Inspektion als Folge der Verhaftung einer ehemaligen Quelle des NDB in Deutschland Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation der Eidgenössischen Räte vom 13. März 2018

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Übersicht Am 28. April 2017 wurde Daniel Moser, eine ehemalige Quelle des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), in Frankfurt am Main wegen Verdachts der Spionage verhaftet. Der Fall erweckte in der Schweiz grosses Aufsehen. Am 24. Mai 2017 beschloss die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel), die Hintergründe des Falles und die Rolle des NDB, des Bundesrates sowie der Bundesanwaltschaft im Rahmen einer Inspektion zu untersuchen.

Die Auslandbeschaffung des NDB führte Daniel Moser als rekrutierte Quelle von Juli 2010 bis Ende Mai 2014. Der letzte Kontakt zwischen ihm und dem NDB fand im Februar 2014 statt. Von Interesse sind insbesondere die folgenden zwei Aufträge des NDB: 1. Beschaffung von Personalien von drei deutschen Steuerfahndern Am 28. Juni 2011 übernahm Daniel Moser den Auftrag, ergänzende Personalien von drei Steuerfahndern des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (NRW) zu beschaffen, gegen welche die Bundesanwaltschaft (BA) und die Bundeskriminalpolizei (BKP) im Rahmen des Strafverfahrens EISBEIN (Datendiebstahl bei der Credit Suisse CS) ermittelten. Die BKP hatte den NDB im Januar 2011 um zusätzliche Angaben zu den Personalien der Verdächtigen gebeten, nachdem von Deutschland aus politischen Gründen auf dem Rechtshilfeweg keine Angaben erhältlich waren. Daniel Moser lieferte das mit Hilfe einer Subquelle in Deutschland ergänzte «Sudoku» seinem Führungsoffizier am 2. September 2011 ab. Der NDB übermittelte die Informationen am 9. September 2011 in Form eines Amtsberichts an die BKP, welchen diese am 19. September 2011 als Nachtragsbericht zu ihrem bereits erstellten Schlussbericht vom 26. Mai 2011 an die BA weiterleitete (Ziff. 2.2).

NDB-intern wurde die Informationsbeschaffung durch Daniel Moser so wahrgenommen, dass diese «die Grundlage für eine allfällige Strafuntersuchung» gegen die deutschen Steuerfahnder darstellte. Über seine Vorgesetzten erhielt der Führungsoffizier dafür ein Lob des Direktors NDB. In diesem Sinne informierte der NDB auch den Vorsteher des VBS zuhanden des Gesamtbundesrates (Ziff. 2.3). Demgegenüber kommt die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) in ihrem Untersuchungsbericht vom 5. Februar 2018 zum Schluss, dass die «zusätzlichen Angaben» des NDB «für die eigentliche Strafuntersuchung nicht von ausschlaggebender Bedeutung» waren, da die
Identität der Beamten auch ohne diese Zusatzangaben bekannt war (Ziff. 3.9).

Nach Überprüfung der Auftragserteilung durch den NDB und deren rechtlicher Grundlagen gelangt die GPDel zu folgenden Schlüssen: Nach dem damals geltenden Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) war der NDB grundsätzlich befugt, zur Abwehr von Wirtschaftsspionage in Deutschland bei einer Quelle Informationen über die deutschen Steuerfahnder abzuschöpfen. Hingegen hätte die Operation nicht durch die Auslandbeschaffung, sondern durch die Inlandbeschaffung durchgeführt werden

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müssen. Die Informationsbeschaffung erfolgte deshalb nicht in Übereinstimmung mit dem damals geltenden Recht (Ziff. 2.1, 3.1.3 und 3.2.1).

Wenn auch die Operation in der Durchführung zweckmässig und erfolgreich war, so waren die erzielten Resultate für das Strafverfahren letztlich irrelevant. Eine Nachfrage der BKP bei der BA hätte aufgezeigt, dass die BA auf die Ergänzung der Personalien der deutschen Steuerfahnder nicht angewiesen war (Ziff. 3.4).

2. Informationsbeschaffung zum Vorgehen der deutschen Steuerbehörden Im August 2012 erfuhr die Öffentlichkeit, dass die Steuerverwaltung von NRW in den Besitz von Bankkundendaten der UBS gelangt war. Daniel Mosers Führungsoffizier fragte ihn am 4. Dezember 2012 an, ob sein Netzwerk den Urheber des Datendiebstahls bei der UBS und seine deutschen Quellenführer identifizieren könne. Tags darauf wurde der Führungsoffizier mit Daniel Moser einig, dass dieser versuchen sollte, mit Hilfe seiner Subquelle ein Dispositiv aufzubauen, um die zukünftigen Angriffe der deutschen Behörden auf den Finanzplatz Schweiz rechtzeitig erkennen und verhindern zu können, und den Namen des Datendiebes zu eruieren. Die Subquelle veranschlagte dafür 90 000 Euro, davon 60 000 Euro als Vorauszahlung. Am 12. Dezember 2012 wurde dieser Auftrag an Daniel Moser vom Chef der Beschaffung des NDB bewilligt. Daniel Moser erhielt bis Mitte Januar 2013 die vollständige Vorauszahlung, konnte aber in den folgenden Monaten keine brauchbaren Resultate liefern. Im August 2013 teilte er mit, dass die Subquelle eine Person bei der Steuerverwaltung des Bundeslandes NRW eingeschleust habe, damit diese später in die Steuerfahndung wechseln könne. Für die weitere Umsetzung dieses Plans verlangte Daniel Moser noch die restlichen 30 000 Euro. Darauf ging der NDB nicht ein und teilte ihm am letzten Treffen im Februar 2014 mit, dass Zahlungen nur noch erfolgen würden, wenn er auch Informationen liefern könne. Als verschiedene Versuche des NDB, Daniel Moser erneut zu kontaktieren, scheiterten, wurde die Operation auf den 31. Mai 2014 eingestellt (Ziff. 2.2).

Die GPDel kommt in ihrer Beurteilung des Falles zum Schluss, dass die Inlandbeschaffung gemäss BWIS grundsätzlich im Rahmen der Abwehr von Wirtschaftsspionage hätte Informationen über die Absichten und das Dispositiv der deutschen Steuerbehörden zur
Beschaffung von Informationen über deutsche Bankkunden bei Schweizer Banken bearbeiten dürfen. Eine aktive Informationsbeschaffung vor Ort im Ausland wäre jedoch nicht zulässig gewesen. Insbesondere wäre der NDB nicht befugt gewesen, über Daniel Moser einen Maulwurf in einer ausländischen Behörde platzieren zu lassen. Da der NDB spätestens im August 2013 von den konkreten Plänen zur Schaffung eines direkten Zugangs innerhalb der Steuerfahndung des Bundeslandes NRW erfuhr und letztlich immer noch von Daniel Moser konkrete Ergebnisse aus dieser Aktion erwartete, nahm der Dienst ein solches unrechtmässiges Vorgehen in Kauf. Allerdings konnte die GPDel beim NDB keine Belege für ein konkretes Tätigwerden der Subquelle finden (Ziff. 3.2.2).

Akteneinsicht im Strafverfahren gegen Daniel Moser in der Schweiz Seit Januar 2015 führt die Bundesanwaltschaft (BA) gegen Daniel Moser ein Strafverfahren wegen des Verdachts, Schweizer Bankdaten in Deutschland verkauft zu

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haben. Bei seiner Einvernahme im Februar/März 2015 berichtete Daniel Moser ausführlich über seine Tätigkeit für den NDB. Die Einvernahmeprotokolle gelangten aufgrund der Akteneinsicht an den Mitbeschuldigten Werner Mauss, der diese an die deutschen Strafbehörden weiterleitete. Dies führte zur Verhaftung von Daniel Moser am 28. April 2017 in Frankfurt am Main und zu seiner Verurteilung am 9. November 2017 wegen Spionage für die Schweiz (Ziff. 4.1).

Die Frage, ob die BA die Akteneinsicht in die heiklen Einvernahmeprotokolle von Daniel Moser hätte einschränken sollen, wurde von der AB-BA untersucht. Sie kommt in ihrem Bericht zum Schluss, die Gewährung der Akteneinsicht an die Mitbeschuldigten von Daniel Moser sei nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung sowie nach Lehre und Rechtsprechung nicht zu beanstanden.

Die GPDel ihrerseits stellt fest, dass der NDB untätig blieb, obwohl er schon vor der Festnahme Daniel Mosers am 2. Februar 2015 durch die BA über die bevorstehende Verhaftung informiert war und Daniel Moser ihm die Einvernahmeprotokolle zeitnah zu den Einvernahmen zukommen liess. Er nahm fälschlicherweise und in Verkennung der strafprozessualen Vorgaben an, die BA würde von sich aus dafür sorgen, dass die Aussagen Mosers zum NDB vertraulich behandelt würden (Ziff. 4.2).

Empfehlungen Die GPDel hat im Zusammenhang mit den bekannt gewordenen Vorfällen die gesamte Führung von Daniel Moser als Quelle unter die Lupe genommen und dabei verschiedene Mängel in der Quellenführung im NDB festgestellt (Ziff. 2.2 und 3.5).

Zu deren Behebung richtet die GPDel 7 Empfehlungen an den NDB (Empfehlungen 1 ­ 6 und 12).

Im Weiteren analysierte die GPDel im Rahmen dieser Inspektion die Spionageabwehr des NDB (Ziff. 3.6). Daraus leitet die GPDel eine Empfehlung an den Bundesrat ab (Empfehlung 7).

Zudem untersuchte die GPDel, wie das VBS und der NDB ihre Aufsichtspflichten über die Operationen und Quellenführungen wahrgenommen haben und wie die ND-Aufsicht des Departements funktionierte (Ziff. 3.7). In Empfehlung 8 verlangt die GPDel vom VBS, ein Konzept zu erstellen, wie der Direktor NDB innerhalb seines Dienstes für eine laufende Beurteilung der Operationen und Quellen sorgt.

Bei der Zusammenarbeit zwischen BKP und NDB im Rahmen von Strafverfahren verlangt die GPDel eine bessere Kommunikation und
Koordination sowie eine regelmässige Berichterstattung an die Departementsspitze und an die GPDel (Empfehlungen 9 und 10). Schliesslich empfiehlt die GPDel den beiden Behörden NDB und BA eine angemessene gegenseitige Konsultation und Information (Empfehlungen 11 und 13).

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Einleitung 1.1 Ausgangslage 1.2 Umfang der Untersuchung und Abgrenzungen 1.3 Vorgehen

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2

Zusammenarbeit des NDB mit Daniel Moser als Quelle von 2010 bis 2014 2.1 Organisation der Quellenführung im NDB 2.2 Führung der Quelle Daniel Moser durch den NDB 2.3 Aufsicht durch den Vorsteher des VBS und Information des Bundesrates 2.4 Kontrollen der Nachrichtendienstlichen Aufsicht 2.5 Information der GPDel zu einzelnen Operationen 2.6 Strafverfahren EISBEIN und EISFELD 2.7 Information der GPDel im Rahmen der Oberaufsicht

3

Beurteilung des Verhaltens der Behörden von 2010 bis zur Verhaftung von Daniel Moser 2015 3.1 Anwendbares Recht 3.1.1 Thematische Zuständigkeit des NDB 3.1.2 Gesetzliche Grundlagen für den Einsatz von menschlichen Quellen durch den NDB 3.1.3 Vorgaben für die Organisation der Quellenführung 3.2 Rechtmässigkeit der einzelnen Operationen 3.2.1 Informationsbeschaffung zum Fall Credit Suisse 3.2.2 Informationsbeschaffung zum Fall UBS 3.2.3 Informationsbeschaffung zur Geldwäscherei 3.3 Rechtsverständnis des NDB und des VBS 3.4 Nutzen der beschafften Informationen 3.4.1 Fall Credit Suisse 3.4.2 Fall UBS 3.4.3 Nutzen und Risiken 3.5 Quellenführung 3.5.1 Auftragserteilung 3.5.2 Verwendung von Subquellen 3.5.3 Bekannte und Privatdetektive 3.5.4 Finanzierung von Quellen 3.5.5 Einstellung der Quellenbeziehung 3.6 Organisation der Spionageabwehr im NDB 3.6.1 Pläne für den Schutz des Finanzplatzes 3.6.2 Ausrichtung der Spionageabwehr

5054 5054 5055 5061 5063 5064 5065 5067 5068 5068 5068 5069 5071 5072 5072 5072 5073 5074 5077 5077 5078 5079 5080 5080 5082 5084 5086 5087 5088 5088 5089 5049

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3.6.3 Koordination innerhalb der Beschaffung 3.6.4 Verwendung der beschafften Informationen 3.7 Aufsicht durch das VBS 3.7.1 Praxis des Vorstehers des VBS und des Direktors NDB 3.7.2 Jährliche Berichterstattung zu den Operationen 3.7.3 Verwaltungskontrolle 3.8 Oberaufsicht über die Operationen 3.9 Vorgehen der BA im Verfahren EISBEIN 3.10 Beurteilung des Verhaltens der BKP

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Nach der Verhaftung von Daniel Moser 2015 in der Schweiz 4.1 Das Strafverfahren gegen Daniel Moser 2015 in der Schweiz und die Folgen 4.2 Information der GPDel und Vorgehen der Oberaufsicht

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Beurteilung des Verhaltens der Behörden nach der Verhaftung von Daniel Moser 2015 5.1 Akteneinsicht im Strafverfahren EISWÜRFEL 5.2 Information der GPDel über Strafverfahren gegen Quellen des NDB Nach der Verhaftung von Daniel Moser 2017 in Deutschland und dem Bekanntwerden seiner früheren Tätigkeit für den NDB 6.1 Massnahmen der betroffenen Behörden nach dem Bekanntwerden der Tätigkeit von Daniel Moser für den NDB 6.2 Information der GPDel und Vorgehen der Oberaufsicht

5102 5107 5108 5108 5111 5112 5112 5115

Beurteilung der Ereignisse nach der Verhaftung von Daniel Moser 2017 in Deutschland 7.1 Beurteilung des Verhaltens der betroffenen Behörden 7.1.1 Erste Massnahmen 7.1.2 Verhältnis zu Deutschland 7.1.3 Öffentlichkeitskommunikation 7.1.4 Kommunikation des Direktors NDB 7.1.5 Verhältnis BA ­ NDB 7.2 Öffentlichkeitskommunikation der GPDel

5117 5118 5118 5118 5118 5119 5119 5120

Weiteres Vorgehen

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Strafverfahren mit einem Bezug zu Daniel Moser im Überblick

5123

Verzeichnis der angehörten Personen

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Abkürzungsverzeichnis

5126

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Bericht 1

Einleitung

1.1

Ausgangslage

Am 28. April 2017 liess die Bundesanwaltschaft Karlsruhe den Schweizer Bürger Daniel Moser (54) in Frankfurt am Main wegen mutmasslicher geheimdienstlicher Agententätigkeit für die Schweiz festnehmen. In den folgenden Tagen wurde in den Medien verbreitet, dass die mutmassliche Spionagetätigkeit von Daniel Moser im Zusammenhang mit dem Ankauf von Steuer-CDs durch deutsche Steuerbehörden stehe. Der Schweizer Spion habe im Auftrag des Schweizer Nachrichtendienstes die Arbeitsweise der deutschen Steuerbehörden ausgeforscht, was im Jahr 2012 zu Festnahmebefehlen der Schweizerischen Bundesanwaltschaft (BA) gegen drei deutsche Steuerfahnder in Nordrhein-Westfalen geführt habe. Weiter wurde öffentlich, dass Daniel Moser seit 2015 auch Beschuldigter in einem Strafverfahren der BA ist, in welchem ihm vorgeworfen wird, selber Bankdaten nach Deutschland verkauft zu haben.

Das deutsche Aussenministerium bestellte die Schweizer Botschafterin in Berlin ein und liess verlauten, im Interesse der deutsch-schweizerischen Freundschaft habe der Staatssekretär Aufklärung bezüglich des wegen Spionageverdachts verhafteten Schweizer Staatsbürgers verlangt.

In der Schweiz erweckte der Fall grosses Aufsehen. Von verschiedener Seite wurde eine Untersuchung des Falles sowie der Rolle des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), des Bundesrates sowie der Bundesanwaltschaft gefordert.

Der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) war Daniel Moser bereits aus dem Verfahren der BA gegen ihn bekannt, über das sie seit Februar 2015 regelmässig von der BA orientiert wurde. Am 4. Mai 2017 hörte die GPDel in einer ausserordentlichen Sitzung Vertreter des NDB sowie der BA an. 1 Nach weiteren Anhörungen am 24. Mai 2017 kam die GPDel zum Schluss, dass aufgrund der gesamten Umstände und der grossen Resonanz in der Öffentlichkeit die lückenlose Aufklärung der Hintergründe dieser Angelegenheit angezeigt ist, und beschloss, den Fall Daniel Moser im Rahmen einer Inspektion vertiefter zu untersuchen.2

1.2

Umfang der Untersuchung und Abgrenzungen

Die GPDel führte ihre Untersuchung mit der Zielsetzung durch, den Umfang und die Qualität der Führung der Quelle Daniel Moser durch den NDB umfassend abzuklären, die Rechtmässigkeit und Zweckmässigkeit seines Einsatzes im Kontext der Spionageabwehr sowie des Schutzes des Finanzplatzes Schweiz zu beurteilen, das 1 2

Medienmitteilung der GPDel vom 4. Mai 2017.

Medienmitteilung der GPDel vom 30. Mai 2017.

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Funktionieren der Aufsicht und der Oberaufsicht im vorliegenden Fall zu überprüfen, allfällige Verantwortlichkeiten festzustellen sowie die nötigen Schlussfolgerungen zu ziehen und Empfehlungen an die betroffenen Behörden zu richten.

Die Untersuchung sollte Aufschluss über die folgenden Hauptfragen geben: ­

Seit wann und wie lange wurde Daniel Moser als Quelle des NDB beschäftigt? Welche Aufträge des NDB hatte er? Wie wurde er geführt?

­

Wie wurde der damalige Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) informiert? Wie übte er seine direkte Aufsicht über den NDB aus? Welche Rolle spielte die Nachrichtendienstliche Aufsicht des Generalsekretariats VBS (ND-Aufsicht)?

Wie informierte der Vorsteher des VBS den Bundesrat? Wie wurde der Sicherheitsausschuss des Bundesrates (SiA) einbezogen?

­

Wie und wann informierte der NDB die GPDel über die Operationen, in die Daniel Moser involviert war? Wie und wann informierte der damalige Vorsteher des VBS die GPDel?

­

Welche Kontakte bestanden zwischen NDB und Bundeskriminalpolizei (BKP)? Hat die BKP im Auftrag der BA gehandelt? Hat sie darüber hinaus eigene Abklärungen getroffen?

­

Wie informierte der NDB die BA über den Einsatz der Quelle Daniel Moser? Welche Rolle spielte das Strafverfahren der BA im Zusammenhang mit der Verhaftung der Quelle in Deutschland?

­

Wie hat die GPDel ihre Oberaufsicht in Bezug auf die Quelle Daniel Moser wahrgenommen und wie nimmt sie ihre Oberaufsicht allgemein über die Operationen wahr? Wie hat der Direktor NDB die Vizepräsidentin der GPDel Anfang Mai 2017 über den Einsatz von Daniel Moser als Quelle informiert?

Parallel zur Untersuchung der GPDel leitete die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) Abklärungen zu folgenden Fragen ein:3 ­

Hat die BA von Daniel Moser erlangte Informationen für ihr Untersuchungsverfahren gegen drei Beamte der deutschen Steuerbehörden verwendet?

­

Ist die BA in irgendeiner Weise in die Aktivitäten von Daniel Moser involviert, die er für den Nachrichtendienst des Bundes ausgeübt haben soll?

­

Widerspricht das Vorgehen der BA bei der Gewährung des Akteneinsichtsrechts dem üblichen Standard?

Da die AB-BA keine Aufsicht über die BKP und den NDB ausübt, konnte sie die Aussagen der BA nur anhand derer Akten überprüfen, diese aber nicht anhand von Aussagen und Dokumenten der BKP bzw. des NDB verifizieren. Da die GPDel über umfassende Informationsrechte gegenüber allen Behörden des Bundes verfügt, 4 ver3 4

Siehe Medienmitteilung der AB-BA vom 17. Mai 2017.

Art. 153, 154, 155 sowie Art. 166­171 des Parlamentsgesetzes (ParlG, SR 171.10); der GPDel können gemäss Art. 169 Abs. 2 BV keine Geheimhaltungspflichten entgegengehalten werden.

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einbarten die GPDel und die AB-BA, ihre Untersuchungsergebnisse soweit nötig gegenseitig abzugleichen und Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Die GPDel beschloss im Weiteren, die fachliche Beurteilung der AB-BA in ihrem Zuständigkeitsbereich im vorliegenden Bericht mit zu berücksichtigen.

1.3

Vorgehen

Die GPDel edierte alle relevanten Akten des NDB (insbesondere die geheim klassifizierten Akten der Quellenführung und der Steuerung), der ND-Aufsicht, des Vorstehers des VBS, des Bundesrates, der BKP und der BA; sie erhielt zudem Einsicht in die Akten des Strafverfahrens gegen Daniel Moser in Deutschland. Weitere Akten gingen der GPDel von den Anwälten von Daniel Moser zu. Die involvierten Stellen lieferten der GPDel zudem einverlangte schriftliche Berichte ab und beantworteten schriftliche Fragenkataloge. Die GPDel hat im Weiteren Daniel Moser angehört; die Sachverhaltsdarstellungen im vorliegenden Bericht stützen sich jedoch auf Informationen und Unterlagen der Bundesbehörden.

Die GPDel befasste sich an 10 Sitzungen mit der Inspektion und hörte 21 Personen (teils wiederholt) an.5 Die GPDel gewährte allen betroffenen Behörden sowie Daniel Moser Gelegenheit zur Stellungnahme zu den sie betreffenden Teilen des Berichtsentwurfs. Im Weiteren lud die GPDel auch Nationalrätin Corina Eichenberger ein, zum Berichtsteil über die Kommunikation der GPDel Stellung zu nehmen. Die Einwände der Konsultierten wurden von der GPDel im Einzelnen geprüft und soweit möglich im vorliegenden Bericht berücksichtigt.

Im Rahmen der Konsultation brachte das VBS grundsätzliche Einwände gegen die Rechtsauffassung der GPDel (Ziff. 2.1 und 3.1, insb. 3.1.3) vor. Die GPDel hat 2007 mit der Parlamentarischen Initiative Hofmann6 die Zusammenlegung der Dienste verlangt und war Initiantin des Bundesgesetzes über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG). 7 Sie hat die Gesetzgebung geprägt und hält deshalb an ihrer Rechtsauffassung fest, die sie stets vertreten hat. In Bezug auf die Spionageabwehr unter dem Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS)8 und dem ZNDG verweist sie auf das Gutachten des Bundesamtes für Justiz (BJ) vom 2. Dezember 2010 (vgl. Ziff. 3.3). Das VBS, das EFD sowie das EDA haben im Weiteren Publikationsvorbehalte aus überwiegenden Geheimhaltungsinteressen geltend gemacht. Nach eingehender Abwägung aller Interessen und nach Vornahme diverser Anpassungen beschloss die GPDel, den GPK die Publikation zu beantragen.

5 6 7 8

Siehe Verzeichnis der angehörten Personen.

Pa.Iv. 07.404 «Übertragung der Aufgaben der zivilen Nachrichtendienste an ein Departement» vom 13. März 2007.

Bundesgesetz vom 3. Okt. 2008 über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (SR 121, aufgehoben per 1. Sept. 2017).

Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (SR 120, teilweise aufgehoben per 1. Sept. 2017).

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Im Weiteren prüfte die GPDel den Berichtsentwurf im Hinblick auf Informationen und Aussagen, die im Interesse des Staatsschutzes oder des Nachrichtendienstes nicht publiziert werden dürfen oder aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes vertraulich zu behandeln sind. Sie hat dabei einen äusserst restriktiven Massstab angelegt, um das Parlament und die Öffentlichkeit möglichst umfassend zu informieren.

Entsprechend diesem Grundsatz wurden einzelne Passagen des Berichts aus der veröffentlichten Version entfernt (im Bericht als graue Flächen hinterlegt). Der geheim klassifizierte Gesamtbericht geht an den Bundesrat.

Am 13. März 2018 verabschiedete die GPDel den Gesamtbericht und stellte den zur Veröffentlichung vorgesehenen Bericht den Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrates und des Ständerates (GPK) zu.9 Diese stimmten an ihrer gemeinsamen Sitzung vom 26. März 2018 der Veröffentlichung des Berichts zu.

2

Zusammenarbeit des NDB mit Daniel Moser als Quelle von 2010 bis 2014

2.1

Organisation der Quellenführung im NDB

Aufgrund der parlamentarischen Initiative (07.404) des damaligen Präsidenten der GPDel, Ständerat Hans Hofmann, wurden die zivilen Nachrichtendienste DAP (Dienst für Analyse und Prävention) und SND (Strategischer Nachrichtendienst) im Jahr 2009 dem gleichen Departement, d. h. dem VBS unterstellt. Auf das Jahr 2010 wurden sie zu einem einzigen Dienst zusammengelegt. Die Aufgaben des NDB regelte das Parlament im ZNDG.

Während das ZNDG verlangte, dass für die Auswertung alle beschafften Informationen zusammengeführt werden müssen, wurde im Gesetz zugleich eine Trennung der Informationsbeschaffung über das Ausland und der Informationsbeschaffung nach dem BWIS angelegt. Entsprechend wurden gestützt auf Artikel 15 der Verordnung über den Nachrichtendienst des Bundes (V-NDB)10 innerhalb der Abteilung Beschaffung des NDB (NDBB) die Beschaffung Ausland (NDBB-A) und die Beschaffung Inland (NDBB-I) organisatorisch getrennt geführt.11 Inland- und Auslandbeschaffung wurden wiederum thematisch in Fachkommissariate, respektive Beschaffungsbereiche aufgeteilt, denen die einzelnen Quellenführer angehörten.

Quellenführer wurden insbesondere in der Auslandbeschaffung als Führungsoffiziere (FO) bezeichnet. Operationen konnten auch eine spezifische Zusammenarbeit mit einem Partnerdienst im Inland oder im Ausland betreffen. In der Regel dienten sie 9

10 11

Der GPDel gehörten während der Inspektion die folgenden Mitglieder an: Ständerat Alex Kuprecht (Leitung der Inspektion, bis 31. Dez. 2017 Präsident), Nationalrätin Maya Graf, Nationalrat Alfred Heer, Nationalrat Hugues Hiltpold (seit 5. Sept. 2017), Ständerat Claude Janiak (seit 1. Jan. 2018 Präsident), Ständerätin Anne Seydoux-Christe.

Verordnung vom 4. Dez. 2009 über den Nachrichtendienst des Bundes (SR 121.1, aufgehoben per 1. Sept. 2017).

Mit dem Inkrafttreten des Nachrichtendienstgesetzes (NDG) per 1. Sept. 2017 wurden das ZNDG und die V-NDB aufgehoben. Die Regelungen des BWIS zur Inlandbeschaffung wurden in das NDG überführt. Die organisatorische Trennung zwischen Beschaffung Inland und Beschaffung Ausland wurde auf den 1. April 2017 aufgehoben (vgl. Ziff. 3.1.3).

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auch der Quellenführung. In der Inlandbeschaffung wurde die Führung einer Quelle durchwegs als Operation bezeichnet.

Die Zuständigkeit, eine Operation zu bewilligen, zu führen oder herunterzufahren, lag beim Chef NDBB. Eines der Handbücher12 zur Quellenführung wies auch explizit die Aufsicht über Operationen in die Zuständigkeit des Chefs NDBB.

Für die Inland- und Auslandbeschaffung hatte der Chef NDBB separate Handbücher genehmigt. In der Regel mussten die FO für jedes Treffen mit einer Quelle vorgängig ein Kontaktprogramm vorlegen, in welchem auch die geplanten Kosten und Zahlungen an die Quelle ausgewiesen wurden.

Entschädigungen oder Prämien an Quellen sind im Gesetz vorgesehen und müssen nicht versteuert werden. Je nach Höhe der Kosten muss der Kontakt von einer übergeordneten Stelle genehmigt werden. Nach dem Kontakt erstellt der FO ein Protokoll, in welchem die Resultate, allfällige Abmachungen, Zahlungen und Besonderheiten festgehalten werden. Sie werden vom Vorgesetzten des FO, allenfalls auch vom Chef NDBB visiert und bei Bedarf mit Kommentaren und Fragen ergänzt.

Zu jeder Quelle führt der NDB ein Dossier, in welchem die Unterlagen, die bei der Quellenführung anfallen, systematisch aufbewahrt werden. Ein Dossier kann über die Jahre sehr umfangreich werden. Der Zugang zu diesen Akten wird innerhalb der Abteilung NDBB restriktiv gehandhabt.

Die Aufträge für die Informationsbeschaffung ergeben sich grundsätzlich aus den gesetzlichen Aufgaben des NDB. Die thematischen Schwerpunkte und damit auch die Priorisierung des Ressourceneinsatzes legt der Bundesrat mindestens alle vier Jahre im Grundauftrag des NDB fest.

Nach dem klassischen nachrichtendienstlichen Prozessmodell verarbeitet die Auswertung eines Dienstes die Resultate der Beschaffung in Berichte zuhanden der Stellen, für welche der Dienst letztlich tätig ist. Die Abteilung Auswertung (NDBA) ist somit am besten in der Lage, die Qualität der beschafften Informationen zu bewerten und zu erkennen, welche Informationen ihr noch fehlen. Die Beschaffung wiederum benötigt diese Rückmeldungen, um die Resultate einer Quelle zu beurteilen und ihr zweckmässige Folgeaufträge zu erteilen.

Neben den Abteilungen Beschaffung (NDBB) und Auswertung (NDBA) besitzt der NDB zusätzlich auch eine Abteilung Steuerung und Lage (NDBS). Aufgabe der
Steuerungsverantwortlichen ist es, einen regelmässigen Kontakt mit den Kunden des NDB zu pflegen, ihre Informationsbedürfnisse zu erheben und gestützt darauf die Produktion der Auswertung zu steuern.

