Bericht des Bundesrates über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2017 vom 25. April 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen den Bericht über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2017 und bitten Sie, davon Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

25. April 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Bericht 1

Zusammenfassung der Schwerpunkte im Jahr 2017

In den letzten Jahren sind die Anforderungen an die schweizerische Migrationsaussenpolitik deutlich gestiegen. Themen wie die Migrationsbewegungen über das Mittelmeer, der Syrienkonflikt und die europäische Zusammenarbeit erfordern eine immer engere interdepartementale Koordination und eine gemeinsame strategische Ausrichtung. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat die Schweiz sich auf bilateraler, regionaler (auch in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Union) und multilateraler Ebene engagiert.

Im Jahr 2017 wurde die interdepartemenale Struktur zur internationalen Zusammenarbeit (IMZ-Struktur) erneut angepasst, um ihre strategische Ausrichtung zu verstärken. Mit diesen Anpassungen lässt sich zudem das Mandat des Parlaments zu einer stärkeren Verknüpfung von Migrationspolitik und internationaler Zusammenarbeit einfacher umsetzen. Dabei stehen drei Ebenen der Verknüpfung im Vordergrund: Erstens die politische Verknüpfung, indem politische Prozesse und Instrumente wie die Migrationspartnerschaften genutzt werden, um das Mandat umzusetzen; zweitens die geografische Verknüpfung, mit der die Migration besser in die bestehenden aussenpolitischen Strategien integriert werden soll; drittens die thematische Verknüpfung, welche die Bearbeitung der Ursachen von Flucht und somit die Prävention erzwungener Migration, die Verbesserung des Schutzes in den Herkunftsregionen sowie die Förderung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit umfasst.

Im Bereich der bilateralen Zusammenarbeit wurden die Arbeiten zur Umsetzung der bestehenden Migrationspartnerschaften weitergeführt. Im Berichtsjahr ist dabei insbesondere das fünfjährige Bestehen der Partnerschaft mit Tunesien hervorzuheben, deren Wert mit einer hochrangigen Dienstreise auf Ministerstufe gewürdigt wurde. Die bilaterale Zusammenarbeit wurde auch mit zahlreichen Drittstaaten wie Sri Lanka, Algerien, Marokko, Eritrea, Äthiopien und Kamerun verstärkt. Dies erfolgte im Rahmen von konstruktiven Treffen, Dialogen und Projekten zu Migrationsthemen.

Ein weiterer Schwerpunkt der schweizerischen Migrationsaussenpolitik galt 2017 der Entwicklung der europäischen Migrationspolitik, die infolge der Migrationsbewegungen in den Jahren 2015 und 2016 von politischen Diskussionen und Vorschlägen zur Anpassung der bestehenden Rechtsgrundlagen und zur Schaffung
neuer Instrumente geprägt war. Insbesondere in den Bereichen Schutz der SchengenAussengrenzen und Rückkehr wurden auf europäischer Ebene neue Initiativen diskutiert, die von der Schweiz unterstützt werden. Mit Italien und Griechenland unterstützte die Schweiz im Berichtsjahr wiederum zwei Länder, die besonders unter Druck standen.

Auf regionaler und multilateraler Ebene hat sich die Schweiz aktiv in die Kontaktgruppe zentrales Mittelmeer eingebracht. So hat sie das dritte Treffen der Kontaktgruppe vom 12. und 13. November 2017 in Bern organisiert. Im Zentrum der Gespräche standen der Schutz der Flüchtlinge sowie der Migrantinnen und Migranten

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entlang der Migrationsroute über das zentrale Mittelmeer. Das Schweizer Engagement in dieser Region erfolgt durch Projekte im Rahmen der bilateralen und regionalen Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern entlang der zentralen Mittelmeerroute. Neben der Umsetzung von Massnahmen, die direkt den Migrantinnen und Migranten und Vertriebenen zunutze kommen, sollen die tieferen Ursachen der irregulären oder erzwungenen Migration bekämpft werden.

Die Schweiz hat Erstaufnahme- und Transitländer ­ insbesondere die Nachbarstaaten Syriens, die nordafrikanischen Staaten und die Staaten am Horn von Afrika ­ unterstützt, indem sie sich an Projekten zum Schutz von Migrantinnen und Migranten und Flüchtlingen beteiligte. Neben der Hilfe vor Ort hat sie sich insbesondere im Kontext des Syrienkriegs dazu verpflichtet, über das Resettlement-Programm besonders verletzliche Flüchtlinge aufzunehmen.

Die mit der Migration verbundenen Herausforderungen rufen nach gemeinsamen Lösungen auf internationaler Ebene. Deshalb setzt sich die Schweiz auch künftig aktiv für die Entwicklung einer globalen Migrationsgouvernanz ein. Am UNOGipfel für Flüchtlinge und Migranten im September 2016 wurden die Grundsteine für zwei globale Rahmenwerke (Global Compacts) erarbeitet und verabschiedet ­ einer zu Migration und einer für Flüchtlinge. Der Global Compact für Migration (GCM) wird vom Schweizer Botschafter Jürg Lauber ko-fazilitiert. Die Schweiz trägt damit in zentraler Funktion zur Erarbeitung eines bedeutenden UNO-Prozesses bei mit dem Ziel, international anerkannte Prinzipien und Standards für den Umgang mit Migrations- und Fluchtbewegungen festzulegen.

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Kontext

Nach der ausserordentlichen Migrationslage im Herbst 2015 und in den ersten Monaten des Jahres 2016 sind die Migration und damit die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz im Jahr 2017 drastisch zurückgegangen. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass an den Grenzen Europas, im Nahen Osten und in Libyen ein erhebliches Migrationspotenzial besteht, das die Zahl der Asylgesuche in Europa, darin eingeschlossen auch in der Schweiz, innerhalb kurzer Zeit erneut ansteigen lassen könnte.

