18.030 Botschaft zu einer Änderung des Verrechnungssteuergesetzes vom 28. März 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer (Verrechnungssteuergesetz, VStG).

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. März 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2018-0127

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Übersicht Der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer soll bei Nichtdeklaration einer verrechnungssteuerbelasteten Leistung in der Steuererklärung nicht mehr verwirken, wenn eine Nachdeklaration erfolgt oder die Steuerbehörde die Leistung aufrechnet. Vorausgesetzt ist, dass die Nachdeklaration oder Aufrechnung vor Ablauf der Frist für die Einsprache gegen die Veranlagung erfolgt und die ursprüngliche Nichtdeklaration fahrlässig war. Damit soll vermieden werden, dass bei fahrlässiger Nichtdeklaration eine Doppelbelastung durch die Einkommenssteuer und die Verrechnungssteuer entsteht. Der Sicherungszweck der Verrechnungssteuer bleibt gewahrt.

Ausgangslage Personen mit Wohnsitz im Inland haben grundsätzlich Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer. Sie verwirken diesen Anspruch, wenn sie die betreffenden Einkünfte gegenüber den Steuerbehörden nicht ordnungsgemäss deklarieren. Das Bundesgericht hat die Anforderungen an diese ordnungsgemässe Deklaration in den vergangenen Jahren verschärft. Dies hat dazu geführt, dass die Verrechnungssteuer bei fehlender Deklaration in der Steuererklärung vermehrt nicht zurückerstattet wird.

Die fehlende Rückerstattung der Verrechnungssteuer und die gleichzeitige Erfassung mit der Einkommenssteuer führen zu einer sehr hohen Belastung der betroffenen Einkünfte, was teilweise als Strafe empfunden wird. Die Durchsetzung des geltenden Rechts durch die Steuerbehörden stösst daher zunehmend auf Kritik und hat auch zu mehreren parlamentarischen Vorstössen geführt.

Inhalt der Vorlage Bei lediglich fahrlässiger Nichtdeklaration soll keine Doppelbelastung durch die Einkommens- und die Verrechnungssteuer entstehen. Dazu sollen die gesetzlichen Voraussetzungen für die ordnungsgemässe Deklaration angepasst werden, ohne den Sicherungszweck der Verrechnungssteuer zu gefährden.

Die vorliegende Neuerung sieht vor, dass die Rückerstattung der Verrechnungssteuer nicht verwirkt, wenn die verrechnungssteuerbelasteten Leistungen nachdeklariert werden. Dasselbe gilt, wenn die Steuerbehörde die nicht deklarierten Leistungen von sich aus aufrechnet. Beides soll allerdings nur im Veranlagungsverfahren ­ vor Ablauf der Einsprachefrist betreffend die Einkommens- und Vermögenssteuerveranlagung ­ möglich sein. Zudem darf die ursprüngliche Nichtdeklaration in der Steuererklärung
nicht vorsätzlich erfolgt sein.

Die Neuerung führt zu Mindereinnahmen bei der Verrechnungssteuer, da diese künftig vermehrt zurückerstattet wird.

Im Weiteren sieht das Bundesgesetz vom 29. September 2017 über Geldspiele (Geldspielgesetz, BGS) vor, dass Naturalgewinne aus einkommenssteuerpflichtigen Gewinnspielen der Verrechnungssteuer unterliegen. Gegen das Geldspielgesetz ist das

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Referendum zustande gekommen. Sofern das Gesetz am 10. Juni 2018 vom Volk angenommen wird, schafft diese Vorlage die gesetzlichen Grundlagen für ein Meldeverfahren zur Erhebung der Verrechnungssteuer auf diesen Naturalgewinnen.

Schliesslich wird im Rahmen dieser Vorlage eine formelle Bereinigung betreffend obsolete Ausnahmen für Arbeitsbeschaffungsreserven bei der Verrechnungssteuer und der Stempelabgabe vollzogen.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Anlässlich der Stellungnahme zur Motion Schneeberger «Keine Verwirkung der Verrechnungssteuer» (16.3797) beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) am 23. November 2016, eine Vorlage zur Revision von Artikel 23 des Verrechnungssteuergesetzes vom 13. Oktober 19651 (VStG) auszuarbeiten. Vom 28. Juni bis zum 19. Oktober 2017 fand dazu eine Vernehmlassung statt.