2.2

Führung der Quelle Daniel Moser durch den NDB

Den ersten Kontakt zwischen Daniel Moser und dem NDB vermittelte ursprünglich ein Mitarbeiter des NDBB. Seit Juli 2010 führte der NDB Daniel Moser als rekrutierte Quelle der Auslandbeschaffung (NDBB-A). Als eine der ersten Aufgaben 12

Vgl. Jahresbericht 2015 der GPK und GPDel vom 29. Jan. 2016, Ziff. 4.2.3 (BBl 2016 6241 6310).

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sollte Daniel Moser eine Übersicht über sein weltweites Netz an Subquellen liefern.

Im November 2010 lieferte er eine rudimentäre Darstellung dazu. Es gab allerdings wenige Bereiche mit Bezug zu den direkten Interessensgebieten der Auslandbeschaffung und keine spezifische Überschneidung mit dem thematischen Beschaffungsbereich, in welchem sein FO tätig war.

Der NDB versuchte deshalb, für die angegebenen Zugänge im Ausland Aufträge zu finden, die mit den Interessen des NDB korrespondierten, um damit zugleich auch den Nutzen von Daniel Moser zu testen. Für die Abteilung Auswertung hingegen lieferten diese Berichte, die Daniel Moser bei Dritten in Auftrag gegeben hatte, keinen Wissensgewinn gegenüber offenen Quellen. In anderen Fällen war nicht erkennbar, ob die Berichte ein klar definiertes Interessensgebiet des NDB abdeckten.

In den Unterlagen zur Quellenführung findet sich keine positive Rückmeldung seitens der Auswertung.

Am 28. Juni 2011 übernahm Daniel Moser den Auftrag, ergänzende Personalien von Steuerfahndern des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (NRW) zu beschaffen, gegen welche die BA und die BKP im Rahmen des Strafverfahrens EISBEIN13 ermittelten. Dieses Verfahren betraf den Datendiebstahl bei der Credit Suisse (CS) und war am 8. Februar 2010 gegen Unbekannt eröffnet worden. Die Person, welche die Daten an die deutschen Steuerfahnder verkauft hatte, war im September 2010 verhaftet worden. Ermittelt wurde auch gegen die deutschen Steuerfahnder, welche die Daten gekauft haben. Um zusätzliche Angaben zu den Personalien der Verdächtigen zu erhalten, richtete die BKP im Januar 2011 eine Anfrage an den NDB.

Der Eingang des Antrags der BKP wurde am 28. Februar 2011 im NDB quittiert und ging zuerst an die Inlandbeschaffung. Am 2. Mai 2011 lehnte jedoch der Chef NDBB-I den Auftrag ab, nachdem sich der Leiter des Fachkommissariats Spionageabwehr am 21. April 2011 wegen fehlender Ressourcen und fehlender Zuständigkeit

13

Siehe «Strafverfahren mit einem Bezug zu Daniel Moser im Überblick» am Ende dieses Berichts.

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für die Informationsbeschaffung im Ausland dagegen ausgesprochen hatte. Der Chef NDBB war vorerst mit dem Entscheid einverstanden.

Parallel dazu erkundigte sich jedoch die BKP am 27. April 2011 beim Steuerungsverantwortlichen für die Spionageabwehr in der Abteilung NDBS (erneut) nach den Resultaten zu ihrer Anfrage. Am 3. Mai 2011 äusserte sich der Steuerungsverantwortliche dezidiert gegen eine Ablehnung der Anfrage der BKP, indem er die erhebliche Bedeutung des Geschäfts ­ auch für den NDB ­ hervorhob. Danach wurde die Anfrage der BKP offenbar an die Auslandbeschaffung weitergeleitet.

Am 5. Juli 2011 erhielt Daniel Moser vom FO ein Raster («Sudoku») mit Angaben zu vier Personen, das er von einer Subquelle vervollständigen lassen wollte. Diese Subquelle soll ihm in der Vergangenheit geholfen haben, Aktivitäten ausländischer Steuerfahnder auf dem Finanzplatz Zürich aufzudecken. Die erhaltenen Ergänzungen zum Raster übergab Daniel Moser dem FO beim nächsten Treffen am 2. September 2011.

Der NDB übermittelte diese Informationen am 9. September 2011 in Form eines Amtsberichts an die BKP. Diese leitete am 19. September 2011 die Informationen als Nachtragsbericht an die BA weiter. Über seine Vorgesetzten erhielt der FO auch ein Lob des Direktors NDB. Zum Jahresabschluss nahm der Chef NDBB als Zeichen der Anerkennung an einem Treffen mit der Quelle teil.

Im ersten Halbjahr 2012 wollte Daniel Moser aufgrund seiner inländischen und ausländischen Kontakte von Plänen erfahren haben, im grossen Stil Potentaten- und Drogengelder in der Schweiz zu waschen. Ein Teil dieser Informationen wurde vom NDB an die BKP weitergegeben.

Der FO war sich wohl bewusst, dass die Auswertung des NDB nicht die personellen Ressourcen hatte, die von Daniel Moser angebotenen Informationen richtig zu bearbeiten. Gleichzeitig bezeugte die Abteilung Steuerung jedoch, dass seitens des NDB ein grosses Interesse an diesen Informationen bestand. In den Kontaktprotokollen erwähnte der FO wiederholt das fehlende Mandat des NDB in Sachen Finanzplatz. Gleichzeitig zweifelte er jedoch nicht am Interesse der Führung des NDB

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an solchen Informationen und glaubte, dass ihre Beschaffung wahrscheinlich dem NDB «politisch hilft».14 Die Informationen von Daniel Moser zu den Potentatengeldern nahm die BKP ausreichend ernst, um ein Treffen einer Gruppe von Personen zu observieren, auf welches Daniel Moser den NDB vorgängig hingewiesen hatte.

Der NDB wurde von der BKP über die Ergebnisse der Observation informiert, und Daniel Moser erhielt in der Folge den Auftrag, über seine Zugänge ergänzende Informationen zum observierten Treffen zu beschaffen. An einer Sitzung glichen danach die BKP und der FO die Informationen der beiden Seiten ab. Unklar ist, ob ein geplantes Abschlussgespräch zwischen dem FO und der BKP Ende Sommer noch stattfand. Auf jeden Fall ergaben sich für die BKP zu wenige Anhaltspunkte, um Vorermittlungen aufzunehmen.

Anfang Dezember 2012 stellte der NDB der BKP noch einen abschliessenden nachrichtendienstlichen Informationsbericht in dieser Sache zu.

Im August 2012 erfuhr die Öffentlichkeit, dass die Steuerverwaltung von NRW in den Besitz von Bankkundendaten der UBS gelangt war. Aufgrund dieser Informationen wurde im November 2012 in ganz Deutschland gegen mutmassliche Steuerhinterzieher ermittelt.

Nachdem die UBS aufgrund interner Abklärungen den potenziellen Täterkreis auf eine Person eingrenzen konnte, informierte die Bank im November 2012 den NDB über deren Personalien. Während die UBS ihre interne Untersuchung weiterführte, eröffnete das Fachkommissariat Spionageabwehr der Inlandbeschaffung nach ersten Vorabklärungen am 12. Februar 2013 eine Operation nach BWIS.

14

Kontaktprotokoll vom 15. Mai 2012.

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Auf Seiten der Auslandbeschaffung erhielt der FO den Auftrag, Daniel Moser am 4. Dezember 2012 anzufragen, ob sein Netzwerk den Urheber des Datendiebstahls bei der UBS und seine deutschen Quellenführer identifizieren könne. Wie und warum dieser Auftrag zustande gekommen war, liess sich für die GPDel auch nach Befragung des NDB nicht mehr erklären.

Gemäss Kontaktprotokoll des NDB unterbreitete Daniel Moser am 5. Dezember 2012 dem NDB das Angebot, mit einer Subquelle ein Dispositiv aufzubauen, um die zukünftigen Angriffe der deutschen Behörden auf den Finanzplatz Schweiz rechtzeitig erkennen und verhindern zu können. Dies würde auch erlauben, den Namen des Datendiebes zu eruieren. Die Subquelle verlangte dafür 90 000 Euro, davon 60 000 Euro als Vorauszahlung. Laut Daniel Moser war es der NDB, der ihm den Vorschlag machte, ein solches Dispositiv in Deutschland aufzubauen. Die GPDel konnte diesen Widerspruch nicht auflösen.

Am 12. Dezember 2012 wurde der Auftrag an Daniel Moser zu den Konditionen, die Daniel Moser genannt hatte, vom Chef NDBB bewilligt. Die erste Vorauszahlung von 30 000 Euro erfolgte noch im Dezember 2012, die zweite Tranche von wiederum 30 000 Euro einen Monat später.

Nachdem Daniel Moser Mitte Januar 2013 die vollständige Vorauszahlung erhalten hatte, meldete er dem FO, dass er seine Subquelle getroffen und mit ihr interessante Ansätze für das weitere Vorgehen besprochen habe. Als er in den folgenden Treffen von Mitte Februar, März und Anfang April 2013 dem FO keine Resultate liefern konnte, führte er jeweils neue Gründe für den ausstehenden Erfolg der Subquelle ins Feld.

In der Zwischenzeit zeitigte auch die Operation der Inlandbeschaffung zum Datendiebstahl bei der UBS keine Resultate. Am 18. März 2013 erstattete die UBS Anzeige gegen Unbekannt, und die BA eröffnet am 20. März 2013 die Strafuntersuchung EISFELD15, u. a. auch wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB16). Mitte April 2013 wurde das Strafverfahren auf die Person ausgedehnt, auf 15 16

Siehe «Strafverfahren mit einem Bezug zu Daniel Moser im Überblick» am Ende dieses Berichts.

Schweizerisches Strafgesetzbuch (SR 311.0)

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welche sich die Inlandbeschaffung des NDB aufgrund der Angaben der UBS bereits konzentriert hatte. Die Operation von NDBB-I wurde im Nachgang zur Strafanzeige der UBS dann auch eingestellt.

Der BKP und der BA blieb diese Zusammenarbeit des NDB mit der UBS offenbar nicht verborgen. Die BKP kritisierte denn auch anlässlich einer Anhörung vor der GPDel im Juli 2013 den Versuch des NDB, den Datendieb noch im Rahmen seiner präventiven Aufgaben zu lokalisieren, obwohl die Straftat bereits erfolgt war. 17 Die BA wiederholte diese Kritik später im Rahmen der Inspektion der GPDel.

Als Daniel Moser am 22. April 2013 immer noch keine brauchbaren Informationen aus Deutschland liefern konnte, verlangte der FO auf Ende des Monats einen schriftlichen Bericht über die bisher erfolgte Arbeit. Daniel Moser lieferte diesen Bericht jedoch nicht und traf den FO erst wieder im August 2013. In Anwesenheit des Chefs NDBB-A erläuterte Daniel Moser, dass die Subquelle eine Person bei der Steuerverwaltung des Bundeslandes NRW eingeschleust habe, damit diese später in die Steuerfahndung wechseln könne. Für die weitere Umsetzung dieses Plans verlangte Daniel Moser noch die restlichen 30 000 Euro des Kostenrahmens, den er im Dezember 2012 mit dem NDB vereinbart hatte.

Im Dezember 2013 traf sich Daniel Moser erneut mit dem NDB. Resultate zum ursprünglichen Beschaffungsauftrag lagen keine vor. Im verlangten Bericht erläuterte Daniel Moser die Verwendung des Vorschusses von 60 000 Euro und versuchte, die laufenden Fortschritte bei der Platzierung eines Maulwurfs bei den Behörden von NRW aufzuzeigen.

Anlässlich seines letzten Treffens mit dem NDB am 4. Februar 2014 wurde Daniel Moser dahingehend informiert, dass im Rahmen einer weiteren Zusammenarbeit nur noch dann Zahlungen erfolgen würden, wenn er auch Informationen liefern könne.

Als verschiedene Versuche des NDB, Daniel Moser erneut zu kontaktieren, scheiterten, wurde die Operation auf den 31. Mai 2014 eingestellt und entsprechend auch in der jährlichen Berichterstattung von Mitte 2014 an den Vorsteher des VBS und die GPDel vermerkt.

17

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 3. Juli 2013, S. 76.

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2.3

Aufsicht durch den Vorsteher des VBS und Information des Bundesrates

Artikel 24 Absatz 5 V-NDB regelte die VBS-interne Aufsicht über die Führung von menschlichen Quellen und Operationen des Dienstes. Diese Bestimmung galt sowohl für die Aktivitäten der Inland- als auch der Auslandbeschaffung.

Laut der Bestimmung hatte der NDB mindestens jährlich die einzelnen Operationen und menschlichen Quellen zu beurteilen und dies schriftlich zuhanden des Vorstehers des VBS und der Aufsichtsorgane festzuhalten. Der primäre Adressat dieser Beurteilung war der Vorsteher des VBS, der auch die politische Verantwortung für alle Operationen trug. Eine Informationspflicht bezüglich der Operationen des NDB gegenüber dem Bundesrat sah die Verordnung nicht vor.

Um diesen Auftrag zu erfüllen, beschrieb der NDB jeweils in einem Bericht die eingestellten, neu begonnenen und weiterhin laufenden Operationen in allgemeiner Form. Den ersten Bericht dieser Art erstellte der NDB auf den Sommer 2010. Da sich der Zeitraum der Berichterstattung auch noch auf das zweite Semester 2009 bezog, lieferte der NDB zusätzlich zwei Listen, die sich bezüglich des Formats an der Berichterstattung der Vorgängerorganisationen DAP und SND orientierten. Ab 2011 wurde die Berichterstattung in einer einzigen Liste konsolidiert und harmonisiert, allerdings auf Kosten des Informationsgehaltes, denn für die Operationen der Inlandbeschaffung wurden nun die Kosten auch nicht mehr ausgewiesen.

Rückblickend konnte die GPDel nicht mehr genau eruieren, wie der Chef VBS die Aufsicht über die Operationen für die Jahre 2010 bis 2014, in welchen der NDB Daniel Moser als Quelle führte, handhabte. Als die GPDel im August 2010 die Liste der Operationen mit dem Direktor des NDB besprach, zeigte sich, dass weder der Direktor des NBD noch sein Stellvertreter die Liste mit dem damaligen Vorsteher des VBS durchgegangen war. Für den Direktor NDB war es auch eher die Aufgabe der Nachrichtendienstlichen Aufsicht (ND-Aufsicht), welche die Liste ebenfalls erhielt, dem Departementsvorsteher Änderungen vorzuschlagen.18 In der Praxis orientierte der Direktor NDB nach eigenen Aussagen hingegen den Vorsteher des VBS in den bilateralen Gesprächen, die alle zwei bis drei Wochen stattfanden, über Operationen, die eine gewisse Bedeutung hatten oder politisch potenziell brisant waren. Aufgrund dieser Informationspflicht, so der Direktor NDB, überlege
sich der Dienst deshalb schon vorgängig, wie weit er allenfalls mit einer Operation gehen könne.

Aufgrund der Einsicht in die Traktanden der bilateralen Gespräche vom Sommer 2011 besitzt die GPDel keine Anhaltspunkte, dass der Vorsteher des VBS die jährliche Berichterstattung über die Operationen mit dem Direktor NDB besprochen hätte.

Nachdem Daniel Moser Anfang September 2011 für den NDB die Zusatzinformationen zu den deutschen Steuerfahndern beschafft hatte, erhielt der Vorsteher des VBS dazu vom NDB am 9. September 2011 eine Aktennotiz. Als einzige Angabe zur Operation selbst wurde darin festgehalten, dass die erwähnten Informationen von einer menschlichen Quelle der Beschaffung im Ausland stammten. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass mit dem Vorsteher des VBS auch die Frage thematisiert wurde, 18

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 27. Aug. 2010, S. 21.

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ob die Informationsbeschaffung den Einsatz der Quelle in Deutschland selbst notwendig machte.

Im Jahr darauf bestätigte der Direktor NDB der GPDel, dass der Vorsteher des VBS die Liste der Operationen vorgängig zu ihrer Präsentation durch den NDB vor der Delegation erhalten hatte, liess jedoch offen, ob der Vorsteher des VBS gestützt darauf mit dem NDB auch einzelne Operationen, beispielsweise die Weiterführung der Quelle Daniel Moser, besprochen hatte.

Im Oktober 2014 nahm die GPDel die Affäre Giroud 19 zum Anlass für eine Diskussion mit dem Vorsteher des VBS darüber, wie das VBS eine adäquate Aufsicht über die Operationen des NDB gewährleisten könnte. Angesichts der Menge der aktiven Operationen sah sich der Vorsteher des VBS ausserstande, alle zu kontrollieren.

Relevant für seine Aufsicht war deshalb nicht eigentlich die jährliche Berichterstattung: Vielmehr erwartete er, dass der Direktor NDB ihm laufend die notwendigen Informationen in den Monatsgesprächen und den dazwischen stattfindenden Kurzrapporten lieferte.

Laut dem damaligen Vorsteher des VBS war auch vorgesehen, dass der Direktor NDB ihn über ausserordentliche Vorkommnisse sofort informierte. Letztlich zeigte sich der damalige Vorsteher des VBS überzeugt, die Aufsicht über die Operationen mit den laufenden mündlichen Erklärungen des Direktors des NDB im Griff zu haben.20 Der Vorsteher des VBS sah zudem einen Vorteil darin, dass der Leiter der NDAufsicht seit Februar 2013 an den Monatsgesprächen des Vorstehers VBS mit dem Direktor NDB teilnahm. So habe die ND-Aufsicht immer die gleichen Informationen wie der NDB und der Vorsteher des VBS, und es sei damit gewährleistet, dass die Aufsicht eingreifen könne, wenn sie etwas als kritisch beurteilen würde.21 Im Rahmen ihrer Inspektion hat die GPDel erneut den früheren Vorsteher des VBS und auch die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) zur Rolle des Bundesrates befragt und einen Auszug des Protokolls der Bundesratssitzung vom 13. September 2011 konsultiert. Demzufolge hatte der damalige Vorsteher des VBS den Bundesrat gestützt auf eine Sprechnotiz mündlich darüber informiert, dass der NDB die deutschen Käufer von Steuerdaten identifizieren konnte. Er regte an, dass die anderen Mitglieder des Kollegiums diese Tatsache in Gesprächen mit deutschen Behörden
erwähnen könnten.

Laut der Vorsteherin des EJPD kann aus einer solchen mündlichen Information nicht geschlossen werden, dass die betreffende nachrichtendienstliche Operation dadurch stillschweigend vom Kollegium bestätigt wurde, insbesondere wenn kein anderes Mitglied dazu Stellung nahm. Beide Departementsvorsteher vertraten zudem die Ansicht, dass einzelne Operationen des NDB auf Stufe des Bundesrates eigentlich nicht besprochen würden.

19 20 21

Jahresbericht 2014 der GPK und GPDel vom 30. Jan. 2015, Ziff. 4.4 (BBl 2015 5217, 5283­5284).

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 22. Okt. 2014, S. 43.

Ab dem 17. Januar 2014 erstellte der Leiter der ND-Aufsicht jeweils ein Kurzprotokoll der Gespräche zwischen dem Vorsteher des VBS und dem Direktor NDB. Nicht protokolliert wurde allerdings der Teil des Gesprächs, der nur unter vier Augen stattfand.

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Die einzige Operation, welche der Bundesrat spezifisch besprochen hat, ist nach dem Wissenstand der GPDel ein Fall, den die Delegation von sich aus dem Sicherheitsausschuss des Bundesrates (SiA) vorgelegt hatte.

2.4

Kontrollen der Nachrichtendienstlichen Aufsicht

Das ZNDG verpflichtete das VBS, gleichzeitig mit der Schaffung des NDB eine dazugehörige Verwaltungskontrolle aufzubauen. Während unter dem BWIS im EJPD bereits seit den Neunzigerjahren eine solche verwaltungsinterne Aufsicht bestanden hatte, musste nun erstmals auch die Tätigkeit des Auslandnachrichtendienstes explizit einer solchen Kontrolle unterstellt werden.

Zusammen mit dem DAP übernahm das VBS Mitarbeiter des bisherigen Inspektorats des EJPD, welche in die neue ND-Aufsicht integriert wurden. Auch die relevanten Weisungen des EJPD blieben bis Anfang 2011 anwendbar. Für die Aufsicht über die Quellenführung der Auslandbeschaffung kam ab 2010 die bisherige Kontrollpraxis für die Operationen des DAP zum Einsatz. Entsprechend beschränkten sich die Kontrollen darauf, eine kleine Auswahl von Operationsdossiers auf formale Aspekte hin zu überprüfen.

Der Aufbau der ND-Aufsicht war im Jahr 2012 vorerst durch personelle Abgänge geprägt, was aber längerfristig auch eine Stärkung ihrer Fachkompetenzen und Ressourcen ermöglichte.22 Die Überprüfung der Operationen erfolgte weiterhin nach altem Muster und es gab keine materiellen Empfehlungen zu einzelnen Operationen.

Eines der eingesehenen acht Dossiers der Auslandbeschaffung betraf den Einsatz von Daniel Moser (Stand Mitte 2012).

22

Jahresbericht 2012 der GPK und GPDel vom 24. Jan. 2013, Ziff. 4.3.10 (BBl 2013 3513 3592 ff).

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Im Jahr 2013 fokussierte die ND-Aufsicht ihre Prüfung der Operationen auf die Spionageabwehr. Für sechs solche Operationen wurden die Angaben auf der Liste der Operationen und der Inhalt ihrer Dossiers verglichen. Zugleich überprüfte die ND-Aufsicht die Organisation und die Ressourcen der Spionageabwehr des NDB nicht nur in Bezug auf das betreffende Fachkommissariat, sondern auch in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Auswertung und die gesamthaft verfügbaren personellen Ressourcen. In allen Belangen ortete die ND-Aufsicht den personellen Unterbestand als zentrales Problem der Abwehr. Die ND-Aufsicht empfahl deshalb dem Chef VBS, sieben neue Stellen für die Spionageabwehr zu schaffen. Der Vorsteher des VBS beauftragte den NDB, einen Antrag zur Erhöhung der Personalressourcen einzureichen.

In ihrem Inspektionsbericht vom 3. März 2014 thematisierte die ND-Aufsicht überdies die Notwendigkeit, für die jährliche Beurteilung der Operationen ein Raster mit einheitlichen Prüfkriterien zu entwickeln und einzuführen. Aufgrund der Vorbehalte des NDB verzichtete die ND-Aufsicht jedoch auf eine formelle Empfehlung an den Vorsteher des VBS. Als die GPDel Ende 2014 dieses Anliegen mit dem Vorsteher des VBS direkt aufnahm, liess dieser von seiner Aufsicht und dem NDB gemeinsam entsprechende Kriterien entwickeln (vgl. Ziff. 3.8).

Im Rahmen des Kontrollplans für 2014 unterzog die ND-Aufsicht sechs Quellenführungsdossiers der Beschaffung Ausland und fünf Operationsdossiers der Beschaffung Inland einer materiellen Überprüfung. In der Folge empfahl sie erstmals, eine Quellenbeziehung der Auslandbeschaffung einzustellen. Eine zweite Empfehlung betraf die Änderungen des Auftrags an eine Inlandquelle, für welchen der NDB keine gesetzliche Grundlage hatte. Da die Operation mit Daniel Moser auf Ende Mai 2014 eingestellt wurde, war sie für diese Überprüfung der ND-Aufsicht nicht mehr von Bedeutung.

2.5

Information der GPDel zu einzelnen Operationen

Angesichts des Umfangs der Liste der Operationen des NDB während der Zeit des Einsatzes von Daniel Moser war eine Behandlung jeder gemeldeten Operation für die GPDel aus rein praktischen Gründen unmöglich. Dies hätte auch der Rolle der Oberaufsicht widersprochen, welche im Verhältnis zur direkten Aufsicht durch die Exekutive grundsätzlich nur subsidiär ist.

Für ihre Oberaufsicht benötigen die Mitglieder der GPDel ein Grundverständnis dafür, wie der NDB mit menschlichen Quellen arbeitet. Zu diesem Zweck lässt sich die GPDel jedes Jahr eine gewisse Anzahl von Operationen detaillierter präsentieren. Über die Jahre hinweg waren das durchschnittlich neun Operationen pro Jahr, die meisten davon anlässlich der jährlichen Behandlung der Operationsliste. Damit deckt die GPDel nur einen kleinen Anteil der Operationen ab. Ein grosser Teil der Operationen wird somit eröffnet und eingestellt, ohne dass sich die GPDel je damit befasst.

Im Mai 2012 und im August 2015 haben die Mitglieder der GPDel Einblick in insgesamt rund 20 Operationsdossiers genommen. Dies erfolgte vor Ort beim NDB

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und Vertreter des NDBB standen für Auskünfte zur Verfügung. Im Jahr 2012 war die Spionageabwehr ein thematischer Schwerpunkt.

Die Operation mit Daniel Moser erschien erstmals in der jährlichen Berichterstattung an den Vorsteher des VBS vom 8. August 2011. Die Liste deckte den Berichtszeitraum der zwei vorhergehenden Semester ab und zeigte, dass die betreffende Operation am 13. Juli 2010 eröffnet worden war. Neben sicherheitspolitischen Themen wurde auch der Finanzplatz als ein Aufklärungsgebiet genannt. Diese Operation war kein Thema, als die GPDel die Liste mit dem NDB am 26. August 2011 besprach.

In der jährlichen Berichterstattung der Operationen vom 6. Juli 2012 wurde Daniel Moser als «das Ohr des NDB auf dem Finanzplatz Zürich für Vorgänge, welche diesem Schaden zufügen können», bezeichnet. Im Berichtszeitraum habe die Quelle «exklusive Informationen über den Datenklau bei Schweizer Banken» geliefert.

Allerdings könnten gute Informationen wegen des fehlenden Mandates des NDB in Sachen Finanzplatz «nicht immer korrekt verwendet werden».

Als die GPDel den Bericht am 15. August 2012 mit dem NDB besprach, stellte ihr Präsident die Frage, welche Informationen zum Finanzplatz die Quelle denn liefere.

Ihm wurde geantwortet, dass die Quelle Hinweise auf Geldwäscherei-Aktivitäten zuhanden der BKP beschaffen konnte. Ob diese Informationen ausreichen würden, um ein Verfahren zu eröffnen, liess der NDB zu diesem Zeitpunkt jedoch noch offen. Laut den Kontaktprotokollen des FO von Daniel Moser wurde spätestens Ende des Monats klar, dass die BKP letztlich keine Verwendung für diese Informationen hatte.

Danach befasste sich die GPDel nicht mehr mit dem weiteren Verlauf dieser Operation, welche laut der Berichterstattung des Jahres 2014 abgebrochen wurde. Begründet wurde dies allein damit, dass die Finanzplatzthematik derzeit kein Kernthema des NDB sei. Während der gesamten Dauer des Einsatzes von Daniel Moser erwähnte der NDB weder schriftlich noch mündlich gegenüber der GPDel die Steuerbehörden des Bundeslandes NRW im Zusammenhang mit irgendwelchen Aktivitäten dieser Quelle.

2.6

Strafverfahren EISBEIN und EISFELD

Im Februar 2010 eröffnete die BA ein Verfahren gegen Unbekannt aufgrund eines Bankdatendiebstahls bei der CS (Verfahren EISBEIN23; vgl. Ziff. 2.2). Aufgrund von Presseinformationen im Juni 2010 und nachfolgenden Ermittlungen der Kantonspolizei Zürich sowie der BKP konnte die BA die Namen von drei am Ankauf der Bankdaten beteiligten deutschen Steuerfahndern von Nordrhein-Westfalen eruieren. Im September 2010 nahm die BA zwei Personen fest, die des Bankdatendiebstahls und -verkaufs verdächtigt wurden. Einer von ihnen nahm sich kurz danach das Leben. Der andere wurde im Dezember 2011 im abgekürzten Verfahren vom Bundesstrafgericht verurteilt. Im Mai 2011 lag der BA ein Schlussbericht der 23

Siehe «Strafverfahren mit einem Bezug zu Daniel Moser im Überblick» am Ende dieses Berichts.

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BKP vor, der die Namen der Steuerfahnder, die am Ankauf der Bankdaten beteiligt waren, enthielt.

Im September 2011 lieferte die BKP der BA einen Nachtragsbericht mit ergänzenden Personalien der bereits bekannten Personen. Es waren die Angaben, die Daniel Moser im Auftrag des NDB mit Hilfe seiner Subquelle geliefert hatte. Nach Angaben des zuständigen leitenden Staatsanwalts des Bundes gegenüber der GPDel bat die BKP den NDB aus eigenem Antrieb darum, die Personalien der bereits bekannten Personen zu vervollständigen. Sie informierte die BA nicht darüber. Zur Eröffnung des Strafverfahrens gegen die Steuerfahnder seien die Angaben nicht erforderlich gewesen, und da die BA die Namen bereits kannte, sei die Anfrage beim NDB auch überflüssig gewesen. Er räumte aber ein, es sei absolut üblich, dass die BKP in hängigen Verfahren von sich aus Abklärungen zu Personalien mache. Es sei auch in Ordnung gewesen, in diesem Rahmen den NDB um Unterstützung anzufragen. 24 Nach Angaben der BKP war die Zusammenarbeit mit dem NDB in dieser Form ein normales Vorgehen. Sie begründete gegenüber der GPDel ihre Anfrage an den NDB damit, sie habe die Personalien gebraucht, um das Verfahren weiterführen zu können, und die normalerweise benutzten offiziellen Wege über die Rechts- oder Amtshilfe nach Deutschland seien in diesem Fall versperrt gewesen. Dem Staatsanwalt sei es beispielsweise nicht möglich, eine Haftausschreibung zu machen oder Haftbefehle zu erstellen, ohne dass amtlich erhobene Personalien, zumindest Name, Vorname und Geburtsdatum, vorliegen würden und amtlich bestätigt worden seien. 25 Im Übrigen wusste die BKP nicht, wie der NDB diesen Antrag umsetzte, da jede Behörde in ihrem Zuständigkeitsbereich für die Wahl ihrer Mittel selbst zuständig sei.26 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dürfe sich die BKP darauf verlassen, dass der NDB seine Informationsbeschaffung rechtmässig ausführt 27 (Entscheid 6B-57/2015 des BGer vom 27. Jan. 2016).

