Grundsätze des Bundesrates für die Rüstungspolitik des VBS vom 24. Oktober 2018

2018-2138

7253

BBl 2018

1

Inhalt und Zweck

Die Rüstungspolitik ist ein Element der Schweizer Sicherheitspolitik. Mit der Rüstungspolitik soll sichergestellt werden, dass die Armee und weitere Institutionen staatlicher Sicherheit des Bundes rechtzeitig, nach wirtschaftlichen Prinzipien und auf transparente Weise mit der nötigen Ausrüstung und Bewaffnung und den erforderlichen Dienstleistungen versehen werden. Entsprechend umfasst der Begriff Rüstung im vorliegenden Dokument alle Massnahmen und Mittel zur Deckung des Bedarfs an Waffen, Munition oder Kriegsmaterial, aber auch an weiteren Gütern, Dienstleistungen, Bauten und Fachwissen mit besonderem Bezug zur Landesverteidigung oder nationalen Sicherheit. Eingeschlossen sind sowohl die Bedürfnisse der Armee als auch bestimmte Bedürfnisse der im Bereich Polizei, Grenzwacht und Zivilschutz tätigen Institutionen des Bundes wie Bundesamt für Polizei, Grenzwachtkorps, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Nachrichtendienst des Bundes.

Unter die Rüstung fallen insbesondere jene Ausrüstungen, die unmittelbar der Landesverteidigung und der inneren und äusseren Sicherheit dienen. Im weiteren Sinn umfasst der Rüstungsbegriff inskünftig auch ziviles Material für die vorgenannten Institutionen.

Im Zentrum der Rüstungspolitik stehen sowohl die Bedürfnisse der Armee nach kritischem Fachwissen, sicherheitsrelevanten Schwerpunkttechnologien, technologisch komplexen Systemen sowie Gütern, Bauten und Dienstleistungen als auch die Gewährleistung industrieller Kernfähigkeiten und Kapazitäten zur Sicherstellung des zuverlässigen Betriebes und der Einsatz- und Durchhaltefähigkeit eingeführter Armeesysteme.

Im Folgenden führt der Bundesrat aus, nach welchen Grundsätzen der Rüstungsbedarf der Armee und weiterer staatlicher Sicherheitsorgane gedeckt werden soll.

Weiter legt er die Grundzüge der Zusammenarbeit des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) mit dem privaten Sektor dar und beschreibt, wie der Zugang zu kritischem Wissen ermöglicht sowie dessen Verfügbarkeit auch in Zeiten sicherheitspolitischer Spannungen oder gar bewaffneter Konflikte gewährleistet werden soll. Ferner wird ausgeführt, nach welchen Grundsätzen mit anderen Staaten und internationalen Organisationen kooperiert wird. Schliesslich werden die Grundsätze für Offset-Geschäfte dargelegt.

Die Konkretisierung einzelner Aspekte erfolgt in der Rüstungspolitik nachgeordneten Dokumenten.

2

Rahmenbedingungen

Nur militärische Grossmächte verfügen heute über weitgehende nationale Autonomie im Rüstungsbereich. Alle anderen Staaten sind, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass, für Rüstungsgüter vom Import abhängig. Für die Schweiz wie für die meisten Staaten ähnlicher Grösse ist diese Abhängigkeit stark. Technologische Entwicklungen (wie z. B. die Digitalisierung), werden aufgrund höherer Skaleneffekte in den zivilen Märkten auch im Wehrtechnikbereich vermehrt durch zivile Innovationen vorangetrieben. Systeme sind zunehmend untereinander oder mit dem 7254

BBl 2018

Hersteller vernetzt. Dies birgt erhöhte Sicherheitsrisiken wie beispielsweise die unerwartete Fremdsteuerung oder -überwachung der Systeme. Die rüstungstechnologischen Entwicklungen werden sich weiter beschleunigen, und die Unternehmen der Sicherheits- und Rüstungsindustrie sind gefordert, sich laufend neu zu formieren. Durch den Paradigmenwechsel weg von der Armee hin zu zivilen Unternehmungen und Institutionen als eigentliche Technologietreiber wird die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft noch wichtiger.