Die Konflikte im Nahen Osten, in Libyen und am Horn von Afrika, die Verschlechterung der humanitären Lage, Menschenrechtsverletzungen, Naturkatastrophen sowie fehlende wirtschaftliche Perspektiven in einigen Regionen der Welt haben Hunderttausende zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen ­ auch in Ländern wie Jemen, die oft vergessen gehen.

Da immer mehr Länder ihre Grenzen schliessen, weichen die Flüchtlinge sowie die Migrantinnen und Migranten zunehmend auf gefährliche Migrationsrouten aus.

Diese Personen sind dann oft besonders verletzlich und werden Opfer von Menschenhandel oder Menschenrechtsverletzungen.

Nordafrika ist eine wichtige Transitregion für die Migrationsbewegungen aus Subsahara-Afrika an die Küsten Europas. Der Grossteil dieser Migrationsbewegungen erfolgt heute über Libyen und das zentrale Mittelmeer. Die humanitäre Lage entlang 2789

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dieser Migrationsroute stellt angesichts der miserablen Lebensbedingungen für Migrantinnen und Migranten sowie der hohen Anzahl ertrunkener Flüchtlinge eine enorme Herausforderung dar. Im Hinblick auf die politische Situation und die Sicherheitslage in Libyen ist eine Stabilisierung des Landes unabdingbar, um eine effektive und dauerhafte Verbesserung sicherzustellen.

Die Schwierigkeiten zeigen sich bei der Ausreise aus den Herkunftsregionen, beispielsweise am Horn von Afrika, in den Transitländern, aber auch bei der Ankunft an den europäischen Grenzen. Die Herausforderung für die europäischen Länder besteht darin, die Länder entlang der Migrationsroute über das zentrale Mittelmeer zu unterstützen und dabei die Instrumente der internationalen Zusammenarbeit einzusetzen, damit Zwangsumsiedlungen verhindert werden und der Schutz der Migrantinnen und Migranten garantiert werden können.

Vor diesem Hintergrund knüpft die Schweiz weiterhin enge partnerschaftliche Beziehungen mit zahlreichen Herkunfts-, Transit- und Zielländern der Migrantinnen und Migranten. Den vielfältigen Herausforderungen der Migration begegnet sie, indem sie sich auf bilateraler, regionaler und multilateraler Ebene aktiv in diese Thematik einbringt.

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Strategische Verknüpfung

In den Bundesbeschlüssen der Botschaft vom 17. Februar 20161 zur Internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2017­2020 wird festgehalten, dass die IZA und die Migrationspolitik strategisch miteinander verknüpft werden sollen, sofern dies im Interesse der Schweiz ist. Die strategische Verknüpfung dieser zwei Politikfelder entspricht auch einem Bestreben des Bundesrates nach mehr Politikkohärenz, nach einem systemischen Ansatz im Umgang mit den Chancen und Herausforderungen der Migration und der Wahrnehmung der Eigeninteressen der Schweiz. IZA-Aktivitäten der Schweiz können im Sinn der Konfliktprävention, der Reduktion von anderen Fluchtgründen wie schweren Menschenrechtsverletzungen und der Schaffung von zuverlässigen Rahmenbedingungen und Perspektiven vor Ort langfristig zu einem verringerten Migrationsdruck beitragen. Die Umsetzung erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) sowie der Politischen Direktion (PD) des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) sowie in Abstimmung mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM) des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) innerhalb der IMZ-Struktur.

Die Herausforderung bei der Umsetzung des Auftrags zur strategischen Verknüpfung besteht darin, die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Politikbereichen zu erfassen und die Interessen von Herkunfts-, Transit- und Zielländern abzuwägen und sowohl humanitären, wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Werten gerecht zu werden. Dabei dienen folgende vier Kernaussagen als übergeordneter Rahmen für eine erfolgreiche strategische Verknüpfung: 1

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Verfolgten Menschen muss primär vor Ort oder sekundär in einem sicheren Drittland Schutz geboten werden.

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Eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in einer globalisierten Welt ist auf sichere und reguläre Migration von Arbeitskräften angewiesen.

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Die Ursachen für erzwungene Migration (Konflikte, Verlust der Lebensgrundlage, Unrechtsstaat, Ungleichheit) müssen mit einem umfassenden und langfristigen Ansatz bearbeitet werden.

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Globale und nationale Migrationspolitiken sind auf funktionierende Gouvernanzstrukturen angewiesen.

Bei der Umsetzung des Auftrags können drei Ebenen der strategischen Verknüpfung unterschieden werden: Die politische Verknüpfung wird vor allem auf der Ebene der bilateralen Beziehungen der Schweiz mit wichtigen Herkunfts- und Transitländern von Asylsuchenden, anerkannten Flüchtlingen sowie Arbeitsmigrantinnen und -migranten angestrebt. Das Instrument der Migrationspartnerschaft ist die umfassendste Massnahme, um mit dem Partnerland ein gemeinsames Verständnis der Thematik zu erarbeiten und daraus migrationspolitische Massnahmen abzuleiten.

Die geografische Verknüpfung strebt an, Migration besser und stärker in die bestehenden aussenpolitischen Strategien zu integrieren. Im Zentrum stehen hier die diversen Landes- und Regionalstrategien von EDA und WBF im Bereich der IZA.