Im März 2012 dehnte die BA das Verfahren auf die drei Steuerfahnder aus und schrieb sie national zur Festnahme aus. Im Juni 2015 wurde das Verfahren gegen die Steuerfahnder sistiert; die Festnahmebefehle wurden jedoch aufrecht erhalten.

Zur Führung des Verfahrens EISBEIN durch die BA wird im Weiteren auf den Bericht der AB-BA vom 5. Februar 2018 verwiesen.

Beim Verfahren
EISFELD28 geht es um den Diebstahl von Bankdaten von Stiftungen bei der UBS. Bevor die BA am 20. März 2013 ein Strafverfahren gegen Unbekannt eröffnete, befasste sich die Spionageabwehr der Inlandbeschaffung mit dem Fall (vgl. Ziff. 2.2). Parallel dazu fragte die Auslandbeschaffung Daniel Moser im Dezember 2012 an, ob sein Netzwerk den Urheber des Datendiebstahls bei der UBS und seine deutschen Quellenführer identifizieren könne.

Interne Untersuchungen der UBS führten zum mutmasslichen Täter, einem ehemaligen Mitarbeiter der UBS. Am 18. April 2013 dehnte die BA das Verfahren auf ihn 24 25 26 27 28

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 21. Juni 2017, S. 38.

Stellungnahme des EJPD vom 7. März 2018.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 16./17. Okt. 2017, S. 49­50.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 31. Aug. 2017, S. 73.

Siehe «Strafverfahren mit einem Bezug zu Daniel Moser im Überblick» am Ende dieses Berichts.

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aus. Ihm wird von der BA vorgeworfen, zwischen 2010 und 2012 Bankdaten entwendet und den deutschen Steuerbehörden verkauft zu haben.

Mindestens eine der verratenen Stiftungen gehörte Werner Mauss (zu seiner Rolle im Verfahren EISWÜRFEL und EISWÜRFEL bis siehe Ziff. 4.1), gegen den in der Folge in Bochum ein Steuerstrafverfahren geführt wurde. Am 5. Oktober 2017 wurde Mauss vom Landgericht Bochum zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen Steuerhinterziehung in der Höhe von 13,2 Millionen Euro verurteilt.29 Der Leitende Staatsanwalt erfuhr erst am 23. Februar 2015 anlässlich einer Aussprache mit dem NDB nach der Verhaftung von Daniel Moser im Verfahren EISWÜRFEL (vgl. Ziff. 4.1), dass Daniel Moser seitens des NDB auch einen Auftrag bezüglich des UBS-Datendiebs erhalten hatte. Am 4. März 2015 erhielt die BA beim NDB Einsicht in die Akte Moser. Daraus ergaben sich jedoch keine für die BA brauchbaren Erkenntnisse in Bezug auf den Datendieb.30 Der Prozess vor Bundesstrafgericht gegen den ehemaligen UBS-Mitarbeiter wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

2.7

Information der GPDel im Rahmen der Oberaufsicht

Die GPDel übt die Oberaufsicht über die BA und die BKP ausschliesslich unter dem Aspekt des Staatsschutzes aus, während die generelle parlamentarische Oberaufsicht über die Geschäftsführung der BA und der BKP durch die GPK der beiden Räte wahrgenommen wird.

Die GPDel führt mindestens einmal jährlich eine Anhörung der BA zu den staatsschutzrelevanten Strafverfahren durch. Ausserhalb der regulären Berichterstattung bringt die BA der GPDel laufend besondere Fälle oder neue Entwicklungen zur Kenntnis. Sporadisch oder nach Bedarf finden auch Anhörungen der BKP zu diesen Verfahren statt.

Mindestens einmal jährlich hört die GPDel auch die AB-BA an und koordiniert mit ihr Fragen der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft.

Soweit es für die Tätigkeit der GPDel erforderlich ist, hat sie das Recht, alle Informationen und Unterlagen aus Strafverfahren zu erhalten (Art. 154 ParlG31, Art. 169 Abs. 2 BV). Dabei beachtet sie stets die Unabhängigkeit der BA im Rahmen der Strafverfolgung und die Zuständigkeiten der AB-BA im Bereich der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft. Insbesondere umfasst die Oberaufsicht der GPDel nicht die Befugnis, Entscheide der Bundesanwaltschaft inhaltlich zu kontrollieren (Art. 26 Abs. 4 ParlG).

Das Verfahren EISBEIN war zweimal Thema in den regelmässigen Anhörungen der BA durch die GPDel: Am 20. Dezember 2010 informierte die BA die GPDel darüber, dass das Verfahren nur schleppend vorankomme, weil sich Deutschland aus 29 30 31

Handelsblatt online vom 5. Okt. 2017.

Chronologie der BA vom 27. Sept. 2017.

Bundesgesetz vom 13. Dez. 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, SR 171.10)

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politischen Gründen in Schweigen hülle und mehrere Rechtshilfeersuchen unbeantwortet geblieben seien.

Am 26. Juni 2012 orientierte die BA die GPDel über die im März erlassenen Festnahmebefehle gegen drei deutsche Steuerfahnder. Auf die Frage der GPDel, ob die BA in diesem Fall Hinweise vom NDB erhalten habe, wies der leitende Staatsanwalt darauf hin, dass die Personalien der drei Steuerbeamten, deren Namen die BA bereits gekannt habe, durch den NDB abgeklärt worden seien, weil man habe sicher sein wollen, dass es sich nicht um «Alias Figuren» handelte. 32 Über das Verfahren EISFELD informierte die BA die GPDel erstmals am 23. Februar 2015. Am Tag zuvor hatte der Tages-Anzeiger über den Fall berichtet.33 Zu diesem Zeitpunkt wusste die BA noch nichts vom Auftrag des NDB an Daniel Moser bezüglich des Datendiebstahls, da deren Aussprache mit dem NDB nach der Anhörung durch die GPDel stattfand.

3

Beurteilung des Verhaltens der Behörden von 2010 bis zur Verhaftung von Daniel Moser 2015

3.1

Anwendbares Recht

3.1.1

Thematische Zuständigkeit des NDB

Laut dem ZNDG beschaffte der zivile Nachrichtendienst sicherheitspolitisch bedeutsame Informationen über das Ausland (Art. 1 Bst. a ZNDG) und nahm nachrichtendienstliche Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit wahr, soweit sich diese Aufgaben aus dem BWIS ergaben (Art. 1 Bst. b ZNDG). Damit wurde der NDB zur Informationsbeschaffung in den spezifischen Bereichen Terrorismus, gewalttätiger Extremismus, verbotener Nachrichtendienst, verbotener Handel mit Waffen und radioaktiven Materialien sowie verbotener Technologietransfer ermächtigt.

Zum Aufgabenkatalog des BWIS gehörten vorbeugende Massnahmen, um Gefährdungen durch verbotenen Nachrichtendienst zu erkennen und zu bekämpfen. Die Legaldefinition des verbotenen Nachrichtendienstes findet sich in den Artikeln 272­ 274 und 301 StGB, wobei Artikel 273 StGB den verbotenen wirtschaftlichen Nachrichtendienst umschreibt. Die Beschaffung von Daten über Schweizer Bankkunden zugunsten ausländischer Akteure erfüllt den Tatbestand des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes. Der NDB konnte somit gestützt auf das BWIS Informationen bearbeiten, um solche Vorgänge frühzeitig zu erkennen.

Laut Artikel 2 Absatz 3 BWIS unterstützte der NDB die zuständigen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden, indem er ihnen Erkenntnisse über das organisierte Verbrechen mitteilte, namentlich, wenn solche bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Sicherheitsbehörden anfielen. Da sich National- und Ständerat über die Notwendigkeit, die organisierte Kriminalität in den Aufgabenkatalog des BWIS aufzunehmen, nicht einig waren, war dieser Absatz erst nach langwierigen Beratungen ins Gesetz aufgenommen worden. Letztlich wollte der Gesetzgeber damit 32 33

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 26. Juni 2012, S. 90.

Der Flug war gebucht, doch der Platz blieb leer, Tages-Anzeiger online 22. Febr. 2015.

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sicherstellen, dass Informationen von Partnerdiensten und Zufallsfunde analysiert und bei einem Bezug zur organisierten Kriminalität an die Strafverfolgung weitergeleitet werden konnten.34 Die Aufgaben des BWIS-Katalogs waren präventiver Art. Das bedeutete auch, dass der Nachrichtendienst grundsätzlich tätig wird, bevor eine Straftat in der Schweiz begangen wird. Spätestens ab dem Zeitpunkt, in dem die Strafverfolgungsbehörden ein gerichtspolizeiliches Verfahren eröffnet haben, hat der Nachrichtendienst keine Kompetenz mehr für eine selbständige Informationsbeschaffung. Zu dieser Beurteilung kam die GPDel bereits bei ihrer Behandlung der Aufsichtseingabe zum Fall des Rütli-Bombers.35 Artikel 1 Buchstabe a ZNDG begrenzte die Beschaffung auf Informationen über das Ausland, die «sicherheitspolitisch relevant» sind. Dieser unbestimmte Gesetzesbegriff wurde unverändert aus Artikel 99 Absatz 1 des Militärgesetzes (MG) 36 ins ZNDG übernommen. Seine Tragweite wurde später in Artikel 4a ZNDG näher konkretisiert. Der Begriff ist eng auszulegen und wirtschafts- oder finanzpolitische Themen fallen nicht darunter.37 Für die Spionageabwehr des NDB bedeutete dies, dass unter dem ZNDG keine Informationen über eine ausländische Steuerbehörde beschafft werden durften.

Für die Abwehr des militärischen Nachrichtendienstes erlaubte das ZNDG hingegen, Informationen im Ausland über Organisation, Mittel und Absichten ausländischer Nachrichtendienste, welche die Schweizer Verteidigungsfähigkeiten ausforschen, zu beschaffen. Unter die sicherheitspolitische Aufgabe des NDB fiel auch die Abwehr des politischen Nachrichtendienstes ausländischer Mächte, der sich gegen die staatliche Ordnung der Schweiz, ihre Bevölkerung und ihr Territorium richtet. Letztlich deckte das ZNDG diejenigen Bedrohungen ab, welche die Schweiz existenziell betreffen, aber nicht solche, die den Staat mittelbar, z. B. durch Schwächung seiner Wirtschaft, in seiner Funktionstüchtigkeit beeinträchtigen. Diese Aufgaben des NDB entsprachen auch der inhärenten Verfassungskompetenz des Bundes, im Innern und im Äussern die notwendigen Massnahmen zu seinem eigenen Schutz bzw. zum Schutz seiner Institutionen und Organe zu treffen.38

3.1.2

Gesetzliche Grundlagen für den Einsatz von menschlichen Quellen durch den NDB

Aus Artikel 7 ZNDG über den Quellenschutz ergab sich eine explizite Rechtsgrundlage zum Einsatz von menschlichen Quellen, die eine Informationstätigkeit über das Ausland wahrnehmen. Auf Verordnungsstufe wurden im Zusammenhang mit der 34 35 36 37 38

Vgl. insb. das zusammenfassende Votum von Bundesrat Arnold Koller am 10. März 1997 im Ständerat. AB S 1997 I, 1, 137­139.

Jahresbericht 2011 der GPK und GPDel vom 27. Jan. 2012, Ziff. 4.6.3 (BBl 2012 6783 6860).

Bundesgesetz vom 3. Febr. 1995 über die Armee und die Militärverwaltung (MG; SR 510.10) Vgl. Gutachten des BJ vom 2. Dez. 2010, S. 4.

Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Malama 10.3045 vom 3. März 2010.

Innere Sicherheit. Klärung der Kompetenzen vom 2. März 2012 (BBl 2012 4459, 4487).

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Auslandbeschaffung neben Quellen auch Vertrauenspersonen genannt (Art. 16 Abs. 1 Bst. a V-NDB). Der zweite Begriff wurde weder in der Verordnung, noch in den dazugehörenden Erläuterungen definiert. Aktivitäten innerhalb der Schweiz zugunsten der Auslandbeschaffung mussten die Auflagen des BWIS beachten (Art.

16 Abs. 3 V-NDB).

Das BWIS enthielt ursprünglich keine Bestimmungen zum Einsatz von Quellen. Aus Sicht des Bundesrates implizierte jedoch Artikel 14 Absatz 2 BWIS mit der Entgegennahme von Meldungen auch den Einsatz von Informanten.39 Eine explizite gesetzliche Bestimmung für den Einsatz von menschlichen Quellen im Rahmen des BWIS wurde erstmals mit dem ZNDG in Artikel 7 über den Quellenschutz eingeführt. Aus der Formulierung der Bestimmung geht eindeutig hervor, dass der NDB neben den explizit genannten Quellen für die Auslandbeschaffung auch Quellen zur Erfüllung seines BWIS-Auftrags einsetzen konnte.

Mit der BWIS-II-Revision erhielt das Gesetz auf den 16. Juli 2012 erstmals auch konkrete Bestimmungen für die Führung von menschlichen Quellen (Art. 14a, 14b und 14c BWIS). Diese als Informanten bezeichneten Personen teilen dem NDB regelmässig oder einzelfallweise Erkenntnisse mit, die sie bereits besitzen oder die sie freiwillig beschafft haben. Der NDB kann diesen Personen ihre Auslagen erstatten oder Prämien entrichten. Laut Botschaft bewegen sich die Prämien auf «einem bescheidenen Niveau von höchstens wenigen Tausend Franken jährlich und erreichen die Höhe eines existenzerhaltenden Einkommens bei Weitem nicht».40 Für die Tätigkeit eines Informanten soll erklärtermassen der finanzielle Anreiz nicht ausschlaggebend sein. Gemäss der Botschaft kommt aufgrund dieser Zahlungen auch kein Arbeitsvertrag im Sinne des Obligationenrechts oder des Bundespersonalrechts zustande. Nach Artikel 7 Absatz 2 ZNDG hatten sich auch Entschädigungen an Quellen der Auslandbeschaffung nach den genannten Vorgaben des BWIS zu richten.

Im Bereich der organisierten Kriminalität sah das BWIS keine aktive Informationsbeschaffung und Analyse durch den NDB vor. Diesen Grundsatz hatte der NDB übrigens auch im Handbuch für die Quellenführung nach BWIS festgehalten. Danach konnte der NDB bestehende Quellen abschöpfen und die erhaltenen Informationen zur organisierten Kriminalität in geeigneter Form an die zuständigen
Stellen weiterleiten.

Da Informanten ursprünglich im BWIS nicht einmal Erwähnung fanden, äusserte sich das Gesetz nicht dazu, ob die Führung von Quellen auch auf ausländischem Gebiet zulässig war. Bei der Beratung des Gesetzes hatte das Parlament nie eine solche Möglichkeit in Betracht gezogen. Die GPDel ihrerseits war immer davon ausgegangen, dass sich der Inlandnachrichtendienst auch mit Fragen der äusseren Sicherheit befassen dürfe. Dieser kenne jedoch keinen Einsatz nachrichtendienstlicher Beschaffungsmittel im Ausland.41 39 40 41

Zusatzbotschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS II reduziert) vom 27. Okt. 2010 (BBl 2010 7841 7878).

Zusatzbotschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS II reduziert) vom 27. Okt. 2010 (BBl 2010 7841 7879).

Bericht der GPDel vom 29. März 1993. Interpretation der Staatsschutzweisungen (BBl 1993 304 308).

5070

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Im Rahmen ihrer Inspektion zum Fall Covassi klärte die GPDel ab, ob dieser während seiner Zeit als Informant des Inlandnachrichtendienstes aus eigenem Antrieb nach Syrien gereist war oder ob dies im Auftrag des Dienstes erfolgte. Die Delegation kam zum Schluss, das letzteres nicht zutraf. Überdies erachtete die GPDel einen derartigen Auftrag als rechtswidrig, da der DAP gemäss schweizerischem Recht nicht dazu autorisiert war, selbst nachrichtendienstliche Missionen im Ausland durchzuführen.42 Als der Bundesrat zum erwähnten Bericht der GPDel Stellung nahm, hielt er fest, dass das BWIS keine ausdrückliche Bestimmung enthalte, die solche Aufträge verbieten würde. Laut Bundesrat müsse der Inlandnachrichtendienst ausserdem für die Erfüllung der Aufgaben nach BWIS auch Informationen aus dem Ausland bearbeiten können. Neben dem Austausch mit Partnerdiensten gehöre dazu die Nutzung von «eigenen Quellen mit Zugang zu Informationen im Ausland, die in der Schweiz abgeschöpft werden».43 Von Bedeutung erscheint in der Auslegung des Bundesrates, dass Informationen aus dem Ausland von einem Informanten abgeschöpft werden dürfen. Eine solche Art von Informationsbeschaffung beschränkt sich auf Informationen, welche der Informant bereits kennt, oder auf die er ohne besonderen nachrichtendienstlichen Auftrag gestossen ist. Eine aktive Informationsbeschaffung im Sinne eines Spionageauftrags im Ausland kann darunter jedoch nicht verstanden werden. Eine solche Art der Informationsbeschaffung war auch kein Thema im Handbuch des NDB für die Führung von Quellen und Operationen nach BWIS.

Zehn Jahre nach ihrem Bericht zum Fall Covassi bleibt die GPDel deshalb bei ihrer Einschätzung, dass eine aktive Informationsbeschaffung mit Informanten im Ausland gestützt auf das BWIS nicht zulässig war.

3.1.3

Vorgaben für die Organisation der Quellenführung

Aus der Systematik der gesetzlichen Bestimmungen zu den Aufgaben des NDB und zur Quellenführung ergab sich, dass die Beschaffung von sicherheitspolitischen Informationen über das Ausland und die Informationsbeschaffung nach BWIS separate Aufgaben waren, die auch unterschiedlich gehandhabt werden mussten.

Entsprechend sah der Bundesrat in Artikel 15 V-NDB vor, dass die Beschaffung von Informationen nach Artikel 1 Buchstaben a und b ZNDG in separaten Organisationen des NDB getrennt zu erfolgen hatte.

Am 3. März 2017 hob der Bundesrat diese Bestimmung mit Wirkung per 1. April 2017 integral auf, damit der NDB die Beschaffung im Hinblick auf das Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den Nachrichtendienst (NDG) 44 auf den 1. September 2017 reorganisieren und die organisatorische Trennung in der Quellenführung aufheben 42 43 44

Bericht der GPDel vom 15. Mai 2007. Affäre um einen Informanten im Genfer IslamZentrum (BBl 2007 6869 6921).

Stellungnahme des Bundesrates vom 29. Aug. 2007 zum Bericht der GPDel vom 15. Mai 2007. Affäre um einen Informanten im Genfer Islam-Zentrum (BBl 2007 6943 6944).

Bundesgesetz vom 25. Sept. 2015 über den Nachrichtendienst (Nachrichtendienstgesetz, SR 121)

5071

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konnte. Zur Erleichterung des raschen Vollzugs des NDG griff damit der Bundesrat mit der vorzeitigen Aufhebung von Artikel 15 V-NDB dem NDG vor. Einen solchen Schritt hatte die GPDel jedoch bereits am 6. September 2016 in einem Schreiben an den Vorsteher des VBS als «rechtlich problematisch» bezeichnet.

3.2

Rechtmässigkeit der einzelnen Operationen

3.2.1

Informationsbeschaffung zum Fall Credit Suisse

Gestützt auf das ZNDG konnte der NDB ausschliesslich sicherheitspolitische Themen bearbeiten. Der Einsatz der Auslandbeschaffung zur Abwehr von Wirtschaftsspionage, namentlich der Ausforschung von Kundendaten von Schweizer Banken, war somit nicht zulässig. Die Auslandbeschaffung hätte deshalb die Bearbeitung des Informationsbegehrens der BKP aus dem Verfahren zum Datendiebstahl bei der CS (vgl. Verfahren EISBEIN) nicht übernehmen und Daniel Moser keinen solchen Auftrag erteilen dürfen.

Die Inlandbeschaffung hingegen hätte gestützt auf das BWIS die Anfrage der BKP bearbeiten und Daniel Moser dazu auch einen Beschaffungsauftrag im Rahmen der Möglichkeiten dieses Gesetzes erteilen dürfen. Während der NDB Daniel Moser nicht mit einem Aufklärungsauftrag nach Deutschland hätte schicken können, wäre es aber unter dem BWIS möglich gewesen, Daniel Moser über die Nachrichtenbedürfnisse des NDB zu informieren und bei ihm später die Informationen, die er dazu in Erfahrung bringen konnte, abzuschöpfen. Das BWIS hätte es auch erlaubt, dass Daniel Moser bei einer ausländischen Detektei Auskünfte einholte.

Die GPDel kommt deshalb zum Schluss, dass der NDB im BWIS über die notwendigen Rechtsgrundlagen verfügt hätte, um die Informationen für die BKP zu beschaffen. Die Tatsache, dass die Operation unter der Leitung der Beschaffung Ausland anstatt unter der Leitung der Beschaffung Inland stattfand, entsprach jedoch nicht den rechtlichen Vorschriften.

3.2.2

Informationsbeschaffung zum Fall UBS

Wie bei der Informationsbeschaffung zum Datendiebstahl bei der Credit Suisse bot das ZNDG dem NDB grundsätzlich auch keine Rechtsgrundlage für die Ermittlung der allfälligen Tatverdächtigen beim Datendiebstahl bei der UBS (vgl. Strafverfahren EISFELD) oder zur präventiven Informationsbeschaffung über die weiteren Absichten der deutschen Steuerbehörden gegenüber der Schweiz.

Weiter kommt die GPDel zum Schluss, dass dieser Auftrag an Daniel Moser auch gestützt auf das BWIS und im Auftrag der Inlandbeschaffung nicht zulässig gewesen wäre. Die Aufklärung des Datendiebstahls bei der UBS, insbesondere die Identifizierung des Täters, war ausschliesslich Aufgabe der Strafverfolgung. Ein Tätigwerden des NDB wäre bestenfalls im Rahmen der Amtshilfe, wie dies bei den Ermittlungen gegen die deutschen Steuerfahnder von der BKP gewünscht wurde, in Frage gekommen.

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Nicht mit dem BWIS vereinbar war auch die Operation zum Fall UBS, welche die Beschaffung Inland parallel zum Auftrag der Auslandbeschaffung an Daniel Moser eröffnet hatte. Der NDB führte dabei verschiedene Abklärungen über den mutmasslichen Datendieb durch, nachdem er von der UBS Hinweise zu seiner Identität erhalten hatte. Aus Sicht der GPDel haben sich die Strafverfolgungsbehörden zu Recht darüber beklagt, dass der NDB versuchte, den mutmasslichen Täter eigenmächtig ausfindig zu machen.

Unter dem BWIS wäre es grundsätzlich möglich gewesen, Informationen über die Absichten und über das Dispositiv der deutschen Steuerbehörden zur Beschaffung von Informationen über deutsche Bankkunden bei Schweizer Banken zu bearbeiten.

Wie die GPDel in der Analyse des anwendbaren Rechts aufgezeigt hat, wäre jedoch dafür eine aktive Informationsbeschaffung vor Ort im Ausland nicht zulässig gewesen. Insbesondere wäre der NDB nicht befugt gewesen, über Daniel Moser einen Maulwurf in einer ausländischen Behörde platzieren zu lassen und dies auch noch zu finanzieren. Da der NDB spätestens im August 2013 von den konkreten Plänen zur Schaffung eines direkten Zugangs innerhalb der Steuerfahndung des Bundeslandes NRW erfuhr und letztlich immer noch von Daniel Moser konkrete Ergebnisse aus dieser Aktion erwartete, nahm der Dienst ein solches unrechtmässiges Vorgehen in Kauf und übernahm dafür auch die Verantwortung.

Ob Daniel Moser den vom NDB erhaltenen Vorschuss für eine solche Aktion an seine Subquelle bezahlt hat und ob diese Subquelle in diesem Sinn überhaupt tätig geworden ist, muss die GPDel offenlassen.

Beim NDB konnte die GPDel ausser für den Geldfluss an Daniel Moser keine weiteren Belege für das Tätigwerden einer Subquelle finden. Bei den anderweitigen Informationen über den Einsatz eines Maulwurfs ist die Delegation nicht in der Lage, deren Verlässlichkeit zu überprüfen. Die Delegation verzichtet deshalb auf eine Beurteilung, ob mit dem Einsatz von Daniel Moser zur Informationsbeschaffung im Fall UBS effektiv geltendes Recht verletzt wurde.

3.2.3

Informationsbeschaffung zur Geldwäscherei

Der Einsatz von Daniel Moser in den Fällen von vermuteter Geldwäscherei fiel nicht in die Zuständigkeit der Auslandbeschaffung. Auch das BWIS liess zur Bekämpfung der Geldwäscherei eine aktive Informationsbeschaffung, wie sie mit Daniel Moser 5073

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unter erheblichen Kosten durchgeführt wurde, nicht zu. Die Informationsbeschaffung zugunsten der BKP erfolgte somit im Widerspruch zum geltenden Recht.

3.3

Rechtsverständnis des NDB und des VBS

Die GPDel kommt zum Schluss, dass der NDB beim Einsatz von Daniel Moser das geltende Recht in verschiedener Hinsicht missachtet hat. Dies führt zur Frage, ob dem NDB die gesetzlichen Vorgaben zur Informationsbeschaffung nicht ausreichend vertraut waren oder ob der NDB diese wider besseren Wissens nicht respektierte.

Ursprünglich wurde Daniel Moser für Aufträge rekrutiert, die typischerweise unter das ZNDG fallen. Als er dazu nicht die erhofften Resultate liefern konnte, verschob sich der Fokus seiner Tätigkeit zunehmend auf andere Themen, insbesondere die Spionageabwehr und die organisierte Kriminalität.

In den Akten zur Quellenführung gibt es keine Hinweise, dass der FO und seine Vorgesetzten sich bewusst waren, dass das BWIS ­ und nicht das ZNDG ­ der massgebende rechtliche Rahmen für die Informationsbeschaffung bezüglich der Datendiebstähle bei Schweizer Banken war. Von Spionageabwehr war nie die Rede.

Hingegen nahm der FO wiederholt Bezug auf das Mandat, welches der NDB zur Wahrnehmung der Interessen des Finanzplatzes anstrebte (vgl. Ziff. 3.6).

Der NDB berücksichtigte zu wenig, dass für die Informationsbeschaffung im Inland und im Ausland unterschiedliche Vorgaben galten. Wie aus den Auskünften des FO an die GPDel zu entnehmen ist, wurden die Informationen von Daniel Moser über mögliche Fälle von Geldwäscherei in der Schweiz einfach als Beifang einer Auslandoperation betrachtet, der zu wichtig war, um nicht weiter verwendet zu werden.45 Die entsprechenden Aktivitäten mit Daniel Moser entsprachen jedoch einer aktiven Informationsbeschaffung im Inland, die rechtlich nicht zulässig war.

Zu beachten ist weiter, dass die Leitung des NDB der Verordnungsbestimmung für die organisatorische Trennung von Inland- und Auslandbeschaffung lediglich eine untergeordnete Bedeutung beimass. So berief sich der Chef NDBB am 27. Juni 2016 anlässlich einer Diskussion mit der GPDel über die Organisation der Beschaffung darauf, dass weder das BWIS noch das ZNDG explizit eine Trennung der Beschaffungsaktivitäten nach Inland und Ausland forderte. Weiter meinte er, dass er nicht mehr wisse, warum die Verordnung dies so vorschreibe; wahrscheinlich sei dies damals als eine Vorsichtsmassnahme gedacht gewesen. 46 Wie der Direktor des NDB am 24. Mai 2017 erläuterte, stellte sich für den NDB nie die Frage, ob eine Quelle,
welche von der Beschaffung Ausland geführt wurde, nur gestützt auf das ZNDG eingesetzt werden könne (und umgekehrt).47 Aus Sicht der GPDel war die Vorschrift zur Trennung der Beschaffung nach ZNDG und BWIS ein zweckmässiges Mittel, um die Gesetzeskonformität der Beschaf45 46 47

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 16. Okt. 2017, S. 14.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 27. Juni 2016, S. 25.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 24. Mai 2017, S. 36.

5074

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fungsaktivitäten zu gewährleisten. Diese Trennung sorgte dafür, dass der rechtliche Rahmen für die Führung einer Quelle klar definiert sein musste.

Aus den Anhörungen der GPDel und aufgrund öffentlicher Aussagen ergibt sich überdies, dass der NDB und das VBS in der Zeit, die für den Fall Daniel Moser relevant ist, kein korrektes und gefestigtes Rechtsverständnis bezüglich der Kompetenzen des NDB für die Abwehr der Wirtschaftsspionage zu entwickeln vermochten.

Auf die Frage der GPDel, warum Daniel Moser seine Aufträge im Zusammenhang mit den Diebstählen von Bankkundendaten von der Auslandbeschaffung erhalten hatte, antwortete der NDB am 18. Juli 2017 schriftlich, dass dies im Einklang mit dem geltenden Recht erfolgt sei.48 Gemäss Auskunft des NDB betrachtete der Dienst das BWIS als Rechtsgrundlage für die Spionageabwehr. Im NDB seien aber immer wieder solche Aufträge der Beschaffung Ausland erteilt worden.

Diese Argumentation übersah jedoch, dass im spezifischen Bereich der Wirtschaftsspionage das ZNDG keine Geltung entfalten konnte und das BWIS keine Möglichkeit zur aktiven Beschaffung im Ausland zuliess. Diese Rechtsauffassung entsprach auch nicht den Auskünften, welche die GPDel vom NDB erhalten hatte, als Daniel Moser vom NDB noch als Quelle geführt wurde.

Als die GPDel am 21. März 2011 mit dem Direktor NDB und dem Vorsteher des VBS den neuen Grundauftrag des Dienstes besprach, erkundigte sich ein Mitglied der Delegation, warum die Ausforschung von Schweizer Banken durch deutsche Behörden und der Verkauf von Bankdaten-CDs nach Deutschland im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Nachrichtendienst kein Thema war. Der Vorsteher des VBS begründete dies damit, dass grundsätzlich rechtliche Strukturen fehlen würden, um diese Fragen mit Bezug auf Deutschland aufzuklären. 49 Mit einer allfälligen Erweiterung des Grundauftrags (vgl. Ziff. 3.6.1) würde dies jedoch möglich sein und dafür müsste eine gesetzliche Grundlage noch geschaffen werden.