Der internationale Rüstungsmarkt ist kein offener Markt, sondern oft durch nationale Auflagen reguliert. Benötigte Komponenten werden teilweise nur mit Zustimmung ausländischer Regierungen freigegeben. Die technologische Abhängigkeit der Armee vom Ausland bei Schlüsselkomponenten, deren Verfügbarkeit staatlichen Bewilligungen und Kontrollen unterworfen ist, wird sich noch verstärken.

Die Schweiz verfügt über keine umfassende sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis (STIB). Systemlieferanten und -integratoren gibt es mit wenigen Ausnahmen nur noch unter den in der Schweiz ansässigen Niederlassungen ausländischer Unternehmen. Oft sind dies ehemalige Schweizer Unternehmen, die von ausländischen Konzernen übernommen worden sind. Die Technologiekompetenzen und Industriefähigkeiten der Schweiz im Bereich der Wehrtechnik bestehen vorwiegend im Wissen und den Fähigkeiten innovativer kleiner und mittlerer privater Unternehmen, die teilweise technologisch hochwertige Subsysteme oder Einzelkomponenten für militärische und zivile Gesamtsysteme produzieren. Sie werden nach dem Wettbewerbsprinzip oder gemäss länderspezifischer Praxis in nationale und internationale Rüstungsprojekte einbezogen und können sich nur durch Erhalt der Technologieführerschaft unter wirtschaftlichen Bedingungen und nur durch überzeugende Produkte auf dem Markt behaupten. Sie unterliegen dabei den Einschränkungen des Kriegsmaterialgesetzes vom 13. Dezember 19961 und des Güterkontrollgesetzes vom 13. Dezember 19962.

Um unter diesen Voraussetzungen die Versorgung mit Schlüsselkomponenten und Dienstleistungen auch in ausserordentlichen Lagen zu ermöglichen und damit die Versorgungssicherheit der Schweiz zu erhöhen, muss neben der Stärkung eigener nationaler Kompetenzen und Fähigkeiten eine Strategie intensiverer
internationaler Rüstungskooperationen verfolgt werden. Eine etablierte Praxis vertrauensvoller Zusammenarbeit erhöht die Wahrscheinlichkeit, den benötigten Zugang zu erhalten.

Kooperationspotenziale müssen so früh wie möglich im Rüstungsablauf identifiziert werden. Im Vordergrund steht, vermehrt Trends in Wissenschaft, Technologie und Märkten systematisch zu erfassen und zu begleiten. Forschung, Entwicklung und Produktion von Rüstungsmaterial sind hingegen nur begrenzt möglich.

Die vorliegende Rüstungspolitik basiert insbesondere auf dem Bericht des Bundesrates vom 24. August 20163 über die Sicherheitspolitik der Schweiz sowie auf dem Recht der öffentlichen Beschaffungen. Ausgangspunkt sind die Bedürfnisse der Schweizer Armee. Darüber hinaus stellen die Stärkung der STIB sowie der Wettbe-

1 2 3

SR 514.51 SR 946.202 BBl 2016 7763

7255

BBl 2018

werb und die Gleichbehandlung der Anbieter zentrale Prinzipien der Rüstungspolitik dar.

3

Grundzüge der Beschaffung

Gestützt auf das Recht der öffentlichen Beschaffungen richtet sich der Bund bei der Beschaffung und Erstellung von Systemen, Gütern, Bauten und Dienstleistungen grundsätzlich nach dem Wettbewerbs- und Wirtschaftlichkeitsprinzip.

In einer hochspezialisierten Branche, die stark von der staatlichen Nachfrage abhängt, ist der Wettbewerb unter den Anbietern ein wichtiger Faktor für Innovation und das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Das VBS ist deshalb an einem funktionierenden Markt mit mehreren Anbietern interessiert. Um vom Wettbewerb unter den Anbietern zu profitieren, können Aufträge im Einladungsverfahren vergeben oder öffentlich ausgeschrieben werden. Soweit möglich, sind Wettbewerbssituationen zu schaffen. Dies ist namentlich dann nicht möglich, wenn Monopolsituationen bestehen oder bloss eine einzige gültige Offerte eingereicht wird. Dann wird mit gesetzlich vorgesehenem Recht auf Einsicht in die Kalkulationsgrundlagen Transparenz über die Preisgestaltung geschaffen. Die Wahl des Beschaffungsverfahrens richtet sich nach dem Beschaffungsgegenstand und den rechtlichen Bestimmungen über öffentliche Beschaffungen.

