Bericht zur Abschreibung der Motion der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates 15.3498 «Aufsicht über den Nachrichtendienst des Bundes» vom 20. Dezember 2017

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2015

M

15.3498

Aufsicht über den Nachrichtendienst des Bundes (S 17.6.2015 Sicherheitspolitische Kommission SR; N 7.9.2015)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. Dezember 2017

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2016-2714

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BBl 2018

Bericht 1

Ausgangslage

Die Motion 15.3498 vom 19. Mai 2015 der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates beauftragt den Bundesrat, «Bericht zu erstatten und Massnahmen aufzuzeigen, ob und wie eine Aufsicht über den Nachrichtendienst des Bundes ausserhalb der Bundesverwaltung eingerichtet werden soll und wie diese auszugestalten ist».

In seiner Stellungnahme vom 5. Juni 2015 hat der Bundesrat die Annahme der Motion beantragt. Im Rahmen der parlamentarischen Beratung des Nachrichtendienstgesetzes (NDG) wurde sie am 17. Juni 2015 vom Ständerat und am 7. September 2015 vom Nationalrat angenommen.

Am 25. September 2015, d. h. nach der Annahme der Motion, hat das Parlament das NDG in der Schlussabstimmung angenommen.1 Das Volk hat das Gesetz in der Referendumsabstimmung vom 25. September 2016 mit einem Ja-Anteil von 65,5 Prozent angenommen.

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Varianten für die Gestaltung einer Aufsichtsbehörde

Das Bundesamt für Justiz (BJ) hat auf Ersuchen der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates mit Vorschlag vom 17. August 2015 vier verschiedene Varianten zur Stärkung der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde geprüft: ­

Verwaltungseinheit der zentralen Bundesverwaltung ohne Rechtspersönlichkeit;

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Verwaltungseinheit der zentralen Bundesverwaltung mit Rechtpersönlichkeit;

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Verwaltungseinheit der dezentralen Bundesverwaltung ohne Rechtspersönlichkeit;

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Verwaltungseinheit der dezentralen Bundesverwaltung mit Rechtspersönlichkeit.

Das BJ gab der Variante einer Aufsichtsbehörde als Verwaltungseinheit der dezentralen Bundesverwaltung ohne Rechtspersönlichkeit den Vorzug. Die Begründung des BJ lautete: «Diese Lösung bewegt sich in bewährten Bahnen mit den bereits bestehenden Verwaltungseinheiten Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter (EDÖB), Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK), Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (ÜPF) oder auch der Kommission zur Verhütung von Folter.»

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BBl 2015 7211; SR 121

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Die Position der unabhängigen Aufsichtsbehörde nach dem NDG wird im Vergleich zur ehemaligen nachrichtendienstlichen Aufsicht im Generalsekretariat des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (GS-VBS) vor allem in Bezug auf ihre Unabhängigkeit gestärkt: Die Aufsichtsbehörde ist weisungsungebunden. Ihre Leiterin oder ihr Leiter wird vom Bundesrat für eine Dauer von sechs Jahren gewählt. Sie verfügt über ein eigenes Budget, stellt ihr Personal an und regelt ihre Organisation und ihre Arbeitsweise selbstständig. Neu veröffentlicht sie jährlich einen Tätigkeitsbericht, und das VBS muss die Empfehlungen der Aufsichtsbehörde dem Bundesrat unterbreiten, wenn es sie zurückweisen will.

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Schaffung einer Aufsichtsbehörde ausserhalb der Bundesverwaltung

Eine weitere Variante, wonach die nachrichtendienstliche Aufsichtsbehörde analog zur Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) ausserhalb der Bundesverwaltung angesiedelt wäre, wurde vom BJ in seinem Vorschlag vom 17. August 2015 nicht in Betracht gezogen. Auch in der parlamentarischen Behandlung des NDG wurde sie nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.

Die AB-BA ist tatsächlich nicht Teil der Bundesverwaltung. Ihre Mitglieder werden von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt, und sie üben ihre Tätigkeit im Nebenamt aus. Dieser besondere Status ist nachvollziehbar, weil die zu kontrollierende Bundesanwaltschaft keinem Departement zugeordnet wird und deshalb selbst nicht Teil der Bundesverwaltung ist.