Im Sinne der geografischen Verknüpfung hat die DEZA Anfang Oktober 2017 ihre Beteiligung an zwei Berufsbildungsprojekten in Eritrea lanciert und das Engagement im Rahmen einer Pilotphase bis Ende 2019 befristet. Die thematische Verknüpfung besteht darin, Migration und Flucht in Sektorpolitiken der IZA zu integrieren. Dies hat zum Ziel, noch wirksamer in den drei komplementären Aktionsbereichen tätig zu sein: Prävention von erzwungener Migration und Flucht; Sicherstellung des Schutzes vor Ort; Förderung der Integration vor Ort durch Stärkung der wirtschaftlichen und sozialen Eigenständigkeit von Vertriebenen, beispielsweise durch den Zugang zu Bildung für Kinder und Minderjährige. Im Bereich der Prävention kommt auch das friedenspolitische Engagement der Schweiz zum Tragen. So hat die Schweiz auch 2017 den von der UNO geführten Friedensprozess in Libyen unterstützt. Ohne politische Lösung und Stabilisierung des Landes bleiben die Faktoren bestehen, welche die Menschen zur Flucht beziehungsweise zur Weiterwanderung treiben.

Prävention bedeutet auch in den Herkunftsregionen, Opportunitäten zu schaffen. Das SECO beteiligt sich seit Ende 2017 an einem Programm der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in der Region Mittlerer Osten und Nordafrika, welches insbesondere junge Erwachsene durch die Stärkung ihrer Fachkompetenzen besser in den Arbeitsmarkt integrieren wird. Zudem wird auch die neue Bildungsstrategie der DEZA (Grund- und Berufsbildung) von 2017 zusätzliche Akzente setzen. Zu erwähnen sind auch die
Aktivitäten von multilateralen Entwicklungsbanken. Die internationale Entwicklungsorganisation der Weltbank (IDA) wird in den kommenden drei Jahren (IDA-18) ihr Engagement in der Fluchtursachenbekämpfung ausbauen. Gleichzeitig wird sie aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Klimawandels als Fluchtursache mehr in den Klimaschutz investieren.

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Bilaterale Zusammenarbeit

Im Kontext der bilateralen Zusammenarbeit haben sich die Anstrengungen der Schweiz auf die Migrationspartnerschaften, die Migrationsabkommen (die sich in erster Linie mit Fragen der Rückübernahme befassen) und die Migrationsdialoge konzentriert.

4.1

Bestehende Migrationspartnerschaften

Im Jahr 2017 setzte die Schweiz ihre Tätigkeit zur Umsetzung der bestehenden Migrationspartnerschaften mit Bosnien und Herzegowina (2009), Serbien (2009), Kosovo (2010), Nigeria (2011) und Tunesien (2012) fort.

Im Rahmen der mit Serbien, Bosnien und Herzegowina sowie dem Kosovo abgeschlossenen Migrationspartnerschaften unterstützte die Schweiz weiterhin die Einführung von funktionierenden und den internationalen Standards entsprechenden Asylsystemen und Systemen zur Migrationsgouvernanz in den Partnerländern.

Besondere Unterstützung leistete sie auch bei der Bekämpfung des Menschenschmuggels und im Bereich der Opferhilfe. Anlässlich des bilateralen Dialogs mit Serbien, der im September 2017 in Bern stattfand, beschlossen die schweizerischen und serbischen Behörden, der Problematik der unbegleiteten Minderjährigen im Jahr 2018 besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Für die Umsetzung von Projekten im Rahmen der Strategie Migrationspartnerschaften Schweiz­Westbalkan stand 2017 ein jährliches Budget von 2 Millionen Franken zur Verfügung (1,5 Millionen Franken vom SEM und 500 000 Franken von Liechtenstein).

Die Migrationsbeziehungen zwischen der Schweiz und Nigeria haben sich seit der Schaffung der Migrationspartnerschaft verbessert und zeichnen sich durch intensive Kontakte und stärkeres Vertrauen aus. Diese ausgezeichnete Zusammenarbeit ermöglichte nicht nur, die Anzahl Personen, die auf den Wegweisungsvollzug warten, massiv zu verringern, sondern auch einen Dialog in anderen Bereichen zu eröffnen. Im Berichtsjahr standen für die Migrationspartnerschaft mit Nigeria aus dem Verpflichtungskredit für die internationale Migrationszusammenarbeit des SEM 716 000 Franken zur Verfügung. Hinzu kamen 70 000 Franken von der Abteilung Menschliche Sicherheit (AMS), 110 000 Franken aus dem Globalprogramm Migration und Entwicklung (DEZA) sowie 12,5 Millionen Franken aus der humanitären Hilfe der Schweiz für die Tschadsee-Region.

Die Zusammenarbeit mit Tunesien konzentrierte sich in erster Linie auf den Ausbau der Kapazitäten der tunesischen Institutionen für die integrierte Grenzverwaltung, die Entwicklung des Asylgesetzes, die Mobilisierung der Diaspora für die Entwicklung sowie den Schutz von vulnerablen Migrantinnen und Migranten in Tunesien.

Die Zusammenarbeit im Rückkehrbereich hat sich in Bezug auf die
Identifikation deutlich verbessert. Mehrere Projekte zur Unterstützung von vulnerablen Migrantinnen und Migranten und aus dem Meer geretteten Flüchtlingen sind im Gang. Das achte Treffen zur Umsetzung der Migrationspartnerschaft fand im Oktober 2017 in Tunis in Anwesenheit von Bundesrätin Simonetta Sommaruga und dem tunesischen Aussenminister statt. Die neue Kooperationsstrategie der Schweiz in Tunesien 2792

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(2017­2020) fliesst in die Umsetzung der Migrationspartnerschaft ein. Im Jahr 2017 stand für das Programm Schutz und Migration im Rahmen der Kooperationsstrategie ein Budget von 3,2 Millionen Franken zur Verfügung (DEZA, SEM, AMS).

4.2

Neue Migrationspartnerschaften und Abkommen im Migrationsbereich

Im Rahmen der IMZ-Struktur wurden im Jahr 2017 verschiedene Länder für den Abschluss einer Migrationspartnerschaft evaluiert. Aufgrund der besonderen Beziehungsdichte im Migrationsbereich wurden mit Sri Lanka entsprechende Gespräche über den Abschluss einer Migrationspartnerschaft aufgenommen. Anlässlich der Expertentreffen vom April und Oktober 2017 wurde der gegenseitige Wunsch beider Länder festgehalten, die Zusammenarbeit zukünftig auf eine thematisch breite Basis zu stellen.