Die Beschaffung von Rüstungsgütern unterscheidet sich von jener rein ziviler Güter und Dienstleistungen. Zur Wahrung der Sicherheitsinteressen der Staaten sind Beschaffungen von Waffen, Munition und sonstigem Kriegsmaterial sowie von Dienst- und Bauleistungen, die für die Verteidigung und Sicherheit nötig sind, von den internationalen WTO-Verpflichtungen (Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen, GPA4) ausgenommen. Beschaffungen zivilen Materials für militärische Beschaffer sind von den WTO-Verpflichtungen dann ausgenommen, wenn sie nicht in der GPA-Positivliste aufgeführt oder explizit als Ausnahme erwähnt sind5. Für die Schweiz wird dies im Bundesgesetz vom 16. Dezember 19946 und in der Verordnung vom 11. Dezember 19957 über das öffentliche Beschaffungswesen geregelt.

Dieser Handlungsspielraum in der Anwendung des Gesetzes soll genutzt werden, und Abweichungen vom Wettbewerbs- und Wirtschaftlichkeitsprinzip sind im Einzelfall zu begründen. Dabei stehen die Beschaffung sicherheitsrelevanter Güter und Dienstleistungen und die Erhaltung sicherheitsrelevanter Schwerpunkttechnologien sowie industrieller Kernfähigkeiten und Kapazitäten in der Schweiz im Vordergrund. Die Fähigkeit zur Integration der zu beschaffenden Güter und Dienstleistungen in bestehende Systeme und die Unterscheidung zwischen Initial- und

4 5 6 7

Übereinkommen vom 15. April 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen, SR 0.632.231.422 Anhang 1 der Verordnung vom 11. Dez. 1995 über das öffentliche Beschaffungswesen des Bundes, SR 172.056.11 SR 172.056.1 SR 172.056.11

7256

BBl 2018

Folgebeschaffung sind weitere Aspekte, die Wettbewerbseinschränkungen ermöglichen.

Die steigenden Beschaffungs- und Betriebskosten moderner Waffensysteme führen zunehmend zur Wahl, ob wenige, multifunktionale, komplexe und damit in der Regel teure Systeme, oder aber ob einfachere und tendenziell kostengünstigere Systeme, deren Einsatzspektrum begrenzter ist, in grösserer Stückzahl beschafft werden sollen. Die verteidigungspolitischen Anforderungen, ein differenziertes technologisches Ambitionsniveau und eine auf längere Sicht ausgelegte Finanzierbarkeit müssen ein Gleichgewicht bilden.

Die Bedürfnisse der Armee und weiterer Institutionen staatlicher Sicherheit sind frühzeitig sowie möglichst präzis zu identifizieren und zu planen. Dabei ist der Gegenstand der Beschaffung stets umfassend über die gesamte Nutzungsdauer zu beurteilen.

Zur Kostenreduktion sind nach Möglichkeit internationale Standards anzuwenden und handelsübliches sowie interoperables Material zu beschaffen. Letzteres verbessert und erleichtert der Armee die Zusammenarbeit mit anderen Streitkräften, zum Beispiel bei gemeinsamen Übungen mit der Luftwaffe anderer Länder oder bei Einsätzen in der Friedensförderung. Das Einkaufspotenzial kann durch den Aufbau langfristiger und verlässlicher Partnerschaften sowie durch Bündelung der Menge weiter optimiert werden.

Im Weiteren gilt es sowohl die völkerrechtliche Konformität der zu beschaffenden Güter sicherzustellen als auch die Entwicklungen der Schweizerischen Nonproliferations-, Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik zu beachten.

4

Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft

Das VBS pflegt eine vielfältige und intensive Zusammenarbeit mit privaten Leistungserbringern aus dem In- und Ausland. Diesen kommt im Rüstungsbereich eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Forschung, die Entwicklung, die Beschaffung, den Betrieb und die Instandhaltung von Gütern und Dienstleistungen zu. Zweck dieser Zusammenarbeit ist die Sicherstellung der Versorgung der Armee mit Gütern und Dienstleistungen sowie eine hohe Wirtschaftlichkeit über die gesamte Nutzungsdauer.