Die von der Aufsichtsbehörde zu kontrollierenden Stellen (insbesondere der Nachrichtendienst des Bundes und der Nachrichtendienst der Armee) sind jedoch dem VBS unterstellt und damit Teil der Bundesverwaltung. Wenn die Aufsichtsbehörde ausserhalb der Bundesverwaltung angesiedelt würde, könnte sie sich mit den Ergebnissen ihrer Prüfungen nicht mehr an die Departementsvorsteherin oder an den Departementsvorsteher des VBS richten, sondern müsste ihre Empfehlungen an den Bundesrat oder das Parlament richten. Damit würden zwei Aufsichtsorgane des Parlaments (Aufsichtsbehörde und Geschäftsprüfungsdelegation als parlamentarische Oberaufsicht) die nachrichtendienstliche Tätigkeit kontrollieren und zueinander in Konkurrenz treten. Organisatorisch müsste eine Aufsichtsbehörde ausserhalb der Bundesverwaltung völlig autonom sein: Sie müsste über eine eigene Infrastruktur (Räumlichkeiten, IKT, Kommunikationsmittel, Material) verfügen und ihre Ressourcen (Personal und Finanzen) selbst verwalten. Dies wäre für ein bestandesmässig bescheidenes Kontrollorgan ein unverhältnismässiger administrativer und finanzieller Zusatzaufwand. Den genannten Nachteilen einer Ansiedlung der unabhängigen Aufsichtsbehörde ausserhalb der Bundesverwaltung steht kein Nutzen in Form einer verstärkten Unabhängigkeit gegenüber. Die Unabhängigkeit von der departementalen Hierarchie ist bereits nach dem NDG, d. h. bei bloss administrativer Zuordnung zum VBS, gewährleistet.

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Das Anliegen der Motion zielt darauf ab, die Aufsichtsbehörde weiter zu stärken (siehe Bericht der Sicherheitspolitischen Kommission vom 25. August 20152 zur Motion 15.3498). Eine Möglichkeit dazu könnte die Bestätigung der Wahl der Leiterin oder des Leiters der Behörde durch das Parlament sein. Diese Möglichkeit würde der heutigen Regelung bei der Eidgenössischen Finanzkontrolle und beim EDÖB entsprechen; sie wurde aber im Vorschlag des BJ vom 17. August 2015 als «unnötige Vermischung der Zuständigkeiten von Exekutive und Legislative» verworfen.

Das Parlament hat diese Variante nicht berücksichtigt. Ein anderes Verfahren zur Wahl der Leiterin oder des Leiters der Aufsichtsbehörde müsste gesetzlich verankert werden und bedürfte einer Revision des NDG.

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Massnahmen zur Umsetzung des NDG

Ende 2015 hat der Departementsvorsteher des VBS eine Projektorganisation (Nachrichtendienstliche Aufsicht, Bereich Recht des Generalsekretariats VBS, NDB, militärischer Nachrichtendienst, BJ, unabhängige Kontrollinstanz für die Funk- und Kabelaufklärung) beauftragt, die Grundlagen zur Konstituierung der Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten (AB-ND) vorzubereiten und eine Verordnung des Bundesrates über die Aufsicht über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten (VAND) auszuarbeiten. Diese Arbeit lief parallel zur Erarbeitung des weiteren Verordnungsrechts zur Umsetzung des NDG, nämlich die Verordnung über den Nachrichtendienst (NDV) und die Verordnung über die Informations- und Speichersysteme des Nachrichtendienstes des Bundes (VIS-NDB). Alle drei Verordnungen wurden vom Bundesrat am 16. August 2017 im Hinblick auf das Inkrafttreten des NDG am 1. September 2017 verabschiedet.3 Bezüglich der unabhängigen Aufsichtsbehörde werden in der VAND insbesondere die administrative Zuordnung und der Budgetprozess wie folgt geregelt:

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Die AB-ND ist dem GS-VBS administrativ zugeordnet. Diese Zuweisung entspricht derjenigen des Oberauditorats der Armee, das in seiner Verantwortung für die Aufgabenerfüllung der Militärjustiz unabhängig ist.

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Die AB-ND reicht den Entwurf ihres jährlichen Budgets über das VBS dem Bundesrat ein. Dieser leitet ihn unverändert der Bundesversammlung weiter.

Damit wird sichergestellt, dass die AB-ND, analog zur EFK, ihre Ressourcen ohne Einflussnahme des VBS direkt dem Parlament beantragen kann.

Abrufbar unter www.parlament.ch > 15.3498 > Bericht der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates.

Nachrichtendienstverordnung vom 16. August 2017, SR 121.1; Verordnung vom 16. August 2017 über die Informations- und Speichersysteme des Nachrichtendienstes des Bundes, SR 121.2; Verordnung vom 16. August 2017 über die Aufsicht über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten, SR 121.3.

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Fazit und Antrag auf Abschreibung der Motion

Der Bundesrat beantragt die Abschreibung der Motion, weil: ­

das Kernanliegen einer personell, finanziell und organisatorisch unabhängigen Aufsicht bereits durch das NDG und das dazugehörige Verordnungsrecht (VAND) erfüllt wird;

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die Einrichtung einer Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten ausserhalb der Bundesverwaltung im Vergleich zum nach der Einreichung der Motion verabschiedeten NDG keine wesentlichen Vorteile bringen würde;

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die mit dem NDG vorgesehene Lösung eine Konkurrenzierung der parlamentarischen Oberaufsicht vermeidet.

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