18.043 Botschaft zur Harmonisierung der Strafrahmen und zur Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht vom 25. April 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung: ­

den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Harmonisierung der Strafrahmen;

­

den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2007

M

06.3554

Ausdehnung der Motion Schweiger auf die Gewaltdarstellungen (N 20.12.06, Hochreutener; S 11.12.07)

2009

P

09.3366

Überprüfung der Gerichtspraxis bezüglich Ausschöpfung der Strafrahmen (N 3.6.09, Jositsch)

2010

M

08.3131

Verschärfung des Strafrahmens bei vorsätzlicher Körperverletzung (N 3.6.09, Joder; S 23.9.10; N 8.12.10)

2014

M

10.3634

Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA (S 23.9.10, Geschäftsprüfungskommission SR; N 2.3.11; S 19.3.14)

2017

M

17.3265

Harmonisierung der Strafrahmen (N 31.5.17, Kommission für Rechtsfragen NR; S 11.9.17)

2017-2754

2827

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

25. April 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2828

Übersicht Die Vorlage umfasst zwei Gesetzesentwürfe: Der erste Entwurf schlägt zum Zweck der Harmonisierung verschiedene Änderungen der Strafrahmen vor. Diese werden dabei nicht völlig neu gefasst. Der Gesetzgeber soll mit dem Strafgesetzbuch ein differenziertes Instrumentarium zur Sanktionierung von Straftaten zur Verfügung stellen und dem richterlichen Ermessen den nötigen Spielraum belassen.

Zudem werden aus politischen oder rechtstechnischen Gründen Änderungen vorgenommen. Der zweite Entwurf sieht die Anpassung von Bestimmungen des Nebenstrafrechts an das neue Sanktionenrecht des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs vor.

Ausgangslage Das Strafgesetzbuch (StGB) gilt seit dem 1. Januar 1942. In den ersten 36 Jahren seit dem Inkrafttreten wurde sein Besonderer Teil lediglich 3 Mal revidiert, während er in den anschliessenden 40 Jahren 71 Mal abgeändert wurde. Die Gründe für die Änderungen waren mannigfaltig: Anlässlich der ersten Revision wurden diverse während des Zweiten Weltkriegs erlassene Bundesratsbeschlüsse oder kantonale Bestimmungen ins Strafgesetzbuch überführt. Die späteren Revisionen wurden durch geänderte Wert- und Moralvorstellungen der Gesellschaft (z. B. Sexualstrafrecht, Schwangerschaftsabbruch), technische Entwicklungen (z. B. strafbare Handlungen im Geheim- oder Privatbereich, Computerstrafrecht, Medienstrafrecht), Lückenfüllung (z. B. Delikte gegen Leib und Leben, Vermögensstrafrecht, Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus), internationale Vereinbarungen (z. B. Korruption, Geldwäscherei, Rassendiskriminierung, Unternehmensstrafrecht), sprachliche Anpassungen oder die umfassende Revision des Allgemeinen Teils ausgelöst.

Das Strafrecht ist nur glaubwürdig, wenn es konsequent und rechtsgleich durchgesetzt wird. Wenn die angedrohten Strafen jedoch dem Wert des jeweils geschützten Rechtsgutes in der Gesellschaft nicht entsprechen und schliesslich auch in keiner Relation mehr zu den tatsächlich verhängten Strafen stehen, verliert das Strafrecht insgesamt an Glaubwürdigkeit und somit auch an präventiver Wirkungskraft.

In den letzten Jahren wurden zudem zahlreiche parlamentarische Vorstösse eingereicht, die punktuelle Korrekturen der Strafrahmen fordern, die mit dieser Vorlage ebenfalls umgesetzt werden. Mit dieser Vorlage sollen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung
die notwendigen Korrekturen vorgenommen und damit ein Beitrag zur Stärkung des Strafrechts beziehungsweise zur Prävention von Kriminalität geleistet werden. Das bedeutet nicht, dass die Strafrahmen generell erhöht werden; vielmehr soll diese Vorlage zu jeweils angemessenen Strafrahmen führen.

Im zweiten Entwurf werden bei der Anpassung des Nebenstrafrechts die Strafrahmen in der Regel nicht verändert. Es geht vielmehr darum, die Strafdrohungen, die auf einem alten Sanktionensystem basieren, zu aktualisieren und damit die Transparenz zu verbessern.

2829

Inhalt der Vorlagen Vorlage 1: Harmonisierung der Strafrahmen Mit diesem Entwurf sollen der Besondere Teil des StGB und insbesondere die Strafrahmen nicht völlig neu geschaffen werden. Das geltende Strafrecht stellt ein differenziertes Instrumentarium zur Sanktionierung von Straftaten zur Verfügung und belässt dem richterlichen Ermessen dabei den nötigen Spielraum. Es ist an den Gerichten, diesen Spielraum zu nutzen und dem Verschulden angemessene Strafen auszusprechen.

Folgende wesentlichen Änderungen sind zu erwähnen: ­

Die Mindeststrafe für gewerbsmässig begangene Vermögensdelikte wird vereinheitlicht, und zwar auf sechs Monate Freiheitsstrafe.

­

Die Mindeststrafe wird bei der schweren Körperverletzung von sechs Monaten auf ein Jahr Freiheitsstrafe angehoben, bei der Vergewaltigung von einem Jahr auf zwei Jahre Freiheitsstrafe. Der Tatbestand der Vergewaltigung wird überdies in zweifacher Hinsicht ausgedehnt: Einerseits wird der Tatbestand geschlechtsneutral gefasst, und andererseits werden neu auch die beischlafsähnlichen Handlungen erfasst.

­

Bei sexuellen Handlungen mit Kindern unter 12 Jahren wird eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe eingeführt. Für leichtere Fälle wird im Gegenzug ein tieferer Strafrahmen vorgesehen (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr), damit dem Unrechtsgehalt der begangenen Taten Rechnung getragen werden kann.

­

Auf die Androhung einer Geldstrafe als Sanktion wird bei den Sexualdelikten verzichtet, mit Ausnahme der Pornografie und des Exhibitionismus.

­

Bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte wird für Gruppen von Randalierern und Chaoten, die Gewalt an Personen und Sachen verüben, die Mindeststrafe von 30 auf 120 Tagessätze Geldstrafe angehoben.

Mit dem Gesetzesentwurf schlägt der Bundesrat eine Teilrevision des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes sowie Änderungen im Nebenstrafrecht vor, soweit die Nebenstrafrechtserlasse Verbrechen enthalten.

Vorlage 2: Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht Von der Revision 2002 des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs sind auch die Strafbestimmungen in anderen Bundesgesetzen betroffen. Ein grosser Teil dieser Strafbestimmungen wurde in der Zwischenzeit bei Revisionen der jeweiligen Gesetze an das neue Sanktionensystem angepasst. Im Entwurf zur Anpassung des Nebenstrafrechts sollen nun auch die noch verbleibenden Strafbestimmungen aktualisiert werden. Der Entwurf berücksichtigt zudem die Änderung des Sanktionenrechts, die am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht 1

2

Grundzüge des Entwurfs des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der Strafrahmen (Vorlage 1) 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs 1.1.2 Strafrecht als Ultima Ratio 1.1.3 Änderung des Sanktionenrechts vom 19. Juni 2015 1.1.4 Prävention und Repression: Abgeschlossene und laufende Gesetzgebungsprojekte 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.2.1 Allgemeine Bemerkungen zum Vorgehen 1.2.2 Schwerpunkte der Revision 1.2.3 Revision des Militärstrafgesetzes 1.2.4 Harmonisierung der Strafrahmen in Bundesgesetzen mit Verbrechenstatbeständen 1.2.5 Sprachliche Änderungen und Änderung des Ingresses 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.1 Vernehmlassungsergebnis 1.3.2 Regelungsverzichte 1.4 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.5 Erledigung parlamentarischer Vorstösse Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Vorlage 1 2.1 Schweizerisches Strafgesetzbuch: Allgemeine Bestimmungen 2.2 Schweizerisches Strafgesetzbuch: Besondere Bestimmungen 2.2.1 Erster Titel: Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben 2.2.2 Zweiter Titel: Strafbare Handlungen gegen das Vermögen 2.2.3 Dritter Titel: Strafbare Handlungen gegen die Ehre und den Geheim- oder Privatbereich 2.2.4 Fünfter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen die sexuelle Integrität 2.2.5 Sechster Titel: Verbrechen und Vergehen gegen die Familie 2.2.6 Siebenter Titel: Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen 2.2.7 Achter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit 2.2.8 Neunter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr 2.2.9 Zehnter Titel: Fälschung von Geld, amtlichen Wertzeichen, amtlichen Zeichen, Mass und Gewicht

2829 2835 2835 2835 2836 2837 2838 2842 2842 2843 2844 2844 2845 2846 2846 2847 2856 2856 2857 2857 2858 2858 2861 2868 2869 2878 2878 2879 2880 2882

2831

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2.3

2.4

2832

2.2.10 Elfter Titel: Urkundenfälschung 2.2.11 Zwölfter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Frieden 2.2.12 Zwölfter Titelbis: Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit 2.2.13 Zwölfter Titelter: Kriegsverbrechen 2.2.14 Dreizehnter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung 2.2.15 Fünfzehnter Titel: Strafbare Handlungen gegen die öffentliche Gewalt 2.2.16 Siebzehnter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen die Rechtspflege 2.2.17 Achtzehnter Titel: Strafbare Handlungen gegen die Amtsund Berufspflicht 2.2.18 Zwanzigster Titel: Übertretungen bundesrechtlicher Bestimmungen Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 2.3.1 Übereinstimmung zwischen Militärstrafgesetz und Strafgesetzbuch 2.3.2 Erläuterungen zu militärspezifischen Normen Bundesgesetze im Bereich des Nebenstrafrechts mit Verbrechenstatbeständen 2.4.1 Ausländergesetz vom 16. Dezember 2005 2.4.2 Strafprozessordnung 2.4.3 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht 2.4.4 Militärstrafprozess vom 23. März 1979 2.4.5 Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 1996 2.4.6 Waffengesetz vom 20. Juni 1997 2.4.7 Landesversorgungsgesetz vom 17. Juni 2016 2.4.8 Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 2.4.9 Rohrleitungsgesetz vom 4. Oktober 1963 2.4.10 Seeschifffahrtsgesetz vom 23. September 1953 2.4.11 Luftfahrtgesetz vom 21. Dezember 1948 2.4.12 Stammzellenforschungsgesetz vom 19. Dezember 2003 2.4.13 Betäubungsmittelgesetz vom 3. Oktober 1951 2.4.14 Chemikaliengesetz vom 15. Dezember 2000 2.4.15 Strahlenschutzgesetz vom 22. März 1991 2.4.16 Spielbankengesetz vom 18. Dezember 1998 2.4.17 Güterkontrollgesetz vom 13. Dezember 1996 2.4.18 Embargogesetz vom 22. März 2002

2882 2883 2883 2884 2884 2886 2888 2895 2897 2899 2899 2900 2903 2903 2903 2904 2909 2909 2910 2910 2911 2913 2914 2919 2919 2920 2920 2921 2922 2923 2925

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3

4

Grundzüge des Entwurfs des Bundesgesetzes über die Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht (Vorlage 2) 3.1 Ausgangslage 3.1.1 Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs 3.1.2 Änderung des Sanktionenrechts 3.1.3 Entwurf zur Harmonisierung der Strafrahmen 3.2 Die beantragten Anpassungen 3.2.1 Allgemeines 3.2.2 Die Strafdrohungen bei Übertretungen 3.2.3 Die Abstufung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit 3.2.4 Die Verpflichtung, die Freiheitsstrafe mit einer Geldstrafe zu verbinden 3.2.5 Die Rechtsfolge in «leichten Fällen» 3.2.6 Die Nebenstrafen 3.3 Nicht vorgenommene Anpassungen 3.3.1 Die ausdrückliche Regelung der fahrlässigen Begehung 3.3.2 Die Verjährung 3.3.3 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens 3.3.4 Bundesgesetz und Verordnung über die Leistungen des Bundes im Straf- und Massnahmenvollzug 3.4 Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 3.5 Verzicht auf eine Vernehmlassung Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Vorlage 2 4.1 Strafbehördenorganisationsgesetz vom 19. März 2010 4.2 Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland 4.3 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess 4.4 Strafgesetzbuch 4.5 Bundesstatistikgesetz vom 9. Oktober 1992 4.6 Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 2003 4.7 Automobilsteuergesetz vom 21. Juni 1996 4.8 Mineralölsteuergesetz vom 21. Juni 1996 4.9 Bundesgesetz vom 28. September 1923 über das Schiffsregister 4.10 Heimarbeitsgesetz vom 20. März 1981 4.11 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge 4.12 Jagdgesetz vom 20. Juni 1986 4.13 Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über die Fischerei 4.14 Bundesgesetz vom 8. Juni 1923 betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten

2926 2926 2926 2927 2927 2928 2928 2929 2930 2931 2931 2931 2933 2933 2934 2934 2935 2936 2936 2937 2937 2937 2938 2938 2939 2940 2940 2941 2941 2942 2942 2944 2945 2945

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4.15 Edelmetallkontrollgesetz vom 20. Juni 1933 4.16 Sprengstoffgesetz vom 25. März 1977 4.17 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen

2946 2947

5

Auswirkungen 5.1 Auswirkungen auf den Bund 5.1.1 Finanzielle Auswirkungen 5.1.2 Personelle Auswirkungen 5.1.3 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

2949 2949 2949 2949

6

Verhältnis zur Legislaturplanung

2950

7

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

2950 2950 2950 2952 2952

2948

2949

Literaturverzeichnis

2953

Verzeichnis verwendeter Materialien

2956

Vorlage 1: Bundesgesetz über die Harmonisierung der Strafrahmen (Entwurf)

2959

Vorlage 2: Bundesgesetz über die Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht (Entwurf)

3009

2834

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Botschaft 1

Grundzüge des Entwurfs des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der Strafrahmen (Vorlage 1)

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs

Das Strafgesetzbuch1 (StGB) gilt seit dem 1. Januar 1942. In den ersten 36 Jahren nach dem Inkrafttreten wurde der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs lediglich 3 Mal revidiert, während er in den anschliessenden 40 Jahren 71 Mal abgeändert wurde. Die Gründe für die Änderungen waren mannigfaltig: Anlässlich der ersten Revision wurden diverse während des Zweiten Weltkriegs erlassene Bundesratsbeschlüsse oder kantonale Bestimmungen ins Strafgesetzbuch überführt. Die späteren Revisionen wurden durch geänderte Wert- und Moralvorstellungen der Gesellschaft (z. B. Sexualstrafrecht, Schwangerschaftsabbruch), technische Entwicklungen (z. B.

strafbare Handlungen im Geheim- oder Privatbereich, Computerstrafrecht, Medienstrafrecht), Lückenfüllung (z. B. Delikte gegen Leib und Leben, Vermögensstrafrecht, Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus), internationale Vereinbarungen (z. B. Korruption, Geldwäscherei, Rassendiskriminierung, Unternehmensstrafrecht), sprachliche Anpassungen oder die umfassende Revision des Allgemeinen Teils des StGB (AT-Revision 2002)2 ausgelöst.

Die Strafbestimmungen des Besonderen Teils des StGB wurden bis heute nie einer Überprüfung mit Blick auf den Rechtsgüterschutz beziehungsweise auf die Gewichtung der geschützten Rechtsgüter unterzogen.

Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für das Strafrecht im Allgemeinen und für Strafen und Strafrahmen im Besonderen ist in den letzten Jahren stark gewachsen. In diesem Zusammenhang wurden zahlreiche parlamentarische Vorstösse3 eingereicht, die punktuelle Korrekturen der Strafrahmen fordern. Hauptsächlich betreffen diese die Delikte gegen Leib und Leben und gegen die sexuelle Integrität.

1 2 3

SR 311.0 AS 2006 3459 Vgl. etwa pa. Iv. Aeschbacher vom 11. Mai 2006 (06.431 «Strafrahmen für fahrlässige Tötung erweitern»); pa. Iv. der Fraktion der Schweizerischen Volkspartei vom 12. Dez.

2006 (06.482 «Strafverschärfung bei Vergewaltigung»); Mo. Joder vom 19. März 2008 (08.3131 «Verschärfung des Strafrahmens bei vorsätzlicher Körperverletzung»); Mo. Fiala vom 2. Okt. 2008 (08.3609 «Erhöhung der Strafandrohung bei Kinderpornografie»); Mo. Rickli vom 30. April 2009 (09.3417 «Erhöhung des Strafmasses bei Vergewaltigungen»); Mo. Rickli vom 30. April 2009 (09.3418 «Höheres Strafmass bei Vergewaltigung von Kindern unter 12 Jahren»), pa. Iv. Heer vom 5. Dez. 2013 (13.470 «Erhöhung des Strafrahmens für Gewaltdelikte»), pa. Iv. Jositsch vom 14. März 2016 (16.408 «Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern unter 16 Jahren»); Mo. Flückiger-Bäni vom 17. Juni 2016 (16.3546 «Schärfere Strafen bei vorsätzlicher Tötung und Verletzungen»); pa. Iv. Rickli vom 28. Nov. 2016 (16.483 «Erhöhung des Strafmasses bei Vergewaltigungen»).

2835

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Schliesslich hat die Revision vom 13. Dezember 2002 des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs (AT-Revision 2002; in Kraft getreten am 1. Jan. 2007) in manchen Strafbestimmungen zu Unstimmigkeiten, zu auf Dauer nicht haltbaren Gleichstellungen verschiedener Unrechtsstufen und zu Versehen geführt, die korrigiert werden müssen.

1.1.2

Strafrecht als Ultima Ratio

Die Aufgabe des Strafrechts liegt darin, den Bürgerinnen und Bürgern ein freies und friedliches Zusammenleben zu sichern, unter Gewährleistung der verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte. Diese Aufgabe kann man zusammenfassend als Rechtsgüterschutz bezeichnen, wobei unter «Rechtsgut» alle Gegebenheiten oder Zwecksetzungen zu verstehen sind, die für die freie Entfaltung des Einzelnen, die Verwirklichung seiner Grundrechte und das Funktionieren eines auf dieser Zielvorstellung aufbauenden staatlichen Systems notwendig sind.4 Mit Rücksicht auf das Verhältnismässigkeitsprinzip sollte der Gesetzgeber das Strafrecht jedoch nur als Ultima Ratio (letztes Mittel) einsetzen. Das heisst, dass er die Verletzung von Rechtsgütern nur dann mit Strafe bedrohen sollte, wenn die Sanktionsmöglichkeiten des Zivil- und Verwaltungsrechts nicht ausreichen, um den Rechtsgüterschutz zu gewährleisten. Deshalb hat das Strafrecht nur fragmentarischen Charakter: Es soll nicht jedes moralisch vorwerfbare Verhalten erfassen, sondern lediglich die von der Rechtsgemeinschaft als besonders sozialschädlich erachteten Verhaltensweisen unter Strafe stellen.

Entsprechend diesem Grundgedanken hat der Bundesrat in der jüngeren Vergangenheit mehrere Präventionsprojekte initiiert und unterstützt: Ein verbesserter Kindesschutz soll durch die Erweiterung von Melderechten und Meldepflichten erreicht werden, im Bereich der häuslichen Gewalt begrüsst der Bundesrat die Bestrebungen der Kantone, die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden im Rahmen eines Bedrohungsmanagements zu institutionalisieren, und im Bereich des Terrorismus wurden zwei Projekte lanciert. Zum einen wurde am 24. November 2017 ein Nationaler Aktionsplan (NAP) zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus verabschiedet. Der Aktionsplan ist Teil der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung, bei der die Prävention von entscheidender Bedeutung ist. Zum anderen hat der Bundesrat am 8. Dezember 2017 eine Vorlage in die Vernehmlassung geschickt, die den NAP dort ergänzt, wo dessen Massnahmen zur Prävention nicht ausreichen, namentlich am Anfang einer Radikalisierung, aber auch nach dem Strafvollzug. Die neuen Massnahmen können dann eingesetzt werden, wenn von einer Person eine gewisse Gefahr ausgeht, die Hinweise aber für die
Eröffnung eines Strafverfahrens nicht ausreichen.5 In der Öffentlichkeit und in der Politik besteht die zunehmende Tendenz, zur Lösung gesellschaftlicher Probleme mehr strafrechtliche Mittel zu fordern (neue Straftatbestände, höhere Strafdrohungen, längere Verjährungsfristen etc.). Das Strafrecht als repressives Instrument ist jedoch kein Allheilmittel und dessen rechtsstaatliche 4 5

Roxin Claus, 2006, § 2 N 7.

Ausführliche Erläuterungen zu diesen Präventionsprojekten siehe Ziff. 1.1.4.

2836

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Durchsetzung aufwendig. Die Hoffnung auf Abhilfe durch das Strafrecht dürfte denn auch häufig einer Enttäuschung weichen. Die Folgerung, dass das Mittel nicht ausreichend und die Dosis zu erhöhen sei, geht aber oftmals fehl: Weil Strafrecht nur einen subsidiären Rechtsgüterschutz gewährleisten soll,6 ist bei gesellschaftlich unerwünschtem Verhalten stets zu fragen, ob eine Korrektur mit anderen, milderen Mitteln (Zivil- oder Verwaltungsrecht) nicht effektiver erreicht werden kann.

Ein umfassender Einsatz des Strafrechts kollidiert mit dem Anliegen eines verhältnismässigen (effektiven) Rechtsgüterschutzes. Wird das Strafrecht als Mittel zur Lösung gesellschaftlicher Probleme vom Gesetzgeber zu beliebig ­ d. h. in Überschätzung dessen, was es wirklich zu leisten vermag ­ eingesetzt, können als unerwünschte Folge unter anderem Strafnormen mit Strafrahmen entstehen, die im Verhältnis sowohl zu vergleichbaren Taten als auch zum vom Täter begangenen Unrecht zu hoch sind. Vielmehr soll die angedrohte Strafe dem Wert des geschützten Rechtsguts (bzw. dem Unwert des sanktionierten Verhaltens) entsprechen. Wo dies nicht der Fall ist, soll das Missverhältnis korrigiert oder zumindest auf ein vertretbares Minimum beschränkt werden.

1.1.3

Änderung des Sanktionenrechts vom 19. Juni 2015

Im Jahr 2010 wurden Vernehmlassungen sowohl zur Änderung des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 19277 (Änderungen des Sanktionenrechts) als auch zum Bundesgesetz über die Harmonisierung der Strafrahmen im Strafgesetzbuch, im Militärstrafgesetz und im Nebenstrafrecht durchgeführt. In der Vernehmlassung zur Harmonisierung der Strafrahmen haben sich zahlreiche Teilnehmende für eine bessere Koordination der beiden Revisionen ausgesprochen.8 Das Parlament hat die Änderungen zum Sanktionenrecht am 19. Juni 2015 verabschiedet (AT-Revision 2015). Sie sind am 1. Januar 2018 in Kraft getreten.9 Kernpunkte des geänderten Sanktionenrechts, die sich auf diese Vorlage auswirken, sind die Folgenden:

6 7 8

9

­

Die Freiheitsstrafe ist wieder ab drei Tagen bis zu 20 Jahren möglich.

­

Die Geldstrafe beträgt höchstens 180 Tagessätze; gesetzliche Ausnahmen bleiben vorbehalten.

­

Das Gesetz schreibt neu einen Mindesttagessatz von 30 Franken vor; ausnahmsweise kann er auf 10 Franken gesenkt werden.

Sog. «materieller Verbrechensbegriff» als Anknüpfungspunkt für kriminalpolitischen Handlungsbedarf; vgl. Roxin Claus, § 2 N 1, 12 ff.

SR 321.0 Die Unterlagen zu diesen Vernehmlassungen sowie die Berichte über deren Ergebnisse sind zu finden unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2010 > EJPD.

AS 2016 1249

2837

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Diese Änderungen wirken sich nicht nur auf die Strafdrohungen des Nebenstrafrechts ­ diejenigen des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes wurden bereits angepasst ­ aus, sondern führen dazu, dass seit dem 1. Januar 2018 vermehrt Freiheitsstrafen ausgesprochen werden: ­

Reduktion der Geldstrafe von 360 auf 180 Tagessätze (Art. 34 Abs. 1), d. h.

im Bereich von sechs bis zwölf Monaten gibt es nur noch Freiheitsstrafen;

­

Ausdehnung der Möglichkeiten zur Verhängung kurzer Freiheitsstrafen (Art. 41 Abs. 1), d. h. im Bereich von drei Tagen bis sechs Monaten kann das Gericht auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten, oder wenn eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.

1.1.4

Prävention und Repression: Abgeschlossene und laufende Gesetzgebungsprojekte

Die Änderung des Sanktionenrechts ist eine von mehreren StGB-Revisionen, die in den letzten Jahren beschlossen wurden. Einzelne Vorlagen werden gegenwärtig noch im Parlament beraten. Dabei geht es nicht nur um Repression, sondern auch um Prävention. Die nachstehende Aufstellung gibt einen (nicht abschliessenden) Überblick:

10

­

Am 1. Juli 2012 trat der Straftatbestand der Verstümmelung weiblicher Genitalien (Art. 124) in Kraft.

­

Gemäss Artikel 101 Absatz 1 Buchstabe e ­ in Kraft seit dem 1. Januar 2013 ­ tritt keine Verjährung ein für sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 Ziff. 1), sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191), sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten (Art. 192 Abs. 1) und Ausnützung der Notlage (Art. 193 Abs. 1), wenn sie an Kindern unter 12 Jahren begangen wurden.

­

Seit dem 1. Juli 2013 wird die Zwangsheirat oder die erzwungene eingetragene Partnerschaft explizit unter Strafe gestellt und gleichzeitig strenger sanktioniert (Art. 181a).

­

Im Rahmen der Umsetzung des Übereinkommens des Europarates vom 25. Oktober 200710 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention) sind unter anderem die Artikel 195 (Förderung der Prostitution) und 197 (Pornografie) verschärft sowie Artikel 196 (Sexuelle Handlungen mit Minderjährigen gegen Entgelt) eingefügt worden. Diese Änderungen sind am 1. Juli 2014 in Kraft getreten.

­

Am 1. Januar 2015 sind die neuen Bestimmungen zum Tätigkeitsverbot sowie zum Kontakt- und Rayonverbot in Kraft getreten, die Minderjährige und andere schutzbedürftige Menschen besser vor einschlägig vorbestraften SR 0.311.40

2838

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Tätern schützen (Art. 67 ff.). Gegenwärtig werden im Parlament die Bestimmungen zur Umsetzung der Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» (Art. 123c der Bundesverfassung11 [BV])12 beraten. Diese sehen eine Verschärfung des geltenden Tätigkeitsverbotes zum Schutz von Minderjährigen und anderen schutzbedürftigen Menschen vor.13

11 12 13 14 15 16

­

Der Bundesrat will mit erweiterten Melderechten und Meldepflichten den Kindesschutz stärken. Er hat dazu am 15. April 2015 die Botschaft für eine entsprechende Änderung des Zivilgesetzbuches verabschiedet.14 Die Ausdehnung der Meldepflicht auf berufliche Fachpersonen soll gewährleisten, dass die Kindesschutzbehörde bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdungen rechtzeitig die nötigen Massnahmen zum Schutz eines gefährdeten Kindes treffen kann. Zweck dieser Meldepflicht ist es sicherzustellen, dass gefährdete oder gar misshandelte Kinder unmittelbaren und wirksamen Schutz erhalten. Überdies sollen Personen, die dem Berufsgeheimnis nach dem StGB unterstehen, berechtigt sein, eine Meldung an die Kindesschutzbehörde zu machen oder der Kindesschutzbehörde bei der Abklärung des Sachverhalts zu helfen. Dies, ohne sich vorgängig von der vorgesetzten Behörde, der Aufsichtsbehörde oder den betroffenen Personen vom Berufsgeheimnis entbinden zu lassen. Wenn sie vom Berufsgeheimnis entbunden wurden, sollen sie zur Mitwirkung bei der Abklärung des Sachverhalts verpflichtet sein.

Das Parlament hat die Vorlage am 15. Dezember 2017 verabschiedet.15

­

Seit dem 1. Juli 2016 wird die Bestechung von Privaten von Amtes wegen verfolgt und auch dann geahndet, wenn sie nicht zu Wettbewerbsverzerrungen in der Wirtschaft führt. Zudem ist das sogenannte Anfüttern strafbar, wenn die Vorteile nicht an den Amtsträger selber, sondern ­ mit dessen Wissen ­ an einen Dritten gehen (Art. 322quinquies ff.).

­

In Umsetzung der «Ausschaffungsinitiative»16 sind am 1. Oktober 2016 die neuen Bestimmungen zur obligatorischen und fakultativen Landesverweisung in Kraft getreten. So müssen Täter, die eine in einem Deliktskatalog aufgeführte Straftat begehen, für 5­15 Jahre obligatorisch des Landes verwiesen werden. Für die übrigen, im Deliktskatalog nicht aufgeführten Verbrechen und Vergehen ist eine fakultative Landesverweisung von 3­15 Jahren vorgesehen (Art. 66a ff.).

­

Im Jahr 2017 wurden drei grosse Vorhaben zur Umsetzung der Strategie zur Terrorismusbekämpfung in die Wege geleitet: ­ Am 22. Juni 2017 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zur Genehmigung und Umsetzung des Übereinkommens des Europarates vom 16. Mai 2005 zur Verhütung des Terrorismus mit dem dazugehörigen Zusatzprotokoll und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums

SR 101 AS 2014 2771 BBl 2016 6115 BBl 2015 3431 BBl 2017 7903 AS 2011 1199

2839

BBl 2018

­

­

17 18 19 20

gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität eröffnet.17 Die Vernehmlassung dauerte bis 13. Oktober 2017. Der Gesetzesentwurf stellt unter anderem das Anwerben, die Ausbildung und das Reisen im Hinblick auf eine terroristische Straftat ­ also die sogenannten Dschihadreisen ­ unter Strafe. Die bisherige befristete Rechtsgrundlage dafür, das Bundesgesetz vom 12. Dezember 201418 über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen wird damit ins ständige Recht überführt. Weiter soll sich die Bestimmung gegen die organisierte Kriminalität (Art. 260ter) auch gegen den Terrorismus richten. Zudem soll die internationale Zusammenarbeit in der Rechtshilfe sowie bei der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung verbessert werden.

Am 24. November 2017 wurde ein Nationaler Aktionsplan (NAP) zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus verabschiedet.19 Der Auftrag für diesen Aktionsplan stammt von der politischen Plattform des Sicherheitsverbunds Schweiz (SVS), in dem die Kantone und der Bund vertreten sind. Der Aktionsplan ist Teil der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung, bei der die Prävention von entscheidender Bedeutung ist. Der Aktionsplan leistet dazu einen wichtigen Beitrag: Er fördert das interdisziplinäre Vorgehen auf allen Ebenen unseres Staates gegen Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus. Er schafft damit die Voraussetzungen dafür, dass Radikalisierung und gewalttätiger Extremismus in all ihren Formen erkannt und bekämpft werden können. Zu diesem Zweck bündelt er namentlich die Anstrengungen, die heute in diesem Bereich schon unternommen werden.

Am 8. Dezember 2017 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus eröffnet.20 Im Wesentlichen beinhaltet die Vorlage präventive Massnahmen, welche die Polizei ausserhalb von Strafverfahren gegen sogenannte Gefährder ergreifen kann. Sie ergänzt den NAP dort, wo dessen Massnahmen zur Prävention nicht ausreichen, namentlich am Anfang einer Radikalisierung, aber auch nach dem Strafvollzug. Das zur Vernehmlassung unterbreitete Massnahmenpaket sieht zahlreiche verwaltungspolizeiliche Massnahmen vor, beispielsweise die Pflicht, sich regelmässig bei einem Polizeiposten oder einer anderen Behörde
zu melden. Weiter vorgesehen sind ein Ausreiseverbot, verbunden mit der Beschlagnahme des Reisepasses oder der Identitätskarte, ein Kontaktverbot, die sogenannte Ein- und Ausgrenzung sowie ein Hausarrest.

Die Unterlagen zur Vernehmlassung sind zu finden unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2017 > EJPD.

SR 122 www.ejpd.admin.ch > Aktuell > News > 2017 > Medienmitteilung vom 4. Dez. 2017 Die Unterlagen zur Vernehmlassung sind zu finden unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Laufende Vernehmlassungen > 2017 > EJPD.

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Zusätzlich soll der Zugang zu chemischen Substanzen erschwert werden, die sehr einfach zu terroristischen Zwecken missbraucht werden und grossen Schaden anrichten können.

21 22 23 24

­

Ziel der drei Vorhaben ist es, dem Terrorismus mit einer breiten Palette von Instrumenten noch entschiedener entgegenzutreten und gleichzeitig die freiheitlichen Prinzipien unserer Gesellschaft zu wahren. Da der Gesetzgebungsprozess zu den beiden erwähnten Vorlagen noch nicht abgeschlossen ist, wird vorliegend auf weitere Ausführungen dazu verzichtet.

­

Der Bundesrat will die Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking besser schützen. Er hat am 11. Oktober 2017 die Botschaft zum Bundesgesetz über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen verabschiedet.21 Die Vorlage sieht Anpassungen des Zivilgesetzbuchs (ZGB)22, der Zivilprozessordnung23, des StGB und des MStG vor. Im Zivilrecht ermöglicht die Vorlage die elektronische Überwachung von Kontakt- und Rayonverboten, die zum Schutz gegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen (Stalking) nach Artikel 28b ZGB angeordnet worden sind. Zudem soll dessen Wirksamkeit erhöht werden, indem gewisse zivilprozessuale Hürden abgebaut werden. Im StGB sollen die Sistierung und die Einstellung von Strafverfahren wegen einfacher Körperverletzung, wiederholter Tätlichkeiten, Drohung oder Nötigung in Paarbeziehungen (Art. 55a) neu geregelt werden.

Ziel ist es, das Opfer zu entlasten und der Behörde mehr Ermessen einzuräumen. So soll beispielsweise der Entscheid über den Fortgang des Strafverfahrens nicht mehr ausschliesslich von der Willensäusserung des Opfers abhängen; die Verantwortung soll vielmehr bei der Behörde liegen, die neben der Erklärung des Opfers auch weitere Umstände berücksichtigen und würdigen muss.

­

Die meisten Kantone verfügen heute über ein Bedrohungsmanagement oder haben zumindest entsprechende Vorarbeiten geleistet, um häusliche Gewalt und andere Gewalttaten zu verhindern. Der Bundesrat begrüsst die Bestrebungen, die Zusammenarbeit zu institutionalisieren, wie er in seinem Bericht «Bedrohungsmanagement, insbesondere bei häuslicher Gewalt» zum Postulat Feri 13.3441 festhält.24 Er empfiehlt den Kantonen, noch stärker zusammenzuarbeiten. Bedrohungsmanagement ermöglicht es, gefährliche Entwicklungen von Personen frühzeitig wahrzunehmen und die Gefahr einer Gewalttat zu beseitigen. Es kann neben häuslicher Gewalt weitere Risikosituationen abdecken, wie etwa Stalking, Drohungen gegen Schulen, die Verwaltung oder andere Institutionen.

BBl 2017 7307 SR 210 SR 272 Abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Curia Vista > Suche > Geschäftsnummer 13.3441 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

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1.2

Die beantragte Neuregelung

1.2.1

Allgemeine Bemerkungen zum Vorgehen

Neben dem Rechtsgüterschutz sind bei der Redaktion des Entwurfs folgende Punkte besonders beachtet worden: ­

Gesetzliche Mindeststrafen sind nach Möglichkeit zu vermeiden, da sie das Ermessen des Gerichts einschränken und zu ungerechten Ergebnissen führen können. Trotzdem kann auf sie in besonderen Konstellationen nicht verzichtet werden: Sie bringen nämlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber eine bestimmte Straftat als erhöht strafwürdig ansieht.

­

Die Mindeststrafe muss in einer vernünftigen Relation zur jeweiligen Höchststrafe stehen.

­

Die Strafdrohungen zu vorsätzlich und zu fahrlässig begangenen Delikten müssen sich wegen des unterschiedlichen Unrechtsgehalts unterscheiden (z. B. Art. 229). Vorsätzliches und fahrlässiges Verhalten können höchstens im Bagatellbereich (Übertretungen mit Busse bis 10 000 Fr.) auf die gleiche Stufe gestellt werden.

­

Bei der AT-Revision 2002 wurden nicht alle Verbrechens- und Vergehensbussen im StGB abgeschafft. In der Regel geht es dabei um leichte oder besonders leichte Fälle einer Straftat. Da es sich um «kann»-Vorschriften handelt, bedeutet dies, dass die Straftat ein Verbrechen bzw. Vergehen bleibt, selbst wenn nur eine Busse ausgesprochen wird.25 Zudem ist zu beachten, dass für Verbrechens- und Vergehensbussen nach Artikel 48 aStGB (in der Fassung vor dem 1. Jan. 2007) der Höchstbetrag 40 000 Franken betrug, der Höchstbetrag nach geltendem Recht dagegen bloss 10 000 Franken beträgt (Art. 106 Abs. 1). Straftaten mit Verbrechens- und Vergehensbussen sollen neu mit Geldstrafe bestraft werden; damit ist zugleich klargestellt, dass ein Vergehen vorliegt (Art. 10 Abs. 3).

Auch gibt es Strafbestimmungen, die überflüssige Präzisierungen enthalten oder sich mit anderen Strafnormen überschneiden. Die Streichung obsoleter oder überflüssiger Strafnormen hat nicht immer zur Folge, dass ein bestimmtes Verhalten nicht mehr strafbar ist, sondern sie führt dazu, dass es neu ganz oder teilweise unter eine andere Bestimmung fällt.

Wo sich durch die Anpassung an den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs bzw.

wegen einer vorgeschlagenen Strafrahmenänderung mehrere gleiche Strafdrohungen innerhalb eines Artikels ergeben, werden Absätze oder Ziffern redaktionell zusammengefügt.

25

BGE 125 IV 74 (in Bezug auf die Rechtslage vor Inkrafttreten der AT-Revision 2002).

2842

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1.2.2

Schwerpunkte der Revision

Mit dem Entwurf sollen die Strafrahmen nicht völlig neu geschaffen werden. Das geltende Strafrecht stellt ein differenziertes Instrumentarium zur Sanktionierung von Straftaten zur Verfügung. Soweit erforderlich und sinnvoll, werden jedoch punktuelle Änderungen vorgeschlagen, die zu jeweils angemessenen Strafrahmen führen sollen.

In der Öffentlichkeit und in der Politik werden insbesondere die Strafrahmen bei den Delikten gegen Leib und Leben, den Sexualdelikten, den in Gruppen begangenen Delikten und bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte hinterfragt.

Entsprechend wird diesen Themen besondere Beachtung geschenkt: ­

Schwere Körperverletzung (Art. 122): Die Mindeststrafe wird von 6 Monaten auf ein Jahr Freiheitsstrafe erhöht.

­

Sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187): Es wird eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe eingeführt bei sexuellen Handlungen mit Kindern, die das 12. Altersjahr noch nicht vollendet haben. In leichteren Fällen gilt hingegen eine Höchststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe.

­

Sexuelle Nötigung (Art. 189) und Vergewaltigung (Art. 190): Der Tatbestand der Vergewaltigung wird in zweifacher Hinsicht ausgedehnt: Einerseits wird der Tatbestand neu geschlechtsneutral gefasst, andererseits wird er auf die beischlafsähnlichen Handlungen ausgedehnt. Im Gegenzug werden die beischlafsähnlichen Handlungen bei der sexuellen Nötigung gestrichen.

Folglich wird der obere Strafrahmen bei der sexuellen Nötigung gesenkt und zwar von zehn auf fünf Jahre Freiheitsstrafe. Demgegenüber wird beim erweiterten Tatbestand der Vergewaltigung die Mindeststrafe von einem Jahr auf zwei Jahre Freiheitsstrafe erhöht.

­

Schändung (Art. 191): Die bei der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung vorgenommenen Änderungen werden ebenfalls bei der Schändung eingeführt.

­

Gemeinsame Begehung (Art. 200): Bei den gemeinsam begangenen Sexualdelikten soll die Strafschärfung neu zwingend sein.

­

Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285): Für Gruppen von Chaoten und Randalierern, die Gewalt an Personen und Sachen verüben, wird die Mindeststrafe von 30 auf 120 Tagessätze Geldstrafe erhöht.

Weiter wird die Mindeststrafe bei der gewerbsmässigen Begehung von Vermögensdelikten (Art. 139 Ziff. 2, 144bis Ziff. 2, 146 Abs. 2, 147 Abs. 2, 148 Abs. 2, 156 Ziff. 2, 157 Ziff. 2 und 160 Ziff. 2) einheitlich auf 6 Monate Freiheitsstrafe festgelegt. Das führt teils zu einer Erhöhung, teils zu einer Senkung der Mindeststrafe. Ausgenommen ist die gewerbsmässige Warenfälschung, weil sie gegenüber anderen Straftatbeständen zurücksteht (z. B. Betrug) und die Strafbarkeit bis in den Bereich der Vorbereitung einer Vermögensschädigung vorverlegt wird. Entsprechend beschränkt sich der Anwendungsbereich der Warenfälschung auf Vorbereitungshandlungen zum Betrug und auf betrugsähnliche Handlungen.

2843

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Überdies bestehen bei Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr ­ im Strafgesetzbuch und im Nebenstrafrecht ­ erhebliche Unterschiede bei den Strafrahmen. Diese nicht nachvollziehbaren Unterschiede sollen harmonisiert werden.

Im Entwurf wird vereinzelt die Aufhebung von Straftatbeständen vorgeschlagen (z. B. Art. 275bis, 275ter und 330). In denjenigen Fällen, in denen die Aufhebung einer Strafbestimmung die (vollständige) Straffreiheit zur Folge hat, liegt der Grund für die Streichung im fehlenden Strafbedürfnis. Die Aufhebung von Strafbestimmungen führt allerdings nicht immer zur Straffreiheit eines bisher strafwürdigen Verhaltens, sondern es können allenfalls andere Strafbestimmungen zur Anwendung kommen.

Rechtspflegedelikte (z. B. Begünstigung) finden sich im StGB, im MStG, im Bundesgesetz vom 22. März 197426 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) und sogar im Landesversorgungsgesetz vom 17. Juni 201627 (LVG). Ein Quervergleich der für diesen Bereich typischen Strafausschlussgründe (teilweise oder vollständige Entschuldigung aufgrund von Selbst- und Fremdbegünstigungsprivilegien) zeigt erhebliche Unstimmigkeiten und damit einen Harmonisierungsbedarf. Auch die Strafprozessordnung28 (StPO), die nach der Vernehmlassung zu dieser Vorlage in Kraft getreten ist, hat Auswirkungen auf die Rechtspflegedelikte des StGB, weil die Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte in einer Wechselwirkung zu den materiellen Strafbestimmungen stehen.

1.2.3

Revision des Militärstrafgesetzes

Der Besondere Teil des Militärstrafgesetzes entspricht im Wesentlichen dem Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs; Abweichungen gibt es dort, wo die spezifischen Bedürfnisse des MStG es erfordern. Die Revision des Militärstrafgesetzes verfolgt wie frühere Teilrevisionen das Ziel, diese Übereinstimmung so weit als möglich zu bewahren. Bei militärspezifischen Normen, die das zivile Strafrecht nicht kennt, wird gleich ­ wie oben in Ziffer 1.2.1 beschrieben ­ vorgegangen.

1.2.4

Harmonisierung der Strafrahmen in Bundesgesetzen mit Verbrechenstatbeständen

Mit dieser Vorlage werden nicht nur die Strafrahmen im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes überprüft, sondern auch in jenen Nebenstrafrechtsgesetzen, die Freiheitsstrafen von mehr als drei Jahren (Verbrechen i. S. v.

Art. 10 Abs. 2) enthalten. Diese Tatbestände schützen in der Regel ebenso gewichtige Rechtsgüter wie die Bestimmungen des Kernstrafrechts. Entsprechend wird gleich vorgegangen wie im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs (vgl. Ziff. 1.2.1).

26 27 28

SR 313.0 SR 531 SR 312.0

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Bei dieser Gelegenheit werden zudem die Strafbestimmungen dieser Gesetze an die AT-Revision 2002 angepasst, sofern dies noch nicht geschehen ist. Die Anpassungen sind zumeist formeller Natur. Sie geben den Wortlaut des Gesetzes wieder, wie er gestützt auf den Umrechnungsschlüssel in Artikel 333 Absätze 2­6 StGB bereits gilt. Der Entwurf berücksichtigt zudem die Änderungen der AT-Revision 2015 (vgl.

Ziff. 1.1.3).

Im Unterschied zum Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs enthalten zahlreiche Nebenstrafrechtsgesetze des Bundes Vergehenstatbestände, die bei fahrlässiger Begehung nur mit Busse bestraft werden. Falls dies in Form einer «kann»-Vorschrift getan wird, bedeutet dies, dass die Tat ein Vergehen bleibt, selbst wenn im konkreten Fall eine Busse ausgesprochen wird.29 Wo dies aber in Form einer «ist»-Vorschrift geschieht, wird aus einem Vergehen (bei fahrlässiger Begehung) eine Übertretung. Diese Taten sollen neu mit Geldstrafe bedroht sein. Dadurch wird die Strafdrohung erhöht. Zudem werden auf diese Weise zahlreiche Übertretungen zu Vergehen hochgestuft. Demgegenüber ist festzuhalten, dass das Parlament bei mehreren Gesetzesvorlagen teilweise oder ganz auf eine Strafbarkeit der fahrlässigen Begehung verzichtet hat (z. B. Art. 127­129 des Geldspielgesetzes vom 29. Sept.

201730; Art. 36b des Bundesgesetzes vom 23. März 200131 über den Kleinkredit, Art. 148­150 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 201532 sowie Art. 19 und 20 des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Okt. 195133).

Übertretungen werden nur ab einer bestimmten Schwere (mehr als 5000 Fr.) in das Strafregister eingetragen (Art. 366 Abs. 2 Bst. b i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Bst. c Ziff. 1 der VOSTRA-Verordnung vom 29. Sept. 200634). Demgegenüber werden alle Vergehen eingetragen, bei denen eine Strafe oder eine Massnahme ausgefällt wird (Art. 366 Abs. 2 Bst. a). Die Umqualifizierung von Übertretungen zu Vergehen stellt somit auch hinsichtlich der registerrechtlichen Konsequenzen eine Verschärfung dar.

Dies wird sich auch in einer Zunahme der Urteilszahlen in der Strafurteilsstatistik niederschlagen, da die aufgeführten Verurteilungen auf den Zahlen des Strafregisters basieren.

1.2.5

Sprachliche Änderungen und Änderung des Ingresses

Deutscher Gesetzestext In der deutschen Fassung werden terminologische Anpassungen vorgenommen, wie beispielsweise die systematische Ersetzung des Ausdrucks «Richter» durch «Gericht» (nicht aber «richterlich» durch «gerichtlich», weil beispielsweise auch die Bundesverfassung, die durchwegs geschlechtergerecht formuliert ist, von «richterlichen Behörden» spricht) oder die einheitliche Verwendung der Formulierung «so ist 29 30 31 32 33 34

BGE 125 IV 74 BBl 2017 6245 SR 221.214.1 SR 958.1 SR 812.121 SR 331

2845

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die Strafe Freiheitsstrafe bis zu ... oder Geldstrafe» (z. B. anstelle von «so wird auf Freiheitsstrafe bis zu ... oder Geldstrafe erkannt»).