Während der Planungs-, Beschaffungs-, Nutzungs- und Ausserdienststellungsphase achtet das VBS auf langfristig ausgerichtete und nachhaltige Geschäftsbeziehungen zur Industrie. Bereits in der Planungsphase wird für die Zusammenarbeit mit externen Industriedienstleistern ein Geschäftsmodell mit klarer Zuteilung der Aufgaben, Zuständigkeiten, Abläufe und Verantwortlichkeiten definiert. Bei Beschaffungsprogrammen und -projekten verbleibt die Steuerung beim Bund; er ist für die Projektleitung, die Fähigkeit zur Beurteilung von Risiken (Kosten, Zeit, Qualität), den rechtskonformen Umgang und die Verhandlungsergebnisse (Verträge) mit der Industrie verantwortlich.

Die Industrie hat ausserhalb vertraglicher Vereinbarungen gegenüber dem Bund keine weiteren Verpflichtungen zur Erbringung sicherheitsrelevanter Leistungen.

7257

BBl 2018

Deshalb sind die Beziehungen zu industriellen Schlüsselpartnern im Inland hinsichtlich der Versorgungssicherheit in besonderem Sinne auszugestalten. Der Bund sichert sich bei Bedarf die Rechte an der Nutzung des geistigen Eigentums und an den Infrastrukturen. Dabei gilt es zu beachten, dass der Wettbewerb grundsätzlich nicht behindert oder umgangen werden darf. Strategische Partnerschaften sind insbesondere dann zu prüfen und anzustreben, wenn es sich bei den Beschaffungen um Systeme mit sehr langen Lebenszyklen handelt.

Die bundeseigene RUAG ist der wichtigste Industriepartner der Schweizer Armee.

Zweck der RUAG ist es, die Ausrüstung der Armee sicherzustellen. Die RUAG befindet sich jedoch seit ihrer Gründung in einem Spannungsfeld: Einerseits ist sie ein auf dem internationalen Märkt tätiges Unternehmen, das in Konkurrenz zur inländischen und ausländischen Industrie steht. Andererseits stellt sie als Materialkompetenzzentrum den Betrieb der von der Armee bezeichneten Systeme sicher und verfügt damit gegenüber dem VBS über eine Sonderstellung.

Nach der Entflechtung der RUAG Holding AG sollen die fast ausschliesslich für die Schweizer Armee tätigen Geschäftseinheiten von der übrigen RUAG getrennt und in einer eigenen Konzerngesellschaft zusammengefasst werden. Diese erbringt in der Regel nur Leistungen zugunsten der Systeme der Schweizer Armee und wird grundsätzlich bei der Beschaffung von komplexen und sicherheitsrelevanten Systemen als Materialkompetenzzentrum bestimmt. Sie erbringt damit robust, transparent und kostenoptimiert Leistungen für die Armee. Die übrigen Geschäftseinheiten sollen in einer zweiten Konzerngesellschaft zusammengeführt werden, die ihre Leistungen für zivile und militärische Kunden im In- und Ausland im Wettbewerb erbringt.8

5

Sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis (STIB) der Schweiz

Eine leistungsfähige technologische und industrielle Basis ist in vielen Staaten eine Komponente der Rüstungspolitik und somit auch der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Gerade die Schweiz muss diesen Aspekt berücksichtigen, weil sie als neutraler Staat, der keiner Verteidigungsallianz angehört, keinen Anspruch auf militärische Unterstützung durch andere Staaten hat. Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die in der Schweiz über Kompetenzen, Fähigkeiten und Kapazitäten im sicherheits- und wehrtechnischen Bereich verfügen, bilden die STIB.

Die Mehrzahl der Rüstungsgüter und Dienstleistungen für die Schweizer Armee wird über in der Schweiz ansässige Vertretungen grosser internationaler Unternehmungen beschafft. Daher sind weder der Zugriff auf die in diesen Systemen eingesetzten Technologien noch die für deren Integration, Betrieb und Instandhaltung erforderlichen industriellen Kernfähigkeiten und Kapazitäten in der Schweiz langfristig oder in allen Lagen sichergestellt.