Im Rückkehrbereich hat die Schweiz insgesamt mit 62 Ländern Abkommen abgeschlossen. Im Berichtsjahr traten zwei neue Rückübernahmeabkommen ­ mit Aserbaidschan und Kuwait ­ in Kraft, und ein Abkommen mit der Ukraine (das ein früheres Abkommen ersetzt) wurde unterzeichnet.

Die mit Kirgisistan und Kolumbien abgeschlossenen Abkommen über die Aufhebung der Visumpflicht für Inhaberinnen und Inhaber eines Diplomaten-, Dienstoder amtlichen Passes traten ebenfalls 2017 in Kraft. Ebenso ein Abkommen über die Aufhebung der Visumpflicht für kolumbianische Staatsangehörige, die Inhaberinnen und Inhaber eines gewöhnlichen Passes sind. Zudem wurde ein Visumsbefreiungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten unterzeichnet. Und schliesslich wurde mit der Ukraine ein Visaerleichterungsabkommen unterzeichnet, während das entsprechende Abkommen mit Aserbaidschan in Kraft trat.

4.3

Migrationsdialog

Im Berichtsjahr hat die Schweiz ihre bilateralen Beziehungen zu mehreren Schwerpunktländern im Migrationsbereich verstärkt. Im Zusammenhang mit der Syrienkrise wurde der bilaterale Austausch mit dem Libanon und Jordanien zu Migrationsfragen in den letzten politischen Konsultationen konkretisiert, um ein bedarfsgerechtes Engagement vor Ort zu ermöglichen. Auch mit Kamerun wurde die Zusammenarbeit verstärkt im Rahmen der Umsetzung des Migrationsabkommens.

Beim zweiten Expertentreffen zeigte sich, dass die Zusammenarbeit bei der Identifikation und der Rückkehr funktioniert. Im Anschluss an dieses Treffen beschloss das SEM, mehrere innovative Projekte insbesondere im Bereich der Berufsbildung ins Leben zu rufen. Nachdem in den letzten Jahren mit Algerien und Marokko keine Migrationsdialoge durchgeführt werden konnten, fanden im Berichtsjahr erfreulicherweise mit beiden Staaten wieder Dialoge statt, wobei jeweils insbesondere die Rückkehrthematik im Fokus der Gespräche stand (s. auch Ziff. 8.2).

Auch mit Kasachstan hat die Schweiz einen Migrationsdialog geführt. Diskutiert wurden dabei die Herausforderungen, vor denen Kasachstan als wichtiges Zielland 2793

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für Arbeitsmigration steht, die Umsetzung des Rückübernahmeabkommens sowie eine mögliche bilaterale Visumbefreiung für Inhaberinnen und Inhaber von Dienstpässen. Mit Kanada fand ein Expertentreffen über die Ansätze zur Integration von Migrantinnen und Migranten (insbesondere von Flüchtlingen) in den Arbeitsmarkt statt. An dieser Tagung wurden schweizerische Behörden-, Wirtschafts- und Arbeitnehmervertreter, Berufsschulen sowie Akteure der Zivilgesellschaft einbezogen. Mit verschiedenen Ländern wurden Study Visits durchgeführt, um ihnen spezielle Themenbereiche der schweizerischen Migrationspolitik näherzubringen. Mit Schweden wurde zum Beispiel ein Dialog zu Asylthemen sowie europäischer und multilateraler Migrationspolitik geführt. Eine Delegation aus Südkorea informierte sich anlässlich ihres Besuchs über die Integrationspolitik der Schweiz.

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Protection in the Region (PiR)

Die Programme der Schweiz sollen dazu beitragen, dass Flüchtlinge, intern vertriebene Personen und vulnerable Migrantinnen und Migranten möglichst schnell einen wirksamen Schutz in ihren Herkunftsregionen finden und die Aufnahmekapazitäten der Erstaufnahmeländer gestärkt werden. Dies soll zu einer Verringerung der irregulären Weiterwanderung, bei der die Migrantinnen und Migranten häufig grossen Gefahren ausgesetzt sind, beitragen und kann somit zu einer Abnahme der Asylgesuche in der Schweiz führen. Diese Projekte sind integraler Teil der Umsetzung des Mandats zur strategischen Verknüpfung (s. Ziff. 3).

5.1

Unterstützung der Erstaufnahmestaaten in Bezug auf die syrische Flüchtlingskrise

Die besondere Bedeutung des Mittleren Ostens für die Schweiz zeigt sich vor allem darin, dass im Januar 2017 ein neuer Beauftragter für Migrationsfragen im Mittleren Osten eingesetzt wurde. Das Engagement der Schweiz in dieser Region richtet sich nach einer in einem Gesamtregierungsansatz erarbeiteten Strategie für 2015­2018 und setzt drei Prioritäten: Deckung von Grundbedürfnissen und Grunddienstleistungen, Schutz von verletzlichen Bevölkerungsgruppen (inkl. Flüchtlinge) sowie nachhaltiges Wassermanagement. Seit Ausbruch der Syrienkrise im Jahr 2011 hat die Schweiz rund 315 Millionen Franken für die notleidende Bevölkerung bereitgestellt.

In diesem Rahmen hat die Schweiz 2017 über Projekte des UNHCR und anderer Partnerorganisationen die türkischen und jordanischen Behörden bei der Registrierung von syrischen Flüchtlingen unterstützt. Im Libanon wurde ein Projekt im Bereich der integrierten Grenzverwaltung lanciert mit dem Ziel, die Themen Vulnerabilität und Rechte von Migrantinnen und Migranten in die Grenzkontrollstrategie der libanesischen Behörden zu integrieren. Zudem hat sich die Schweiz dafür eingesetzt, dass die Menschenrechte der Flüchtlinge im Libanon besser respektiert und die Möglichkeiten, die der politische Einbezug bietet, besser genutzt werden. Ausserdem unterstützt die Schweiz die jordanische Regierung in ihrem Bestreben, syrischen Flüchtlingen einen verbesserten Zugang zum regulären Arbeitsmarkt zu geben.