Französischer Gesetzestext Die parlamentarische Redaktionskommission hat darauf verzichtet, für französische Gesetzestexte die Verwendung von geschlechtsneutralen Formulierungen oder Paarbildungen anstelle des sogenannten generischen Maskulinums (männliche Form zur Bezeichnung beider Geschlechter) vorzuschreiben, weil dies zu «unüberwindbaren Schwierigkeiten führt»35. Sie hat indessen den Gesetzgeber eingeladen, männliche Formen zu vermeiden und so weit als möglich eine geschlechtsneutrale Sprache zu verwenden. Im französischen Text wird aus diesem Grund vorgeschlagen, «celui qui» (derjenige, der) durch den neutralen Ausdruck «quiconque» (wer) zu ersetzen.

Im französischen Gesetzestext wird ausserdem die Form des Futurs durch diejenige des Präsens ersetzt. Diese Änderung ist gerechtfertigt, weil sich das Präsens besser eignet, um Straftatbestände festzulegen. Der französische Text entspricht damit im Übrigen der deutschen Fassung, die ebenfalls diese Zeitform verwendet. Diese sprachlichen Änderungen wurden bereits bei der AT-Revision 2002 berücksichtigt.36 Italienischer Gesetzestext Im italienischen Gesetzestext werden keine redaktionellen Anpassungen vorgenommen.

Anpassung der Ingresse Nebst diesen generellen sprachlichen Anpassungen werden die beiden Gesetzesvorlagen dazu benutzt, in Gesetzen, deren Ingress sich noch auf die alte Bundesverfassung von 1874 stützt, diesen zu ändern, sodass er die jeweilige Grundlage in der neuen Bundesverfassung von 1999 anruft.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Vernehmlassungsergebnis

Das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf wurde vom Bundesrat am 8. September 2010 eröffnet und dauerte bis zum 10. Dezember 2010. Es nahmen 26 Kantone, fünf Parteien, vier Dachverbände, zwei richterliche Behörden des Bundes sowie 16 Organisationen, Institutionen und Einzelpersonen zum Vorentwurf Stellung. Ausserdem reichten 18 weitere Teilnehmer eine Stellungnahme ein.37

35 36 37

BBl 1993 I 129, hier 133 BBl 1999 1979, hier 1990 Die Unterlagen für die Vernehmlassung und der Ergebnisbericht sind zu finden unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2010 > EJPD; die Stellungnahmen und die Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens sind auch abrufbar unter: www.bj.admin.ch > Sicherheit > Laufende Rechtsetzungsprojekte > Harmonisierung der Strafrahmen.

2846

BBl 2018

Im Folgenden werden diejenigen Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens kurz zusammengefasst, die nicht einzelne Artikel betreffen. Weitere Ausführungen folgen bei den Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln (Ziff. 2).

Die Vorlage wurde kontrovers aufgenommen. Eine grosse Mehrheit der Teilnehmenden stimmt der Vorlage grundsätzlich zu. Diese bringen aber auch wichtige Vorbehalte zu einzelnen Bestimmungen an. Einige Teilnehmer finden den Titel der Vorlage irreführend, weil viele der darin enthaltenen Vorschläge über die Harmonisierung der Strafrahmen hinausgehen (z. B. Aufhebung oder materielle Änderung von Strafbestimmungen).

Die Einschränkung des richterlichen Ermessens durch die Umwandlung von «kann»Vorschriften zu «ist»-Vorschriften wurde von zahlreichen Teilnehmenden abgelehnt. Sie haben sich dafür ausgesprochen, den Gerichten einen weiten Ermessensspielraum zu belassen, damit eine einzelfallgerechte Beurteilung einer Straftat möglich bleibt.

Mit Bezug auf die Einführung, Aufhebung oder Erhöhung von Mindeststrafen sind die Meinungen geteilt. Die Aufhebung der Mindeststrafe von 30 Tagessätzen Geldstrafe wurde grossmehrheitlich begrüsst. Hingegen wurde die Einführung oder die Erhöhung von Mindeststrafen von einem Lager gutgeheissen und von einem ebenso grossen Lager abgelehnt.

1.3.2

Regelungsverzichte

Bei der Überarbeitung der Vorlage hat der Bundesrat sowohl den Ergebnissen des Vernehmlassungsverfahrens als auch der geänderten Rechtslage (Gesetzesänderungen und Rechtsprechung) Rechnung getragen. Nachstehend werden die wichtigsten Regelungsverzichte aufgeführt: Art. 116

Kindestötung

In der Vernehmlassung wurde dem Vorschlag, Artikel 116 zu streichen, verschiedentlich zugestimmt. Die Aufhebung hätte nicht zur Straffreiheit geführt, sondern die Tat wäre nicht mehr privilegiert und anhand der übrigen Tötungsdelikte beurteilt worden. Es gab allerdings auch etliche kritische Stimmen, die sich gegen eine Streichung aussprachen. Es wurde unter anderem vorgebracht, es sei zwar richtig, dass sich heutzutage die spezifische Situation einer ledigen werdenden Mutter anders darstelle als zu Zeiten des Erlasses des Strafgesetzbuchs. Trotzdem könne sich eine werdende Mutter auch heute noch schwerwiegenden Zwängen ausgesetzt fühlen.

Der Bundesrat verzichtet unter diesen Umständen auf seinen ursprünglichen Vorschlag, Artikel 116 zu streichen.

Art. 117

Fahrlässige Tötung

Der Strafrahmen dieses Tatbestands hat in den letzten Jahren insbesondere im Zusammenhang mit sogenannten «Raserunfällen» zu reden gegeben. In der Öffentlichkeit und Politik hat sich mehr und mehr Unmut über die ihres Erachtens zu

2847

BBl 2018

milden Gerichtsurteile, die gegenüber den Verursachern dieser tödlichen Unfälle ausgesprochen wurden, breitgemacht.38 Ein tragischer Verkehrsunfall führte zu einem vielbeachteten Entscheid des Bundesgerichts: In BGE 130 IV 58 bestätigte es die Verurteilung von zwei Autofahrern, die sich auf öffentlicher Strasse ein Rennen geliefert und dabei einen Unfall mit zwei Todesopfern verursacht hatten, wegen eventualvorsätzlicher ­ und nicht wegen fahrlässiger ­ Tötung. Dieser Entscheid wurde in der Lehre kritisiert.39 So wurde beanstandet, mit dieser Rechtsprechung werde die Grenze zwischen bewusst fahrlässigem und eventualvorsätzlichem Handeln verwischt.

Im Vorentwurf hatte der Bundesrat vorgeschlagen, die Maximalstrafe bei der fahrlässigen Tötung von drei auf fünf Jahre Freiheitsstrafe zu erhöhen. Es wurde begründet, durch eine Erhöhung des Strafmaximums lasse sich die praktische Tragweite der Unterscheidung zwischen fahrlässiger und eventualvorsätzlicher Tötung relativieren. Zudem könne dadurch dem Bedürfnis der Bevölkerung nach einer strengeren Bestrafung von rücksichtslosen Verkehrsteilnehmern, die einen tödlichen Unfall verursachen, Rechnung getragen werden. Die Gerichte erhielten die Möglichkeit, eine höhere Strafe als drei Jahre Freiheitsstrafe auszusprechen. Die Beweisschwierigkeiten, die sich bei der Feststellung des Eventualvorsatzes ergeben, könnten vermieden werden.

In der Vernehmlassung stiess dieser Vorschlag mehrheitlich auf Zustimmung. Es wurde allerdings auch grundlegende, dogmatische Kritik daran geäussert, dass in Zukunft die Strafandrohungen bei der fahrlässigen und der vorsätzlichen Tötung fliessend ineinander übergehen sollten. Es wurde unter anderem vorgebracht, dass dies im Hinblick auf die Ausgestaltung des schweizerischen Strafrechts als Verschuldensstrafrecht sachfremd erscheine, da ein Fahrlässigkeitsdelikt unter dem Gesichtspunkt der Schuld deutlich weniger schwer wiege als ein Vorsatzdelikt. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass die fahrlässige Tötung mit der erhöhten Höchststrafe der vorsätzlichen Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord (Art. 115), dem strafbaren Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung (Art. 118 Abs. 1), der Aussetzung (Art. 127), der vorsätzlichen Lebensgefährdung (Art. 129) oder dem Angriff (Art. 134) gleichgestellt werde. Das negiere
die grundlegende Unterscheidung, die unser Strafrecht zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz vornehme, auch wenn es in den genannten Vorsatzdelikten um nicht ganz gleichwertige Rechtsgüter wie das Leben oder nicht um gleich intensive Tangierungen (Gefährdung) gehe. Zudem wurde kritisiert, dass aufgrund einer bestimmten Täterkategorie ­ diejenige der Raser ­ der Strafrahmen der Zentralnorm im StGB erhöht werde.

Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass auch alle anderen Fälle von fahrlässiger Tötung strenger bestraft würden.

38

39

Die folgenden Vorstösse verlangten eine Erhöhung der Maximalstrafe bei Art. 117 StGB: Standesinitiative Kanton Solothurn vom 8. Jan. 2010 (10.303 «Massnahmen gegen die Raserei»), pa. Iv. Aeschbacher vom 11. Mai 2006 und 10. Juni 2009 (06.431 «Strafrahmen für fahrlässige Tötung erweitern» und 09.449 «Raser härter bestrafen!»), Mo. Heim vom 8. Dez. 2008 (08.3784 «Raserei bekämpfen»). Zu weiteren politischen Vorstössen im Zusammenhang mit der Verbesserung der Verkehrssicherheit und insbesondere zum Thema «Raserinnen und Raser» siehe BBl 2010 8447, hier 8463 und 8494.

Unter anderen: Riklin Franz, 2006, S. 257­269; Schweizer Mark, 2007, S. 32­39; Vest Hans/Weber Jonas, 2009, S. 443­457.

2848

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Am 20. Oktober 2010 ­ und somit während der Vernehmlassung zu dieser Vorlage40 ­ verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zu «Via sicura, Handlungsprogramm des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr».41 Im Rahmen der diesbezüglichen Beratungen und unter dem Einfluss der eingereichten Vorstösse sowie der am 5. Juli 2011 zustande gekommenen Volksinitiative «Schutz vor Rasern»42 wurden vom Parlament zwei neue Tatbestände zu Raser-Delikten beschlossen. Die neuen Bestimmungen sind am 1. Januar 2013 in Kraft getreten.43 Artikel 90 Absatz 3 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 195844 (SVG) sieht demnach vor, dass mit Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren bestraft wird, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen. In Absatz 4 wird aufgeführt, bei welchem Ausmass des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit Absatz 3 von Artikel 90 SVG in jedem Fall als erfüllt gilt.

Mit diesen neuen Bestimmungen hat sich die Sachlage derart geändert, dass der Bundesrat darauf verzichtet, weiterhin die Erhöhung der Maximalstrafe in Artikel 117 vorzuschlagen. Dem Bedürfnis nach einer höheren Strafe für Raserinnen und Raser, die durch ihren Geschwindigkeitsexzess jemanden töten oder schwer verletzen, kann nun im Rahmen des geltenden Rechts Rechnung getragen werden.

Dazu ist ein Blick auf das Konkurrenzverhältnis zwischen den neuen Absätzen 3 und 4 in Artikel 90 SVG einerseits und den Delikten gegen Leib und Leben andererseits zu werfen. Es sind folgende Konstellationen denkbar:

40 41 42

43 44 45

­

Verursacht der Täter durch eine Tathandlung, die unter Artikel 90 Absatz 3 oder 4 SVG fällt, einen Unfall mit mindestens einem Todesopfer oder Schwerverletzen, so dürfte in der Regel eine (eventual-) vorsätzliche Tötung (Art. 111) oder schwere Körperverletzung (Art. 122) anzunehmen sein.45 Für die Konkurrenzen bedeutet dies, dass das schwerere Verletzungsdelikt das Gefährdungsdelikt konsumiert, das heisst der Täter wird lediglich gestützt auf Artikel 111 oder 122 bestraft, sofern neben dem konkreten Opfer keine weitere(n) Person(en) gefährdet wurde(n). Die Maximalstrafen betragen somit 20 Jahre (Art. 111) bzw. 10 Jahre Freiheitsstrafe (Art. 122).

­

Sollten weitere Personen gefährdet worden sein, so besteht zwischen Artikel 111 bzw. 122 einerseits und Artikel 90 Absatz 3 bzw. 4 SVG andererseits echte Konkurrenz. Die mögliche Maximalstrafe bleibt somit entweder bei 20 Jahren Freiheitsstrafe (Art. 40, 49 Abs. 1 und 111 StGB, Art. 90 Abs. 3 bzw. 4 SVG) bzw. erhöht sich auf 15 Jahre Freiheitsstrafe (Art. 49 Abs. 1 und 122 StGB, Art. 90 Abs. 3 bzw. 4 SVG).

Die Vernehmlassung dauerte vom 8. Sept. bis zum 10. Dez. 2010.

BBl 2010 8447 www.bk.admin.ch > Themen > Politische Rechte > Volksinitiativen > Zurückgezogene Volksinitiativen; www.raserinitiative.ch. Die Initiative wurde am 2. Nov. 2012 zurückgezogen, BBl 2012 9227.

AS 2012 6291 SR 741.01 Siehe auch Weissenberger Philippe, 2015, Art. 90 SVG N 183 f.

2849

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­

Gelangt das Gericht hingegen zur Auffassung, der Täter habe die Tötung bzw. schwere Körperverletzung fahrlässig verursacht, so besteht echte Konkurrenz. Das Handlungsunrecht des vorsätzlichen Gefährdungsdelikts (Art. 90 Abs. 3 bzw. 4 SVG) wird durch das fahrlässige Verletzungsdelikt (Art. 117 bzw. 125) nicht vollständig abgedeckt. In subjektiver Hinsicht geht das Gefährdungsdelikt weiter als das Verletzungsdelikt: Der Täter will zwar nicht, dass jemand getötet oder schwer verletzt wird, sondern er vertraut darauf, dass sich der tatbestandsmässige Erfolg nicht verwirklicht (was zur Anwendung von Art. 117 bzw. 125 führt). Er nimmt aber durch seine riskante Fahrweise das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern zumindest in Kauf und verursacht so eine unmittelbare Lebensbzw. Verletzungsgefahr. Zudem stellt Artikel 90 Absatz 3 bzw. 4 SVG ein Verbrechen dar, während es sich bei Artikel 117 bzw. 125 um Vergehen handelt.46 Dies bedeutet, dass der Täter, der eine Verkehrsregelverletzung nach Artikel 90 Absatz 3 bzw. 4 SVG begeht und dadurch fahrlässig eine Person tötet oder schwer verletzt, in Anwendung von Artikel 49 Absatz 1 mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Jahren bestraft werden kann. Im Resultat entspricht dies der in den erwähnten Vorstössen gestellten Forderung. Da diese Maximalstrafe höher liegt als diejenige in Artikel 90 Absatz 3 SVG, wird damit auch einer der Forderungen der zurückgezogenen Volksinitiative «Schutz vor Rasern»47 Rechnung getragen. Somit ist eine Erhöhung der Maximalstrafe in Artikel 117 hinfällig geworden.

Art. 125 Abs. 2

Fahrlässige Körperverletzung

Gleich wie in Artikel 117 (Fahrlässige Tötung) war im Vorentwurf vorgeschlagen worden, bei der fahrlässigen schweren Körperverletzung solle die Maximalstrafe von drei auf fünf Jahre Freiheitsstrafe erhöht werden. Als Begründung wurde angeführt, bei der fahrlässigen schweren Körperverletzung sei der Erfolg zwar weniger gravierend als bei der fahrlässigen Tötung, die Schwere des Erfolgs sei allerdings oft nur vom Zufall abhängig. Zudem könne die Pflege eines schwer verletzten Opfers für die Angehörigen ebenso belastend sein wie der Verlust eines Familienmitgliedes.

Dieser Vorschlag wurde in der Vernehmlassung zwar mehrheitlich positiv aufgenommen; es sind allerdings auch überzeugende Argumente dagegen vorgebracht worden. So wurde eingebracht, selbst wenn man in Artikel 117 den Strafrahmen erhöhe, so sollte in Artikel 125 Absatz 2 die Strafobergrenze bei drei Jahren bleiben, denn sie sei Ausdruck der unterschiedlichen Schwere von Tötung und Körperverletzung. Der Hinweis, die Schwere des Erfolgs sei oft nur vom Zufall abhängig, müsste konsequenterweise dazu führen, auch die folgenlose Fahrlässigkeit unter Strafe zu stellen. Davon seien aber die Regelungen im Strafgesetzbuch zu Recht weit entfernt.

46

47

Schwarzenegger Christian, 2013, Art. 117 N 7 f; BGE 136 IV 76, wonach zwischen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Lebens echte Konkurrenz besteht, da die fahrlässige Tötung das Unrecht der Gefährdung des Lebens nicht abgilt.

«Verursacht die Raserin oder der Raser den Tod oder die schwere Körperverletzung anderer Menschen, so wird sie oder er entsprechend höher [d. h. höher als mit Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren] bestraft».

2850

BBl 2018

Falsch sei der Hinweis, die Pflege eines schwer verletzten Opfers könne für die Angehörigen ebenso belastend sein wie der Verlust eines Familienmitglieds: Die Schwere einer Straftat bemesse sich im Strafgesetzbuch nach dem Verschulden des Täters, und dieses korreliere nicht zwingend mit den Belastungen, die sich für Angehörige aus der Tat ergeben würden.

Diese überzeugenden Darlegungen sowie der Entscheid, in Artikel 117 die jetzige Strafandrohung beizubehalten, bewegen den Bundesrat dazu, die Maximalstrafe bei der fahrlässigen schweren Körperverletzung bei drei Jahren Freiheitsstrafe zu belassen.

Art. 129

Gefährdung des Lebens

Der Vorschlag, in Artikel 129 eine Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe einzuführen, wurde in der Vernehmlassung teilweise gutgeheissen, teilweise aber auch abgelehnt. So wurde unter anderem vorgebracht, eine Mindeststrafe sei insbesondere deshalb fragwürdig, weil diese Bestimmung in einem Spannungsverhältnis zum Bestimmtheitsgrundsatz von Artikel 1 stehe. Überdies genüge in leichten Fällen die Ausfällung einer Geldstrafe, und diese solle in Zukunft (mit der Änderung des Sanktionenrechts) ausgeschlossen sein. Der Bundesrat verzichtet unter diesen Umständen auf die Einführung einer Mindeststrafe.

Art. 140

Raub

Der Vorentwurf sah vor, beim Grundtatbestand die Mindeststrafe aus kriminalpolitischen Gründen auf ein Jahr Freiheitsstrafe zu erhöhen (Ziff. 1) und den Tatbestand des Mitführens einer Schusswaffe zu streichen (Ziff. 2), weil dieser hinsichtlich des Unrechts im Grundtatbestand enthalten gewesen wäre. In der Vernehmlassung wurde mit Recht darauf hingewiesen, dass die Abgrenzung zwischen einem Entreissdiebstahl und einem Raub sehr subtil sein kann. Eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe trägt dieser Subtilität nicht Rechnung. Darüber hinaus ist es auch sachgerecht, wenn sich die Strafrahmen des Grundtatbestands und des Mitführens einer Schusswaffe unterscheiden, indem das Mitführen einer Schusswaffe mit einer höheren Mindeststrafe geahndet wird. Ansonsten wird fingiert, dass bei jedem Raub eine Schusswaffe mitgeführt wird. Aus diesen Gründen verzichtet der Bundesrat auf eine Änderung der Ziffern 1 und 2.

Zudem war vorgeschlagen worden, die Mindeststrafe in Ziffer 3 so zu formulieren, dass keine bedingten oder teilbedingten Freiheitsstrafen mehr ausgesprochen werden können (vgl. dazu Erläuterungen zu Art. 122). Beweggrund für die geltende Mindeststrafe war, dass die Freiheitsstrafe unbedingt vollzogen werden muss.48 Nach geltendem Recht ist dies der Fall, ausser wenn im konkreten Einzelfall die Freiheitsstrafe genau der Mindeststrafe entspricht. Indessen ist zu beachten, dass vor 2007 nur bedingte oder unbedingte Freiheitsstrafen ausgesprochen werden konnten. Seit dem 1. Januar 2007 ist zudem der teilbedingte Vollzug einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und höchstens drei Jahren möglich (Art. 43 Abs. 1 StGB). Damit wird den Gerichten genügend Flexibilität zugestanden, um eine gerechte Strafe auszu48

BBl 1980 I 1241, hier 1258.

2851

BBl 2018

sprechen. In der Vernehmlassung wurde dieser Vorschlag abgelehnt und die Beibehaltung der geltenden Mindeststrafe gefordert. Es ist daher angezeigt, diesen Strafrahmen unverändert zu lassen.

Schliesslich war in der Vernehmlassung die in Ziffer 4 vorgeschlagene Senkung der Mindeststrafe von fünf auf drei Jahre Freiheitsstrafe umstritten. Die ablehnenden Stimmen wiesen darauf hin, dass es an der Plausibilität der gleichen Mindeststrafdrohung von drei Jahren Freiheitsstrafe für alle Straftaten mit der Qualifikation der grausamen Behandlung fehlt. Dies weil sich das (Teil-)Unrecht dieser Qualifikation aus dem Grundtatbestand ergibt. Ebenfalls wurde eine Senkung der Mindeststrafe aus kriminalpolitischen Gründen abgelehnt. Aus den dargelegten Gründen verzichtet der Bundesrat auf eine Änderung des Strafrahmens und damit auf die ursprünglich angestrebte Koordination zwischen den Artikeln 140 Ziffer 4, 184, 189 Absatz 3 und 190 Absatz 3 StGB.

Art. 213

Inzest

Der Vorschlag des Bundesrates, Artikel 213 aufzuheben, hat in der Vernehmlassung heftige Reaktionen hervorgerufen. Während eine Minderheit der Vernehmlassungsteilnehmenden die Aufhebung begrüsste, lehnte sie eine Mehrheit aus moralischen und eugenischen Gründen sowie wegen des Schutzes vor sexuellem Missbrauch von Kindern ab. Ebenfalls wurde vorgebracht, dass mit einer Aufhebung ein falsches Signal gesetzt würde. Angesichts dieses Resultats und nach nochmaliger Abwägung verzichtet der Bundesrat darauf, diesen Vorschlag weiterzuverfolgen.

Art. 263

Verübung einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit

Diese Strafbestimmung schützt kein spezifisches Rechtsgut. Bestraft wird der Täter für die Gefährdung, die er mit der Herbeiführung seiner Unzurechnungsfähigkeit schuldhaft bewirkt und die sich in seiner Rauschtat manifestiert hat. Artikel 263 ist nach einhelliger Lehre und Praxis mit dem das StGB beherrschenden Schuldprinzip nicht vereinbar: Zum einen bezweckt Artikel 263 die Bestrafung der im Rausch, also definitionsgemäss nicht schuldhaft verübten Tat. Zum andern bedroht Artikel 263 die vorsätzliche und die fahrlässige Tatbegehung mit derselben Strafe. Schliesslich sieht Absatz 2 einen erhöhten Strafrahmen vor, wenn es sich bei der Rauschtat um ein mit Freiheitsstrafe als einzige Strafe bedrohtes Verbrechen handelt. Das Bundesgericht bezeichnete die Strafbestimmung bereits in BGE 104 IV 249 als Fremdkörper im StGB. Angesichts der geschilderten Unvereinbarkeit von Artikel 263 mit einem der Grundprinzipien unseres Strafrechts wurde im Vorentwurf vorgeschlagen, diesen ersatzlos zu streichen.

Ob in den allgemeinen Bestimmungen ihres Strafgesetzbuchs oder über einen spezifischen Straftatbestand: In den Rechtsordnungen der Nachbarstaaten49 wird in ähnli49

Deutschland: § 323a des deutschen Strafgesetzbuchs; Österreich: § 287 des österreichischen Strafgesetzbuchs; Italien: Art. 91­95 des italienischen Strafgesetzbuchs; Frankreich: Art. 122-1 des französischen Strafgesetzbuchs. In Bezug auf die Begehung von Straftaten in trunkenem Zustand oder unter Einfluss von Betäubungsmitteln anerkennt die Rechtsprechung in Frankreich keine Verminderung der Schuldfähigkeit, wenn der Rausch selbstverschuldet ist (vgl. Bouloc Bernard, 2009, N 427 und 427-1).

2852

BBl 2018

cher Weise vom Schuldprinzip abgewichen, sodass ein Täter auch dann für seine Taten haften muss, wenn er grundsätzlich als teilweise oder ganz unzurechnungsfähig erklärt werden müsste, weil seine kriminelle Absicht durch die Einnahme von Alkohol oder Betäubungsmitteln unterdrückt wurde.

Artikel 263 war im ursprünglichen Entwurf des Strafgesetzbuchs, den der Bundesrat dem Parlament 1918 unterbreitet hatte, nicht enthalten. In den Beratungen im Nationalrat wurde jedoch die Befürchtung geäussert, dass das Schuldprinzip ganz ausser Kraft gesetzt würde, wenn ein stark betrunkener Täter straflos bliebe. Dies wäre in der Öffentlichkeit auf Unverständnis gestossen. Aufgrund dieser Erwägungen ist der heutige Artikel 263 entstanden.50 Aus den Vernehmlassungsergebnissen geht hervor, dass diese Befürchtungen weiterhin aktuell sind. Solche generalpräventiven Überlegungen können eine Verletzung des Schuldprinzips rechtfertigen, zumal sie alles in allem auf einen genauen Tatbestand beschränkt ist (absichtliche Einnahme von Alkohol oder Betäubungsmitteln zur Verminderung der Schuldfähigkeit). Es ist folglich angemessen, die geltende Regelung beizubehalten.

Art. 286

Hinderung einer Amtshandlung

Der Vorentwurf sah vor, bei Artikel 286 die Höchststrafe anzuheben. Begründet wurde dies mit gravierendsten Verhaltensweisen, die unter Artikel 286 fallen können und damit die staatlichen Organe hindern, ihre Aufgabe ungestört wahrzunehmen.

Auch die Standesinitiative 14.301 Kanton Tessin «Artikel 285 und 286 des Strafgesetzbuchs. Überprüfung der Angemessenheit der Strafrahmen» (Folge gegeben) verlangt eine Prüfung des Strafrahmens von Artikel 286.

Die durchschnittliche Dauer der Freiheitsstrafe, die von den Gerichten im Zusammenhang mit Artikel 286 vor dem 1. Januar 200751 verhängt worden ist, liegt deutlich unter 30 Tagen; der bestehende Strafrahmen wurde also nicht ausgeschöpft.52 In der Vernehmlassung ist zudem eingewendet worden, hinsichtlich des ausgesprochenen Bagatellcharakters dieser Norm und der Tatsache, dass die gravierendsten Verhaltensweisen sowieso von Artikel 285 erfasst werden, sei eine Erhöhung des Strafrahmens unangebracht. Artikel 286 war bereits bei seiner Entstehung umstritten, und ziviler Ungehorsam wird in etlichen europäischen Ländern nicht kriminalstrafrechtlich geahndet. Die Norm steht zudem in einem Spannungsverhältnis zum Selbstbegünstigungsprivileg.53 Aus diesen Gründen verzichtet der Bundesrat auf eine Erhöhung des Strafrahmens von Artikel 286. Die von der Standesinitiative 14.301 Kanton Tessin (Artikel 285 und 286 des Strafgesetzbuchs. Überprüfung der Angemessenheit der Strafrahmen) und anderen Vorstössen geforderte Stärkung der staatlichen Autorität kann vom

50 51

52 53

Vgl. Bommer Felix, 2013, Art. 263 N 2.

Vor dem 1. Jan. 2007 konnte für dieses Delikt eine höchstens einmonatige Gefängnisstrafe verhängt werden. Mit dem neuen AT StGB ist die Strafdrohung nunmehr Geldstrafe bis zu 30 Tagessätzen.

Siehe dazu auch Jositsch Daniel, 2016, Rz. 5.

Kritisch zur Praxis des BGer Stratenwerth Günter/Bommer Felix, 2013, § 52 N 12 und eingehend zum Ganzen Schneider Klaus, 2009, 127 ff.

2853

BBl 2018

Gesetzgeber auch mit einem Eingriff bei Artikel 285 (Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte) bewirkt werden.54 Art. 292

Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen

Der Vorentwurf sah vor, den Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen neu als Vergehen mit bis zu einem Jahr Freiheitsentzug zu bestrafen.

In der Vernehmlassung ist eingewendet worden, dies sei bei einer Blankettstrafnorm fragwürdig: Aufgrund der möglichen Verfügungsinhalte und der Vielfalt der verfügenden Behörden sei es problematisch, eine Strafandrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe vorzusehen. Damit rücke diese Norm gar in die Nähe einer Schuldverhaft.55 Der Bundesrat teilt diese Bedenken. Es ist zudem weiter zu beachten, dass der blosse Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen mit dem Hochstufen zum Vergehen sogar einen (immerhin nicht obligatorischen) Ausschaffungsgrund nach Artikel 66abis darstellen würde. Das erscheint unverhältnismässig. Der Bundesrat verzichtet aus diesen Gründen auf eine Erhöhung des Strafrahmens.

Art. 296

Beleidigung eines fremden Staates

Art. 297

Beleidigung zwischenstaatlicher und supranationaler Organisationen

Art. 298

Tätliche Angriffe auf fremde Hoheitszeichen

Die in den Artikeln 296­298 de lege lata vorgesehene Höchststrafe scheint zwar hoch, denn das tatbestandsmässige Verhalten beschränkt sich darauf, Geringschätzung zum Ausdruck zu bringen. Der Vorentwurf sah deshalb eine Reduktion der Strafrahmenobergrenze auf maximal ein Jahr Freiheitsstrafe (oder Geldstrafe) vor.

Aber auch wenn das direkte Angriffsobjekt die «Ehre» eines fremden Staates bzw.

einer Organisation ist, schützen die Tatbestände des Sechzehnten Titels fremde Interessen nur mittelbar. Primär geschützt werden aussenpolitische Interessen der Schweiz.56 Darauf ist auch in der Vernehmlassung zu Recht hingewiesen worden. Es ist daher angezeigt, diese Strafrahmen unverändert zu belassen.

54 55 56

Vgl. die Erläuterungen ebd.

Vgl. dazu auch Urteil des Bundesgerichts 1B_158/2014 vom 25. Juni 2014, E. 2.3.

Vgl. Trechsel Stefan/Vest Hans, 2018, Vorbemerkungen zum 16. Titel des Zweiten Buches, N 1.

2854

BBl 2018

Art. 320

Verletzung des Amtsgeheimnisses

Art. 321

Verletzung des Berufsgeheimnisses

Art. 321ter

Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses

Die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung zur Änderung dieser Bestimmungen fielen ausgesprochen kritisch aus. Durch die Anhebung auf fünf Jahre Freiheitsstrafe würden diese Delikte zu Verbrechen (Art. 10 Abs. 2). Damit würde auch die versuchte Anstiftung strafbar (Art. 24 Abs. 2). Das hätte zur Folge, dass die einfache Anfrage bei einem Geheimnisträger um eine bestimmte Auskunft, welche dieser unter Hinweis auf das Geheimnis verweigert, zu einer strafbaren Handlung würde.

Das geht über das notwendige und angemessene Mass an strafrechtlichem Geheimnisschutz hinaus. Falls ein Beamter für die Begehung der Tat einen Vorteil gefordert, angenommen oder sich versprechen lassen hat, fällt dies unter Artikel 322quater (echte Konkurrenz), sodass weder der Strafrahmen des jeweiligen Grundtatbestands angehoben noch eine neue Qualifikation eingefügt werden muss. Auf eine Anhebung der Strafrahmen bei den Geheimnisdelikten wird deshalb verzichtet.

Art. 325bis

Widerhandlungen gegen die Bestimmungen zum Schutz der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen

Art. 326bis

im Falle von Artikel 325bis

Mit Artikel 325bis wird die Freiheit des Mieters geschützt, ungehindert und ohne Angst vor Sanktionen von den Rechtsbehelfen, die ihm der Mieterschutz zur Verfügung stellt, Gebrauch zu machen. Die praktische Bedeutung des Artikels scheint gering zu sein. Im Vorentwurf wurde die Aufhebung vorgeschlagen.

In der Schweizer Rechtsordnung stellt das Strafrecht den letzten Schutz dar. Wenn Interessen beispielsweise durch das Zivilrecht genügend geschützt sind, erweist sich der Schutz durch das Strafrecht als überflüssig, und es wird auf eine Erweiterung des Straftatenkatalogs verzichtet. Dessen ungeachtet entwickelt eine Strafnorm eine präventive Wirkung, die, auch wenn sie nicht genau messbar ist, zusammen mit dem Zivilrecht die Wirksamkeit des Schutzes der bedrohten Interessen zweifelsohne noch erhöht. Die geringe Zahl von Urteilen in Anwendung einer Strafbestimmung kann in diesem Zusammenhang ein Hinweis auf deren präventive Wirksamkeit sein. Es ist nicht zu verneinen, dass die Aufhebung einer Strafbestimmung aus Sicht der Bevölkerung bedeutet, dass ein bisher verbotenes Verhalten nun toleriert wird. Da der Grossteil der Schweizer Wohnbevölkerung aus Mieterinnen und Mietern besteht, würde das eventuell durch die Aufhebung von Artikel 325bis ausgesandte negative Signal umso mehr Aufsehen erregen. Überdies bergen die Schwankungen auf dem Mietwohnungsmarkt, insbesondere in den bevölkerungsreichsten Regionen des Landes, ein Missbrauchspotenzial auf Vermieterseite. Das rechtfertigt die Aufrechterhaltung eines starken Schutzes für die Mieterschaft, die die schwächere Vertragspartei ist. Es ist daher angemessen, die Artikel 325bis und 326bis beizubehalten.

2855

BBl 2018

1.4

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Rechtsvergleiche auf europäischer Ebene werden bei einzelnen der zur Änderung vorgeschlagenen Artikel vorgenommen. Hierzu sei auf das 2. Kapitel verwiesen.

1.5

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Der Bundesrat beantragt die Abschreibung der folgenden, noch hängigen Vorstösse: Mit der in einen Prüfungsauftrag umgewandelten Motion 08.3131 Joder «Verschärfung des Strafrahmens bei vorsätzlicher Körperverletzung» wurde der Bundesrat beauftragt, eine Verschärfung des Strafrahmens bei der vorsätzlichen Körperverletzung zu prüfen. Diese Prüfung wurde im Rahmen des vorliegenden Projekts vorgenommen. Als Resultat wird eine Anhebung der Mindeststrafe bei der schweren Körperverletzung (Art. 122) vorgeschlagen.

Das Postulat 09.3366 Jositsch «Überprüfung der Gerichtspraxis bezüglich Ausschöpfung der Strafrahmen» beauftragt den Bundesrat, eine Studie zu erstellen, in der evaluiert wird, inwiefern die Strafgerichte die vom Gesetzgeber vorgesehenen Strafrahmen ausschöpfen. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 20. Mai 2009 die Annahme des Postulats beantragt und ausgeführt, dass im Rahmen der Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Harmonisierung der Strafrahmen im Strafgesetzbuch, im Militärstrafgesetz und im Nebenstrafrecht die Praxis der Strafgerichte aufgezeigt werde. Dementsprechend wurde im erläuternden Bericht zum erwähnten Vorentwurf die Gerichtspraxis zur Höhe der ausgesprochenen Strafen anhand der Angaben des Bundesamts für Statistik dargestellt.

Mit dem neuen Artikel 165 Ziffer 1bis E-StGB (Misswirtschaft) wird die Motion 10.3634 der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats «Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA» umgesetzt. Diese verlangt eine Änderung des Strafgesetzbuchs dahingehend, dass eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Schuldners gegenüber den Gläubigern geschaffen wird, falls der systemrelevante Schuldner durch eine staatliche Intervention massgeblich finanziell unterstützt wird und die Notwendigkeit hierzu durch die Misswirtschaft des Schuldners bedingt wurde.

Ausserdem soll die Motion 06.3554 Hochreutener «Ausdehnung der Motion Schweiger auf Gewaltdarstellungen» abgeschrieben werden. Diese verlangt, dass die Massnahmen, die aufgrund der Motion 06.3170 Schweiger bezüglich der Straftaten gemäss Artikel 197 StGB (Pornografie) getroffen werden, auch bezüglich der Straftaten gemäss Artikel 135 StGB (Gewaltdarstellungen) umgesetzt werden.57 Schliesslich kann die Motion 17.3265 der Kommission für Rechtsfragen des
Nationalrats «Harmonisierung der Strafrahmen» abgeschrieben werden, die vom Bundesrat verlangt, dem Parlament bis Mitte 2018 die vorliegende Botschaft zu unterbreiten.

57

Siehe Ausführungen Ziff. 2.2.1, Art. 135.

2856

BBl 2018

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Vorlage 1

2.1

Schweizerisches Strafgesetzbuch: Allgemeine Bestimmungen

Art. 66a Abs. 1 Bst. b, c, f, h, i, j und k Die materiellen Änderungen im StGB und im Nebenstrafrecht müssen im Deliktskatalog betreffend die obligatorische Landesverweisung, die am 1. Oktober 2016 in Kraft getreten ist, nachvollzogen werden. In Buchstabe b wird eine qualifizierte Form der Gewaltdarstellung (Art. 135) eingefügt, nämlich wenn es sich um Gegenstände oder Vorführungen handelt, die tatsächliche grausame Gewalttätigkeiten gegen Minderjährige zum Inhalt haben. In den Buchstaben i und k werden drei Bestimmungen aufgenommen: Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde (Art. 229 Abs. 1), Beseitigung oder Nichtanbringung von Sicherheitsvorrichtungen (Art. 230 Ziff. 1) und Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1). In den beiden Buchstaben werden Verbrechen erfasst, bei denen Leib und Leben von Menschen gefährdet werden. Mit diesen Ergänzungen wird die Kohärenz des Katalogs gewahrt.

Während in den Buchstaben c (Art. 139 Ziff. 3), f (Art. 14 Abs. 1­3 des BG vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht), h (Art. 187 Ziff. 1bis) und j (Art. 231) die Klammerverweise modifiziert werden, wird in Buchstabe k der Klammerverweis auf Artikel 238 Absatz 1 gestrichen.

In Buchstabe h wird bewusst darauf verzichtet, auch Artikel 187 Ziffer 1ter (leichter Fall der sexuellen Handlungen mit Kindern) zu ergänzen: Artikel 121 Absatz 3 Buchstabe a BV verlangt eine obligatorische Landesverweisung nur wegen einer Vergewaltigung oder eines anderen schweren Sexualdelikts, was bei Artikel 187 Ziffer 1ter klar nicht gegeben ist. Zudem sind auch weitere Sexualdelikte, die eine höhere Strafandrohung aufweisen (z. B. Art. 188, 192 und 193), nicht in den Deliktskatalog aufgenommen worden. Eine Verurteilung wegen eines leichten Falls der sexuellen Handlungen mit Kindern kann aber zu einer nicht obligatorischen Landesverweisung gemäss Artikel 66abis führen.

Art. 101 Abs. 1 Bst. e Auch in dieser Bestimmung ist der Deliktskatalog anzupassen. Da Artikel 187 Ziffer 1 künftig nicht mehr bei Opfern unter 12 Jahren anwendbar ist (diese Altersgruppe wird neu von den Ziffern 1bis und 1ter erfasst), unterliegen derartige Taten nicht der Unverjährbarkeit. Dieser Verweis kann im Katalog somit gestrichen werden. Hingegen ist Artikel 187 Ziffer 1bis und 1ter in den Katalog aufzunehmen.

Art. 106 Abs. 5 Im Rahmen der AT-Revision 2015 wurden die Absätze 3­5 von Artikel 36 aufgehoben. Entsprechend ist der Verweis in der vorliegenden Bestimmung anzupassen.

2857

BBl 2018

2.2

Schweizerisches Strafgesetzbuch: Besondere Bestimmungen

2.2.1

Erster Titel: Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben

Art. 122

Schwere Körperverletzung

Die Statistiken des Bundesamts für Statistik der Jahre 1984­2014 zeigen, dass Verurteilungen wegen schwerer Körperverletzung in diesem Zeitraum, vor allem seit Mitte der 1990er-Jahre, merklich zugenommen haben. So wurden im Jahre 1984 32 Verurteilungen gegen Erwachsene gestützt auf Artikel 122 gefällt, im Jahre 1996 waren es 53 Verurteilungen, im Jahre 2005 95 Verurteilungen und im Jahre 2014 schliesslich 235 Verurteilungen.58 Gewalttaten, die eine schwere Körperverletzung zur Folge haben, ereignen sich nicht nur im Rahmen einer unter Umständen seit längerer Zeit angespannten persönlichen Beziehung, sondern oftmals im öffentlichen Raum. Durch die Berichterstattung in den Medien mag der Eindruck aufkommen, die Zahl der fraglichen Delikte sei stärker angestiegen, als dies tatsächlich der Fall ist. Unabhängig davon beeinträchtigen Berichte über unbeteiligte Passanten, die unvermittelt brutal zusammengeschlagen werden, das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung. Aus kriminalpolitischen Gründen wird deshalb eine Erhöhung der Mindeststrafe in Artikel 122 als angebracht erachtet.

Zudem ist zu bedenken, dass aufgrund des medizinischen Fortschritts Verletzungen, die bis vor wenigen Jahren noch als schwere Körperverletzungen im Sinne von Artikel 122 gewertet wurden, nun oft als einfache Körperverletzungen gelten und entsprechend zu einem milderen Urteil führen. Das bedeutet, dass heutzutage einer schweren Körperverletzung ein höherer Unrechtsgehalt innewohnt. Auch dies rechtfertigt eine Erhöhung der Mindeststrafe.

In der Vernehmlassung war vorgeschlagen worden, die Mindeststrafe von 180 Tagessätzen Geldstrafe auf Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu erhöhen. Durch die Formulierung der Strafdrohung von «Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren bis zu zehn Jahren» sollte gewährleistet werden, dass keine bedingten oder teilbedingten Freiheitsstrafen mehr ausgesprochen werden können (im Vorentwurf war berücksichtigt worden, dass der Bundesrat im Vorentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes [Änderungen des Sanktionenrechts]59, der kurz 58

59

Bundesamt für Statistik, Strafurteilsstatistik (SUS), Stand des Strafregisters: 30. April 2017. Die SUS basiert auf den im Strafregister eingetragenen Urteilen. Die Verurteilungen werden erst dann im Register erfasst, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Wird das erstinstanzliche Urteil im Rechtsmittelverfahren bestätigt, so wird es mit dem erstinstanzlichen Entscheiddatum im Strafregister registriert. Ein Rechtsmittelverfahren kann längere Zeit in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund kann es vor allem bei schweren Straftaten mehrere Jahre dauern, bis alle in einem Jahr gefällten Urteile im Strafregister eingetragen sind und in der Statistik erscheinen. Die Entwicklung der Zeitreihen in den jüngsten Erhebungsjahren ist bei Urteilen mit schweren Straftaten deshalb nicht aussagekräftig. Aus diesem Grund werden nur die Verurteilungen bis ins Jahr 2014 aufgeführt.

www.bundesrecht.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2010 > EJPD

2858

BBl 2018

zuvor in die Vernehmlassung geschickt worden war, vorgeschlagen hatte, dass nur noch Freiheitsstrafen von höchstens zwei Jahren teilbedingt vollzogen werden können). Der Vorschlag, die Mindeststrafe zu erhöhen, wurde in der Vernehmlassung zwar mehrheitlich positiv aufgenommen; allerdings wurde von mehreren Teilnehmenden das vorgeschlagene Ausmass der Erhöhung kritisiert. So wurde vorgebracht, es müsse weiterhin möglich sein, auch bei einer schweren Körperverletzung den bedingten oder teilbedingten Strafvollzug zu gewähren, da die Umstände, unter denen diese Tat begangen werden könne, sehr unterschiedlich seien. Den Gerichten müsse genügend Flexibilität zugestanden werden, damit eine gerechte Strafe ausgesprochen werden könne. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass die Mindeststrafe beim Totschlag lediglich ein Jahr Freiheitsstrafe betrage. Eine Mindeststrafe von mehr als zwei Jahren bei der schweren Körperverletzung stehe dazu in einem Missverhältnis. Von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmenden wurde vorgeschlagen, die Mindeststrafe lediglich auf ein Jahr zu erhöhen.

Diese Kritik überzeugt den Bundesrat. Er schlägt deshalb vor, die Mindeststrafe bei der schweren Körperverletzung auf ein Jahr Freiheitsstrafe zu erhöhen. Auch in Artikel 140 Ziffer 3 wird darauf verzichtet, eine Mindeststrafe von mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe vorzuschlagen (siehe Ziff. 1.3.2 Regelungsverzichte).

Art. 123 Ziff. 1 zweiter Abs. und Ziff. 2

Einfache Körperverletzung

In der Praxis kann bereits die Unterscheidung zwischen einer Tätlichkeit und einer einfachen Körperverletzung Mühe bereiten; die leichten Fälle der einfachen Körperverletzung sind noch schwieriger zu umschreiben. Diese Variante soll deshalb gestrichen werden. Falls nach Meinung des Gerichts tatsächlich lediglich eine einfache Körperverletzung an der Grenze zur Tätlichkeit begangen wurde, kann dies bei der allgemeinen Strafzumessung berücksichtigt werden.

In der Vernehmlassung wurde dieser Vorschlag mehrheitlich begrüsst oder zumindest als vertretbar erachtet.

Da die Strafandrohung in Ziffer 1 und 2 die gleiche ist, ist es nicht nötig, diese in Ziffer 2 ein zweites Mal zu erwähnen (siehe auch die Formulierungen in Art. 125 Abs. 2 und Art. 126 Abs. 2). Der Einleitungssatz von Ziffer 2 wird entsprechend angepasst.

Art. 124 Abs. 1

Verstümmelung weiblicher Genitalien

Im Zusammenhang mit der Erhöhung der Mindeststrafe bei der schweren Körperverletzung (Art. 122) stellt sich die Frage, ob eine solche auch bei der Verstümmelung weiblicher Genitalien (Art. 124) vorgenommen werden sollte. Derzeit beträgt die dortige Mindeststrafe Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen. Nach Ansicht des Bundesrates ist eine Erhöhung auf ein Jahr Freiheitsstrafe nicht angezeigt. Mit der Einführung von Artikel 124 wurden auch Straftaten, die vorher als (qualifizierte) einfache Körperverletzungen galten, neu dem gleichen Strafrahmen wie für schwere

2859

BBl 2018

Körperverletzungen unterstellt. Bei solchen Delikten ist eine weitergehende Strafschärfung nicht angebracht.60 Hingegen soll Artikel 124 an das neue Sanktionenrecht angepasst werden: Die Botschaft zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes (Änderungen des Sanktionenrechts) wurde am 4. April 2012 vom Bundesrat verabschiedet.61 Artikel 124 ist am 1. Juli 2012 in Kraft getreten.62 Im Entwurf zur Änderung des Sanktionenrechts wurde deshalb nicht auf diese Bestimmung Bezug genommen. Dies soll hier nachgeholt werden. Gleich wie bei anderen Bestimmungen, die bisher als Mindeststrafe «Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen» vorgesehen haben, soll auch bei der Verstümmelung weiblicher Genitalien neu eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten angedroht werden.