Am 19. März 2012, anlässlich der Behandlung des jährlichen Berichts des Bundesrates über die Bedrohungslage (Art. 27 Abs. 1 BWIS), erkundigte sich der Präsident der Delegation beim Direktor NDB nach der Bedrohung der Schweiz bezüglich der drei Bereiche des verbotenen Nachrichtendienstes, namentlich des politischen, militärischen und wirtschaftlichen
Nachrichtendienstes. Die Antwort des Direktors NDB lautete, seinem Mandat zufolge sei der Nachrichtendienst für Wirtschaftsspionage nicht zuständig.50 Weiter ergänzte er, dass die privaten Akteure die Bedrohung durch die Wirtschaftsspionage eigentlich selbst zu bewältigen hätten, d. h. jede Firma müsse sich selbst schützen.

Am 6. November 2012 führte die GPDel mit dem Vorsteher des VBS eine Grundsatzdiskussion über den Auftrag und die Prioritäten des NDB im Bereich des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes. Dabei bejahte der Direktor NDB erstmals gegenüber der GPDel im Grundsatz die Zuständigkeit seines Dienstes für die Abwehr des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes. Für den Vorsteher des VBS hingegen bestand weiterhin eine Notwendigkeit, mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz eine gesetzli48 49 50

Brief des NDB an die GPDel vom 18. Juli 2017.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 21. März 2011, S. 4.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 19. März 2012, S. 62.

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che Grundlage dafür zu schaffen. Die Ansicht, dass die Abwehr der Wirtschaftsspionage noch einer gesetzlichen Grundlage bedürfe, vertrat der Vorsteher des VBS in den nachfolgenden Jahren immer wieder.

Als am 3. Dezember 2013 der Ständerat die Interpellation 13.3996 (Einsatz des Nachrichtendienstes zum Schutz des Wirtschaftsstandortes Schweiz) beriet, bezeichnete der Interpellant die Schweiz als einen der wenigen Industriestaaten, welcher nicht über eine Rechtsgrundlage verfüge, um seinen Nachrichtendienst zur Abwehr der Wirtschaftsspionage einzusetzen. In seinem Votum bestätigte der Vorsteher des VBS die Existenz von Wirtschaftsspionage, beispielsweise gegen hiesige Hochschulen. Laut dem Vorsteher des VBS wollte der Bundesrat deshalb in der Botschaft zum neuen Nachrichtendienstgesetz die gesetzliche Möglichkeit schaffen, dass der Nachrichtendienst zum Schutz des Werk-, Wirtschafts- und Finanzplatzes eingesetzt werden kann.51 Die Botschaft des Bundesrates zum NDG vom 19. Februar 2014 sah in Artikel 3 des Gesetzesentwurfs eine neue Kompetenz des NDB zum Schutz des Werk-, Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz vor. Am 16. März 2015 begründete der Vorsteher des VBS in der Eintretensdebatte des Nationalrats diese Bestimmung folgendermassen: «Wir hatten diese Diebstähle von Bankdaten, und hier könnte der Bundesrat in Zukunft dem Nachrichtendienst den Auftrag erteilen, präventiv allenfalls gewisse Aufklärungen zu machen. Das ist eine Ausdehnung der Tätigkeit.» 52 Das ungenügende Rechtsverständnis des NDB und des VBS erscheint umso problematischer, als das BJ bereits in seinem Gutachten vom 2. Dezember 201053 den rechtlichen Rahmen für die Spionageabwehr umfassend und klar erläutert hatte.

Ebenfalls hat die GPDel ihrerseits die Spionageabwehr mit dem VBS wiederholt thematisiert und am 3. Juni 2012 in einem Schreiben zum Ausdruck gebracht, dass offenbar eine gewisse Unsicherheit über den gesetzlichen Auftrag des NDB bestehe, was die Abwehr von ausländischer Wirtschaftsspionage betreffe. Als parlamentarische Oberaufsicht teilte sie deshalb dem VBS ihre eigene rechtliche Beurteilung in unmissverständlichen Worten mit.

Weil das ZNDG den Zuständigkeitsbereich des NDB auf die Sicherheitspolitik beschränkte, fehlte dort nach Meinung der GPDel eine Rechtsgrundlage dafür, dass der NDB zugunsten der Schweizer
Finanz-, Steuer- und Wirtschaftspolitik Informationen zu ausländischen Akteuren beschaffen konnte.

Hingegen war es nach Artikel 2 BWIS eine der Aufgaben des NDB, den verbotenen Nachrichtendienst mit den ihm gegebenen Mitteln präventiv zu bekämpfen. Darunter fiel der wirtschaftliche Nachrichtendienst, bei dem laut Artikel 273 StGB Geschäftsgeheimnisse für eine fremde amtliche Stelle, eine ausländische Organisation oder private Unternehmung oder ihre Agenten beschafft werden. Den Diebstahl von Kundeninformationen einer Schweizer Bank zugunsten einer ausländischen Steuerbehörde zählte die GPDel ebenfalls unter diesen Tatbestand.

51 52 53

AB 2013 S 1039 AB 2015 N 513 Gutachten des BJ vom 2. Dez. 2010.

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3.4

Nutzen der beschafften Informationen

3.4.1

Fall Credit Suisse

Die zusätzlichen Informationen, welche Daniel Moser zu den Personalien der deutschen Steuerfahnder beschafft hatte, sollten den Ermittlungen der BKP zum Datendiebstahl bei der CS (vgl. Strafverfahren EISBEIN) dienen. Der Nutzen dieser Informationen ist deshalb vornehmlich aus Sicht der Strafverfolgung zu beurteilen.

Gegenüber der GPDel vertrat die Direktorin fedpol den Standpunkt, dass nicht die BKP, sondern die BA als verfahrensleitende Behörde den Nutzen dieser Informationen für das Strafverfahren zu würdigen habe. Aus Sicht des damals leitenden Ermittlungsoffiziers war es für die Ermittlungen ein Nebenschauplatz, zusätzliche Informationen zu erhalten; entweder würden die Recherchen des NDB etwas ergeben oder nichts.54 Im Rahmen ihrer jährlichen Berichterstattung zu den laufenden Verfahren im Staatsschutzbereich hatte die BA bereits am 26. Juni 2012 der GPDel erklärt, dass sie letztlich nicht damit rechnete, die gesuchten drei deutschen Steuerfahnder in der Schweiz anklagen zu können. Mit dem nationalen Festnahmebefehl, der am 8. März 2012 ergangen sei, habe man aber ein Zeichen gegenüber den involvierten deutschen Steuerbehörden setzen wollen. Diese hätten sich nämlich nicht darauf beschränkt, bereits entwendete Bankdaten zu kaufen, sondern gezielte Anweisungen gegeben, welche Daten zu beschaffen seien.

Der BA war zu diesem Zeitpunkt auch bekannt, dass die BKP den NDB um die Ergänzung der Personalien der Steuerfahnder ersucht hatte; sie hatte diese Anfrage jedoch nicht veranlasst.

Gemäss den Feststellungen der AB-BA waren die von Daniel Moser gelieferten Informationen für das Strafverfahren insgesamt nicht von ausschlaggebender Bedeutung (vgl. Ziff. 3.9).

Es traf somit nicht zu, dass mit den nachrichtendienstlichen Informationen «die Grundlage für eine allfällige Strafuntersuchung gegen deutsche Staatsangehörige» 55 geschaffen wurde. Diese Beurteilung brachte der NDB in der Sprechnotiz vom 13. September 2011, welche der Vorsteher des VBS für seine mündliche Information des Bundesrates verwendete, vor. In der genannten Sprechnotiz fand sich weiter die Erwartung, dass wegen den beschafften Informationen die Verhandlungsposition der Schweiz gegenüber Deutschland gestärkt würde. In diesem Sinn hatte der Vorsteher des VBS im Bundesrat auch angeregt, die Tatsache, dass die Schweiz die deutschen
Datenkäufer identifiziert habe, gegenüber deutschen Gesprächspartnern zu erwähnen.

Im Rahmen ihrer Inspektion bat die GPDel am 31. August 2017 den damaligen Vorsteher des VBS und heutigen Vorsteher des Eidg. Finanzdepartements (EFD) um eine Beurteilung in Bezug auf die Vorteile, welche die Schweiz in den Verhandlungen mit Deutschland aus Informationen von Daniel Moser ziehen konnte. Er erläuterte dazu, dass der Diebstahl von Bankdaten durch ausländische Behörden damals 54 55

Brief der BKP an die GPDel vom 10. Nov. 2017.

Sprechnotiz des NDB an den Vorsteher des VBS vom 13. Sept. 2011.

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ein politisch sehr aktuelles Thema gewesen sei. Insbesondere mit dem damaligen Vorsteher des EFD habe es darüber in den Jahren 2009 und 2010 viele Gespräche gegeben. Rückblickend meinte er, dass die Informationen des NDB vermutlich nicht den erwarteten Nutzen gebracht hätten. Auch glaubte er nicht, dass die Schweiz aus diesem Wissen Profit geschlagen habe, aber das habe in diesen Verhandlungen wahrscheinlich auch nicht geschadet.56 Zusammenfassend kommt die GPDel deshalb zum Schluss, dass Daniel Moser im Fall CS die Informationen, welche die BKP beim NDB angefragt hatte, erfolgreich beschafft hat. Für die Abwehr des deutschen Angriffs auf das Schweizer Bankkundengeheimnis waren diese Informationen jedoch offensichtlich nutzlos.

Diese Schlussfolgerung steht in einem markanten Gegensatz zur seinerzeitigen Einschätzung des NDB bezüglich der Leistung von Daniel Moser. So liess der Direktor NDB der Quelle seinen persönlichen Dank ausrichten und der Chef NDBB traf sich Ende 2011 persönlich mit ihr. Auch gegenüber der GPDel zeigten sich Mitarbeiter des NDB im April 2012 überzeugt davon, dass das Rechtshilfeersuchen der BA an Deutschland vom 20. März 2012 ohne die Informationen des NDB nicht möglich gewesen wäre.

Rückblickend wäre es sicher angebracht gewesen, wenn der NDB seine Beurteilung zum Wert der beschafften Informationen mit den Strafverfolgungsbehörden konsolidiert hätte vor allem, bevor er seine Einschätzung über den Vorsteher des VBS dem Bundesrat zur Kenntnis brachte.

3.4.2

Fall UBS

Nachdem deutsche Steuerbehörden im Sommer 2012 in den Besitz von Kundendaten der UBS gelangt waren, erhielt Daniel Moser im Dezember 2012 den Auftrag, den Datendieb zu ermitteln und die Käufer der Daten in Deutschland zu identifizieren. Ausserdem sollte Daniel Moser Erkenntnisse zum Dispositiv und zu den zukünftigen Plänen der deutschen Steuerbehörden gegenüber der Schweiz beschaffen.

Letztlich konnte Daniel Moser dazu keine brauchbaren Informationen liefern. Der mangelnde Erfolg war schliesslich auch ausschlaggebend für die Einstellung der Zusammenarbeit mit der Quelle durch den NDB.

Im Gegensatz zur Informationsbeschaffung in Bezug auf den Datendiebstahl bei der CS erfolgte der Einsatz von Daniel Moser nicht in Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden. Als diese ihr Strafverfahren (EISFELD) eröffneten, lag aufgrund einer Anzeige der UBS bereits der Name des mutmasslichen Datendiebs vor. Da auch die Beschaffung Inland bereits im Besitz des entsprechenden Hinweises der UBS war, hätte es keinen zusätzlichen Mehrwert gebracht, falls auch noch Daniel Moser den Datendieb identifiziert hätte.

Bei ihrer Beurteilung zieht die GPDel nebst den ausgebliebenen Beschaffungsresultaten auch noch die 60 000 Euro in Betracht, welche der NDB im Voraus dafür bezahlt hat.

56

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 31. Aug. 2017, S. 20.

5078

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3.4.3

Nutzen und Risiken

Der Wert der Informationen von Daniel Moser kann heute auch nicht beurteilt werden, ohne sich die Folgen seiner Verhaftung in der Schweiz und in Deutschland vor Augen zu führen. Damit verbunden ist ein beträchtlicher Schaden für Mitarbeitende des NDB und für die Reputation des Dienstes selber. Hingegen konnte die GPDel keine Hinweise auf eine nachhaltige Störung des bilateralen Verhältnisses mit Deutschland finden. Zu beachten ist aber, dass Daniel Moser erst dann ins Visier der deutschen Justiz geriet, als der Steuerstreit mit Deutschland bereits beigelegt war. Wäre Daniel Moser, der regelmässig nach Deutschland reiste, zu einem früheren Zeitpunkt aufgeflogen, hätten die Konsequenzen schwerwiegender sein können.

Aus den Akten der Inspektion ergibt sich, dass die Steuerungsverantwortlichen des NDB der Beschaffung von Informationen, die für den Finanzplatz Schweiz relevant sein konnten, eine herausragende Bedeutung beimassen. Sie waren bestrebt, in diesem Themenbereich Aufträge für die Beschaffung des NDB zu akquirieren oder Vorschläge der Beschaffung auf diesem Gebiet zu unterstützen. Die Frage nach dem effektiven Nutzen für die Informationsempfänger und nach den Risiken für den NDB stand dabei jedoch nicht im Vordergrund. Vielmehr wurde mit der Glaubwürdigkeit oder den Interessen des Dienstes argumentiert.

Auch für die BKP, die als Kundin des NDB nicht für die Kosten der gewünschten oder erhaltenen Informationen zahlen musste, bestand kein dringender Anreiz, sich Rechenschaft über den effektiven Nutzen einer zu beschaffenden Information abzulegen. Eine Berücksichtigung der Risiken einer Informationsbeschaffung, welche letztlich nur der NDB kennen konnte, konnte auch nicht Sache der BKP sein.

Der Nachrichtendienst ist ein besonderes Instrument des Bundes, das einen wertvollen Beitrag zur Sicherheit des Landes leisten kann. Als Voraussetzung eines Einsatzes der Beschaffung, insbesondere von menschlichen Quellen im Ausland, sollte jedoch ein nationales Informationsbedürfnis vorliegen, dessen Bedeutung auch in einem Verhältnis zu den eingegangenen Risiken steht. Wegen dieser Risiken, die im Fall Daniel Moser sichtbar wurden, muss die Verwendung dieses Instruments von den interessierten Stellen auch auf der politischen Stufe mitgetragen werden.

Bevor der NDB für eine andere Bundesstelle spezifische Informationen beschafft, sollte diese gegenüber dem Dienst auf verbindliche Art und Weise die Bedeutung

5079

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der gewünschten Information darlegen. Nur dann verfügt der NDB über eine ausreichende Legitimation, um entsprechende Risiken einzugehen.

3.5

Quellenführung

3.5.1

Auftragserteilung

Der NDB rekrutierte Daniel Moser im Sommer 2010, weil er sich von diesem ein weltweites Netz von Informationszugängen versprach. Daniel Moser verfügte jedoch selber über kein eigenständiges Wissen auf den Gebieten, die den NDB aufgrund seines gesetzlichen Auftrags interessierten. Er arbeitete deshalb mit Dritten zusammen, um die Informationsaufträge des NDB zu erfüllen. Diese Subquellen boten dem NDB auch von sich aus Informationen zum Kauf an, welche sie bereits besassen und die den NDB möglicherweise interessierten.

In seinem ersten Jahr erhielt Daniel Moser verschiedene Beschaffungsaufträge, und der NDB kaufte ihm auch einzelne Berichte ab, die er seinem FO angeboten hatte.

Die Qualität insbesondere der Berichte, die der NDB in Auftrag gegeben hatte, wurde vom NDB mehrheitlich als ungenügend beurteilt. Dies änderte sich mit der Beschaffung von ergänzenden Informationen zu den Personalien der deutschen Steuerfahnder im Sommer 2011. Die Leitung des NDB wertete dies als grossen Erfolg der eigenen Quelle. Wie schwierig diese Informationsbeschaffung effektiv gewesen war und welche Schlüsse daraus für das Potenzial der Quelle gezogen werden konnten, waren jedoch kein Thema im NDB. 57

Bereits im ersten Jahr hatte der FO in einem Kontaktprotokoll notiert, dass die Quelle «einen unglaublichen Fundus an Leuten und wahnsinnige Geschichten dazu»58 besass. Im zweiten Jahr seiner Tätigkeit für den NDB gingen dann die Aufträge, die Daniel Moser vom NDB erhielt, in der Regel auf Vorschläge zurück, die er selber seinem FO unterbreitet hatte. Angesichts der vielen Initiativen und Ideen von Daniel Moser gab es der NDB faktisch auf, die Quelle aktiv nach dem gesetzlichen Auftrag und den vorgegebenen Nachrichtenbedürfnissen des Dienstes zu steuern.

Der FO nahm seine Aufgabe in erster Linie dadurch wahr, dass er sich für die Projekte seiner Quelle gegenüber seinen Vorgesetzten, der Abteilung Steuerung, aber auch zuhanden von potenziellen Informationsabnehmern des NDB, insbesondere der BKP, einsetzte.

57 58

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 16. Okt. 2017, S. 7.

Kontaktprotokoll vom 8. Juni 2011.

5080

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Rückblickend erwies es sich für den NDB allerdings kaum als Nachteil, dass einzelne der Angebote von Daniel Moser trotz anfänglichem Interesse innerhalb der Beschaffung nicht weiterverfolgt wurden. Laut einem Kontaktprotokoll wollte Daniel Moser beispielsweise von einer Möglichkeit wissen, Einblick in Finanztransaktionen zu nehmen, die über das Telekommunikationsnetzwerk von SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) übermittelt wurden. Die Beschaffung von solchen Informationen wäre nicht nur strafbar gewesen, sondern hätte auch spezifisch gegen Artikel 16 Absatz 3 V-NDB, wonach die Beschaffung Ausland auf Schweizer Boden auch an die Vorgaben des BWIS gebunden war, verstossen.

Im Verlauf ihrer Inspektion versuchte die GPDel herauszufinden, aus welchem Anlass Daniel Moser Anfang Dezember 2012 den Auftrag bezüglich des Datendiebstahls bei der UBS (später Strafverfahren EISFELD) und der Ausforschung der Absichten der deutschen Steuerbehörden gegen die Schweizer Banken erhalten hatte. Der Datendiebstahl bei der UBS war bereits im Sommer 2012 öffentlich bekannt geworden. Gleichzeitig begann die Schweiz ihre Interessen bezüglich den ausländischen Guthaben auf Schweizer Banken neu zu definieren, als am 20. Dezember 2012 die Vorsteherin EFD ihre Bereitschaft andeutete, mit dem Ausland über den automatischen Informationsaustausch verhandeln zu wollen.

Seitens des NDB konnte der GPDel niemand genau erklären, warum der NDB damals mit einem solchen Auftrag an Daniel Moser gelangt war. Laut dem Vorgesetzten des FO gab es zu dieser Zeit Hinweise auf Aktivitäten der deutschen Steuerbehörden in der Schweiz. Er vermutete, dass deshalb ein Informationsbedürfnis an den NDB herangetragen worden sei, ohne sich jedoch an einen entsprechenden politischen Auftrag oder dessen Herkunft erinnern zu können.

Sowohl der FO als auch sein Vorgesetzter waren sich bewusst, dass damals der Auftrag an Daniel Moser in Deutschland eine riskante und kostspielige Aufbauarbeit 5081

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seitens der Subquelle bedingen würde. Laut dem Chef NDBB, der die Vorschusszahlung an Daniel Moser genehmigt hatte, konnte der Dienst jedoch nicht wissen, was Daniel Moser und seine Subquelle genau unternehmen würden, um die Pläne der deutschen Steuerbehörden auszuforschen. Der Direktor NDB hatte weder Kenntnis von einem solchen Informationsbedürfnis noch vom spezifischen Auftrag an Daniel Moser.

Die Inspektion der GPDel ergab keine Anzeichen für einen konkreten Auftrag von der Leitung des Dienstes oder von einer übergeordneten politischen Stufe. Angesichts des politischen Kontextes, in welchem diese letzte Operation mit Daniel Moser erfolgte, fällt es der GPDel schwer zu verstehen, wie die Leitung des NDB auf die Wahrnehmung ihrer Führungsverantwortung verzichten konnte.

3.5.2

Verwendung von Subquellen

In den Anhörungen zur Inspektion der GPDel vertraten alle angehörten Mitarbeiter des NDB die Haltung, dass der Dienst die Art und Weise, wie eine Quelle ihre Informationen beschafft, nicht kennen müsse. So sagte der Vorgesetzte des FO, eine Quelle müsse «sich selbst lieb sein und alles tun, um sich und ihr Netzwerk zu schützen».59 Er müsse somit nicht wissen, wer die Subquellen seien und wie eine Quelle mit ihren Subquellen zusammenarbeite. Laut dem Chef NDBB sind Subquellen notwendig, wenn der Quelle der direkte Informationszugang fehle. In der Regel würden sich Subquellen der Kontrolle des Dienstes entziehen. Eigentlich sei der NDB auch nur am Resultat der Informationsbeschaffung interessiert. Im Fall von Daniel Moser stellte sich für den Chef NDBB aber rückblickend doch die Frage, ob man ihn da nicht hätte bremsen sollen.60 Spätestens nachdem der NDB im August 2013 von den Plänen Daniel Mosers erfahren hatte, trug der Dienst eine Mitverantwortung für die Aufträge, welche das Netzwerk von Daniel Moser mit dem Geld des NDB ausführen sollte. Aus Sicht der GPDel ist es nicht zulässig, dass der NDB heute nicht darlegen kann, welche Aktivitäten die Subquellen von Daniel Moser letztlich entwickelt haben. Nur wenn der NDB ein ausreichendes Verständnis für die Aktivitäten hat, die in seinem Auftrag erfolgen, kann er auch gewährleisten, dass die Informationsbeschaffung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben erfolgt.

Die Details von Artikel 34 NDG bezüglich der Beauftragung in der Beschaffung sind in den Artikeln 13 bis 16 der Nachrichtendienstverordnung (NDV)61 geregelt.

Laut Verordnung muss der NDB den Privaten, die für ihn einen Auftrag zur Informationsbeschaffung ausführen, die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen mitteilen und soweit notwendig erläutern. Während der Informationsbeschaffung hat der NDB zu kontrollieren, ob die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Ist dies nicht der Fall und ist innert nützlicher Frist keine Korrektur möglich, so muss der NDB die Informationsbeschaffung beenden.

59 60 61

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 16. Okt. 2017, S. 5.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 15. Nov. 2017, S. 10.

Verordnung vom 16. Aug. 2017 über den Nachrichtendienst (Nachrichtendienstverordnung, NDV; SR 121.1)

5082

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Empfehlung 1

Rechtmässiges Verhalten von Quellen

Die GPDel empfiehlt dem NDB, analog zu Artikel 15 und 16 NDV ein Verfahren zu entwickeln, wie die Rechtmässigkeit des Einsatzes von Quellen und insbesondere von Subquellen sichergestellt werden kann.

Das Handbuch über die Quellenführung der Auslandbeschaffung schreibt vor, dass Aufträge an Subquellen mit dem FO vereinbart werden. Grundsätzlich sollte der NDB für namenlose Subquellen, über welche die Quelle ihre Informationen bezieht, nicht bezahlen. Bezüglich der Informationsbeschaffung zum Datendiebstahl bei der UBS war es dem NDB nicht möglich, gegenüber der GPDel über den konkreten Einsatz des Geldes, das Daniel Moser erhalten hat, Rechenschaft abzulegen.

Im Grundsatz erkannten der FO und sein Vorgesetzter die Risiken, welche Daniel Moser und seine Subquellen in Kauf nahmen. Der NDB nahm jedoch keinen direkten Einfluss auf das Risikomanagement der Quelle und vertraute letztlich auf das Eigeninteresse der betroffenen Personen.

Aus Sicht der GPDel hätte eine seriöse Risikoabschätzung jedoch bedingt, dass der NDB das Verhalten seiner Quelle und ihrer Subquellen ausreichend verstand. Eine Frage war zum Beispiel, wie glaubhaft Daniel Moser verschleiern konnte, dass er für den NDB arbeitete und welche Risiken damit verbunden waren, dass er unter seinem eigenen Namen und dem seiner Firma tätig war. Notwendig wäre auch eine Analyse des ausländischen Strafrechts gewesen, um den Spielraum von Daniel Moser und seiner Subquelle zu verstehen. So konnte es beispielsweise von Belang sein, ob die Subquelle erkennen konnte, dass Daniel Moser letztlich zugunsten eines ausländischen Nachrichtendienstes arbeitete.

Die vorliegende Inspektion hat der GPDel einen Einblick in das Umfeld vermittelt, in welchem sich Daniel Moser und seine Informationslieferanten bewegten. Der Eindruck besteht, dass hier eine ganze Berufsgruppe ein Auskommen findet, indem die Beteiligten an Private und direkt oder indirekt auch an staatliche Stellen Informationen unterschiedlichster Qualität verkaufen und manchmal die gleichen Informationen auch unterschiedlichen Abnehmern anbieten.

Inwiefern solche Kreise dann effektiv selber über die gesuchten Informationen verfügen oder zu den entsprechenden Geheimnisträgern Zugang haben, dürfte in 5083

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vielen Fällen schwer zu beurteilen sein. Bei der Verwendung solcher Quellen ist es deshalb umso wichtiger, dass der NDB über ausreichendes Hintergrundwissen und analytische Kapazitäten verfügt, um derart beschaffte Information auf ihre Qualität hin zu überprüfen.

Empfehlung 2

Evaluation von Subquellen

Der NDB überprüft alle Subquellen auf die Qualität der gelieferten Produkte und klärt ab, über welche direkten Informationszugänge sie in dem Aufgabengebiet, in welchem sie Informationen liefern sollen, verfügen. Über die Resultate dieser Evaluation erstattet der NDB dem Vorsteher des VBS in geeigneter Form Bericht.

3.5.3

Bekannte und Privatdetektive

Als Daniel Moser als Quelle für den NDB rekrutiert wurde, war er mit mindestens drei Personen persönlich bekannt, die im Zusammenhang mit der Informationsbeschaffung für den NDB arbeiteten respektive im früheren DAP gearbeitet hatten.

Anlässlich der Einvernahme nach seiner Verhaftung Anfang 2015 gab Daniel Moser die Namen von ihm persönlich bekannten Angehörigen des Dienstes zu Protokoll.

Obwohl es nicht Daniel Mosers Absicht war, gelangten letztlich diese Namen auch in den deutschen Haftbefehl gegen ihn und an die Öffentlichkeit. Die GPDel weiss nicht, ob Daniel Moser den Klarnamen seines FO erfahren hat.

Ihre Tätigkeit birgt für eine Quelle, aber auch für den NDB, beträchtliche Risiken.

Deshalb bemüht sich der NDB, das Wissen um die Identität seiner Quellen auf möglichst wenig Personen zu beschränken. Gleichzeitig sollte der NDB auch verhindern, dass eine Quelle die Identität von Angehörigen des Dienstes, insbesondere des Quellenführers, erfährt. Beides kann jedoch schwierig sein, wenn Mitarbeitende des Dienstes eine Quelle bereits persönlich kennen.

Grundsätzlich sollte es der NDB vermeiden, Personen aus dem Bekanntenkreis seiner Mitarbeitenden, insbesondere aus der Beschaffung, zu rekrutieren.

Diese Problematik stellt sich insbesondere bei Quellen, die früher in den Schweizer Polizei- oder Sicherheitsdiensten tätig waren. Dieser Personenkreis ist relativ klein, und die Personen können über ihren Werdegang mit Angehörigen des NDB bekannt sein.

Empfehlung 3

Private Beziehungen von Quellen zu Angehörigen des NDB

Der NDB legt in einer internen Richtlinie abschliessend fest, unter welchen Bedingungen Personen als Quellen rekrutiert werden können, die mit aktiven Angehörigen der Abteilung Beschaffung persönlich bekannt sind.

Wenn nun frühere Angehörige von Polizei- oder Sicherheitsdiensten ihr Auskommen als Privatdetektive suchen, ist es naheliegend, dass sie versuchen, neben ihren fachlichen Kompetenzen auch ihre früheren Beziehungen und aktuellen Kontakte zu 5084

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den Behörden für ihre Tätigkeit zugunsten ihrer Kunden einzusetzen. Problematisch kann dies insbesondere dann werden, wenn solche Personen gleichzeitig als Quellen für den NDB tätig sind. Es ist zudem zu bedenken, dass sie aufgrund ihres beruflichen Vorlebens für ihre Quellentätigkeit gar nicht die direkten Zugänge zu den Informationen erworben haben können, die der NDB benötigt.

Ein Privatdetektiv, der als Quelle tätig ist, wird in der Regel auch weiterhin für andere Kunden arbeiten. Einerseits kann dies als geeigneter Vorwand dienen, um Informationen auch für den NDB zu beschaffen. Andererseits kann diese Kombination auch problematisch werden, wenn solche Personen gegenüber ihren Kunden ihre engen Kontakte zu Schweizer Behörden ins Feld führen, um ihren Marktwert herauszustreichen.

Nach dem Fall Giroud ist die GPDel nun innert kurzer Zeit erneut damit konfrontiert, dass ein Schweizer Privatdetektiv als Quelle der Auslandbeschaffung in eine Affäre verwickelt ist. Aus Sicht der GPDel sollte der NDB äusserste Zurückhaltung bei der Rekrutierung von Privatdetektiven oder Personen aus ähnlichen Berufsgruppen an den Tag legen.

Empfehlung 4

Risiken der Informationsbeschaffung durch Privatdetektive im Ausland

Der NDB überprüft den Einsatz von Quellen schweizerischer Nationalität, die ihren Lebensunterhalt als Privatdetektive verdienen oder eine ähnliche Tätigkeit ausüben, für die Informationsbeschaffung im Ausland. Das VBS zeigt in einem Bericht die Risiken auf, die sich speziell aus dem Einsatz solcher Personen als Quellen ergeben, und legt dar, wie diese Risiken auf ein vertretbares Mass reduziert werden können.