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5.2

Unterstützung der Erstaufnahme- und Transitstaaten am Horn von Afrika

Im Rahmen der neuen interdepartementalen Schweizer Kooperationsstrategien für das Horn von Afrika, den Sudan, Südsudan und Jemen werden weiterhin der Schutz von Vertriebenen und vulnerablen Migrantinnen und Migranten sowie die Unterstützung des regionalen Dialogs zu Migration als strategische Ziele verfolgt.

Im Sudan führt die Schweiz ihre seit 2012 bestehende Unterstützung der Strategie von UNHCR und IOM gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel weiter; sie trägt damit zum Schutz und zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Zwangsvertriebenen bei. Im Rahmen der humanitären Krise im Südsudan setzt sich die Schweiz weiterhin stark für den Zugang zu den Bedürftigen und für deren Schutz ein. Dies betrifft insbesondere die fast zwei Millionen intern Vertriebenen, aber auch die südsudanesischen Flüchtlinge im Sudan und in Uganda. In Eritrea werden verschiedene Projekte im Bereich Berufsbildung umgesetzt.

Auf regionaler Ebene unterstützt die Schweiz das Regional Mixed Migration Secretariat, das durch die Analyse der gemischten Migrationsbewegungen massgeblich zur Entwicklung von umfassenden Schutzpolitiken in der Region beiträgt. Zudem konnte der Aufbau von nationalen Koordinationsmechanismen in den Mitgliedstaaten der Intergovernmental Authority on Development (IGAD) abgeschlossen werden. Das migrationsaussenpolitische Engagement der Schweiz am Horn von Afrika belief sich im Berichtsjahr auf 26 Millionen Franken.

5.3

Resettlement

Eine die Hilfe vor Ort ergänzende Massnahme bildet die Aufnahme besonders verletzlicher Personen in der Schweiz, die weder in ihr Heimatland zurückkehren noch in ihrem Erstfluchtland verbleiben können. Im Dezember 2016 beschloss der Bundesrat, das Engagement für die Opfer des Syrienkonflikts fortzusetzen und weitere 2000 besonders verletzliche Menschen aufzunehmen. Im Jahr 2017 verpflichtete sich die Schweiz zur Aufnahme von 600 Flüchtlingen. Die wichtigsten Herkunftsländer dieser Resettlement-Flüchtlinge sind Jordanien und der Libanon.

Zusätzlich hat das EJPD im Anschluss an das dritte Treffen der Kontaktgruppe Zentrales Mittelmeer beschlossen, bis zu 80 besonders verletzliche Flüchtlinge aufzunehmen, welche in libyschen Lagern festgehalten wurden.

6

Regionale Migrationsprozesse

6.1

Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten

Im Berichtsjahr fanden zahlreiche Treffen sowohl auf Ministerebene als auch unter Expertinnen und Experten statt. Das Ziel dieser Treffen war eine stärkere bilaterale Zusammenarbeit, vor allem mit den Nachbarstaaten. Insbesondere sollen die engen Verbindungen mit Italien aufrechterhalten werden. Dies wurde durch den Besuch 2795

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von Innenminister Marco Minniti im Testzentrum für beschleunigte Asylverfahren in Zürich bekräftigt. Auch der österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka stattete dem Zentrum einen Besuch ab. Im Jahr 2017 fanden auch regelmässig biund multilaterale Treffen mit EU-Staaten statt, um bei der Bekämpfung irregulärer Sekundärmigration sowie in den Bereichen Rückkehr und Dublin verstärkt zusammenzuarbeiten. Der Fokus der Zusammenarbeit liegt dabei auf Italien, aber auch mit Deutschland und Österreich findet ein regelmässiger Austausch statt. Die vier Staaten Schweiz, Deutschland, Österreich und Italien treffen sich auch regelmässig gemeinsam, um die Zusammenarbeit in den erwähnten Themenbereichen weiter zu optimieren.

Im Bereich der Dublin-Zusammenarbeit weist die Schweiz im Vergleich zum europäischen Durchschnitt in den vergangenen Jahren eine hohe Überstellungsquote auf.

Im Jahr 2017 hat die Schweiz bei 18 088 neu registrierten Asylgesuchen in 8370 Fällen einen anderen Dublin-Staat um Übernahme der Person im Rahmen des Dublin-Verfahrens ersucht. 2297 Personen wurden in dieser Zeit effektiv überstellt.

Somit wurde in diesem Zeitraum für 12,7 Prozent aller neuen Asylgesuche ein Dublin-Verfahren mit anschliessender Überstellung durchgeführt.

6.2

Europäische Migrationspolitik

Die Schweiz beteiligt sich aktiv an der Zusammenarbeit und nimmt aufgrund ihrer Assoziierung an Schengen und Dublin an Arbeitsgruppen der EU bis auf Ministerstufe (Schengen) bzw. am Gemeinsamen Ausschuss Dublin an der Ausarbeitung der relevanten Entwicklungen teil.

Die Umsetzung des Beschlusses des Bundesrates vom September 2015 zur Umsiedlung von 1500 Schutzsuchenden, die sich momentan in Italien und Griechenland aufhielten, im Rahmen des EU-Relocation-Programms wurde 2017 abgeschlossen.