Völlige Unabhängigkeit vom Ausland ist für die Schweiz kein realistisches Ziel.

Daher gilt es, sich auf die Beherrschung ausgewählter Technologien zu konzentrie8

Beschlüsse des Bundesrates vom 21. März 2018 und vom 27. Juni 2018 über die Entflechtung der RUAG Holding AG

7258

BBl 2018

ren, die für die nationale Sicherheit zentral sind. Diese sogenannten sicherheitsrelevanten Schwerpunkttechnologien werden periodisch erhoben und beurteilt und sollen in der Schweiz durch eine Steuerung des Bundes punktuell erhalten und gestärkt werden, damit die Abhängigkeit minimiert werden kann. Sie umfassen aktuell Informations-, Kommunikations- und Sensortechnologien. Ebenso müssen in der Schweiz zur Unterstützung einer einsatzfähigen Armee industrielle Kernfähigkeiten und Kapazitäten vorhanden sein. Die STIB soll wesentliche Leistungen für den zuverlässigen Betrieb und für die Durchhaltefähigkeit der Einsatzsysteme der Armee erbringen können.

Die Rahmenbedingungen auf dem globalen Rüstungsmarkt und die beschränkten eigenen Ressourcen setzen der Steuerung durch den Bund aber enge Grenzen. Die Förderung der heimischen STIB und speziell der sicherheitsrelevanten Schwerpunkttechnologien soll grundsätzlich mit marktverträglichen Massnahmen, insbesondere der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Forschungseinrichtungen und Unternehmen, erreicht werden. Aktuell stehen dem Bund nachfolgende Steuerungsinstrumente zur Verfügung: ­

Beschaffung im Inland: Das Recht der öffentlichen Beschaffungen sieht für Rüstungsbeschaffungen Vergabeverfahren vor, welche die Beschaffung im Inland als Instrument zur Förderung der nationalen STIB erlauben.

­

Offset-Geschäfte: Offset-Geschäfte ermöglichen trotz Auslandbeschaffungen den Zugang zu relevantem Knowhow und zu Märkten für Schweizer Unternehmen. Zudem können die sicherheitsrelevanten Schwerpunkttechnologien in Offset-Vereinbarungen privilegiert werden.

­

Internationale Kooperation: Durch Kooperationsverträge mit ausgewählten Partnern können die Beteiligung von Schweizer Unternehmen an internationalen Forschungsprojekten und Beschaffungen sowie der Zugang zu Technologien und Märkten im Ausland ermöglicht werden.

­

Anwendungsorientierte Forschung: Mit anwendungsorientierter Forschung können die wissenschaftlich-technischen Kompetenzen weiter aufgebaut werden, die zur Unterstützung des gesamten Rüstungsablaufs erforderlich sind. Dazu vergibt das VBS Forschungsaufträge und nutzt die Netzwerke zu Universitäten, Hochschulen, Instituten, der Industrie und der Verwaltung im In- und Ausland.

­

Innovationsförderung: Die verstärkte Zusammenarbeit des VBS mit den mit Innovationsförderung und -politik betrauten Bundesstellen (Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation [SBFI], Innosuisse, Schweizerischer Wissenschaftsrat [SWR, Staatsekretariat für Wirtschaft [SECO] und andere) soll Anreize zur Stärkung der STIB schaffen.

­

Informationsaustausch mit der Industrie: Das VBS pflegt einen regelmässigen Austausch mit der Industrie. Dadurch kann sich die STIB am Armeebedarf ausrichten.

­

Exportkontrollpolitik: Eine leistungsfähige STIB erfordert wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen, die es den Unternehmen ermöglichen, auch international konkurrenzfähige Produkte und Dienstleistungen anzubieten.

7259

BBl 2018

Der Bund setzt mit seiner Gesetzgebung und Bewilligungspraxis im Bereich der Exporte von Kriegsmaterial sowie Dual-Use-Gütern und besonderen militärischen Gütern unter Einhaltung völkerrechtlicher Vorgaben und in Einklang mit seinen aussen- und neutralitätspolitischen Prioritäten die diesbezüglichen Rahmenbedingungen.

