit zu bewahren.

Art. 40 Wer vorsätzlich in den für die zuständigen Bundesbehörden bestimmten Rechnungen oder sonstigen Unterlagen die Geschäftsverhältnisse einer Kasse oder eines Rückversicherungsverbandes unrichtig oder unvollständig darstellt, wer vorsätzlich die Schweigepflicht gemäss Artikel 34l)ls verletzt, 1

N. Strafbestimmung

1292 wer vorsätzlich einer auf Grund von Artikel 22bls, Absatz 5 erlassenen allgemeinen Weisung oder einer unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels 40 an ihn gerichteten Einzelverfügung zuwiderhandelt, wird, sofern nicht ein mit einer höheren Strafe bedrohtes Verbrechen oder Vergehen vorliegt, mit Gefängnis bis zu 6 Monaten oder mit Busse bis zu 10 000 Franken bestraft.

2 Die Verfolgung und die Beurteilung von Widerhandlungen gemäss Absatz l obliegen den Kantonen.

3 Sämtliche Urteile, Strafbescheide und Einstellungsverfügungen sind ohne Verzug nach ihrem Erlass in vollständiger Ausfertigung und unentgeltlich der Bundesanwaltschaft zuhanden des Bundesrates mitzuteilen.

IIbls Der Zweite Titel des Gesetzes wird wie folgt geändert: Art. 73, Abs. l, letzter Satz Folgende Artikel finden sinngemäss Anwendung: Artikel 15 bis 19, 20, 21, 22ter, soweit er die Tarife der Apotheker, medizinischen Hilfspersonen und Laboratorien betrifft, 23 bis 25 sowie Artikel 30ter, soweit er die Entscheide des Schiedsgerichtes betrifft.

Art. 73«s (neu) 1 Die Kantonsregierungen setzen, nach Anhören der Anstalt sowie der Berufsverbände der Ärzte, die Tarife der ärztlichen Leistungen fest.

Die Tarife enthalten für die einzelnen Leistungen die Mindest- und Höchstbeträge, die nicht unterboten und nicht überschritten werden dürfen.

2 Die Verträge der Anstalt mit Ärzten sind der Genehmigung der Kantonsregierung zu unterbreiten. Diese prüft, ob die vereinbarten Taxen und die sonstigen Vertragsbestimmungen mit dem Gesetz und der Billigkeit in Einklang stehen. Gegen den Entscheid der Kantonsregierung kann binnen 30 Tagen Beschwerde an den Bundesrat ergriffen werden.

3 Für sämtliche Versicherten der Anstalt sind die gleichen Taxen zu berechnen.

V 2 Besteht im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes kein Vertrag zwischen Kassen und Ärzten, so finden Artikel 22bls, Absatz 2 und Artikel 22iuater Anwendung.

VII 1 Dieses Gesetz tritt am I.Januar 1964 in Kraft.

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Ergänzungsbotschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Änderung des Ersten Titels des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung (Vom 16. November 1962)

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1962

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