Im Laufe ihrer Inspektion ist die GPDel auf die grundsätzliche Problematik gestossen, dass Quellen, die als private Sicherheitsfachleute oder Detektive tätig sind, auch für Kunden tätig sein können, welche direkt oder indirekt die Interessen anderer Staaten vertreten. Aus Sicht der GPDel muss der NDB bei der Quellenführung diesem Risiko laufend Rechnung tragen.

5085

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Empfehlung 5

Meldung bei Verdacht der Tätigkeit einer Quelle für einen fremden Nachrichtendienst

Die Beschaffung informiert umgehend den Direktor NDB, wenn der Verdacht auftaucht, dass eine Quelle für einen fremden Nachrichtendienst arbeiten könnte.

Entscheidet der Direktor NDB über die Weiterführung der Quellenbeziehung, muss dies in der jährlichen Berichterstattung nach Artikel 19 NDV ausgewiesen werden.

3.5.4

Finanzierung von Quellen

Es erscheint der GPDel nicht angebracht, die Zahlungen, welche der NDB an Daniel Moser geleistet hat, im Detail zu publizieren. Es ist aber öffentlich bekannt, dass Daniel Moser vom NDB für den Auftrag in Bezug auf den Datendiebstahl bei der UBS und der Ausforschung des deutschen Dispositivs einen Vorschuss von 60 000 Euro erhielt.62 Diese Summe wurde im Dezember 2012 und Januar 2013 mit rund einem Monat Abstand in zwei Tranchen von je 30 000 Euro ausbezahlt.

Laut dem Vorgesetzten des FO erfolgte eine erste Zahlung, weil Daniel Moser in seinem Netzwerk ein wenig Geld streuen wollte, um später etwas dafür zu erhalten.63 Die zweite Tranche erging an Daniel Moser ohne jeden weiteren Leistungsausweis.

Gemäss den internen Richtlinien des NDB erforderte jede Zahlung an eine Quelle, die 50 000 Franken übersteigt, die Genehmigung des Direktors NDB. Laut dem Chef NDBB war es deshalb zulässig, dass die beiden Tranchen je einzeln von ihm bewilligt wurden und der Direktor des NDB nicht einbezogen wurde.64 Gegenüber der GPDel bestätigte der Direktor NDB, dass er den letzten Einsatz von Daniel Moser weder genehmigt noch seine Kosten bewilligt habe.65 Da die Kosten des vollständigen Vorschusses bekannt waren, wäre es nach Ansicht der GPDel angebracht gewesen, den Direktor NDB über den Gesamtbetrag zu informieren. Die Tatsache allein, dass die Zahlung in zwei Tranchen erfolgte, vermag in den Augen der GPDel nicht hinreichend zu begründen, warum der Direktor NDB nicht in die Verantwortung eingebunden wurde.

Interessanterweise war der FO rückblickend der Ansicht, der Direktor NDB habe die Zahlung genehmigt. Auch sein Vorgesetzter ging davon aus, dass der Chef NDBB solch «spezielle Sachen»66 auch mit dem Direktor NDB besprechen würde.

Während eines ganzen Jahres erhielt Daniel Moser zudem vom NDB eine monatliche Pauschalzahlung. Aus Sicht der GPDel war diese Zahlung nicht mit Artikel 14a

62 63 64 65 66

Anklage fordert zwei Jahre Haft auf Bewährung, NZZ vom 3.Nov. 2017, S. 17.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 16. Okt. 2017, S. 5.

Brief des NDB an die GPDel vom 27. Nov. 2017, S. 1.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 15. Nov. 2017, S. 19.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 16. Okt. 2017, S. 5.

5086

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BWIS vereinbar, welcher gemäss Artikel 7 ZNDG auch für die Auslandbeschaffung galt.

Diese Bestimmung, welche im Juli 2012 in Kraft trat, sah lediglich Unkostenentschädigungen und Prämien vor. Daniel Moser erhielt jedoch die monatlichen Pauschalen separat zur Entschädigung für seine Unkosten. Die Zahlungen konnten auch keine Prämien im Sinne des Gesetzes gewesen sein, da mit ihnen keine spezifische Leistung von Daniel Moser belohnt wurde. Ausserdem durften laut der Botschaft zur BWIS-II-Revision solche Prämien ein paar wenige Tausend Franken pro Jahr nicht überschreiten.

Im Handbuch für die Informationsbeschaffung nach BWIS wurde auch klar empfohlen, regelmässige monatliche Entschädigungen zu vermeiden.

3.5.5

Einstellung der Quellenbeziehung

Ende Mai 2014 betrachtete der NDB die Quellenbeziehung zu Daniel Moser als beendet, nachdem es über längere Zeit zu keinen Kontakten mehr gekommen war.

Die Einstellung der Quelle wurde entsprechend in der jährlichen Berichterstattung an das VBS und die GPDel vermeldet. Der NDB hatte jedoch Daniel Moser nie explizit die Einstellung der Quellenbeziehung kommuniziert oder die ihm zur Verfügung gestellten elektronischen Kommunikationsgeräte zurückgefordert.

Vielmehr hatte der NDB beim letzten Kontakt mit Daniel Moser die Möglichkeit eines erneuten Treffens, falls er doch noch Informationen zu seinem letzten Auftrag liefern könnte, offengelassen. Im Prinzip konnte Daniel Moser deshalb immer noch davon ausgehen, einen Auftrag des NDB zu haben zumindest in Bezug auf die Informationen, für deren Beschaffung er vom NDB einen Vorschuss erhalten hatte.

Für alle weiteren Aktivitäten hatte Daniel Moser jedoch ohne das vorgängige Einverständnis des NDB kein Mandat mehr.

Seitens des NDB wurde der GPDel erläutert, dass die Beendigung einer Quellenbeziehung mitunter ein heikleres Unterfangen als die Rekrutierung sei. Aufgrund einer Trennung soll die Quelle keinen Anlass erhalten, dem NDB zu schaden, beispielweise indem sie an die Öffentlichkeit geht. Im schlimmsten Fall könnte die Quelle auch mit dem Wissen, das sie über den NDB gewonnen hat, an fremde Nachrichtendienste gelangen. Ausserdem könne der NDB auch ein Interesse haben, die Quellenbeziehung lediglich «einzufrieren», um die Option auf eine Reaktivierung zu behalten.

Auf der anderen Seite ist es auch die Aufgabe des NDB, seine Quellen regelmässig zu beurteilen. Zum Zeitpunkt, als der NDB zum Schluss kam, dass die substanzielle Anzahlung für seinen letzten Auftrag verloren war, hätte Daniel Moser über die Einstellung der Zusammenarbeit informiert werden müssen, was aus Sicht der GPDel auf geeignete Art und Weise auch möglich gewesen wäre.

Die GPDel ist der Meinung, dass eine Quelle, die laut Berichterstattung an die Aufsichtsorgane als eingestellt gilt, auch vom NDB erfahren sollte, dass sie keinen Auftrag des Dienstes mehr hat. Ansonsten sollte der NDB in der Berichterstattung klar die Gründe ausweisen, warum die Trennung von einer Quelle dieser nicht kommuniziert werden konnte.

5087

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Empfehlung 6

Transparenz über die Beendigung von Quellenbeziehungen

Meldet der NDB in der jährlichen Berichterstattung nach Artikel 19 NDV die Beendigung einer Quellenbeziehung, so weist er darin aus, ob und wie die Quelle darüber informiert werden konnte.

3.6

Organisation der Spionageabwehr im NDB

3.6.1

Pläne für den Schutz des Finanzplatzes

Als der NDB Anfang 2010 seine Tätigkeit aufnahm, übernahm er die nachrichtendienstlichen Aufgaben seiner beiden Vorgängerorganisationen. Zusätzlich begann der NDB im Frühjahr 2010 Vorschläge zu entwickeln, um sein Mandat auf den Schutz des Finanz-, Wirtschafts- und Technologieplatzes Schweiz67 auszudehnen.

Zu diesem Zweck wollte das VBS vom Bundesrat einen Grundsatzentscheid erwirken. Laut dem geplanten Aussprachepapier des VBS sollte die Aufgabe des NDB nicht auf die Abwehr von Wirtschaftsspionage begrenzt bleiben, sondern es sollten auch die Absichten des Auslandes ­ auch der Nachbarländer ­ aufgeklärt werden, um die Früherkennung und gegebenenfalls entsprechende Massnahmen der politischen Entscheidungsträger zu ermöglichen.68 Für dieses neue Aufgabengebiet sollte ein Netzwerk spezifischer Kunden innerhalb und ausserhalb der Bundesverwaltung aufgebaut werden. Benötigt wurden auch entsprechende analytische Kompetenzen, um die beschafften Informationen auszuwerten. Anstatt eigene Auswertekapazitäten aufzubauen, favorisierte der NDB die Option, dass die Analyse durch die bestehenden Fachstellen im damaligen Eidg.

Volkswirtschaftsdepartement und im EFD erfolgen würde.

Wie der Direktor NDB Ende Oktober 2010 gegenüber den Medien erläuterte, sollte der Bundesrat den Schutz des Finanzplatzes als Priorität definieren und erlauben, dass der Nachrichtendienst all seine Kanäle und Methoden einsetzt, um Informationen zu sammeln.69 Laut dem Direktor NDB sollte der Bundesrat dementsprechend den neuen Grundauftrag für den NDB formulieren.

Der Entwurf des Aussprachepapiers des VBS wurde zwischen September 2010 und April 2011 mehrmals im SiA besprochen. Auf Vorschlag des Direktors fedpol wurde auch ein Rechtsgutachten des BJ eingeholt, das bereits am 2. Dezember 2010 vorlag. Daraus ergab sich, dass die Pläne des VBS ohne Gesetzesänderung nicht realisiert werden konnten.

Während der SiA die Diskussion um die vom VBS gewünschte Ausweitung des Mandats des NDB fortführte, erteilte der Bundesrat anfangs 2011 dem NDB seinen ersten Grundauftrag. Dieser legte gestützt auf die gesetzlichen Aufgaben des NDB die Schwerpunkte für die Arbeit des Dienstes fest.

67 68 69

Aussprachepapier des VBS an den Bundesrat, Entwurf vom 7. Mai 2010, S. 5.

Aussprachepapier des VBS an den Bundesrat, Entwurf zuhanden der Sitzung des SiA vom 21. Sept. 2010, S. 5.

Geheimdienst will Finanzplatz schützen. Neue Luzerner Zeitung, 27. Okt. 2010, S 1/2.

5088

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Die Abwehr des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes war einer der Kernbereiche im Themengebiet Spionageabwehr. Wie die GPDel im März 2011 erfuhr, war nach Ansicht des Vorstehers des VBS die Beschaffung von Schweizer Bankdaten durch benachbarte Staaten jedoch kein Thema für die Spionageabwehr (vgl. Ziff. 3.3).

Laut dem Vorsteher des VBS musste der Bundesrat zuerst über das vom VBS vorgeschlagene Aussprachepapier entscheiden. Als der Bundesrat das Geschäft am 6. Juli 2011 behandelte, erhielt das VBS den Auftrag, die vorgeschlagene Erweiterung des Mandats des NDB erst im Rahmen des neuen NDG zu prüfen.

Laut einem Inspektionsbericht der ND-Aufsicht zur Spionageabwehr führte der Bundesratsbeschluss vom 6. Juli 2011, welcher gestützt auf das genannte Gutachten des BJ die Kompetenzen des NDB zur aktiven Wirtschaftsspionage verneinte, zu Verunsicherungen im NDB. Teils gingen Mitarbeitende davon aus, so der Bericht, dass dem NDB auch die Kompetenz zur Abwehr staatlicher Wirtschaftsspionage v. a. auf dem Finanzplatz fehle.70

3.6.2

Ausrichtung der Spionageabwehr

Im Juni 2011 verfasste der NDB eine interne Kurzanalyse 71 über die Herausforderungen, mit welchen sich die Spionageabwehr des Dienstes konfrontiert sah. Insgesamt zeichnete die Analyse ein düsteres Bild bezüglich der Fähigkeiten des NDB in diesem Bereich. Es zeigte sich auch, wie stark die Spionageabwehr des NDB auf Hinweise von Partnerdiensten angewiesen war. Demzufolge war der NDB selber kaum im Vorfeld aktiv, sondern musste sich oft mit einer reaktiven Rolle begnügen.

Laut der Notiz signalisierten die Partnerdienste dem NDB nur die Fälle, bei welchen eine Zusammenarbeit mit dem NDB auch in ihrem Interesse war.

Laut der Kurzanalyse führte die Beschränkung der Spionageabwehr auf die im Grundauftrag erwähnten Staaten zu erheblichen Wissenslücken in Bezug auf die nachrichtendienstliche Aktivität anderer Nachrichtendienste in der Schweiz. Damit waren insbesondere die Aktivitäten von Nachbarstaaten zwecks Informationsbeschaffung aus dem Bankensektor (Steuerung von Selbstanbietern und gelegentliche Observationstätigkeiten) gemeint.

Die erwähnte Notiz erhielt die GPDel jedoch erst im Rahmen ihrer Inspektion. Die GPDel war ihrerseits bereits im Jahr 2012 zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen. So schrieb die GPDel am 13. Juni 2012 dem Vorsteher des VBS, dass die Delegation bezüglich der Abwehr von Wirtschaftsspionage nur beschränkt Aktivitä70 71

Organisationsprüfung der nachrichtendienstlichen Abwehr. Bericht der ND-Aufsicht vom 3. März 2014, S. 24.

Kurzanalyse des NDB vom 29. Juni 2011.

5089

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ten des NDB feststellen konnte. Sowohl die Zahl der Operationen als auch die eingesetzten Personalressourcen erschienen bescheiden. Die Aktivitäten des NDB schienen sich vielmehr auf die Fälle von politischem und militärischem Nachrichtendienst zu konzentrieren. Dies dürfte vor allem auch im Interesse befreundeter Staaten und ihrer Dienste gewesen sein. Für die Abwehr von Wirtschaftsspionage, die vor allem Schweizer Interessen bedrohte, würde der NDB jedoch weniger Ressourcen einsetzen. Die GPDel erachtete es deshalb als notwendig, sich anlässlich der nächsten Aussprache mit dem Vorsteher des VBS über den Auftrag und die Prioritäten des NDB im Bereich des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes zu unterhalten.

Anlässlich der Aussprache vom 6. November 2012 erhielt die GPDel vom Direktor NDB weiterführende Informationen zu den für die Spionageabwehr allgemein eingesetzten Ressourcen und den Staaten, die im Fokus der Abwehr des NDB standen.

Wie der Direktor NDB weiter ausführte, würde es beim Schutz des Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz unter dem neuen Gesetz um mehr als nur um den Auftrag im Inland gemäss der engeren Definition des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes nach dem BWIS gehen. Dazu könnte laut dem Direktor NDB die Informationsbeschaffung gegen Akteure innerhalb der Schweiz gehören, die zur Umgehung von internationalen Wirtschaftssanktionen benutzt werden. Weiter könnte die Schweiz auch den NDB benutzen, um politischen oder wirtschaftlichen Druckversuchen zu begegnen.

Denkbar wäre auch die Möglichkeit, die Auslandbeschaffung zugunsten der Interessen von Schweizer Unternehmen einzusetzen.

Im Jahr 2013 führte die ND-Aufsicht eine Inspektion zur nachrichtendienstlichen Abwehr des NDB durch. Dabei überprüfte die ND-Aufsicht das Kommissariat Spionageabwehr der Beschaffung Inland, den Auswertebereich Nachrichtendienst und die zuständigen Verantwortlichen in der Abteilung Steuerung. Die Zusammenarbeit dieser Stellen hatte der NDB in einem abteilungsübergreifenden «Desk Nachrichtendienst» organisiert. Laut dem Bericht 72 vom 3. März 2014 führte der NDB 72

Organisationsprüfung der nachrichtendienstlichen Abwehr. Bericht der ND-Aufsicht vom 3. März 2014, S. 24.

5090

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Ende 2013 zur Abwehr von Wirtschaftsspionage keine Gegenoperationen mehr. Für den spezifischen Bereich des Finanzplatzes stand eine einzige Person, und dies nur zu einem Teil ihres Pensums, zur Verfügung. Für die ND-Aufsicht konnte diese Art von Bearbeitung nur als symbolisch bewertet werden. Dem Auswertebereich Nachrichtendienst war es nicht möglich, alle Operationen der Beschaffung zu begleiten.

Deshalb blieben einzelne Dossiers auch über längere Zeit unausgewertet liegen.

Aufgrund ihrer Inspektion empfahl die ND-Aufsicht, die Personalressourcen um mindestens sieben Stellen zu erhöhen. In ihrem Mitbericht zum NDG bezog sich die GPDel auf diese Empfehlung, als sie sich zu den personellen Auswirkungen des neuen Gesetzes äusserte.73 Wie die GPDel am 9. Februar 2016 anlässlich eines Besuchs im NDB erfuhr, war bis zu diesem Zeitpunkt immer noch kein Entscheid über die empfohlene Aufstockung des Personals für die Spionageabwehr gefallen.

Aufgrund des Gutachtens des BJ und des Entscheids des Bundesrates vom 6. Juli 2011 musste das VBS zur Kenntnis nehmen, dass der NDB seine Zuständigkeit in Bezug auf den Schutz des Finanzplatzes nicht über die klassische Spionageabwehr hinaus ausweiten konnte. Rechtlich wäre es aber unproblematisch gewesen, im Grundauftrag des NDB die Schwerpunkte für die Spionageabwehr auf die Staaten auszudehnen, welche den Finanzplatz ausforschten. Der NDB versuchte jedoch nicht, mit einer Anpassung des Grundauftrags sein Dispositiv zumindest im engeren Bereich der Spionageabwehr auf die aktuelle Bedrohungslage auszurichten; dies obwohl er zuvor gestützt auf die Problematik der deutschen Bankdatenkäufe nach einer viel substanzielleren Kompetenzerweiterung verlangt hatte.

3.6.3

Koordination innerhalb der Beschaffung

Daniel Moser war ursprünglich mit einer ganz anderen Stossrichtung als der Spionageabwehr rekrutiert worden. Als ihm der Auftrag zur Vervollständigung der Personalien der deutschen Steuerfahnder erteilt wurde, erfolgte dies weiterhin unter der Führung der Beschaffung Ausland. Dies hatte zur Folge, dass auch seine spätere Tätigkeit losgelöst von der Beschaffung Inland stattfand.

Als das Kommissariat Spionageabwehr im Februar 2013 eine eigene Operation zwecks Abklärungen zum Datendiebstahl bei der UBS (vgl. Verfahren EISFELD) eröffnete, war den zuständigen Personen nicht bekannt, dass die Beschaffung Ausland bereits im Dezember 2012 Daniel Moser den Auftrag erteilt hatte, die Identität des Datendiebs bei der UBS ausfindig zu machen. Umgekehrt erfuhr der FO von Daniel Moser nie, dass seine Kollegen vom Kommissariat Spionageabwehr von der UBS die Personalien des vermuteten Datendiebs erhalten hatten. Offenbar war dies auch sonst niemandem im NDB aufgefallen, bis sich die GPDel aufgrund anderweitiger Informationen nach dieser Doppelspurigkeit erkundigte.

Wäre der Einsatz von Daniel Moser im Rahmen der vorgeschriebenen Organisationsstrukturen erfolgt, hätte der Leiter des zuständigen Kommissariats wohl kaum eine Quelle mit der Beschaffung eines bereits bekannten Namens beauftragt. Zu 73

Anhang zum Mitbericht der GPDel zum E-NDG (14.022) an die RK-N vom 22. April 2014, S. 39.

5091

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dieser Panne trug auch der Umstand bei, dass der Einsatz von Daniel Moser offenbar ohne Rücksprache mit dem Auswertebereich Nachrichtendienst erfolgte, wo eigentlich alle Informationen aus beiden Teilen der Beschaffung zusammenfliessen sollten. Mit Artikel 3 ZNDG hatte der Gesetzgeber explizit verlangt, dass alle Informationen gemeinsam von einer Stelle des NDB ausgewertet werden.

3.6.4

Verwendung der beschafften Informationen

Während Daniel Moser das Dispositiv und die Absichten des Auslandes gegenüber dem Finanzplatz Schweiz ausforschen sollte, fehlte dem NDB das Grundlagenwissen, um die Organisation und das Vorgehen der betreffenden ausländischen Dienste im Detail zu verstehen. Der Dienst wäre somit auch kaum in der Lage gewesen, die Relevanz und Glaubwürdigkeit der Informationen zu beurteilen, welche Daniel Moser beschaffen sollte. Aus dem gleichen Grund konnte der Dienst auch nicht wissen, in welchen Bereichen eine Informationsbeschaffung sinnvoll und allenfalls auch erfolgversprechend hätte sein können.

Gegenüber der GPDel erklärte der Chef NDBB im November 2017, dass die Aufträge an Daniel Moser im Zusammenhang mit der Abwehr von Wirtschaftsspionage aus Deutschland nicht von der Auswertung bearbeitet worden seien.74 Die Resultate für Informationsabnehmer ausserhalb des Dienstes seien jeweils mit dem zuständigen Steuerungsverantwortlichen für die Spionageabwehr besprochen worden.

Beschaffte der NDB Informationen im Zusammenhang mit dem Finanzplatz Schweiz, so gingen diese letztlich unausgewertet an die Informationsempfänger ausserhalb des Dienstes. Wie die Abklärungen der GPDel ergaben, erhielt die Vorsteherin des EFD im Sommer 2013 einen solchen Quellenbericht. Eine Quelle der Beschaffung Ausland hatte diesen Bericht von einer Subquelle erwerben können.

Offenbar erweckte der Bericht im EFD kein nachhaltiges Interesse.

In mancher Hinsicht entsprachen die Modalitäten, nach welchen die Quelle Daniel Moser vom NDB genutzt wurde, der Konzeption, gemäss welcher der NDB zukünftig unter Artikel 3 NDG finanz- und wirtschaftspolitische Themen bearbeiten sollte.

Wie der Vorsteher des VBS im Ständerat erläuterte, sollte die Beschaffung des NDB als Ergänzung bei Problemen, die durch andere Stellen nicht gelöst werden könnten, zum Einsatz kommen.75 Es bestehe im NDB nicht die Absicht, hier Analysekompetenzen aufzubauen.76 Vielmehr sollte der NDB mit den vorhandenen Mitteln allenfalls Daten liefern, beispielsweise für das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF), aber die Analyse und Auswertung müssten dann dort erfolgen.77 Der Fall Daniel Moser zeigt jedoch, dass die nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung, insbesondere durch menschliche Quellen, nur unter bestimmten Bedingungen einen Nutzen abwerfen kann und zudem mit Risiken und Kosten verbunden ist. Zudem kann der NDB solche Instrumente nur wirksam einsetzen, wenn der 74 75 76 77

Brief des NDB vom 27. Nov. 2017 an die GPDel, S. 3.

AB 2016 S 513 AB 2016 S 513 AB 2016 S 513

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Dienst die beschafften Informationen beurteilen und auswerten kann und über die notwendigen Kenntnisse verfügt, um seine Quellen auf die richtigen Fragen anzusetzen. Diese Schlussfolgerungen sollte der Bundesrat deshalb beachten, wenn er gestützt auf Artikel 71 NDG beschliesst, den NDB zum Schutz des Werk-, Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz gemäss Artikel 3 Buchstabe c NDG einzusetzen.

Empfehlung 7

Anträge an den Bundesrat zur Anwendung von Art. 3 NDG

Die GPDel empfiehlt dem Bundesrat, dass er Anträge gemäss Artikel 71 NDG nur dann behandelt und bewilligt, wenn sie neben dem VBS auch von allen anderen Departementen, welche an der Informationsbeschaffung durch den NDB interessiert sind, mitunterzeichnet werden. In den Anträgen soll insbesondere ausgewiesen werden, welchen Nutzen die Informationsempfänger von den Resultaten des NDB erwarten.

3.7

Aufsicht durch das VBS

3.7.1

Praxis des Vorstehers des VBS und des Direktors NDB

Als Oberaufsicht hat die GPDel ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet, wie das VBS und der NDB ihre Aufsichtspflichten über die Operationen und Quellenführungen wahrgenommen haben. Wie die GPDel in den Jahren 2010 bis 2015 wiederholt erfuhr, ging der Vorsteher des VBS grundsätzlich davon aus, dass der Direktor NDB ihn rechtzeitig über alle heiklen Operationen informieren würde. Zugleich zeigte er sich davon überzeugt, dass diese Berichterstattung für seine Aufsicht ausreichend sei.

Er selber habe die Möglichkeit, vielleicht die zehn wichtigsten Operationen wirklich nahe zu begleiten, um sie auch selbst beurteilen zu können78, sagte der Vorsteher des VBS gegenüber der GPDel am 7. Oktober 2015. Die übrigen Operationen müsse die ND-Aufsicht beurteilen und überprüfen79 und diese Aufgabe werde nach dem Inkrafttreten des NDG der unabhängigen Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten zufallen. Wie der frühere Vorsteher des VBS der GPDel am 31. August 2017 erklärte, sei er nicht der Auffassung gewesen, er müsse alle Details kennen und genehmigen, denn es sei nicht sinnvoll, dass alles sofort auf die Ebene der Politik hochgespielt werde.

Gegenüber der GPDel zeigte sich der Direktor NDB wiederholt davon überzeugt, dass der Departementsvorsteher auf diesem Weg ausreichend über die Operationen informiert werde. Der Direktor NDB wiederum verliess sich seinerseits ganz darauf, dass der Chef NDBB ihn über erkannte Probleme rechtzeitig und ausreichend ins Bild setzte. Wie der Direktor NDB der GPDel im Rahmen der Inspektion erläuterte, habe er ganz bewusst keinen Einblick in die Quellendossiers genommen, denn als

78 79

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 7. Okt. 2015, S. 14.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 7. Okt. 2015, S. 14.

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Direktor sollte er keinen Einfluss auf die Quellenführung nehmen und auch die Klarnamen nicht kennen.80 Nach eigenen Aussagen war der Direktor NDB über den Einsatz von Daniel Moser, als dieser im Jahr 2011 die Informationen zu den deutschen Steuerfahndern beschaffen konnte, informiert gewesen. Dies sei ja auch dem Bundesrat gemeldet worden.

Danach seien jedoch keine weiteren Informationen über Tätigkeiten von Daniel Moser an ihn herangetragen worden. Nach seinem damaligen Wissensstand habe die Beschaffung die Operation mit Daniel Moser eingestellt, als die Quelle keine Resultate mehr lieferte. Der Direktor NDB hatte auch keine Zahlungen an Daniel Moser bewilligt (vgl. Ziff. 3.5.4).

Nach der Aufsichtspraxis des Vorstehers des VBS und des Direktors NDB oblag somit die Aufsichtsverantwortung in erster Linie dem Chef NDBB. Der Chef NDBB erhielt eine Kopie der jeweils vorgängig einzureichenden Kontaktprogramme. Wie die ND-Aufsicht in ihrem Bericht vom 2. Juli 2015 festhielt, hatte der Chef NDBB die Überprüfung der Kontaktprotokolle der Auslandbeschaffung weitgehend an den Chef der Beschaffung Ausland delegiert.81 Laut ND-Aufsicht wäre das Volumen der Unterlagen für ein Direktionsmitglied nicht mehr zu bewältigen gewesen.

Aus dem Dossier von Daniel Moser geht hervor, dass der Chef NDBB in die Genehmigung der beiden Einsätze von Daniel Moser in Bezug auf die deutschen Steuerbehörden involviert war; insbesondere hatte er die Anzahlung von 60 000 Euro genehmigt. Er war auch über die Zusammenarbeit mit der BKP bezüglich den vermuteten Geldwäschereifällen informiert worden. Der Chef NDBB war ebenfalls auf dem Laufenden, als sich die Quellenführung von Daniel Moser im Verlaufe des Jahres 2013 als zunehmend schwierig entpuppte. Es war aber auch der Chef NDBB, der einen der problematischeren Vorschläge Daniel Mosers, welcher teilweise ein Interesse bei der Auslandbeschaffung erweckt hatte, ablehnte.

In ihrer Gesamtbeurteilung herrscht für die GPDel der Eindruck vor, dass seitens des Chefs NDBB und des Leiters der Auslandbeschaffung eine kritische Aufsicht über Daniel Moser und die Arbeit seines Quellenführers fehlte. Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass der NDB davon ausging, der Dienst trage letztlich keine Verantwortung für die Art und Weise, wie eine Quelle ihre Informationen beschafft.

Auch wurde es offenbar im NDB nicht als ungewöhnlich empfunden, dass eine wenn auch bloss einmalig erfolgreiche Quelle aufgrund ihrer eigenen Initiative einen derart entscheidenden Einfluss auf ihre Einsatzgebiete gewinnen konnte.

In den Akten thematisierten der FO und sein Vorgesetzter auch punktuell die Risiken, welche mit den Kontakten und Reisen Daniel Mosers nach Deutschland ver80 81

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 15. Nov. 2017, S. 21.

Bericht der ND-Aufsicht vom 2. Juli 2015. Sonderinspektion Quellenführung im NDB: Beschaffung Ausland, S. 31.

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bunden waren. Der Chef NDBB scheint jedoch dazu nie Stellung genommen zu haben. Aus Sicht der GPDel wäre jedoch die konkrete Evaluation der Risiken eines Auslandeinsatzes, insbesondere das Wissen um die lokale Rechtslage, ein wichtiges Aufsichtsthema für die Leitung der Beschaffung gewesen. Wie die Analyse der GPDel zur rechtlichen Problematik gezeigt hat (vgl. Ziff. 3.3), fehlten ausserdem in der Beschaffung Ausland, und im NDB generell, die notwendigen rechtlichen Kenntnisse, um die Rechtmässigkeit der Operationen mit Daniel Moser adäquat beurteilen zu können.

Aus Sicht der GPDel war die Beschaffung Ausland nicht genügend in der Lage, eine angemessene interne Aufsicht über ihre Operationen sicherzustellen. Da die Aufsichtspraxis des Direktors NDB und indirekt auch des Vorstehers VBS jedoch auf eine solche beschaffungsinterne Aufsicht abstellte, übten beide letztlich keine wirksame Kontrolle über die Operationen des NDB im Allgemeinen und jene mit Daniel Moser im Speziellen aus.