Art. 135

Gewaltdarstellungen

Die Änderungen, die in Artikel 135 vorgeschlagen werden, sind in Zusammenhang mit Artikel 197 (Pornografie) zu sehen. Die beiden Bestimmungen entsprechen einander ­ mit Ausnahme der «Schriften», die in Artikel 135 nicht erfasst sind ­ hinsichtlich der Tatmittel, das heisst der Medien oder Träger der strafbaren Handlungen, sowie hinsichtlich der Tathandlungen.63 Artikel 197 wurde im Rahmen der Genehmigung und Umsetzung der Lanzarote-Konvention umfassend revidiert. Die Änderungen sind am 1. Juli 2014 in Kraft getreten.64 Bei dieser Revision wurden nicht nur die Forderungen der Lanzarote-Konvention umgesetzt. Gleichzeitig wurden die Anliegen diverser parlamentarischer Vorstösse aufgenommen, insbesondere der Motionen Schweiger65 und Fiala66. Mit der Motion Fiala erhielt der Bundesrat den Auftrag zu prüfen, ob im Strafgesetzbuch die Strafandrohungen im Bereich der Kinderpornografie erhöht werden sollten. Die Motion Schweiger beauftragte den Bundesrat, den vorsätzlichen Konsum von Vorführungen harter Pornografie unter Strafe zu stellen. Sie zielt auf die lückenlose Strafbarkeit des Konsums, insbesondere des besitzlosen Konsums von harter Pornografie. Beide Motionen wurden umgesetzt, die Motion Fiala allerdings nur eingeschränkt: Die erhöhten Strafrahmen beziehen sich nur auf tatsächliche Darstellungen von Kinderpornografie, nicht aber beispielsweise auf Gemälde oder Comics.67 60

61 62 63 64 65 66 67

Siehe Stellungnahme des Bundesrates vom 25. Aug. 2010 zum Bericht vom 30. April 2010 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates zur Parlamentarischen Initiative Bernasconi vom 17. März 2005 (05.404 «Verbot von sexuellen Verstümmelungen»), BBl 2010 5677, hier 5680. Zur Verstümmelung weiblicher Genitalien siehe ausserdem «Sexuelle Verstümmelungen an Frauen. Sensibilisierungs- und Präventionsmassnahmen.

Bericht des Bundesrates vom 28. Okt. 2015 in Erfüllung der Motion Bernasconi (05.3235)», abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Curia Vista > Suche > Geschäftsnummer 05.3235 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

BBl 2012 4721 AS 2012 2575 Siehe BBl 1985 II 1009, hier 1045; Hagenstein Nadine, 2013, Art. 135 N 10 f.

AS 2014 1159, BBl 2012 7571 Mo. Schweiger vom 24. März 2006 (06.3170 «Bekämpfung der Cyberkriminalität zum Schutz der Kinder auf den elektronischen Netzwerken»).

Mo. Fiala vom 2. Okt. 2008 (08.3609 «Erhöhung der Strafandrohung bei Kinderpornografie»).

BBl 2012 7571, hier 7618 f.

2860

BBl 2018

Die in Artikel 197 vorgenommen Änderungen werden nun auch bei den Gewaltdarstellungen übernommen. Dies gebieten einerseits die erwähnten Parallelen zwischen den beiden Bestimmungen. Andererseits ist der Bundesrat dazu teilweise durch die vom Parlament überwiesene Motion Hochreutener68 verpflichtet: Diese Motion verlangt, dass zur Wahrung der Symmetrie diejenigen Massnahmen, die gestützt auf die Motion Schweiger umgesetzt werden, auch für Gewaltdarstellungen gelten sollen.

Zusammengefasst sollen folgende Änderungen vorgenommen werden:69 ­

Neu wird in Artikel 135 unterschieden, ob sich die Gewalttätigkeiten gegen Erwachsene oder gegen Minderjährige richten und ob reale minderjährige Personen betroffen sind oder nicht. Falls die Darstellungen tatsächliche grausame Gewalttätigkeiten gegen Minderjährige zum Inhalt haben, gilt ein strengeres Strafmass.

­

Der vorsätzliche Konsum von Gewaltdarstellungen wird strafbar.

­

Alle Handlungen im Zusammenhang mit dem Konsum von Gewaltdarstellungen werden gleich behandelt und umfassend bestraft; sie unterliegen allerdings einer milderen Strafdrohung als die Herstellungs- und Verbreitungshandlungen gemäss Absatz 1.

­

Die Gewinnsucht wird durch die Bereicherungsabsicht ersetzt. Handelt der Täter in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, so ist mit Freiheitsstrafe eine Geldstrafe zu verbinden.70

Im Vernehmlassungsverfahren wurden diese Vorschläge von denjenigen Teilnehmenden, die sich ausdrücklich dazu geäussert haben, überwiegend begrüsst.

2.2.2 Art. 139 Ziff. 2 und 3

Zweiter Titel: Strafbare Handlungen gegen das Vermögen Diebstahl

Der Vorentwurf sah vor, dass bei der gewerbsmässigen Begehung von Vermögensdelikten eine einheitliche Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe festgesetzt wird. In der Vernehmlassung gab es dazu eine mehrheitliche Zustimmung. Vereinzelt wurde eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe oder von 90 Tagessätzen Geldstrafe gefordert. Teilweise wurde der Vorschlag aus generellen Überlegungen abgelehnt, insbesondere weil eine einheitliche Mindeststrafe zu schematisch sei. Trotz der vereinzelt geübten Kritik hält der Bundesrat an seinem Vorschlag aus den nachfolgenden Gründen fest: In Ziffer 2 stellt sich die Frage, warum der gewerbsmässigen Begehung innerhalb der qualifizierten Fälle eine Sonderstellung eingeräumt wurde. Bei Einführung des StGB gab es keine Unterschiede, und für alle qualifizierten Fälle betrug die Min68 69 70

Mo. Hochreutener vom 5. Okt. 2006 (06.3554 «Ausdehnung der Motion Schweiger auf Gewaltdarstellungen»).

Für weitere Ausführungen vgl. BBl 2012 7571, hier 7618 f.

Zur Bereicherungsabsicht siehe ausserdem Begründung in Ziff. 2.2.4, Art. 197 Abs. 7.

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deststrafe drei Monate Freiheitsstrafe. In der Botschaft vom 10. Dezember 1979 über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes (Gewaltverbrechen)71 wurde für den qualifizierten Diebstahl eine Erhöhung der Mindeststrafe auf sechs Monate Freiheitsstrafe vorgeschlagen, weil das im Vergleich zum einfachen Raub angedrohte Strafminimum zu niedrig erschien. Das Parlament erhöhte in der Folge die Mindeststrafe für den qualifizierten Diebstahl mit Ausnahme des gewerbsmässigen Diebstahls. Grund dafür war die damalige Rechtsprechung des Bundesgerichts, die den Begriff der Gewerbsmässigkeit weit ausgelegt hat.72 Während der Revision des Vermögensstrafrechts hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung geändert und den Begriff der Gewerbsmässigkeit enger gefasst. Danach handelt der Täter gewerbsmässig, wenn er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufes ausübt, d. h. sich darauf eingerichtet hat, durch deliktische Handlungen relativ regelmässige Einnahmen zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen.73 Entsprechend kann Gewerbsmässigkeit nur noch bei besonderer Sozialgefährlichkeit angenommen werden.74 Diese neue Rechtsprechung hatte keine Auswirkungen auf die damals laufenden Gesetzgebungsarbeiten. Vielmehr wurden in Anlehnung an die Strafdrohung des gewerbsmässigen Diebstahls teilweise in anderen Strafbestimmungen die Strafdrohungen reduziert, wie beispielsweise beim gewerbsmässigen Betrug, der eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe vorgesehen hatte.75 Dieses Strafminimum war vor 1995 bei der gewerbsmässigen Begehung von Vermögensdelikte Standard. Ausnahmen bestanden lediglich für den Diebstahl und für die Warenfälschungsdelikte.

Demgegenüber wird die Gewerbsmässigkeit im geltenden Recht mit sehr unterschiedlichen Mindeststrafen geahndet: Geldstrafe von 90 Tagessätzen (Art. 139 Ziff. 2, 146 Abs. 2, 147 Abs. 2, 148 Abs. 2, 160 Ziff. 2), ein Jahr Freiheitsstrafe (Art. 156 Ziff. 2, 157 Ziff. 2), fakultativ ein Jahr Freiheitsstrafe (Art. 144bis Ziff. 2), oder es gibt gar keine Mindeststrafe (Art. 155 Ziff. 2 StGB). Das Bundesgericht trägt diesem Umstand dadurch Rechnung, dass es die Anwendbarkeit der Qualifikation auch von der Höhe der angedrohten Mindeststrafe abhängig macht.76 Diese Situation
ist unbefriedigend. Mit Blick auf eine einheitliche Anwendung des Rechts ist es vorzuziehen, wenn die Gewerbsmässigkeit einheitlich definiert wird, beziehungsweise wenn für diese bei den einzelnen Vermögensdelikten gleich hohe Anforderungen gelten. Aus diesem Grund ist die Mindeststrafe bei Gewerbsmässigkeit einheitlich festzulegen (mit Ausnahme für die Warenfälschung: siehe Regelungsverzichte, Ziff. 1.3.2), und zwar auf sechs Monate Freiheitsstrafe. Damit wird einerseits der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Gewerbsmässigkeit Rechnung getragen, und andererseits weist die gewerbsmässige Begehung von 71 72 73 74 75 76

BBl 1980 I 1241, hier 1256.

Niggli Marcel Alexander/Riedo Christoph, 2013, Art. 139 N 88.

BGE 116 IV 319 E. 4 S. 330, 117 IV 159 E. 2a S. 160, 119 IV 129 E. 3a S. 132, 123 IV 113 E. 2c S. 116 Trechsel Stefan/Crameri Dean, 2018, Art. 146 N 33.

BBl 1991 II 969, hier 1016.

BGE 116 IV 319 E. 4c S. 333, 116 IV 335, E. 2 S. 337, 117 IV 159 E. 2a S. 161, 119 IV 129 E. 3a S. 133, 123 IV 113 E. 2c S. 117

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Vermögensdelikten die gleiche Mindeststrafe auf wie der einfache Raub (Art. 140 Ziff. 1). Aufgrund der Erhöhung der Mindeststrafen ist nicht auszuschliessen, dass die Anforderungen an die Gewerbsmässigkeit weiter steigen werden.

Vorliegend wird die Strafdrohung von 90 Tagessätzen Geldstrafe auf sechs Monate Freiheitsstrafe angehoben. Damit lautet der Strafrahmen gleich wie in Ziffer 3. Der gewerbsmässige Diebstahl ist daher in Ziffer 3 einzufügen, wie es in der Vernehmlassung auch vorgeschlagen wurde. Somit gilt für den qualifizierten Diebstahl ­ wie bei Einführung des StGB ­ wiederum ein einheitliches Strafminimum. Ziffer 2 kann daher aufgehoben werden.

Die deutsche und die italienische Fassung von Artikel 139 Ziffer 3 dritter Absatz (Art. 139 Ziff. 3 Bst. c E-StGB) enthalten eine Präzisierung, die in der französischen Fassung fehlt: «zum Zweck des Diebstahls», «per commettere il furto». Dieses Versehen wird bei dieser Gelegenheit korrigiert.

Art. 140 Ziff. 2

Raub

Die deutsche und die italienische Fassung von Artikel 140 Ziffer 2 enthalten eine Präzisierung, die in der französischen Fassung fehlt: «zum Zweck des Raubes», «per commettere la rapina». Dieses Versehen wird bei dieser Gelegenheit korrigiert.

Art. 144 Abs. 3

Sachbeschädigung

Vor der Revision 1995 kam die qualifizierte Form der Sachbeschädigung nur zur Anwendung, wenn ein grosser Schaden entstanden war und der Täter aus gemeiner Gesinnung gehandelt hatte. Die höhere Strafe (Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe) war zwingend. Mit der Revision 1995 wurde das Merkmal der gemeinen Gesinnung gestrichen und eine fakultative Strafschärfung eingefügt. Es sollte nur noch in besonders schweren Fällen eine schärfere Strafe ausgefällt werden.77 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Schaden von mindestens 10 000 Franken als gross zu bezeichnen. Das Bundesgericht hat aber bisher offen gelassen, ob dabei die finanziellen Verhältnisse der geschädigten Person zu berücksichtigen sind.78 Mit Ausnahme der Datenbeschädigung (Art. 144bis Ziff. 1 zweiter Abs.) wird in den übrigen Strafbestimmungen dieses Titels nicht darauf abgestellt, ob durch die Straftat ein grosser Vermögensschaden verursacht wird. Da die Mindeststrafe zudem nur fakultativ ist und in der Praxis nur kurze Freiheitsstrafen ausgesprochen werden, ist vorliegend auf eine Mindeststrafe zu verzichten. Damit fällt der Übergang vom Grundtatbestand (Antragsdelikt) zum qualifizierten Tatbestand (Offizialdelikt) nicht so gravierend aus. Vergleichbare Regelungen sind beispielsweise in Artikel 123 Ziffer 2 (Einfache Körperverletzung) oder in Artikel 125 Absatz 2 E-StGB (fahrlässige Körperverletzung) enthalten.

77 78

BBl 1991 II 969, hier 1013.

BGE 136 IV 117 E. 4.3.1 S. 119

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Art. 144bis Ziff. 1 zweiter Abs. und Ziff. 2 zweiter Abs.

Datenbeschädigung

Mit Bezug auf das Strafmass bei Verursachung eines grossen Schadens (Ziff. 1 zweiter Abs.) kann auf die Ausführungen zur Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 3 E-StGB) verwiesen werden.

In Ziffer 2 wird einerseits die Mindeststrafe bei gewerbsmässigem Handeln auf sechs Monate Freiheitsstrafe reduziert (vgl. Bemerkungen zu Art. 139 Ziff. 2 E-StGB).

Andererseits wird bei gewerbsmässiger Begehung der obere Strafrahmen von fünf auf zehn Jahre Freiheitsstrafe erhöht. Damit wird der Strafrahmen an jenen der übrigen gewerbsmässig begangenen Vermögensdelikte angeglichen.

Art. 146 Abs. 2

Betrug

In Absatz 2 wird die Mindeststrafe bei gewerbsmässigem Handeln von 90 Tagessätzen Geldstrafe auf sechs Monate Freiheitsstrafe erhöht (vgl. Bemerkungen zu Art. 139 Ziff. 2 E-StGB). Vor der Revision des Vermögensstrafrechts, die am 1. Januar 1995 in Kraft getreten ist, betrug die Mindeststrafe ein Jahr Freiheitsstrafe.

Art. 147 Abs. 2

Betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage

In Absatz 2 wird die Mindeststrafe bei gewerbsmässigem Handeln von 90 Tagessätzen Geldstrafe auf sechs Monate Freiheitsstrafe erhöht (vgl. Bemerkungen zu Art. 139 Ziff. 2 E-StGB). Die Strafen betragen bereits heute tendenziell sechs Monate Freiheitsstrafe oder mehr, wobei nur wenige Verurteilungen vorliegen.

Art. 148 Abs. 2

Check- und Kreditkartenmissbrauch

In Absatz 2 wird die Mindeststrafe bei gewerbsmässigem Handeln von 90 Tagessätzen Geldstrafe auf sechs Monate Freiheitsstrafe erhöht (vgl. Bemerkungen zu Art. 139 Ziff. 2 E-StGB).

Art. 156 Ziff. 2

Erpressung

Die Erpressung richtet sich nicht allein gegen das Vermögen, sondern auch gegen die persönliche Freiheit. In Ziffer 2 wird die Mindeststrafe bei gewerbsmässigem Handeln oder bei fortgesetzter Erpressung der gleichen Person von einem Jahr Freiheitsstrafe auf sechs Monate Freiheitsstrafe reduziert (vgl. Bemerkungen zu Art. 139 Ziff. 2 E-StGB). Aus den Materialien ergibt sich nicht, warum bei der Revision des Vermögensstrafrechts die Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe unverändert beibehalten wurde, während beim Betrug (Art. 146 Abs. 2) und bei der Hehlerei (Art. 160 Ziff. 2) diese auf 90 Tagessätze Geldstrafe reduziert wurde.79 Aus heutiger Sicht lassen sich diese unterschiedlichen Mindeststrafen nicht erklären.

Art. 157 Ziff. 2

Wucher

In Ziffer 2 wird die Mindeststrafe bei gewerbsmässigem Handeln von einem Jahr Freiheitsstrafe auf sechs Monate Freiheitsstrafe reduziert (vgl. Bemerkungen zu 79

Stratenwerth Günter/Jenny Guido/Bommer Felix, 2010, § 13 N 97.

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Art. 139 Ziff. 2 E-StGB). Aus den Materialien ergibt sich nicht, warum bei der Revision des Vermögensstrafrechts die Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe unverändert übernommen wurde, während beim Betrug (Art. 146 Abs. 2) und bei der Hehlerei (Art. 160 Ziff. 2) diese auf 90 Tagessätze Geldstrafe reduziert wurde.80 Aus heutiger Sicht lassen sich diese unterschiedlichen Mindeststrafen nicht erklären.

Art. 158 Ziff. 1 dritter Abs.

Ungetreue Geschäftsbesorgung

Die Variante mit der Bereicherungsabsicht in Ziffer 1 dritter Absatz wird mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bestraft. Die Expertenkommission hatte im Rahmen der Revision 1995 eine Höchststrafe von zehn Jahren Freiheitsstrafe vorgeschlagen, was eine Mindeststrafe von einem Jahr gerechtfertigt hätte. Da man aber diese Bestimmung in Einklang mit der Sanktion des Betrugs und des betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage bringen wollte, wurde der obere Strafrahmen auf fünf Jahre reduziert.81 Vor der Revision 1995 wurde für die qualifizierte Tatbegehung Gewinnsucht vorausgesetzt. Damit sollte ein besonders verwerfliches Verhalten sanktioniert werden.

Das Bundesgericht hat diesen Begriff immer mehr der unrechtmässigen Bereicherung angenähert und weitestgehend gleichgesetzt (BGE 107 IV 124 ff.), sodass bei der Revision 1995 diese Rechtsprechung übernommen wurde. Aus diesem Grund wird die Mindeststrafe gestrichen und die «kann»-Vorschrift durch eine «ist»-Vorschrift ersetzt (siehe Ziff. 1.2.1). Das gilt bereits nach geltendem Recht für die parallele Bestimmung im MStG (Art. 144 Abs. 2 MStG). Damit wird in den Fällen von Bereicherungsabsicht (Ziff. 1 dritter Abs. und Ziff. 2) die gleiche Strafe angedroht.

Art. 160 Ziff. 2

Hehlerei

In Ziffer 2 wird die Mindeststrafe bei gewerbsmässigem Handeln von 90 Tagessätzen Geldstrafe auf sechs Monate Freiheitsstrafe erhöht (vgl. Bemerkungen zu Art. 139 Ziff. 2 E-StGB). Vor der Revision des Vermögensstrafrechts, die am 1. Januar 1995 in Kraft getreten ist, betrug die Mindeststrafe ein Jahr Freiheitsstrafe.

Art. 165 Ziff. 1bis

Misswirtschaft

Im Rahmen dieser Vorlage wird die vom Parlament überwiesene Motion der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats («Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA»; 10.3634) umgesetzt. Diese verlangt eine Änderung des Strafgesetzbuchs dahingehend, dass eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Schuldners gegenüber den Gläubigern geschaffen wird, falls der systemrelevante Schuldner durch eine staatliche Intervention massgeblich finanziell unterstützt wird und die Notwendigkeit hierzu durch die Misswirtschaft des Schuldners bedingt wurde.

Artikel 165 Ziffer 1 enthält eine objektive Strafbarkeitsbedingung. Danach muss über den Schuldner der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausge80 81

Stratenwerth Günter/Jenny Guido/Bommer Felix, 2010, § 13 N 97.

BBl 1991 II 969, hier 1049.

2865

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stellt worden sein. Interveniert aber der Staat zugunsten eines in finanzielle Schieflage geratenen Unternehmens, wird ein Konkurs vermieden und die Konkursdelikte (Art. 163 ff.) finden keine Anwendung. Diese als stossend empfundene Situation ist vergleichbar mit dem Abschluss eines gerichtlichen Nachlassvertrags. Auch in dieser Konstellation wird kein Konkurs eröffnet. Damit die Konkursdelikte trotzdem zur Anwendung kommen können, gilt der angenommene und bestätigte gerichtliche Nachlassvertrag in den Artikeln 163 Ziffer 1, 164 Ziffer 1, 165 Ziffer 1, 166 und 167 ebenfalls als objektive Strafbarkeitsbedingung (Art. 171 Abs. 1).

Vorliegend ist massgebend, dass die drohende Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch eine behördliche Stützungsmassnahme abgewendet wurde (wie wohl im Fall UBS im Jahr 2008). Zwischen der verbotenen Handlung und den Umständen, welche zur behördlichen Stützungsmassnahme führen, muss kein Kausalzusammenhang bestehen. Ebenfalls kommt es nicht darauf an, ob auch ohne die behördliche Intervention der Konkurs hätte vermieden werden können, was kaum nachweisbar wäre.

Empfänger von behördlichen Stützungsmassnahmen sind in erster Linie systemrelevante Unternehmen. In der Schweiz gelten bislang einzelne Banken als systemrelevant. Die Voraussetzungen dazu werden im Bundesgesetz vom 8. November 193482 über die Banken und Sparkassen (Art. 7 ff.) näher umschrieben, und die Schweizerische Nationalbank bezeichnet die systemrelevanten Banken. Aktuell sind dies die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse, die Zürcher Kantonalbank, die Raiffeisengruppe sowie die PostFinance AG. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Unternehmen in einer gleichen Lage behördliche Stützungsmassnahmen erhalten. Im Sinne der Rechtsgleichheit wäre daher eine Eingrenzung des Tatbestands auf systemrelevante Unternehmen nicht sachgerecht.

Art. 168

Bestechung bei Zwangsvollstreckung

Aufgrund der AT-Revision 2002 sind die Strafrahmen für alle drei Varianten identisch, sodass die Bestimmung ­ ohne materielle Änderung ­ neu formuliert wird.

Art. 171 Abs. 2

Gerichtlicher Nachlassvertrag

Bei dieser Bestimmung handelt sich um eine besondere Form der Wiedergutmachung, indem der Schuldner oder Dritte besondere wirtschaftliche Anstrengungen für das Zustandekommen eines gerichtlichen Nachlassvertrags unternehmen müssen.

Indessen geht Absatz 2 weiter als Artikel 48 Buchstabe d (Strafmilderung) und weniger weit als Artikel 53 (Wiedergutmachung), da die Strafbefreiung nur fakultativ ist und nicht die gleichen Voraussetzungen dafür gelten. In der Botschaft vom 24. April 1991 über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes (Strafbare Handlungen gegen das Vermögen und Urkundenfälschung)83 wurde auf die Revision des Allgemeinen Teils des StGB verwiesen und insbesondere auf die Wiedergutmachung.

82 83

SR 952.0 BBl 1991 II 969, hier 1071.

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Nach der geltenden Rechtslage kann der Täter eine obligatorische Strafbefreiung aufgrund einer Wiedergutmachung nach Artikel 53 erlangen, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Subsidiär sind die Artikel 171 Absatz 2 und 171bis anwendbar, welche eine fakultative Strafbefreiung vorsehen. Damit werden die Täter der Betreibungs- und Konkursdelikte gegenüber den Tätern der übrigen Vermögensdelikte besser gestellt, was unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit nicht sachgerecht erscheint.

Die vorgeschlagene Aufhebung kann zu einer Verschärfung der Rechtslage führen, weil die Wiedergutmachung im Vergleich zu Absatz 2 zusätzliche Anwendungsvoraussetzungen enthält. Insbesondere müssen die Voraussetzungen für die bedingte Strafe erfüllt und das Interesse der Öffentlichkeit und des Geschädigten an der Strafverfolgung gering sein (Art. 53). Mit Bezug auf das erste Kriterium der bedingten Strafe ist anzunehmen, dass kaum Fälle denkbar sind, bei denen nicht gleichzeitig die Artikel 53 und 171 Absatz 2 zur Anwendung kommen. Ist beispielsweise das begangene Betreibungs- oder Konkursdelikt so schwerwiegend, dass eine bedingte Strafe ausgeschlossen ist, dürfte auch eine fakultative Strafbefreiung nicht infrage kommen. Beim zweiten Kriterium des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ist zu beurteilen, ob die Ausfällung einer bedingten Strafe aus general- oder spezialpräventiven Gründen noch notwendig erscheint. Bei Straftaten gegen individuelle Interessen und einem Verletzten, der die Wiedergutmachungsleistung akzeptiert, wird häufig das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung entfallen. Bei Straftaten gegen öffentliche Interessen ist zu beurteilen, ob es mit der Erbringung der Wiedergutmachung sein Bewenden haben soll oder, ob sich unter Gesichtspunkten des Schuldausgleichs und der Prävention weitere strafrechtliche Reaktionen aufdrängen.84 Die Betreibungs- und Konkursdelikte schützen in erster Linie die Zugriffsrechte der Gläubiger auf das dem Zwangsvollstreckungsverfahren unterliegende Vermögen des Schuldners und in zweiter Linie das Zwangsvollstreckungsverfahren als Teil der Rechtspflege. Entsprechend ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung infolge einer Wiedergutmachung regelmässig entfallen dürfte und nur ausnahmsweise aus Gründen des Schuldausgleichs und der Prävention eine bedingte Strafe ausgefällt werden muss.

Art. 171bis

Widerruf des Konkurses

Es gilt das unter Artikel 171 Absatz 2 E-StGB Gesagte. Diese Bestimmung gilt nur für Konkursdelikte, nicht aber für Pfändungsdelikte. Folglich ändert die nachträgliche Aufhebung des Verlustscheins wegen Tilgung der Schuld nichts an der Strafbarkeit, dies unter Vorbehalt einer Wiedergutmachung (Art. 53). Es ist sachlich gerechtfertigt, den Widerruf eines Konkurses und die Aufhebung eines Verlustscheins gleich zu behandeln.

84

BGE 135 IV 12 E. 3.4.3 S. 22

2867

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2.2.3

Dritter Titel: Strafbare Handlungen gegen die Ehre und den Geheim- oder Privatbereich

Art. 179ter zweiter Abs.

Unbefugtes Aufnehmen von Gesprächen

Im zweiten Absatz wird der letzte Teilsatz («oder einem Dritten vom Inhalt der Aufnahme Kenntnis gibt») gestrichen. Der französische und der italienische Gesetzestext enthalten diese Formulierungen nicht. In der Lehre werden diese Fassungen als die Richtigen bezeichnet.85 Art. 179quinquies Abs. 2

Nicht strafbare Aufnahmen

Im geltenden Recht ist der Verweis in Absatz 2 verwirrend, als es in den angeführten Bestimmungen um die Verwertung von strafbar erlangten Aufzeichnungen geht.

Eine rein grammatikalische Auslegung würde dazu führen, dass die nach Absatz 1 legal erstellten Aufnahmen keinen erlaubten Verwendungszweck haben könnten.

Aus diesem Grund ist Absatz 2 neu zu formulieren. Straflos soll sein, wenn eine Aufnahme nach Absatz 1 zum Zweck der Beweisführung (z. B. vor Gericht, zur Ermittlung des Urhebers des falschen Alarms oder zur Beseitigung von Missverständnissen) erfolgt ist. Folglich ist die Aufbewahrung der Aufnahme unumgänglich und nicht tatbestandsmässig. Jedoch bleibt strafbar, wer die Aufzeichnungen zweckwidrig verwendet, und zwar auch dann, wenn sie im Rahmen des Zulässigen angefertigt wurden. Sobald die Notwendigkeit oder das Interesse an einer Beweisführung entfällt, sind die Aufnahmen zu löschen, analog dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz in Artikel 4 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199286 über den Datenschutz.

Art. 179septies

Missbrauch einer Fernmeldeanlage

Die Bestimmung schützt das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person vor bestimmten Beeinträchtigungen durch eine Fernmeldeanlage. Der Missbrauch einer Fernmeldeanlage kann teilweise massiv sein, sodass die heutige Strafdrohung als zu niedrig erscheint. Insbesondere in Fällen von Stalking ist das Missbrauchspotenzial aufgrund der heute zur Verfügung stehenden Telekommunikationsmittel erheblich.

Zudem werden die beiden subjektiven Elemente Bosheit und Mutwillen gestrichen.

Damit werden einerseits obszöne Belästigungen und andererseits unglücklich Verliebte strafrechtlich erfasst, sofern in objektiver Hinsicht lästige oder beunruhigende Anrufe eine gewisse minimale, quantitative Intensität und/oder qualitative Schwere erreichen.87 Im geltenden Recht ist fraglich, ob bei obszönen Belästigungen die erwähnten Motive erfüllt sind88; ebenso wie bei unglücklich Verliebten. Sie dürften daher regelmässig straflos bleiben.

85 86 87 88

Stratenwerth Günter/Jenny Guido/Bommer Felix, 2010, § 12 N 50 mit Hinweisen.

SR 235.1 BGE 126 IV 216 E. 2 Stratenwerth Günter/Jenny Guido/Bommer Felix, 2010, § 12 N 71 mit Hinweisen.

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Hinsichtlich unerwünschter Werbeanrufe gilt seit dem 1. April 2012 eine neue Regelung im Bundesgesetz vom 19. Dezember 198689 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Danach handelt unlauter, wer den Vermerk im Telefonbuch nicht beachtet, dass ein Kunde keine Werbemitteilungen von Dritten erhalten möchte und dass seine Daten zu Zwecken der Direktwerbung nicht weitergegeben werden dürfen (Art. 3 Abs. 1 Bst. u UWG). Das Delikt wird nur auf Antrag verfolgt und bei vorsätzlicher Widerhandlung droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (Art. 23 Abs. 1 UWG).

Art. 179octies Abs. 2

Amtliche Überwachung, Straflosigkeit

Seit dem 1. Januar 2011 sind die Voraussetzungen der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und das Verfahren teils im Bundesgesetz vom 18. März 201690 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) und teils in der StPO enthalten. Die Artikel 35 f. BÜPF regeln die Überwachung ausserhalb eines Strafverfahrens und die Artikel 269 ff. StPO die Überwachung im Rahmen eines Strafverfahrens.

2.2.4

Fünfter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen die sexuelle Integrität

Mit dem per 1. Oktober 1992 in Kraft gesetzten revidierten Sexualstrafrecht besteht ein abgestuftes System zur Strafverfolgung von Sexualdelikten. Mit den Tatbeständen der Artikel 187­193 werden zwei Rechtsgüter geschützt: Die Artikel 187 (sexuelle Handlungen mit Kindern) und 188 (sexuelle Handlungen mit Abhängigen) schützen die ungestörte sexuelle Entwicklung von Minderjährigen. Die Artikel 189 (sexuelle Nötigung), 190 (Vergewaltigung), 191 (Schändung), 192 (sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten) und 193 (Ausnützung der Notlage) schützen die sexuelle Selbstbestimmung.

Art. 187 Ziff. 1­1ter und 4

Sexuelle Handlungen mit Kindern

Ziffern 1 und 4: Bei den Tatbeständen der Artikel 187­189 (sexuelle Handlungen mit Kindern, sexuelle Handlungen mit Abhängigen, sexuelle Nötigung), 191­193 (Schändung, sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten, Ausnützung der Notlage), 195 (Förderung der Prostitution) und 196 (sexuelle Handlungen mit Minderjährigen gegen Entgelt) soll aus kriminalpolitischen und generalpräventiven Gründen keine Geldstrafe mehr ausgesprochen werden können.

Es soll in Zukunft ausschliesslich zu Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe kommen. In der Vernehmlassung stiess dieser Vorschlag bei einer grossen Mehrheit auf Zustimmung.

89 90

SR 241 SR 780.1

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Die kurze Freiheitsstrafe wird mit der AT-Revision 2015 unter weniger strengen Voraussetzungen ­ und der bedingte Vollzug derselben grundsätzlich wieder ­ zugelassen; die Mindestdauer der Freiheitsstrafe wurde auf drei Tage festgesetzt (Art. 40 Abs. 1, 41 und 42 Abs. 1 StGB). Dies bedeutet, dass bei den aufgeführten Sexualdelikten Freiheitsstrafen ab drei Tagen ausgesprochen werden können, mit oder ohne Gewährung des bedingten Vollzugs. In der Botschaft zur AT-Revision 2015 wurde die Wiedereinführung der kurzen Freiheitstrafe unter anderem damit begründet, es sei nicht auszuschliessen, dass die Sanktionierung von Taten mit einer Geldstrafe bei Opfern den Eindruck aufkommen lasse, selbst die Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter lasse sich durch eine blosse Geldzahlung erledigen. Deshalb könnten sich Opfer nicht ernst genommen fühlen, was im Widerspruch zu den gesetzgeberischen Bemühungen um eine bessere Berücksichtigung der Opferanliegen im Strafrecht stehe.91 Ziffer 1 dritter Absatz wird ausserdem sprachlich an Artikel 156 Ziffer 1 dritter Absatz MStG angepasst; inhaltlich ändert sich nichts.

Ziffern 1bis und 1ter: Am 14. März 2016 reichte Ständerat Jositsch eine parlamentarische Initiative92 ein, die verlangt, dass in den Artikeln 187, 189, 190 und 191 Mindeststrafen eingeführt werden, deren Höhe vom Alter der Opfer abhängt. So sollte bei Artikel 187 die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr betragen, wenn das Opfer das 12. Altersjahr noch nicht vollendet hat. Der pa. Iv. wurde von den Kommissionen für Rechtsfragen beider Räte Folge gegeben.93 Der Bundesrat teilt die Ansicht, dass Kinder unter 12 Jahren besonders schutzbedürftig sind. Sie sind in der Regel nicht in der Lage, die Unrechtmässigkeit der vorgenommenen sexuellen Handlungen zu erkennen.94 Ein Täter, der ein derart junges Kind missbraucht, handelt besonders verwerflich. Dies soll mit der Einführung einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe bei Opfern, die das 12. Altersjahr noch nicht vollendet haben, zum Ausdruck gebracht werden (Ziff. 1bis). Die Höchststrafe bleibt bei fünf Jahren Freiheitsstrafe.

Gleichzeitig mit der Mindeststrafe soll eine privilegierte Form für «leichte Fälle» mit einer Strafandrohung bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe eingeführt werden (Ziff. 1ter). Diese gilt, wie sich aus der Systematik
ergibt, unabhängig vom Alter des Opfers, das heisst somit auch dann, wenn das Opfer zwischen 12 und 16 Jahre alt ist.

Aus folgenden Gründen ist es angezeigt, eine mildere Strafandrohung für leichte Fällen vorzusehen: Mögliche sexuelle Handlungen, die von Artikel 187 erfasst werden, reichen von Beischlaf, oraler und analer Penetration auf der einen Seite bis zu weit weniger schwerwiegenden Handlungen wie z. B. dem oft genannten Zungenkuss oder dem Griff an 91 92 93 94

BBl 2012 4721, hier 4736.

Pa. Iv. Jositsch vom 14. März 2016 (16.408 «Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern unter 16 Jahren»).

www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Curia Vista > Suche > Geschäftsnummer 16.408; Stand 22. Nov. 2017.

Siehe auch Botschaft vom 22. Juni 2011 zum Bundesgesetz zur Umsetzung von Art. 123b der Bundesverfassung über die Unverjährbarkeit sexueller und pornografischer Straftaten an Kindern vor der Pubertät; BBl 2011 5977, hier 5997. Gemäss Art. 101 Abs. 1 Bst. e StGB tritt keine Verjährung ein für sexuelle Handlungen mit Kindern und weitere Sexualdelikte, wenn sie an Kindern unter 12 Jahren begangen wurden.

2870

BBl 2018

das nackte Gesäss eines Kindes, wenn relativ stark zugepackt wird. Bei der Beurteilung sind die gesamten objektiven Umstände des sexuellen Übergriffs zu berücksichtigen. Bei sexuellen Handlungen mit Kindern nach Artikel 187 ist es allerdings nicht immer notwendig, dass ein Körperkontakt zwischen Täter und Opfer besteht.

Es gibt in dieser Bestimmung drei Tatbestandsvarianten: Die Vornahme einer sexuellen Handlung an einem Kind, die Verleitung eines Kindes zu einer sexuellen Handlung oder aber das Einbeziehen des Kindes in eine sexuelle Handlung. Bei den beiden Tatbestandsvarianten «Verleiten zu sexuellen Handlungen» und «Einbeziehen in sexuelle Handlungen» kommt es zu keinem Körperkontakt zwischen Opfer und Täter. Bei der Tatbestandsvariante «Einbeziehen in sexuelle Handlungen», bei der das Kind als Zuschauer in die sexuelle Handlung einbezogen wird, ist seine normale Entwicklung weit weniger gefährdet, als wenn es selbst körperlich beeinträchtigt würde.

Weiter ist zu bedenken, dass es bei einem älteren Opfer vorkommen kann, dass es in die sexuelle Handlung ­ wenn auch nicht rechtswirksam, so doch mit freiem Willen ­ einwilligt oder diese sogar initiiert. Je nach den weiteren Umständen der Tat ist bei einer derartigen Konstellation eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe unangemessen.

Um zu verhindern, dass wegen Mindeststrafen in leichten Fällen überhöhte Sanktionen ausgesprochen werden müssen, werden in der Praxis zuweilen unbestimmte Rechtsbegriffe restriktiver ausgelegt. Im hier vorliegenden Kontext könnte dies bedeuten, dass die Strafbehörden, sofern keine privilegierte Form vorgesehen wird, die Definition der strafbaren sexuellen Handlung einschränken. Die Konsequenz wäre, dass es im unteren Bereich der gegenwärtig strafbaren Handlungen zu weniger Verurteilungen kommen würde. Mit dem Vorsehen eines «leichten Falles» soll dies verhindert werden.95 Schliesslich zeigt die Strafurteilsstatistik, dass bei einem grossen Teil der Verurteilungen gestützt auf Artikel 187 Strafen unter 12 Monaten ausgesprochen werden, wobei das Alter der Opfer nicht aus der Statistik hervorgeht. Im Jahr 2016 wurden 104 (2015: 145) Verurteilungen gegen Erwachsene ausschliesslich gestützt auf Artikel 187 ausgesprochen. Bei 86 (2015: 117) davon wurden Strafen unter 12 Monaten ausgesprochen, das entspricht 83
Prozent (2015: 81%). Bei 70 (2015: 94) der 104 (2015: 145) Verurteilungen wurden Strafen unter 6 Monaten ausgesprochen, das entspricht 67 Prozent (2015: 65%).96 Diese tiefen Strafen sind entweder auf leichtere Tatumstände oder auf die Anwendung von Strafmilderungsgründen (Versuch, verminderte Schuldfähigkeit, Gehilfenschaft) zurückzuführen.

Art. 188

Sexuelle Handlungen mit Abhängigen

Ziffer 1 (Streichung der Geldstrafe): Siehe Bemerkungen zu Artikel 187 Ziffern 1 und 4 E-StGB.

95 96

Siehe auch Daniel Jositsch/Martina Conte, 2017, Ziffer IV. C. 2., Seite 377/378.

Bundesamt für Statistik, Strafurteilsstatistik (SUS), Stand: 30. April 2017.

2871

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Die in Ziffer 2 vorgesehene Möglichkeit, von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung abzusehen, wenn die verletzte Person mit dem Täter die Ehe oder eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist, soll aufgehoben werden. In der Botschaft vom 26. Juni 1985 über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes (Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Sittlichkeit und gegen die Familie)97 war argumentiert worden, je mehr sich das Opfer der Mündigkeit und damit dem normalen Heiratsalter nähere, desto mehr rechtfertige sich diese Strafbefreiung. Diese Begründung kann aus heutiger Sicht bei dieser Strafnorm nicht mehr überzeugen. Auch das seinerzeitige Bestreben des Gesetzgebers, der veränderten Beziehung zwischen Täter und Opfer Rechnung zu tragen und die Ehe bzw. eingetragene Partnerschaft nicht von Anfang an mit einem Strafverfahren zu belasten, überzeugt kaum. Zwar handelt es sich um einen fakultativen Strafbefreiungsgrund; doch ist zu bedenken, dass es bei den Artikeln 188, 192 (sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten) und 193 (Ausnützung der Notlage) unter Ausnutzung der Abhängigkeit des Opfers zu sexuellen Handlungen kommt. Im Gegensatz dazu ist es bei den sexuellen Handlungen mit Kindern (Art. 187), wo ebenfalls eine fakultative Strafbefreiung vorgesehen ist, möglich, dass die sexuelle Beziehung von «Opfer» und «Täter» gewollt ist. In diesen Fällen ist eine Strafbefreiung vertretbar. Im Übrigen kann eine Strafbefreiung allenfalls über die Artikel 52 (fehlendes Strafbedürfnis) oder 53 (Wiedergutmachung) erreicht werden.

Art. 189 Abs. 1

Sexuelle Nötigung

Streichung der Geldstrafe: Siehe Bemerkungen zu Artikel 187 Ziffern 1 und 4 E-StGB.

In den Artikeln 189 und 190 werden weitere Änderungen vorgeschlagen, die in der Vernehmlassungsvorlage noch nicht enthalten waren: Zunächst geht es um eine Anpassung des Gesetzeswortlauts an die Rechtsprechung des Bundesgerichts und die weitverbreitete Auffassung in der Lehre: Als abgenötigtes Verhalten soll nebst der «Duldung» auch wieder die «Vornahme» von sexuellen Handlungen im Tatbestand erwähnt werden. Seit der Revision des Sexualstrafrechts per 1. Oktober 1992 wird in Artikel 189 und 190 als abgenötigtes Verhalten lediglich die «Duldung» einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung bzw. des Beischlafs genannt. Im alten Sexualstrafrecht war in der Vorgänger-Norm von Artikel 189, Artikel 188 aStGB («Nötigung zu einer andern unzüchtigen Handlung»), noch von «Duldung oder Vornahme einer andern unsittlichen Handlung» die Rede gewesen. In BGE 127 IV 198 führte das Bundesgericht aus, für die sich aus dem Gesetzeswortlaut ergebende Beschränkung des Tatbestands von Artikel 189 auf die Nötigung zur Duldung von sexuellen Handlungen gebe es keine sachlichen Gründe und sie sei vom Gesetzgeber auch nicht gewollt. Aus den Materialien ergebe sich zweifelsfrei, dass ein offensichtliches Versehen des Gesetzgebers vorliege.

Unter diesen Umständen sei eine berichtigende Auslegung durch die Rechtsprechung in dem Sinne, dass die Bestimmung über ihren Wortlaut hinaus auch die Nötigung zur Vornahme von sexuellen Handlungen erfasse, mit dem Legalitätsprin97

BBl 1985 II 1009, hier 1070.

2872

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zip im Sinne von Artikel 1 StGB vereinbar. Eine Anwendung der Bestimmung streng nach dem engen Wortlaut würde zu sachwidrigen und offenkundig stossenden Ergebnissen führen. Das Bundesgericht forderte den Gesetzgeber auf, sein Versehen bei Gelegenheit zu korrigieren.98 Unter anderem in BGE 131 IV 107 und 132 IV 120 bestätigte das Bundesgericht diesen Entscheid. Die vorliegende Revision bietet nun Gelegenheit, dieses Versehen zu berichtigen. Nicht nur bei der sexuellen Nötigung, sondern auch bei der Vergewaltigung ist eine Anpassung des Wortlauts angebracht.

Der zweite Vorschlag nimmt ein Anliegen zweier parlamentarischer Vorstösse99 und einer Standesinitiative des Kantons Genf100 auf. Mit der Interpellation Hiltpold wurde der Bundesrat angefragt, ob er eine Änderung der Artikel 189 und 190 angebracht erachte, um eine einzige Strafnorm zur Ahndung jeder Form der sexuellen Nötigung zu schaffen. Mit der Motion Hiltpold wird der Bundesrat beauftragt, die Definition von «Vergewaltigung» dergestalt auszuweiten, dass jede erzwungene sexuelle Penetration, unabhängig vom Geschlecht des Opfers oder des Täters, erfasst wird. Es wurde begründet, es müsse auch Männern, Homo- und Bisexuellen wie auch Transgendern der Status eines Opfers von Vergewaltigung gegeben und ihr Trauma müsse rechtlich anerkannt werden. Die von ihnen erlittene Strafhandlung müsse als «Vergewaltigung» bezeichnet werden und es sei ­ im Gegensatz zur sexuellen Nötigung nach Artikel 189 ­ eine Mindeststrafe vorzusehen.

In seiner Antwort bzw. Stellungnahme zu den beiden Vorstössen begründete der Bundesrat, weshalb die geltende Regelung weder zu Strafbarkeitslücken führe noch hinsichtlich der Strafdrohungen Inkongruenzen aufweise.101 Es würden sowohl weibliche als auch männliche Opfer sexueller Gewalt geschützt. Der Bundesrat anerkannte jedoch, dass «Vergewaltigung» in der internationalen Rechtspraxis geschlechtsneutral definiert wird.102 Es sei deshalb wie auch aufgrund des veränderten gesellschaftlichen Verständnisses über den Begriff der «Vergewaltigung» zu prüfen, ob eine Revision des Sexualstrafrechts erforderlich sei.

98 99

BGE 127 IV 198 E. 3 Ip. Hiltpold vom 19. Juni 2013 (13.3485 «Definition von Vergewaltigung im Strafgesetzbuch»); Mo. Hiltpold vom 20. Juni 2014 (14.3651 «Strafgesetzbuch. Schluss mit der Diskriminierung bei der Definition von Vergewaltigung»).

100 Standesinitiative Genf vom 21. Mai 2014 (14.311 «Neudefinition des Rechtsbegriffs der Vergewaltigung in den Artikeln 189 und 190 des Strafgesetzbuchs»).

101 Siehe auch BGE 132 IV 120 E. 2, wonach die Strafe für eine Nötigung zur Duldung einer beischlafsähnlichen Handlung nicht wesentlich niedriger sein darf als die Strafe, welche der Richter unter im Übrigen vergleichbaren Umständen für eine Vergewaltigung ausgesprochen hätte.

102 Hinzuweisen ist insbesondere auf die Rechtsprechung der UNO-Ad-hoc-Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda (siehe BBl 2008 3863, hier 3927) sowie auf Art. 36 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention), http://conventions.coe.int > Gesamtverzeichnis > Nr. 210. Weiter empfiehlt die Parlamentarische Versammlung des Europarates den Mitgliedstaaten in Ziffer 6.2.6. ihrer Empfehlung 1777 (2007) betreffend sexueller Übergriffe verbunden mit sog. «Vergewaltigungsdrogen», ihre Gesetze derart zu überarbeiten, dass die Tatbestände der Vergewaltigung und anderer sexueller Übergriffe geschlechtsneutral gefasst sind.

