18.062 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich vom 22. August 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. August 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2018-1350

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Übersicht Weil die Bekämpfung der ungerechtfertigten Steuervermeidung multinationaler Unternehmen zu einem zentralen Anliegen der internationalen Staatengemeinschaft geworden ist, leitete die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammen mit den G20-Staaten im Jahr 2013 ein Projekt zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und -verlagerung (Base Erosion and Profit Shifting; BEPS) ein. Das Projekt mündete im Jahr 2015 in der Veröffentlichung mehrerer Berichte.

Gewisse dieser Berichte enthalten Bestimmungen zur Anpassung der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), darunter auch solche zur Umsetzung der Mindeststandards gegen Abkommensmissbrauch und zur Verbesserung der Streitbeilegung. Mit dem Ziel, diese Anpassungen rasch und kosteneffizient umzusetzen, hat eine Gruppe von über 100 Staaten und Gebieten ­ darunter die Schweiz ­ ein multilaterales Instrument (BEPS-Übereinkommen) erarbeitet. Am 7. Juni 2017 haben knapp 70 Staaten und Gebiete ­ darunter die Schweiz ­ das BEPS-Übereinkommen unterzeichnet.

Die Gespräche, die die Schweiz mit dem Vereinigten Königreich über die konkreten Auswirkungen des BEPS-Übereinkommens auf das DBA zwischen den beiden Staaten (DBA-GB) geführt hat, haben offenbart, dass sie eine unterschiedliche Auffassung über das Verhältnis des BEPS-Übereinkommens zu diesem DBA hegen. Aus diesem Grund wurde beschlossen, die Anpassung des DBA-GB an die abkommensbezogenen Resultate des BEPS-Projekts nicht über das BEPS-Übereinkommen, sondern über ein bilaterales Protokoll zur Änderung des DBA-GB vorzunehmen.

Dieses Änderungsprotokoll wurde am 30. November 2017 unterzeichnet. Im Anschluss daran fand eine Vernehmlassung statt. In den eingegangen Stellungnahmen wurde der Abschluss des Änderungsprotokolls begrüsst.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich besteht ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen1 (nachfolgend «DBA-GB»). Es wurde am 8. Dezember 1977 unterzeichnet und seither mehrmals revidiert.

Ende Februar 2017 fand in Paris ein vom OECD-Sekretariat organisiertes internationales Treffen statt. Thema dieses Treffens war das multilaterale Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Massnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (nachfolgend «BEPS-Übereinkommen», auch als «MLI» bezeichnet).2 Dieses Übereinkommen wurde von einer Ad-hoc-Gruppe von über 100 Staaten und Gebieten ­ darunter die Schweiz ­ im Rahmen des BEPS-Projekts erarbeitet. Das BEPS-Übereinkommen ist bis heute von rund 80 Staaten und Gebieten ­ darunter die Schweiz ­ unterzeichnet worden. Es enthält eine Reihe von Bestimmungen zur Anpassung bestehender Doppelbesteuerungsabkommen. Ein Teil dieser Bestimmungen stellt Mindeststandards dar. Das Treffen bot den beteiligten Staaten die Möglichkeit, Fragen zur inhaltlichen Umsetzung des BEPS-Übereinkommens und zu dessen Verhältnis zum jeweiligen bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen auf bilateraler Basis zu diskutieren.

Die Gespräche, die die Delegation der Schweiz mit der Delegation des Vereinigten Königreichs an diesem Treffen führten, haben offenbart, dass die beiden Staaten eine unterschiedliche Auffassung über das Verhältnis des BEPS-Übereinkommens zum DBA-GB hegen. Insbesondere teilt das Vereinigte Königreich die Haltung der Schweiz nicht, dass das BEPS-Übereinkommen die betreffenden Doppelbesteuerungsabkommen ­ ähnlich einem Änderungsprotokoll ­ ändert. Aus diesem Grund ist eine Anpassung des DBA-GB durch das BEPS-Übereinkommen nicht möglich.

Deshalb wurde beschlossen, die Anpassung des DBA-GB an die Resultate des BEPS-Projekts nicht über das BEPS-Übereinkommen, sondern über ein bilaterales Protokoll zur Änderung des DBA-GB vorzunehmen.

Die Verhandlungen über dieses Änderungsprotokoll konnten im Frühjahr 2017 abgeschlossen werden. Das Änderungsprotokoll (nachfolgend «Änderungsprotokoll zum DBA-GB») wurde am 30. November 2017 unterzeichnet.

