zu 99.408 Parlamentarische Initiative Umklassierung der Prättigauerstrasse (Initiative Brändli) Bericht vom 3. Februar 2000 der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates Stellungnahme des Bundesrates vom 3. Mai 2000

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, zum Bericht vom 3. Februar 2000 der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates betreffend Umklassierung der Prättigauerstrasse nehmen wir nach Artikel 21quater Absatz 4 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. Mai 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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2000-0823

Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Kommission schlägt vor, den Anhang zum Bundesbeschluss vom 21. Juni 1960 über das Nationalstrassennetz (SR 725.113.11) durch die Aufnahme der Prättigauerstrasse von Landquart bis Klosters/Verladestation Vereinatunnel als Strasse 2./3. Klasse zu ergänzen.

Das Nationalstrassennetz wurde mit dem gleichnamigen Bundesbeschluss vom 21. Juni 1960 festgelegt und seither dreimal ergänzt: Am 25. Juni 1965 durch den Gotthard-Strassentunnel (N 2), am 23. Juni 1971 durch die nördliche und westliche Umfahrung von Zürich (N 1c) und am 5. Oktober 1984 durch die Transjurane von Boncourt bis Biel (N 16). Andererseits wurde am 19. Dezember 1986 die Strecke von Wimmis bis Uvrier der N 6 (Rawyltunnel) aus dem Nationalstrassennetz gestrichen.

Von diesen Erweiterungen (bzw. dieser Streichung) des Netzes ist der Ausbau bestimmter Abschnitte auf dem bestehenden Netz zu unterscheiden. Darunter fallen namentlich die Erstellung zusätzlicher Spuren wie jene am Grauholz (1997 in Betrieb genommen), der neue Tunnel am Baregg (gegenwärtig im Bau) oder die diskutierten Spurergänzungen zwischen Härkingen und Wiggertal.

Das Nationalstrassennetz weist heute eine Länge von 1856 km auf. Davon befinden sich 1638 km in Betrieb und rund 100 km im Bau. Die Investitionskosten betragen bisher 44,872 Milliarden Franken. Nach dem 6. langfristigen Bauprogramm wird das Netz voraussichtlich im Jahr 2015 fertig erstellt sein. Für die restlichen Strecken werden noch ca. 20 Milliarden Franken aufzuwenden sein.

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Die Politik des Bundesrates im Nationalstrassenbau

Der Nationalstrassenbau ist Teil der gesamten Verkehrspolitik. Diese Betrachtungsweise hat der Bundesrat schon seit langem eingenommen. Neben den übergeordneten verkehrspolitischen Zielen sind beim Nationalstrassenbau aber auch die Umweltbelange, die Verkehrssicherheit und die Finanzlage des Bundes massgebende Aspekte. Aufgrund dieser Vorgaben hat der Bundesrat 1987 im Zusammenhang mit dem Luftreinhaltekonzept Leitplanken gesetzt. Er beschloss, bis zur Realisierung von Bahn 2000 auf den Ausbau bestehender Abschnitte, die in direkter Konkurrenz zum Kapazitätsausbau der Schiene stehen, zu verzichten und auch keinen solchen dem Parlament zu beantragen. Vorbehalten bleiben zusätzliche Fahrspuren auf einzelnen kurzen Abschnitten, sofern sie unentbehrlich sind, um die Funktionsfähigkeit der Strasse aufrecht zu erhalten und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.

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Mit Blick auf die angespannte Finanzlage des Bundes und im Bestreben, die vorhandenen Mittel optimal einzusetzen, legte der Bundesrat zusätzlich eine Prioritätenordnung mit folgender Reihenfolge fest: 1.

Die Fertigstellung des beschlossenen Netzes.

2.

Die Substanzerhaltung des gebauten Werkes.

3.

Die Bewirtschaftung der vorhandenen Strassenkapazitäten mittels Telematik.

4.

Allfällige Ausbauten.