3.7.2

Jährliche Berichterstattung zu den Operationen

Laut Verordnungsrecht lag die Hauptverantwortung für die Aufsicht über die Operationen auf Stufe des NDB selbst. Das Amt, d. h. sein Direktor, musste gewährleisten, dass die Operationen und Quellen periodisch, mindestens jedoch einmal jährlich beurteilt wurden. Gemäss geltender Praxis erfolgte diese jährliche Berichterstattung anhand einer Liste mit der Beschreibung der Operationen des Dienstes, die an den Vorsteher des VBS gerichtet war und auch den Aufsichtsorganen zugestellt wurde.

Anlässlich der Kenntnisnahme der Liste erkundigte sich die GPDel regelmässig danach, welche Bedeutung diese Berichterstattung für die Aufsicht im VBS hatte.

Zur Bedeutung der Liste erklärte der Direktor NDB am 17. August 2015, dass der NDB mit dem Departementsvorsteher nicht Punkt für Punkt durch die Liste gehen würde.82 Von der ND-Aufsicht erfuhr die Delegation gleichentags, dass der Vorsteher des VBS für sich selber die Liste als wertlos bezeichnet habe.83 Der Vorsteher des VBS lag allerdings nicht falsch mit der Beurteilung, dass die damalige Liste wenig nützliche Informationen für die Aufsicht enthielt. Dies war nicht zuletzt auf die Tatsache zurückzuführen, dass der NDB den rechtlichen Auftrag zur systematischen Beurteilung jeder Operation, welcher mit der Erarbeitung der Liste verbunden war, nicht erfüllte.

Die Abteilung Beschaffung verstand die jährliche Berichterstattung vor allem als Auftrag zuhanden der ND-Aufsicht und der GPDel. Die Liste wurde hingegen nicht als Aufsichtsinstrument für die Leitung der Beschaffung oder des Dienstes betrachtet. Aus der damaligen Sicht des Direktors NDB wäre allenfalls die ND-Aufsicht aufgerufen gewesen, aufgrund der Liste dem Departementsvorsteher Änderungen vorzuschlagen.84

82 83 84

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 17. Aug. 2015, S. 29.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 17. Aug. 2015, S. 8.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 27. Aug. 2010, S. 21.

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Nachdem der Vorsteher des VBS auf Anregung der GPDel (vgl. Ziff. 3.8) im Jahr 2015 die Liste von der ND-Aufsicht in Zusammenarbeit mit dem NDB neu konzipieren liess, gab es jedoch Anzeichen, dass der Direktor NDB in der Liste einen Nutzen für die Wahrnehmung seiner Aufsichtsverantwortung zu sehen begann.

Bei der ersten Präsentation der Berichterstattung in der neuen Form anerkannte der Direktor NDB am 27. Juni 2016, dass NDB-intern die einzelnen Faktenblätter auch ein Führungsinstrument seien: Sie sollten also nicht nur für die Aufsichtsgremien herhalten, sondern der NDB könnte mit ihnen auch intern führen und steuern.85 Bei der Behandlung der Berichterstattung im Jahr 2017 äusserte sich der Direktor NDB zuversichtlich, dass mit der neuen Liste ein Gesamtüberblick geschaffen werde, der dann intern und mit dem Departementschef diskutiert werden könne.86 Die GPDel erfuhr auch, dass der Vorsteher des VBS zwei jährliche Aussprachen mit dem NDB über die Führung der Operationen und Quellen vereinbart hatte. Eine erste Präsentation habe im Juni 2017 stattgefunden, bei welcher der NDB die neuen Operationen, welche in diesem Jahr eröffnet wurden, mit dem Vorsteher des VBS besprochen habe.

3.7.3

Verwaltungskontrolle

Wie die Darstellung des Sachverhalts unter Ziff. 2.4 zeigt, leistete die ND-Aufsicht keinen konkreten Beitrag zur Aufsicht des VBS über die Quellenführung von Daniel Moser. Als sich die ND-Aufsicht im Jahr 2012 mit dem Dossier von Daniel Moser befasste, wurde in erster Linie geprüft, wie weit dessen Inhalt und die Angaben in der jährlichen Berichterstattung übereinstimmten. Ohne eine vertiefte materielle und rechtliche Prüfung war es jedoch nicht möglich, die inhärenten Probleme, die sich aus der mangelhaften Führung der Quelle ergaben, zu identifizieren und entsprechende Empfehlungen an den Vorsteher des VBS zu richten.

Es ist allerdings zu beachten, dass zu dieser Zeit der NDB nicht bereit war, der NDAufsicht Zugang zu allen Informationen der Beschaffung zu gewähren und vom Vorsteher des VBS in dieser Haltung bestärkt wurde. Erst ab 2014 konnte die NDAufsicht ihre Informationsrechte uneingeschränkt und somit gesetzeskonform wahrnehmen.

Ab 2014 befasste sich die ND-Aufsicht jedes Jahr fundiert mit einer kleinen Auswahl von Operationen und Quellen. Neben zwei Empfehlungen zur Einstellung von spezifischen Operationen sprach die ND-Aufsicht grundlegende Fragen der Quellenführung und der operativen Sicherheit an. Andere Empfehlungen sollten zur Verbesserung der Nachvollziehbarkeit der Quellenführung und punktuell auch zur Reduktion von erkannten Risiken beitragen. Nach der Affäre Giroud überprüfte die ND-Aufsicht zudem die Quellenführung durch die Auslandbeschaffung. Beispielsweise empfahl die ND-Aufsicht, dass für die einzelnen Teilbereiche der Beschaffung eine direkte Möglichkeit zur Konsultation des Rechtsdienstes des NDB geschaffen werde.

85 86

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 27. Juni 2016, S. 16.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 30. Aug. 2017, S. 43.

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In der Regel konnte die ND-Aufsicht ihre Berichte und Empfehlungen dem Vorsteher des VBS präsentieren. Dieser pflegte auch die Empfehlungen zu akzeptieren und sie dem NDB zur Umsetzung zu überweisen. Wie aus einem Bericht der NDAufsicht zum Umsetzungstand der Empfehlungen im April 2017 hervorgeht, hatte der NDB zu diesem Zeitpunkt jedoch diverse Empfehlungen nur ungenügend umgesetzt.

Am 7. Oktober 2015 fragte der Präsident der GPDel den Vorsteher des VBS nach dem Nutzen, den er aus den Prüfberichten der ND-Aufsicht für seine eigene Aufsicht über die Operationen ziehen könne. Dazu führte der Departementsvorsteher aus, er erhalte aus den Besprechungen mit der ND-Aufsicht immer wieder Hinweise, wo er vielleicht noch gezielter hinschauen müsse. Es erschien ihm auch wichtig zu hören, wie die ND-Aufsicht die Atmosphäre im NDB wahrnimmt und ob man dort wirklich begriffen habe, was die Departementsführung wolle, und ob das auch umgesetzt werde. Er wolle auch das diskutieren, was zwischen den Zeilen der Berichte stehe.87 Aus Sicht der GPDel konnte die ND-Aufsicht bewirken, dass einzelne Operationen eingestellt und insbesondere die Aktenführung in der Beschaffung verbessert wurden. Solange sich aber der Vorsteher des VBS nur einzelfallweise über Operationen informieren liess und es nicht als seine Aufgabe erachtete, das Funktionieren der NDB-internen Führung und Kontrolle zu beaufsichtigen, war es für die ND-Aufsicht schwierig, nachhaltig auf eine Verbesserung dieser internen Prozesse hinzuwirken.

Der Vorsteher des VBS wird zukünftig definieren müssen, was für Informationen er benötigt, um einen fundierten Überblick über die Operationen zu erhalten, damit er selber entscheiden kann, worauf er sein Augenmerk lenken will. Die neu konzipierte, jährliche Berichterstattung zu den Operationen liefert dafür erst einen Grundstock an Informationen. Diese Daten und Einzelbeurteilungen müssen vom NDB zu aussagekräftigen Erkenntnissen konsolidiert werden, aus denen die politische Führung erkennen kann, dass die Informationsbeschaffung den erwarteten Nutzen erzielt und die Kosten und Risiken in einem vertretbaren Verhältnis dazu stehen.

Aus Sicht der GPDel liegt die Hauptverantwortung für jede Operation und für die Quellenführung beim Direktor NDB. Der Vorsteher des VBS seinerseits muss sich einen ausreichenden
Wissensstand über Beschaffungsaktivitäten des NDB verschaffen, damit er die politische Verantwortung dafür übernehmen kann. Sofern notwendig muss er an den Bundesrat gelangen.

87

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 7. Okt. 2015, S. 7.

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Empfehlung 8

Konzept für die Aufsicht durch den Direktor NDB

Das VBS legt in einem Konzept zuhanden der GPDel dar, wie der Direktor NDB innerhalb seines Dienstes für eine laufende Beurteilung der Operationen und Quellen sorgt. Im Konzept sind die Aufgaben und Zuständigkeiten auf Stufe Direktion und innerhalb des NDBB klar zu regeln. Zu klären ist auch die Rolle der Abteilung Beschaffung, des Rechtsdienstes und des Sicherheitsdienstes des NDB.

3.8

Oberaufsicht über die Operationen

Als Oberaufsicht nahm die GPDel nie formell zu einer der Operationen Stellung, die sie im Rahmen der jährlichen Berichterstattung mit dem NDB besprochen hatte. Das bedeutete aber nicht, dass die GPDel damit alle Operationen, welche der NDB ihr bisher schriftlich und allenfalls mit mündlichen Ergänzungen zur Kenntnis gebracht hat, als rechtmässig erachtete oder ihre Weiterführung unterstützt hat.

Grundsätzlich sieht es die GPDel auch nicht als ihre Aufgabe an, dem NDB die Weiterführung oder Einstellung einer bestimmten Operation zu empfehlen, geschweige denn darüber zu entscheiden. In den Fällen, in welchen die GPDel grundlegende Bedenken hat, pflegt sie diese dem Vorsteher des VBS direkt mitzuteilen.

Letztlich liegt es in seiner Verantwortung sicherzustellen, dass der NDB mit der betreffenden Operation das geltende Recht respektiert.

Dabei erwartet die GPDel, dass der Vorsteher des VBS für eine Abklärung der rechtlichen Fragen sorgt und bei Fragen der Opportunität einer Operation allenfalls auch den Bundesrat beizieht. Wenn das VBS seinen Aufsichtspflichten nicht nachkommt, kann es die GPDel als notwendig erachten, den SiA über eine problematische Operation in Kenntnis zu setzen. Dort sind das notwendige Sachwissen sowie die Erfahrung mit sensiblen Geschäften vorhanden, um sich mit den rechtlichen und politischen Aspekten einer Operation zu befassen und bei Bedarf auf geeignete Art und Weise an den Bundesrat zu gelangen.

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Anlässlich der jährlichen Kenntnisnahme der Berichterstattung über die Operationen hatte sich für die GPDel wiederholt die Frage gestellt, inwiefern Inhalt und Format der Liste überhaupt den Bedürfnissen der Aufsicht entsprachen. Im Frühjahr 2014 kam die ND-Aufsicht zum Schluss, dass die Beurteilung der Operationen verbessert werden könnte, wenn der NDB dafür einheitliche Kriterien verwenden würde (vgl.

Ziff. 2.4). Nachdem die GPDel im Oktober 2014 mit dem Vorsteher des VBS den Nutzen von solchen Kriterien besprochen hatte, bat sie ihn mit Schreiben vom 17. Dezember 2014, die ND-Aufsicht mit der Entwicklung solcher Kriterien zu betrauen. In der Folge erhielten der NDB und die ND-Aufsicht Anfang 2015 den Auftrag, gemeinsam die jährliche Beurteilung der Operationen mit einheitlichen Kriterien zu verbessern.

Dieses Verfahren wurde für die Berichterstattung im Jahr 2016 erstmals angewandt.

Als Berichtszeitraum dient neu das Kalenderjahr, was auch die Angaben der Kosten erleichtert. Aufgrund der einheitlichen Kriterien lässt sich die Entwicklung einer Operation über die Jahre besser verfolgen, und einzelne Operationen können leichter miteinander verglichen werden. Neben der Oberaufsicht sollte vor allem die Leitung von NDB und VBS, welche letztlich die Aufsichtsverantwortung für die Operationen trägt, von dieser Verbesserung profitieren können.

Im Frühjahr 2017 bemerkte die GPDel bei der Vernehmlassung zu den Verordnungen des NDG, dass im neuen Ausführungsrecht die jährliche Berichterstattung des NDB an den Vorsteher des VBS zu den Operationen nicht mehr vorgesehen war. In ihrer Stellungnahme vom April 2017 schlug die GPDel deshalb vor, eine entsprechende Bestimmung in angepasster Form auch in die neue Verordnung aufzunehmen. Der Vorschlag der GPDel wurde in Artikel 19 NDV umgesetzt, welcher eine Beurteilung jeder Operation und Quellenführung bezüglich Nutzen, Kosten und Risiken verlangt.

3.9

Vorgehen der BA im Verfahren EISBEIN

Als Aufsichtsbehörde über die BA ist die AB-BA für die Beurteilung des strafprozessualen Vorgehens der BA zuständig, soweit dies in den konkreten Strafverfahren nicht ohnehin in den Kompetenzbereich des Bundesstrafgerichts als Beschwerdeinstanz fällt. Die GPDel verweist deshalb auf den Untersuchungsbericht der ABBA, der gleichzeitig mit dem vorliegenden Bericht veröffentlicht wird.88 Der Bericht der AB-BA gelangt in Bezug auf die Vorgehensweise der BA im Verfahren EISBEIN im Wesentlichen zu folgenden Schlüssen:

88

­

Die BA hat ihre Ermittlungen wegen des Verdachts auf wirtschaftlichen Nachrichtendienst gegen die Beamten der deutschen Steuerbehörden ohne Beteiligung oder Mitwirkung des NDB aufgenommen.

­

Der BA waren die Namen der drei Beamten der deutschen Steuerbehörden, welche am Ankauf der Bankdaten-CD im Februar 2010 beteiligt waren, auf-

Schlussbericht der AB-BA i. S. D. M. zuhanden der GPDel vom 5. Febr. 2018.

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grund eigener bzw. der Ermittlungen der BKP bekannt, bevor letztere zum Zweck der Vervollständigung der Personalien an den NDB gelangte.

­

Die BA unterhielt keinen Kontakt zu Daniel Moser und beauftragte diesen nie mit Ermittlungen für ein Strafverfahren.

­

Im Verfahrensdossier der BA befinden sich keine Anhaltspunkte, wie die BKP zu den in ihrem Nachtragsbericht vom September 2011 enthaltenen weiteren Details zu den Personalien der Steuerbeamten gelangt war.

­

Die zusätzlichen Angaben erleichterten es der BA, im März 2012 die Ausdehnung des Verfahrens zu verfügen und die Festnahmebefehle gegen die drei deutschen Beamten zu erlassen, waren aber für die eigentliche Strafuntersuchung nicht von ausschlaggebender Bedeutung, da die Identität der Beamten auch ohne diese Zusatzangaben bekannt war.

3.10

Beurteilung des Verhaltens der BKP

In Bezug auf die Vorgehensweise der BKP kommt die GPDel zum Schluss, dass diese auf der Grundlage der Vereinbarung zwischen dem NDB und fedpol betreffend die Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit vom 22. September 2010 befugt war, eine Anfrage um Unterstützung zur Vervollständigung der Personalien der deutschen Steuerfahnder an den NDB zu richten. Dass diese im Rahmen der üblichen Polizeiarbeit auch ohne Wissen und Auftrag der BA erfolgte, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die BKP musste auch nicht wissen, wie der NDB die Informationen beschaffte.

Problematisch erscheint der GPDel allerdings, dass die BKP im vorliegenden Fall die Anfrage lancierte, ohne sich bei der Verfahrensleitung über die Dringlichkeit und Erforderlichkeit der Datenbeschaffung zu vergewissern und den NDB entsprechend zu instruieren. In ihrer Anfrage an den NDB vom 18. Januar 2011 bezeichnete die BKP die Informationsbeschaffung mit Bezug auf Deutschland als «sehr wichtig» und erweckte damit den Eindruck einer dringenden und wichtigen Mission. Drei Monate später fragte die BKP wieder nach, was den Eindruck der Dinglichkeit beim NDB noch verstärkte. Die Informationsbeschaffung des NDB stellte sich schliesslich eher als «nice to have», denn als dringend notwendig heraus; sie verursachte aber nicht nur Kosten beim NDB, sondern wurde unter Eingehung von unverhältnismässig hohen Risiken unternommen.

Zwar ist anzuerkennen, dass sowohl die BA als auch die BKP und der NDB im Rahmen ihrer Kompetenzen unabhängig handeln können müssen. Umso wichtiger ist jedoch ein stetiger und guter Informationsaustausch, damit jede der involvierten Behörden ihre Verantwortung adäquat wahrnehmen kann.

5100

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Empfehlung 9

Besserer Informationsfluss zwischen BKP, BA und NDB im Rahmen von Anfragen der BKP an den NDB

Richtet die BKP im Rahmen von Strafverfahren Anfragen an den NDB zur Informationsbeschaffung oder Unterstützung, orientiert sie die zuständige Verfahrensleitung der BA und stellt sicher, dass der NDB hinreichend über den Zweck und den Nutzen der erwünschten Dienstleistung orientiert ist.

Die GPDel bemängelt im Weiteren, dass die BKP der wiederholten Aufforderung der GPDel, ihr sämtliche Polizeiakten über Kontakte mit dem NDB, die im Zusammenhang mit Aktionen standen, in denen Daniel Moser eine Rolle spielte, zukommen zu lassen, nicht nachgekommen ist. Beispielsweise wurde der GPDel das Übermittlungsschreiben des NDB an die BKP vom 9. September 2011 mit den ergänzenden Personalien im Verfahren EISBEIN nicht zugestellt. Dieses sowie die Anfrage der BKP an den NDB vom 18. Januar 2011 befinden sich nicht im Verfahrensdossier EISBEIN bei der BA, was an sich nicht zu bemängeln ist, da die Polizei nicht verpflichtet ist, alle Details ihrer Ermittlungstätigkeit offenzulegen, und die Erkenntnisse aus dem Briefwechsel mit dem NDB im Nachtragsbericht der BKP vom 19. September 2011 festgehalten sind, welcher Bestandteil des Verfahrensdossiers ist. Demzufolge müsste sich aber das Übermittlungsschreiben des NDB noch in den Polizeiakten der BKP befinden.

Im Weiteren waren bei der BKP Akten zu einer im Jahr 2012 durchgeführten polizeilichen Observation, welche aufgrund von Hinweisen von Daniel Moser an den NDB im Zusammenhang mit Potentatengeldern erfolgte, nicht mehr auffindbar, darunter ein nachrichtendienstlicher Informationsbericht des NDB an die BKP vom 5. Dezember 2012 (vgl. Ziff. 2.2 und 3.4.3). Im Rahmen der Konsultation des vorliegenden Berichts teilte das EJPD der GPDel mit, Akten des NDB, die nicht zu einer Verfahrenseröffnung führten, seien gemäss damaligen Vorschriften aus Gründen des Quellenschutzes vernichtet worden.

Dies ist für die GPDel unverständlich. Selbst wenn aufgrund der Aktion kein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde, müssten solche Akten in einem Dossier geführt und aufbewahrt werden.

Der GPDel erscheint es im Übrigen wichtig, dass fedpol der Departementsführung künftig über die Zusammenarbeit der BKP mit dem NDB ­ wie z. B. über Observationen, die aufgrund von nachrichtendienstlichen Informationen durchgeführt werden, und insbesondere auch über Aufträge, die die BKP für den NDB
aufgrund des neuen NDG89 ausführt ­ regelmässig Bericht erstattet, da die Vorsteherin oder der Vorsteher des EJPD letztlich dafür die politische Verantwortung zu übernehmen hat.

Die GPDel ihrerseits wird sich in Zukunft regelmässig von der Departementsspitze informieren lassen.

89

Art. 34 Abs. 1 NDG erlaubt es dem NDB, mit in- oder ausländischen Amtsstellen zusammenzuarbeiten oder diese mit der Durchführung von Beschaffungsmassnahmen zu beauftragen, sofern die andere Stelle Gewähr dafür bietet, die Beschaffung entsprechend den Bestimmungen des NDG durchzuführen.

5101

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Empfehlung 10

Jährliche Information der Vorsteherin oder des Vorstehers des EJPD über die Zusammenarbeit der BKP mit dem NDB

Die Vorsteherin oder der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) lässt sich jährlich durch fedpol über die Zusammenarbeit der BKP mit dem NDB sowie über die von der BKP für den NDB ausgeführten Observationen und Beschaffungsaufträge informieren.

4

Nach der Verhaftung von Daniel Moser 2015 in der Schweiz

In diesem Kapitel wird über das Strafverfahren der BA gegen Daniel Moser (Verfahren EISWÜRFEL90) sowie über das in der Folge eröffnete Verfahren EISWÜRFEL bis gegen Unbekannt, die beide zurzeit noch hängig sind, nur soweit berichtet, als es zum Verständnis der Rolle des NDB und dessen Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden notwendig ist. Teilweise wird auch auf bereits öffentlich bekannte Fakten Bezug genommen.

4.1

Das Strafverfahren gegen Daniel Moser 2015 in der Schweiz und die Folgen

Am 12. Januar 2015 erstattete die UBS bei der BA Anzeige gegen Daniel Moser wegen Bankdatendiebstahls und -verkaufs in Deutschland. Die Bank händigte der BA belastendes Material gegen Daniel Moser aus, das sie von Wilhelm Dietl, Journalist und ehemaliger Mitarbeiter des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND), erhalten hatte. Wilhelm Dietl hatte das Material im Auftrag von Werner Mauss, bekannter ehemaliger Privatdetektiv und Mitarbeiter von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten, im Rahmen von Kontakten mit Daniel Moser gesammelt.

Am 15. Januar 2015 ersuchte die BA den Bundesrat um Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB). Das EJPD erteilte die Ermächtigung am 29. Januar 2015.

Der für das Verfahren zuständige leitende Staatsanwalt kannte Daniel Moser flüchtig aus der Zeit, als dieser einer der Sicherheitsverantwortlichen bei der UBS war. Er wollte noch vor der geplanten Verhaftung Mosers den NDB auf ihn ansprechen. 91 Ausserdem hatte der stellvertretende Direktor NDB ihn einmal gebeten, den NDB zu informieren, sollte auf dem Radar der BA der Name Daniel Moser auftauchen, denn der NDB habe mit ihm Kontakt.92 Am 21. Januar 2015 fand eine Aussprache zwischen dem leitenden Staatsanwalt, der BKP und dem NDB statt. Da seitens des NDB jedoch Angehörige der Beschaffung 90 91 92

Siehe «Strafverfahren mit einem Bezug zu Daniel Moser im Überblick» am Ende dieses Berichts.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 21. Juni 2017, S. 42­43.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 21. Juni 2017, S. 52.

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Inland anwesend waren, die aufgrund der organisatorischen Trennung zwischen Ausland- und Inlandbeschaffung nichts von der Zusammenarbeit der Beschaffung Ausland mit Daniel Moser wussten, konnten diese dem leitenden Staatsanwalt nichts von Mosers Rolle im Verfahren EISBEIN mitteilen. Der leitende Staatsanwalt wollte deshalb den stellvertretenden Direktor NDB vor der Verhaftung Mosers nochmals auf ihn ansprechen.

An einem weiteren Treffen der BA mit dem stellvertretenden Direktor NDB vom 28. Januar 2015 teilte die BA diesem mit, dass eine Verhaftung von Daniel Moser bevorstehe und fragte, ob es etwas gebe, das die BA wissen müsse. Nach Darstellung des Bundesanwalts sei die Antwort gewesen: «Nein, nichts». 93 Die Zusammenarbeit mit Daniel Moser sei im Mai 2014 beendet worden, auch weil dieser keine brauchbaren Resultate geliefert habe.94 Weitere Informationen zu den Einsätzen von Moser durch den NDB erhielt die BA zu diesem Zeitpunkt nicht.95

Am 2. Februar 2015 wurde Daniel Moser in Zürich mit Hilfe eines verdeckten Ermittlers verhaftet, als er diesem Bankdaten gegen Geld übergab.

In den folgenden Tagen wurde Daniel Moser mehrmals von den Ermittlern der BKP sowie von zwei Staatsanwälten des Bundes einvernommen. Im Rahmen der Einvernahmen berichtete Daniel Moser ausführlich über seine Tätigkeit für den NDB, unter anderem auch über den Auftrag «Sudoku», wie er die Ergänzung der Personalien der deutschen Steuerfahnder nannte. Er gab zu Protokoll, dass seine Tätigkeit 93 94 95

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 21. Dez. 2017, S. 60.

Chronologie der BA vom 19. Juni 2017, S. 2.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 21. Dez. 2017, S. 60.

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für den NDB noch nicht abgeschlossen sei. Er arbeite noch an einem Bericht für den NDB, der ihm den Auftrag erteilt habe, eine Quelle in der Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen einzupflanzen, um direkte Informationen zu erhalten, wie die Behörde vorgeht. Das sei ihm zusammen mit seiner deutschen Quelle gelungen. 96 In einem Telefonanruf vom 9. Februar 2015 teilte der leitende Staatsanwalt dem stellvertretenden Direktor NDB mit, dass die BA ein Laptop und ein Natel des NDB anlässlich der Hausdurchsuchung bei Daniel Moser sichergestellt habe. 97 Am 23. Februar 2015 fand ein Treffen zwischen dem leitenden Staatsanwalt der BA, dem Direktor und dem stellvertretenden Direktor des NDB sowie weiteren Vertretern des NDB statt. Der NDB informierte über seine Zusammenarbeit mit Moser und insbesondere über dessen Rolle bei der Abklärung der Personalien der deutschen Steuerfahnder im Verfahren EISBEIN. Anlässlich dieses Treffens wurde auch mitgeteilt, dass die Quellenbeziehung mit Moser Ende Mai 2014 eingestellt worden war.98 Der NDB informierte im Weiteren über den Einsatz von Daniel Moser im Zusammenhang mit dem Datendiebstahl bei der UBS (vgl. Verfahren EISFELD, Ziff. 2.6).

Im Auftrag von Daniel Moser liess einer seiner Anwälte zeitnah zu den Einvernahmen Mosers im Februar/März 2015 die entsprechenden Protokolle via einen hochrangigen ehemaligen SND-Mitarbeiter dem stellvertretenden Direktor des NDB zukommen. Laut seinem Anwalt wollte Moser, dass der NDB lückenlos über seine Aussagen bei der BA informiert ist, damit sich die beiden Bundesbehörden koordinieren und abstimmen konnten.99 Der stellvertretende Direktor des NDB bestätigte gegenüber der GPDel, dass er einen Stapel Protokolle ca. im Februar 2015 erhalten habe. Er habe sie aber nicht alle durchgelesen, sondern weitergegeben. 100 Er übergab sie dem Chef Sicherheit des NDB ­ den Zeitpunkt konnte dieser nicht mehr angeben ­ mit dem Auftrag, eine interne Risikoabklärung vorzunehmen. In seiner Analyse erkannte der NDB zwar, dass Daniel Moser seine Zusammenarbeit mit dem NDB rasch offenlegte. Er prüfte jedoch nur die möglichen Risiken für die von Moser erwähnten NDB-Mitarbeiter, nicht aber jene bezüglich Daniel Moser selbst oder des gesamten Dienstes, welche sich aus den rechtlichen Implikationen eines Strafverfahrens ergaben.

Mögliche Risiken, die von
den in Sicherheitskreisen bestens bekannten Figuren Werner Mauss und Wilhelm Dietl ausgehen könnten, erschienen im NDB erst auf dem Radar, als die BA im Rahmen des Verfahrens EISWÜRFEL bis am 13. November 2015 Auskünfte vom NDB verlangte. 101 Aber auch dies bewog den NDB nicht, direkt mit der BA in Kontakt zu treten, um mögliche Implikationen für den Dienst abzuklären oder der BA Antrag zu stellen, es seien gewisse Passagen aus den Einvernahmeprotokollen einzuschwärzen bzw. aus Gründen des Staatsschutzes gegenüber Mitbeschuldigten oder vor Gericht unzugänglich zu machen.

96 97 98 99 100 101

Einvernahmeprotokolle der BKP vom 6. Feb. 2015 und vom 5. März 2015.

Chronologie der BA vom 19. Juni 2017, S. 2.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 21. Juni 2017, S. 43.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 15. Nov. 2017, S. 27.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 21. Juni 2017 S. 55.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 17. Jan. 2017, S. 29.

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Am 1. September 2015 dehnte die BA das Verfahren auf Wilhelm Dietl und Werner Mauss aus, nachdem sie zum Schluss gekommen war, die beiden hätten im Rahmen des Bankdatenkaufs nicht nur eine passive Rolle gespielt. Ihnen wirft die BA vor, Daniel Moser den Auftrag zum Ausspionieren von Kundendaten von in der Schweiz tätigen Banken erteilt und solche anschliessend von ihm gekauft zu haben. Den Anwälten von Dietl und Mauss als nunmehr Beschuldigte im Verfahren wurden am 14. Januar 2016 die Verfahrensakten auf einem Stick zur Einsichtnahme zugestellt.102 Zuvor hatte die BA dem Anwalt von Dietl auf sein Verlangen bereits am 6.

Oktober 2015 Akteneinsicht gewährt.

Am 8. April 2016 liess Werner Mauss Akten aus dem Strafverfahren EISWÜRFEL einschliesslich der Einvernahmeprotokolle von Daniel Moser der Staatsanwaltschaft Bochum im Rahmen des gegen ihn geführten Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung zukommen. Die Staatsanwaltschaft Bochum schickte die Akten am 29.

April 2016 dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Dieser eröffnete am 22. Juni 2016 ein Ermittlungsverfahren gegen Daniel Moser wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit und erliess am 1. Dezember 2016 einen Haftbefehl gegen ihn. Im Rahmen der Ermittlungen wurde der Geschäftspartner Mosers in Frankfurt mit einer Telefonüberwachung observiert. Als Moser diesen am 28. April 2017 treffen wollte, wurde er in Frankfurt am Main verhaftet.