Der Abschluss des Änderungsprotokolls zum DBA-GB wurde in der Vernehmlassung grossmehrheitlich begrüsst.

1 2

SR 0.672.936.712 Deutsche Übersetzung unter www.oecd.org > Tax > Tax Treaties >Multilateral Convention to Implement Tax Treaty Related Measures to Prevent BEPS > Translation in other Languages > German.

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1.2

Würdigung

Das Änderungsprotokoll zum DBA-GB enthält ausschliesslich Bestimmungen, die in das DBA-GB eingeflossen wären, hätten die Schweiz und das Vereinigte Königreich das DBA-GB dem BEPS-Übereinkommen unterstellt. Zwischen dem Änderungsprotokoll und dem BEPS-Übereinkommen besteht somit ein inhaltlicher Zusammenhang. Darüber hinaus gibt es zwischen diesen beiden Instrumenten keine unmittelbaren Verbindungen.

Mit dem Änderungsprotokoll zum DBA-GB wird dieses die im Rahmen des BEPSProjekts gesetzten Mindeststandards in Bezug auf Doppelbesteuerungsabkommen erfüllen.

Dies gilt namentlich hinsichtlich des Elements 3.3 des Mindeststandards zur BEPSMassnahme 143. Dieses Element verlangt die Aufnahme des zweiten Satzes von Artikel 25 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens4 in die Doppelbesteuerungsabkommen. Gemäss dieser Bestimmung sind Verständigungslösungen ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts umzusetzen. Ist ein Staat nicht in der Lage, diese Bestimmung zu vereinbaren, so muss er, damit der Mindeststandard erfüllt ist, im Rahmen von DBA-Verhandlungen zur Aufnahme von Bestimmungen bereit sein, die die Frist für die Vornahme von Gewinnaufrechnungen von verbundenen Unternehmen und von Betriebsstätten zeitlich beschränken. Für dieses alternative Vorgehen sieht das BEPS-Übereinkommen keine Lösung vor.

Die Schweiz vereinbart den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz 2 des OECDMusterabkommens üblicherweise nicht in ihren DBA. Infolgedessen hat die Schweizer Verhandlungsdelegation anlässlich der Verhandlungen, die zum Änderungsprotokoll zum DBA-GB geführt haben, der Verhandlungsdelegation des Vereinigten Königreich entsprechende Vorschläge für die zeitliche Beschränkung der Vornahme von Gewinnaufrechnungen von verbundenen Unternehmen und von Betriebsstätten unterbreitet. Das Vereinigte Königreich war indessen nicht bereit, Gewinnaufrechnungen zeitlich zu beschränken, sodass entsprechende Bestimmungen im Änderungsprotokoll zum DBA-GB nicht enthalten sind. Das Element 3.3 des Mindeststandards zur BEPS-Massnahme 14 wird jedoch trotzdem erfüllt, denn es genügt dazu, dass die Schweiz zur Aufnahme solcher Bestimmungen bereit war.

Eine solche Bereitschaft hat die Schweiz gezeigt. Deshalb wird das DBA-GB auch diesen Mindeststandard erfüllen.

Die Schweiz als Mitgliedstaat der OECD hat sich verpflichtet, jene DBA-bezogenen
Bestimmungen, die Teil eines BEPS-Mindeststandards sind, in ihre Doppelbesteuerungsabkommen zu übernehmen. Mit dem Änderungsprotokoll zum DBA-GB erfolgt ein weiterer Schritt in diese Richtung. Entsprechend wird sich die Anzahl der BEPS-konformen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz erhöhen.

3

4

OCDE (2016), Accroître l'efficacité des mécanismes de règlement des différends, Action 14 ­ Rapport final 2015, Projet OCDE/G20 sur l'érosion de la base d'imposition et le transfert de bénéfices, Éditions OCDE, Paris, S. 26.

OCDE (2015), Modèle de convention fiscale concernant le revenu et la fortune: Version abrégée 2014, Éditions OCDE, Paris.

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Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Art. I des Änderungsprotokolls zum DBA-GB Mit diesem Artikel wird die bestehende Präambel zum DBA-GB mit zwei zusätzlichen Bestimmungen ergänzt. Die beiden Bestimmungen wurden im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 erarbeitet und sind im BEPS-Übereinkommen in Artikel 6 enthalten.

Die erste zusätzliche Bestimmung (Artikel 6 Absatz 3 des BEPS-Übereinkommens) fügt ein weiteres Motiv für den Abschluss des DBA-GB hinzu: die Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen und die Vertiefung der Zusammenarbeit in Steuersachen.