Nach Ansicht des Bundesrates gilt diese Prioritätenordnung aus den dargelegten Gründen auch für die Erweiterung des Nationalstrassennetzes. Er hat darum bisher stets Vorstösse abgelehnt, die einzelfallweise im Sinne einer Sofortmassnahme Umklassierungen oder Erweiterungen verlangten, so namentlich das Postulat Bezzola, das inhaltlich mit der vorliegenden Initiative übereinstimmt. Die gleiche Haltung nahm er gegenüber folgenden Vorstössen ein: Seedamm Rapperswil, Autobahnring Zürich, Hirzeltunnel, Grosser St. Bernhard. Demgegenüber hat sich der Bundesrat bereit erklärt, den Ausbau bestehender Nationalstrassen und Begehren um Erweiterung des Netzes umfassend zu prüfen und in einer Art Gesamtschau darzustellen.

Diese konzeptionelle Arbeit ist indessen sehr komplex und braucht Zeit, weshalb der Bundesrat sie mit Blick auf die lange Planungs- und Realisierungszeit einzelner Bauwerke rasch in Auftrag geben will. Leitgedanke dieser Untersuchung muss indessen die von Volk und Ständen wiederholt bestätigte gesamtheitliche Verkehrspolitik und deren Zielsetzungen sein (insbesondere die Verlagerung wesentlicher Teile des Güterverkehrs auf die Schiene). Eine isolierte, auf den Strassenbereich ausgerichtete Planung wäre weder verkehrstechnisch sinnvoll, noch politisch vertretbar.

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Die Planungs- und Projektierungsstufen im Nationalstrassenbau

Das Nationalstrassenrecht sieht für den Bau der Nationalstrassen ein mehrstufiges Planungs- und Projektierungsverfahren vor.

3.1

Planung

Am Anfang steht der Netzbeschluss. Darin werden die wichtigsten Strassenverbindungen von gesamtschweizerischer Bedeutung aufgenommen (Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen; NSG; SR 725.11). Nach Artikel 9 NSG hat die Planung abzuklären, welche Gebiete eine Verbindung durch Nationalstrassen benötigen und welche allgemeinen Linienführungen und Strassenarten in Betracht fallen. Diese Abklärung erfordert namentlich einen technischen Bericht, eine Kostenschätzung sowie eine Prüfung der Zweckmässigkeit in verkehrs-, umwelt-, raumordnungs- und finanzpolitischer Hinsicht (Art. 7 der Verordnung über die Nationalstrassen; NSV; SR 725.111). Ueber die Aufnahme einer Strecke ins Nationalstrassennetz entscheidet die Bundesversammlung in einem einfachen, nicht referendumsfähigen Bundesbechluss (Art. 11 NSG).

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3.2

Generelles Projekt

Die Nationalstrassen sind in generellen Projekten darzustellen, woraus die Linienführung einschliesslich die ober- und unterirdische Strassenführung, die Anschlussstellen, die Kreuzungsbauwerke und die Anzahl Fahrspuren hervorgehen (Art. 12 NSG, Art. 10 Abs. 1 NSV). Zu den zu erarbeitenden Unterlagen gehören u.a. Pläne im Massstab 1 : 5'000, ein technischer Bericht samt flankierenden Massnahmen, eine Kosten-Nutzen-Analyse sowie Angaben über die Kosten. Die Verantwortung für die Erarbeitung der generellen Projekte liegt beim Bundesamt für Strassen, das diese Aufgabe indessen regelmässig den Kantonen überträgt (Art. 11 Abs. 1 NSV). Über das generelle Projekt entscheidet der Bundesrat (Art. 20 NSG).

3.3

Ausführungsprojekt

Die Ausführungsprojekte stützen sich auf die generellen Projekte ab und dürfen nicht wesentlich von letzteren abweichen. Sie geben Aufschluss über Art, Umfang und Lage des Werkes samt allen Nebenanlagen, die Einzelheiten der bautechnischen Gestaltung und die Baulinien (Art. 21 NSG). Das Ausführungsprojekt entspricht dem eigentlichen Bauprojekt. Es bedarf daher eines höheren Detaillierungsgrades.