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Sowohl die Interpellation Hiltpold wie auch die Motion Hiltpold wurden abgeschrieben, weil sie mehr als zwei Jahre lang unbehandelt hängig gewesen waren.103 Dass der Standesinitiative des Kantons Genf in den Kommissionen für Rechtsfragen beider Kammern deutlich Folge gegeben wurde, zeigt allerdings, dass das Anliegen im Parlament auf Sympathien stösst.104 Seit Längerem wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass aus viktimologischer Sicht verschiedene Formen sexueller Gewalt das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person gleich stark oder noch stärker verletzen als der erzwungene Beischlaf, auch wenn dieser mit dem Risiko einer ungewollten Schwangerschaft behaftet sein mag. Das Opfer werde durch anale oder orale Penetrationen oder sadistische Handlungen vielfach stärker traumatisiert als durch eine vaginale Penetration.105 Angesicht all dieser Umstände schlägt der Bundesrat vor, die Artikel 189 und 190 anzupassen und den Begriff der «Vergewaltigung» zu erweitern. Neu soll nicht mehr ausschliesslich der erzwungene Beischlaf an einer Person weiblichen Geschlechts als Vergewaltigung gelten.

Schwierig ist allerdings zu beurteilen und formulieren, welche sexuellen Handlungen in ihrem Unrechtsgehalt dem erzwungenen Beischlaf an einer Person weiblichen Geschlechts gleichgestellt und damit derselben Mindeststrafe unterstellt werden sollen.

Bei der Beurteilung, was als «sexuelle Handlung» gelten soll, ist eine objektive Betrachtungsweise massgebend. Das Bundesgericht hat mit Verweisen auf die Lehre ausgeführt, dass als sexuelle Handlungen (im Sinne von Artikel 187 Ziffer 1 Absatz 1) Verhaltensweisen gelten, die für den Aussenstehenden nach ihrem äusseren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogen sind. Bei dieser objektiven Betrachtungsweise blieben das subjektive Empfinden, die Motive oder die Bedeutung, die das Verhalten für den Täter oder das Opfer habe, ausser Betracht. Eindeutig sexualbezogene Handlungen erfüllten stets den objektiven Tatbestand. Auf die Motive des Täters komme es nicht an. (...) Der Begriff der sexuellen Handlung könne sich nur auf Verhaltensweisen erstrecken, die im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut erheblich seien. In Zweifelsfällen werde man indessen nach den Umständen des Einzelfalls die Erheblichkeit auch relativ bestimmen müssen, so etwa nach dem Alter des
Opfers oder dem Altersunterschied zum Täter.106 Bei der Beurteilung, ob das abgenötigte Verhalten gleich oder ähnlich gravierend (oder gar gravierender) wie der erzwungene Beischlaf an einer Person weiblichen Geschlechts ist, sind dieselben Grundsätze massgebend. Das geschützte Rechtsgut und die hohe Mindeststrafe sind stets im Auge zu behalten.

103

www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Curia Vista > Suche > Geschäftsnummer 13.3485 bzw. 14.3651 104 www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Curia Vista > Suche > Geschäftsnummer 14.311, Stand 22. Nov. 2017 105 Maier Philipp, 1994, S. 258, 287 f. mit weiteren Nachweisen.

106 BGE 125 IV 58 E. 3b. Siehe auch Urteil des Bundesgerichts 6S_239/2000 vom 30. Aug. 2000, wonach bei der Beurteilung, ob eine sexuelle Handlung gegeben ist, die Umstände des Einzelfalles und die persönlichen Beziehungen der Beteiligten zu berücksichtigen sind.

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Davon ausgehend basieren die neu formulierten Artikel 189 und 190 auf den folgenden Überlegungen: ­

Durch die Streichung der Wendung «weiblichen Geschlechts» im Zusammenhang mit dem Beischlaf (Art. 190 Abs. 1) wird erreicht, dass auch die Nötigung eines Mannes zum Beischlaf unter die strengere Strafandrohung fällt.107

­

Der Ausdruck «beischlafsähnliche Handlung» wurde erst im Laufe der parlamentarischen Beratungen in den aktuellen Gesetzestext eingefügt. Die spezielle Erwähnung sollte zum Ausdruck bringen, dass es bestimmte Formen der sexuellen Nötigung gibt, die das Opfer wie ein erzwungener Beischlaf viktimisieren können, und dass die Intensität der sexuellen Handlung bei der Strafzumessung berücksichtigt werden muss. Gemäss der Praxis und Lehre gelten als solche Verhaltensweisen Handlungen, bei denen das (primäre) Geschlechtsteil einer der beteiligten Personen mit dem Körper der anderen Person in enge Berührung kommt.108 Als Regelbeispiel einer «beischlafsähnlichen Handlung», die neu unter Artikel 190 fällt, wird eine solche, die mit einem «Eindringen in den Körper» bzw. einer «Penetration»109 verbunden ist, aufgeführt. Diese Formulierung hilft, Schwierigkeiten mit dem Bestimmtheitsgebot (Art. 1) zu vermeiden. Darunter fallen namentlich das Einführen des männlichen Glieds in den After oder Mund sowie das Eindringen in Vagina oder After mit anderen Körperteilen (Finger, Faust) oder Gegenständen. Welche weiteren sexuellen Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, erfasst werden oder nicht, muss die Rechtsprechung im Einzelfall bestimmen.

­

Neben den soeben erwähnten Tathandlungen sind weitere beischlafsähnliche Handlungen denkbar, die nicht mit einem Eindringen in den Körper einhergehen und damit nicht unter das Regelbeispiel fallen, aber trotzdem gleich oder ähnlich gravierend sind wie ein erzwungener Beischlaf. Dazu gehört das Stimulieren der Vagina oder des Glieds durch Zunge oder Lippen. Auch hier wird die Rechtsprechung im Einzelfall bestimmen müssen, welche Tathandlungen von Artikel 190 erfasst werden.110

Nachdem nun schwerwiegende abgenötigte Verhalten nicht mehr unter Artikel 189 fallen, ist auch die Strafandrohung in dieser Bestimmung anzupassen. Der Bundesrat erachtet in Absatz 1 eine Strafandrohung von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren als angemessen, um die verbleibenden Verhalten ­ zu denken ist beispielsweise an das

107

Die Definition des «Beischlafs» wird nicht geändert, das heisst als «Beischlaf» gilt weiterhin die Vereinigung des männlichen und weiblichen Geschlechtsteils.

108 Maier Philipp, 2013, Art. 189 N 49 und 50.

109 Vgl. Mo. Hiltpold vom 20. Juni 2014 (14.3651 «Strafgesetzbuch. Schluss mit der Diskriminierung bei der Definition von Vergewaltigung») sowie Standesinitiative Genf vom 21. Mai 2014 (14.311 «Neudefinition des Rechtsbegriffs der Vergewaltigung in den Artikeln 189 und 190 des Strafgesetzbuchs»).

110 Maier Philipp, 2013, Art. 189 N 50: Der sog. Schenkelverkehr, also das Reiben des männlichen Glieds an den Oberschenkeln direkt unterhalb des Geschlechtsteils des Partners, gilt aktuell als beischlafsähnliche Handlung; das Aneinanderreiben männlicher Geschlechtsteile wird nach der älteren Rechtsprechung nicht erfasst (BGE 87 IV 122).

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Berühren des nackten männlichen oder weiblichen Geschlechtsteils oder den bereits erwähnten Zungenkuss ­ zu sanktionieren.

Art. 190 Abs. 1

Vergewaltigung

Erweiterung des Tatbestands bzw. des Begriffs der Vergewaltigung: Siehe Ausführungen zu Artikel 189.

Als weitere Änderung, die in der Vernehmlassungsvorlage noch nicht enthalten war, schlägt der Bundesrat in Artikel 190 Absatz 1 eine Erhöhung der derzeitigen Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe auf zwei Jahre vor. Damit soll der erhöhte Unrechtsgehalt, den eine Vergewaltigung aufweist, besser zum Ausdruck gebracht werden. Opfer von sexueller Gewalt leiden oftmals massiv und über lange Zeit ­ allenfalls ihr Leben lang ­ unter den physischen und psychischen Folgen der Tat.

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass durch diese Erhöhung der Mindeststrafe das Ermessen der Gerichte stark eingeschränkt wird. Es ist jedoch ausdrücklich auf die Möglichkeit der teilbedingten Strafe hinzuweisen: Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitstrafe von mindestens einem und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen. Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen, und sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen (Art. 43). Das Gericht behält dadurch immerhin einen Teil des Ermessens, der ihm durch die Erhöhung der Mindeststrafe entzogen wird.

Art. 191

Schändung

Streichung der Geldstrafe: Siehe Bemerkungen zu Artikel 187 Ziffern 1 und 4 E-StGB.

Die Änderungen bei der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung (Erweiterung des Begriffs der «Vergewaltigung»; Anpassung der Strafrahmen) sollen sich auch bei der Schändung niederschlagen: Wie bei der Vergewaltigung soll der Missbrauch zum Beischlaf oder zu einer beischlafsähnlichen Handlung einer Mindeststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe unterliegen. Wird eine urteilsunfähige oder zum Widerstand unfähige Person zu einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, so ist die Strafe neu ­ wie bei Artikel 189 ­ Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.

Art. 192

Sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten

Absatz 1 (Streichung der Geldstrafe): Siehe Bemerkungen zu Artikel 187 Ziffern 1 und 4 E-StGB.

Absatz 2: Siehe Bemerkungen zu Artikel 188 Ziffer 2 E-StGB.

Art. 193

Ausnützung der Notlage

Absatz 1 (Streichung der Geldstrafe): Siehe Bemerkungen zu Artikel 187 Ziffern 1 und 4 E-StGB.

2876

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Absatz 2: Siehe Bemerkungen zu Artikel 188 Ziffer 2 E-StGB.

Art. 194 Abs. 2

Exhibitionismus

Die Bestimmung soll sprachlich an die StPO angepasst werden. Deshalb wird in Absatz 2 der Ausdruck «eingestellt», der fälschlicherweise auf Artikel 319 StPO hinweist, durch «sistiert» im Sinne von Artikel 314 StPO ersetzt. Zudem wird der Ausdruck «wieder aufgenommen» durch «wieder an die Hand genommen» (Art. 315 StPO) ersetzt.111 Art. 195

Förderung der Prostitution

Streichung der Geldstrafe: Siehe Bemerkungen zu Artikel 187 Ziffern 1 und 4 E-StGB.

Art. 196

Sexuelle Handlungen mit Minderjährigen gegen Entgelt

Streichung der Geldstrafe: Siehe Bemerkungen zu Artikel 187 Ziffern 1 und 4 E-StGB.

Art. 197 Abs. 7

Pornografie

Artikel 197 ist im Zusammenhang mit der Genehmigung und Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention) umfassend revidiert worden. Die neue Bestimmung ist seit dem 1. Juli 2014 in Kraft.112 Eine erneute umfassende Revision von Artikel 197 im vorliegenden Rahmen erübrigt sich deshalb. Lediglich eine Klarstellung drängt sich auf: Beim Ausdruck «Gewinnsucht», der bis vor der StGB-Revision im Zuge der Umsetzung der Lanzarote-Konvention in Absatz 7 verwendet worden ist, war streitig, ob eine Fremdbereicherungsabsicht zur Bejahung der Gewinnsucht ausreicht. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff «Bereicherungsabsicht» im geltenden Recht zu vage. Bei Absatz 7 wird dieser Begriff deshalb durch die Formulierung «Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern» ersetzt. Diese Anpassung stellt klar, dass auch eine Fremdbereicherungsabsicht ausreicht, um sich nach Absatz 7 strafbar zu machen.113 Art. 200

Gemeinsame Begehung

Artikel 200 soll einerseits redaktionell angepasst werden, indem der Ausdruck «Richter» durch den geschlechtsneutralen Begriff «Gericht» ersetzt wird. Zudem wird die «kann»-Formulierung in eine «ist»-Formulierung umgewandelt, sodass das Gericht bei einer gemeinsamen Begehung der Tat die Strafe erhöhen muss, um dem erhöhten Unrechtsgehalt Rechnung zu tragen.

111

Da im Militärstrafprozess (MStP, SR 322.1) weder eine «Sistierung» noch eine «Wiederanhandnahme» vorgesehen sind, erübrigt sich in Art. 159 Abs. 2 MStG (Exhibitionismus; SR 321.0) eine Anpassung des Gesetzestextes.

112 AS 2014 1159; BBl 2012 7571, hier 7615 f.

113 Vgl. auch die Erläuterungen zu Ziff. 2.2.1, Art. 135.

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2.2.5 Art. 219 Abs. 2

Sechster Titel: Verbrechen und Vergehen gegen die Familie Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht

Absatz 2 soll dahingehend abgeändert werden, dass bei Vorliegen von Fahrlässigkeit durch das Gericht zwingend eine mildere Strafe auszusprechen ist. Da zwischen dem Strafrahmen für das vorsätzlich begangene Delikt gemäss Absatz 1 und jenem für das Fahrlässigkeitsdelikt gemäss Absatz 2 ein zu grosser Unterschied besteht, soll bei Fahrlässigkeitsdelikten nicht mehr eine Busse, sondern eine Geldstrafe angedroht werden (siehe auch die Ausführungen in Ziffer 1.2.1).

2.2.6 Art. 222 Abs. 1

Siebenter Titel: Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen Fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst

Vor der am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Revision des Sanktionenrechts wurde das Verhalten nach Absatz 1 mit Gefängnis oder Busse bestraft, während jenes nach Absatz 2 mit Gefängnis bestraft wurde. Absatz 2 stellte somit wie Artikel 221 Absatz 2 einen erschwerten Fall dar. Durch die Revision des Allgemeinen Teils des StGB wurden diese differenzierten Strafen durch die einheitliche Strafdrohung einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe ersetzt, weil es sich in beiden Fällen um Vergehen handelt (siehe Art. 10 Abs. 3). Obwohl diese beiden Schweregrade im Gesetzestext nicht mehr unterschieden werden, wird in der Lehre angeregt, die Unterscheidung bei der Strafzumessung beizubehalten.114 Es ist dementsprechend angemessen, für den Normalfall nach Absatz 1 eine Obergrenze von einem Jahr Freiheitsstrafe festzulegen. Damit wird der stossende Umstand korrigiert, dass die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers, den erschwerten Fall strenger zu bestrafen, nicht mehr ersichtlich ist. Die Höchststrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe für die fahrlässige Gefährdung von Leib und Leben von Menschen darf unter Berücksichtigung des Grundtatbestands nach Artikel 221 und der anderen Bestimmungen des 7. Titels, die dieselben Rechtsgüter schützen, nicht erhöht werden. Davon ausgenommen sind die Artikel 225 Absatz 2 und 226bis Absatz 2. Im Entwurf wird vorgeschlagen, die Obergrenze von Artikel 225 Absatz 2 auf drei Jahre Freiheitsstrafe zu reduzieren. Während die Strafdrohung in Artikel 226bis Absatz 2 aus spezialpräventiven Gründen angemessen ist.

Art. 225

Gefährdung ohne verbrecherische Absicht und fahrlässige Gefährdung

Es ist stossend, für die vorsätzlich, jedoch ohne verbrecherische Absicht begangene Tat die gleiche Strafe vorzusehen wie für das Fahrlässigkeitsdelikt, das unter dem Gesichtspunkt der Schuld weniger schwer wiegt (siehe Ziff. 1.2.1).115 Daher ist es 114 115

Roelli Bruno/Fleischanderl Petra, 2013, Art. 222 N 13.

Vgl. Roelli Bruno/Fleischanderl Petra, 2013, Art. 225 N 8.

2878

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angebracht, für diese beiden Fälle je einen gesonderten Absatz vorzusehen. Die ohne verbrecherische Absicht begangene Vorsatztat wird in Absatz 1 geregelt, das Fahrlässigkeitsdelikt im neuen Absatz 2. Die angedrohte Strafe für die vorsätzlich, jedoch ohne verbrecherische Absicht begangene Tat bleibt unverändert. Im Bestreben um Kohärenz mit den Artikeln 222 und 223 Ziffer 2 wird für das Fahrlässigkeitsdelikt die gleiche Strafe vorgesehen wie in diesen beiden Bestimmungen, d. h.

Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

Der geltende Absatz 2 wird aufgehoben, denn das Verhalten und die Strafe, auf die er sich bezieht, werden durch Absatz 1 und den neuen Absatz 2 abgedeckt (siehe Ziff. 1.2.1). Durch die Nutzung seines Ermessensspielraums kann das Gericht in leichteren Fällen eine geringere Strafe verhängen.

In der französischen Fassung wird der Randtitel von Artikel 225 geändert, damit er klarer wird.

Art. 228 Ziff. 1 erster Abs.

Beschädigung von elektrischen Anlagen, Wasserbauten und Schutzvorrichtungen

In allen drei Sprachen werden redaktionelle Anpassungen vorgenommen.

Art. 229 Abs. 1

Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde

Die in Absatz 1 vorgesehene Höchststrafe wird erhöht. Denn im Vergleich zu den anderen Artikeln des 7. Titels des StGB, die ein Vorsatzdelikt regeln (z. B. Art. 223 und 227), ist diese Strafe angesichts der verursachten Gefährdung und der möglichen Folgen zu gering. Zudem ist es stossend, für das vorsätzlich begangene Delikt die gleiche Strafe vorzusehen wie für das Fahrlässigkeitsdelikt in Absatz 2, das unter dem Gesichtspunkt der Schuld weniger schwer wiegt (siehe Ziff. 1.2.1).

Art. 230 Ziff. 1

Beseitigung oder Nichtanbringung von Sicherheitsvorrichtungen

Die in Ziffer 1 vorgesehene Höchststrafe wird erhöht. Denn im Vergleich zu den anderen Artikeln des 7. Titels des StGB, die ein Vorsatzdelikt regeln (z. B. Art. 223 und 227), ist diese Strafe angesichts der verursachten Gefährdung und der möglichen Folgen zu gering. Zudem ist es stossend, für das vorsätzlich begangene Delikt die gleiche Strafe vorzusehen wie für das Fahrlässigkeitsdelikt in Ziffer 2, das unter dem Gesichtspunkt der Schuld weniger schwer wiegt (siehe Ziff. 1.2.1).

2.2.7

Achter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit

Art. 235 Ziff. 2

Herstellen von gesundheitsschädlichem Futter

Zwischen den Strafrahmen für das vorsätzlich begangene Delikt in Ziffer 1 und jenem für das Fahrlässigkeitsdelikt in Ziffer 2 besteht ein grosser Unterschied.

Ausserdem erscheint die Strafe für das fahrlässig begangene Delikt zu niedrig im 2879

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Vergleich mit den anderen Straftaten des 8. Titels, insbesondere mit Artikel 232.

Dies ist zu beheben (siehe Ziff. 1.2.1). Da die Höhe der in Ziffer 1 vorgesehenen Strafen vergleichsweise angemessen erscheint, wird somit der Strafrahmen in Ziffer 2 erhöht. Dabei werden ausserdem die Änderungen berücksichtigt, die im Allgemeinen Teil des StGB vorgenommen werden (siehe Ziff. 1.1.3).

Art. 236 Abs. 2

Inverkehrbringen von gesundheitsschädlichem Futter

Siehe die Erläuterungen zu Artikel 235.

2.2.8

Neunter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr

Art. 237 Ziff. 1

Störung des öffentlichen Verkehrs

Es besteht keinerlei Grund, für die Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237) und die Störung des Eisenbahnverkehrs (Art. 238) unterschiedliche Strafen vorzusehen.

Denn während zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Artikel 237 und 238 die Störung des Eisenbahnverkehrs einen grösseren Schaden verursachen konnte als die im geltenden Artikel 237 erwähnten Handlungen, ist dies heute nicht mehr der Fall, vor allem unter Berücksichtigung einer möglichen Flugzeugkatastrophe.116 Daher ist es angebracht, die Artikel 237 und 238 zu einem neuen Artikel 237 zusammenzuführen (siehe Ziff. 1.1.3) und diesem den gleichen Randtitel zu geben wie dem geltenden Artikel 237. Die aus der Zusammenführung neu entstandene Bestimmung erhält die Struktur des geltenden Artikels 237 mit einem Grundtatbestand und einem qualifizierten Tatbestand.

Die Höhe der in Ziffer 1 angedrohten Strafen orientiert sich an den Strafrahmen der geltenden Artikel 237 und 238, an jenen der Straftaten des 7. Titels und an jenem des Artikels 129. Anders als in Artikel 239 geht es hier darum, Verhalten zu bestrafen, die Leib und Leben oder Güter konkret gefährden.117 Es ist deshalb angemessen, die neue Straftat als Verbrechen einzustufen. Die vorgesehene Höchststrafe für den Tatbestand von Ziffer 1 erster Absatz wird auf fünf Jahre festgesetzt.

Bringt der Täter wissentlich Leib und Leben vieler Menschen in Gefahr, so ist eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe vorgesehen (Ziff. 1 zweiter Abs.).

Eine Freiheitsstrafe bis zu 20 Jahren nach dem geltenden Artikel 238 Absatz 1 erscheint zu hoch. Aufgrund der Unverhältnismässigkeit im Vergleich mit der Strafe für das fahrlässig begangene Delikt (Art. 238 Abs. 2) wird sie denn in der Lehre auch kritisiert.118 Es besteht auch keine Notwendigkeit, eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe vorzusehen, da die gravierendsten Verhaltensweisen anderen Bestimmungen unterstehen können, die maximale Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren vorsehen (z. B. Art. 111). Ebenfalls wird auf eine Mindeststrafe ver116 117

Corboz Bernard, 2010, Art. 238 N 20.

Vgl. Dupuis Michel et al., 2017, Vorbem. Art. 237­239 N 3, Art. 237 N 1 und 2, Art. 238 N 1; Fiolka Gerhard, 2013, Art. 237 N 6 und Art. 238 N 3.

118 Fiolka Gerhard, 2013, Art. 238 N 34 ff.

2880

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zichtet. Der geltende Artikel 237 Absatz 1 zweiter Absatz weist eine fakultative Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe auf, während der geltende Artikel 238 Absatz 1 keine Mindeststrafe enthält. Fakultative Mindeststrafen sind widersprüchlich, weil einerseits eine Mindeststrafe eingeführt und andererseits die Möglichkeit offengelassen wird, von dieser Untergrenze systematisch abzuweichen. Durch das Weglassen der Mindeststrafe wird den Gerichten der nötige Ermessensspielraum belassen, um die zu beurteilenden Verhaltensweisen angemessen zu sanktionieren.

Gleich wie im geltenden Artikel 238 wird in Ziffer 1 erster Absatz das «fremde Eigentum» als geschütztes Rechtsgut aufgeführt. Darunter fallen zum Beispiel das Eigentum der Passagiere oder das Eigentum der Fluggesellschaft selbst.

Ziffer 2: Das Erfordernis der «erheblichen» Gefährdung des geltenden Artikels 238 Absatz 2, das im geltenden Artikel 237 Ziffer 2 nicht enthalten ist, wird nicht in Ziffer 2 übernommen. Mit diesem Erfordernis sollte verhindert werden, dass wegen geringfügigen Zwischenfällen Strafverfahren gegen das Bahnpersonal, zum Beispiel gegen Tramchauffeure, eingeleitet werden.119 Diese zusätzliche Bedingung ist unter Berücksichtigung der Bestimmungen des 7. Titels jedoch nicht gerechtfertigt. Denn auch hier geht es darum, gemeingefährliches Verhalten zu bestrafen. Darüber hinaus könnten Dritte, die nicht Teil des Bahnpersonals oder ­ angesichts des Wortlauts des neuen Artikels 237 ­ des Flughafen- oder Strassenunterhaltspersonals bilden, gestützt auf diese Bedingung der Strafe entgehen. Zudem sind die Anwendungsfälle von Ziffer 2 durch das Schulderfordernis, das auch alle Fahrlässigkeitsdelikte betrifft, beschränkt. Schliesslich kann nach Artikel 52 von einer Strafe abgesehen werden, wenn eine Bestrafung des Täters aufgrund der konkreten Umstände nicht angemessen ist.

Art. 238

Störung des Eisenbahnverkehrs

Artikel 238 soll aufgehoben werden. Siehe die Erläuterungen zu Artikel 237.

Art. 239 Randtitel und Ziff. 2

Störung von Betrieben im Dienste der Allgemeinheit

Es ist stossend, für das vorsätzlich begangene Delikt die gleiche Strafe vorzusehen wie für das Fahrlässigkeitsdelikt in Ziffer 2, das unter dem Gesichtspunkt der Schuld weniger schwer wiegt (siehe Ziff. 1.2.1). Da sich Artikel 239 Ziffer 2 nicht auf die Gefährdung von Leib und Leben bezieht ­ im Gegensatz zu Artikel 237 Ziffer 2 (der eine Freiheitsstrafe von höchstens drei Jahren vorsieht) ­, wird die vorgesehene maximale Freiheitsstrafe auf ein Jahr gesenkt. Der Randtitel der deutschen Fassung wird aus sprachlichen Gründen abgeändert.

119

Corboz Bernard, 2010, Art. 238 N 19.

2881

BBl 2018

2.2.9 Art. 243 Abs. 2

Zehnter Titel: Fälschung von Geld, amtlichen Wertzeichen, amtlichen Zeichen, Mass und Gewicht Nachmachen von Banknoten, Münzen oder amtlichen Wertzeichen ohne Fälschungsabsicht

Zwischen dem Strafrahmen für das vorsätzlich begangene Delikt in Absatz 1 und jenem für das Fahrlässigkeitsdelikt in Absatz 2 besteht ein zu grosser Unterschied; dies soll geändert werden (siehe Ziff. 1.2.1). Da die Höhe der in Absatz 1 vorgesehenen Strafe für das inkriminierte Verhalten angemessen ist, wird der Strafrahmen in Absatz 2 erhöht. Dabei werden die Änderungen berücksichtigt, die im Allgemeinen Teil des StGB vorgenommen werden (siehe Ziff. 1.1.3).

Art. 245

Fälschung amtlicher Wertzeichen

Die in Artikel 245 vorgesehene Höchststrafe wird auf fünf Jahre Freiheitsstrafe erhöht. Denn es ist unbefriedigend, eine tiefere Strafe für die Verhaltensweisen vorzusehen, die von diesem Artikel erfasst werden, als für jene, die unter den Tatbestand der Urkundenfälschung in Artikel 251 fallen.120 Zudem sind die in Artikel 245 erwähnten Verhaltensweisen nicht weniger schwer zu werten als jene, auf die sich Artikel 248 bezieht. Denn bei beiden handelt es sich um eine Täuschung, durch die sich der Täter im ersten Fall zulasten des Staates und im zweiten Fall zulasten eines anderen bereichern will.

Aus Gründen der Klarheit wird in der deutschen Fassung die Terminologie, die im Zusammenhang mit dem Weltrechtsprinzip verwendet wird, an den französischen und italienischen Wortlaut angepasst.

Art. 246

Fälschung amtlicher Zeichen

Aus den gleichen Gründen wie in Artikel 245 erscheint die Höchststrafe nach Artikel 246 zu niedrig. Sie wird deshalb ebenfalls auf fünf Jahre Freiheitsstrafe erhöht.

2.2.10

Elfter Titel: Urkundenfälschung

Art. 251 Ziff. 2

Urkundenfälschung

Ziffer 2 soll aufgehoben werden, da das Verhalten und die Strafe, auf die sie sich bezieht, durch Ziffer 1 abgedeckt werden (siehe Ziff. 1.2.1). Durch die Nutzung seines Ermessensspielraums kann das Gericht in sehr leichten Fällen eine geringere Strafe verhängen.

120

Vgl. Lentjes Meili Christiane/Keller Stefan, 2013, Art. 245 N 33 und 34; Donatsch Andreas/Thommen Marc/Wohlers Wolfgang, 2017, § 32, Ziff. 2.4.

2882

BBl 2018

2.2.11

Zwölfter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Frieden

Art. 259 Abs. 1 und 2

Öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit

Schutzobjekt der Strafbestimmung ist der öffentliche Friede. Seit der Revision des Allgemeinen Teils des StGB im Jahr 2007 beträgt die Strafe sowohl für die Aufforderung zu Verbrechen (Abs. 1) als auch für die Aufforderung zu gewalttätigen Vergehen (Abs. 2) Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Die Unterscheidung zwischen den beiden Tatbeständen ist damit hinfällig geworden. Die öffentliche Aufforderung zu Verbrechen und jene zu Vergehen mit Gewalttätigkeiten können einheitlich erfasst und die beiden Absätze zusammengefügt werden. Es handelt sich hierbei um eine redaktionelle Änderung.

2.2.12

Zwölfter Titelbis: Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Art. 264a Abs. 1 Bst. g

Verbrechen gegen die Menschlichkeit/Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung

Die Bestimmungen zu Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen sowie die gemeinsamen Bestimmungen dazu (Zwölfter Titelbis, Zwölfter Titelter und Zwölfter Titelquater) sind seit dem 1. Januar 2011 und somit erst seit Kurzem in Kraft.121 Eine umfassende Überprüfung sämtlicher Strafdrohungen erübrigt sich deshalb. Aufgrund der in den Artikeln 189 und 190 vorgenommenen Änderungen müssen allerdings Artikel 264a Absatz 1 Buchstabe g sowie Artikel 264e Absatz 1 Buchstabe b angepasst werden. Es kann grundsätzlich auf die Ausführungen zu Artikel 189 verwiesen werden.

Artikel 264a Absatz 1 Buchstabe g bezieht sich nicht nur auf die sexuelle Nötigung und die Vergewaltigung, sondern auch auf die Schändung (Art. 191).122 Im Rahmen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden diese Tathandlungen unter einem Tatbestand vereint: Die Tathandlungen nach dem geltenden Artikel 190 Absatz 1 fallen unter die erste Tatbestandsvariante «wer eine Person weiblichen Geschlechts vergewaltigt»; Tathandlungen gemäss dem geltenden Artikel 189 Absatz 1 sowie Artikel 191 fallen unter die Tatbestandsvariante «... eine Person zur Duldung einer sexuellen Handlung von vergleichbarer Schwere (...) nötigt».

Mit der Erweiterung des Begriffs der Vergewaltigung in Artikel 190 und durch die Streichung des Ausdrucks «(Person) weiblichen Geschlechts» fallen nun sämtliche abgenötigten Verhalten, die von Artikel 264a Absatz 1 Buchstabe g erfasst werden sollen, unter die erste Tatbestandsvariante «wer eine Person vergewaltigt». Die geltende Tatbestandsvariante «wer eine Person zur Duldung einer sexuellen Handlung von vergleichbarer Schwere (...) nötigt» muss deshalb umformuliert werden, 121 122

AS 2010 4963, BBl 2008 3863 BBl 2008 3863, hier 3928.

2883

BBl 2018

da sich diese nun nur noch auf die Schändung (Art. 191) bezieht. Da bei einer Schändung der Täter kein Zwangsmittel einsetzen oder darauf verweisen muss und das Opfer somit nicht genötigt wird123, wird als Tathandlung neu gleich wie bei der Schändung «missbraucht» verwendet.

2.2.13

Zwölfter Titelter: Kriegsverbrechen

Art. 264e Abs. 1 Bst. b

Ungerechtfertigte medizinische Behandlung, Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung und der Menschenwürde

Siehe Ausführungen zu den Artikeln 189 und 264a Absatz 1 Buchstabe g.

2.2.14 Art. 266bis Abs. 2

Dreizehnter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung Gegen die Sicherheit der Schweiz gerichtete ausländische Unternehmungen und Bestrebungen

Geschützt wird die äussere Sicherheit der Schweiz. Aus den gleichen Gründen wie in Artikel 237 wird die Möglichkeit des Gerichts, die betreffende Strafe zu verhängen, durch die entsprechende Verpflichtung ersetzt.

Art. 274 Ziff. 1 vierter Abs.

Militärischer Nachrichtendienst

Aus den gleichen Gründen wie in den Artikeln 237 und 266bis wird die Möglichkeit des Gerichts, die betreffende Strafe zu verhängen, durch die entsprechende Verpflichtung ersetzt.

Art. 275bis

Staatsgefährliche Propaganda

Dieser Straftatbestand regelt die Strafbarkeit von Umsturzpropaganda. Der Täter muss Propaganda des Auslandes betreiben und diese auf den gewaltsamen Umsturz der verfassungsmässigen Ordnung der Schweiz bzw. ihrer Kantone richten. Staatsgefährliche Propaganda ist daher als kombinierte Vorbereitungshandlung zum Hoch(Art. 265) und Landesverrat (Art. 266) zu verstehen.

Diese Bestimmung wurde 1951 aufgrund eines Postulats eingeführt, das vom Ständerat am 1. Oktober 1946 bei der Genehmigung des Berichtes des Bundesrates über die antidemokratischen Umtriebe während der Kriegszeit beschlossen wurde. In diesem Postulat wurde der Bundesrat eingeladen, «zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten, ob nicht das ordentliche Strafrecht im Sinne eines wirksamern Staatsschutzes auszubauen sei und namentlich gewisse Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses vom 27. Februar 1945 in die ordentliche Gesetzgebung übergeführt wer123

Maier Philipp, 2013, Art. 191 N 1.

2884

BBl 2018

den sollten».124 Die Einführung von Artikel 275bis wurde somit mit Argumenten gerechtfertigt, die auf die für Europa und insbesondere die Schweiz prägenden Ereignisse während des Zweiten Weltkrieges zurückgehen. Die politische und rechtliche Situation in Europa und in der Welt hat sich seither jedoch erheblich geändert.

Für den Staatsschutz ist dieses obsolete Instrumentarium nicht mehr erforderlich.

Artikel 275bis kann deshalb aufgehoben werden.

Art. 275ter

Rechtswidrige Vereinigung

Diese Strafbestimmung erfasst Vorbereitungshandlungen zu den darin aufgezählten Straftatbeständen. Da diese Straftatbestände selbst sehr weit gefasst sind, werden letztlich Vorbereitungshandlungen (wie etwa die Aufforderung zur Bildung einer Vereinigung) zu weiteren Vorbereitungshandlungen erfasst, etwa wenn die zu bildende Vereinigung die Vornahme von Handlungen bezweckt, die darauf gerichtet sein sollen, die verfassungsmässige Ordnung von Bund oder Kantonen zu stören (Art. 275). Damit wird die Strafbarkeit in einer Weise ausgedehnt, die kaum noch mit dem Legalitätsprinzip, insbesondere dem Bestimmtheitsgebot, vereinbar ist.125 Ausserdem wurde diese Bestimmung 1951 gleichzeitig mit Artikel 275bis eingeführt.126 Die Einführung des Artikels wurde somit mit Argumenten gerechtfertigt, die auf die für Europa und insbesondere die Schweiz prägenden Ereignisse während des Zweiten Weltkrieges zurückgehen. Die politische und rechtliche Situation in Europa und in der Welt hat sich seither jedoch erheblich geändert. Für den Staatsschutz ist dieses obsolete Instrumentarium nicht mehr erforderlich.

Die Aufhebung von Artikel 275ter wird entgegen der in der Vernehmlassung geäusserten Befürchtung weder zu einer Einschränkung der nach der StPO möglichen Überwachungsmassnahmen führen noch zur Ausweitung der Kompetenzen der Nachrichtendienste. Denn Artikel 275ter berechtigt weder zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Art. 269 Abs. 2 Bst. a StPO) noch zur verdeckten Ermittlung (Art. 286 Abs. 2 Bst. a StPO). Hingegen können für die meisten der unter Artikel 275ter Absatz 1 genannten Straftaten solche Massnahmen auch weiterhin angeordnet werden. Überdies wird der Geltungsbereich des Bundesgesetzes vom 21. März 1997127 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) und des Bundesgesetzes vom 25. September 2015128 über den Nachrichtendienst (NDG) durch den vorliegenden Entwurf nicht berührt.

Artikel 275ter kann demnach aufgehoben werden.

Art. 277

Fälschung von Aufgeboten oder Weisungen

Diese Strafbestimmung regelt einen Sondertatbestand, der Artikel 103 MStG entspricht. Schutzobjekt der Strafbestimmung ist die ungestörte Mobilisierung der Dienstpflichtigen. Wie die Artikel 317 (Urkundenfälschung im Amt) und 318 (falsches 124 125

BBl 1949 I 1249, hier 1251­1252.

Vgl. Stratenwerth Günter/Bommer Felix, 2013, § 48 N 20; Landshut Nathan, 2013, Art. 275ter N 1.

126 BBl 1949 I 1249, hier 1251­1252.

127 SR 120 128 SR 121

2885

BBl 2018

ärztliches Zeugnis) regelt Artikel 277 Spezialfälle der Urkundenfälschung (Art. 251) und -unterdrückung (Art. 254). Es ist somit angebracht, den Strafrahmen an jenen dieser Bestimmungen anzupassen und die maximale Freiheitsstrafe bei vorsätzlichem Handeln auf fünf Jahre zu senken.

Bei fahrlässigem Handeln ist die Strafe gegenwärtig Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Die Artikel 251 und 254 bestrafen die Fahrlässigkeit nicht, während sie nach den Artikeln 317 und 318 mit Busse bedroht ist. Aufgrund der besonderen Umstände dieses Straftatbestands wird im Entwurf vorgeschlagen, in Artikel 317 Absatz 2 eine Geldstrafe einzuführen und Artikel 318 Absatz 2 aufzuheben. Angesichts der durch Artikel 277 geschützten Interessen ist es angebracht, fahrlässiges Handeln unter Strafe zu stellen. Eine Freiheitsstrafe erscheint jedoch sehr streng. Wie in Artikel 317 ist hier eine Geldstrafe angemessen.

2.2.15

Fünfzehnter Titel: Strafbare Handlungen gegen die öffentliche Gewalt

Art. 285 Ziff. 2 zweiter Abs.

Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte

Der Schutz von Behörden und Beamten ist Gegenstand verschiedener parlamentarischer Vorstösse, so namentlich:

129

­

Das Postulat 13.4011 Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (Besserer strafrechtlicher Schutz der Staatsangestellten vor Gewalt) verlangt vom Bundesrat die Prüfung, ob Massnahmen zum besseren Schutz der Staatsangestellten vor Gewalt notwendig sind. Der Vorstoss wurde vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen, ist jedoch vom Nationalrat angenommen worden.

Der Bundesrat hat den Postulatsbericht am 1. Dezember 2017 verabschiedet.129

­

Die Motion 14.3995 Freysinger (Strengere Bestrafung von Aggressionen gegen Beamte und Behörden) verlangt bei Artikel 285 insgesamt höhere Strafrahmen (Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren). Dieser Vorstoss wurde vom Parlament abgelehnt.

­

Die Motion 16.3547 Flückiger-Bäni (Schärfere Strafen bei Gewalt gegen Polizei, Behörden und Beamte) verlangt eine deutliche Verschärfung von Artikel 285, und zwar zwingend unbedingte Freiheitsstrafen. Dieser Vorstoss wurde vom Parlament noch nicht behandelt; der Bundesrat beantragt die Ablehnung.

­

Zu nennen sind weiter vier Standesinitiativen, wonach die Gewalt gegen Beamte und Behörden grundsätzlich strenger bestraft werden soll: Standesinitiative 11.312 Kanton Waadt: Petition des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (sistiert); Standesinitiative 12.306 Kanton Genf: Härtere Bericht abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Curia Vista > Suche > Geschäftsnummer 13.4011 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

2886

BBl 2018

Sanktionen bei Straftaten gegen Behörden und Beamte (sistiert); Standesinitiative 14.301 Kanton Tessin: Artikel 285 und 286 des Strafgesetzbuchs.

Überprüfung der Angemessenheit der Strafrahmen (Folge gegeben); Standesinitiative 16.317 Kanton Bern: Änderung von Artikel 285 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs. Freiheitsstrafe bei Gewalt gegen Beamte.

Es ist bei diesen Vorstössen zuweilen nicht ganz klar, ob es um die Stärkung der staatlichen Autorität geht oder um den Schutz der Beamten in ihrer körperlichen Integrität (oder um beides). Strafrechtlich sind diese beiden Zwecke jedoch zu trennen, weil es sich um unterschiedliche Rechtsgüter handelt. Artikel 285 schützt die staatliche Autorität als solche, das heisst das Funktionieren staatlicher Organe. Auch wenn staatliche Organe nur ordnungsgemäss funktionieren können, wenn die körperliche Unversehrtheit der die öffentliche Gewalt ausübenden Personen gewährleistet ist, steht diese bei Artikel 285 nicht im Vordergrund. Neben dieser Bestimmung sind bei einem Angriff auf die körperliche Integrität der Beamten aber zusätzlich die Tatbestände zum Schutz von Leib und Leben anwendbar. Das führt in Anwendung von Artikel 49 (Konkurrenz) zu einer Erhöhung des Strafmasses.130 Wird beispielsweise bei einem Angriff auf einen Polizisten eine einfache Körperverletzung begangen (Art. 123), kann die für dieses Delikt vorgesehene Höchststrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe um die Hälfte, das heisst auf viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe, erhöht werden. Wer bei der Ausübung öffentlicher Gewalt angegriffen wird, ist somit nach dem geltenden Recht strafrechtlich besser geschützt als andere Personen. Dadurch wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Beamte bei der Ausübung ihrer Funktion oft besonderen Risiken ausgesetzt sind.

Hinsichtlich des breiten Anwendungsbereichs von Artikel 285 ­ und dem entsprechend höchst unterschiedlichen Unrechtsgehalt im Einzelfall ­ muss dem Gericht eine breite Sanktionspalette zur Verfügung stehen. Es wäre nicht angemessen, wenn jeder renitente Zugpassagier oder Autofahrer mit einer Mindeststrafe oder einer Freiheitsstrafe sanktioniert würde.

Der bestehende Strafrahmen von Artikel 285 wird schon heute ganz überwiegend nicht ausgeschöpft. Eine Erhöhung würde also kaum höhere Strafen zur Folge haben.131 Eine Strafschärfung im Wiederholungsfall
ist mit dem geltenden Strafrahmen zudem problemlos möglich.

Nach dem geänderten Sanktionenrecht werden seit dem 1. Januar 2018 wieder vermehrt Freiheitsstrafen ausgesprochen (vgl. Ziff. 1.1.3). Die Geldstrafe wird damit auch bei Artikel 285 in der Praxis zurückgedrängt.

Der Bundesrat verzichtet aus diesen Gründen auf eine zwingende Mindeststrafe und die Erhöhung des Strafrahmens im Grundtatbestand von Artikel 285 (siehe im Übrigen vorne unter Ziffer 1.2.1).

Um dem erschwerenden Umstand der Gewaltanwendung aus einer Zusammenrottung (Aufruhr132) heraus Rechnung zu tragen, soll ­ auch im Sinne der verschiedenen parlamentarischen Vorstösse ­ die in Ziffer 2 zweiter Absatz vorgesehene 130

Art. 285 konsumiert lediglich die Tätlichkeit, vgl. Trechsel Stefan/Vest Hans, 2018, Art. 285 N 16. Dazu auch Jositsch Daniel, 2016, Rz. 5.

131 Vgl. Jositsch Daniel, 2016, Rz. 5.

132 Stratenwerth Günter/Bommer Felix, 2013, § 52 N 29 f.

2887

BBl 2018

Mindeststrafe auf 120 Tagessätze erhöht werden.133 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass beim ­ mit der Aufruhr durchaus vergleichbaren ­ Landfriedensbruch (Art. 260) weder de lege lata noch de lege ferenda eine Mindeststrafe vorgesehen ist.

Die Mindeststrafe bei Artikel 285 Ziffer 2 zweiter Absatz ist denn auch dogmatisch allein dem qualifizierten Angriff auf das spezifische Rechtsgut (Schutz der staatlichen Autorität134) geschuldet, den ein Aufruhr darstellt.

2.2.16 Art. 303

Siebzehnter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen die Rechtspflege Falsche Anschuldigung

Der Tatbestand der falschen Anschuldigung schützt in erster Linie die Rechtspflege vor nicht gerechtfertigten Aufwendungen. Weiter soll Artikel 303 aber auch Ehre, Freiheit, Vermögen und Privatsphäre der zu Unrecht angeschuldigten Person schützen.135 Die Verleumdung136 wird demzufolge von Artikel 303 konsumiert, während die Freiheitsberaubung137 und die Vermögensdelikte138 in Idealkonkurrenz zur falschen Anschuldigung stehen.139 Folgerichtig stellt sich beispielsweise der gegen eine falsch angeschuldigte Person verhängte Freiheitsentzug140 als Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft dar: Die Strafverfolgungsorgane141 sind rechtmässig handelnde Tatmittler, wenn sie (infolge Täuschung) über die Sachlage irren, die einen Freiheitsentzug nach StPO rechtfertigt.142 Tatherrschaft (kraft überlegenen Wissens) hat die Person, welche die Strafverfolgungsorgane in die Irre führt. Diese ist denn auch strafrechtlich verantwortlich für die Freiheitsberaubung.143 Eine Qualifikation für Fälle, in denen der falsch angeschuldigten Person die Freiheit entzogen wird ­ wie es in der Vernehmlassung vorgeschlagen worden ist ­, scheint somit auch bei einem reduzierten Strafrahmen von Artikel 303 nicht erforderlich.

133 134 135

136 137 138 139 140 141 142

143

Siehe im Übrigen die allgemeinen Grundsätze vorne Ziff. 1.2.1.

Trechsel Stefan/Vest Hans, 2018, Vor Art. 285 N 1 m.w.N.

BGE 136 IV 170 E. 2.1 S. 175 (mit anderer Akzentuierung betr. Art. 306 und 307 StGB jedoch BGE 122 IV 197 E. 1 S. 199). Vgl. auch Trechsel Stefan/Pieth Mark, 2018, Art. 303 N 1 und Stratenwerth Günter/Bommer Felix, 2013, § 55 N 5. Zu dieser (auch im deutschen StGB) nicht abschliessend geklärten Frage, die für die Anwendbarkeit des Tatbestands jedoch bedeutsam ist, vgl. Schönke Adolf/Schröder Horst/Bosch Nikolaus/ Lenckner Theodor, 2014, § 164 N 1a f.

Art. 174 StGB Art. 183 f. StGB Insb. Sachentziehung nach Art. 141 StGB.

Vgl. BGE 115 IV 1 E. 2b S.3 und Trechsel Stefan/Pieth Mark, 2018, Art. 303 N 13.

Freiheitsstrafe oder Untersuchungshaft, aber auch vorläufige Festnahme oder Vorführung.

Gericht, Staatsanwaltschaft etc.

Art. 13 i.V.m. Art. 14 StGB und anwendbare Grundlage in der StPO, z. B. Art. 221 oder 217 StPO. Zum Staat als rechtmässig handelndes Werkzeug vgl. Stratenwerth Günter, 2011, § 13 N 28 und Roxin Claus, 2003, § 25 N 68. Zum ähnlich gelagerten Fall des Prozessbetruges vgl. BGE 122 IV 197.

Art. 183 StGB, allenfalls i.V.m. Art. 184 StGB.

2888

BBl 2018

Im geltenden Recht ist der Strafrahmen des Grundtatbestands ausserordentlich weit: Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Dass die Maximalstrafe somit beispielsweise derjenigen der vorsätzlichen Tötung entspricht, wird in der Lehre kritisiert.144 Auch wenn die Folgen einer falschen Anschuldigung schwerwiegend sein können, erachtet auch der Bundesrat die heutige Maximalstrafe als zu hoch. Die falsche Verdächtigung nach § 164 des deutschen Strafgesetzbuchs, die weitgehend der falschen Anschuldigung nach Artikel 303 entspricht, sieht lediglich eine Maximalstrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe vor. Gestützt auf diese Überlegungen ist in Ziffer 1 ein Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe angemessen.