Mit der zweiten neuen Bestimmung (Artikel 6 Absatz 1 des BEPS-Übereinkommens) wird klargestellt, dass die Schweiz und das Vereinigte Königreich nicht die Absicht haben, durch das Doppelbesteuerungsabkommen Möglichkeiten zur Nichtbesteuerung oder reduzierten Besteuerung durch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung zu schaffen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Vermeidung von sogenannt doppelter Nichtbesteuerung soll auch Zweck des DBA-GB sein. Dies gilt aber nicht generell, sondern nur dann, wenn Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung Ursache dafür sind. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es Situationen von gewollter doppelter Nichtbesteuerung gibt. Dazu zählt beispielsweise die Besteuerung von Dividenden an Gesellschaften des gleichen Konzerns. Doppelte Nichtbesteuerung verhindert in solchen Situationen ungewollte wirtschaftliche Mehrfachbelastungen.

Die erste zusätzliche Bestimmung stellt keinen BEPS-Mindeststandard dar. Die Aufnahme der zweiten zusätzlichen Bestimmung ist hingegen notwendig, um den im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 gesetzten Mindeststandard zu erfüllen.

Art. II, IV, V, VI, VII und X des Änderungsprotokolls zum DBA-GB Mit Artikel X wird eine Missbrauchsklausel eingeführt, die auf dem hauptsächlichen Zweck einer Gestaltung oder Transaktion abstellt. Aufgrund dieser Klausel werden die Vorteile des DBA-GB nicht gewährt, wenn das Erlangen dieser Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion war; es sei denn, es wird nachgewiesen, dass das Gewähren dieser Vorteile in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des DBA-GB steht.

Diese Missbrauchsklausel ist zwar neu, sie entspricht aber in ihren Grundzügen den Missbrauchsklauseln, die die Schweiz in den letzten Jahren in einer Vielzahl ihrer
Doppelbesteuerungsabkommen, so auch im DBA-GB, vereinbart hat. Anders ist indessen, dass die Missbrauchsklausel nicht auf gewisse Arten von Einkünften wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren beschränkt ist. Vielmehr findet sie in Bezug auf sämtliche Bestimmungen des Abkommens Anwendung. Alle Abkommensvorteile unterliegen damit dem Vorbehalt einer missbräuchlichen Inanspruchnahme.

Vom Wortlaut her unterscheidet sich die Missbrauchsklausel gegenüber jenen, wie sie in vielen jüngeren Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz enthalten sind, 5511

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noch in einem weiteren Punkt. So ist nach dem Text der Klausel Missbrauch nicht auf Situationen beschränkt, bei denen der Hauptzweck der entsprechenden Gestaltung oder Transkation im Erlangen der Abkommensvorteile lag. Vielmehr besteht Missbrauch auch dann, wenn bloss einer der Hauptzwecke dafür verantwortlich war.

Vom Resultat her besteht indessen diesbezüglich keine Differenz. Denn der zweite Teil der Missbrauchsklausel sieht vor, dass die Abkommensvorteile dennoch gewährt werden, wenn dies in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht. Dies sollte grundsätzlich dann der Fall sein, wenn das Erlangen der entsprechenden Abkommensvorteile nicht der Hauptzweck der Gestaltung oder Transaktion war.

Diese Missbrauchsklausel wurde im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 entwickelt.

Sie ist im BEPS-Übereinkommen in Artikel 7 Absatz 1 enthalten. Um dem im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 gesetzten Mindeststandard Genüge zu tun, reicht die Aufnahme dieser Missbrauchsklausel in die Doppelbesteuerungsabkommen. Es bedarf in einem solchen Fall keiner weiteren Missbrauchsbestimmung.

Mit den Artikeln II, IV, V, VI und VII wird die zurzeit im DBA-GB enthaltene Missbrauchsklausel aufgehoben.

Art. III des Änderungsprotokolls zum DBA-GB Mit diesem Artikel wird die Bestimmung im DBA-GB über die Verpflichtung zu Gegenberichtigungen bei Gewinnaufrechnungen an die Formulierung der entsprechenden Bestimmung des OECD-Musterabkommens (Art. 9 Abs. 2) sowie des BEPS-Übereinkommens (Art. 17 Abs. 1) angepasst.

Diese Anpassung hat grundsätzlich keine praktischen Auswirkungen auf die Schweiz: Die Schweiz ist weiterhin zu keinen automatischen Gegenberichtigungen bei Gewinnaufrechnungen durch ausländische Steuerbehörden verpflichtet. Vielmehr muss die Schweiz Gegenberichtigungen nur dann vornehmen, wenn sie einer gefundenen Lösung im Rahmen eines Verständigungsverfahrens zwischen den zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs und der Schweiz entsprechen.