So sind die Pläne im Massstab 1 : 1000 zu erstellen. Ferner braucht es einen technischen Bericht einschliesslich flankierender Massnahmen, ein Entwässerungskonzept, Angaben über die Kosten, einen Enteignungsplan, die Grunderwerbstabelle sowie Unterlagen für weitere Bewilligungen (z.B. Rodungsbewilligung). Die Ausführungsprojekte werden von den Kantonen erarbeitet (Art. 13a NSV). Seit dem 1. Januar 2000 ist das UVEK Genehmigungsinstanz (Art. 26 NSG).

Schliesslich ist festzuhalten, dass in allen drei Schritten je eine stufengerechte Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden muss.

Das hier beschriebene mehrstufige Verfahren ist freilich auf Strassenverbindungen ausgerichtet, die erst noch gebaut werden müssen. Im vorliegenden Fall besteht die Prättigauerstrasse bereits. Diese soll nach der Vorstellung der Initiative zur Nationalstrasse aufklassiert werden. Das wäre insofern keine neue Situation, als schon bei der Festlegung des Nationalstrassennetzes im Jahre 1960 bestehende Strassenverbindungen zu Nationalstrassen erklärt wurden (z.B. N 2 im Raum Luzern, die Axenstrasse, die Strasse über den Brünig, die Strecke entlang des Bielersees). Auch die Transjurane wird teilweise auf der alten Anlage geführt. Hingegen benötigten Ausbauvorhaben auf diesen Abschnitten jeweils ein generelles und anschliessend ein Ausführungsprojekt.

Ziel der Initiative ist es, rasch nach Rechtskraft der Aufnahme der Prättigauerstrasse ins Nationalstrassennetz mit dem Bau der Umfahrung Saas zu beginnen. Das würde bedeuten, dass das nach kantonalem Recht erarbeitete und vom Bundesamt für Strassen nach dem Recht über die Hauptstrassen ­ also vor allem unter subventionsrechtlichen Aspekten - zu genehmigende Projekt zu realisieren wäre. Statt eine Subvention unter dem Titel ,,Hauptstrassen" würde der Bund seinen Anteil aus der Rubrik ,,Nationalstrassen" leisten. Dieses Vorgehen würde zwei Projektierungsstufen nach Nationalstrassenrecht unterlaufen.

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Ausbaustand der Prättigauerstrasse

Die Prättigauerstrasse wurde 1951 ins Netz subventionsberechtigter Hauptstrassen aufgenommen. Die Strecke von Landquart ab Verzweigung mit der N3 bis Klosters/Verladestation ,,Seltranga" ist rund 34 km lang. Die Verkehrsbelastung nimmt von Landquart in Richtung Klosters kontinuierlich ab. Im Pardisla Chlustunnel beträgt der durchschnittliche tägliche Verkehr (DTV) 12'000 Fahrzeuge, in Küblis 8'400 und in Klosters 7'500. Die Spitzenbelastungen an einem Februar-Samstag sind höher: Im Pardisla Chlustunnel 20'300 und in Klosters 15'800 Fahrzeuge. Die Verkehrszunahme nach Inbetriebnahme des Vereinatunnels beträgt im Durchschnitt schätzungsweise 1000 Fahrzeuge pro Tag.