In Ziffer 2 ist ebenfalls eine Reduzierung des Strafrahmens angebracht. Die Strafe soll nur noch Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe betragen, falls die falsche Anschuldigung eine Übertretung betrifft. Damit wird innerhalb des Tatbestands eine sinnvolle Abstufung erreicht.

Art. 304 Ziff. 2

Irreführung der Rechtspflege

Die Bestimmung in Ziffer 2, wonach in besonders leichten Fällen von Strafe Umgang genommen werden kann, soll gestrichen werden. Diese Strafbefreiung kann über Artikel 52 StGB (Fehlendes Strafbedürfnis) erreicht werden.

Art. 305 Abs. 2

Begünstigung

Der Tatbestand der Begünstigung schützt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts (und wohl herrschender Meinung) die ungehinderte Strafrechtspflege.145 Die Strafdrohung ist Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, unabhängig davon, ob die Vortat ein Verbrechen, ein Vergehen oder eine Übertretung ist.

Der Vorentwurf sah vor, dass die Begünstigung nicht schwerer bestraft werden solle als die Vortat, deren Verfolgung oder Bestrafung durch die Begünstigungshandlung vereitelt wird. Als Begründung wurde die Parallele zur Hehlerei146 angeführt. In der Vernehmlassung ist jedoch zu recht eingewendet worden, die Parallele zur Hehlerei sei unzutreffend, weil diese ­ anders als die Begünstigung ­ zur Vortat (limitiert) akzessorisch sei und kein von der Vortat unterschiedliches Rechtsgut schütze. Die Ausrichtung des Strafrahmens an demjenigen der Vortat stelle die schweizerische Konzeption der Begünstigung in Frage. Die Vortat (z. B. Diebstahl) und die Nachtat Begünstigung greifen regelmässig unterschiedliche Rechtsgüter an.

Artikel 305 schützt das Strafverfahren, das die materielle Wahrheitsfindung zum Ziel hat.147 Der Nachtäter setzt hier somit neues, eigenständiges Unrecht und perpetuiert nicht wie bei der Hehlerei dasjenige der Vortat. Nach schweizerischer Auffassung ist die Begünstigung im StGB deshalb weder bez. Strafbarkeit noch bez.

144 145 146 147

Vgl. nur Trechsel Stefan/Pieth Mark, 2018, Art. 303 N 11.

Eingehend zur Rechtsgut-Diskussion Schneider Klaus, 2009, 10 ff., 20.

Art. 160 Ziff. 1 zweiter Abs. StGB.

Schneider Klaus, 2009, 9, 13 ff.; vgl. auch Trechsel Stefan/Pieth Mark, 2018, Art. 305 N 1 f. Dies bedeutet, dass auch die Begünstigung (vermeintlich oder tatsächlich) unschuldiger Personen strafbar ist.

2889

BBl 2018

Strafmass akzessorisch zur Vortat. Bei anderen Rechtspflegedelikten148 ist der Strafrahmen ebenfalls nicht abhängig von der (angeblichen oder angezeigten) Vortat ausgestaltet. Insbesondere bei der falschen Anschuldigung wegen einer Übertretung ist die angedrohte Strafe nicht Busse, sondern Freiheitsstrafe. Die Abschichtung der Rechtspflegedelikte von der Vortat im StGB zeigt sich damit deutlich. Der Bundesrat verzichtet aus diesen Gründen bei der Begünstigung auf die im Vorentwurf vorgeschlagene Bezugnahme auf den Strafrahmen der Vortat.149 Artikel 305 bezweckt die Isolierung des Vortäters.150 Diese Isolierung kann jedoch beispielsweise von nahen Angehörigen des Vortäters nicht verlangt werden, ohne sie in ein persönliches Dilemma zu bringen.151 Die Begünstigung enthält deshalb bereits in der geltenden Fassung einen fakultativen Schuldausschlussgrund («Fremdbegünstigungsprivileg»).152 Es scheint jedoch inkonsequent und fragwürdig, Eltern grundsätzlich einer Strafbarkeit zu unterstellen, wenn sie die Flucht ihrer beschuldigten Tochter mit Geld, Obdach oder ähnlichem unterstützen, sie aber gleichzeitig vom Zeugniszwang zu befreien (Art. 168 Abs. 1 Bst. c StPO).153 Absatz 2 soll deshalb dahingehend abgeändert werden, dass der Täter zwingend straffrei (schuldlos) bleibt, wenn er in so nahen persönlichen Beziehungen zum Begünstigten steht, dass sein Verhalten entschuldbar ist. Vorbehalten bleibt dabei die Strafbarkeit wegen Delikten, die andere Rechtsgüter schützen (Diebstahl, Sachbeschädigung, Unterdrücken von Urkunden usw.). Dieser Vorschlag stiess in der Vernehmlassung auf ungeteilte Zustimmung.

Leitender Gedanke für die Privilegierung sowohl der Selbstbegünstigung als auch der Begünstigung von nahestehenden Personen ist die Unzumutbarkeit, sich entgegen höchstpersönlicher Interessen für die Rechtspflege verwenden zu müssen.154 Dieser Gedanke kommt auch bei den speziellen Strafmilderungsgründen für Rechtspflegedelikte (Art. 308) zum Tragen. Die straflose Begünstigung nahestehender Personen nach Absatz 2 und die Regelung des Aussage-Notstands nach Artikel 308 Absatz 2 werden deshalb aufeinander abgestimmt.155 Bei Absatz 2 sollen (wie bei Art. 308 Abs. 2) die Angehörigen i. S. v. Artikel 110 Absatz 1 ausdrücklich aufgeführt werden: Bei diesen wird die Unzumutbarkeit neu gesetzlich (und unwiderlegbar)
vermutet. Die Generalklausel «... jemand anderen, zu dem er in so nahen persönlichen Beziehungen steht, dass sein Verhalten entschuldbar ist...» lehnt sich der Sache nach an den entschuldbaren Notstand (Art. 18 Abs. 2). Dies erlaubt, auch andere persönliche Verhältnisse privilegierend zu berück148 149 150 151 152

153 154 155

Z. B. falsche Anschuldigung (Art. 303 StGB), Irreführung der Rechtspflege (Art. 304 StGB) oder Gefangenenbefreiung (Art. 310 StGB).

Zur unterschiedlichen Regelung der Begünstigung im Verwaltungsstrafrecht vgl. die Erläuterungen zu Art. 17 E-VStrR.

Schneider Klaus, 2009, 12 (m.w.H.).

Vgl. Schneider Klaus, 2009, 140 f. Ein solches Dilemma kann auch im Strafverfahren entstehen, vgl. dazu die prozessuale Lösung (inkl. Ausnahme) in Art. 168 StPO.

In der Sache handelt es sich um einen ausdrücklich geregelten, persönlichen Schuldausschlussgrund i. S. v. Art. 27 StGB. Vgl. auch die allgemeine Regelung bei Unzumutbarkeit in einem entschuldigenden Notstand nach Art. 18 Abs. 2 StGB.

Zum strafprozessualen Zeugniszwang auch für nahe Angehörige z. B. in sogenannten Haustyrannenfällen vgl. die Erläuterungen zu Art. 308 Abs. 2 Bst. b E-StGB.

Dazu eingehend Schneider Klaus, 2009, 69 ff., 108 f., 140 f.

Vgl. die Erläuterungen in Ziff. 2.2.16, Art. 308 Abs. 2 Bst. b E-StGB.

2890

BBl 2018

sichtigen, wenn sich die Straflosigkeit wegen nahen persönlichen Beziehungen und tatsächlicher Unzumutbarkeit aufdrängt (z. B. Konkubinatspartner oder Pflegeeltern bzw. -kinder).

Wenn der Täter nicht nur eine nahe stehende Person begünstigt, sondern gleichzeitig und notwendigerweise auch eine weitere, nicht nahestehende Person,156 weist dies starke Parallelen zur sogenannten «notwendigen Mitbegünstigung» auf, die anlässlich einer straflosen Selbstbegünstigung begangen wird. Die Gerichte haben sachgerechte Lösungen entwickelt, wenn ein Beschuldigter anlässlich einer Selbstbegünstigung weitere Personen mitbegünstigt.157 Diese Regeln können ohne weiteres auch für die Mitbegünstigung im Rahmen des Fremdbegünstigungsprivilegs i. S. v. Artikel 305 Absatz 2 fruchtbar gemacht werden. Eine besondere Regelung für solche Fälle ist nicht erforderlich.

Art. 305bis Ziff. 2 erster Abs.

Geldwäscherei

Die Kombination von Strafen dient spezialpräventiven Zwecken. Das Hauptgewicht liegt auf der Freiheitsstrafe oder der Geldstrafe, während der (unbedingten) Verbindungsgeldstrafe nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Diese soll nicht zu einer Straferhöhung führen oder eine zusätzliche Strafe ermöglichen. Sie erlaubt lediglich innerhalb der schuldangemessenen Strafe eine täter- und tatangemessene Sanktion, wobei die verwirkte Freiheitsstrafe und die damit verbundene Geldstrafe in ihrer Summe schuldangemessen sein müssen.158 Artikel 305bis Ziffer 2 bestimmt seit Inkrafttreten der AT-Revision 2002, dass die Freiheitsstrafe mit einer Geldstrafe bis zu 500 Tagessätzen verbunden wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass man im Gesetzgebungsverfahren zunächst von einem Höchsttagessatz von 2000 Franken ausgegangen war.159 So gelangte man zu einer kapitalisierten Höchstgeldstrafe von 1 Million Franken ­ entsprechend der Strafdrohung, die damals galt. Mit der Erhöhung des Höchsttagessatzes im Rahmen der parlamentarischen Beratungen auf schliesslich 3000 Franken (Art. 34 Abs. 2) stimmt diese Umrechnung nicht mehr. Es wurde damals jedoch vergessen, die Anzahl Tagessätze der Verbindungsstrafe bei der Geldwäscherei zu korrigieren.

Eine derart hohe Geldstrafe ist nicht notwendig, um einen schweren Fall der Geldwäscherei, in dem unter Umständen ein erheblicher Gewinn erzielt worden ist, angemessen zu bestrafen. Gewinne, die durch eine Straftat erlangt worden sind, unterliegen der Einziehung (Art. 70) oder führen zu einer Ersatzforderung (Art. 71). Es ist dabei zu bedenken, dass Einziehung und (Geld-)Strafe unterschiedliche Zwecke verfolgen: Die Bemessung der Geldstrafe orientiert sich am Schuldprinzip (Art. 47).

156

Bsp.: Der Vater versteckt Beweismittel, die seine Tochter und ihre Komplizin belasten, und stellt sein Fahrzeug für die gemeinsame Flucht zur Verfügung.

157 Zum Verhältnis von Selbstbegünstigungsprivileg und Mitbegünstigung vgl.

BGE 102 IV 29 E. 1.a S. 31 f.

158 Dazu eingehend BGE 134 IV 1 E.4.5.2 S. 8.

159 Botschaft vom 21. Sept. 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung des Gesetzes) und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, Ziffer 213.111; BBl 1999 2018.

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Die Einziehung des Gewinns dagegen ist eine Massnahme und darf nicht über eine entsprechend hoch angesetzte Geldstrafe erfolgen.

Es ist somit nicht ersichtlich, weshalb die Verbindungsgeldstrafe bei der Geldwäscherei den von Artikel 34 Absatz 1 vorgegebenen Rahmen überschreiten sollte.

Neu soll deshalb in einem schweren Fall von Geldwäscherei Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen als Verbindungsstrafe ausgesprochen werden können. Eine potenziell mildere Bestrafung ist mit dieser Änderung nicht verbunden; es bleibt dabei, dass die Freiheitsstrafe und die damit verbundene Geldstrafe in ihrer Summe schuldangemessen sein müssen.

Es bleibt anzumerken, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Geldwäscherei auch auf Unternehmen ausgeweitet werden kann: Diese werden nach Artikel 102 Absatz 2 mit Busse bis zu 5 Millionen Franken bestraft, wenn Geldwäscherei in Ausübung geschäftlicher Verrichtung und im Rahmen des Unternehmenszwecks begangen worden ist und zur Verhinderung von Geldwäschereihandlungen keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen worden sind (sog. Straftatverhinderungspflicht).

Art. 306 Abs. 2 und 3

Falsche Beweisaussage der Partei

Eid und Handgelübde sind weder in der Zivilprozessordnung160 noch in der StPO vorgesehen. Absatz 2 kann deshalb ersatzlos gestrichen werden.

Im Gegensatz zu Artikel 307 (Falsches Zeugnis. Falsches Gutachten. Falsche Übersetzung) fehlt in Artikel 306 eine Privilegierung, wonach eine mildere Strafe angedroht wird, falls sich die falsche Äusserung auf Tatsachen bezieht, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind. Weil jedoch die Unterscheidung von zur Sache gehörenden, aber unerheblichen Tatsachen einerseits von nicht zur Sache gehörenden Tatsachen andererseits grosse Schwierigkeiten bereitet, befürwortet ein Teil der Lehre die analoge Anwendung dieser Privilegierung auch auf Artikel 306.161 Im Hinblick auf diese Schwierigkeiten und aus Gründen der Rechtssicherheit soll Artikel 306 deshalb um einen entsprechenden Absatz 3 ergänzt werden.

Art. 307 Abs. 2

Falsches Zeugnis. Falsches Gutachten. Falsche Übersetzung

Siehe Bemerkungen zu Artikel 306 Absatz 2.

Art. 308

Strafmilderung oder Straflosigkeit

Absatz 1 bleibt inhaltlich unverändert; es werden lediglich drei sprachliche Anpassungen vorgenommen («Gericht», «von Bestrafung absehen» und dem inhaltlich weiteren Begriff «Äusserung» anstelle von «Aussage»).

Der Aussage-Notstand nach dem geltenden Artikel 308 Absatz 2 soll aus redaktionellen Gründen auf zwei Buchstaben aufgeteilt werden: Buchstabe a enthält neu nur noch die falsche Äusserung in Selbstbegünstigungsabsicht. Die falsche Äusserung, die in Fremdbegünstigungsabsicht gemacht worden ist, wird im neuen Buchstaben b geregelt. Im Hinblick auf die strukturell verwandte Regelung bei der Begünsti160 161

SR 272 Stratenwerth Günter/Bommer Felix, 2013, § 56 N 17 und 42. (m.w.N.).

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gung162 soll das Gericht auch beim Aussage-Notstand nach Absatz 2 von Strafe absehen. Der leitende Gedanke für die Privilegierung sowohl bei der straflosen Begünstigung wie auch beim Aussage-Notstand ist nämlich die Unzumutbarkeit.163 Die Privilegierung greift nur bei Verletzung des Rechtsguts «Rechtspflege»; die Strafbarkeit wegen Verletzung anderer Rechtsgüter ist damit nicht ausgeschlossen.

Diese Privilegierung greift auch bei schriftlichen Äusserungen (Gutachten, schriftliche Aussagen etc.).

Wenn eine nahestehende Person wegen falscher Äusserung straflos bleibt, hat dies auch Auswirkungen auf die Strafbarkeit des in Selbstbegünstigungsabsicht handelnden Teilnehmers: Das Bundesgericht bejaht bei der sogenannten «mittelbaren Selbstbegünstigung» (Anstiftung zur Begünstigung des Anstifters) bereits seit längerem die Straflosigkeit des Anstifters.164 Insbesondere bei der in Selbstbegünstigungsabsicht begangenen Anstiftung eines nahen Angehörigen zu falschem Zeugnis (zugunsten des Anstifters) drängt sich als Rechtsfolge ­ nur schon hinsichtlich des allgemeinen Gleichheitssatzes ­ ebenfalls die Straflosigkeit auf.165 Es wäre stossend und ungereimt, den nach Absatz 2 Buchstabe b privilegiert handelnden Täter einer Fremdbegünstigung besser zu stellen als den in Selbstbegünstigungsabsicht handelnden Teilnehmer (vgl. Abs. 2 Bst. a). Die Rechtsfolge ergibt sich nun klar aus der vorgeschlagenen Regelung von Absatz 2.

Wegen der starken Parallelen zur straflosen Fremdbegünstigung166 einerseits und den Wechselwirkungen mit dem Zeugnisverweigerungsrecht167 andererseits soll der Personenkreis im Aussage-Notstand nach Absatz 2 Buchstabe b harmonisiert werden. Folgende Überlegungen sind massgebend: Nach geltendem Recht muss ein Angehöriger im Sinne von Artikel 110 Absatz 1 falsch aussagen, damit eine Strafmilderung wegen Aussage-Notstandes in Betracht kommt.168 Es ist aber kaum einzusehen, weshalb es für eine privilegierte Falschaussage allein auf die Legaldefinition der Beziehung ankommen soll (rein formales Kriterium), bei der straflosen Fremdbegünstigung hingegen nicht (normatives Kriterium «nahe persönliche Beziehung, sodass das Verhalten entschuldbar ist»). Leitender Gedanke ist hier wie da die Unzumutbarkeit.

In besonderen Konstellationen scheint ein Wertungswiderspruch zwischen StGB und StPO zu bestehen: Wird eines der in Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe a StPO abschliessend aufgezählten schweren Delikte innerhalb einer Familie begangen,169 162 163 164 165

166 167 168 169

Vgl. die Erläuterungen in Ziff. 2.2.16, Art. 305 Abs. 2 E-StGB.

Vgl. Stratenwerth Günter/Bommer Felix, 2013, § 57 N 19 f. und die Regelung des straflosen entschuldigenden Notstands in Art. 18 Abs. 2 StGB.

BGE 115 IV 230 E. 2c S. 232. Vgl. dazu Schneider Klaus, 2009, 143 ff.

Vgl. BGE 115 IV 230 E. 2c S. 232 und zum Ganzen Trechsel Stefan/Pieth Mark, 2018, Art. 308 N 8; Stratenwerth Günter/Bommer Felix, 2013, § 56 N 54; Roxin Claus, 2003, § 26 N 46 ff. Mit kriminalpolitischer Argumentation die Strafbarkeit des selbstbegünstigenden Anstifters bejahend hingegen BGE 118 IV 175 E. 2b S.182.

Vgl. dazu die Erläuterungen in Ziff. 2.2.16, Art. 305 Abs. 2 E-StGB.

Art. 168 StPO Vgl. Trechsel Stefan/Pieth Mark, 2018, Art. 308 N 5.

Z. B. Delikte gegen Leib und Leben oder Sexualdelikte. Eine zwar seltene, aber dennoch wichtige Fallgruppe bildet in diesem Zusammenhang die Tötung von Haustyrannen (vgl. BGE 125 IV 49 und 122 IV 1).

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entfällt das Zeugnisverweigerungsrecht für nahe Angehörige.170 Die Konsequenzen dieser prozessualen Regelung muten mit Blick auf das materielle Recht seltsam an.

Eine Person ist nämlich strafbar nach Artikel 176 StPO,171 wenn sie die Aussage in einem Fall nach Artikel 168 Absatz 4 StPO verweigert (Pönalisierung der passiven Obstruktion im Prozessrecht trotz Unzumutbarkeit):172 sie bleibt aber straflos nach Artikel 305 Absatz 2,173 wenn sie das nahestehende Familienmitglied auf der Flucht unterstützt (Straffreiheit im materiellen Recht wegen Unzumutbarkeit auch bei aktiver Obstruktion). Dies scheint ungereimt, weil es hier wie da um denselben Lebenssachverhalt und denselben Gewissenskonflikt geht. Der persönliche Konflikt wird für nahe Angehörige unter Zeugniszwang sogar umso grösser sein, wenn es um ein schweres Delikt eines «Familien-Täters» an einem «Familien-Opfer» geht ­ so insbesondere in Haustyrannen-Fällen.174 Im Ergebnis wird die materiell rechtliche Straffreistellung durch den prozessualen Aussagezwang jedenfalls relativiert.

Es ist somit denkbar, dass eine angehörige Person aus persönlicher Not lügt, wenn sie in solchen Fällen aussagen muss, und sich damit grundsätzlich auch strafbar macht (Art. 307). Die Regelung zum Aussage-Notstand kann hier als partielles Korrektiv zum strafprozessualen Zeugniszwang wirken: Sagt ein Zeuge falsch aus, kann gemäss Artikel 308 Absatz 2 die Strafe de lege lata gemildert werden,175 wenn der Täter mit der Falschaussage die Bestrafung eines Angehörigen verhindern wollte.176 Die Norm wirkt in der geltenden Fassung jedoch nur bei einem Teil der Zeugen nach Artikel 168 Absatz 4 StPO als Korrektiv. Der Personenkreis, der gemäss StPO unter Aussagezwang steht, ist nämlich weiter als derjenige, der unter den AussageNotstand im StGB fällt: Hier ist ­ wie bereits erwähnt ­ die engere Legaldefinition nach Artikel 110 Absatz 1 zum Begriff der Angehörigen massgebend.

Der Bundesrat schlägt deshalb vor, den Personenkreis im Aussage-Notstand gemäss Absatz 2 Buchstabe b zu öffnen und ihn mit der Formulierung von Artikel 305 Absatz 2 zu synchronisieren: Bei Angehörigen im Sinne von Artikel 110 Absatz 1 wird die Unzumutbarkeit gesetzlich (und unwiderlegbar) vermutet. Die Generalklau170 171 172

173 174

175 176

Vgl. BBl 2006 1085, hier 1199. Eingehend und kritisch zu dieser Bestimmung Vest Hans/Horber Salome, 2014, Art. 168 N 20 ff.

Ordnungsbusse, allenfalls auch Art. 292 StGB.

Das Beanspruchen des Zeugnisverweigerungsrechts zum eigenen Schutz gem. Art. 169 Abs. 1 StPO (wegen Beteiligung an Vortat oder Nachtat) erspart der angehörigen Person zwar die Aussage, dürfte aber Ermittlungen gegen ihre Person zur Folge haben (Schweigen als verdachtserweckendes Indiz bzw. als «abgeschwächte Selbstbelastung», vgl. Stratenwerth Günter/Bommer Felix, 2013, § 56 N 53).

Nach geltendem Recht fakultative Straffreiheit, gemäss Entwurf obligatorisch, vgl. dazu die Erläuterungen in Ziff. 2.2.16, Art. 305 Abs. 2 E-StGB.

Mit dem Zeugniszwang wird der betroffenen Person zwar eine Entscheidung abgenommen, die Zwangslage ist dadurch aber nicht aufgelöst: Sie kann sich durch den Zeugniszwang im Gegenteil noch weiter verschärfen. Eine Zwangslage besteht sogar trotz Aussageverweigerungsrecht fort (BGE 118 IV 175, 182). Dies gilt umso mehr, wenn es nicht um ein Aussageverweigerungsrecht (Mitwirkungsfreiheit), sondern um eine strafbewehrte Zeugnispflicht (Mitwirkungszwang) geht. Weil sich eine solche Zwangslage nicht durch eine gesetzliche Regelung ­ und insb. nicht durch Mitwirkungszwang ­ auflösen lässt, sind Selbstbegünstigung und Aussageverweigerung des Beschuldigten straflos (dazu eingehend Schneider Klaus, 2009, 94 f., 104 ff.).

Rechtsfolge gem. Art 308 Abs. 3 E-StGB: Straffreiheit.

Vgl. auch Trechsel Stefan/Pieth Mark, 2018, Art. 308 N 6.

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sel erlaubt es, auch andere persönliche Verhältnisse privilegierend zu berücksichtigen, insbesondere solche, die von Artikel 168 Absatz 1 und 2 StPO erfasst sind.177 Art. 310 Ziff. 2 zweiter Abs.

Befreiung von Gefangenen

In Artikel 310 Ziffer 2 zweiter Absatz wird die Mindeststrafe auf 90 Tagessätze Geldstrafe erhöht. Dadurch ergibt sich eine angemessene Abstufung zur Strafdrohung in Ziffer 2 erster Absatz, wo keine Mindeststrafe vorgesehen ist.

2.2.17 Art. 313

Achtzehnter Titel: Strafbare Handlungen gegen die Amts- und Berufspflicht Gebührenüberforderung

Bei Artikel 313 wird die gewinnsüchtige Absicht durch die Bereicherungsabsicht ersetzt (siehe dazu auch die Erläuterungen zu Art. 135 Abs. 3).

Art. 317 Ziff. 2

Urkundenfälschung im Amt

Im Unterschied zu Artikel 251 ist bei Artikel 317 nicht die Vorteilsabsicht unrechtsmitbegründend, sondern die Verletzung der Amtspflichttreue und die damit verbundene Schädigung des Vertrauens in den Rechtsverkehr (wie bei Art. 251) und in die Zuverlässigkeit des Staates.178 Zwischen dem Strafrahmen für das vorsätzlich begangene Delikt in Ziffer 1 und jenem für das Fahrlässigkeitsdelikt in Ziffer 2 besteht jedoch ein sehr grosser Unterschied; dies soll geändert werden. Da die Höhe der in Ziffer 1 vorgesehenen Strafe der Strafdrohung von Artikel 251 Ziffer 1 entspricht und somit auch bei Artikel 317 Ziffer 1 angemessen ist, wird der Strafrahmen in Ziffer 2 angehoben. Dabei werden die Änderungen berücksichtigt, die im Allgemeinen Teil des StGB vorgenommen werden.179 Art. 318 Ziff. 1 zweiter Abs. und Ziff. 2

Falsches ärztliches Zeugnis

Nach eingehender Prüfung der kritischen Stellungnahmen aus der Vernehmlassung schlägt der Bundesrat vor, das Ausstellen eines falschen ärztlichen Zeugnisses ­ entgegen dem Vorschlag im Vorentwurf ­ einer zweistufigen Strafdrohung für die vorsätzliche Begehung zu unterstellen: Der Grundtatbestand (Ziff. 1 erster Abs.)

bleibt unverändert ein Vergehen und der Strafrahmen für die Qualifikation (Ziff. 1 zweiter Abs.) wird angehoben. Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit (Ziff. 2) soll gestrichen werden. Die in der Vernehmlassung vorgeschlagene Aufhebung von Ziffer 1 ist aus zwei Gründen nicht angezeigt: Erstens ist Artikel 318 weiter als Artikel 251, insbesondere weil er nicht nur rechtlich erhebliche Tatsachen erfasst.180 Zweitens befindet sich der Arzt regelmässig in einem Loyalitätskonflikt,181 was zwar nicht für 177 178 179 180 181

Vgl. die Erläuterungen in Ziff. 2.2.16, Art. 305 Abs. 2 E-StGB.

Vgl. auch Trechsel Stefan/Erni Lorenz, 2018, Art. 317 N 1.

Siehe auch vorne Ziff. 1.1.3.

Stratenwerth Günter/Bommer Felix, 2013, § 60 N 19 f.

Stratenwerth Günter/Bommer Felix, 2013, § 60 N 14.

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eine Straflosigkeit, aber für eine privilegierende lex specialis im Bereich Urkundendelikte spricht.

Die Strafdrohung für die qualifizierte Begehung nach Ziffer 1 zweiter Absatz soll verschärft werden, weil das Fordern, Annehmen oder Versprechenlassen einer Belohnung im Vergleich zu Ziffer 1 Absatz 1 ein qualifiziertes Unrecht begründet, das nicht durch die Bestechungsdelikte abgedeckt ist. Der Arzt, der auf eine Belohnung für eine strafbare Handlung aus ist, verdient keine Privilegierung. Die Strafdrohung soll hier deshalb (wie bei Art. 251 oder 317 Ziff. 1) Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe betragen.

Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Ziffer 2 ist nicht begründbar, wenn man den Loyalitätskonflikt des Arztes im Grundtatbestand dieses Sonderdelikts (Ziff. 1 erster Abs.) privilegierend anerkennt: Die Bestrafung der Fahrlässigkeit steht umso mehr in Widerspruch zum Privilegierungsgedanken, als beim gemeinen Delikt der Urkundenfälschung (Art. 251) die fahrlässige Begehung nicht strafbar ist. Deshalb kann Ziffer 2 aufgehoben werden.

Art. 321ter Abs. 4

Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses

Der Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgrund «zur Verhinderung von Schäden» in Absatz 4 stösst in der Literatur wegen mangelnder Bestimmtheit auf Kritik.182 Solche Sachverhalte sind zudem bereits durch die allgemeinen Notstandsregeln (Art. 17 und 18) abgedeckt und können danach differenziert gelöst werden. Dieser Rechtfertigungsgrund soll deshalb aufgehoben und Absatz 4 entsprechend geändert werden.

Art. 322bis

Nichtverhinderung einer strafbaren Veröffentlichung

Die Strafbarkeit nach Artikel 322bis setzt voraus, dass durch eine Veröffentlichung eine strafbare Handlung begangen worden ist und der Autor als primär verantwortliche Person183 nicht abgeurteilt werden kann.184 Dabei ist an Ehrverletzungsdelikte (Art. 173 ff.), Rassendiskriminierung (Art. 261bis) oder die Verletzung von Geheimnispflichten (z. B. Art. 293) zu denken. Artikel 322bis pönalisiert zwar Pflichtverletzungen, welche die Verwirklichung einer Tat des Autors zumindest unterstützen, aber nach der klassischen Täterschafts- und Teilnahmelehre mangels Garantenstellung oder mangels Vorsatz regelmässig straflos bleiben würden.185 Das Nichtverhindern der Veröffentlichung greift denn auch kein anderes Rechtsgut an als das Verfassen der fraglichen Publikation. Die Strafbarkeit knüpft hier aber an die Verletzung eines Gebots (Handlungspflicht) an, die subsidiär in Anschlag gebracht

182 183 184

Vgl. Trechsel Stefan/Lieber Viktor, 2018, Art. 321ter N 6 m.w.H.

Vgl. Art. 28 Abs. 1 StGB Subsidiäre Verantwortlichkeit nach Art. 28 Abs. 2 und 3 StGB. Vgl. auch Trechsel Stefan/Jean-Richard-dit-Bressel Marc, 2018, Art. 322bis N 1 und das ähnliche Subsidiaritäts-Modell in Art. 102 Absatz 1 StGB.

185 Diese spezielle Lösung drängt sich nicht zuletzt aufgrund der ebenfalls speziellen Haftungskaskade im Medienstrafrecht nach Art. 28 StGB auf, vgl. Trechsel Stefan/ Jean-Richard-dit-Bressel Marc, 2018, Art. 322bis N 1.

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wird.186 Der Strafrahmen für diese besondere Beteiligungsform soll deshalb das spezifische Unrecht der (fahrlässigen oder vorsätzlichen) Nichtverhinderung abbilden und in einem angemessenen Verhältnis zur Tat des Autors stehen.

Zwischen dem Strafrahmen für das vorsätzlich begangene Delikt und jenem für das Fahrlässigkeitsdelikt besteht ein grosser Unterschied, weshalb der Vorentwurf die Erhöhung des Strafrahmens für das Fahrlässigkeitsdelikt vorsah. Danach wäre die fahrlässige Begehung von der Übertretung zum Vergehen heraufgestuft geworden.

In der Vernehmlassung ist jedoch darauf hingewiesen worden, dass der Unrechtsgehalt des Verhaltens eines subsidiär Verantwortlichen im Vergleich zu demjenigen des Autors geringer einzustufen sei; somit sei der Autor grundsätzlich am strengsten zu bestrafen, die fahrlässige Nichtverhinderung einer strafbaren Veröffentlichung hingegen am unteren Ende dieser Strafhierarchie einzustufen. Der Einwand ist zutreffend.187 Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass hier lediglich eine fahrlässige «Quasi-Beteiligung» ­ begangen durch echtes Unterlassen ­ an der (regelmässig nur bei Vorsatz strafbaren) Tat eines hauptverantwortlichen Autors in Rede steht. Damit sprechen ganz überwiegende Gründe dafür, eine solche Pflichtverletzung weiterhin nur als Übertretung zu ahnden. Der Bundesrat verzichtet somit auf eine Anpassung des Strafrahmens für die fahrlässige Nichtverhinderung einer strafbaren Veröffentlichung.

Hinsichtlich der Überlagerungen von «Quasi-Haupttat» und Nichtverhindern der Veröffentlichung ist es stossend, wenn das Nichtverhindern Freiheitsstrafe zur Folge haben kann, aber der Autor z. B. lediglich den Tatbestand der Beschimpfung erfüllt.

In Artikel 322bis wird deshalb ein neuer Absatz 2 eingefügt, wonach der Täter nach der Strafdrohung des Delikts bestraft wird, das auf den Autor nach Artikel 28 Absatz 1 anwendbar ist, wenn diese milder ist.

Erfüllt der Autor den Tatbestand eines Antragsdelikts, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts188 nur dann gegen den Täter nach Artikel 322bis vorgegangen werden, wenn gegen den Autor gültig Strafantrag gestellt worden ist. Artikel 322bis soll deshalb mit einem entsprechenden Absatz 3 ergänzt werden.

2.2.18 Art. 328

Zwanzigster Titel: Übertretungen bundesrechtlicher Bestimmungen Nachmachen von Postwertzeichen ohne Fälschungsabsicht

Der Anwendungsbereich von Artikel 328 ist ­ neben den anderen Fälschungsdelikten wie Artikel 155 (Warenfälschung), Artikel 243 (Nachmachen von Banknoten, Münzen oder amtlichen Wertzeichen ohne Fälschungsabsicht) und Artikel 245 (Fälschung amtlicher Wertzeichen) ­ sehr eng gefasst. Die Bestimmung erfasst lediglich das Nachmachen von nicht mehr gültigen Postwertzeichen, ohne dass der Täter mit Fälschungsabsicht handelt. Aufgrund der geringen praktischen Bedeutung dieser 186

Vgl. Trechsel Stefan/Jean-Richard-dit-Bressel Marc, 2018, Art. 322bis N 4 f. und BBl 1996 IV 525, hier 552, 553 und 566.

187 Vgl. auch BBl 1996 IV 525, hier 566.

188 BGE 130 IV 121 E. 2.3

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Bestimmung tritt die Lehre stark für deren Aufhebung ein.189 Dieser Tatbestand soll deshalb aufgehoben werden.

Art. 330

Handel mit militärisch beschlagnahmtem Material

Artikel 330 entspricht teilweise Artikel 107 MStG (Ungehorsam gegen militärische und behördliche Massnahmen) und gilt diesem gegenüber subsidiär (Art. 9 Abs. 1).

Nach Artikel 3 Absatz 1 Ziffer 7 (persönlicher Geltungsbereich) unterstehen Zivilpersonen in Friedenszeiten dem Militärstrafrecht, wenn sie sich im Sinne von Artikel 107 MStG des Ungehorsams gegen militärische und behördliche Massnahmen schuldig machen, die der Vorbereitung oder Durchführung der Mobilmachung der Armee dienen. Dasselbe gilt, wenn sie neben Personen, die dem Militärstrafrecht unterstehen, an einer Straftat nach Artikel 107 MStG beteiligt sind (Art. 7 Abs. 1 MStG). Sie sind somit vom Geltungsbereich von Artikel 330 ausgeschlossen. Damit wird Artikel 330 weitgehend inhaltsleer.190 Er soll daher aufgehoben werden. Da die Militärgerichtsbarkeit angesichts der genannten Bestimmungen schon in Friedenszeiten für Zivilpersonen gilt, wird die Aufhebung entgegen der in der Vernehmlassung geäusserten Befürchtung nicht zu einer Ausweitung der Militärgerichtsbarkeit führen.

Art. 332

Nichtanzeigen eines Fundes

Nach Artikel 332 wird mit Busse bestraft, wer beim Fund oder der Zuführung einer verlorenen Sache oder eines verlorenen Tieres nicht gemäss den entsprechenden Vorschriften des Zivilgesetzbuchs Anzeige erstattet.191 Will sich der Täter die Sache oder das Tier aneignen, so kommt nicht Artikel 332, sondern Artikel 137 Ziffer 2 erster Absatz (unrechtmässige Aneignung) zur Anwendung.192 Diese Bestimmung stellt im Gegensatz zu Artikel 332 ein Antragsdelikt dar; ein entsprechender Verstoss wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Es mutet sonderbar an, dass die unrechtmässige Aneignung, die eine schwerwiegendere Widerhandlung als das Nichtanzeigen eines Fundes darstellt, im Gegensatz zu diesem ein Antragsdelikt ist. Dies kann eigenartigerweise bedeuten, dass gestützt auf Artikel 332 eine Verfolgung von Amtes wegen stattfindet, falls kein Strafantrag zur Verfolgung gestützt auf Artikel 137 Ziffer 2 erster Absatz gestellt wird.

Unsere Nachbarländer kennen hinsichtlich der Anzeigepflicht eines Fundes analoge Regelungen, andererseits wird typischerweise die Verletzung einer solchen Pflicht nicht bestraft. Der Fund einer verlorenen Sache wird überall als Aneignungsdelikt behandelt, das nur bei Zueignung der gefundenen Sache zum Zuge kommt (analog Art. 137).193

189 190 191 192 193

Lentjes Meili Christiane/Keller Stefan, 2013, Art. 328 N 9 mit weiterem Hinweis.

Omlin Esther, 2013, Art. 330 N 5.

Donatsch Andreas/Thommen Marc/Wohlers Wolfgang, 2017, § 151, Ziff. 1.

Donatsch Andreas/Thommen Marc/Wohlers Wolfgang, 2017, § 151, Ziff. 3.

Niggli Marcel Alexander, 2013, Art. 332 N 1.

2898

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Schliesslich ist ernsthaft zu bezweifeln, ob eine Strafnorm erforderlich ist, um die zivile Pflicht wirksam durchzusetzen, einen zufälligen Fund anzuzeigen, wenn der Finder nicht beabsichtigt, sich die Sache anzueignen, d. h. wenn Artikel 137 nicht zur Anwendung kommt. Der zivilrechtliche Schutz der betreffenden Interessen erweist sich als genügend und Artikel 332 kann dementsprechend aufgehoben werden.

2.3

Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927194

2.3.1

Übereinstimmung zwischen Militärstrafgesetz und Strafgesetzbuch

Der Besondere Teil des MStG entspricht im Wesentlichen dem Besonderen Teil des StGB; Abweichungen gibt es lediglich dort, wo die spezifischen Bedürfnisse des Militärstrafrechts es erfordern. Die vorliegende Revision des Militärstrafgesetzes verfolgt wie frühere Teilrevisionen das Ziel, diese Übereinstimmung so weit als möglich zu bewahren. Folglich gelten die Erläuterungen zum Besonderen Teil des StGB in gleicher Weise für das MStG.

Folgende Bestimmungen werden angepasst: MStG Art. 49a Abs. 1 Bst. c, f, g Art. 59 Abs. 1 Bst. e Art. 60c Abs. 5 Art. 103 Art. 105 Ziff. 2 zweiter Abs.

Art. 109 Abs. 1 Bst. g Art. 112a Abs. 1 Bst. b Art. 121 Art. 131 Ziff. 3 und 4 Art. 132 Ziff. 2 Art. 134 Abs. 3 Art. 135 Abs. 4 Art. 137a Ziff. 2 Art. 137b Ziff. 2 Art. 144 Abs. 2 Art. 153 Abs. 1 Art. 154 Abs. 1 Art. 155 Art. 156 Ziff. 1­1ter, 3 und 4 Art. 157 Art. 159b 194

an an an an an an an an an an an an an an an an an an an an

E-StGB Art. 66a Abs. 1 Bst. c, h, j, k Art. 101 Abs. 1 Bst. e Art. 106 Abs. 5 Art. 277 Art. 310 Ziff. 2 zweiter Abs.

Art. 264a Abs. 1 Bst. g Art. 264e Abs. 1 Bst. b Art. 122 Art. 139 Ziff. 2 und 3 Art. 140 Ziff. 2 Art. 144 Abs. 3 Art. 146 Abs. 2 Art. 156 Ziff. 2 Art. 160 Ziff. 2 Art. 158 Ziff. 1 dritter Abs.

Art. 189 Abs. 1 Art. 190 Abs. 1 Art. 191 Art. 187 Ziff. 1­1ter, 3 und 4 Art. 188, 192 und 193 Art. 200

SR 321.0

2899

BBl 2018

Art. 160a Abs. 1 Art. 163 Abs. 1 und 1bis Art. 166 Ziff. 1 erster Abs.

Art. 169a Ziff. 1 und 2 Art. 170 Art. 171 Ziff. 2 Art. 171a Abs. 1 und 2 Art. 172 Ziff. 2 Art. 176 Abs. 3 Art. 177 Ziff. 2 zweiter Abs.

Art. 178 Art. 179a

2.3.2

an an an an an an an an an an an an

Art. 222 Abs. 1 Art. 225 Art. 228 Ziff. 1 erster Abs.

Art. 237 Ziff. 1 Art. 238 Art. 239 Ziff. 2 Art. 259 Abs. 1 und 2 Art. 251 Ziff. 2 Art. 305 Abs. 2 Art. 310 Ziff. 2 zweiter Abs.

Art. 303 Art. 308

Erläuterungen zu militärspezifischen Normen

Bei den nachstehend militärspezifischen Normen, die das zivile Strafrecht nicht kennt, wird wie oben in Ziffer 1.2.1 beschrieben vorgegangen.

Art. 27a Abs. 2 Bst. b Die Verweise auf Artikel 197 Ziffer 3 StGB und Artikel 19 Ziffer 2 Betäubungsmittelgesetz vom 3. Oktober 1951195 stimmen nicht mehr mit den geltenden Recht überein und werden daher korrigiert.

Art. 73 Ziff. 1 und 1bis

Missbrauch und Verschleuderung von Material

Im geltenden Recht wird hinsichtlich der Strafdrohung nicht zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden. Indessen müssen sich die Strafdrohungen von vorsätzlich und fahrlässig begangenen Delikten unterscheiden (siehe Ziff. 1.2.1 und 1.2.4).

Aus diesem Grund ist in Ziffer 1bis für die fahrlässige Begehung die Strafe auf Geldstrafe festzusetzen.

Art. 76 Ziff. 1 und 1bis

Wachtverbrechen oder -vergehen

Im geltenden Recht wird hinsichtlich der Strafdrohung nicht zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden. Indessen müssen sich die Strafdrohungen von vorsätzlich und fahrlässig begangenen Delikten unterscheiden (siehe Ziff. 1.2.1 und 1.2.4).

Aus diesem Grund ist in Ziffer 1bis für die fahrlässige Begehung die Strafe auf Geldstrafe festzusetzen.

195

SR 812.121

2900

BBl 2018

Art. 80 Ziff. 1

Trunkenheit

Hinsichtlich der neuen Strafdrohung ist zu beachten, dass das bürgerliche Strafgesetzbuch keinen vergleichbaren Tatbestand kennt. Indessen enthalten die kantonalen Einführungsgesetze zum Strafgesetzbuch beziehungsweise Übertretungsstrafgesetze grossmehrheitlich vergleichbare Tatbestände (Erregung öffentlichen Ärgernisses, Trunkenheit). Es handelt sich dabei um Übertretungstatbestände nach kantonalem Recht, welche mit Busse bestraft werden können. Es ist daher sachgerecht, den Tatbestand nach Ziffer 1 ebenfalls in eine Übertretung umzuwandeln.

Art. 102 Der Randtitel der französischen Fassung ist nicht korrekt und wird an die deutsche und italienische Fassung angepasst, sodass sie übereinstimmen.

Art. 107

Ungehorsam gegen militärische und behördliche Massnahmen

In Absatz 1 wird für die vorsätzliche und die fahrlässige Begehung der Tat die gleiche Strafe angedroht. Es handelt sich um eine Blankettstrafnorm, deren Anwendungsbereich ausserordentlich weit ist. Eine Bestrafung der fahrlässigen Tatbegehung ist daher aus rechtsstaatlichen Überlegungen heikel.196 Die in der Vernehmlassung geltend gemachte Relevanz der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Kriegszeiten mag richtig sein. Dies ist jedoch kein hinreichender Grund, sie auch in Friedenszeiten beizubehalten. Die neue Ziffer 2 in Artikel 107 soll deshalb die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit auf Kriegszeiten beschränken, freilich mit einem dem Tatunwert entsprechendem Strafrahmen, der tiefer ist als beim Grundtatbestand von Ziffer 1.

Art. 129 Ziff. 2 und 3

Unrechtmässige Aneignung

Die disziplinarische Bestrafung soll für den ganzen Straftatbestand möglich sein197, gleich wie beispielsweise bei der Veruntreuung (Art. 130 Ziff. 3 MStG) oder beim Diebstahl (Art. 131 Ziff. 5 MStG). Aus diesem Grund wird die disziplinarische Bestrafung für leichte Fälle von Ziffer 2 nach Ziffer 3 verschoben.

Art. 131 Ziff. 2

Diebstahl

Die Streichung des sogenannten Kameraden- beziehungsweise Quartierdiebstahls wird dazu führen, dass diese Verhaltensweise künftig unter den Grundtatbestand subsumiert wird. Es ist davon auszugehen, dass die zuständigen Militärgerichte und die Truppenkommandanten im Rahmen ihrer Ermessensausübung die Strafwürdigkeit des zur Beurteilung stehenden Verhaltens auch ohne die Vorgabe einer Mindeststrafe korrekt und einzelfallgerecht beurteilen können.

196 197

Vgl. Popp Peter, 1992, Art. 107 N 26.

BBl 1991 II 969, hier 1096 und 1133

2901

BBl 2018

Überdies wird durch die Aufhebung der Mindeststrafe ein schwer nachvollziehbarer Sprung in der Strafdrohung eliminiert. Dieser entsteht dadurch, dass bei leichten Fällen (Deliktsbetrag bis 300 Fr.) der Truppenkommandant ein Disziplinarverfahren durchführt (Art. 131 Ziff. 5 i.V.m. Art. 144b) und der Täter mit einem Verweis, einer Ausgangssperre, einer Disziplinarbusse oder einem Arrest bestraft wird (Art. 186 ff.). In den übrigen Fällen (Deliktsbetrag über 300 Fr.) spricht ein Militärgericht eine Mindeststrafe von 30 Tagessätzen Geldstrafe aus, wobei dieses statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen kann (Art. 34a MStG).

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das bürgerliche Strafgesetzbuch einen Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen sogar privilegiert, indem er nur auf Antrag verfolgt wird (Art. 139 Ziff. 4 StGB). Artikel 131 enthält keine vergleichbare Regelung und entsprechend wird ein Diebstahl immer von Amtes wegen verfolgt. Damit wird der Besonderheit einer militärischen Zwangsgemeinschaft hinreichend Rechnung getragen.

Art. 135 Abs. 2

Betrug

Es wird auf die Ausführungen zu Artikel 131 Ziffer 2 E-MStG verwiesen.

Art. 148 Ziff. 1 erster und zweiter Abs.

Beschimpfung

In Ziffer 1 erster Absatz wird die Strafdrohung von Artikel 177 StGB übernommen, das heisst die Busse wird gestrichen.

Ziffer 1 zweiter Absatz enthält einen qualifizierten Tatbestand, der an die militärische Stellung des Verletzten anknüpft und einen oberen Strafrahmen von drei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. So werden Tatsachenbehauptungen und reine Werturteile nach dieser Bestimmung bestraft, wenn sie gegenüber dem Verletzten selbst geäussert werden. Das führt zur paradoxen Situation, dass Tatsachenbehauptungen nach den Artikeln 145 und 146 MStG, welche gegenüber Dritten geäussert werden, gleich oder weniger streng bestraft werden, als wenn sie gegenüber dem Verletzten selbst gemacht werden. Nach der Konzeption des Gesetzes gefährden aber die gegenüber dem Verletzten selbst geäusserten Tatsachenbehauptungen dessen Ehre viel weniger als diejenigen gegenüber Dritten. Um diesen Widerspruch aufzulösen, ist Ziffer 1 zweiter Absatz aufzuheben.