Die Anpassung dieser Bestimmung entspricht der Best-Practice-Empfehlung der BEPS-Massnahme 14 und der aktuellen schweizerischen Abkommenspolitik in diesem Bereich.

Art. VIII des Änderungsprotokolls zum DBA-GB Dieser Artikel ergänzt die Bestimmung, die die Art der Vermeidung der Doppelbesteuerung durch den Ansässigkeitsstaat festlegt, durch
eine Bestimmung, die die Nichtbesteuerung oder reduzierte Besteuerung in Fällen von Qualifikationskonflikten vermeiden soll.

Sie führt dazu, dass die Schweiz, als Ansässigkeitsstaat eines Empfängers von Einkünften aus dem Vereinigten Königreich, die gemäss DBA-GB im Vereinigten Königreich besteuert werden dürfen, diese Einkünfte dann nicht von der Besteuerung ausnehmen muss, wenn das Vereinigte Königreich keine ­ oder bei Dividenden eine bloss reduzierte ­ Besteuerung der Einkünfte vornimmt, weil das Vereinigte Königreich der Auffassung ist, es sei durch das DBA-GB zur Befreiung oder zu 5512

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einer reduzierten Besteuerung verpflichtet. Ein Beispiel dafür wäre, dass das Vereinigte Königreich als Quellenstaat ein Einkommen einer in der Schweiz ansässigen Person als Kapitalgewinn behandelt, während die Schweiz als Ansässigkeitsstaat von einem Einkommen aus im Vereinigten Königreich ausgeübter unselbstständiger Erwerbstätigkeit ausgeht. Ohne die neue Bestimmung würde die Schweiz das Einkommen von der Besteuerung ausnehmen, obwohl das Vereinigte Königreich aufgrund seiner steuerlichen Qualifikation des Einkommens das Besteuerungsrecht ausschliesslich in der Schweiz sieht (Art. 13 Abs. 5 DBA-GB) und deshalb nicht besteuert. Nach der neuen Bestimmung ist die Schweiz dagegen nicht mehr zur Freistellung verpflichtet (Art. 22 Abs. 2 DBA-GB), sondern kann das Einkommen als Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit besteuern.

Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Bestimmung zur Verhinderung von ungewollter doppelter Nichtbesteuerung infolge unterschiedlicher Auffassungen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich bezüglich Sachverhalt oder Auslegung von Begriffen des DBA-GB. Die Bestimmung ist im BEPS-Übereinkommen in Artikel 5 Absatz 2 enthalten. Sie ist nicht Teil eines Mindeststandards.

Art. IX des Änderungsprotokolls zum DBA-GB Dieser Artikel sieht eine Anpassung der Bestimmung des ersten Satzes von Artikel 24 Absatz 1 des DBA-GB vor. Diese Bestimmung regelt die Ersuchen für ein Verständigungsverfahren. Insbesondere geht es um die Frage, bei welcher der beiden zuständigen Behörden die Einleitung eines Verständigungsverfahrens zu beantragen ist.

Unter der geltenden Bestimmung muss sich eine Person an die zuständige Behörde des Vertragsstaats wenden, in dem sie ansässig ist, wenn sie der Auffassung ist, dass Massnahmen eines Vertragsstaats oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer Besteuerung führen oder führen werden, die dem DBA-GB nicht entspricht. Dies gilt indessen nicht, wenn der Fall Artikel 23 Absatz 1 des DBA-GB betrifft, jene Bestimmung also, die steuerliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verhindern soll. In einer solchen Situation kann sich die Person an die zuständige Behörde des Vertragsstaats wenden, dessen Staatsangehörige sie ist.

Mit der Anpassung des ersten Satzes von Artikel 24 Absatz 1 des DBA-GB wird eine Person bei der Wahl
der zuständigen Behörde für die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nicht mehr eingeschränkt. Vielmehr kann sie sich in Zukunft immer an die zuständige Behörden beider Vertragsstaaten oder des Vertragsstaats ihrer Wahl wenden.

Hintergrund für die Anpassung dieser Bestimmung bildet Element 3.1 des MindestStandards zur BEPS-Massnahme 14. Gemäss diesem Element sollen die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten über die Einleitung eines Ersuchens um ein Verständigungsverfahren informiert werden. Beide zuständigen Behörden sollen je für sich darüber befinden können, ob dem Ersuchen stattgegeben werden soll oder ob es abzuweisen ist.