In den letzten zehn Jahren wurden für Projekte auf der erwähnten Strecke 155 Millionen Franken Bundesbeiträge geleistet. Die Umfahrung Klosters befindet sich zur Zeit im Bau; sie wird etwa 2005 fertig erstellt. Für dieses Projekt wurden bis Ende 1999 rund 115 Millionen Franken Bundesbeiträge bezahlt (Gesamtkosten 132 Mio.); die restlichen Bundesbeiträge belaufen sich auf ca. 188 Millionen Franken (250 Mio.). Die Umfahrung Saas ist auf 235 Millionen Franken veranschlagt. Die Bauzeit ist zwischen 2003 und 2010 vorgesehen. Neben diesen beiden aktuellen Projekten sind in den nächsten Jahren, allerdings mit unbestimmtem Baubeginn, weitere Vorhaben geplant. Zu erwähnen ist vor allem die Umfahrung Küblis, die nach heutigen groben Schätzungen Gesamtkosten von etwa 190 Millionen Franken aufweisen wird. Schliesslich müssten die Abschnitte Jenaz/Fiders - Dalvazza und Bagrüeg ­ Mezzaselva auf den heutigen Strassenstandard ausgebaut werden, was Investitionen von ca. 100 Millionen Franken auslösen würde.

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Auswirkungen auf das Bauprogramm der Nationalstrassen

Der Bundesrat hat am 24. November 1999 das 6. langfristige Bauprogramm für die Nationalstrassen beschlossen. Die Höhe der Ausgaben hängt von der Entwicklung der allgemeinen Bundesausgaben ab. Die Nationalstrassenaufwendungen sind Teil der Finanzrechnung. Sie beeinflussen somit ­ ungeachtet des Standes der Rückstellungen ­ direkt das Jahresergebnis. Es ist geplant, in den nächsten Jahren rund 1'500 Millionen Franken für den Bau der Nationalstrassen einzusetzen, mit Schwergewicht auf den Projekten in der Westschweiz und dem Ziel, das beschlossene Nationalstrassennetz möglichst zügig zu vollenden. Diese knapp bemessene Planung lässt keinen Einschub neuer Vorhaben zu, sollen die Projekte zeitlich gemäss Bauprogramm realisiert werden. Die sofortige Aufnahme der Umfahrung Saas ins Bauprogramm mit einem durchschnittlichen jährlichen Mittelbedarf zwischen 20 und 30 Millionen Franken würde daher nicht ohne Zurückstellung einzelner, noch zu bestimmender Projekte möglich sein. Dies ändert sich ab etwa 2005; erst dann wird diesbezüglich ein gewisser Spielraum entstehen.

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Auswirkungen des Stabilisierungsprogramms auf die Finanzierung der Hauptstrassen

Das Stabilisierungsprogramm enthält namentlich drei Massnahmen im Bereich Hauptstrassen: 1.

Reduktion der Beitragssätze um 10 bzw. 5 Prozentpunkte.

2.

An Projekte unter 2,5 Millionen Franken werden keine Beiträge mehr geleistet.

3.

Die neuen, tieferen Beitragssätze gelten auch für Folgezusicherungen an bereits laufenden Objekten.

Es ist zu betonen, dass nach der Absicht des Stabilisierungsprogramms der Bau der Hauptstrassen nicht eingeschränkt werden sollte. Vielmehr ging es davon aus, dass das geringere finanzielle Engagement des Bundes durch höhere Leistungen der Kantone kompensiert würde. Denn nur unter dieser Voraussetzung macht der Sparbeitrag der Kantone zur Entlastung des Bundeshaushalts Sinn. Diesen Mehraufwand haben alle Kantone zu leisten, freilich im Bereich Hauptstrassen in unterschiedlichem Ausmass. Das hängt aber insbesondere davon ab, ob überhaupt und gegebenenfalls welche Projekte gerade im Bau sind oder nächstens realisiert werden. In dieser Hinsicht erleidet der Kanton Graubünden in der Tat überdurchschnittliche Einbussen, die sich vor allem auch auf die Folgetranchen beziehen. Man darf indessen nicht übersehen, dass die Vergleiche mit andern Kantonen auf einer Momentaufnahme beruhen. Kantone, die ihre Projekte noch nicht baureif haben, werden dann halt später ihren höheren Anteil leisten müssen. Schliesslich ist zu erwähnen, dass die starke Belastung von Graubünden eben auch daher kommt, dass dieser Kanton im letzten und laufenden Hauptstrassenprogramm grosszügig behandelt wurde und wird. Das war mit Rücksicht auf den optimalen Mitteleinsatz und der Länge des Kantonsstrassennetzes gerechtfertigt, führt aber zu den im Bericht der KVF-SR aufgelisteten Nachteile, die insgesamt im Zeitablauf zufällig sind. Immerhin wird die Situation des Kantons Graubünden ab 2001 dadurch gemildert, dass ihm ab diesem Zeitpunkt rund 20 Millionen Franken jährlich aus den Einnahmen der LSVA zufliessen.