Art. 157

Ausnützung der militärischen Stellung

Streichung der Geldstrafe: Siehe Bemerkungen zu Artikel 187 Ziffern 1 und 4 E-StGB. Die geltende Mindeststrafe von 30 Tagessätzen Geldstrafe fällt somit weg.

Da in Zukunft nur noch eine Freiheitsstrafe ausgesprochen werden kann und die Strafandrohung somit verschärft wird, wird darauf verzichtet, eine Mindeststrafe von 30 Tagen Freiheitsstrafe einzuführen. Zudem ist auch in den Artikeln 188, 192 und 193 StGB keine derartige Mindeststrafe vorgesehen.

2902

BBl 2018

2.4

Bundesgesetze im Bereich des Nebenstrafrechts mit Verbrechenstatbeständen

In diesem Abschnitt werden die Strafrahmen in jenen Nebenstrafrechtsgesetzen überprüft, die Freiheitsstrafen von mehr als drei Jahren (Verbrechen i. S. v. Art. 10 Abs. 2 StGB) enthalten (vgl. Ziff. 1.2.4). Bei dieser Gelegenheit werden die Strafbestimmungen dieser Nebenstrafrechtsgesetze ebenfalls nach den Vorgaben von Artikel 333 Absätze 2­6 StGB überarbeitet, sofern dies noch nicht geschehen ist.

2.4.1

Ausländergesetz vom 16. Dezember 2005198

Art. 116 Abs. 2 In dieser Bestimmung ist für den leichten Fall eine Vergehensbusse vorgesehen.

Nach dem Vorentwurf sollte diese eliminiert und die Tat als Übertretung bestraft werden, indem die «kann»- in eine «ist»-Vorschrift abgeändert wird. In der Vernehmlassung wurde darauf hingewiesen, dass damit unter Umständen ein Zuständigkeitswechsel einhergeht, weil nicht mehr die Staatsanwaltschaft, sondern die Übertretungsstrafbehörde den Fall beurteilen würde.

Absatz 2 kann aufgehoben werden, weil einem leichten Fall auch ohne diese Regelung hinreichend Rechnung getragen werden kann. So kann das Gericht eine geringe Geldstrafe verhängen (mindestens drei Tagessätze, Art. 34 Abs. 1 StGB) oder es kann von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht oder einer Bestrafung abgesehen werden (Art. 52 StGB). Gleich wie diese Gesetzesbestimmung sollen mit dieser Vorlage vergleichbare Regelungen aufgehoben werden (z. B.

Art. 225 Abs. 2 StGB).

2.4.2

Strafprozessordnung199

Art. 23 Abs. 1 Bst. k Aufgrund der Streichung von Artikel 330 StGB ist diese Bestimmung anzupassen.

Art. 36 Abs. 1 Aufgrund der Streichung von Artikel 171bis StGB ist diese Bestimmung anzupassen.

Art. 269 Abs. 2 Bst. a und 286 Abs. 2 Bst. a Die materiellen Änderungen im StGB müssen in den beiden Deliktskatalogen nachvollzogen werden. So wird Artikel 238 Absatz 1 aus den beiden Aufzählungen gestrichen.

198 199

SR 142.20 SR 312.0

2903

BBl 2018

Art. 273 Abs. 1 Wird der Missbrauch einer Fernmeldeanlage (Art. 179septies E-StGB) von einer Übertretung zu einem Vergehen umgewandelt, muss diese Bestimmung vorliegend nicht mehr explizit erwähnt werden.

2.4.3

Bundesgesetz vom 22. März 1974200 über das Verwaltungsstrafrecht

Ingress Der Ingress verweist noch auf die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV). Er wird deshalb an die Bestimmungen der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) angepasst. Den Artikeln 64bis, 106 und 114 aBV entsprechen die Artikel 123 Absatz 1, 188 und 190 der geltenden BV. Auf die Nennung der Artikel 188 und 190 BV wird gleich wie in anderen Verfahrensrechten (z. B. StPO) verzichtet.

Art. 11 Abs. 1­3bis

Verjährung

In Artikel 11 sind ­ in erster Linie für Übertretungen ­ besondere Verjährungsfristen vorgesehen. Diese Fristen sind im Vergleich zu den Fristen im Kernstrafrecht relativ lang. Es stellt sich die Frage, ob diese Verjährungsfristen, die sich durch die Anwendung von Artikel 333 Absatz 6 StGB nochmals verlängern, weitergeführt werden sollen.

Für dieses Vorgehen sprechen Gründe der Rechtssicherheit, zieht doch eine erneute Änderung der Verjährungsfristen auf Jahre hinaus komplizierte Rechtsfragen nach sich.

Dagegen spricht, dass die Fristen, die sich aus der Umrechnung nach Artikel 333 Absatz 6 StGB ergeben, zum Teil übermässig lang sind. Die Umrechnungsregeln sind auf kurze Fristen (1 und 2 Jahre) zugeschnitten worden. Bei Verfolgungsverjährungsfristen von 5 oder 10 Jahren für Übertretungen führt die Umrechnung zu Verjährungsfristen, die länger sind als die kürzeste Frist für Vergehen (nach Art. 97 Abs. 1 Bst. d StGB beträgt die kürzeste Verfolgungsverjährungsfrist für Vergehen 7 Jahre). Analoges gilt ­ wenn auch weniger ausgeprägt ­ für die Vollstreckungsverjährungsfrist.

Im Vorentwurf zum Bundesgesetz über eine Vereinheitlichung des Steuerstrafrechts, zu dem 2013 eine Vernehmlassung stattfand, wurde eine entsprechende Anpassung der Verjährungsfristen in Artikel 11 vorgeschlagen.201 Die nachfolgend kommen-

200 201

SR 313.0 Vorentwurf und erläuternder Bericht einsehbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > EFD > Bundesgesetz über eine Vereinheitlichung des Steuerstrafrechts.

2904

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tierten Anpassungen von Artikel 11 basieren auf diesen Vorschlägen, die in der Vernehmlassung nicht kritisiert worden sind.202 Abs. 1 Nach geltendem Recht beträgt die Verfolgungsverjährung für Übertretungen, welche nach dem VStrR verfolgt und beurteilt werden, vier Jahre (Art. 11 Abs. 1 VStrR i.V.m. Art. 333 Abs. 6 Bst. b StGB). Angesichts der Tatsache, dass es sich hier ursprünglich um eine kurze Frist gehandelt hat, wird diese beibehalten.

Abs. 2 Richtet sich die Übertretung gegen Steuergesetze oder Abgabenerlasse, beträgt die Verjährungsfrist nach dem Wortlaut des Gesetzes 10 Jahre (Art. 11 Abs. 2 VStrR i.V.m. Art. 333 Abs. 6 Bst. b StGB). Sie ist damit länger als die kürzeste Frist für Vergehen, die 7 Jahre beträgt. Das Bundesgericht hat daher korrigierend eingegriffen.203 Führt die Regel nach Artikel 333 Absatz 6 Buchstabe b StGB dazu, dass im Nebenstrafrecht für Übertretungen eine längere Verjährungsfrist als für Vergehen desselben Gesetzes gelten würde, reduziert sich gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts die für die Übertretung geltende Verjährungsfrist auf jene, welche für Vergehen gilt.

Seit dem 1. Januar 2014 gilt nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe c StGB für Vergehen, bei denen eine Freiheitsstrafe von drei Jahren angedroht wird, eine Verjährungsfrist von 10 Jahren. Das heisst, dass in Gesetzen des Nebenstrafrechts, in denen die Vergehen immer mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren bedroht sind, die Verfolgungsverjährungsfrist für Übertretungen, die sich auf Artikel 11 VStrR stützt, neu ebenfalls 10 Jahre beträgt. Damit ist die Rechtslage hinsichtlich des Verjährungsrechts im VStrR dermassen unüberschaubar geworden, dass Bürgerinnen und Bürger diese kaum mehr nachvollziehen können. Aus diesem Grund muss wieder eine einfache und einheitliche Regelung für die Verjährung geschaffen werden, so wie im gemeinen Strafrecht.

Die bis Ende 2013 geltende Verjährungsfrist von 7 Jahren erscheint für die Verfolgung von Übertretungen gegen Steuergesetze und Abgabenerlasse als ausreichend.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Frist gestützt auf Artikel 11 Absatz 3 ruhen kann und die Regelung nach Artikel 97 Absatz 3 StGB anwendbar ist, wonach die Verjährung nicht mehr eintritt, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist. Das Bundesgericht ist noch
einen Schritt weitergegangen und hat den Erlass einer Strafverfügung im Verwaltungsstrafverfahren einem erstinstanzlichen Urteil gleichgesetzt (vgl. Erläuterungen zu Abs. 3bis). Damit endet die Verfolgungsverjährung heute wesentlich früher als beim Erlass dieser Norm. Bis 2002 musste in der Regel ­ je nach Ausgestaltung des kantonalen Prozessrechts ­ ein zweitinstanzliches kantonales Urteil vorliegen, damit die Verfolgungsverjährung nicht mehr eintreten konnte.

202

Vernehmlassungsbericht einsehbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > EFD > Bundesgesetz über eine Vereinheitlichung des Steuerstrafrechts.

203 BGE 134 IV 328 E. 2.1 S. 330

2905

BBl 2018

Im Nebenstrafrecht wurden die Bestimmungen über die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung auf den 1. Oktober 2002204 und die Bestimmungen über die Unterbrechung der Vollstreckungsverjährung auf den 1. Januar 2007205 aufgehoben (vgl.

Art. 333 Abs. 5 Bst c aStGB resp. 333 Abs. 6 Bst. c und f StGB). Die Unterbrechungsmöglichkeit in Absatz 2 wird daher gestrichen.

Abs. 3 Mit dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 2008206 zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière (GAFI) wurde mit Artikel 14 Absatz 4 VStrR ein Tatbestand geschaffen, welcher den organisierten Schmuggel («qualifizierter Abgabebetrug») als Verbrechen erfasst. Dieser Verbrechenstatbestand wurde mit dem Bundesgesetz vom 12. Dezember 2014207 zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière generell auf die indirekten Steuern ausgedehnt. Der bestehende Absatz 3 von Artikel 11 hat dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Widerhandlungen gegen Verwaltungsgesetze des Bundes nicht mehr nur als Übertretung oder Vergehen verfolgt werden, sondern ­ wie dargelegt ­ je nach Sachverhalt auch als Verbrechen. Absatz 3 ist demzufolge derart anzupassen, dass er sämtliche Steuerstraftaten erfasst.

Das Ruhen (und die Unterbrechung) der Verfolgungsverjährung wurde mit der Revision des Verjährungsrechts, die 2002208 in Kraft getreten ist, abgeschafft. Als Ausgleich wurden die Verjährungsfristen auf die alten absoluten Fristen heraufgesetzt. Zudem kann nach einem erstinstanzlichen Urteil keine Verjährung mehr eintreten. Im Rahmen dieser Revision wurde indessen das Ruhen der Verjährung nach Artikel 11 Absatz 3 VStrR ausdrücklich beibehalten (Art. 333 Abs. 6 Bst. c StGB).

Diese Möglichkeit des Ruhens soll beibehalten werden.

Abs. 3bis Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine im Verwaltungsstrafverfahren ergangene Strafverfügung (Art. 70 VStrR) hinsichtlich der Verfolgungsverjährung wie ein erstinstanzliches Urteil im Sinne von Artikel 97 Absatz 3 StGB zu behandeln.209 Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung bereits an anderer Stelle kodifiziert. Nach Artikel 105 Absatz 2 des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 2009210 tritt die Verfolgungsverjährung nicht mehr ein, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist eine Strafverfügung oder ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist. Diese Regelung wird
vorliegend übernommen.

Zu beachten ist, dass nicht in jedem Verwaltungsstrafverfahren eine Strafverfügung erlassen wird. Das ist der Fall, wenn das übergeordnete Departement die Voraussetzungen einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Massnahme für gege204 205 206 207 208 209 210

AS 2002 2993, BBl 2000 2943 AS 2006 3459, BBl 1999 1979 AS 2009 361, BBl 2007 6269 AS 2015 1389, BBl 2014 605 AS 2002 2993, BBl 2000 2943 BGE 133 IV 112 E. 9.4.4 S. 117, 135 IV 196 E. 2 S. 196, 142 IV 276 E. 5.2 S. 277 SR 641.20

2906

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ben hält (Art. 21 Abs. 1 VStrR) oder wenn das Einspracheverfahren übersprungen wird (Art. 71 VStrR). Entsprechend endet in diesen Fällen die Verfolgungsverjährung mit dem erstinstanzlichen Urteil.

Verzicht auf eine Anpassung von Abs. 4 Die Vollstreckungsverjährungsfrist von fünf Jahren in Absatz 4 wird zwar in Artikel 333 Absatz 6 Buchstabe e StGB auf 7,5 Jahre angehoben. Eine Frist von fünf Jahren scheint jedoch bei weitem ausreichend (im Kernstrafrecht beträgt sie drei Jahre). Auch bei der Änderung der Vollstreckungsverjährung im Kernstrafrecht wurden die relativen Fristen als neue absoluten Fristen beibehalten. Indem mit der Vorlage 2 Artikel 333 Absatz 6 StGB aufgehoben werden soll, wird die relative Frist von 5 Jahren in Absatz 4 zur neuen absoluten Frist.

Art. 14

Leistungs- und Abgabebetrug

Die Strafdrohungen in den Absätzen 1 und 2 werden gemäss den Umrechnungsschlüsseln in Artikel 333 Absätze 2 und 5 StGB angepasst. Zudem wird in Absatz 2 der obere Strafrahmen auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren erhöht. Nach geltendem Recht weist der Leistungsbetrug einen grösseren Strafrahmen auf als der Abgabebetrug. Die unterschiedliche Strafdrohung wird damit begründet, dass der Täter beim Abgabebetrug in einer besonderen Pflichtlage steht, was beim Leistungsbetrug nicht der Fall ist.211 Die Entwicklungen der Gesetzgebung haben dazu geführt, dass heute diverse Spezialgesetze im Abgabebereich Vergehenstatbestände für qualifizierte Widerhandlungen enthalten. Die dabei angedrohten Strafen sind unterschiedlich: So wird eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr (z. B. Art. 35 Abs. 2 des Biersteuergesetzes vom 6. Okt. 2006212), eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren (z. B. Art. 97 Abs. 2 des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 2009213) oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (z. B. Art. 36 Abs. 2 des Automobilsteuergesetzes vom 21. Juni 1996214) angedroht. Folglich wird beispielsweise für eine qualifizierte Steuerhinterziehung eine höhere Strafe angedroht als für den schwerer wiegenden Abgabebetrug.

Um dieses Missverhältnis zu korrigieren, wird vorliegend der obere Strafrahmen in Absatz 2 erhöht.

Der heutige Absatz 3 wird in geänderter Form als neuer Absatz 4 vorgesehen. Die Änderung wird aus dem Vorentwurf zur Vereinheitlichung des Steuerstrafrechts übernommen.215 Mit ihr soll vermieden werden, dass die qualifizierte Form der Steuerhinterziehung «nur» mit in der Höhe begrenzten und zudem in der Regel bedingten Geldstrafen geahndet werden können. Daher sieht Absatz 4 vor, dass für Widerhandlungen nach den Absätzen 1­3 zugleich eine Busse auszusprechen ist, deren Höhe sich nach der Busse für die nicht arglistig begangene Steuerwiderhandlung richtet. Diese Busse ist keine Verbindungsbusse nach Artikel 42 StGB, welche nach 211 212 213 214 215

BBl 1971 I 993, hier 1000.

SR 641.411 SR 641.20 SR 641.51 Vgl. Vorentwurf unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > EFD > Bundesgesetz über eine Vereinheitlichung des Steuerstrafrechts > Vorlage.

2907

BBl 2018

Artikel 42 Absatz 4 i.V.m. Artikel 106 Absatz 1 StGB höchstens 10 000 Franken betragen kann, wenn das Gesetz es nicht anders bestimmt.216 Damit diese Bestimmung ebenfalls für den qualifizierten Abgabebetrug gilt, wird der heutige Absatz 4 neu zu Absatz 3.

Art. 15 Ziff. 1 Die Strafdrohung in Ziffer 1 wird gemäss den Umrechnungsschlüsseln in Artikel 333 Absätze 2 und 5 StGB angepasst.

Art. 16 Abs. 1 Die Strafdrohung in Absatz 1 wird gemäss den Umrechnungsschlüsseln in Artikel 333 Absätze 2 und 5 StGB angepasst.

Art. 17

Begünstigung

Die Begünstigung nach Artikel 17 VStrR ist Lex specialis zu Artikel 305 StGB.217 Im Gegensatz zum Kernstrafrecht sind im Neben- bzw. Verwaltungsstrafrecht auch ausgesprochene Bagatelldelikte geregelt (insb. Ordnungswidrigkeiten, vgl. Art. 3 VStrR). Es ist deshalb sinnvoll, die Schwere einer Vortat beim Strafrahmen für die Begünstigung nach dem VStrR zu berücksichtigen.218 Es ist jedoch inkohärent, dies über eine Strafrahmen-Akzessorietät zu erreichen (vgl. geltender Art. 17 Ziff. 1 dritter Abs. zweiter Satz VStrR): Hinsichtlich der selbständigen Ausgestaltung der Begünstigung im StGB219 soll sie auch im VStrR in Ziffer 1 von Artikel 17 gestrichen werden.

Um auch die Begünstigung von Bagatell-Straftätern angemessen bestrafen zu können (vgl. auch Art. 8 VStrR), ist in Ziffer 2 neu die Busse als Strafrahmen vorgesehen, wenn der Vortäter eine Übertretung begangen hat.

Ziffer 2 wird neu zu Ziffer 3 und wird an die Terminologie des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs angepasst. Inhaltlich bleibt die Bestimmung unverändert.

Der Schuldausschlussgrund gemäss Ziffer 4 (bisher Ziff. 3) soll an Artikel 305 Absatz 2 E-StGB angepasst werden (vgl. die Erläuterungen ebd.).

216

Vgl. erläuternden Bericht, Seite 30, unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > EFD > Bundesgesetz über eine Vereinheitlichung des Steuerstrafrechts > Bericht.

217 Ziff. 1 zweiter Abs. pönalisiert (im Gegensatz zu Abs. 1) keinen Angriff auf die Rechtspflege, sondern die Perpetuierung der Vortat. Art. 17 vermischt also Strafvereitelung mit Hehlerei: Dies entspricht nicht dem Konzept des StGB, sachliche Begünstigung (Hehlerei) und persönliche Begünstigung (Strafvereitelung) strikt zu trennen. Vgl. dazu Schneider Klaus, 2009, 10.

218 Vgl. Hauri Kurt, 1998, Ziff. 1 zu Art. 17.

219 Vgl. die Erläuterungen in Ziff. 2.2.16, Art. 305 E-StGB.

2908

BBl 2018

2.4.4

Militärstrafprozess vom 23. März 1979220

Art. 70 Abs. 2 Die materiellen Änderungen im MStG müssen im Deliktskatalog nachvollzogen werden. So werden die Artikel 135 Absatz 2 und 170 Absatz 1 gestrichen und bei Artikel 172 ist eine Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs nur noch in den Fällen von Ziffer 1 möglich.

2.4.5

Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 1996221

Das Kriegsmaterialgesetz war im Vorentwurf noch nicht enthalten, weil fast zeitgleich eine Vernehmlassung zur Änderung des Embargogesetzes vom 22. März 2002222 durchgeführt wurde, welche ebenfalls Änderungen des Kriegsmaterialgesetzes vorgesehen hatte. Am 16. Dezember 2011 hat der Bundesrat entschieden, auf die entsprechende Revision zu verzichten. Indessen wurde das Kriegsmaterialgesetz per 1. Februar 2013 revidiert.223 Vorliegend werden lediglich formale Anpassungen vorgenommen. So wird in der deutschen Fassung in Artikel 38 «der Richter» durch «das Gericht» ersetzt.

Ingress Der Ingress verweist noch auf die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV). Er wird deshalb an die Bestimmungen der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) angepasst. Den Artikeln 41 Absätze 2 und 3 und 64bis aBV sowie der Zuständigkeit des Bundes in auswärtigen Angelegenheiten entsprechen die Artikel 54 Absatz 1, 107 Absatz 2 und 123 Absatz 1 der geltenden BV. Auf die Nennung von Artikel 123 Absatz 1 BV (Strafrechtskompetenz) wird aber verzichtet, da es vorliegend um nebenstrafrechtliche Bestimmungen geht und der Bund alle Mittel zur Durchsetzung des Gesetzes einsetzen kann, wozu auch strafrechtliche Sanktionen zählen.

Art. 33 Abs. 3 Die Geldstrafe beträgt neu maximal 180 Tagessätze (Art. 34 Abs. 1 StGB) und entsprechend gilt diese Obergrenze überall dort, wo nichts Besonderes vermerkt wird.

220 221 222 223

SR 322.1 SR 514.51 SR 946.231 AS 2013 295

2909

BBl 2018

2.4.6

Waffengesetz vom 20. Juni 1997224

Art. 33 Abs. 2 Die fahrlässige Begehung wird als Übertretung mit Busse bis zu 10 000 Franken geahndet, während bei der Vorsatztat eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe droht. Diese Diskrepanz ist nicht angemessen, und für die fahrlässige Begehung ist neu eine Geldstrafe vorzusehen (siehe Ziff. 1.2.1 und 1.2.4). Der zweite Satz kann aufgehoben werden, da seit dem 1. Januar 2007 eine entsprechende Bestimmung im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs enthalten ist (Art. 52 StGB).

Art. 34 Abs. 2 Absatz 2 kann aufgehoben werden, da seit dem 1. Januar 2007 eine entsprechende Bestimmung im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs enthalten ist (Art. 52 StGB).

2.4.7 Art. 53

Landesversorgungsgesetz vom 17. Juni 2016225 Begünstigung

Die Begünstigung im LVG übernimmt strukturell die Begünstigung gemäss dem Bundesgesetz vom 22. März 1974226 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR).227 Allerdings ist (im Gegensatz zu Artikel 17 VStrR) keine feste Maximalstrafe vorgesehen, sondern es wird pauschal auf den Strafrahmen der Vortat verwiesen. So ist die maximale Strafdrohung fünf Jahre Freiheitsstrafe, wenn jemand beispielsweise einen Betrüger oder Urkundenfälscher begünstigt (vgl. Art. 51 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 LVG).

Um die strukturelle Kohärenz mit Artikel 17 VStrR und Artikel 305 StGB wieder herzustellen, wird die Strafrahmen-Akzessorietät auch hier gestrichen und der Strafrahmen der beiden Strafbestimmungen übernommen. Damit wird verhindert, dass für einen Begünstiger nach dem LVG eine höhere Strafdrohung gilt als für einen Begünstiger nach dem StGB.

Im geltenden Recht kommt es überdies zu einer Vermischung mit der Hehlerei, weil sich auch der Begünstigung strafbar macht, wer dazu beiträgt, einem Täter oder Teilnehmer die Vorteile einer Tat zu sichern. Das entspricht nicht dem Konzept des StGB, sachliche Begünstigung (Hehlerei) und persönliche Begünstigung (Strafvereitelung) strikt zu trennen. Hinzu kommt, dass das Landesversorgungsgesetz mit Artikel 52 die Hehlerei (als lex specialis zu Art. 160 StGB) bereits ausdrücklich unter Strafe stellt. Es ist daher sachgerecht, die Regelung betreffend die Hehlerei bei der Begünstigung zu streichen.

224 225 226 227

SR 514.54 SR 531 SR 313.0 Vgl. die Erläuterungen in Ziff. 2.4.3, Art. 17 E-VStrR.

2910

BBl 2018

Da die Strafdrohung in Absatz 2 (Verhinderung des Vollzugs einer Massnahme) an die Strafdrohung in Absatz 1 angeglichen wird, werden die beiden Tatbestände in Absatz 1 zusammengenommen. Ansonsten bleibt die Bestimmung inhaltlich unverändert, wird aber terminologisch angepasst.

Absatz 3 wird neu zu Absatz 2 und soll inhaltlich an die Privilegierungsregel bei der Begünstigung nach dem StGB und dem VStrR angepasst werden: Die Strafmilderung nach freiem Ermessen wird deshalb gestrichen und durch die zwingende Straffreistellung (Schuldlosigkeit) ersetzt, falls ein Angehöriger oder eine andere nahestehende Person begünstigt worden ist.228

2.4.8

Kernenergiegesetz vom 21. März 2003229

Das Kernenergiegesetz war im Vorentwurf noch nicht enthalten, weil fast zeitgleich eine Vernehmlassung zur Änderung des Embargogesetzes vom 22. März 2002230 durchgeführt wurde, welche ebenfalls Änderungen des Kernenergiegesetzes vorgesehen hatte. Am 16. Dezember 2011 hat der Bundesrat entschieden, auf die entsprechende Revision zu verzichten. Im Rahmen dieser Vorlage werden die Strafbestimmungen ebenfalls an die Terminologie des Allgemeinen Teils des StGB angepasst (AT-Revisionen 2002 und 2015), dies unter Berücksichtigung der Vorgaben in Artikel 333 StGB.

Art. 88 Abs. 1 Die Gefährdung durch Kernenergie ist nicht ausschliesslich im Kernenergiegesetz geregelt. Die meisten gegen die Allgemeinheit gerichteten Verbrechenstatbestände in diesem Bereich befinden sich im Strafgesetzbuch (Art. 226bis und 226ter StGB).

Die vorliegende Bestimmung richtet sich in erster Linie an Hersteller und Betreiber von Kernanlagen sowie an Personen, die mit nuklearen Gütern und radioaktiven Abfällen umgehen. Demgegenüber ist der nach Artikel 226bis StGB mögliche Täterkreis viel breiter. Die Vorbereitungshandlungen zu Artikel 226bis StGB sind strafbar (Art. 226ter StGB). Vorbereitungshandlungen stellen noch keinen Versuch im strafrechtlichen Sinn dar. Sie sollen angesichts der Schwere der geplanten Tätigkeiten unter Strafe gestellt werden, ähnlich wie Artikel 260bis StGB Vorbereitungshandlungen für bestimmte schwere Verbrechen unter Strafe stellt. Die Vorbereitungshandlungen werden mit Freiheitsstrafen bis zu fünf oder zehn Jahren bestraft (Art. 226ter StGB). Angesichts dieser Tatsache ist es angebracht, für die vorsätzliche Missachtung von Sicherheits- und Sicherungsmassnahmen den Strafrahmen in Absatz 1 zu erhöhen, und zwar auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe (siehe Bemerkungen zu Art. 44 Abs. 2 E-Rohrleitungsgesetz). Dies rechtfertigt sich auch mit Rücksicht auf die grosse Gefahr, welche von der Nichteinhaltung der sicherheitsrelevanten Vorschriften ausgeht. Damit wird wieder eine Abstufung zwischen Absatz 1 und 3 (Vorsatz/Fahrlässigkeit) eingeführt, welche mit der AT-Revision 228

Vgl. Erläuterungen in Ziff. 2.2.16, Art. 305 Abs. 2 E-StGB und Ziff. 2.4.3, Art. 17 Ziff. 3 E-VStrR.

229 SR 732.1 230 SR 946.231

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2002 zwischenzeitlich verloren gegangen war. Eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe beim Fahrlässigkeitsdelikt sollte angesichts der Strafdrohungen für vergleichbare Gefährdungsdelikte (z. B. Art. 223 Abs. 2, 230 Abs. 2 StGB) nicht vorgenommen werden.

Art. 89 Abs. 2 Die Strafenkombination dient spezialpräventiven Zwecken. Das Hauptgewicht liegt auf der Freiheitsstrafe oder der Geldstrafe, während der unbedingten Verbindungsgeldstrafe bzw. der Busse nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Diese soll nicht etwa zu einer Straferhöhung führen oder eine zusätzliche Strafe ermöglichen. Sie erlaubt lediglich innerhalb der schuldangemessenen Strafe eine täter- und tatangemessene Sanktion, wobei die an sich verwirkte Freiheitsstrafe und die damit verbundene Geldstrafe bzw. Busse in ihrer Summe schuldangemessen sein müssen.231 Diese Busse ist für ein Verbrechen vorgesehen und daher gestützt auf Artikel 333 Absatz 5 StGB in eine Geldstrafe umzurechnen. Dabei ergeben 5 Mio. Franken 1666 Tagessätze. Bei Nichtbezahlung der Geldstrafe wäre somit eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren möglich. Diese lange Umwandlungsstrafe steht im Widerspruch zur erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichts.

Eine derart hohe Geldstrafe ist nicht notwendig, um einen schweren Fall, in dem unter Umständen ein erheblicher Gewinn erzielt worden ist, angemessen zu bestrafen. Gewinne, die durch eine Straftat erlangt worden sind, unterliegen der Einziehung (Art. 70 StGB) oder führen zu einer Ersatzforderung (Art. 71 StGB). Es ist dabei zu bedenken, dass Einziehung und (Geld-)Strafe unterschiedliche Zwecke verfolgen: Die Bemessung der Geldstrafe orientiert sich am Schuldprinzip (Art. 47 StGB). Die Einziehung des Gewinns dagegen ist eine Massnahme und darf nicht über eine entsprechend hoch angesetzte Geldstrafe erfolgen.

Es ist somit nicht ersichtlich, weshalb die Verbindungsgeldstrafe vorliegend den von Artikel 34 Absatz 1 StGB vorgegebenen Rahmen überschreiten sollte. Neu soll deshalb in einem schweren Fall Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen als Verbindungsstrafe ausgesprochen werden können. In diesem Sinn wurde bereits Artikel 33 Absatz 2 des Kriegsmaterialgesetzes vom 13. Dezember 1996232 revidiert.

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit kann zudem auch auf Unternehmen ausgeweitet werden: Diese werden nach Artikel 102 Absatz 1 StGB
mit Busse bis zu 5 Millionen Franken bestraft, wenn eine Widerhandlung bei nuklearen Gütern und radioaktiven Abfällen in Ausübung geschäftlicher Verrichtung und im Rahmen des Unternehmenszwecks begangen worden ist und die Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden kann.

Art. 90 Abs. 3 und 4 In Absatz 3 wird bei der Strafdrohung bezüglich vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln kein Unterschied gemacht. Indessen müssen sich die Strafdrohungen von 231 232

BGE 134 IV 1 E. 4.5 und 60 E. 7.3.2; 124 IV 134 E. 2c/bb.

SR 514.51

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vorsätzlich und fahrlässig begangenen Delikten unterscheiden. Für das vorsätzliche Handeln wird der geltende Strafrahmen beibehalten, während im neuen Absatz 4 für die fahrlässige Begehung eine Busse bis zu 100 000 Franken vorgesehen ist (vgl.

Ziff. 1.2.1).

Art. 96

Verjährung von Übertretungen

Die Regeln über die Unterbrechung und das Ruhen der Verfolgungsverjährung wurden aufgehoben (Art. 333 Abs. 6 Bst. c StGB). Diesbezüglich ist anzufügen, dass seit dem 1. Januar 2007 die Verjährung nicht mehr eintritt, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist (Art. 97 Abs. 3 StGB).

Überdies verjähren Übertretungen nach dem Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 1996233 ebenfalls nach fünf Jahren (Art. 36 Abs. 4 KMG).

2.4.9

Rohrleitungsgesetz vom 4. Oktober 1963234

Die Strafbestimmungen werden an die Terminologie des Allgemeinen Teils des StGB angepasst (AT-Revisionen 2002 und 2015), dies unter Berücksichtigung der Vorgaben in Artikel 333 StGB.

Ingress Der Ingress verweist noch auf die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV). Er wird deshalb an die Bestimmungen der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) angepasst. Den Artikeln Artikel 23, 24quater, 26bis, 64 und 64bis aBV entsprechen die Artikel 81, 91 Absatz 2, 122 Absatz 1 und 123 Absatz 1 der geltenden BV. Auf die Nennung der Artikel 122 Absatz 1 (Zivilrechtskompetenz) und 123 Absatz 1 BV (Strafrechtskompetenz) wird aber verzichtet, da es vorliegend um nebenstrafrechtliche Bestimmungen geht und der Bund alle Mittel zur Durchsetzung des Gesetzes einsetzen kann, wozu auch strafrechtliche Sanktionen zählen. Gleiches gilt für zivilrechtliche Massnahmen.

Art. 44

Beschädigung von Rohrleitungsanlagen und Störung des Betriebs

In Absatz 1 ist eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe einzuführen, analog mit vergleichbaren Bestimmungen (vgl. Art. 223, 224, 227, 228 StGB sowie Art. 88 Abs. 2 des Kernenergiegesetzes vom 21. März 2003235).

Im Gegensatz zu Absatz 1 ist in Absatz 2 die Gefährdung von Menschen und Sachen nicht Tatbestandsmerkmal; zumindest darf diesbezüglich kein direkter Vorsatz vorliegen. Insofern kommt Absatz 2 immer dann zur Anwendung, wenn der Täter zwar vorsätzlich handelt, aber die übrigen Voraussetzungen von Absatz 1 nicht erfüllt sind. Ebenfalls ist in Betracht zu ziehen, dass infolge der Anpassung an den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs die Abstufung zwischen Absatz 2 und 3 (Vor233 234 235

SR 514.51 SR 746.1 SR 732.1

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satz/Fahrlässigkeit) verloren gegangen ist. Indessen müssen sich die Strafdrohungen von vorsätzlich und fahrlässig begangenen Delikten unterscheiden (siehe Ziff. 1.2.1 und 1.2.4). Aus diesen Gründen ist in Absatz 2 für die vorsätzliche Begehung die Strafe auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe zu erhöhen.

Art. 45

Widerhandlungen gegen das Gesetz

Aufgrund der aufgelaufenen allgemeinen Teuerung seit 1963 haben sich die aktuellen Beträge (20 000 und 10 000 Fr.) nahezu vervierfacht. Zudem wirken die aktuellen Bussenrahmen mit Bezug auf die strafbaren Handlungen nicht genug generalpräventiv. Entsprechend wird bei Vorsatz die Busse auf 100 000 Franken (Abs. 1) und bei Fahrlässigkeit auf 50 000 Franken (Abs. 3) angehoben. Im Übrigen wird die Bestimmung neu strukturiert mit nummerierten Absätzen und mit Buchstaben.

In Absatz 2 wird die Gehilfenschaft nicht mehr erwähnt, da diese ohnehin strafbar ist (vgl. Art. 46 Abs. 2 Rohrleistungsgesetz in Verbindung mit Art. 5 VStrR236).

2.4.10

Seeschifffahrtsgesetz vom 23. September 1953237

Die Strafbestimmungen werden an die Terminologie des Allgemeinen Teils des StGB angepasst (AT-Revisionen 2002 und 2015), dies unter Berücksichtigung der Vorgaben in Artikel 333 StGB.

Art. 4 Abs. 4 und 5 Absatz 4 entspricht Artikel 6bis Ziffer 2 aStGB. Diese Bestimmung wurde im Rahmen der AT-Revision 2002 neu formuliert (vgl. Art. 5 Abs. 2 und 3, 6 Abs. 3 und 4 sowie 7 Abs. 4 und 5 StGB). Entsprechend wird der neue Wortlaut übernommen, sodass im Schifffahrtsgesetz und im StGB die gleiche Formulierung verwendet wird.

Art. 15 Abs. 1 Es wird präzisiert, dass nicht nur Bussen, sondern auch Geldstrafen dem Kanton Basel-Stadt zufallen.

Art. 128

Gefährdung des Schiffes

Absatz 1 wird neu strukturiert, wobei keine materielle Änderung vorgenommen wird.

Beim geltenden Absatz 2 handelt es sich um sogenanntes erfolgsqualifiziertes Delikt, das sich aus einem vorsätzlichen Grunddelikt und einer fahrlässig herbeigeführten schwereren Folge zusammensetzt. Ähnliche Tatbestände enthielt auch das StGB, insbesondere bei den Delikten gegen Leib und Leben und beim Raub. In den 1980erJahren wurden diese Bestimmungen im StGB wieder aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass erfolgsqualifizierte Delikte noch Züge von Erfolgshaftung 236 237

SR 313.0 SR 747.30

2914

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tragen, die den Grundsätzen des Schuldstrafrechts widersprechen. Es gibt zwischen der Fahrlässigkeit und dem (Eventual-)Vorsatz keine weitere Schuldform. Wo der Vorsatz für eine Tat nicht nachgewiesen werden kann, bleibt der Täter allenfalls wegen fahrlässiger Begehung strafbar, doch sollen bei Beweisschwierigkeiten nicht Tatbestände mit leicht gemilderten Strafdrohungen in die Lücke springen, die auf blossen Vorsatzvermutungen beruhen.238 Aus den gleichen Gründen soll Absatz 2 aufgehoben werden.

Art. 129

Gefährdung der Schifffahrt

Bei dieser Bestimmung handelt es sich im Unterschied zu Artikel 128 um ein Sonderdelikt, welches nur vom Kapitän oder einem Seemann begangen werden kann, indem sie die gesetzlichen Vorschriften oder die anerkannten Regeln über die nautische Führung des Schiffes oder die seepolizeilichen Vorschriften des In- und Auslandes vorsätzlich missachten (Abs. 1). In beiden Bestimmungen gefährdet der Täter durch sein Handeln das Schiff oder die an Bord befindlichen Personen wissentlich.

Indessen sind die Strafrahmen sehr unterschiedlich (Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe in Art. 128 Abs. 1 oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe in Art. 129 Abs. 1). Diese Privilegierung des Kapitäns oder des Seemanns ist weder gerechtfertigt noch nachvollziehbar. Aus diesem Grund wird in Artikel 129 Absatz 1 der Strafrahmen von Artikel 128 Absatz 1 übernommen: Bei der Gefährdung des Schiffes oder der an Bord befindlichen Personen wird eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe angedroht.

Der geltende Absatz 2 soll aufgehoben werden. Siehe Bemerkungen zu Artikel 128 Absatz 2.

Art. 130

Zuwiderhandlung gegen die Regeln der Schifffahrt

Aufgrund der aufgelaufenen allgemeinen Teuerung seit 1953 hat sich der aktuelle Betrag (5000 Fr.) mehr als vervierfacht. Eine Erhöhung der Bussenobergrenze auf 20 000 Franken ist daher angezeigt.

Art. 131

Ausfahrt mit einem seeuntüchtigen Schiff

Diese Bestimmung unterscheidet sich nur unwesentlich von Artikel 128. Während dort ein seetüchtiges Schiff nachträglich in seeuntüchtigen Zustand gebracht wird, besteht in Artikel 131 die Seeuntüchtigkeit bereits vor dem Auslaufen des Schiffes.

Der Unrechtsgehalt dieser Bestimmung ist mindestens gleich hoch wie derjenige von Artikel 128. Zudem ist für die vorsätzliche und fahrlässige Begehung der Tat ein unterschiedlicher Strafrahmen zu schaffen. Aus diesem Grund sind die gleichen Strafdrohungen wie in Artikel 128 f. vorzusehen (siehe Bemerkungen zu Art. 129).

Der geltende Absatz 2 soll aufgehoben werden. Siehe Bemerkungen zu Artikel 128 Absatz 2.

238

BBl 1980 I 1241, hier 1258; BBl 1985 II 1009, hier 1027 f. und 1038.

2915

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Art. 132

Übertretung der Vorschriften über die Seetüchtigkeit

Dieser Tatbestand ergänzt Artikel 131 dahingehend, dass keine konkrete Gefährdung für das Schiff und die Personen an Bord vorliegen muss. Indessen stellt diese Tat eine abstrakte Gefährdung dar, für welche eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe angemessen ist. Die heutige Strafdrohung (Busse bis zu 5000 Fr.) ist viel zu niedrig und vermag daher auch nicht generalpräventiv zu wirken.

Art. 133 Abs. 2 In Absatz 2 wird die fahrlässige Begehung als Übertretung geahndet, während bei der Vorsatztat eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (Vergehen) droht. Diese Diskrepanz ist nicht angemessen, und für die fahrlässige Begehung ist neu eine Geldstrafe vorzusehen. Dadurch wird die Strafnorm neu zum Vergehen.

Art. 136 Abs. 1 Diese Bestimmung wird neu strukturiert, wobei keine materielle Änderung vorgenommen wird.

Art. 137 Abs. 2 Der zweite Satz von Absatz 2 ist missverständlich. Es dürfte sich dabei um eine Strafzumessungsregel handeln, welche überflüssig ist, da das Gericht die Strafe unter anderem nach dem Verschulden des Täters bemisst (Art. 47 Abs. 1 StGB). Aus diesem Grund wird dieser Satz gestrichen.

Art. 139

Trunkenheit oder Betäubung

In Absatz 1 wird der Strafrahmen an die Gesetzgebung in den Bereichen Binnenschifffahrt, Luftfahrt und Strassenverkehr angeglichen. Folglich wird auch in Absatz 2 der Strafrahmen erhöht, wobei eine Differenzierung der Strafrahmen zwischen den Absätzen 1 und 2 beibehalten wird. Weiter wird in Übereinstimmung mit den erwähnten Bereichen der Begriff «selbstverschuldeter» in beiden Absätzen gestrichen.

Art. 141 Abs. 1 Diese Bestimmung wird neu strukturiert, wobei keine materielle Änderung vorgenommen wird.

Art. 143

Flaggenmissbrauch

Die geltenden Absätze 1 und 3 werden in Absatz 1 zusammengefasst, da sie die gleichen Strafdrohungen aufweisen. Absatz 2 wird redaktionell neu formuliert, bleibt aber inhaltlich unverändert.

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Art. 144

Erschleichen der Registereintragung

In Absatz 1 wird die beispielhafte Aufzählung von möglichen unwahren Angaben oder von verschwiegenen wesentlichen Tatsachen im Hinblick auf die Erschleichung einer Registereintragung gestrichen, da sie keinen Mehrwert darstellt. In den Absätzen 2 und 4 wird die fahrlässige Begehung als Übertretung geahndet, während bei der Vorsatztat eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (Vergehen) droht. Diese Diskrepanz ist nicht angemessen (siehe Ziff. 1.2.1 und 1.2.4), und für die fahrlässige Begehung ist neu eine Geldstrafe vorzusehen. Dadurch wird die Übertretung zu einem Vergehen. Im Übrigen wird die Bestimmung neu strukturiert, wobei keine materielle Änderung vorgenommen wird. In Absatz 2 hat sich aufgrund der aufgelaufenen allgemeinen Teuerung seit 1957 der aktuelle Betrag (10 000 Fr.)

mehr als vervierfacht. Eine Erhöhung der Bussenobergrenze auf 50 000 Franken ist daher angezeigt (neu Abs. 2).

Art. 145 Abs. 1 In Absatz 1 wird eine Busse bis zur Höhe des Wertes des Schiffes angedroht. Diese hat in erster Linie nicht Strafcharakter, sondern dient dazu, Ansprüche des Staates oder von Privaten zu decken. Artikel 145 stellt eine Spezialnorm zu Artikel 96 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889239 über Schuldbetreibung und Konkurs und Artikel 169 StGB dar. Die angedrohte Busse kann kaum schuldangemessen verhängt werden. Zu beachten ist zudem, dass die Busse bei Nichtbezahlung nur in eine Freiheitsstrafe von höchstens drei Monaten umgewandelt werden kann (Art. 10 Abs. 3 VStrR). Die Busse wird für ein Vergehen angedroht. Bei Vergehen werden jedoch neu Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen à höchstens 3000 Franken möglich sein (Art. 34 Abs. 1 und 2 StGB). Nach Artikel 333 Absatz 5 StGB sind bei Verbrechen und Vergehen von Artikel 34 StGB abweichende Bemessungsregeln nicht mehr anwendbar. Aus diesen Gründen sind die Straffunktion und die Sicherungsfunktion voneinander zu trennen: Zum einen wird als Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe angedroht (dies entspricht der Strafdrohung in Artikel 169 StGB) und zum andern wird zur Sicherung der Ersatzansprüche auf Artikel 71 StGB verwiesen. Schliesslich wird der letzte Satz betreffend die Verwendung der Gelder zugunsten des Geschädigten entsprechend umformuliert. Sollen für dieses Delikt auch Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden können, so hat dies nach Massgabe von Artikel 102 StGB zu erfolgen.

Art. 146

Unerlaubte Veräusserung

Im Gegensatz zu Artikel 145 geht es bei dieser Bestimmung nicht um die Sicherung einer Ersatzforderung. Es ist nicht klar, welche indirekte Funktion die Busse wirklich hat. Sehr wahrscheinlich soll mit ihr das Unternehmen getroffen werden, das vom verbotenen Verkauf des Schiffes profitiert. In Bezug auf die Busse gilt dasselbe wie bei Artikel 145 ausgeführt. Aus diesem Grund ist in Artikel 146 Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe anzudrohen.

239

SR 281.1

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Art. 147 und 151 Aufgrund der aufgelaufenen allgemeinen Teuerung seit 1957 hat sich der aktuelle Betrag (20 000 Fr.) mehr als vervierfacht. Eine Erhöhung der Bussenobergrenze auf 100 000 Franken ist daher angezeigt. Zudem werden in Artikel 151 redaktionelle Änderungen vorgenommen.

Art. 150a

Zuwiderhandlung gegen Bestimmungen des internationalen Seearbeitsübereinkommens

Der Randtitel in der deutschen Fassung lautet gleich wie in Artikel 151. Er wird daher an die französische und italienische Fassung angepasst, sodass sie übereinstimmen.

Art. 152

Massnahmen

Diese Nebenstrafe wird zu einer anderen Massnahme im Sinne der Artikel 66 ff.

StGB umgewandelt. Entsprechende Änderungen sind ebenfalls für die Nebenstrafen im Jagdgesetz vom 20. Juni 1986240 und im Fischereigesetz vom 21. Juni 1991241 vorgesehen (vgl. Erläuterungen unter Ziff. 3.2.6).

Art. 153

Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben

Die Absätze 1 bis 3 entsprechen Artikel 6 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974242 über das Verwaltungsstrafrecht. Aus diesem Grund ist in Absatz 1 ein Hinweis auf diese Bestimmung anzubringen und die Absätze 2 und 3 können aufgehoben werden.

Die solidarische Haftung der Unternehmen für Bussen in Absatz 4 widerspricht dem strafrechtlichen Grundsatz, wonach die Busse höchstpersönlich ist und nicht übertragen werden kann. Die Solidarhaftung wurde vorgesehen, um die Unternehmen, die von der Straftat profitieren können, über hohe Busse belangen zu können. Sie stellt somit in erster Linie eine versteckte Form der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Unternehmens dar, die dem Konzept von Artikel 102 StGB widerspricht.

Absatz 4 kann daher aufgehoben werden.