Die Schweiz hat damit einen wichtigen Beitrag zur Solidarität mit besonders betroffenen Dublin-Staaten geleistet, der von Italien und Griechenland sehr geschätzt wurde. Die Revisionsarbeiten zur Dublin-Verordnung konnten auch 2017 noch nicht abgeschlossen werden. Die Revision sieht unter anderem die Einführung eines Verteilmechanismus in Krisenzeiten vor. Die Verfahren sollen künftig schneller und effizienter durchgeführt werden. Gleichzeitig soll die Sekundärmigration verhindert werden. Die Schweiz unterstützt diese Bestrebungen, denn mit einer Verteilung der Verantwortung kann das Dublin-System nachhaltig gestärkt werden.

Im Zusammenhang mit dem Schutz der Aussengrenzen trat am 7. April 2017 eine Änderung des Schengener Grenzkodex in Kraft, wonach auch bei Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, bei einer Grenzübertrittskontrolle an einer Aussengrenze systematisch die relevanten Fahndungsdatenbanken abgefragt werden müssen. Im Herbst 2017 präsentierten das Europäische Parlament und der Europäische Rat bereits einen nächsten Vorschlag zur Anpassung des Schengener Grenzkodex mit dem Ziel, die Regelung zu den Maximalfristen bei der Wiedereinführung der Binnengrenzkontrollen zu überarbeiten.

Der Vorschlag für eine Verordnung zu einem elektronischen Ein- und Ausreisesystem (EES) befindet sich in der Schlussphase der Verabschiedung. Bei den Beratun2796

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gen des Vorschlags für das EU Travel Information and Authorisation System (ETIAS) wurden rasch Fortschritte erzielt, sodass im Rahmen des Trilogs bis Ende 2017 eine provisorische Einigung gefunden werden konnte. Der Vorschlag sieht vor, dass visumbefreite Drittstaatsangehörige relevante Angaben zu ihrer geplanten Reise sowie alphanumerische Daten zu ihrer Person vorab online registrieren und danach eine erleichterte Einreisekontrolle durchlaufen können.

Neben Massnahmen im Grenzbereich wurden auch im Bereich der Rückkehr neue Initiativen diskutiert. In der ersten Jahreshälfte 2017 wurde auf europäischer Ebene ein Prozess zur Verknüpfung von Rückkehranliegen mit Massnahmen im Visumsbereich diskutiert. Diese Massnahmen sollen gegenüber Drittstaaten zur Anwendung kommen, bei welchen sich Schwierigkeiten bei der Rückkehr ergeben.

Im Rahmen des Reformpakets zur Überarbeitung der Grundlagen des Schengener Informationssystems (SIS) sollen neu auch alle Wegweisungsverfügungen obligatorisch im System erfasst werden. Dies soll die Effizienz im Bereich der Rückkehr stärken. Die Schweiz hat auch im Jahr 2017 ihre Beteiligung an EU-Sammelflügen für die Rückkehr von ausreisepflichtigen Personen ausgeweitet und wird sich im Rahmen ihrer Teilnahme an der Agentur für die Grenz- und Küstenwache (FrontexAgentur) im Rückkehrbereich engagieren. Die Unterstützung der Arbeit des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO), an dem sich die Schweiz seit März 2016 beteiligt, wurde auch 2017 fortgesetzt. Der Fokus lag dabei, wie auch im Vorjahr, auf der Entsendung von Asylexpertinnen und -experten an Hotspots in Italien. So fanden 2017 insgesamt 36 Experteneinsätze des SEM für jeweils rund drei Monate in Italien statt.

Die Schweiz beteiligt sich schliesslich mit 5 Millionen Franken am EU-Treuhandfonds für Afrika (EUTF). Der Fonds soll zu mehr Stabilität und zu einer besseren Migrationssteuerung in der Region Sahel/Tschadsee, am Horn von Afrika und in Nordafrika beitragen. Er finanziert unter anderem Projekte zur Umsetzung des Valletta-Aktionsplans. Der Aktionsplan von Valletta sieht fünf Schwerpunktbereiche vor: Bekämpfung der Ursachen für irreguläre Migration; Schutz und Asyl; legale Migration; Bekämpfung von Menschenhandel und Menschenschmuggel sowie Rückkehr und Integration. Bis Ende 2017 wurden im Rahmen dieses Fonds insgesamt 145 Projekte für 2,3 Milliarden Euro in Ländern entlang der Migrationsroute Richtung Mittelmeer bewilligt.

6.3

Kontaktgruppe zentrales Mittelmeer

Am 12. und 13. November 2017 fand in Bern das dritte Treffen der Kontaktgruppe zentrales Mittelmeer statt. Die Kontaktgruppe, die im März 2017 auf Initiative des italienischen Innenministers ins Leben gerufen wurde, dient dem Austausch zwischen den Ländern, die von der Migration über die zentrale Mittelmeerroute am stärksten betroffen sind. In enger Zusammenarbeit mit dem UNHCR, der IOM und dem IKRK hat die Schweiz dabei den Schwerpunkt auf die Schutzmassnahmen für Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge in Libyen sowie auf der Migrationsroute nach Libyen gesetzt. Die Innenminister der Länder, die am stärksten von den

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Migrationsströmen am zentralen Mittelmeer betroffen sind, sowie die teilnehmenden europäischen Institutionen haben eine Absichtserklärung verabschiedet, um: 1.

die Bedingungen in den Haftzentren zu verbessern und Haftalternativen zu fördern;

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die Verfahren zur freiwilligen Rückkehr zu unterstützen und die Zusammenarbeit im Rückkehrbereich auszubauen;

3.

den Schutz und die Unterstützung von Flüchtlingen sowie von Migrantinnen und Migranten auszubauen und verbessern;

4.

Menschenhandel und Menschenschmuggel zu bekämpfen;

5.

sichere und reguläre Migrationswege für Flüchtlinge sowie von Migrantinnen und Migranten zu fördern.