Das Mehrjahresprogramm 2000 ­ 2003 für die Hauptstrassen, das der Bundesrat am 6. Dezember 1999 genehmigte, musste die Entscheide der eidgenössischen Räte zum Stabilisierungsprogramm berücksichtigen. Dieses sah einen Sparbeitrag der Kantone von 500 Mio. Franken vor, wovon 100 Mio. auf den Strassenbereich entfielen (63 Mio. unter dem Titel ,,Verkehrstrennung" und 37 Mio. unter der Rubrik ,,Hauptstrassen"). Durch diese Vorgaben des Parlamentes reduzierten sich die verfügbaren Mittel für das laufende Mehrjahresprogramm um 126 Millionen auf 854 Millionen Franken. Der Grossteil dieses Betrages musste für laufende Projekte vorbehalten werden, so dass für neue Projekte nur wenig Spielraum blieb. In dieser Situation war es nicht möglich,
dem Kanton Graubünden mit der Umfahrung Saas ein drittes Grossprojekt zuzugestehen.

Im Mehrjahresprogramm 1996 ­ 1999 standen noch 975 Millionen Franken zur Verfügung, von denen letztlich aber nur 880 Millionen beansprucht wurden. 1996 und 1997 verblieben Kreditreste von insgesamt 95 Millionen. Die Gründe waren: lineare Kürzung der Bundesbeiträge, Budgetrestriktionen der Kantone, Verzögerungen bei mehreren Grossprojekten und günstigere Vergaben als Folge des Preiskampfes im Baugewerbe. Diese Situation erlaubte es, dem Kanton Graubünden ein 3229

zweites Grossprojekt zuzugestehen. Dass die Sanierung der Prättigauerstrasse mit Blick auf den Autoverlad durch den Vereinatunnel eine gewisse Dringlichkeit aufweist, ist nicht von der Hand zu weisen. Gerade deshalb hat das UVEK mehrfach versucht, den Kanton Graubünden zu bewegen, die Priorität auf die Vorhaben im Prättigau zu legen. Allein, es liegt ausschliesslich am Kanton selber, die strassenseitigen Prioritäten innerkantonal zu bestimmen. Der Bundesrat musste deshalb akzeptieren, dass der Kanton Graubünden selber der Umfahrung Flims den Vorzug gegenüber der Umfahrung Saas gab.

Den seitherigen Forderungen, auch Saas rasch zu realisieren, konnte der Bundesrat nicht durch Aufnahme eines dritten bündnerischen Grossprojektes entsprechen, vorab im Hinblick auf die vielen, ebenfalls begründeten Vorhaben in anderen Kantonen. Immerhin hat das UVEK dem Kanton angeboten, durch ein nahtloses Aneinanderreihen der Hauptarbeiten von Klosters und Saas letzteres Projekt zu beschleunigen. Mit dieser Lösung, die in der Startphase vom Kanton ein zusätzliches Engagement verlangt, kann grundsätzlich etwa 2003 auch in Saas mit den Bauarbeiten begonnen werden. Dieses Vorgehen führt insgesamt wohl am schnellsten zur Entlastung von Saas, wesentlich früher könnte im Hinblick auf die noch nicht abgeschlossenen Planungsverfahren wohl ohnehin nicht mit den Bauarbeiten begonnen werden.