6

Internationale Kooperationen

Die zunehmende Konsolidierung der Rüstungsindustrie, die beschränkten sicherheitstechnologischen Fähigkeiten sowie die begrenzten Ressourcen machen es vermehrt notwendig, die Zusammenarbeit mit anderen Staaten zu intensivieren und Kooperationen im Rahmen internationaler Organisationen zu suchen. Diese Kooperationsmöglichkeiten sind vielfältig und erstrecken sich beispielsweise auf Informationsaustausch, Forschung und Entwicklung, Materialkauf, Logistik, Unterstützung bei Tests und Evaluationen oder Aushandlung vertraglicher Vereinbarungen mit externen Industriedienstleistern. Basis für die Zusammenarbeit sind die Bedürfnisse der Armee und der Beschaffungsstelle. In der Militärdoktrin identifiziert die Armee ihre Fähigkeitslücken sowie Technologiebedürfnisse und definiert in der Planungsphase zusammen mit der Beschaffungsstelle ihre Beschaffungsbedürfnisse. Eine gleichzeitige Berücksichtigung von Kooperationsmöglichkeiten erleichtert die zeitgerechte Klärung des Potenzials internationaler Zusammenarbeit.

Erfolgreiche Kooperation setzt stabile Beziehungen voraus. Solche sollen vor allem mit den Nachbarstaaten, weiteren Staaten und Organisationen im europäischen Raum sowie globalen Technologieführern gepflegt werden. Da Potenzial und Erfolg von Kooperationen auch von sich verändernden Rahmenbedingungen für die Rüstungsbeschaffung in Partnerstaaten und -organisationen abhängen, sind die Entwicklungen im internationalen Umfeld zu verfolgen.

Die Schweiz bringt sich für projektbezogene internationale Kooperationen bei den Plattformen der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA) und der NATO, soweit ihr solche auch als Nicht-Mitglied zur Verfügung stehen, ein und nutzt diese. Nutzergemeinschaften fördern die gemeinsame Realisierung von Programmen zur Werterhaltung oder Wertsteigerung militärischer Systeme. Die Fähigkeit der Schweizer Armee zu einem weitgehend autonomen Einsatz muss dabei gewahrt bleiben. Rüstungskooperationen werden in der Planungsphase standardmässig sicherheits- und rüstungspolitisch überprüft.

In der internationalen Zusammenarbeit sind die völker- und neutralitätsrechtlichen Vorgaben, die aussen- und sicherheitspolitischen Interessen sowie neutralitätspolitische Erwägungen zu berücksichtigen. Dazu pflegt die Beschaffungsstelle eine institutionalisierte Zusammenarbeit mit den zuständigen
Instanzen innerhalb des VBS, aber auch der Aussen- und Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz.

Ist die aussenpolitische Verträglichkeit eines bestimmten Projekts fraglich, so überprüft das VBS seine Einschätzung mit den zuständigen Stellen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten und des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Bei erheblichen aussenpolitischen Implikationen konsultiert die Beschaffungsstelle die betreffenden Staatsekretariate.

7260

BBl 2018

7

Offset

Das GPA erlaubt Offset-Geschäfte nur bei Kriegsmaterialbeschaffungen. OffsetGeschäfte ermöglichen der nationalen Rüstungsindustrie den Eintritt in die oft regulierten internationalen Rüstungsmärkte. Die Schweiz macht von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch.

Wird Kriegsmaterial im Ausland beschafft, so wird bei grösseren Geschäften beim ausländischen Lieferanten eine Kompensation von in der Regel 100 Prozent des Kaufpreises in der Schweiz verlangt. Dabei werden zwei Arten von OffsetGeschäften unterschieden: Bei direkten Geschäften fliessen die von Schweizer Unternehmen erbrachten Leistungen in das zu beschaffende Rüstungsgut ein. Bei indirekten Geschäften erhalten Schweizer Unternehmen Aufträge, die nicht direkt mit dem zu beschaffenden Rüstungsgut in Verbindung stehen.