Diese angepasste Bestimmung über die Einleitung eines Verständigungsverfahrens ist im BEPS-Übereinkommen enthalten (Art. 16 Abs. 1 erster Satz).

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Art. XI des Änderungsprotokolls zum DBA-GB Gemäss diesem Artikel tritt das Änderungsprotokoll zum DBA-GB in Kraft, sobald die beiden Vertragsstaaten einander auf diplomatischem Weg mitgeteilt haben, dass ihre innerstaatlichen gesetzlichen Erfordernisse für dessen Inkrafttreten erfüllt sind.

Die Bestimmungen des Änderungsprotokolls finden hinsichtlich Quellensteuern ab dem 1. Januar des auf dessen Inkrafttreten folgenden Kalenderjahres Anwendung. In Bezug auf die übrigen Steuern ist der Beginn des entsprechenden Steuerjahres oder Rechnungsjahres massgebend. Die Bestimmungen finden Anwendung: ­

in der Schweiz auf Steuerjahre, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls folgenden Kalenderjahres beginnen,

­

im Vereinigten Königreich auf Steuerjahre oder Rechnungsjahre, die am oder nach dem 6. April bzw. dem 1. April des auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls folgenden Kalenderjahres beginnen.

Eine Ausnahme dazu bildet die angepasste Bestimmung betreffend das Verständigungsfahren (Artikel IX des Änderungsprotokolls). Sie findet vom Tag des Inkrafttretens des Änderungsprotokolls an Anwendung.

3

Finanzielle Auswirkungen

Das Änderungsprotokoll zum DBA-GB sieht keine Änderungen bei den Zuteilungsnormen der Besteuerungsrechte von Einkünften zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich vor. Vielmehr enthält es im Wesentlichen lediglich Bestimmungen zur Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme des DBA-GB sowie zur Verbesserung der Verständigungsverfahren als Mittel zur Streitbeilegung bei Doppelbesteuerungen. Das Änderungsprotokoll zum DBA-GB dürfte somit keinen namhaften Einfluss auf die Steuereinnahmen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden haben. Das geänderte DBA-GB kann im Rahmen der bestehenden personellen Ressourcen umgesetzt werden.

4

Rechtliche Aspekte

Das Änderungsprotokoll zum DBA-GB stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung5 (BV), wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Nach Artikel 184 Absatz 2 BV ist der Bundesrat ermächtigt, die Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung der Verträge zuständig; ausgenommen sind die Verträge, für deren Abschluss aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (siehe auch Art. 7a Abs. 2 des Regierungsund Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19976). Im vorliegenden Fall gibt es kein Gesetz und keinen völkerrechtlichen Vertrag, die dem Bundesrat die 5 6

SR 101 SR 172.010

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Kompetenz verleihen, einen Vertrag wie das Änderungsprotokoll zum DBA-GB abzuschliessen. Das Parlament ist somit für die Genehmigung des Änderungsprotokolls zum DBA-GB zuständig.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unter anderem wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20027 (ParlG) gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen.

Das Änderungsprotokoll zum DBA-GB enthält Bestimmungen, die den Schweizer Behörden Pflichten auferlegen und den Schweizer Behörden und den Privatpersonen (natürliche und juristische Personen) Rechte verleihen. Das Änderungsprotokoll zum DBA-GB enthält somit wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Änderungsprotokolls zum DBAGB untersteht deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

5

Vernehmlassungsverfahren

Zum Änderungsprotokoll zum DBA-GB wurde ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt.8 Die vom Bundesrat eröffnete Vernehmlassung fand zusammen mit der Vernehmlassung zum BEPS-Übereinkommen vom 20. Dezember 2017 bis zum 9. April 2018 statt. Der Abschluss des Änderungsprotokolls zum DBA-GB wurde von den Vernehmlassungsteilnehmern begrüsst, soweit sie sich dazu vernehmen liessen (Kantone: AI, BL, BS, BE, JU, LU, NE, NW, SG, SH, SZ, TG, UR, VS, VD, ZG und ZH; FDK, Parteien: FDP, SP, Verbände: Economiesuisse, Schweizerische Bankiervereinigung, Centre Patronal, SwissHoldings, Stiftung Swiss GAAP FER, Schweizerisch-Amerikanische Handelskammer). Die SVP kündigte an, das Änderungsprotokoll zum DBA-GB im Rahmen der parlamentarischen Debatte vertieft zu prüfen.

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SR 171.10 Ergebnisbericht unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > EFD.

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