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Präjudizielle Wirkung

Im Bericht der KVF-SR wird auf die Besonderheit der Prättigauerstrasse Gewicht gelegt. Die Kommission schliesst daraus, dass die Gefahr von Anschlussbegehren, mithin eine präjudizielle Wirkung nicht gegeben sei. Der Bundesrat teilt diese Haltung nicht. Er geht vielmehr davon aus, dass die Prättigauerstrasse nicht ein derartiger Sonderfall ist, dass dieser isoliert zu behandeln wäre. Eine Netzdiskussion wäre wohl unvermeidbar, und diese Diskussion möchte der Bundesrat nicht heute führen.

In den letzten Jahren und Monaten häuften sich nämlich die Begehren um Aufklassierung von Strecken ins Nationalstrassennetz. Zu erwähnen sind hier folgende erledigte, noch pendente oder gar erst unlängst eingereichte Vorstösse: Standesinitiative des Kantons St. Gallen betreffend Aufklassierung der Staatsstrasse über den Seedamm bei Rapperswil, die Motion von alt Nationalrat Epinay betreffend die Zufahrt zum Grossen St. Bernhard, die Motion von Nationalrat Bosshard betreffend die Strassenverbindung zwischen der N 3 in Wädenswil und der N 4 in Sihlbrugg (Hirzeltunnel), einfache Anfrage Hegetschweiler zur Nationalstrassensituation im Grossraum Zürich (neuer Seetunnel), parlamentarische Initiative Hegetschweiler betreffend Zürcher Oberlandautobahn bis Zürich-Flughafen, die Zufahrten zum Lötschbergtunnel (parlamentarische Initiative Wandfluh) sowie die Hauptstrasse über die Vue des alpes (Motion Berberat). Dass insbesondere Initiative Wandfluh die gleiche Argumentation beinhaltet wie im Fall der Vereinazufahrt, liegt nahe, was zusätzlich erhellt, dass es sich eben gerade nicht um einen isolierten Sonderfall handelt.

Zusätzlich zu diesen mit Vorstössen zur Diskussion gestellten Strecken bestehen gleiche sachliche Problemstellungen offensichtlich für weitere Verbindungen, wie z.B. die kantonale Autobahn Schönbühl ­ Biel oder die kantonale Autostrasse Neuchâtel ­ La Chaux-de-Fonds.

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Diese Darstellung zeigt, dass die Gefahr einer allgemeinen Netzdiskussion durchaus vorhanden ist. Darum ist es sachlich verfehlt, anhand eines Einzelbegehrens die Netzdiskussion zu führen. Abgesehen davon, dass diese Auseinandersetzung der bundesrätlichen Verkehrspolitik widerspricht, die gerade eine Gesamtschau in den nächsten Jahren anstrebt, ist auch auf das bundesinterne Projekt "Masterplan Strasse"zu verweisen, das anhand von noch zu erarbeitenden Kriterien auf eine Gesamtsicht der übergeordneten Strassennetze hinzielt. Diese Gesamtschau entspricht schliesslich auch dem klaren politischen Auftrag aus der Motion der KVF-SR vom 7. September 1999 betreffend Überprüfung des Bundesbeschlusses über das Nationalstrassennetz. Der Bundesrat hat sich bereit erklärt, dieses Begehren materiell zu erfüllen.

Es ist verfrüht, die Prättigauerstrasse dieser Überprüfung vorzuziehen und sie nicht in den Vergleich mit andern Strassenverbindungen einzubeziehen. Eine derartige isolierte Betrachtungsweise einer einzelnen Strecke schafft ein unerwünschtes Präjudiz.