Das Forum bietet der Schweiz eine Möglichkeit, ihre Anliegen gegenüber den politischen Entscheidungsträgern der Länder, die von der Migration entlang der zentralen Mittelmeerroute betroffen sind, einzubringen. Auch wenn konkrete Abmachungen schwierig zu erreichen sind, so unterstützen der Austausch und die gegenseitige Schaffung von Vertrauen sicherlich die Lösungssuche. Durch ihre Teilnahme kann die Schweiz den Menschenrechtsaspekt betonen und darauf hinweisen, dass die Rechte der Migrantinnen und Migranten nicht vergessen werden dürfen. Mit ihrem bisherigen Engagement in Libyen deckt die Schweiz bereits einige der anvisierten Massnahmen ab. Namentlich engagiert sie sich in folgenden Bereichen: Zugang der internationalen Organisationen zu den Haftzentren in Libyen; Unterstützung der freiwilligen Rückkehr in die Herkunftsländer; Einsatz von Informationszentren entlang der Migrationsroute; Ausbau der Seenotrettungskapazitäten der libyschen Küstenwache und Ausbau der Schutzmassnahmen bei der Rückkehr in den Hafen.

Die Schweiz unterstützt zudem die friedenspolitischen Massnahmen zur Stabilisierung des Landes.

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Multilaterale Migrationsgouvernanz: Fokus auf den Global Compact Migration

Auf multilateraler Ebene war das Berichtsjahr vor allem von den Vorarbeiten zur Verabschiedung von zwei globalen Rahmenwerken für Migration und Flüchtlinge im Jahr 2018 geprägt. Am UNO-Gipfel für Flüchtlinge und Migranten vom 19. September 2016 in New York setzte sich die internationale Gemeinschaft zum Ziel, die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Migration und Migrationsgouvernanz zu verstärken. Dazu soll bis 2018 ein Global Compact on Safe, Regular and Orderly Migration (GCM) ausgearbeitet werden.

Die Schweiz strebt einen ambitionierten, politisch verbindlichen GCM an, der auf der Basis internationaler Verpflichtungen global anerkannte Prinzipien, Richtlinien und Zielwerte für den Umgang mit Migrationsbewegungen festlegt, einen Menschenrechtsansatz verfolgt und dazu beiträgt, dass das Potenzial der Migration im Interesse aller Akteure stärker genutzt wird. Der GCM soll mittel- und langfristig eine verbesserte globale Migrationsgouvernanz gewährleisten sowie Antworten auf

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die Herausforderung grosser Flucht- und Migrationsbewegungen formulieren. Die Schweiz wird hiervon direkt profitieren können, zumal eine verstärkte Verantwortungsteilung aller Staaten sowie gemeinsame Grundsätze für die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit festgehalten werden sollen. Der GCM wird vom Schweizer Botschafter Lauber und vom mexikanischen Botschafter GomezCamacho ad personam koordiniert. Thematisch konzentriert sich die Schweiz auf die Themen erzwungene und irreguläre Migration, Schutz der Menschenrechte von Migrantinnen und Migranten, Inklusion, Integration, Rückkehr und Reintegration sowie Arbeitsmigration.

Nebst dem GCM führt das UNHCR einen parallelen Prozess für einen Global Compact für Flüchtlinge. Auch dieser soll Ende 2018 von den UNO-Mitgliedstaaten verabschiedet werden. Wichtig ist hierbei die Bestätigung der Zentralität der Genfer Flüchtlingskonvention und der entsprechenden Prinzipien.

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Die interdepartementale Migrationszusammenarbeit

8.1

Neue Struktur

Gestützt auf die Empfehlungen der externen Evaluation aus dem Jahr 2016 haben der Departementsvorsteher des EDA und die Departementsvorsteherin des EJPD in einer Zusammenarbeitsvereinbarung (6. April 2017) Anpassungen der IMZ-Struktur beschlossen. Diese haben die Stellung des interdepartementalen Leitungsgremiums (IMZ-Vorsitz) gestärkt, in dem Staatssekretärin Pascale Baeriswyl (EDA) und Staatssekretär Mario Gattiker (SEM) den Vorsitz haben und dem auch Direktor Manuel Sager (DEZA) sowie Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch (SECO) angehören.

Im EDA wurde die neue Stelle eines Botschafters für Entwicklung, Flucht und Migration geschaffen und an Herrn Pietro Mona vergeben, der diese Funktion seit dem 1. September 2017 ausübt. Botschafter Mona leitet gemeinsam mit Botschafter Vincenzo Mascioli (Vize-Direktor SEM) den IMZ-Ausschuss.

8.2

Länderliste Rückkehr

Die Länderliste Rückkehr umfasst diejenigen Länder, mit denen sich die Zusammenarbeit im Rückkehrbereich schwierig gestaltet. Seit 2013 sind Algerien, Äthiopien, Iran, Marokko und die Mongolei darin aufgeführt. Im Berichtsjahr wurden verschiedene Fortschritte erzielt, insbesondere in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Mongolei. Dank der besseren internationalen Zusammenarbeit konnte ein Rückübernahmeabkommen ausgehandelt werden, das voraussichtlich im Frühjahr 2018 unterzeichnet wird. Aufgrund dieser erfreulichen Entwicklung wurde die Mongolei von der «Länderliste Rückkehr» gestrichen.

Auch mit Algerien wurden Fortschritte erzielt, insbesondere im Bereich der Identifikation. Nachdem seit August 2015 kein formeller Austausch über Migrationsfragen stattgefunden hatte und die Schwierigkeiten bei der Rückkehrorganisation anhielten, 2799

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fand im September 2017 in Bern im Rahmen des Migrationsdialogs ein erneutes Treffen mit einer algerischen Delegation statt, an dem pragmatische Lösungen im Rückkehrbereich diskutiert wurden. Mit Marokko hat sich die Zusammenarbeit bei Rückübernahmen ebenfalls verbessert. Im April 2017 wurden in Rabat erstmals seit November 2013 wieder Gespräche zu Migrationsfragen geführt. Im Jahr 2017 wurde in Bern ein neuer marokkanischer Botschafter ernannt, wodurch sich ein engeres Arbeitsverhältnis ergeben hat. Fortschritte wurden bei der Identifikation und der Beschaffung von Ersatzreisepapieren erzielt, und zwar auch bei Zwangsrückführungen.