Offset-Geschäfte sollen die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Industrie, insbesondere der STIB-Unternehmen, stärken. Sie können den Zugang zu Spitzentechnologien öffnen, den Erwerb von Knowhow ermöglichen, weiteres Exportvolumen generieren und die Stellung der Schweizer Industrie auf den internationalen Märkten stärken. Ferner wird angestrebt, sicherheitsrelevante Fähigkeitslücken bei der Schweizer Industrie zu verringern oder zu schliessen. Es ist möglich, Vorgaben für eine Verteilung in die Sprachregionen zu erlassen.

Erfolgreiche Offset-Geschäfte erfordern eine frühzeitige Information der Industrie sowie eine enge Zusammenarbeit mit den Branchenorganisationen und Interessengruppen. Voraussetzungen sind auch, dass die involvierte Industrie wettbewerbsfähig ist und eine substanzielle Wertschöpfung in der Schweiz stattfindet. Mit OffsetGeschäften darf keine Strukturerhaltungspolitik betrieben werden.

Bei den Offset-Geschäften werden nicht nur Anbieter im Rüstungsbereich berücksichtigt, sondern auch Anbieter von zivilen Investitionsgütern und industrielle Dienstleistungen. Allerdings sollen die Unternehmen der STIB der Schweiz im Vordergrund stehen. Der anzurechnende Wert eines Offset-Geschäfts kann aufgrund der Art des zu beschaffenden Systems sowie der Kompensationsleistung differenziert werden. Eine Bedingung ist aber, dass es sich jeweils um zusätzliche Geschäfte handelt. Aus Effizienzgründen werden neben den Beschaffungswerten auch Auftragsschwellenwerte definiert.

Bei Offset-Geschäften entstehen Transaktionskosten (Aufwände
der Offset-Verpflichteten und des Schweizer Controllings). Diesen Kosten gegenüber steht ein Rückfluss von im Ausland ausgegebenen Geldern in die Schweiz mit entsprechendem volkswirtschaftlichem Nutzen. Bei Überregulierung der jeweiligen Auflagen (z. B. hohe Quoten für bestimmte Industriebranchen oder zwingende regionale Verteilungen) könnte der Erhalt von Strukturen ungeachtet ihrer Wettbewerbsfähigkeit gefördert werden. Dies liefe dem Grundgedanken der Schweizer Offsets aber zuwider. Bei intransparenter Handhabung von Kompensationsgeschäften drohen Überpreisung oder Korruption. Zur Förderung der Transparenz sollen deshalb Steuerungs- und Controlling-Instrumente, wie zum Beispiel öffentlich einsehbare Register, zur Anwendung kommen. Das VBS prüft im Rahmen der Erarbeitung der recht-

7261

BBl 2018

lichen Grundlagen für das Offset-Register, wie und in welchem Umfang die grösstmögliche Transparenz hergestellt werden kann.

8

Kommunikation

Die vorliegende Rüstungspolitik wird durch eine offene, frühzeitige und regelmässige Kommunikation begleitet. Dabei ist eine enge Zusammenarbeit zwischen politischen Instanzen, den Branchenorganisationen, den Interessengruppen, der Industrie und der Verwaltung zu pflegen.

Zu berücksichtigen ist, dass sich die Rüstungsbeschaffung in einem Spannungsfeld zwischen der Wahrung sicherheitsrelevanter Interessen des VBS einerseits und dem legitimen Anspruch von Politik und Öffentlichkeit auf Transparenz andererseits befindet. Die Kommunikation soll insbesondere über den aktuellen Stand der Planung, Steuerung und Überwachung von Beschaffungsvorhaben und Kooperationsprojekten einschliesslich der Möglichkeiten der direkten und indirekten OffsetGeschäfte Aufschluss geben.

9

Umsetzung

Die Umsetzung der Rüstungspolitik ist Sache des VBS. Dieses sorgt für die Integration in seine intern geltenden Regelungen, den Erlass der notwendigen Ausführungsvorschriften sowie die Koordination nach innen und aussen.

10

Schlussbestimmungen

Die vorliegenden Grundsätze des Bundesrates für die Rüstungspolitik des VBS treten am 1. Januar 2019 in Kraft. Sie ersetzen die Grundsätze vom 30. Juni 20109.

9

BBl 2010 5027, 2013 8913

7262