Art. 157 Abs. 3 Anstelle einer Arreststrafe kann eine Haftstrafe ausgesprochen werden, wobei die Haft mit der AT-Revision 2002 aufgehoben wurde. Die Arreststrafe kann maximal 3 Tage betragen (Art. 156 Abs. 2 Bst. a). Angesichts der Bussenobergrenze für Übertretungen erscheint eine Umwandlungsbusse von maximal 3000 Franken für einen Disziplinarfehler als ausreichend. Dies ergibt immerhin einen Umwandlungssatz von maximal 1000 Franken pro Tag.

240 241 242

SR 922.0 SR 923.0 SR 313.0

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2.4.11

Luftfahrtgesetz vom 21. Dezember 1948243

Art. 90 Abs. 1 Nach Absatz 1 wird bestraft, wer die gesetzlichen Vorschriften und anerkannten Regeln des Verkehrs vorsätzlich missachtet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen und fremdes Eigentum auf der Erdoberfläche in Gefahr bringt. Es handelt sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt. Demnach muss die Gefahr nicht nur objektiv möglich, sondern wahrscheinlich sein. Mit Bezug auf die Delikte gegen Leib und Leben besteht Idealkonkurrenz. Diese Bestimmung ergänzt Artikel 237 StGB.244 Artikel 237 Ziffer 1 Absatz 1 StGB wird neu formuliert, indem der Eisenbahnverkehr erfasst und die Strafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe erhöht werden (siehe Bemerkungen zu Art. 237 E-StGB). Die Änderung des Strafrahmens wird in Absatz 1 übernommen. Diese Erhöhung rechtfertigt sich auch deshalb, weil sich der obere Strafrahmen von Artikel 90 Absatz 1 bereits bei Verabschiedung des Luftfahrtsgesetzes 1948 an demjenigen von Artikel 129 StGB orientiert hat.245 Die Höchststrafe von Artikel 129 StGB betrug damals Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Seit 1990 beträgt sie fünf Jahre Freiheitsstrafe.

2.4.12

Stammzellenforschungsgesetz vom 19. Dezember 2003246

Die Strafbestimmungen werden an die Terminologie des Allgemeinen Teils des StGB angepasst (AT-Revisionen 2002 und 2015), dies unter Berücksichtigung der Vorgaben in Artikel 333 StGB.

Art. 24

Vergehen und Verbrechen

Aufgrund der Anpassung der Strafrahmen an die AT-Revision 2002 werden in den Absätzen 1 und 2 die gleichen Strafen angedroht, sodass die beiden Absätze vereinigt werden können. Gleichzeitig kann Absatz 2 aufgehoben werden.

Bei gewerbsmässigem Handeln gilt nicht nur ein höherer Strafrahmen (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe), sondern die Freiheitsstrafe ist in allen Fällen zwingend mit einer Geldstrafe zu verbinden (neu Abs. 2). Folglich können die Buchstaben a und b von Absatz 2 ebenfalls zusammengeführt werden. Absatz 4 wird neu zu Absatz 3.

Art. 25 Abs. 1, 1bis und 4 Bei den Übertretungen wird gegenwärtig keine Unterscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit gemacht (Abs. 1). Aus diesem Grund ist ein neuer Absatz einzu243 244 245 246

SR 748.0 BGE 105 IV 41 E. 3a S. 46 BBl 1945 I 341, hier 369.

SR 810.31

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fügen, welcher für die fahrlässige Begehung eine Busse bis zu 20 000 Franken vorsieht (Abs. 1bis).

Absatz 4 kann aufgehoben werden, da eine allgemein gültige Bestimmung mit der AT-Revision 2002 eingeführt wurde (Art. 52 StGB).

2.4.13

Betäubungsmittelgesetz vom 3. Oktober 1951247

Art. 19a Ziff. 4 Infolge der AT-Revision 2002 ist der Hinweis auf Artikel 44 StGB nicht mehr aktuell, sondern die entsprechenden Vorschriften sind heute in den Artikeln 60 und 63 StGB enthalten.

Art. 21 Abs. 2 In Absatz 1 Buchstabe a ist der Verweis auf Artikel 17 Absatz 1 nicht korrekt. Diese Bestimmung enthält keine Meldepflicht, sondern eine Buchführungspflicht. Die Meldepflichten sind in den Absätzen 2 und 3 von Artikel 17 enthalten.

In Absatz 2 wird die fahrlässige Begehung als Übertretung geahndet, während bei der Vorsatztat eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (Vergehen) droht (Abs. 1). Diese Diskrepanz ist nicht angemessen (siehe Ziff. 1.2.1 und 1.2.4).

Für die fahrlässige Begehung ist deshalb neu eine Geldstrafe vorzusehen. Dadurch wird die Übertretung zu einem Vergehen.

2.4.14

Chemikaliengesetz vom 15. Dezember 2000248

Die Strafbestimmungen werden an die Terminologie des Allgemeinen Teils des StGB angepasst (AT-Revisionen 2002 und 2015), dies unter Berücksichtigung der Vorgaben in Artikel 333 StGB.

Art. 49

Vergehen und Verbrechen

Diese Bestimmung beinhaltet sowohl Vergehens- als auch Verbrechenstatbestände, sodass die Sachüberschrift entsprechend anzupassen ist. Aufgrund der AT-Revision 2002 sind die Strafdrohungen in den Absätzen 1 und 3 sowie 2 und 4 identisch. Während die Absätze 1 und 3 nicht zusammengeführt werden, weil es sich bei Absatz 1 um ein Sonderdelikt handelt, welches nur von der Herstellerin begangen werden kann, werden die Absätze 2 und 4 vereinigt unter gleichzeitiger Aufhebung von Absatz 2.

Die schwere Gefahr für Menschen nach Absatz 4 muss eine allgemeine sein, die sich auf eine grössere Anzahl, durch Zufall ausgewählte Personen erstreckt, und derge247 248

SR 812.121 SR 813.1

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stalt sein, dass diese Personen an Leib und Leben schwerwiegend gefährdet sind.249 Diese Bestimmung ist den gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehen des Strafgesetzbuchs (Art. 221 ff. StGB) nachgebildet. Im Vergleich zu diesen Straftatbeständen erscheint die Strafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe niedrig. Dieser Unterschied lässt sich nicht rechtfertigen und ist nicht sachgerecht. In Anlehnung an die verschiedenen Tatbestände des Strafgesetzbuchs und des Nebenstrafrechts (siehe Bemerkungen zu Art. 44 E-Rohrleitungsgesetz) und unter Berücksichtigung der grossen Gefahr, welche von Chemikalien ausgeht, ist die Strafe auf Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe zu erhöhen. Zwischen den Gefährdungs- und den Verletzungsdelikten besteht echte Konkurrenz.

Die Abstufung der Fahrlässigkeit in Absatz 5 ist nicht sachgerecht, da der Strafrahmen bei den Vorsatztaten nach den Absätzen 1 und 3 keinen Unterschied mehr aufweisen. Bei den Vorsatztaten droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Für die fahrlässige Begehung ist daher eine Geldstrafe vorzusehen (siehe Ziff. 1.2.1 und 1.2.4).

Art. 50 Abs. 5 und 6 Absatz 5 kann aufgehoben werden, da eine entsprechende Bestimmung mit der ATRevision 2002 eingeführt wurde (Art. 52 StGB).

Absatz 6 soll ebenfalls aufgehoben werden. Die Notwendigkeit einer spezialgesetzlichen Regelung besteht nicht mehr, nachdem die allgemeine Verjährungsfrist für Übertretungen (Art. 109 StGB) seit dem Erlass des Chemikaliengesetzes im Jahr 2000 merklich angehoben wurde. Die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung für Übertretungen beträgt drei Jahre (Art. 109 StGB).

2.4.15

Strahlenschutzgesetz vom 22. März 1991250

Ingress Auf die Nennung der Artikel 122 Absatz 1 (Zivilrechtskompetenz) und 123 Absatz 1 BV (Strafrechtskompetenz) kann verzichtet werden, da es vorliegend um nebenstrafrechtliche Bestimmungen geht und der Bund alle Mittel zur Durchsetzung des Gesetzes einsetzen kann, wozu auch strafrechtliche Sanktionen zählen. Gleiches gilt für zivilrechtliche Massnahmen.

Art. 43 Abs. 1 und 2 Mit der Einführung des Kernenergiegesetzes vom 21. März 2003251 (KEG) wurden gleichzeitig auch die Strafbestimmungen des Strahlenschutzgesetzes (StSG) angepasst. Insbesondere wurde Artikel 43 neu formuliert (z. B. der heutige Absatz 2 wurde eingeführt), und die Strafdrohungen wurden teilweise massiv erhöht. Diesbe249 250 251

BBl 2000 687, hier 784.

SR 814.50 SR 732.1

2921

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züglich wurden mit kleineren Abweichungen die Strafrahmen von Artikel 88 KEG übernommen. Im Gegensatz zu Artikel 88 Absatz 2 KEG, in welchem aufgrund der vorsätzlichen Missachtung von Sicherheits- und Sicherungsmassnahmen wissentlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit vieler Menschen oder für fremdes Eigentum von erheblichem Wert unter Strafe gestellt wird, setzt Artikel 43 Absatz 2 voraus, dass der Täter jemanden einer ungerechtfertigten Strahlung aussetzt, in der Absicht, dessen Gesundheit zu schädigen. Während im KEG eine Gemeingefahr vorausgesetzt ist, richtet sich die Tat im StSG gegen eine Einzelperson. Zudem lässt sich Artikel 43 Absatz 2 betreffend den Strafrahmen eher mit einer schweren Körperverletzung (Art. 122 StGB) als mit einem Tötungsdelikt (Art. 111 ff. StGB) vergleichen, zumal der Täter nach dem Wortlaut des Gesetzes die Gesundheit des Opfers schädigen will. Beabsichtigt aber der Täter, das Opfer mit ionisierenden Strahlen zu töten, besteht zwischen den Tötungsdelikten und dem StSG echte Konkurrenz. Im Unterschied zur vorsätzlichen schweren Körperverletzung muss in Absatz 2 der Gesundheitsschaden nicht eintreten, die Absicht der Schädigung reicht aus. Aus diesen Gründen ist vorliegend der Strafrahmen auf Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe festzulegen.

In Absatz 2 wird in subjektiver Hinsicht direkter Vorsatz vorausgesetzt, d. h. die eventualvorsätzliche Schädigung des Opfers wird unter Absatz 1 subsumiert. Diesbezüglich ist der Strafrahmen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe im Vergleich zu Absatz 2 zu niedrig. Um eine sinnvolle Abstufung zwischen den drei Absätzen von Artikel 43 zu erreichen, ist in Absatz 1 für das vorsätzliche Aussetzen mit einer offensichtlich ungerechtfertigten Strahlung eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe anzudrohen. Dies rechtfertigt sich auch mit Rücksicht auf die grosse Gefahr, welche von ionisierender Strahlung ausgeht. Damit wird wieder eine Abstufung zwischen Absatz 1 und 3 (Vorsatz/Fahrlässigkeit) eingeführt, welche mit der AT-Revision 2002 zwischenzeitlich aufgelöst worden war (siehe Ziff. 1.2.1).

2.4.16

Spielbankengesetz vom 18. Dezember 1998252

Mit dem Geldspielgesetz sollen das Spielbankengesetz vom 18. Dezember 1998 und das Bundesgesetz vom 8. Juni 1923253 betreffend Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten in einem Gesetz zusammengeführt werden. Das neue Geldspielgesetz wurde am 29. September 2017 vom Parlament verabschiedet.254 Gegen das neue Geldspielgesetz ist das Referendum zustande gekommen. Die nachfolgenden Anpassungen des Ingresses und der Strafdrohungen werden vorgeschlagen für den Fall, dass das neue Geldspielgesetz in der Referendumsabstimmung abgelehnt werden sollte. Im Wesentlichen werden die geltenden Strafbestimmungen an die Terminologie des Allgemeinen Teils des StGB angepasst (Revisionen 2002 und 2015), dies unter Berücksichtigung der Vorgaben in Artikel 333 StGB.

252 253 254

SR 935.52 SR 935.51 BBl 2017 6245

2922

BBl 2018

Ingress Der Ingress verweist noch auf die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV). Er wird deshalb an die Bestimmungen der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) angepasst. Artikel 35 aBV entspricht Artikel 106 der geltenden BV.

Art. 55 Sachüberschrift und Abs. 2 Diese Bestimmung beinhaltet sowohl Vergehens- als auch Verbrechenstatbestände, sodass die Sachüberschrift entsprechend anzupassen ist.

Der Unrechtsgehalt rechtfertigt keine derart hohe Mindeststrafe in Absatz 2. Mit dieser Strafbestimmung werden keine grundlegenden Rechtsgüter wie Leib und Leben oder Gesundheit geschützt. Aus diesem Grund ist eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe zu hoch. Eine Mindeststrafe nicht unter sechs Monaten Freiheitsstrafe ist angemessen (vgl. Art. 130 Abs. 2 BGS255).

Die Strafenkombination dient spezialpräventiven Zwecken. Das Hauptgewicht liegt auf der Freiheitsstrafe oder der Geldstrafe, während der unbedingten Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Diese soll nicht etwa zu einer Straferhöhung führen oder eine zusätzliche Strafe ermöglichen. Sie erlaubt lediglich innerhalb der schuldangemessenen Strafe eine täter- und tatangemessene Sanktion, wobei die an sich verwirkte Freiheitsstrafe und die damit verbundene Geldstrafe bzw. Busse in ihrer Summe schuldangemessen sein müssen.256 Diese Busse ist für ein Verbrechen vorgesehen und daher gestützt auf Artikel 333 Absatz 5 StGB in eine Geldstrafe umzurechnen. Dabei ergeben 2 Mio. Franken 666 Tagessätze. Bei Nichtbezahlung der Geldstrafe wäre somit eine Freiheitsstrafe von nahezu 2 Jahren möglich. Diese lange Umwandlungsstrafe steht im Widerspruch zur erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichts.

Es ist somit nicht ersichtlich, weshalb die Verbindungsgeldstrafe vorliegend den von Artikel 34 Absatz 1 StGB vorgegebenen Rahmen überschreiten sollte. Neu soll deshalb in einem schweren Fall Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen als Verbindungsstrafe ausgesprochen werden können (vgl. dazu ausführlich, Art. 89 Abs. 2 E-Kernenergiegesetz).

2.4.17

Güterkontrollgesetz vom 13. Dezember 1996257

Das Güterkontrollgesetz war im Vorentwurf noch nicht enthalten, weil fast zeitgleich eine Vernehmlassung zur Änderung des Embargogesetzes vom 22. März 2002258 durchgeführt wurde, welche ebenfalls Änderungen des Güterkontrollgesetzes vorgesehen hatte. Am 16. Dezember 2011 hat der Bundesrat entschieden, auf die entsprechende Revision zu verzichten. Im Rahmen dieser Vorlage werden die Strafbestimmungen an die Terminologie des Allgemeinen Teils des StGB angepasst 255 256 257 258

BBl 2017 6245 BGE 134 IV 1 E. 4.5 und 60 E. 7.3.2; 124 IV 134 E. 2c/bb.

SR 946.202 SR 946.231

2923

BBl 2018

(AT-Revisionen 2002 und 2015), dies unter Berücksichtigung der Vorgaben in Artikel 333 StGB.

Ingress Der Ingress verweist noch auf die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV). Er wird deshalb an die Bestimmungen der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) angepasst. Die Zuständigkeit des Bundes in auswärtigen Angelegenheiten entspricht Artikel 54 Absatz 1 der geltenden BV. Auf die Nennung von Artikel 123 BV (Strafrechtskompetenz) wird verzichtet, da es vorliegend um nebenstrafrechtliche Bestimmungen geht und der Bund alle Mittel zur Durchsetzung des Gesetzes einsetzen kann, wozu auch strafrechtliche Sanktionen zählen.

Art. 14 Abs. 2 Die Strafenkombination, welche im bestehenden Artikel 14 Absatz 2 vorgesehen ist, dient spezialpräventiven Zwecken. Das Hauptgewicht liegt auf der Freiheitsstrafe oder der Geldstrafe, während der unbedingten Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Diese soll nicht etwa zu einer Straferhöhung führen oder eine zusätzliche Strafe ermöglichen. Sie erlaubt lediglich innerhalb der schuldangemessenen Strafe eine täter- und tatangemessene Sanktion, wobei die an sich verwirkte Freiheitsstrafe und die damit verbundene Geldstrafe bzw. Busse in ihrer Summe schuldangemessen sein müssen.259 Diese Busse ist für ein Verbrechen vorgesehen und daher gestützt auf Artikel 333 Absatz 5 StGB in eine Geldstrafe umzurechnen. Dabei ergeben 5 Mio. Franken 1666 Tagessätze. Bei Nichtbezahlung der Geldstrafe wäre somit eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren möglich. Diese lange Umwandlungsstrafe steht im Widerspruch zur erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichts.

Es ist somit nicht ersichtlich, weshalb die Verbindungsgeldstrafe vorliegend den von Artikel 34 Absatz 1 StGB vorgegebenen Rahmen überschreiten sollte. Neu soll deshalb in einem schweren Fall Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen als Verbindungsstrafe ausgesprochen werden können. In diesem Sinn wurde bereits Artikel 33 Absatz 2 des Kriegsmaterialgesetzes vom 13. Dezember 1996260 revidiert (vgl. dazu ausführlich Art. 89 Abs. 2 E-Kernenergiegesetz).

Art. 15 Abs. 4 Die Regeln über die Unterbrechung und das Ruhen der Verfolgungsverjährung wurden aufgehoben (Art. 333 Abs. 6 Bst. c StGB), sodass der zweite Satz von Absatz 4 aufgehoben werden kann. Diesbezüglich ist anzufügen, dass seit dem 1. Januar 2007 die
Verjährung nicht mehr eintritt, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist (Art. 97 Abs. 3 StGB). Überdies verjähren Übertretungen nach dem Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 1996261 ebenfalls nach fünf Jahren (Art. 36 Abs. 4).

259 260 261

BGE 134 IV 1 E. 4.5 und 60 E. 7.3.2; 124 IV 134 E. 2c/bb.

SR 514.51 SR 514.51

2924

BBl 2018

Art. 18 Abs. 1bis zweiter Satz Es fehlt bisher der Hinweis, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft verfolgende und urteilende Behörde ist. Das wird vorliegend nachgeholt. Eine neue Zuständigkeit wird damit nicht geschaffen.

2.4.18

Embargogesetz vom 22. März 2002262

Das Embargogesetz war im Vorentwurf noch nicht enthalten, weil fast zeitgleich eine Vernehmlassung zur Änderung des Embargogesetzes durchgeführt wurde. Am 16. Dezember 2011 hat der Bundesrat entschieden, auf die Revision zu verzichten.

Im Rahmen dieser Vorlage werden die Strafbestimmungen an die Terminologie des Allgemeinen Teils des StGB angepasst (Revisionen 2002 und 2015), dies unter Berücksichtigung der Vorgaben in Artikel 333 StGB.

Ingress Der Ingress wurde bereits an die Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) angepasst. Auf die Nennung der Artikel 122 Absatz 1 (Zivilrechtskompetenz) und 123 Absatz 1 BV (Strafrechtskompetenz) wird verzichtet, da es vorliegend um nebenstrafrechtliche Bestimmungen geht und der Bund alle Mittel zur Durchsetzung des Gesetzes einsetzen kann, wozu auch strafrechtliche Sanktionen zählen. Gleiches gilt für zivilrechtliche Massnahmen.

Art. 9 Abs. 3 In Absatz 3 wird de lege lata für die fahrlässige Begehung eine Höchststrafe von Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen angedroht, während die vorsätzliche Tat mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden kann. In anderen Gesetzen wurde bei solchen Konstellationen bei Fahrlässigkeit lediglich eine Busse angedroht (z. B. Art. 115 Abs. 3 Ausländergesetz vom 16. Dez. 2005263, Art. 135 Abs. 2 Seeschifffahrtsgesetz vom 23. Sept. 1953264). Im Hinblick auf eine einheitliche Regelung ist vorliegend nur eine Busse bis zu 100 000 Franken vorzusehen.

Art. 10 Abs. 4 Die Regeln über die Unterbrechung und das Ruhen der Verfolgungsverjährung wurden aufgehoben (Art. 333 Abs. 6 Bst. c StGB), sodass der zweite Satz von Absatz 4 aufgehoben werden kann. Diesbezüglich ist anzufügen, dass seit dem 1. Januar 2007 die Verjährung nicht mehr eintritt, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist (Art. 97 Abs. 3 StGB). Überdies verjähren Übertretungen nach dem Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 1996265 ebenfalls nach fünf Jahren (Art. 36 Abs. 4).

262 263 264 265

SR 946.231 SR 142.20 SR 747.30 SR 514.51

2925

BBl 2018

Art. 11

Zusammentreffen mehrerer Strafbestimmungen

Das in Absatz 1 erwähnte Atomgesetz wurde durch das Kernenergiegesetz vom 21. März 2003266 ersetzt und das Zollgesetz wurde einer Totalrevision unterzogen, sodass der Bannbruch heute in Artikel 120 des Zollgesetzes vom 18. März 2005267 geregelt ist (Abs. 2).

Art. 14 Abs. 1 zweiter Satz Es fehlt bisher der Hinweis, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft verfolgende und urteilende Behörde ist. Das wird vorliegend nachgeholt. Eine neue Zuständigkeit wird damit nicht geschaffen.

3

Grundzüge des Entwurfs des Bundesgesetzes über die Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht (Vorlage 2)

3.1

Ausgangslage

3.1.1

Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs

Die AT-Revision 2002 fand in zwei Schritten statt: Der Hauptteil erfolgte mit der Änderung des StGB vom 13. Dezember 2002.268 Danach wurden mit der Änderung des StGB und des MStG vom 24. März 2006 Korrekturen am neuen Sanktionsund Strafregisterrecht vorgenommen.269 Von dieser Revision sind auch die Strafbestimmungen in anderen Bundeserlassen (sogenanntes Nebenstrafrecht) betroffen.

Heute kommen die neuen Bestimmungen des AT-StGB jedoch noch nicht in allen Nebenstrafrechtserlassen zum Ausdruck. Immerhin wurden im Verlaufe der Zeit ­ auf verschiedenen Wegen ­ immer mehr Nebenstrafrechtserlasse angepasst:

266 267 268 269 270 271 272

­

Im Rahmen der AT-Revision 2002 wurden die Strafbestimmungen im Besonderen Teil des StGB sowie in drei weiteren Bundesgesetzen (im ehemaligen Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, dem Vorläufer des heutigen Ausländergesetzes270, im Strassenverkehrsgesetz271 und im Betäubungsmittelgesetz272) an das neue Strafensystem angepasst.

­

In den Bundesgesetzen, die zwischen der Verabschiedung (2002) und der Inkraftsetzung (2007) des revidierten StGB geändert worden sind, wurden die Strafbestimmungen zum Teil bereits angepasst.

­

Im Verlauf des Sommers 2008 wurden durch die Bundeskanzlei 44 Erlasse angepasst, deren Strafbestimmungen ohne bedeutende redaktionelle Korrekturen dadurch angepasst werden konnten, dass die Bezeichnungen für die SR 732.1 SR 631.0 AS 2006 3459, BBl 1999 1979 AS 2006 3539, BBl 2005 4689 SR 142.20 SR 741.01 SR 812.121

2926

BBl 2018

Strafen gestützt auf Artikel 333 StGB durch neue Bezeichnungen ersetzt wurden. Zudem wurden Verweise auf Bestimmungen des alten StGB gestützt auf Artikel 334 StGB berichtigt.

­

In zahlreichen Erlassen, die in den letzten Jahren revidiert worden sind oder die sich zurzeit in Revision befinden, wurden zugleich auch die Strafbestimmungen angepasst.

Die Situation, wonach die Strafbestimmungen im Nebenstrafrecht im Wortlaut nicht mehr das geltende Recht wiedergeben, entschärfte sich dadurch mehr und mehr.

Für die verbleibenden Erlasse des Bundes enthält Artikel 333 Absätze 2­6 StGB zwar einen Umrechnungsschlüssel, der es erlaubt, die altrechtlichen Strafen in die neuen Strafen umzuwandeln und die Verjährungsfristen gemäss dem neuen Recht festzulegen. Dieser Umrechnungsschlüssel war jedoch nur als Übergangslösung gedacht, bis die Strafdrohungen in den einzelnen Nebenstrafrechtserlassen an das neue Sanktionensystem angepasst worden sind.273 Artikel 333 Absätze 2­6 StGB wirft zudem gewisse Anwendungsprobleme auf und wird nicht überall gleich interpretiert. Die Strafbestimmungen der verbleibenden Bundeserlasse sollen daher im Entwurf des Bundesgesetzes über die Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht (Vorlage 2) angepasst werden.

3.1.2

Änderung des Sanktionenrechts

Die Änderungen der AT-Revision 2015 wirken sich auch auf die Strafbestimmungen des Nebenstrafrechts aus. Sie werden daher in diesem Entwurf und im Entwurf zur Harmonisierung der Strafrahmen (vgl. Ziff. 1.1.3) berücksichtigt.

3.1.3

Entwurf zur Harmonisierung der Strafrahmen

Der Entwurf zur Harmonisierung der Strafrahmen (Vorlage 1) umfasst auch die Strafbestimmungen des Nebenstrafrechts, die Verbrechen darstellen (siehe oben). Bei dieser Gelegenheit werden ­ wenn nötig ­ alle Strafnormen des entsprechenden Gesetzes an die AT-Revisionen 2002 und 2015 angepasst. Somit erfolgt nur ein Teil der Anpassungen der Strafbestimmungen des Nebenstrafrechts im Rahmen dieses Entwurfs (Vorlage 2); er umfasst die Gesetze, die Vergehen oder Übertretungen enthalten.

Im Entwurf zur Anpassung des Nebenstrafrechts werden nicht alle Neuerungen übernommen, die im Entwurf zur Harmonisierung der Strafrahmen vorgesehen sind. So wird im Entwurf zur Harmonisierung der Strafrahmen im Nebenstrafrecht unter anderem der Strafrahmen für die fahrlässige Begehung eines Vergehens von einer Busse auf eine Geldstrafe erhöht. Dadurch werden Übertretungen zu Vergehen hochgestuft, was für den Betroffenen einschneidende Folgen in Bezug auf die Eintragung im Strafregister hat (vgl. Ziff. 1.2.4 letzter Abschnitt). Im Entwurf zur Anpassung 273

BBl 1999 1979, Ziff. 231.1

2927

BBl 2018

des Nebenstrafrechts sollen demgegenüber die Strafdrohungen wenn möglich nicht verändert, sondern gestützt auf den Umrechnungsschlüssel in Artikel 333 Absätze 2­5 StGB angepasst werden. Deshalb konnte auf eine Vernehmlassung verzichtet werden (vgl. Ziff. 3.5).

3.2

Die beantragten Anpassungen

3.2.1

Allgemeines

Mit der AT-Revision 2002 wurde ein neues Strafensystem eingeführt: ­

Bei den Verbrechen und Vergehen wurden die Zuchthaus- und die Gefängnisstrafe durch eine Einheitsfreiheitsstrafe ersetzt (Art. 40 StGB).

­

Bei den Verbrechen und Vergehen wurden zudem die Busse durch eine Geldstrafe im Tagessatzsystem ersetzt (Art. 34 ff. StGB) und die gemeinnützige Arbeit als richterliche Strafe eingeführt (Art. 37 ff. StGB).

­

Kurze Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten wurden so weit als möglich durch die Geldstrafe und die gemeinnützige Arbeit ersetzt (Art. 41 StGB).

­

Bei den Übertretungen wurde die Haftstrafe abgeschafft und die Busse von 5000 auf 10 000 Franken heraufgesetzt (Art. 106 StGB). An Stelle der Busse kann mit Zustimmung des Täters gemeinnützige Arbeit bis zu 360 Stunden angeordnet werden (Art. 107 StGB).

Die Strafdrohungen im Nebenstrafrecht werden in diesem Entwurf so weit als möglich nach dem Umrechnungsschlüssel von Artikel 333 Absätze 2­5 StGB angepasst. Dadurch werden die bestehenden Ober- und Untergrenzen der Strafen mit der Anpassung an das neue Strafensystem möglichst beibehalten.274 Wo Artikel 333 StGB keine eindeutige Regel für die Anpassung der Strafdrohung vorsieht oder die Anpassung gestützt auf Artikel 333 StGB zu einer Lösung führt, die aus (straf-)rechtlicher oder gesetzestechnischer Sicht unbefriedigend ist, wird für wiederkehrende Probleme eine möglichst einheitliche Lösung vorgeschlagen.

Mit der AT-Revision 2015 wurden einzelne der oben genannten Neuerungen der AT-Revision 2002 wieder rückgängig gemacht oder modifiziert:

274

­

Die kurze Freiheitsstrafe unter sechs Monaten soll unter erweiterten Voraussetzungen verhängt werden können; möglich ist neu auch der bedingte Vollzug einer kurzen Freiheitsstrafe unter sechs Monaten.

­

Die Geldstrafe kann nur noch bis zu 180 Tagessätzen verhängt werden und nicht mehr bis zu 360 Tagessätzen.

­

Die gemeinnützige Arbeit, die heute eine Strafe darstellt, wird neu zu einer Vollzugsform der Freiheitsstrafe.

BBl 1999 1979, hier 2152.

2928

BBl 2018

­

Neu können Freiheitsstrafen bis zu 12 Monaten und das Ende von langen Freiheitsstrafen auch in Form des elektronisch überwachten Strafvollzugs ausserhalb der Strafvollzugseinrichtung vollzogen werden (sogenanntes «Electronic Monitoring»).

Die AT-Revision 2015 hat nur geringfügige Auswirkungen auf die Strafdrohungen im Nebenstrafrecht. Anpassungen sind notwendig, wo ausdrücklich Geldstrafen über 180 Tagessätzen angedroht werden. Wird eine Geldstrafe ohne bestimmte Obergrenze angedroht, so senkt sich diese Obergrenze automatisch von heute 360 auf neu 180 Tagessätze. Die erweiterten Voraussetzungen zur Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen unter sechs Monaten und der bedingte Vollzug dieser kurzen Strafen haben keine Auswirkungen auf die Strafdrohungen im Nebenstrafrecht. Die gemeinnützige Arbeit wird heute als Strafe nicht ausdrücklich angedroht, sodass die Änderung zu einer Vollzugsform sich ebenfalls nicht auf die Strafdrohungen im Nebenstrafrecht auswirkt. Anpassungen wurden hingegen vorgenommen, wo die gemeinnützige Arbeit als Strafe erwähnt wird.

In dieser Vorlage werden mehrere Bundesgesetze geändert, die sich im Ingress noch auf die alte Bundesverfassung von 1874 abstützen. Diese Änderungen sollen deshalb zum Anlass genommen werden, jeweils auch den Ingress der betreffenden Bundesgesetze dahingehend zu ändern, dass darin neu die verfassungsmässige Grundlage in der neuen Bundesverfassung von 1999 angerufen wird.

3.2.2

Die Strafdrohungen bei Übertretungen

Bei den Übertretungen waren nach altem Recht verschiedene Strafkombinationen vorgesehen: Haft oder Busse; Haft oder Busse bis 5000 Franken, Haft oder Busse bis 1000 Franken, Busse, Busse bis 2000 Franken, Busse bis 50 000 Franken usw.

Die Anpassung der Strafdrohungen bei Übertretungen erfolgt grundsätzlich nach den Regeln von Artikel 333 Absätze 3 und 4 StGB. Diese können jedoch nicht allen Konstellationen Rechnung tragen. Konkret wird die Anpassung wie folgt vorgenommen:

275 276 277

­

Die durch die AT-Revision 2002 aufgehobene Haftstrafe wird im Wortlaut gestrichen und grundsätzlich durch eine Busse bis zu 10 000 Franken ersetzt.

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Haftstrafe ein, zwei oder drei Monate betrug. Es spielt auch keine Rolle, ob die Busse, die neben der Haft angedroht war, 1000, 2000 oder 5000 Franken betrug275 (eine Ausnahme ist vorgesehen in Art. 44 Abs. 3 des BG vom 4. Dez. 1947276 über den Bundeszivilprozess).

­

Wird hingegen nach altem Recht eine Busse (allein oder neben einer Haftstrafe) angedroht, die 10 000 Franken übersteigt, so wird dieser Betrag beibehalten (Art. 333 Abs. 4 StGB; z. B. Art. 24 Abs. 2 und 25 Abs. 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003277).

BBl 1999 1979, hier 2152.

SR 273 SR 444.1

2929

BBl 2018

­

Analoges gilt für die Fälle, in denen nach geltendem Recht eine Busse allein angedroht wird, deren Obergrenze ausdrücklich auf unter 10 000 Franken festgelegt ist; dieser tiefere Betrag wird beibehalten (Art. 333 Abs. 4 StGB).

Eine Erhöhung auf 10 000 Franken gemäss Artikel 106 StGB ist nicht notwendig, weil es keine wegfallende Haftstrafe zu ersetzen gilt.

­

Wird nach geltendem Recht eine Busse allein angedroht, deren Obergrenze nicht ausdrücklich festgelegt ist (und somit nach altem Recht bis zu 5000 Fr.

betragen konnte), so bleibt diese Strafdrohung bestehen; die Bussenobergrenze erhöht sich jedoch gestützt auf Artikel 106 StGB auf 10 000 Franken (vgl. Art. 333 Abs. 3 StGB).

­

Im Gegensatz zu den Verbrechen und Vergehen, bei denen die Geldstrafe im Tagessatzsystem eingeführt wurde und von Artikel 34 StGB abweichende Bemessungskriterien nicht mehr gelten (Art. 333 Abs. 5 StGB), werden bei Übertretungsbussen von Artikel 106 abweichende Bemessungskriterien nicht ausgeschlossen. Solche finden sich vor allem im Fiskal- und Zollstrafrecht, dessen einschlägige Strafdrohungen nicht geändert werden (z. B. die Strafdrohungen des Zollgesetzes vom 18. März 2005278).

3.2.3

Die Abstufung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit

Auch bei der fahrlässigen Begehung eines Deliktes werden die Strafrahmen nach den Grundsätzen von Artikel 333 Absätze 2­5 StGB angepasst. Das heisst, dass die Ober- und Untergrenzen der Strafe grundsätzlich beibehalten werden. Eine Änderung des Strafrahmens wird nur vorgeschlagen, wenn die Anpassung gestützt auf Artikel 333 StGB zu einer Aufhebung der Abstufung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit führt.

Solche Aufhebungen der Abstufung ergeben sich vor allem im Bereich der Übertretungen, weil durch den Wegfall der Haftstrafe in vielen Fällen sowohl für die vorsätzliche als auch für die fahrlässige Begehung eine gleich hohe Busse (von 10 000 Fr.) angedroht wird. Bei Strafdrohungen, in denen für das Vorsatzdelikt «Haft», «Haft oder Busse bis 10 000 Franken» oder «Haft oder Busse» (d. h. Busse bis 5000 Fr.) angedroht wird, soll neu eine Busse von 20 000 Franken vorgesehen werden und für das Fahrlässigkeitsdelikt eine Busse von 10 000 Franken.

Für diesen Änderungsvorschlag spricht, dass diese Abstufung bereits in verschiedenen Nebenstrafrechtserlassen anzutreffen ist (z. B. in Art. 71 des Gewässerschutzgesetzes vom 24. Januar 1991279 oder in Art. 18 des Jagdgesetzes vom 20. Juni 1986280). Allerdings sind auch andere Lösungen zu finden, in denen für das Vorsatzdelikt eine Busse von 10 000 Franken und für das Fahrlässigkeitsdelikt eine solche

278 279 280

SR 631.0 SR 814.20 SR 922.0

2930

BBl 2018

von 5000 Franken angedroht wird (z. B. in Art. 15 des BG vom 17. Dez. 2010281 über das Bergführerwesen und Anbieten weiterer Risikoaktivitäten).

In verschiedenen Erlassen werden der Vorsatz und die Fahrlässigkeit nebeneinander erwähnt («Wer vorsätzlich oder fahrlässig ...», z. B. in Art. 7 des BG vom 25. Juni 1982282 über aussenwirtschaftliche Massnahmen) und mit der gleichen Strafe bedroht.

Auch hier sollte eine Abstufung vorgenommen werden. Eine entsprechende, umfassende Überprüfung aller Strafbestimmungen des Nebenstrafrechts würde jedoch den Rahmen des vorliegenden Projekts sprengen. Eine Differenzierung wird daher nur in den Bundesgesetzen vorgenommen, deren Strafbestimmungen an die AT-Revisionen 2002 und 2015 angepasst werden.

3.2.4

Die Verpflichtung, die Freiheitsstrafe mit einer Geldstrafe zu verbinden

Artikel 333 StGB enthält keine ausdrückliche Umrechnungsregel für Strafdrohungen, in denen «Gefängnis und Busse» angedroht wird. In der Lehre wird daher die Auffassung vertreten, die obligatorische Verbindung von Freiheitsstrafe und Geldstrafe sei gestützt auf Artikel 333 StGB wegen des Legalitätsprinzips nicht zulässig.283 Bundeserlasse, die eine entsprechende Strafdrohung vorsehen, werden daher in diesem Entwurf angepasst. Mit dem separaten Satz ­ «Mit der Freiheitsstrafe ist eine Geldstrafe zu verbinden» ­ wird die Verbindung der beiden Strafen ausdrücklich vorgesehen. Dieser Satz wurde auch bei der Anpassung der Strafdrohungen im Besonderen Teil des StGB verwendet.

3.2.5

Die Rechtsfolge in «leichten Fällen»

In bestimmten Erlassen ist für «leichte Fälle» eine besondere Strafdrohung (Busse oder Disziplinarstrafe) oder das Absehen von Strafe vorgesehen. Es stellt sich die Frage, ob angesichts von Artikel 52 StGB (fehlendes Strafbedürfnis) diese Bestimmungen aufgehoben werden sollen oder ob eine zusätzliche Abstufung sinnvoll ist.

Im Rahmen des vorliegenden Projektes wird vorgeschlagen, diejenigen Bestimmungen zu streichen, die sich mit Artikel 52 StGB decken, indem sie in leichten Fällen von der Durchführung eines Verfahrens oder einer Strafe absehen.

3.2.6

Die Nebenstrafen

Im Rahmen der AT-Revision 2002 wurden die Nebenstrafen des StGB aufgehoben.284 Gleichzeitig wurden auch die allgemeinen Bestimmungen aufgehoben, die sich auf Nebenstrafen bezogen. So z. B. die Möglichkeit, Nebenstrafen bedingt zu 281 282 283 284

SR 935.91 SR 946.201 Schwarzenegger Christian/Martin Gian, 2007.

BBl 1999 1979, hier 2101.

2931

BBl 2018

verhängen oder die Bestimmungen der Rehabilitation, die es erlaubten, bestimmte Nebenstrafen zu überprüfen und vorzeitig aufzuheben.

Eine Nebenstrafe wurde bewusst in der aktuellen Form beibehalten: Die Degradation nach Artikel 35 MStG.285 Hingegen wurde übersehen, dass auch im Jagdgesetz vom 20. Juni 1986286, im Fischereigesetz vom 21. Juni 1991287 und im Seeschifffahrtsgesetz vom 23. September 1953288 Nebenstrafen vorgesehen sind. Diese Nebenstrafen sind heute noch gültig. Allerdings fehlen ihnen die allgemeinen Bestimmungen, die im Zuge der AT-Revision 2002 aufgehoben worden sind.289 Im Entscheid 6B_17/2010 vom 6. Juli 2010 hat sich das Bundesgericht mit der Frage befasst, ob der Vollzug einer Nebenstrafe bedingt aufgeschoben werden kann, wie das unter altem Recht bis Ende 2006 möglich war. Das Bundesgericht geht davon aus, dass der bedingte Vollzug der Nebenstrafen im Rahmen der AT-Revision 2002 vergessen wurde und dadurch eine echte Gesetzeslücke entstanden ist. Angesichts der Grundzüge der AT-Revision 2002, wonach der bisherige Sanktionenkatalog erweitert und das System flexibler und durchlässiger gestaltet wurde, kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass zu erwarten gewesen wäre, dass der Gesetzgeber für die Nebenstrafen sowohl den bedingten als auch den teilbedingten Vollzug festgeschrieben hätte.

Eine Möglichkeit wäre, diese Lücke gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu schliessen. In den entsprechenden Bestimmungen des Jagdgesetzes vom 20. Juni 1986 und des Fischereigesetzes vom 21. Juni 1991 könnte festgelegt werden, dass die Artikel 42­46 StGB auf die jeweiligen Nebenstrafen anwendbar sind.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob bei den drei verbleibenden Nebenstrafen (Entzug und Verweigerung der Jagdberechtigung, Verbot der Fischereiausübung und Rückzug des beruflichen Fähigkeitsausweises oder des Seebriefes) nicht der Straf-, sondern vielmehr der Massnahmencharakter überwiegt. Bereits die Klassifikation der in den Artikeln 51­56 aStGB (in der Fassung vor dem 1. Januar 2007) vorgesehenen Sanktionen als Nebenstrafen war in der Lehre umstritten. Von der Sache her erscheine es als zweifelhaft, ob sie wirklich als Strafen, und nicht eher als Massnahmen zu qualifizieren seien. Ausser für die Amtsunfähigkeit gemäss Artikel 51 aStGB, die sich dem Verschulden entsprechend zumessen lasse,
erscheine die Qualifikation als Nebenstrafen verfehlt. Die Nebenstrafen würden sich effektiv als Massnahmen erweisen, denn sie zielten darauf ab, die Wiederholung bestimmter strafbarer Handlungen zu erschweren oder zu verhindern.290 Aus den oben genannten Gründen wurde das Berufsverbot nach Artikel 54 aStGB im Rahmen der AT-Revision 2002 von einer Nebenstrafe zu einer «anderen Massnahme» gemacht.291 Die übrigen Nebenstrafen des StGB wurden aufgehoben. Man könnte daher annehmen, dass der Gesetzgeber, hätte er denn die Nebenstrafen im 285 286 287 288 289

BBl 1999 1979, hier 2210.

SR 922.0 SR 923.0 SR 747.30; wird im Entwurf zur Harmonisierung der Strafrahmen angepasst.

So z. B. Art. 41 Abs. 1 aStGB über den bedingten Strafvollzug, der auch die Nebenstrafen erfasste.

290 Zehntner Dominique/Züblin Erich, 2003, Vor Art. 51 N 3.

291 BBl 1999 1979, hier 2103.

2932

BBl 2018

Nebenstrafrecht nicht vergessen, sie bei den «anderen Massnahmen» eingereiht und nicht als Nebenstrafen mit bedingtem und teilbedingtem Strafvollzug weitergeführt hätte.

Es wird daher vorgeschlagen, die verbleibenden Nebenstrafen als sogenannte «andere Massnahmen» weiterzuführen.

Welches sind die praktischen Auswirkungen eines Wechsels von einer Nebenstrafe zu einer «anderen Massnahme»?

­

Sowohl bei der Nebenstrafe als auch bei der «anderen Massnahme» spielt in der Regel die Zukunftsprognose eine Rolle: Liegt eine schlechte Prognose vor, so ist eine unbedingt vollziehbare Nebenstrafe zu verhängen, respektive eine «andere Massnahme» anzuordnen. Die in Frage stehenden Nebenstrafen können gemäss Urteil des Bundesgerichts bei fehlender schlechter Prognose bedingt oder teilbedingt verhängt werden. Demgegenüber wird eine «andere Massnahme» bei fehlender schlechter Prognose nicht angeordnet. Diese Regeln werden allerdings beim Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absätze 3 und 4 StGB und bei der obligatorischen Landesverweisung nach Artikel 66a StGB durchbrochen.

­

Wird der Täter rückfällig, so kann die bedingte Nebenstrafe widerrufen werden. Aufgrund eines Rückfalls kann aber auch eine «andere Massnahme» angeordnet werden, auf die allenfalls bei der ersten Tat verzichtet wurde.

­

Sowohl die Nebenstrafe als auch die «andere Massnahme» können, sofern dies im Gesetz vorgesehen wird, nachträglich überprüft und vorzeitig beendet werden.

­

Ein Unterschied besteht darin, dass die Nebenstrafe von einer Hauptstrafe abhängt und nur bei einer Verurteilung des Täters (d. h. bei einem Schuldspruch) möglich ist, während eine «andere Massnahme» z. T. auch bei Schuldunfähigkeit angeordnet werden kann (vgl. Art. 19 Abs. 3 StGB).

­

Die Nebenstrafe wird zudem gemäss dem Verschulden des Täters bemessen, während eine «andere Massnahme» nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip angeordnet wird (d. h., wenn sie geeignet, notwendig und zumutbar ist).

­

Für eine Strafe ist die Begnadigung und die Amnestie möglich, nicht aber für eine Massnahme (vgl. Art. 383 Abs. 1 und 384 Abs. 2 StGB).

3.3

Nicht vorgenommene Anpassungen

3.3.1

Die ausdrückliche Regelung der fahrlässigen Begehung

In zahlreichen Erlassen ist die fahrlässige Begehung des Deliktes nicht ausdrücklich unter Strafe gestellt, sodass Artikel 333 Absatz 7 StGB zur Anwendung kommt.

Gemäss dieser Bestimmung sind die in anderen Bundesgesetzen unter Strafe gestellten Übertretungen (d. h. «Widerhandlungen» im Sinne von Verbrechen, Vergehen und Übertretungen) auch dann strafbar, wenn sie fahrlässig begangen werden, sofern

2933

BBl 2018

nicht nach dem Sinn der Vorschrift nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht ist. Diese Bestimmung widerspricht unter anderem dem Schuldprinzip und dem Bestimmtheitsgebot im Strafrecht.

Es sollte ein Ziel sein, die Fahrlässigkeit so weit zu regeln, dass Artikel 333 Absatz 7 StGB aufgehoben werden kann. Eine entsprechende Anpassung des Nebenstrafrechts würde jedoch den Rahmen des vorliegenden Projekts sprengen.

3.3.2

Die Verjährung

Die Regelungen über die Verfolgungsverjährung wurden zwar im Rahmen der ATRevision 2002 revidiert, jedoch zusammen mit weiteren Änderungen des Verjährungsrechts am 1. Oktober 2002 vorzeitig in Kraft gesetzt. Die Regeln über die Vollstreckungsverjährung, die im Rahmen der AT-Revision 2002 ebenfalls geändert wurden, sind gemeinsam mit den übrigen Bestimmungen des AT StGB am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Für die Anpassung der Verjährungsfristen im Nebenstrafrecht ist Artikel 333 Absatz 6 StGB massgebend.

Die Umrechnungsregeln nach Artikel 333 Absatz 6 StGB führen in bestimmten Fällen, insbesondere bei langen Verjährungsfristen für Übertretungen, zu unbefriedigenden Resultaten, die allerdings durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Teil korrigiert wurden.292 Die Erlasse, die im Rahmen dieses Entwurfs geändert werden, enthalten keine Verjährungsbestimmungen, die angepasst werden müssen. Solche sind jedoch in den Nebenstrafrechtserlassen enthalten, die im Rahmen des Entwurfs zur Harmonisierung der Strafrahmen angepasst werden (z. B. Art. 10 Abs. 4 des Embargogesetzes vom 22. März 2002293).