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Finanzielle Auswirkungen

Die finanziellen Auswirkungen eines Umklassierungsbeschlusses hängen von verschiedenen Annahmen ab. Ab welchem Zeitpunkt gilt die Umklassierung? Wie werden die laufenden Projekte behandelt? Konkret stellt sich das Problem insbesondere für die sich im Bau befindliche Umfahrung Klosters. Wird diese als Hauptstrassenprojekt unter dem Hauptstrassenrecht (sinngemässe Anwendung von Art. 36 Bst. a Subventionsgesetz) beendet oder wird sie mit dem Inkrafttreten des Umklassierungsbeschlusses dem Nationalstrassenrecht unterstellt? Die gleiche Frage ergibt sich für Saas. Falls die Umklassierung vor dem Baubeginn rechtskräftig würde, müssten wohl längere Verzögerungen in Kauf genommen werden, weil nicht einfach ein Hauptstrassenprojekt als Nationalstrasse gebaut werden kann, sondern das mehrstufige Planungs- und Projektierungsverfahren für Nationalstrassen (Ziff. 3 hievor) vorangestellt werden müsste. Wollte man das umgehen und mithin den Zeitpunkt der Umklassierung nach dem Baubeginn in Saas legen, entsteht die gleiche Situation wie heute in Klosters, mit den gleichen offenen Fragen.

Wenn die parlamentarische Initiative gutgeheissen wird, könnte der Umklassierungsbeschluss voraussichtlich 2002 in Kraft treten. Für den Bund würde dieser Entscheid zu einer namhaften finanziellen Mehrbelastung führen. Zum einen ist der Beitragssatz beim Nationalstrassenbau, bezogen auf den Kanton Graubünden, mit 92 Prozent bedeutend höher als bei den Hauptstrassen mit bis 75 Prozent. Je nach den Annahmen bezüglich Unterstellung der sich im Bau befindlichen Projekte unter das Hauptstrassen- oder das Nationalstrassenrecht dürfte sich die Mehrbelastung des Bundes gestützt auf die unter Ziffer 4 erwähnten Ausbauten bis auf rund 110 Millionen Franken belaufen. Sodann müsste sich der Bund neu mit 92 Prozent am Unterhalt und mit 85 Prozent am Betrieb dieser Strasse beteiligen, was jährliche Mehraufwendungen von rund 20 Millionen Franken verursachen würde. Diese Mittel sind im Legislaturfinanzplan nicht enthalten. Sie müssten andernorts kompensiert werden, damit der Bund nicht zusätzlich belastet wird.

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Schlussfolgerungen

Der Bundesrat verkennt nicht, dass der Kanton Graubünden gewisse Schwierigkeiten hat, seine Strassenlasten zu finanzieren. Anderseits sieht er in der Prättigauerstrasse auch keinen Sonderfall, zumal andere Kantone sich in vergleichbarer Lage befinden. Wesentlich erscheint aber, dass der Bundesrat bereit ist, eine Netzbereinigung vorzunehmen, allerdings in einer Gesamtschau und nicht einzelfallweise aufgrund von Sofortmassnahmen. Nur dieses Vorgehen erlaubt es, anhand objektiver Kriterien sachgerechte Entscheide zu fällen. Es versteht sich, dass in dieser Gesamtüberprüfung auch die Prättigauerstrasse einbezogen wird.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Umfahrung Saas eine gewisse Dringlichkeit aufweist. Der Bundesrat hat dieses Problem erkannt und gerade darum im Rahmen des laufenden Mehrjahresprogramms für die Hauptstrassen zusammen mit dem Kanton eine vertretbare Lösung gefunden. Ziel ist es, mit dem Bau der Umfahrung so rasch als möglich zu beginnen. Immerhin sind die finanziellen Randbedingungen des Bundes zu beachten.

Die in Aussicht gestellte Lösung für Saas dürfte wesentlich schneller zu Ergebnissen führen als die Aufklassierung mit den dargelegten Verfahrensschritten, die Finanzierungsproblematik und die Konkurrenzsituation im 6. langfristigen Bauprogramm zu den anderen, prioritären Bauten des beschlossenen Nationalstrassennetzes.

Der Bundesrat beantragt daher, die parlamentarische Initiative Brändli abzulehnen.

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