Zur Führung des Verfahrens EISWÜRFEL durch die BA wird im Weiteren auf den Bericht der AB-BA vom 5. Februar 2018 verwiesen.

Am 9. Oktober 2015 erhielt die BA im Rahmen des Verfahrens EISWÜRFEL von Wilhelm Dietl eine persönliche Erklärung, wonach zwei hochrangige Mitarbeiter der Beschaffung des NDB, welche sich Urs Steiner und Laurenz Bürgli nennen würden, ihm regelmässig sensible Informationen und Unterlagen aus ihrem Arbeitsbereich geliefert hätten, so unter anderem eine enttarnte 51-seitige Liste mit Namen, Adressen und anderen persönlichen Daten von angeblichen Geheimdienstmitarbeitern der CIA, des Mossad und des MI6.103 Daniel Moser arbeite mit den NDB-Mitarbeitern in krimineller Weise zusammen. Dieselben Informationen brachte Werner Mauss, für den Dietl arbeitete, im Mai 2017 zuhanden des Strafverfahrens gegen Daniel Moser in Deutschland ein. Er schrieb, es gebe eine
«innerhalb des Schweizer Nachrichtendienstes NDB, Abteilung Beschaffung, von uns enttarnte, mutmaßliche kriminelle Vereinigung», die «im Interesse der eigenen Bereicherung nachrichtendienstlich national und international erworbenes Wissen wahllos an Presseorgane, Privatpersonen und Kriminelle» verkauft habe.104 Dietls Anzeige veranlasste die BA, beim Bundesrat eine Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Unbekannt wegen politischen Nachrichtendienstes gemäss Artikel 272 StGB zu beantragen. Der Bundesrat erteilte die Ermächtigung am 4. November 2015. Die BA eröffnete am 11. November 2015 ein Strafverfahren (Verfahren

102 103 104

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 17. Jan. 2017, S. 41.

Chronologie der BA vom 19. Juni 2017.

Schreiben von Werner Mauss vom 14. Mai 2017 an Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche im Bundeskanzleramt.

5105

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EISWÜRFEL bis105). Im Rahmen dieses Verfahrens richtete die BA am 13. November 2015 ein Rechtshilfeersuchen an den NDB. Im Auftrag der BA führte die BKP in Zusammenarbeit mit dem NDB umfangreiche Abklärungen durch. Die Abklärungen durch BA und BKP ergaben, dass es keine solche NDB-Mitarbeiter gibt und die angeblich enttarnte Agentenliste nicht vom NDB stammt und auch keine Agenten enttarnt, sondern aus im Internet auffindbaren Daten besteht.

105

Siehe «Strafverfahren mit einem Bezug zu Daniel Moser im Überblick» am Ende dieses Berichts.

5106

BBl 2018

4.2

Information der GPDel und Vorgehen der Oberaufsicht

Nach der Verhaftung von Daniel Moser Anfang Februar 2015 kontaktierte der Bundesanwalt die GPDel und informierte sie an ihrer Sitzung vom 23. Februar 2015 über seinen aktuellen Wissensstand bezüglich des Verfahrens EISWÜRFEL. Die GPDel wurde auch darüber informiert, dass Daniel Moser für den NDB arbeitete oder zumindest gearbeitet hatte.

Zudem bestand der Verdacht, dass Daniel Moser einen Weg gefunden haben könnte, sich bei der in der Schweiz ansässigen SWIFT-Zentrale Daten über internationale Finanztransaktionen zu beschaffen ­ was sich später als unzutreffend herausstellte.

Ein solcher Bruch der Informatiksicherheit bei SWIFT wäre nicht nur für die SWIFT und die beteiligten Banken, sondern auch für den Standort Schweiz, den die SWIFT aus Sicherheitsüberlegungen ausgewählt hatte, von grosser Tragweite gewesen.106 Nach der Anhörung der BA beschloss die GPDel, umgehend den Direktor NDB und den Chef NDBB aufzubieten und von ihnen Auskunft zu verlangen. Obwohl der NDB offenbar auch schon von der Verhaftung Daniel Mosers erfahren hatte, war das VBS in dieser Sache noch nicht an die GPDel gelangt. Für die GPDel stellte sich somit auch die Frage, ob der Vorsteher des VBS überhaupt über diesen potenziell brisanten Fall im Bild war.

Bei seiner Anhörung bestätigte der Direktor NDB dann, dass die Verhaftung Daniel Mosers am 13. Februar 2015 mit dem Vorsteher des VBS besprochen worden war.

Laut dem Direktor NDB betraf der Fall seinen Dienst jedoch nicht in einem Masse, dass das VBS die GPDel hätte direkt orientieren müssen. Er und der Vorsteher des VBS seien mit dem Leiter der ND-Aufsicht zum Schluss gekommen, den Fall der GPDel erst im Rahmen der jährlichen Berichterstattung über die Operationen oder bei einem aktuellen Medieninteresse zu erläutern. Die Operation mit Daniel Moser besass allerdings gar keinen Bezug mehr zur aktuellen Berichterstattung für das Jahr 2015, da der NDB ihre Einstellung bereits in der Liste von 2014 gemeldet hatte.

Am 27. April 2015 besprach die GPDel die Bedeutung der Verhaftung von Daniel Moser mit dem Vorsteher des VBS. Der Vorsteher des VBS bestätigte, dass er den Fall zusammen mit dem Direktor NDB mit dem Leiter der ND-Aufsicht besprochen habe.107 Man habe auf eine Information der GPDel verzichtet, weil sich abgezeichnet habe, dass sozusagen nichts daraus werde. 108 Die
Information der GPDel sei ja dann durch den Bundesanwalt erfolgt.

Der Direktor NDB ergänzte, dass er sich an das Gespräch mit der ND-Aufsicht erinnere: Man habe auch vermeiden wollen, der GPDel zu oft Dinge zu unterbreiten.109 Für das VBS wäre es deshalb gemäss dem Direktor NDB hilfreich, wenn die GPDel sagen würde, was sie interessiert und was nicht.

106

Vgl. auch Bericht der GPK vom 17. Apr. 2007, Weitergabe von Daten internationaler Finanztransaktionen durch die SWIFT: Eine Beurteilung aus schweizerischer Perspektive, BBl 2007 8391.

107 Protokoll der Sitzung der GPDel vom 17. April 2015, S. 37.

108 Protokoll der Sitzung der GPDel vom 17. April 2015, S. 37.

109 Protokoll der Sitzung der GPDel vom 17. Apr. 2015, S. 37.

5107

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Als die GPDel im Rahmen der Inspektion den Leiter der ND-Aufsicht zu seiner Rolle beim bilateralen Gespräch vom 13. Februar 2015 befragte, stellte dieser klar, dass er sich keinesfalls gegen eine Information der GPDel ausgesprochen hatte.

Seine Teilnahme an diesen Sitzungen diente vor allem dem Verfassen des Protokolls und er sei weder befugt gewesen, Entscheide zu fällen, noch beratend zu wirken.

Dies sei auch zweckmässig, da eine Beteiligung an Entscheiden mit seiner Aufsichtsfunktion nicht vereinbar gewesen wäre. 110 An der Sitzung vom 23. Mai 2015 informierte der NDB die GPDel noch über den Ausgang einer internen Disziplinaruntersuchung, welche der NDB im Nachgang zur Verhaftung von Daniel Moser durchgeführt hatte. Laut dem stv. Direktor NDB konnte ein Mitarbeiter des Dienstes, der privat mit Daniel Moser bekannt war, nach der Untersuchung seine gewohnte Arbeit wiederaufnehmen. Die Person sei auch nicht Gegenstand des laufenden Strafverfahrens gegen Daniel Moser.

Am 27. August 2015 stattete die GPDel dem NDB einen Besuch ab, um vor Ort Einsicht in die Dossiers verschiedener laufender Operationen zu nehmen und diese mit Vertretern des NDB zu besprechen. Zusätzlich wollte die Delegation auch das Dossier von Daniel Moser sehen. In der Aussprache zeigte sich der NDB immer noch vom Nutzen der von der Quelle beschafften Informationen überzeugt.

5

Beurteilung des Verhaltens der Behörden nach der Verhaftung von Daniel Moser 2015

5.1

Akteneinsicht im Strafverfahren EISWÜRFEL

Der NDB vertritt den Standpunkt, die BA hätte den NDB in Anwendung der Strafprozessordnung und des Memorandums of Understanding (MoU) zwischen den beiden Behörden111 vorgängig, mindestens aber nachträglich darüber informieren müssen, dass sie im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs Aussagen von Daniel Moser über eine Zusammenarbeit mit dem NDB, die gar nicht im Zusammenhang mit dem untersuchten Sachverhalt gestanden habe, vollständig den ausländischen Mitbeschuldigten bekannt geben wollte bzw. bekannt gegeben hatte.112 Der Direktor des NDB machte im Rahmen der Anhörungen durch die GPDel geltend, die BA hätte aufgrund von Sicherheitsüberlegungen gestützt auf Artikel 108 StPO (Einschränkungen des rechtlichen Gehörs) Schwärzungen vornehmen müssen.

Im Weiteren hätte der NDB aufgrund von Artikel 105 Absatz 1 Buchstabe f StPO («die oder der durch Verfahrenshandlungen beschwerte Dritte») als anderer Verfahrensbeteiligter gelten sollen. Schliesslich seien BA und NDB nach dem Memorandum of Understanding verpflichtet, sich gegenseitig in ihrer Zusammenarbeit dergestalt zu unterstützen, dass man sich informiert, wenn etwas zu einer Lageveränderung beiträgt oder geeignet ist, eine Lage zu verändern.

110 111

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 21. Juni 2017, S. 52.

Memorandum zwischen der BA und dem NDB über die Abläufe in der Zusammenarbeit in den Bereichen Prävention und Strafverfolgung vom 2./3. Dez. 2014.

112 Aktennotiz vom 20. Juni 2017 zur Anwendbarkeit Memorandum BA - NDB im Fall Daniel M..

5108

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Dem hält der leitende Staatsanwalt entgegen, eine Parteistellung des NDB wäre vom Gericht nicht anerkannt worden, und die Voraussetzungen für eine Einschränkung des rechtlichen Gehörs seien nicht gegeben gewesen. Insbesondere habe es kein Staatsschutzinteresse an einer Einschwärzung gegeben. Im Gegenteil wäre es der BA von der Strafprozessordnung her nicht erlaubt gewesen, eine Einschwärzung vorzunehmen, da der Beschuldigte seine Aussagen auf Anraten seines Anwalts ja gerade in der Meinung gemacht habe, sie würden seiner Verteidigung dienen. Ausserdem habe er so frühzeitig mit dem NDB Kontakt aufgenommen, dass es schneller gar nicht möglich gewesen wäre.

Für die Beurteilung des strafprozessualen Vorgehens der BA ist die AB-BA als Aufsichtsbehörde über die BA zuständig, soweit dies im konkreten Strafverfahren nicht ohnehin in den Kompetenzbereich des Bundesstrafgerichts als Beschwerdeinstanz fällt. Die GPDel verweist deshalb auf den Untersuchungsbericht der ABBA, der gleichzeitig mit dem vorliegenden Bericht veröffentlicht wird.113 Der Bericht der AB-BA gelangt in Bezug auf das Verfahren EISWÜRFEL im Wesentlichen zu folgenden Schlüssen: ­

Die Protokollierung der Aussagen von Daniel Moser über seine Zusammenarbeit mit dem NDB erfolgte in Übereinstimmung mit den anerkannten strafprozessualen Grundsätzen.

­

Die Gewährung der Akteneinsicht an die Mitbeschuldigten von D.M. ist in Berücksichtigung der entsprechenden Bestimmungen der Strafprozessordnung sowie der Lehre und der dazu ergangenen Rechtsprechung nicht zu beanstanden.

Die GPDel stellt ihrerseits fest, dass sich die BA frühzeitig mit dem NDB in Verbindung setzte und ihn schon vor der Verhaftung von Daniel Moser über die bevorstehende Zwangsmassnahme informierte. Ab diesem Zeitpunkt hätte der NDB für die weitere Entwicklung sensibilisiert sein müssen. Als ihm dann kurze Zeit später die Einvernahmeprotokolle vom Anwalt Mosers zugespielt wurden, hätte er bei einer umfassenden Risikoanalyse erkennen können, dass die Aussagen Mosers über seine Tätigkeit für den NDB im Verlaufe eines Strafprozesses ein Gefahrenpotenzial darstellten. Zumindest hätte er mit dem leitenden Staatsanwalt Kontakt aufnehmen können, um mögliche Entwicklungen und Massnahmen zu besprechen.

Der NDB hätte der BA einen formellen Antrag stellen können, es seien Schutzmassnahmen vorzusehen oder das rechtliche Gehör sei bezüglich der heiklen Aussagen einzuschränken. Ob dem Antrag dann Erfolg beschieden gewesen wäre, ist nach dem Bericht der AB-BA zu schliessen wohl eher fraglich. Doch hätte der NDB schliesslich seine ehemalige Quelle zumindest davor warnen können, vorderhand deutschen Boden zu betreten.

Stattdessen unternahm der NDB nichts und verliess sich in Unkenntnis der strafprozessualen Vorgaben darauf, die BA würde von sich aus dafür sorgen, dass die Aussagen zum NDB vertraulich behandelt würden. Er verkennt dabei, dass es nicht in erster Linie die Verpflichtung der BA, sondern des NDB ist, sich um die Reputation des Schweizer Nachrichtendienstes zu kümmern und für den Schutz einer ehemali113

Schlussbericht der AB-BA i. S. D. M. zuhanden der GPDel vom 5. Febr. 2018.

5109

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gen Quelle besorgt zu sein. Dagegen ist es die Aufgabe der BA, Straftäter zu überführen und einer gerichtlichen Beurteilung zuzuführen.

Nach Meinung der GPDel ist es für die Zukunft angezeigt, dass der NDB zusammen mit den Strafverfolgungsbehörden mögliche Szenarien erarbeitet, in welchen Situationen Informationen über Quellen und ihre Führung durch den NDB in einem Strafverfahren auftauchen könnten, und definiert, welcher rechtliche Handlungsspielraum für den Quellenschutz besteht.

Empfehlung 11

Erarbeitung von Szenarien

Der NDB und die Strafverfolgungsbehörden erarbeiten mögliche Szenarien, in welchen Situationen Informationen über Quellen und ihre Führung durch den NDB in einem Strafverfahren auftauchen könnten, und definieren, welcher rechtliche Handlungsspielraum für den Quellenschutz besteht. Sie nehmen mögliche Schlussfolgerungen daraus in die Zusammenarbeitsvereinbarungen zwischen dem NDB und den Strafverfolgungsbehörden auf.

Die GPDel kann auch nicht nachvollziehen, weshalb Daniel Moser glaubte, seine Aussagen zu seiner Quellentätigkeit für den NDB könnten ihm im Verfahren helfen.

Die ihm vorgeworfenen Deliktshandlungen standen in keinem direkten Zusammenhang mit seiner Quellentätigkeit. Gleichzeitig war er als Quelle darüber informiert, dass er zu keinem Zeitpunkt über seine Tätigkeit für den NDB berichten durfte.

Daniel Moser macht geltend, wenn die BA ihn über die Aktenherausgabe nach Deutschland informiert hätte, wäre er gewarnt gewesen und nicht mehr nach Deutschland gereist.114 Dem Verfahrensdossier ist zu entnehmen,115 dass der Anwalt von Daniel Moser am 21. September 2016 über die bevorstehende Einvernahme der Mitbeschuldigten Dietl und Mauss informiert wurde und somit wusste, dass das Verfahren auf diese ausgedehnt worden war. Er kennt den Strafprozess und wusste folglich, dass den Mitbeschuldigten früher oder später Akteneinsicht gewährt werden würde. Als die Verfahrensakten am 14. Januar 2016 allen Anwälten zugestellt 114 115

Nachtrag vom 26. Jan. 2018 zum Protokoll der Sitzung der GPDel vom 21. Dez. 2017.

Antworten der AB-BA auf Fragen der GPDel, Schreiben vom 25. Jan. 2018.

5110

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wurden, konnte er im Weiteren den Akten entnehmen, dass dem Anwalt von Dietl bereits am 6. Oktober 2015 Akteneinsicht gewährt worden war. Doch er stellte keinen Antrag, die heiklen Aussagen Mosers in den Einvernahmeprotokollen seien einzuschwärzen, und er warnte offensichtlich auch nicht seinen Mandanten vor möglichen Weiterungen. Im Gegenteil: Er selbst hatte mit entsprechenden Fragen in den Einvernahmen von Moser dessen Aussagen zu seiner Quellentätigkeit provoziert.

5.2

Information der GPDel über Strafverfahren gegen Quellen des NDB

Der Fall Daniel Moser hat der GPDel erneut vor Augen geführt, dass die Verhaftung einer Quelle des NDB schwerwiegende Konsequenzen für den NDB und letztlich auch für die Schweiz als Staat haben kann. Gerät eine Quelle im Inland in ein Strafverfahren, kann schnell die Frage nach einer Involvierung des NDB in illegale Machenschaften auftauchen, oder der Schutz von nachrichtendienstlichen Internas steht zur Debatte. Bei einer Verhaftung einer Quelle im Ausland können auch die internationalen Interessen des Bundes tangiert werden.

Die GPDel ist deshalb der Ansicht, dass bei einem solchen Vorfall die Oberaufsicht in jedem Fall umgehend und vollständig informiert werden muss. Die GPDel ist überdies auch das einzige Organ der Schweiz, welches integral sowohl den Nachrichtendienst, die BKP und die BA überprüfen kann.

Bezüglich der BA darf die GPDel deshalb anerkennend feststellen, dass sie im Fall Daniel Moser rechtzeitig und ausreichend informiert wurde. Die Information durch das VBS muss hingegen als mangelhaft bezeichnet werden. Der Vorsteher des VBS hatte sich nachweislich Mitte Februar 2015 dagegen entschieden, der GPDel die Verhaftung von Daniel Moser zu melden.

Als die GPDel den Vorsteher des VBS und den Direktor NDB im April 2015 auf die ausgebliebene Information ansprach, fand ihr Anliegen nur wenig Verständnis.

Überdies schoben die anwesenden Vertreter des VBS die Verantwortung für den Verzicht einer Information der Oberaufsicht dem Leiter der ND-Aufsicht in die Schuhe, obwohl dieser in dieser Sache gar keine Entscheidungskompetenz haben konnte.

Wie die GPDel nun weiss, hatte das VBS die GPDel bereits im Fall Giroud im Dunkeln gelassen, als der Privatdetektiv, der vom NDB als Quelle geführt wurde, im Februar 2014 zum ersten Mal verhaftet wurde. Die GPDel wurde erst bei seiner zweiten Verhaftung vom Direktor NDB informiert. Wäre das nicht umgehend geschehen, hätte es die GPDel wie die Öffentlichkeit am Tag nach der Verhaftung aus der Medienmitteilung der Genfer Staatsanwaltschaft erfahren. 116 Die GPDel erachtet es deshalb als notwendig, gestützt auf ihre Informationsrechte zu verlangen, dass das VBS zukünftig die Oberaufsicht aktiv über die Verhaftung von Quellen des NDB informiert.

116

Jahresbericht 2014 der GPK/GPDel vom 30. Jan. 2015 (BBl 2015 5217 5283).

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Empfehlung 12

Information der GPDel über Strafverfahren gegen Quellen

Sobald der NDB erfährt, dass gegen eine aktive oder ehemalige Quelle ein Strafverfahren läuft oder sie verhaftet wurde, informiert er umgehend den Vorsteher des VBS, der danach die Information der GPDel veranlasst. Innert nützlicher Frist informiert das Departement die GPDel über seine Beurteilung des Falles und die beschlossenen Massnahmen.

6

Nach der Verhaftung von Daniel Moser 2017 in Deutschland und dem Bekanntwerden seiner früheren Tätigkeit für den NDB

Nachfolgend werden die Ereignisse ab dem Zeitpunkt der Verhaftung von Daniel Moser in Deutschland wiedergegeben. Die parlamentarische Oberaufsicht fokussiert dabei in erster Linie auf das Verhalten der schweizerischen Behörden: Wie haben diese auf die Verhaftung unmittelbar und in den folgenden Wochen reagiert? Wurden die zuständigen Aufsichtsinstanzen aktiv? Auch wenn die Oberaufsicht der GPDel nur subsidiär zu den hauptverantwortlichen Aufsichtsinstanzen wirkt, so war die Delegation in dieser Phase der Ereignisse ebenfalls Akteurin, weshalb auch die Aktivitäten der GPDel nachfolgend dargelegt werden.

6.1

Massnahmen der betroffenen Behörden nach dem Bekanntwerden der Tätigkeit von Daniel Moser für den NDB

Am Freitag, 28. April 2017, wurde Daniel Moser in Frankfurt verhaftet. Er wurde von den deutschen Strafverfolgungsbehörden dringend verdächtigt, gemeinsam mit weiteren unbekannten Personen für den Geheimdienst einer fremden Macht eine nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgeübt zu haben.117 Die Verhaftung von Daniel Moser weckte umgehend das Interesse der Medien. Eine Anfrage des Blicks beim NDB am selben Tag führte zur Auskunft, dass der Dienst die Identität der verhafteten Person nicht kenne.118 Die ersten Medienberichte erschienen am Sonntag, 30. April 2017. Daraufhin erteilte der Vorsteher des VBS noch am selben Tag der ND-Aufsicht seines Departements per Mail den Auftrag, ihm eine Informationsübersicht zu diesem Fall zusammenzustellen. Er erhielt die gewünschten Informationen am Montag und wurde in der Folge auch vom Direktor des NDB über die Chronologie der Zusammenarbeit mit Daniel Moser informiert.

Bei dieser Gelegenheit wies er den Direktor des NDB an, in dieser Sache nicht öffentlich zu kommunizieren, sondern dies der GPDel zu überlassen.119 117 118 119

Haftbefehl des Bundesgerichtshofs vom Dezember 2016 Blick vom 30. April 2017 Protokoll der Sitzung der GPDel vom 16./17. Okt. 2017, S. 27 und 30

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Gemäss Aussage der Staatssekretärin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) wurde sie unverzüglich vom Direktor des NDB über die Sachlage orientiert. Bis zu diesem Zeitpunkt war das EDA nur durch die Medien über den Fall informiert. Gleichzeitig erfuhr sie von der Vorladung der Schweizer Botschafterin in Deutschland und vereinbarte in der Folge ­ gestützt auf die Auskünfte des Direktors des NDB ­ eine Sprachregelung mit der Botschafterin.120 Die Aussprache im Auswärtigen Amt fand am Dienstag, 2. Mai 2017, statt.

An der am selben Tag durchgeführten Jahrespressekonferenz des NDB nahmen weder der Vorsteher des VBS noch der Direktor NDB zum konkreten Fall Stellung.

Am Dienstagabend bestätigte die Vizepräsidentin der GPDel in der Tagesschau des Schweizer Fernsehens, dass Daniel Moser für die Schweiz tätig gewesen war. Damit lag zum ersten Mal eine öffentliche offizielle Bestätigung des Einsatzes von Daniel Moser vor.

Ein Kontakt auf höchster Ebene zwischen der Schweiz und Deutschland erfolgte am Mittwoch, 3. Mai 2017, als der Vorsteher des EDA mit dem deutschen Bundesaussenminister den Fall erörterte und die Wogen zu glätten versuchte.

Im Verlauf des 4. Mai 2017 präzisierte die Vizepräsidentin der GPDel ihre Aussage des Vorabends gegenüber den Medien, indem sie die Umstände des Einsatzes ausführte. Im Weiteren orientierte sie die Medien, dass der Fall fünf Jahre zuvor der GPDel unterbreitet worden sei.121 An diesem Donnerstag folgte noch eine weitere amtliche Bestätigung des Einsatzes von Daniel Moser: Der frühere Vorsteher des VBS bestätigte gegenüber Medien, dass er Kenntnis von diesem Fall hatte und er damals den Bundesrat und die GPDel darüber informiert habe.122 Gegenüber Radio SRF bestätigte fedpol Recherchen von Radio SRF, dass die BKP den NDB im Jahr 2011 um weiterführende Informationen zum Datendiebstahl bei der CS gebeten hatte.123 Um die Kommunikation der schweizerischen Behörden gegen aussen zu koordinieren, fand am selben Tag ein Treffen zwischen dem Bundesratssprecher, einer Vertretung der BA und des EDA statt. Bis am Abend wurde eine Sprachregelung in Sachen Öffentlichkeitsinformation erarbeitet.

Nachdem sich gewisse Medien und auch ein Mitglied der nationalrätlichen Sicherheitspolitischen Kommission am Vortag kritisch u. a. zur Frage geäussert hatten, ob für den Einsatz von Daniel Moser zum Schutz des Schweizer Finanzplatzes eine 120 121 122 123

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 16./17. Okt. 2017, S. 6.

Blick online vom 3. Mai 2017 / sda Meldung vom 3. Mai 2017.

Tages-Anzeiger vom 5. Mai 2017.

Echo der Zeit vom 4. Mai 2017.

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genügende Rechtsgrundlage bestanden habe, wies der Direktor NDB das besagte Kommissionsmitglied sowie einen Journalisten per Mail auf ein Gutachten des BJ aus dem Jahr 2010 hin.124 Mit den zugestellten Auszügen aus dem vertraulichen Gutachten wollte er belegen, dass der Einsatz rechtmässig gewesen sei.

Gemäss der Schweiz am Wochenende wandte sich der Direktor NDB per Mail an die Zeitung, um Kritik an einem Kommentar der Zeitung zur Affäre Daniel Moser zu üben.125 Am Samstag, 6. Mai 2017, bestätigte die BA gegenüber verschiedenen Medien, dass die Einvernahmeprotokolle aus dem schweizerischen Strafverfahren gegen Daniel Moser über die Akteneinsicht von Mitbeschuldigten zu den deutschen Behörden gelangt waren. Sie hielt dabei auch fest, dass die Voraussetzungen für die Einschwärzung gewisser Aussagen von Daniel Moser in diesen Protokollen nicht gegeben gewesen seien.126 Am selben Tag gab der Bundesratssprecher gemäss der zwei Tage zuvor festgelegten Sprachregelung gegenüber Medien Auskunft. So habe fedpol im Jahr 2011 beim NDB ein Informationsersuchen im Rahmen eines offenen Verfahrens der BA rund um den Fall der gestohlenen Bankdaten in Deutschland eingereicht. Dabei handle es sich um ein übliches Vorgehen. Der Bundesrat sei durch den damaligen Vorsteher des VBS über dieses Vorgehen informiert worden. Der NDB habe aber seine diesbezügliche Aktivität im Jahr 2014 eingestellt.127 Einen Tag später bestätigte auch der Vorsteher des VBS mit der Aussage, dass es seit dem Jahr 2014 keine Kontakte mehr zwischen dem NDB und Daniel Moser gegeben habe, indirekt entsprechende Kontakte vor dem Jahr 2014.128 Nun wurde auch die AB-BA aktiv. Ihr Präsident kündigte am 7. Mai 2017 Abklärungen im Verantwortungsbereich der BA an.129 Beunruhigt durch die Information der BA vom 6. Mai 2017 gegenüber den Medien, kontaktierte der Direktor NDB den Bundesanwalt mit Brief vom 8. Mai 2017 und bat um nähere Auskünfte.130 In der zehn Tage später erfolgten schriftlichen Antwort verwies die BA auf ihre Unabhängigkeit gegenüber Verwaltungsstellen in Bezug auf die Strafverfolgung und auf die laufenden Untersuchungen der GPDel und der ABBA.131 Am 10. Mai 2017 wurde der Gesamtbundesrat zum ersten Mal gestützt auf eine geheime Informationsnotiz des VBS über die Beziehung des NDB zu Daniel Moser informiert.132 Anlässlich des am selben Tag stattfindenden monatlichen Führungsgesprächs mit dem Direktor NDB in Anwesenheit des Leiters der ND-Aufsicht und der

124 125 126 127 128 129 130 131 132

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 4. Mai 2017, S. 7 f.

Schweiz am Wochenende vom 6. Mai 2017.

Z. B. Tageschau vom 6. Mai 2017.

Z. B. Blick online vom 6. Mai 2017.

Tagesschau vom 7. Mai 2017.

NZZ am Sonntag vom 7. Mai 2017.

Brief des Direktors NDB an den Bundesanwalt vom 8. Mai 2017.

Brief der BA an den NDB vom 18. Mai 2017.

Geheime Informationsnotiz des VBS vom 8. Mai 2017.

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Generalsekretärin VBS legte der Vorsteher des VBS fest, dass er halbjährlich über die Operationen des NDB zu informieren sei.133 Am 17. Mai 2017 veröffentlichte die AB-BA erste Ergebnisse ihrer Abklärungen.

Sie kam darin zum vorläufigen Schluss, dass die BA ihr Strafverfahren gegen Vertreter deutscher Steuerbehörden unabhängig vom NDB eröffnet hatte und später von der BKP erhaltene Informationen zwar dienlich, für die eigentlichen Zwecke der Strafverfolgung aber nicht relevant gewesen seien. Sie äusserte sich bei dieser Gelegenheit ebenfalls, wenn auch nicht abschliessend, zur Frage der Einschwärzung gewisser Passagen der Einvernahmeprotokolle von Daniel Moser im Verfahren EISWÜRFEL.134 Am 19. Mai 2017 verfasste der NDB zuhanden des Vorstehers VBS eine geheime Aktennotiz über das Schadenspotenzial allfälliger Aussagen von Daniel Moser.

In den darauffolgenden Wochen fanden die Kontakte zwischen der BA und dem NDB nicht im üblichen Rahmen statt. So wurde beispielsweise das geplante Leitungsgespräch zwischen dem NDB und der BA vom 19. Mai 2017 durch den Bundesanwalt mit Verweis auf die laufenden Arbeiten der Aufsichtsbehörden abgesagt.