3.3.3

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens

Im Rahmen der AT-Revision 2002 wurde eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens entwickelt. Sie wurde im Zusammenhang mit der Vorlage über die Finanzierung des Terrorismus als Artikel 100quater und 100quinquies aStGB am 1. Oktober 2003 vorzeitig in Kraft gesetzt. Mit dem Inkrafttreten des neuen AT-StGB am 1. Januar 2007 wurden die Bestimmungen neu zu den Artikeln 102 und 102a StGB.294 Die Grundsätze dieser Regelung waren umstritten und wurden im Parlament sehr intensiv diskutiert. Es setzte sich die bereits in der Botschaft des Bundesrates295 vertretene Auffassung durch, dass ein Bedürfnis nach einer Strafbarkeit der Unter292 293 294

BGE 134 IV 328 E.2.1 SR 946.231 Art. 102a StGB wurde mit der Einführung der Strafprozessordnung am 1. Jan. 2011 aufgehoben und dessen Inhalt in Art. 112 StPO überführt.

295 BBl 1999 1979, hier 2139-2142.

2934

BBl 2018

nehmung vor allem in den Fällen bestehe, in denen eine Straftat, die im Rahmen einer Unternehmung erfolgt, keiner natürlichen Person zugerechnet werden kann.

Die neue Unternehmenshaftung ist daher weitgehend eine subsidiäre Haftung.

Aufgrund verschiedener internationaler Übereinkommen (z. B. des OECD-Übereinkommens vom 17. Dez. 1997296 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr) drängte sich jedoch die Einführung einer primären Unternehmungshaftung auf, welche unabhängig davon greift, ob eine natürliche Person strafrechtlich belangt werden kann. Allerdings soll diese Haftung nur in einer beschränkten Anzahl von Straftatbeständen Anwendung finden.

Im Nebenstrafrecht sind zahlreiche Bestimmungen zu finden, welche die neue Unternehmenshaftung tangieren. Die Art dieser Bestimmungen ist weit gefächert. Anzutreffen sind: ­

Bestimmungen im Sinne der Artikel 6 und 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974297 über das Verwaltungsstrafrecht in verschiedensten Variationen;

­

Bestimmungen, welche vorsehen, dass die juristische Person solidarisch für Bussen haftet, die gegen natürliche Personen ausgefällt wurden;

­

versteckte Verantwortlichkeiten der juristischen Person, indem Bussen bis zu 5 Millionen Franken vorgesehen werden;

­

Bestimmungen, die ein spezielles Konzept für die Verantwortlichkeit der juristischen Person vorsehen, das mit den Grundsätzen von Artikel 102 StGB nicht vereinbar ist.

Es würde den Rahmen des vorliegenden Projektes sprengen, eine Harmonisierung der Regelungen über die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens durchzuführen. Zum einen hat das vorliegende Projekt in erster Linie die Anpassung der Strafrahmen zum Ziel. Zum andern müssten auch diejenigen Erlasse einbezogen werden, deren Straf- und Verjährungsbestimmungen bereits angepasst worden sind.

Schliesslich sollten diese Änderungen nicht ohne Vernehmlassung durchgeführt werden (vgl. Ziff. 3.5).

3.3.4

Bundesgesetz und Verordnung über die Leistungen des Bundes im Straf- und Massnahmenvollzug

Im Bundesgesetz vom 5. Oktober 1984298 über die Leistungen des Bundes für den Straf- und Massnahmenvollzug (LSMG) und in der Verordnung vom 21. November 2007299 über die Leistung des Bundes im Straf- und Massnahmenvollzug (LSMV) werden u. a. die Strafvollzugsanstalten und spezialisierten Einrichtungen aufgeführt,

296 297 298 299

SR 0.311.21 SR 313.0 SR 341 SR 341.1

2935

BBl 2018

die vom Bund unterstützt werden. Die Bezeichnung dieser Anstalten und Einrichtungen sowie die zitierten Bestimmungen des StGB basieren auf dem Strafgesetzbuch von vor 2007 (vgl. insbesondere Art. 2 LSMG). Die Anpassung der entsprechenden Bestimmungen geht über die Anpassung von Strafdrohungen hinaus und sollte nicht ohne Vernehmlassung vorgenommen werden (vgl. Ziff. 3.5).

3.4

Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Die vorgeschlagenen Anpassungen sind zum grössten Teil nur formeller Natur. Die neuen Strafdrohungen gelten zu einem grossen Teil bereits heute gestützt auf den Umrechnungsschlüssel nach Artikel 333 Absätze 2­5 StGB. Diese Umrechnung fällt nun weg, sodass für den Benutzer des Gesetzes direkt die effektiv angedrohte Strafe ersichtlich ist. Die vorgeschlagenen Anpassungen machen die Erlasse somit benutzerfreundlicher und dienen der Rechtssicherheit.

3.5

Verzicht auf eine Vernehmlassung

Gemäss Artikel 2 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005300 bezweckt das Vernehmlassungsverfahren die Beteiligung der Kantone, der politischen Parteien und der interessierten Kreise an der Meinungsbildung und Entscheidfindung des Bundes. Es soll Aufschluss geben über die sachliche Richtigkeit, die Vollzugstauglichkeit und die Akzeptanz eines Vorhabens des Bundes. Nach Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b des revidierten, vom Parlament am 26. September 2014 verabschiedeten Vernehmlassungsgesetzes besteht die Möglichkeit, auf ein Vernehmlassungsverfahren zu verzichten, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind.301 Die zur Diskussion stehenden Anpassungen sind zumeist formeller Natur. Sie geben den Wortlaut des Gesetzes wieder, wie er gestützt auf den Umrechnungsschlüssel in Artikel 333 Absätze 2­5 StGB bereits gilt. Eine Ausnahme wurde bei bestimmten Übertretungen gemacht, um die vorsätzliche Begehung von der fahrlässigen Begehung abzusetzen (vgl. Ziff. 3.2.3). Mit der Umwandlung der Nebenstrafen in Massnahmen wird der Rechtsprechung des Bundesgerichts Rechnung getragen. Sie ist zudem bereits in der Vorlage zur Änderung des Jagdgesetzes vorgesehen.302 Der Entwurf zur Anpassung des Nebenstrafrechts sollte in Bezug auf die oben genannten Kriterien (sachliche Richtigkeit, Vollzugstauglichkeit und Akzeptanz) unproblematisch sein. Eine Vernehmlassung zur Anpassung der Strafdrohungen im Nebenstrafrecht würde daher mit grosser Wahrscheinlichkeit keine neuen Erkenntnisse bringen.

Auf ein Vernehmlassungsverfahren wurde daher verzichtet.

300 301 302

SR 172.061 BBl 2014 7267 BBl 2017 6097, hier 6135.

2936

BBl 2018

4

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Vorlage 2

4.1

Strafbehördenorganisationsgesetz vom 19. März 2010303

Art. 74 Abs. 1 Bst. a Gemäss der AT-Revision 2015 ist die gemeinnützige Arbeit nicht mehr eine Strafe, sondern eine Vollzugsform für Freiheitsstrafen. Artikel 74 Absatz 1 Buchstabe a wird daher aufgehoben.

Art. 74 Abs. 1 Bst. h Am 1. Januar 2015 sind die neuen Bestimmungen über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot nach den Artikeln 67 ff. StGB (und den Art. 50 ff.

MStG) in Kraft getreten. Diese Verbote ersetzen und ergänzen das altrechtliche Berufsverbot nach Artikel 67 aStGB (resp. Art. 50 aMStG). In Artikel 74 Absatz 1 Buchstabe h werden daher die altrechtlichen Berufsverbote durch die neuen Verbote ersetzt.

4.2

Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983304 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland

Art. 28 Abs. 2 Seit der AT-Revision 2015 beträgt die Obergrenze der Geldstrafe anstelle von 360 Tagessätzen noch 180 Tagessätze. Eine Geldstrafe von mindestens 180 Tagessätzen kann somit in Artikel 28 Absatz 2 nicht mehr angedroht werden.

Weil in Artikel 28 Absatz 2 die angedrohte Geldstrafe mindestens 180 Tagessätze betragen muss, bedeutet dies in Verbindung mit Artikel 41 StGB, dass heute die Freiheitsstrafe in Artikel 28 Absatz 2 mindestens 6 Monate betragen muss. Diese Untergrenze wird neu ausdrücklich erwähnt. Damit entspricht die neue Strafdrohung im Ergebnis wieder derjenigen vor der AT-Revision 2002, in der «Gefängnis nicht unter sechs Monaten» angedroht wurde. Dem Grundsatz, wonach die Strafrahmen in diesem Entwurf nicht verändert werden sollen, wird damit Rechnung getragen.

303 304

SR 173.71 SR 211.412.41

2937

BBl 2018

4.3

Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947305 über den Bundeszivilprozess

Ingress Der Ingress verweist noch auf die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV).

Er wird deshalb an die Bestimmungen der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) angepasst. Den Artikeln 106­114 aBV entsprechen zwar formell die Artikel 143­145, 168 Absatz 1 und 188­191 der geltenden BV. Diese Bestimmungen gehen indessen, wie bereits die entsprechenden Bestimmungen der aBV über den den Bereich des Bundeszivilprozesses hinaus. Als Verfassungsgrundlage für das Bundesgesetz über den Bundeszivilprozess dienen die Artikel 122 Absatz 1 und 188 Absatz 2 BV.

Art. 42 Abs. 1 Bst. abis Der Quellenschutz ist heute in Artikel 28a StGB geregelt, und entsprechend ist der Verweis anzupassen.

Art. 44 Abs. 3 Die Busse ersetzt die aufgehobene Haftstrafe (vgl. Ziff. 3.2.2) und müsste gestützt auf Artikel 333 Absatz 3 StGB bis zu 10 000 Franken betragen. Diese Bussenhöhe erscheint als Ersatz für 10 Tage Haft und im Vergleich zu anderen Tatbeständen, in denen sie drei Monate Haft ersetzt, zu hoch. Es wird vorgeschlagen, sie in Anlehnung an die Ordnungsbusse wegen unberechtigter Verweigerung der Mitwirkung einer Drittperson in Artikel 167 Absatz 1 Buchstabe a der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008306, auf 1000 Franken festzusetzen. Der Tatbestand soll eine Übertretung mit einer Übertretungsbusse bleiben, auf welche die Artikel 103 ff.

StGB anwendbar sind.

Art. 76 Abs. 2 In Absatz 2 wird auf die Bestimmungen über den Strafantrag nach den Artikeln 28­31 des altrechtlichen StGB verwiesen. Da der Strafantrag heute in den Artikeln 30­33 StGB geregelt ist, wird der Verweis angepasst.

4.4

Strafgesetzbuch307

Verzicht auf die Aufhebung von Art. 333 Abs. 2­5 Nachdem die Strafdrohungen und die Verjährungsregeln des Nebenstrafrechts an den revidierten AT StGB angepasst wurden, stellt sich die Frage, ob die entspre-

305 306 307

SR 273 SR 272 SR 311.0

2938

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chenden Umrechnungsschlüssel, welche auch eine übergangsrechtliche Funktion haben, aufgehoben werden können.

Im Entwurf zur Anpassung des Nebenstrafrechts werden bestimmte Strafdrohungen verschärft. Das heisst, die vom 1. Januar 2007 bis zum Inkrafttreten der vorliegenden Anpassungen geltenden Strafdrohungen müssen rekonstruiert werden können, damit der Grundsatz der Lex mitior zum Zuge kommen kann. Dies ist jedoch ein Problem der Transparenz, das sich bei jeder Gesetzesänderung stellt und daher kein Grund für die Beibehaltung der Absätze 2­5 ist. Die zum Zeitpunkt der Tat geltenden Strafdrohungen können über die Gesetzesbestimmungen in der Amtlichen Sammlung rekonstruiert werden.

Hingegen ist zu berücksichtigen, dass die Absätze 2­5 auch einen materiell-rechtlichen Charakter haben. Mit den Absätzen 2­5 wurden die Strafbestimmungen im Sinne eines Änderungsbeschlusses des Parlamentes angepasst; die neuen Strafdrohungen gelten daher seit dem 1. Januar 2007 und nicht erst seit der formellen Anpassung der Ausdrücke (dies hat es der Bundeskanzlei erlaubt, bestimmte Erlasse direkt anzupassen). Sie stellen somit nicht bloss eine vorübergehende Handlungsanleitung für den Rechtsanwender dar, die aufgehoben werden kann, sobald die Normen angepasst worden sind.

Art. 333 Abs. 6 Etwas anders stellt sich die Frage der Aufhebung für Absatz 6. Gemäss seinem Wortlaut soll er nur bis zur Anpassung des Verjährungsrechts im Bundesrecht gelten.

Auch Absatz 6 hat eine materiell-rechtliche Bedeutung und ist für die Anwendung des Grundsatzes der Lex mitior wichtig (vgl. Art. 389 StGB). Dies ist jedoch kein Grund für die Beibehaltung von Absatz 6. Auch hier können die notwendigen Regelungen aus der Amtlichen Sammlung eruiert werden. Die Beibehaltung von Absatz 6 wäre daher höchstens dienlich, um die für eine bestimmte Zeitspanne geltenden Verjährungsfristen leichter berechnen zu können.

Eine Beibehaltung von Absatz 6 könnte jedoch zu Konfusionen führen, indem der Rechtsanwender sich immer fragen muss, ob die im jeweiligen Gesetz vorgesehenen Verjährungsfristen nicht doch nach Artikel 333 Absatz 6 StGB verlängert werden müssen.

Es wird daher vorgeschlagen, Absatz 6 aufzuheben.

4.5

Bundesstatistikgesetz vom 9. Oktober 1992308

Ingress Der Ingress verweist noch auf die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV). Er wird deshalb an die Bestimmungen der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) angepasst. Den Artikeln 27sexies, 31quinquies Absatz 5 und 85 Ziffer 1 aBV entspre308

SR 431.01

2939

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chen die Artikel 64, 65, 100 und 164 Absatz 1 Buchstabe g der geltenden BV. Das Bundestatistikgesetz stützt sich auf die Artikel Artikel 65 Absatz 1 und 173 Absatz 2 BV. Weder Artikel 64 noch Artikel 100 BV sind hier einschlägig und Artikel 65 Absatz 2 BV wird durch das Bundesgesetz vom 23. Juni 2006309 über die Harmonisierung der Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister (Registerharmonisierungsgesetz) konkretisiert.

Art. 23 Die Strafdrohung für vorsätzliches Handeln wird nach Artikel 333 StGB angepasst.

Die Fahrlässigkeit wird in einem neuen Absatz 2 gesondert aufgeführt und mit Geldstrafe bedroht (vgl. Ziff. 1.2.1)

4.6

Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 2003310

Art. 24 Abs. 1 und 3 Die Anpassung erfolgt gemäss Artikel 333 Absatz 2 StGB.

Art. 25 Abs. 3 Diese Bestimmung ist angesichts von Artikel 52 StGB obsolet und wird daher aufgehoben.

Art. 28 erster Satz Hier wird auf die neuen Einziehungsbestimmungen verwiesen.

4.7

Automobilsteuergesetz vom 21. Juni 1996311

Verzicht auf die Anpassung von Art. 36 Abs. 1 Der geltende Absatz 1 enthält dieselbe Strafdrohung für die vorsätzliche und die fahrlässige Tat. Angesichts der analogen Strafbestimmungen in anderen Steuergesetzen (z. B. Art. 175 Abs. 1 des BG vom 14. Dez. 1990312 über die direkte Bundessteuer; Art. 96 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 2009313 oder Art. 118 Abs. 1 des Zollgesetzes vom 18. März 2005314) wird auf eine Anpassung verzichtet.

309 310 311 312 313 314

SR 431.02 SR 444.1 SR 641.51 SR 642.11 SR 641.20 SR 631.0

2940

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Art. 36 Abs. 2 zweiter Satz Gestützt auf Artikel 333 Absatz 2 StGB müsste die Gefängnisstrafe durch «Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe» ersetzt werden. Die Geldstrafe erscheint jedoch als Strafschärfung neben der Busse wenig sinnvoll. Sie müsste nach heutigem Recht trotzdem angedroht werden, wenn man vermeiden wollte, dass die Freiheitsstrafe immer mindestens sechs Monate beträgt, was zu einer spürbaren Verschärfung führen würde. Berücksichtigt man allerdings, dass gemäss der ATRevision 2015 die Mindestdauer der Freiheitsstrafe neu drei Tage beträgt, so kann im vorliegenden Fall auf die Androhung der Geldstrafe verzichtet werden. Damit entspricht die neue Strafdrohung ­ mit Ausnahme der neuen Terminologie ­ wiederum der altrechtlichen Strafdrohung. In analoger Weise wurden bereits Artikel 118 Absatz 3 des Zollgesetzes vom 18. März 2005315 und Artikel 97 Absatz 2 des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 2009316 angepasst.

Art. 38 Abs. 2 Diese Bestimmung überschneidet sich zwar mit Artikel 52 StGB. Es wird jedoch darauf verzichtet, sie zu streichen, weil sie ein konkretes Beispiel für den leichten Fall nennt.

4.8

Mineralölsteuergesetz vom 21. Juni 1996317

Verzicht auf die Anpassung von Art. 38 Abs. 1 Der Verzicht auf unterschiedliche Strafdrohungen für die vorsätzliche und die fahrlässige Tat erfolgt aus denselben Überlegungen wie bei Artikel 36 Absatz 1 des Automobilsteuergesetzes (vgl. Ziff. 4.7) Art. 38 Abs. 3 zweiter Satz Die Anpassung erfolgt analog Artikel 36 Absatz 2 zweiter Satz des Automobilsteuergesetzes (vgl. Ziff. 4.7).

4.9

Bundesgesetz vom 28. September 1923318 über das Schiffsregister

Ingress Der Ingress verweist zurzeit noch auf die relevanten Bestimmungen der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874. Im Rahmen dieser Vorlage wird dies angepasst, sodass der Ingress nunmehr einen Verweis auf die aktuellen Verfassungsbestimmun315 316 317 318

SR 631.0 SR 641.20 SR 641.61 SR 747.11

2941

BBl 2018

gen beinhaltet. Zu nennen sind dabei die Artikel 87 BV (Eisenbahnen und weitere Verkehrsträger) und 122 Absatz 1 BV (Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts und Zivilprozessrechts). Artikel 123 BV (Strafrecht) ist im Ingress nicht anzuführen, weil sich die Bundeskompetenz zum Erlass des relevanten Nebenstrafrechts auf die Sachnorm abstützt (Art. 87 BV).

Art. 63

Verletzung der Rechte Dritter

Die Anpassungen basieren auf dem Umrechnungsschlüssel in Artikel 333 Absätze 2­5 StGB.

Art. 64

Betreibungs- und Konkursvergehen

Die Anpassungen basieren auf dem Umrechnungsschlüssel in Artikel 333 Absätze 2­5 StGB.

4.10

Heimarbeitsgesetz vom 20. März 1981319

Ingress Der Ingress verweist zurzeit noch auf die relevanten Bestimmungen der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874. Im Rahmen dieser Vorlage wird dies angepasst, sodass der Ingress nunmehr einen Verweis auf die aktuellen Verfassungsbestimmungen beinhaltet. Zu nennen ist neu Artikel 110 Absatz 1 Buchstabe a BV.

Art. 12

Strafen

Die neue Abstufung der Strafdrohungen basiert auf den Überlegungen in Ziffer 3.2.3.

In Absatz 1 wird für die vorsätzliche Tat die Busse beibehalten, deren Obergrenze gestützt auf Artikel 333 Absatz 3 StGB von 5000 auf 10 000 Franken ansteigt. In Absatz 2 wird für die schweren Fälle die Haft durch Busse bis zu 20 000 Franken ersetzt. In einem neuen Absatz 3 wird für die fahrlässige Begehung die geltende Busse bis zu 5000 Franken beibehalten.

4.11

Bundesgesetz vom 25. Juni 1982320 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge

Die Strafbestimmungen im Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) wurden in der Reform der Altersvorsorge 2020321 an das geänderte Sanktionenrecht angepasst. Diese Reform, die vom Parlament am 17. März 2017 verabschiedet worden ist, wurde in der Volksabstimmung 319 320 321

SR 822.31 SR 831.40 BBl 2015 1

2942

BBl 2018

vom 24. September 2017 abgelehnt. Die in der Reform vorgeschlagenen Anpassungen der Strafdrohungen basierten auf dem Umrechnungsschlüssel nach Artikel 333 Absätze 2 und 3 StGB. Sie werden daher im vorliegenden Entwurf zur Anpassung des Nebenstrafrechts beibehalten. Im Gegensatz zur Reformvorlage werden jedoch die Obergrenzen der Busse (Art. 75 BVG) und der Geldstrafe (Art. 76 BVG) nicht ausdrücklich erwähnt, weil es sich um die gesetzlichen Obergrenzen dieser Strafen handelt. Beibehalten wird hingegen die in der Reform vorgeschlagene sprachliche und formelle Neufassung der Strafbestimmungen. Ergänzend dazu wird in Artikel 76 BVG eine Präzisierung vorgenommen.

Ingress Der Ingress verweist zurzeit noch auf die relevanten Bestimmungen der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874. Im Rahmen dieser Vorlage wird dies angepasst, sodass der Ingress nunmehr einen Verweis auf die aktuellen Verfassungsbestimmungen beinhaltet. Zu nennen ist neu Artikel 112 BV.

Art. 75

Übertretungen

Die Strafdrohung in Artikel 75 Ziffer 1 wird gemäss Artikel 333 Absatz 3 StGB angepasst. Ziffer 2 ist angesichts von Artikel 52 StGB obsolet und wird aufgehoben.

Der Vorbehalt im Einleitungssatz ist zu eng, weil er nur Vergehen, nicht aber Verbrechen umfasst. Daher wird neu eine mit schwererer Strafe bedrohte «strafbare Handlung» des Strafgesetzbuches vorbehalten. Damit werden auch mit schwererer Strafe bedrohte Übertretungen erfasst.

Art. 76

Vergehen

Die Anpassung erfolgt gestützt auf Artikel 333 Absatz 2 StGB. Die Obergrenze der Geldstrafe ist seit dem 1. Januar 2018 auf 180 Tagessätze beschränkt (Art. 34 Abs. 1 StGB). Sie muss daher in der Strafdrohung nicht ausdrücklich erwähnt werden. Die einzelnen Lemmata werden zudem neu mit Buchstaben bezeichnet. Im Einleitungssatz wird der Ausdruck «Verbrechen und Vergehen» analog der Anpassung in Artikel 75 durch «strafbare Handlung» ersetzt.

Ferner wird Artikel 76 Buchstabe e redaktionell angepasst. Zum einen wird die Bezeichnung «Kontrollstelle» durch die heute verwendete Bezeichnung «Revisionsstelle» ersetzt (vgl. Art. 52a oder 52c). Zum anderen wird der Verweis auf die Pflichten nach Artikel 53 (der aufgehoben worden ist) durch den Verweis auf die Pflichten nach Artikel 52c (Aufgaben der Revisionsstelle) und 52e (Aufgaben des Experten für berufliche Vorsorge) ersetzt. Mit diesem Verweis sind auch die Artikel 35­36, 41 und 41a der Verordnung vom 18. April 1984322 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2) eingeschlossen, die sich auf die Artikel 52c und 52e BVG stützen.

322

SR 831.441.1

2943

BBl 2018

Diese Präzisierung war in der Vorlage zur Reform der Altersvorsorge 2020 nicht enthalten. Vielmehr wurde die grobe Verletzung der «gesetzlichen Pflichten» unter Strafe gestellt. Damit wurde jedoch eine Blankettstrafnorm geschaffen, die unter dem Aspekt des Bestimmtheitsgebots im Strafrecht problematisch war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts muss aufgrund des Bestimmtheitsgebots das Gesetz so präzise formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (vgl. u. a. Urteil des Bundesgerichts 6B_771/2011 vom 11. Dez. 2012, E. 2 und BGE 141 IV 279 E. 1.3).

4.12

Jagdgesetz vom 20. Juni 1986323

Art. 20 Abs. 1 und 1bis Gemäss den Ausführungen in Ziffer 3.2.6 wird diese Nebenstrafe zu einer «anderen Massnahme». Obwohl aus der Formulierung der heutigen Nebenstrafe geschlossen werden könnte, dass sie aufgrund bestimmter Straftaten zwingend verhängt werden muss, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bei fehlender schlechter Prognose ein bedingter oder ein teilbedingter Entzug der Jagdberechtigung möglich (vgl. Ziff. 3.2.6).

Die neue Massnahme soll bei einer schlechten Prognose nur angeordnet werden, sofern sie verhältnismässig (d. h. geeignet und notwendig, um weitere Taten zu verhindern, und für den Täter zumutbar) ist. Das Gericht hat daher die Möglichkeit, bei einer schlechten Prognose einen Entzug anzuordnen, nicht jedoch die Pflicht.

Im Gegensatz zur Nebenstrafe soll die Massnahme (wie andere vergleichbare Massnahmen) auch bei Schuldunfähigkeit und verminderter Schuldfähigkeit angeordnet werden können.

Die Umwandlung der Nebenstrafe in eine andere Massnahme ist auch in der Vorlage zur Änderung des Jagdgesetzes vorgesehen.324 Die beiden Vorlagen werden miteinander koordiniert werden müssen.

Art. 22 Abs. 1 Wie in Artikel 20 Absatz 1 wird der Ausdruck «Richter» durch das geschlechtsneutrale «Gericht» ersetzt.

323 324

SR 922.0 BBl 2017 6097, hier 6135.

2944

BBl 2018

4.13

Bundesgesetz vom 21. Juni 1991325 über die Fischerei

Art. 16 Abs. 1 Einleitungssatz Die Obergrenze der Geldstrafe ist seit dem 1. Januar 2018 auf 180 Tagessätze beschränkt (Art. 34 Abs. 1 StGB). Sie muss daher in der Strafdrohung nicht mehr ausdrücklich erwähnt werden.

Art. 19 Abs. 1 und 1bis Gemäss den Ausführungen in Ziffer 3.2.6 wird diese Nebenstrafe zu einer «anderen Massnahme». Bereits heute steht es im Ermessen des Gerichts, ob es diese Nebenstrafe verhängen will. Aufgrund einer guten Zukunftsprognose des Täters kann es sie bedingt oder teilbedingt aussprechen. Neu wird das Gericht diese Massnahme anordnen können, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter rückfällig wird. Dabei wird es dem Verhältnismässigkeitsprinzip Rechnung tragen, das heisst, die Massnahme anordnen, wenn sie geeignet, notwendig und zumutbar ist.

Im Gegensatz zur Nebenstrafe soll die Massnahme (wie andere vergleichbare Massnahmen) auch bei Schuldunfähigkeit und verminderter Schuldfähigkeit angeordnet werden können.

4.14

Bundesgesetz vom 8. Juni 1923326 betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten

Mit dem Geldspielgesetz sollen das Spielbankengesetz vom 18. Dezember 1998327 und das Bundesgesetz vom 8. Juni 1923 betreffend Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten in einem Gesetz zusammengeführt werden. Das neue Geldspielgesetz wurde am 29. September 2017 vom Parlament verabschiedet.328 Gegen das neue Geldspielgesetz ist das Referendum zustande gekommen. Die nachfolgenden Anpassungen des Ingresses und der Strafdrohungen werden vorgeschlagen für den Fall, dass das neue Geldspielgesetz in der Referendumsabstimmung abgelehnt werden sollte.

Im Ingress soll ­ wie im Geldspielgesetz ­ nunmehr auf Artikel 106 der aktuellen Bundesverfassung verwiesen werden. Artikel 123 BV (Strafrecht) ist im Ingress nicht anzuführen, weil sich die Bundeskompetenz zum Erlass des relevanten Nebenstrafrechts auf die Sachnorm abstützt. Die Anpassungen der Strafdrohungen basieren im Wesentlichen auf dem Umrechnungsschlüssel nach Artikel 333 Absatz 2 StGB.

Art. 38 Abs. 1 Aus der Formulierung der Strafdrohung in Absatz 1 geht zwar nicht klar hervor, wie hoch die Obergrenze der Gefängnisstrafe ist (3 Jahre oder 3 Monate). Es ist jedoch 325 326 327 328

SR 923.0 SR 935.51 SR 935.52 BBl 2017 6245

2945

BBl 2018

davon auszugehen, dass die Gefängnisstrafe ­ wie die Haftstrafe ­ höchstens drei Monate betragen darf und der Tatbestand damit eine Übertretung darstellt.329 Der Tatbestand ist auch gestützt auf Artikel 333 Absatz 3 StGB als Übertretung zu qualifizieren und es ist nur mehr Busse anzudrohen.

Der zweite Satz in Absatz 1 ist angesichts der neuen Strafdrohung obsolet.

Art. 42

Gewerbsmässige Wetten

Für die Anpassung der Strafdrohung in Artikel 42 gelten dieselben Überlegungen wie für diejenige von Artikel 38 Absatz 1 (vgl. oben).

Art. 44

Rückfall

Für Übertretungen können heute keine Freiheitsstrafen (resp. Haftstrafen) mehr angedroht werden. Die Verbindung der Übertretungsbussen von 1000 Franken in den Artikeln 40 und 41 mit einer Freiheitsstrafe für Vergehen wäre nicht adäquat.

Die Möglichkeit, in den Fällen der Artikel 40 und 41 mit der Busse Freiheitsstrafe zu verbinden, wird daher gestrichen. Das heisst, dass sich bei einem Rückfall nur mehr die Höhe der angedrohten Busse verdoppelt.

4.15

Edelmetallkontrollgesetz vom 20. Juni 1933330

Ingress Der Ingress verweist zurzeit noch auf die relevanten Bestimmungen der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874. Im Rahmen dieser Vorlage wird dies angepasst, sodass der Ingress nunmehr einen Verweis auf die aktuellen Verfassungsbestimmungen beinhaltet. Zu nennen sind neu die Artikel 95 Absatz 1 und 97 Absatz 1 BV.

Die Anpassung der Vorsatzdelikte nach den Artikeln 44 Absätze 1 und 2, 45 Absatz 1, 46 Absatz 1 und 47 Absatz 1 erfolgt gestützt auf die Grundsätze von Artikel 333 Absätze 2 und 4 StGB. Nach Artikel 41 StGB, der im Zuge der AT-Revision 2015 geändert wurde, besteht ein Vorrang der Geldstrafe vor der kurzen Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten. Wenn daher in Artikel 44 Absatz 2 eine Geldstrafe von mindestens 30 Tagessätzen angedroht wird, beträgt auch die minimale Freiheitsstrafe 30 Tage.

Die fahrlässigen Begehungen nach den Artikeln 44 Absatz 3, 45 Absatz 2, 46 Absatz 2 und 47 Absatz 2 werden unverändert als Übertretungen mit einer Busse bis zu 50 000 Franken beibehalten (gem. Art. 333 Abs. 3 und 4 StGB). Denkbar wäre zwar auch, sie zu Vergehen zu machen und eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen anzudrohen. Andererseits ist die fahrlässige Begehung bei den vergleichbaren Tatbeständen des StGB (Art. 245 und 248 StGB) nicht strafbar, sodass sich im Edelmetallkontrollgesetz die Beibehaltung der Busse rechtfertigt.

329

Vgl. Art. 333 Abs. 2 StGB in der Fassung, die bis Ende 2006 in Kraft war, und Staehelin Willy, 1941, 122.

330 SR 941.31

2946

BBl 2018

In der Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen wird in den Artikeln 245 StGB (Fälschung amtlicher Wertzeichen) die Strafobergrenze von drei Jahren auf fünf Jahre hinaufgesetzt, um sie an den Strafrahmen der Artikel 251 StGB (Urkundenfälschung) und 248 StGB (Fälschung von Mass und Gewicht) anzupassen. Es wäre denkbar, auch bei den Straftaten nach Edelmetallkontrollgesetz, die mit den Artikeln 245 und 248 StGB vergleichbar sind, neu eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren anzudrohen. Die Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht hat jedoch nicht zum Ziel, Strafrahmen zu harmonisieren. Die Harmonisierung der Strafrahmen bei den Vergehen des Nebenstrafecht würde den Rahmen dieser Vorlage sprengen. In der Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen werden im Nebenstrafrecht nur die Strafdrohungen von Verbrechen aufeinander abgestimmt.

Art. 53 Diese Bestimmung verweist noch auf das Bundesgesetz über das Bundesstrafrecht, welches mit der Einführung des StGB aufgehoben wurde. Der Verweis ist obsolet geworden, zumal der Allgemeine Teil des StGB hier ebenfalls Anwendung findet (Art. 333 Abs. 1 StGB).

4.16

Sprengstoffgesetz vom 25. März 1977331

Ingress Der Ingress verweist zurzeit noch auf die relevanten Bestimmungen der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874. Im Rahmen dieser Vorlage wird dies angepasst, sodass der Ingress nunmehr einen Verweis auf die aktuellen Verfassungsbestimmungen beinhaltet. Zu nennen sind neu die Artikel 60 Absatz 1, 95 Absatz 1, 107, 110 Absatz 1 Buchstabe a, 118 Absatz 2 Buchstabe a, 173 Absatz 2 und 178 Absatz 3 BV. Artikel 123 BV (Strafrecht) ist im Ingress nicht anzuführen, weil sich die Bundeskompetenz zum Erlass des relevanten Nebenstrafrechts auf die Sachnorm abstützt.

Art. 37

Unbefugter Verkehr

Die Strafdrohungen für das Vorsatz- und das Fahrlässigkeitsdelikt werden gemäss dem Umrechnungsschlüssel nach Artikel 333 Absätze 2­5 StGB angepasst. Die fahrlässige Begehung wird in einem neuen Absatz 2 unter Strafe gestellt. Die bisherige Ziffer 2 wird zu Absatz 3.

Art. 38

Andere Widerhandlungen

Die Bestimmung wird neu in Absätze und Absatz 1 in Buchstaben unterteilt.

Wird die die Strafdrohung gemäss dem Umrechnungsschlüssel für Übertretungen nach Artikel 333 Absätze 3 und 4 StGB angepasst, so wird für das Vorsatzdelikt 331

SR 941.41

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dieselbe Busse von 10 000 Franken angedroht wie für das Fahrlässigkeitsdelikt.

Daher wird für das Vorsatzdelikt nach Absatz 1 die Androhung einer Busse von 20 000 Franken vorgeschlagen (vgl. dazu Ziff. 3.2.3).

4.17

Bundesgesetz vom 25. Juni 1982332 über aussenwirtschaftliche Massnahmen

Ingress Der Ingress verweist zurzeit noch auf die relevanten Bestimmungen der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874. Im Rahmen dieser Vorlage wird dies angepasst, sodass der Ingress nunmehr einen Verweis auf die aktuellen Verfassungsbestimmungen beinhaltet. Zu nennen sind neu die Artikel 54 Absatz 1, 101 und 133 BV.

Art. 7 Abs. 1 Zum einen werden in Absatz 1 das Vorsatzdelikt und das Fahrlässigkeitsdelikt neu getrennt geregelt. Das Vorsatzdelikt soll immer ein Vergehen sein. Daher wird für das Vorsatzdelikt an Stelle der Busse von 100 000 Franken neu eine Geldstrafe angedroht.

Bei schwerer vorsätzlicher Widerhandlung müsste gestützt auf Artikel 333 Absatz 2 StGB die Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr durch «Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe» ersetzt werden. Die Geldstrafe ist jedoch als Strafschärfung zu einer Geldstrafe nicht sinnvoll. Sie müsste nach heutigem Recht trotzdem angedroht werden, wenn man vermeiden wollte, dass die Freiheitsstrafe immer mindestens sechs Monate beträgt, was zu einer spürbaren Verschärfung führen würde. Berücksichtigt man allerdings, dass gemäss der AT-Revision 2015 die Mindestdauer der Freiheitsstrafe neu drei Tage beträgt, so kann im vorliegenden Fall auf die Androhung der Geldstrafe verzichtet werden. Damit entspricht die neue Strafdrohung ­ mit Ausnahme der neuen Terminologie ­ wiederum der altrechtlichen Strafdrohung. In analoger Weise wurden bereits Artikel 118 Absatz 3 des Zollgesetzes vom 18. März 2005333 und Artikel 97 Absatz 2 des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 2009334 angepasst (vgl. zudem Ziff. 4.7 und 4.8).

Die fahrlässige Begehung soll eine Übertretung sein, die wie heute mit einer Busse von bis zu 100 000 Franken bestraft werden kann.

Verzicht auf die Anpassung von Art. 7 Abs. 3 Im Rahmen des Bundesgesetzes vom 24. März 2006335 über die Neuregelung der Berichterstattung auf dem Gebiet der Aussenwirtschaftspolitik wurde die Verjährungsfrist in Absatz 3 von fünf auf sieben Jahre hinaufgesetzt. Sie ist seit dem 1. Januar 2007 in Kraft. Damit ist Artikel 333 Absatz 6 StGB über die Anpassung 332 333 334 335

SR 946.201 SR 631.0 SR 641.20 AS 2006 4097, BBl 2006 1831

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der Verjährungsfristen nicht mehr anwendbar. Die Frist in Absatz 3 wird unverändert beibehalten.

Art. 7 Abs. 5 zweiter Satz Gemäss Absatz 5 zweiter Satz kann der Bundesrat für bestimmte Handlungen anstelle einer Gefängnisstrafe neu eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe androhen.

5

Auswirkungen

5.1

Auswirkungen auf den Bund

5.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Bei den der Bundesgerichtsbarkeit unterstehenden Straftaten werden teilweise die Höchst- oder Mindeststrafen angehoben oder gesenkt sowie einzelne Straftatbestände aufgehoben. Je nach Anzahl und Schwere der Straftaten kann daraus für den Bund eine gewisse Mehr- oder Minderbelastung entstehen, da dieser dem zuständigen Kanton die Kosten des Vollzugs freiheitsentziehender Sanktionen entschädigt (Art. 74 Abs. 5 Strafbehördenorganisationsgesetz vom 19. März 2010336, StBOG).

Es ist damit zu rechnen, dass sich diese Mehr- und Minderbelastungen in etwa die Waage halten.

5.1.2

Personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf den Personalbestand des Bundes.

5.1.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Mit Bezug auf die der kantonalen Gerichtsbarkeit und der Militärgerichtsbarkeit unterstehenden Straftaten ­ für diese Verfahren tragen die Kantone die Kosten des Vollzugs von Strafen und Massnahmen (vgl. Art. 215 Abs. 1 Militärstrafprozess vom 23. März 1979337, MStP) ­ gelten die Ausführungen betreffend Mehr- und Minderbelastungen für den Bund gleichermassen für die Kantone.

336 337

SR 173.71 SR 322.1

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6

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage 1 (Harmonisierung der Strafrahmen) ist in der Botschaft vom 27. Januar 2016338 zur Legislaturplanung 2015­2019 und im Bundesbeschluss vom 14. Juni 2016339 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt. Die Vorlage 2 ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 2016 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 2016 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt; bei ihr handelt es sich im Wesentlichen um eine blosse formelle Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Das Strafgesetzbuch und das Militärstrafgesetz stützen sich auf Artikel 123 Absatz 1 BV, der dem Bund die Zuständigkeit zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafprozessrechts zuspricht.

Im Nebenstrafrecht wird insbesondere in älteren Erlassen im Ingress ebenfalls auf Artikel 123 Absatz 1 BV verwiesen. Mit der Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen wird dieser Verweis überall dort gestrichen, wo er für den Erlass keine besondere Bedeutung hat. Denn der Bund kann gestützt auf die kompetenzbegründende Verfassungsbestimmung alle Mittel zur Durchsetzung des jeweiligen Gesetzes einsetzen, wozu auch strafrechtliche Sanktionen zählen.

Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden (Art. 31 Abs. 1 BV).

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Internationale Übereinkommen im Bereich des Strafrechts schreiben die Höhe der anzudrohenden Strafen bzw. die Strafrahmen in der Regel nicht vor. Sie enthalten aber meistens Bestimmungen, welche die Vertragsstaaten verpflichten, für die massgeblichen Straftaten wirksame, verhältnismässige und abschreckende Strafen und Massnahmen vorzusehen.340 Bei der Umsetzung von internationalen Übereinkommen wurde diesen Vorgaben jeweils Rechnung getragen. Die Vorlage 1 bezweckt, die Strafrahmen des Strafgesetzbuchs zu überprüfen und wo nötig angemessen zu korrigieren, und zwar mit Blick auf das gesamte Strafgesetzbuch und Teile des 338 339 340

BBl 2016 1105, hier 1186 und 1226.

BBl 2016 5183, hier 5189.

Z. B. Art. 19 Abs. 1 des Strafrechtsübereinkommens vom 27. Jan. 1999 über Korruption, SR 0.311.55, Art. 13 Abs. 1 des Übereinkommens vom 23. Nov. 2001 über Cyberkriminalität, SR 0.311.43, ähnlich Art. 11 Ziff. 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 15. Nov. 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, SR 0.311.54, Art. 30 Ziff. 3 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 31. Okt.

2003 gegen Korruption, SR 0.311.56.

2950

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Nebenstrafrechts. Insofern stimmt dieses Ziel mit den genannten internationalen Vorgaben vollständig überein.

Die Vertragsstaaten werden in internationalen Übereinkommen teilweise dazu verpflichtet, freiheitsentziehende Sanktionen vorzusehen, die zur Auslieferung führen können.341 Gemäss Artikel 35 Absatz 1 des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981342 ist eine Auslieferung dann zulässig, wenn die Tat sowohl nach dem Recht der Schweiz als auch nach dem des ersuchenden Staates mit einer freiheitsbeschränkenden Sanktion im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Sanktion bedroht ist und nicht der schweizerischen Gerichtsbarkeit unterliegt. Es sind keine Änderungsvorschläge ersichtlich, welche mit Bestimmungen der genannten Art kollidieren würden.

Nach Artikel 305bis Ziffer 1 StGB gelten sämtliche Verbrechen als mögliche Vortaten zur Geldwäscherei. Die vorgeschlagenen Änderungen haben keine Auswirkungen auf den Kreis der infolge internationaler Standards ­ so namentlich die Empfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) ­ zu erfassenden Vortaten, da keine in diesem Zusammenhang massgeblichen Straftaten von Verbrechen auf Vergehen zurückgestuft werden.

In der EU wurden die Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags (1. Mai 1999) lediglich darauf verpflichtet, wirksame, angemessene und abschreckende Strafen vorzusehen. Spätere Sekundärrechtsakte enthalten bisweilen aber auch konkrete strafrechtliche Inhalte, welche neben der Festlegung von Tatbestandselementen teilweise auch die vorzusehenden Strafrahmen betreffen.343 Diese Tendenz wird sich inskünftig infolge des Inkrafttretens des Lissabonner Vertrags am 1. Dezember 2009 weiter verstärken, wird doch die Kompetenz der EU zum Erlass von Mindestnormen in Bezug auf Straftatbestände und Strafen nun unter bestimmten Voraussetzungen primärrechtlich ausdrücklich anerkannt (Art. 83 AEUV344).345 Für 341 342 343

344 345

Z. B. Art. 19 Abs. 1 der Europaratskonvention gegen Korruption, Art. 24 Abs. 2 der Europaratskonvention über die Cyberkriminalität.

SR 351.1 Beispielhaft seien hier erwähnt: Rahmenbeschluss 2002/475/JI des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. L 164 vom 22.6.2002, S. 3), Rahmenbeschluss 2004/68/JI des Rates vom 22. Dez. 2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie (ABl. L 13 vom 20.1.2004, S. 44), Rahmenbeschluss 2008/841/JI des Rates vom 24. Okt. 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42).

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (konsolidierte Fassung), ABl. C 326 vom 26.10.2012, S. 47.

Seither hat die EU insbesondere folgende Rechtsakte verabschiedet: Richtlinie 2014/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zum strafrechtlichen Schutz des Euro und anderer Währungen gegen Geldfälschung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2000/383/JI des Rates (ABl. L 151 vom 21.5.2014, S. 1); Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 179); Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union (ABl. L 127 vom 29.4.2014, S. 39); Richtlinie 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Aug. 2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates (ABl. L 218 vom 14.8.2013, S. 8).

2951

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die Schweiz sind diese Sekundärrechtsakte, welche insbesondere Mindesthöchststrafen vorsehen, grundsätzlich nicht rechtsverbindlich. Einzig drei Rechtsakte346 sind infolge der Assoziierung an Schengen auch für die Schweiz rechtsverbindlich geworden, wobei diese im Kontext des vorliegenden Geschäfts ohne Bedeutung sind.

Die vorgeschlagenen Änderungen sind somit mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

7.3

Erlassform

Die vorgeschlagenen Änderungen werden in zwei Mantelerlassen zusammengefasst, die je einen Sammeltitel tragen. Bei der Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen (Vorlage 1) werden nicht nur die Strafrahmen im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes überprüft, sondern auch in jenen Nebenstrafrechtsgesetzen, die Freiheitsstrafen von mehr als drei Jahren (Verbrechen i. S. v.

Art. 10 Abs. 2 StGB) enthalten. Diese Tatbestände schützen in der Regel ebenso gewichtige Rechtsgüter wie die Bestimmungen des Kernstrafrechts. Bei der Vorlage zur Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht (Vorlage 2) wird in denjenigen Bundesgesetzen, die noch nicht an den revidierten Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs angepasst wurden, das neue Sanktionensystem implementiert.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredits oder Zahlungsrahmens enthält.

346

Richtlinie 2001/51/EG des Rates vom 28. Juni 2001 zur Ergänzung der Regelungen nach Artikel 26 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 (ABl. L 187 vom 10.7.2001, S. 45); Rahmenbeschluss 2002/946/JI des Rates vom 28. Nov. 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1); Richtlinie 2004/82/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln (ABl. L 261 vom 6.8.2004, S. 4). Die Rechtsakte wurden im Rahmen der Genehmigung des Schengen-Assoziierungsabkommens vom 26.10.2004 (SR 0.362.31) übernommen (vgl. Anhang B SAA).

2952

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BBl 2011 5977, Botschaft vom 22. Juni 2011 zum Bundesgesetz zur Umsetzung von Art. 123b der Bundesverfassung über die Unverjährbarkeit sexueller und pornografischer Straftaten an Kindern vor der Pubertät.

BBl 2012 4721, Botschaft vom 4. April 2012 zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes (Änderungen des Sanktionenrechts).

BBl 2012 7571, Botschaft vom 4. Juli 2012 zur Genehmigung des Übereinkommens des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention) sowie zu seiner Umsetzung (Änderung des Strafgesetzbuchs).

BBl 2012 9227, Eidgenössische Volksinitiative «Schutz vor Rasern». Rückzug vom 5. November 2012.

BBl 2014 605, Botschaft vom 13. Dezember 2013 zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière (GAFI).

BBl 2014 7267, Bundesgesetz über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsgesetz, VlG), Änderung vom 26. September 2014.

BBl 2015 1, Botschaft vom 19. November 2014 zur Reform der Altersvorsorge 2020.

BBl 2015 3431; Botschaft vom 15. April 2015 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Kindesschutz).

BBl 2015 4899, Schweizerisches Strafgesetzbuch und Militärstrafgesetz (Änderungen des Sanktionenrechts), Änderung vom 19. Juni 2015.

BBl 2016 1105, Botschaft vom 27. Januar 2016 zur Legislaturplanung 2015­2019.

BBl 2016 6115, Botschaft vom 3. Juni 2016 zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes (Umsetzung von Art. 123c BV).

BBl 2017 6097, Botschaft vom 23. August 2017 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel.

BBl 2017 7307, Botschaft vom 11. Oktober 2017 zum Bundesgesetz über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen.

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