Eine Reise des Staatssekretärs Mario Gattiker nach Äthiopien im April 2017 diente einem ersten Dialog zu Migrationsthemen. Nachdem die äthiopische Seite Ende 2016 sechs Personen identifiziert hatte, verweigerte sie aber weiterhin die Ausstellung von Ersatzreisepapieren bei nicht freiwilliger Rückkehr. Die Gespräche werden im Rahmen der nächsten politischen Konsultationen (verschoben auf 2018) fortgeführt. Die Zusammenarbeit mit Iran im Rückkehrbereich ist nach wie vor blockiert.

Über den Migrationsdialog arbeitet die Schweiz weiterhin daran, die Situation zu verbessern.

8.3

Finanzierung

Verschiedene Kredite des EDA, des WBF und des EJPD tragen zur Finanzierung der schweizerischen Migrationsaussenpolitik bei. Rund 20 Prozent der für die internationale Zusammenarbeit im Zeitraum 2017­2020 vorgesehenen Ausgaben sind migrationsspezifisch oder migrationsrelevant. Das EDA hat im Berichtsjahr rund 116 Millionen Franken für Projekte im Migrationsbereich ausgegeben. Darüber hinaus tragen die Aktivitäten des EDA im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe und der Friedenspolitik sowie sein Engagement für die Menschenrechte langfristig dazu bei, den Migrationsdruck zu verringern. Das SECO engagiert sich im Migrationsbereich im Rahmen von globalen Themen. Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit des SECO geht indirekt die Fluchtursachen an, indem durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung des Privatsektors die Lebensbedingungen vor Ort verbessert werden. Das SECO hat sich zu einer indirekten Beteiligung an der Strategie «Migrationspartnerschaften Schweiz ­ Westbalkan 2016­2019» in der Höhe von 2 Millionen Franken verpflichtet und trägt zur Umsetzung der Migrationspartnerschaft mit Tunesien bei. Bei der Umsetzung der strategischen Verknüpfung wurden zudem Massnahmen ergriffen, um den effektiven Finanzierungsumfang migrationsspezifischer und migrationsrelevanter Aktivitäten der IZA besser messen zu können. Ein weiterer Teil der Tätigkeiten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik wird durch den vom SEM verwalteten Verpflichtungskredit für die internationale Migrationszusammenarbeit abgedeckt.

Für das Jahr 2017 standen aus diesem Kredit insgesamt 12 Millionen Franken zur Verfügung.

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Erkenntnisse und Perspektiven 2018

Im Jahr 2018 werden sich die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik vorwiegend auf die weitere Einbindung der Migration in den politischen Dialog, den Aufbau neuer Migrationspartnerschaften, ein verstärktes Engagement für den Schutz von Migrantinnen und Migranten und Flüchtlingen in Libyen und entlang der Migrationsroute über das zentrale Mittelmeer sowie die Teilnahme an den zwischenstaatlichen Verhandlungen zur Ausarbeitung des Global Compact on Safe, Regular and Orderly Migration konzentrieren.

Das Migrationspotenzial in Libyen ist nach übereinstimmenden Aussagen der vor Ort tätigen Organisationen nach wie vor gross. Für das Jahr 2018 wird entscheidend sein, inwieweit es bis dahin gelingt, politische Lage/Situation in Libyen weiter zu stabilisieren. Zudem dürften dann auch die Massnahmen entlang der Transitstrecken nach Libyen weiter greifen. Gelingt es zudem, die Aktivitäten der Schlepper zu erschweren, dann könnte das Anlandungsvolumen 2018 signifikant sinken. Sollte sich die Lage in Libyen über die Wintermonate destabilisieren, dann könnte es 2018 wieder zu sehr hohen Anlandungen kommen.

Die Migrationsdialoge mit interessierten Staaten werden weitergeführt, ein Fokus wird sicher auf die Verhandlung einer möglichen Migrationspartnerschaft mit Sri Lanka gelegt.

Die Schweiz wird sich weiterhin aktiv in die Kontaktgruppe zentrales Mittelmeer einbringen und namentlich die Schwerpunkte, die am dritten Treffen vom 12. und 13. November 2017 in Bern verabschiedet wurden, weiterverfolgen.

Im Jahr 2018 dürften mehrere wichtige Gesetzesreformen auf europäischer Ebene zustande kommen, die auch die Schweiz betreffen. So könnten im Asylbereich die Reform des Dublin-Systems und der Umbau des EASO zu einer Europäischen Asylagentur (EUAA) abgeschlossen werden. Im Bereich der Aussengrenzen wurden in den vergangenen Jahren neue Massnahmen präsentiert und verabschiedet. Im Jahr 2018 wird nun die Umsetzung mehrerer grosser Informatikprojekte wie das EES oder ETIAS anstehen. Zudem wird über neue Vorschläge der Europäischen Kommission beraten, namentlich in Bezug auf die Interoperabilität der Informationssysteme , eine Reform des Visakodex sowie das Nachfolgeinstrument des Fonds für die innere Sicherheit für den Zeitraum 2021­2027. Die praktische Umsetzung dieser Projekte dürfte in den nächsten
Jahren die Schengen/Dublin-Zusammenarbeit prägen.

Im Hinblick auf die Einführung des Global Compact on Safe, Regular and Orderly Migration wird der internationalen Gemeinschaft Anfang Februar 2018 ein erster Entwurf des Global Compact präsentiert. Nach Abschluss der Verhandlungen soll den Staats- und Regierungschefs der 193 UNO-Staaten im Dezember 2018 in Marokko ein Text zur Verabschiedung vorgelegt werden.

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