An dieser Stelle ist ebenfalls festzuhalten, dass die Verhaftung von Daniel Moser am 28. April 2017 in Deutschland nicht dazu geführt hatte, dass die Zusammenarbeit zwischen dem NDB und den deutschen Partnerdiensten in der Folge beeinträchtigt wurde.

Dies gilt auch für die diplomatischen Aussenbeziehungen. So traf die Staatssekretärin EDA ihren Counterpart im Juni in Berlin und auch hier wurde beidseits der Wille bekundet, dass die Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland wegen Daniel Moser nicht beeinträchtigt werden sollen.135 Daniel Moser wurde schliesslich am 9. November 2017 vom Oberlandesgericht Frankfurt wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit gegen die Interessen Deutschlands zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 22 Monaten und einer Bewährungsauflage von 40 000 Euro verurteilt und kehrte in die Schweiz zurück.136

6.2

Information der GPDel und Vorgehen der Oberaufsicht

Die Nachricht von der Verhaftung eines mutmasslichen Schweizer Spions in Deutschland stellte auch die GPDel vor die Frage, ob und wieweit der Tatverdacht der deutschen Strafverfolgungsbehörden gegen Daniel Moser zutreffend war. Als 133 134

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 21. Juni 2017, S. 22.

Medienmitteilung der AB-BA vom 17. Mai 2017 (Zwischenstand der Abklärungen der AB-BA).

135 Protokoll der Sitzung der GPDel vom 16./17. Okt. 2017, S. 6.

136 Vgl. z. B. NZZ vom 10. Nov. 2017 (Schweizer Spion Daniel M. auf freiem Fuss).

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das zuständige parlamentarische Oberaufsichtsorgan über den NDB wurden die GPDel-Mitglieder von Medienschaffenden auf der Suche nach zusätzlichen Informationen wiederholt kontaktiert. Somit war nach der Verhaftung auch die Frage zu beantworten, ob und wie sich die GPDel zu den im Raum stehenden mutmasslichen Vorkommnissen öffentlich positionieren sollte.

Grundsätzlich gilt bei der GPDel wie auch bei den GPK die Regel, dass ausschliesslich der Präsident der GPDel Medienanfragen beantwortet. 137 So gab im konkreten Fall zunächst auch nur der Präsident der GPDel den Medien Auskunft. Eine erste Auskunftserteilung erfolgte am 30. April 2017 gegenüber dem Blick. Bei früheren Anfragen hatte er noch keine Auskunft erteilt.138 Der Präsident der GPDel beantwortete in einer ersten Phase Anfragen der Medienschaffenden mit der Feststellung, dass die GPDel sich zuerst durch den Vorsteher des VBS und den NDB informieren lassen wolle. Danach seien die erhaltenen Informationen durch die GPDel zu beurteilen.139 Zu Beginn der Woche nach der Verhaftung von Daniel Moser in Deutschland erging eine Interview-Anfrage des Schweizer Fernsehens an den Präsidenten der GPDel.

Da dieser nicht in Bern weilte, verwies er an die Vizepräsidentin der GPDel. Mit ihr vereinbarte er danach, zu kommunizieren, dass die GPDel die Sachlage abklären und an der nächsten Sitzung behandeln werde.140 Wie unter Ziffer 6.1 ausgeführt, bestätigte aber die Vizepräsidentin der GPDel gegenüber der Tagesschau des Schweizer Fernsehens am 2. Mai 2017, dass Daniel Moser für die Schweiz tätig gewesen sei, auch wenn sie hinzufügte, dass die heutige Sachlage zuerst abzuklären sei. Damit wurde zum ersten Mal der Einsatz von Daniel Moser von offizieller Seite her bestätigt. Am Tag darauf führte sie gegenüber der Zeitung Blick und der Schweizerischen Depeschenagentur aus, dass sich die GPDel vor ca. fünf Jahren mit dem Fall beschäftigt habe, nachdem der NDB der GPDel den Fall vorgelegt hatte. Der NDB habe im Rahmen der Spionageabwehr herausfinden wollen, wer das Mandat zur Beschaffung von Bankdaten gegeben hatte ­ da sei Daniel Moser eingesetzt worden. Aufgrund seiner Informationen seien Haftbefehle gegen drei deutsche Steuerfahnder wegen Verdachts auf nachrichtendienstliche Wirtschaftsspionage erlassen worden. Allerdings gehe sie nicht davon aus, dass die
damaligen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verhaftung von Daniel Moser am 28. April 2017 stünden.

Die GPDel tagte am 4. Mai 2017 zum ersten Mal in dieser Angelegenheit. Sie liess sich durch den Bundesanwalt und den Abteilungsleiter Staatsschutz, Terrorismus, Kriminelle Organisationen der BA informieren. In ihrer Medienmitteilung vom 4. Mai 2017 informierte die Delegation, dass sie erste Abklärungen getroffen habe.

Dabei stellte die GPDel fest, dass die BA in diesem Zusammenhang selber keine Akten aus schweizerischen Strafverfahren an deutsche Behörden weitergeleitet hatte. Sie kündigte an, das Geschäft weiter zu verfolgen, um als das zuständige 137

Vgl. Richtlinien der GPK vom 22. Mai 2006 (Stand: 27. Jan. 2012) zur Information und Kommunikation der Geschäftsprüfungskommissionen der Eidg. Räte.

138 Protokoll der Sitzung der GPDel vom 4. Mai 2017, S. 14.

139 Blick online vom 30. Apr. 2017.

140 Protokoll der Sitzung der GPDel vom 4. Mai 2017, S. 14 f..

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parlamentarische Oberaufsichtsorgan zum gegebenen Zeitpunkt eine abschliessende Beurteilung vorzunehmen. Noch am selben Tag traf der Präsident der GPDel in dieser Angelegenheit den Bundeskanzler.

An der Sitzung vom 4. Mai 2017 führte die GPDel auch eine interne Aussprache über die Medienkommunikation der Vizepräsidentin. Sie stellte dabei fest, dass durch diese Kommunikation eine vertrauliche Information an die Medien gegangen war. Die Vizepräsidentin der GPDel beschloss, in diesem Dossier in den Ausstand zu treten.141 Wie die Vizepräsidentin der GPDel an der internen Sitzung der GPDel vom 24. Mai 2017 ausführte, hatte sie nach ihrem Gespräch mit dem Präsidenten der GPDel zum geplanten Interview im Rahmen der Tagesschau den Direktor des NDB kontaktiert, um zuerst für sich die Faktenlage zu erstellen.142 Am Abend des 6. Mai 2017 erhielt der Präsident der GPDel die Sprachregelung des Bundesrates zur Kenntnis.

Am 10. Mai 2017 nahm Nationalrat Alfred Heer, Mitglied der GPDel und damaliger Präsident der GPK-N, an einer Sendung der Rundschau des Schweizer Fernsehens zum Thema ,,Schweizer Spion: Daniel M. in der Mauss-Falle" teil. Er führte aus, dass er nicht bestätigen könne, dass es sich bei Daniel M. um einen Schweizer Spion handle. Diese Frage müsse zuerst noch durch die GPDel vertieft analysiert werden, bevor sie beantwortet werden könne.

Am 30. Mai 2017 führte die GPDel in ihrer Medienmitteilung aus, sie sei zum Schluss gekommen, dass aufgrund der gesamten Umstände und der grossen Resonanz in der Öffentlichkeit die Aufklärung der Hintergründe dieser Angelegenheit notwendig sei und sie deshalb die Durchführung einer Inspektion beschlossen habe.

Dieser Beschluss stützte sich ebenfalls auf die Anhörungen der GPDel, welche diese am 18. und 24. Mai 2017 in dieser Sache durchführte und auf weitere unterdessen erfolgte Abklärungen. In derselben Medienmitteilung informierte die Delegation, dass die Vizepräsidentin an der Sitzung vom 4. Mai 2017 für diese Inspektion in den Ausstand getreten sei und per Ende Juni 2017 aus der Delegation austreten werde. 143

7

Beurteilung der Ereignisse nach der Verhaftung von Daniel Moser 2017 in Deutschland

Zum Zeitpunkt der Verhaftung von Daniel Moser im April 2017 war die Beziehung zwischen ihm und dem NDB schon länger beendet. Dementsprechend soll in den zwei nachfolgenden Unterkapiteln ausschliesslich die Frage beantwortet werden, ob die schweizerischen Behörden und die GPDel mit der überraschenden Nachricht von der Verhaftung angemessen umgingen.

Das Hauptgewicht der Abklärungen der GPDel lag auf den Geschehnissen vor der Verhaftung in Deutschland. In diesem Rahmen erhielt sie aber auch Informationen zum Behördenverhalten nach der Verhaftung. Im nächsten Unterkapitel werden diese bewertet.

141 142 143

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 4. Mai 2017, S. 16.

Protokoll der Sitzung der GPDel vom 24. Mai 2017, S. 25.

Medienmitteilung der GPDel vom 30. Mai 2017.

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7.1

Beurteilung des Verhaltens der betroffenen Behörden

7.1.1

Erste Massnahmen

Es lässt sich festhalten, dass die schweizerischen Behörden aufgrund der Information über die Verhaftung schnell reagierten: So erteilte der Vorsteher des VBS noch am Sonntag, den 30. April 2017, seiner Nachrichtendienst-Aufsicht den Auftrag, den Sachverhalt abzuklären. Tags darauf wurde der Vorsteher von dieser wie auch vom Direktor NDB umfassend informiert. Auch die rasche Information der Staatssekretärin EDA ist aus Sicht der GPDel als angemessen zu beurteilen.

Die Frage, ob aufgrund der Medienanfrage beim NDB am Tag der Verhaftung Massnahmen früher hätten getroffen werden müssen, muss wohl verneint werden.

Zu diesem Zeitpunkt war dem NDB die Identität der verhafteten Person noch nicht bekannt, so dass es für ihn nicht möglich war, den Bezug zur Schweiz bzw. zum NDB zu überprüfen.

Die GPDel wurde in den ersten Tagen nach der Verhaftung in Deutschland durch den Vorsteher des VBS nicht informiert und erhielt erst anlässlich ihrer Sitzung vom 4. Mai 2017 erste Informationen durch den Direktor NDB. Zukünftig erwartet die GPDel, dass sie in solchen Fällen umgehend durch den Vorsteher des VBS informiert wird.

7.1.2

Verhältnis zu Deutschland

Bezüglich der Kommunikation mit den deutschen Behörden in den Tagen und Wochen nach der Verhaftung von Daniel Moser begrüsst es die GPDel, dass beide Seiten zwar den Vorfall ernst nahmen, sich aber auch bemühten, das gute Verhältnis zwischen den beiden Staaten auf den verschiedenen Stufen der Verwaltung weiterzuführen und dem Vorfall kein unverhältnismässiges Gewicht beizumessen.

7.1.3

Öffentlichkeitskommunikation

Die GPDel stellte sich im Rahmen der Bewertung dieser Phase auch die Frage, ob die schweizerischen Behörden mit ihrem anfänglichen Schweigen in dieser Angelegenheit angemessen und zweckmässig auf das öffentliche Interesse einer Information der Öffentlichkeit reagierten. Angesichts der Umstände ­ das laufende Strafverfahren in Deutschland gegen Daniel Moser und die notwendige Geheimhaltung im Staatsschutzbereich ­ wird die Frage durch die GPDel klar bejaht.

Mit der Bestätigung des Bezugs der verhafteten Person zum NDB am 2. Mai 2017 durch die Vizepräsidentin der GPDel wurde die Sachlage grundlegend verändert.

Einerseits wurde dadurch die Lage von Daniel Moser in Deutschland nicht verbessert. Andererseits stieg nun der Druck auf den Bundesrat und die involvierten Verwaltungsstellen, öffentlich Stellung zu nehmen. Die involvierten Verwaltungsstellen erkannten zu Recht, dass eine gemeinsame Sprachregelung getroffen werden musste.

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Allerdings lag diese erst zwei Tage später vor, also am Abend des 4. Mai 2017. In der Zwischenzeit hatte sich auch der frühere Vorsteher des VBS gegenüber den Medien zu diesem Fall geäussert. Aus Sicht der GPDel hätte schon früher eine Sprachregelung gefunden werden müssen. Dies hätte auch erlaubt, das Geschäft für die Sitzung des Bundesrates vom 3. Mai 2017 zu traktandieren und allen Mitgliedern eine erste Information über die Sachlage zu geben. Die Information des Bundesrates erfolgte erst am 10. Mai 2017, was eindeutig zu spät war. Der Einbezug der BA bei der Erarbeitung der Sprachregelung sowie deren rasche Bekanntgabe gegenüber der GPDel erachtet die GPDel als wichtige und zweckmässige Massnahmen.

7.1.4

Kommunikation des Direktors NDB

Gemäss den Aussagen des Vorstehers VBS wies er den Direktor NDB an, die Öffentlichkeitskommunikation aufgrund der angekündigten Abklärungen der GPDel derselben zu überlassen. Nichtsdestotrotz gelangte der Direktor NDB zwei Mal in dieser Angelegenheit an die Medien sowie an ein Mitglied der nationalrätlichen Sicherheitspolitischen Kommission. Die GPDel ist sich bewusst, dass der Druck auf den NDB in solchen Situationen gross ist. Dennoch erachtet sie die genannten Kontaktaufnahmen durch den Direktor NDB nicht als angemessen und zielführend. Eine Rechtfertigung gegenüber einzelnen Ratsmitgliedern hat nicht zu erfolgen, wenn sich das zuständige parlamentarische Oberaufsichtsorgan mit der Angelegenheit befasst.

Als sehr befremdend nimmt die GPDel auch die Übermittlung der Auszüge aus dem Gutachten des BJ wahr: Einerseits wurden die darin enthaltenen Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen. Andererseits war das Gutachten gemäss dem Kenntnisstand der GPDel zum Zeitpunkt der Übermittlung noch als vertraulich klassifiziert.

7.1.5

Verhältnis BA ­ NDB

Die Verhaftung von Daniel Moser in Deutschland hat zu Spannungen zwischen der BA und dem NDB geführt und damit auch die Kommunikation zwischen diesen Stellen beeinträchtigt. So wurde beispielsweise die BA bei der Erarbeitung der geheimen Aktennotiz vom 8. Mai 2017 zuhanden des Bundesrates nicht konsultiert, obwohl darin Vermutungen geäussert wurden, dass die Informationen zu Daniel Moser über die BA zu den deutschen Behörden gelangt sein konnten. Für zukünftige Probleme, welche die beiden Stellen involvieren, erwartet die GPDel, dass die Kommunikation zwischen ihnen sachorientiert weitergeführt wird und Informationen, welche die BA betreffen, nicht ohne Konsultation derselben in den Bundesrat gelangen.

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Empfehlung 13

NDB und BA konsultieren und informieren sich gegenseitig angemessen

Der NDB und die BA konsultieren und informieren sich gegenseitig in angemessener Weise. Insbesondere konsultiert der NDB die BA, bevor er Informationen, welche die BA betreffen, an den Bundesrat weiterleitet.

NDB und BA überprüfen das Memorandum zwischen dem NDB und der BA vom 2. und 3. Dezember 2014 im Hinblick auf mögliche Verbesserungen in Bezug auf gegenseitige Information und Konsultation unter Wahrung der Zuständigkeiten und selbständigen Aufgabenerfüllung beider Behörden.

Die GPDel begrüsst es im Weiteren, dass die AB-BA ihrerseits Abklärungen vorgenommen hat und damit zur Klärung der Sachlage insbesondere im Bereich der Gewährung der Akteneinsicht an die Mitbeschuldigten von Daniel Moser beigetragen hat.

7.2

Öffentlichkeitskommunikation der GPDel

Die Hauptverantwortung für die Aufsicht und das Ergreifen von Massnahmen im konkreten Fall lag beim Vorsteher des VBS. Die GPDel übt ihre Oberaufsicht subsidiär zur departementalen Aufsicht aus. Angesichts der politischen Dimension des Falls beschloss der Präsident der GPDel, dass die GPDel aber informiert werden müsse, auch um einen allfälligen Handlungsbedarf ihrerseits prüfen zu können.

Am 4. Mai 2017 fand die erste Sitzung der GPDel zum Fall Daniel Moser statt. Sie liess sich vom Bundesanwalt wie auch von der Leitung des NDB über den Fall informieren. Sie nahm auch zur Kenntnis, dass der Vorsteher des VBS in dieser Angelegenheit tätig geworden war. Anlässlich ihrer ordentlichen Sitzung vom 24.

Mai 2017 war der Fall Daniel Moser auch wieder Gegenstand der Beratung der GPDel. Am 30. Mai 2017 informierte die GPDel die Öffentlichkeit über die Einleitung ihrer Inspektion zum Fall Daniel Moser und die Abklärungen verliefen in der Folge nach dem üblichen Verfahren.

Die GPDel hat somit im Rahmen der subsidiären Oberaufsicht ihre Rolle wahrgenommen. Sie hat sich insbesondere rasch über die Angelegenheit informieren lassen und in der Folge vertiefte Abklärungen beschlossen und durchgeführt.

Ihre Öffentlichkeitskommunikation beurteilt die GPDel teilweise kritisch: Nach den Kommunikationsregeln der GPDel bestätigt oder dementiert sie keine in den Medien thematisierten Vorkommnisse, bevor sie eigene Abklärungen getroffen hat. Zuständig für Medienanfragen ist jeweils der Präsident. Dementsprechend beantwortete der Präsident der GPDel die ersten Medienanfragen mit der nötigen Zurückhaltung. Er bestätigte weder einen Bezug von Daniel Moser zum NDB noch dementierte er einen solchen und verwies auf die noch zu erfolgenden Abklärungen. Die Vizepräsidentin der GPDel war am 2. Mai 2017 ebenfalls legitimiert, Auskunft zu geben, da sie im Auftrag des Präsidenten der GPDel handelte. Ihre Auskünfte gingen jedoch

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wesentlich über diesen Auftrag hinaus, indem sie auch inhaltlich Stellung bezog und erstmals bestätigte, dass Daniel Moser für die Schweiz tätig war.

Wie kam es zu dieser Auskunft der Vizepräsidentin? Gemäss ihren Aussagen lag ihr daran, ihre Auskünfte an die Medien auf Fakten zu stützen. Da sie nicht in Erinnerung hatte, ob und gegebenenfalls inwieweit sich die GPDel mit einem Bezug zwischen Daniel Moser und dem NDB in den letzten Jahren befasst hatte, erkundigte sie sich vorgängig telefonisch beim Direktor NDB. Aufgrund der Untersuchung der GPDel erwiesen sich die den Medien erteilten Informationen nur teilweise als richtig.

Die Intention der Vizepräsidentin, sich zuerst einen Überblick über die Sachlage zu verschaffen, ist nachvollziehbar. Sie hätte jedoch das Sekretariat GPDel kontaktieren müssen und nicht den von der GPDel beaufsichtigten und in der Kritik stehenden NDB konsultieren sollen. Die Vizepräsidentin erkannte dies dann auch und bedauerte den Vorfall.

Mit der Information der Öffentlichkeit durch die Vizepräsidentin entstand ein Glaubwürdigkeitsproblem für die GPDel in Bezug auf die Wahrung der Vertraulichkeit und ihre weiteren Arbeiten in dieser Angelegenheit. Sie beschloss deshalb im Einvernehmen mit der Vizepräsidentin, dass letztere in diesem Geschäft in den Ausstand treten würde.144 Die GPDel informierte darüber den Bundesrat.145

8

Weiteres Vorgehen

Die GPDel ersucht den Bundesrat, bis spätestens am 1. Oktober 2018 zu den obigen Ausführungen und Empfehlungen Stellung zu nehmen.

13. März 2018

Im Namen der Geschäftsprüfungsdelegation Der Präsident: Claude Janiak Die Sekretärin: Beatrice Meli Andres

144

Nationalrätin Corina Eichenberger trat per Ende Juni 2017 aus der GPDel zurück (vgl. Medienmitteilung der GPDel vom 30. Mai 2017).

145 Schreiben der GPDel vom 5. Mai 2017.

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Die Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrates und des Ständerates haben diesen Bericht zur Kenntnis genommen und seiner Veröffentlichung zugestimmt.

26. März 2018

Im Namen der Geschäftsprüfungskommissionen Die Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates: Doris Fiala, Nationalrätin Die Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates: Anne Seydoux-Christe, Ständerätin Die Sekretärin: Beatrice Meli Andres

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Strafverfahren mit einem Bezug zu Daniel Moser im Überblick EISBEIN ­ Diebstahl von Bankdaten bei der Credit Suisse und deren Verkauf an deutsche Steuerbehörden: Im Februar 2010 eröffnete die BA ein Verfahren gegen Unbekannt. Im September 2010 wurden zwei Personen verhaftet, die mutmasslich die Bankdaten gestohlen bzw. an deutsche Steuerbehörden verkauft hatten. Einer von ihnen nahm sich kurz danach das Leben. Der andere wurde im Dezember 2011 im abgekürzten Verfahren vom Bundesstrafgericht verurteilt.

Im Verfahren wurde auch gegen drei deutsche Steuerfahnder ermittelt, die am Ankauf der gestohlenen Bankdaten beteiligt gewesen sein sollen. Um zusätzliche Angaben zu den Verdächtigen zu erhalten, richtete die BKP Ende Januar 2011 eine Anfrage an den NDB, der im Juni 2011 Daniel Moser mit der Vervollständigung der Personalien («Sudoku») beauftragte. Im März 2012 dehnte die BA das Verfahren auf die drei Steuerfahnder aus und schrieb sie national zur Festnahme aus. Im Juni 2015 wurde das Verfahren gegen die Steuerfahnder sistiert; die Festnahmebefehle blieben jedoch aufrecht (vgl. Ziff. 2.2, 2.6, 2.7, 3.2.1, 3.4.1, 3.9, 3.10 und 4.1).

EISFELD ­ Diebstahl von Bankdaten von Stiftungen bei der UBS: Die BA eröffnete aufgrund einer Anzeige der UBS im März 2013 ein Strafverfahren gegen Unbekannt. Zuvor hatte sich bereits die Spionageabwehr der Inlandbeschaffung mit dem Fall befasst. Parallel dazu fragte die Auslandbeschaffung Daniel Moser an, ob sein Netzwerk den Urheber des Datendiebstahls bei der UBS und seine deutschen Quellenführer identifizieren könne. Interne Untersuchungen der UBS führten zum mutmasslichen Täter, einem ehemaligen Mitarbeiter der UBS. Im Strafverfahren wird ihm von der BA vorgeworfen, zwischen 2010 und 2012 Bankdaten entwendet und den deutschen Steuerbehörden verkauft zu haben.

Mindestens eine der verratenen Stiftungen gehörte Werner Mauss, gegen den in Bochum ein Steuerstrafprozess geführt wurde. Der Prozess vor Bundesstrafgericht wurde auf unbestimmte Zeit verschoben (vgl. Ziff. 2.2, 2.6, 2.7, 3.2.2, 3.4.2, 3.5.1, 3.6.3 und 4.1).

EISWÜRFEL ­ Verfahren der BA seit dem Jahr 2015 gegen Daniel Moser, T.H., Wilhelm Dietl und Werner Mauss wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes: Am 12. Januar 2015 erstattete die UBS bei der BA Anzeige gegen Daniel Moser wegen Bankdatendiebstahls und
-verkaufs in Deutschland. Die Bank händigte der BA belastendes Material gegen Daniel Moser aus, das sie von Wilhelm Dietl erhalten hatte. Wilhelm Dietl hatte das Material im Auftrag von Werner Mauss im Rahmen von Kontakten mit Daniel Moser gesammelt. Am 2. Februar 2015 wurde Daniel Moser in Zürich mit Hilfe eines verdeckten Ermittlers verhaftet, als er diesem Bankdaten gegen Geld übergab. Die Operation war in Zusammenarbeit mit der UBS und Wilhelm Dietl, mit dem Daniel Moser das Geschäft abwickeln wollte, erfolgt.

Im Rahmen der Einvernahmen berichtete Daniel Moser ausführlich über seine Tätigkeit für den NDB, unter anderem auch über den Auftrag «Sudoku», wo es um die Ergänzung der Personalien der deutschen Steuerfahnder ging, sowie über den Auftrag, eine Quelle in der Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen einzu5123

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pflanzen. Am 1. September 2015 dehnte die BA das Verfahren auf Wilhelm Dietl und Werner Mauss aus. Den nunmehr Mitbeschuldigten Dietl und Mauss wurde Einsicht in die Verfahrensakten gewährt. Das Verfahren ist weiterhin hängig (vgl. Ziff. 2.6, 4.1, 4.2, 5, 6.1).

EISWÜRFEL bis ­ Verfahren aufgrund einer Anzeige von Wilhelm Dietl wegen politischen Nachrichtendienstes: Am 9. Oktober 2015 reichte Wilhelm Dietl, Mitbeschuldigter im Verfahren EISWÜRFEL, der BA eine Erklärung ein, in welcher er zwei hochrangige Mitarbeiter der Abteilung Beschaffung im NDB beschuldigte, ihm regelmässig sensible Informationen und Unterlagen aus ihrem Arbeitsbereich geliefert zu haben, so unter anderem eine enttarnte 51-seitige Liste mit Namen, Adressen und anderen persönlichen Daten von angeblichen Geheimdienstmitarbeitern der CIA, des Mossad und des MI6. In der Folge eröffnete die BA am 11. November 2015 ein Strafverfahren gegen Unbekannt. Die Abklärungen durch BA und BKP ergaben bisher, dass es keine solchen NDBMitarbeiter gibt und die angeblich enttarnte Agentenliste nicht vom NDB stammt und auch keine Agenten enttarnt, sondern aus im Internet auffindbaren Daten besteht (vgl. Ziff. 2.6, 4.1, 5).

Verfahren gegen Daniel Moser in Deutschland ­ Am 8. April 2016 liess Werner Mauss Akten aus dem Strafverfahren EISWÜRFEL einschliesslich der Einvernahmeprotokolle von Daniel Moser von 2015 der Staatsanwaltschaft Bochum zukommen, welche die Akten am 29. April 2016 dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe zukommen liess. Dieser eröffnete am 22.

Juni 2016 ein Ermittlungsverfahren gegen Daniel Moser wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit und erliess am 1. Dezember 2016 einen Haftbefehl gegen ihn. Am 28. April 2017 wurde Moser in Frankfurt am Main verhaftet und am 9. November 2017 vom Oberlandesgericht Frankfurt zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 22 Monaten und einer Bewährungsauflage von 40 000 Euro verurteilt (vgl. Ziff. 4.1 und 6.1).

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Verzeichnis der angehörten Personen Baeriswyl, Pascale

Staatssekretärin des EDA

Bulletti, Carlo

Leitender Staatsanwalt des Bundes, Bundesanwaltschaft

Della Valle, Nicoletta

Direktorin fedpol

Erne, Matthias

Rechtsanwalt, Zürich

Falcone-Goumaz, Natalie Generalsekretärin des VBS Flury, Hans-Rudolf

Chef a.i. der Bundeskriminalpolizei

Lauber, Michael

Bundesanwalt

Liechti, Michel

Chef der ND-Aufsicht, VBS

Maurer, Ueli

Bundesrat, Vorsteher des EFD (vorm. VBS)

Moser, Daniel

ehem. Quelle des Nachrichtendienstes des Bundes

Oberholzer, Niklaus

Bundesrichter, Präsident der AB-BA

Parmelin, Guy

Bundesrat, Vorsteher des VBS

Ramsauer, Matthias

Generalsekretär des EJPD

Rinnerthaler, Johannes

Staatsanwalt des Bundes, Bundesanwaltschaft

Seiler, Markus

Direktor des Nachrichtendienstes des Bundes (bis November 2017)

Sommaruga, Simonetta Bundesrätin, Vorsteherin des EJPD Uster, Hanspeter

Mitglied der AB-BA

X

ehem. Führungsoffizier, Beschaffung Ausland, Nachrichtendienst des Bundes

Y

Chef Beschaffung Ausland, Nachrichtendienst des Bundes

Z

Chef Sicherheit, Nachrichtendienst des Bundes

Zinniker, Paul

Stellvertretender Direktor des Nachrichtendienstes des Bundes, Chef Beschaffung (seit Dezember 2017 Direktor a.i.)

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Abkürzungsverzeichnis AB-BA a.i.

BA BGer BJ BKP BND BV BWIS CIA CS DAP EDA EFD EJPD fedpol FinDel FO GPDel GPK MI6 Mossad ND-Aufsicht NDB NDBA NDBB NDBB-A NDBB-I NDBS NDG NDV NRW

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Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft ad interim Bundesanwaltschaft Bundesgericht Bundesamt für Justiz Bundeskriminalpolizei Bundesnachrichtendienst, Bundesrepublik Deutschland Bundesverfassung (SR 101) Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (SR 120) Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten (Central Intelligence Agency) Credit Suisse Dienst für Analyse und Prävention Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Bundesamt für Polizei Finanzdelegation der eidgenössischen Räte Führungsoffizier Geschäftsprüfungsdelegation Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Britischer Auslandsgeheimdienst (Secret Intelligence Service) Zentraler Nachrichten- und Sicherheitsdienst Israels Nachrichtendienstliche Aufsicht des Generalsekretariats VBS (bis 31. August 2017) Nachrichtendienst des Bundes Abteilung Auswertung Abteilung Beschaffung Beschaffung Ausland Beschaffung Inland Abteilung Steuerung und Lage Bundesgesetz vom 25. September 2015 über den Nachrichtendienst (Nachrichtendienstgesetz, SR 121) Verordnung vom 16. August 2017 über den Nachrichtendienst (Nachrichtendienstverordnung, SR 121.1) Bundesland Nordrhein-Westfalen, Bundesrepublik Deutschland

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ParlG SND SiA SRF StGB StBOG SWIFT UBS V-NDB VBS ZNDG

Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10) Strategischer Nachrichtendienst Sicherheitsausschuss des Bundesrates Schweizer Radio und Fernsehen Schweizerisches Strafgesetzbuch (SR 311.0) Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz; SR 173.71) Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication Union Bank of Switzerland Verordnung vom 4. Dezember 2009 über den Nachrichtendienst des Bundes (SR 121.1, aufgehoben per 1. Sept. 2017) Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Bundesgesetz vom 3. Oktober 2008 über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (SR 121, aufgehoben per 1. Sept. 2017)

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