Mit dieser Vorlage reagiert der Bundesrat auf eine durch das Bundesgericht vorgenommene Präzisierung zur Rückerstattung der Verrechnungssteuer, deren Umsetzung durch die Steuerbehörden zu Kritik aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft führte. Der Begriff der ordnungsgemässen Deklaration als Voraussetzung zur Rückerstattung der Verrechnungssteuer wurde vom Bundesgericht eingeschränkt. Mit dieser Vorlage will der Bundesrat die Voraussetzungen für die ordnungsgemässe Deklaration anpassen, um zu erreichen, dass bei lediglich fahrlässiger Nichtdeklaration die Verrechnungssteuer trotzdem zurückerstattet wird.

Im Rahmen dieser Vorlage wird zusätzlich die gesetzliche Grundlage für ein Meldeverfahren für steuerbare Naturalgewinne geschaffen. Die Verrechnungssteuerpflicht bei Naturalgewinnen wird mit dem Bundesgesetz vom 29. September 20172 über Geldspiele (Geldspielgesetz, BGS) eingeführt3, indem die Beschränkung der Steuerpflicht auf Geldtreffer wegfällt. Gegen das Geldspielgesetz ist das Referendum zustande gekommen. Die Abstimmung findet am 10. Juni 2018 statt. Falls das Geldspielgesetz vom Volk abgelehnt wird, erübrigt sich die Einführung eines Meldeverfahrens für Naturalgewinne.

1.1.1

Geltendes Recht

Die Verrechnungssteuer ist eine vom Bund an der Quelle (bspw. bei einer Bank oder einer Aktiengesellschaft) erhobene Steuer. Sie wird auf nachfolgenden Leistungen erhoben (Steuerobjekt):

1 2 3

­

Kapitalerträge: Ertrag des beweglichen Kapitalvermögens wie bspw. Zinsen oder Dividenden.

­

Lotteriegewinne: Dazu gehören Geldgewinne ab 1000 Franken aus Lotterien, gewerbsmässigen Wetten und lotterieähnlichen Veranstaltungen. Inskünftig unterliegen Geld- und Naturalgewinne aus einkommensteuerpflichtigen Geldspielen ab 1 Million Franken sowie aus Lotterien und GeschickSR 642.21 BBl 2017 6246 Vgl. Botschaft vom 21. Oktober 2015 zum Geldspielgesetz, BBl 2015 8387, hier 8516

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lichkeitsspielen zur Verkaufsförderung ab einem Wert von 1000 Franken der Verrechnungssteuer.

­

Bestimmte Versicherungsleistungen: Dazu gehören unter bestimmten Voraussetzungen Kapitalleistungen aus Lebensversicherungen, Leibrenten sowie Pensionen.

Erhebung der Verrechnungssteuer: Die Verrechnungssteuer wird im sogenannten Selbstveranlagungsverfahren erhoben. Die Schuldnerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistungen (bspw. eine Bank oder eine Aktiengesellschaft) nimmt die Veranlagung selbst vor, indem sie den Sachverhalt ermittelt und deklariert, die Steuer berechnet und den Steuerbetrag unaufgefordert der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) entrichtet. Das Gesetz geht vom Grundsatz der Entrichtung (Ablieferung an ESTV) und Überwälzung (Auszahlung des Nettobetrags an den Empfänger oder die Empfängerin) der Verrechnungssteuer aus. Die zuständige Behörde nimmt stichprobenweise Kontrollen und allenfalls Berichtigungen vor.

Der Empfänger oder die Empfängerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung (bspw. eine Inhaberin eines Bankkontos oder ein Aktionär) erhält nur den um die Verrechnungssteuer gekürzten Nettobetrag (i.d.R. 65 %) ausbezahlt (Entrichtung und Überwälzung). Ist das Meldeverfahren zulässig, so muss die Schuldnerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung die Verrechnungssteuer nicht an die ESTV überweisen und auch nicht auf den Empfänger oder die Empfängerin dieser Leistung überwälzen. Vielmehr meldet sie der Steuerbehörde den steuerpflichtigen Sachverhalt und zahlt die verrechnungssteuerbelastete Leistung ungekürzt (100 %) aus. Das Meldeverfahren ist derzeit gemäss den Artikeln 19 und 20 VStG für bestimmte Kapitalerträge und für Versicherungsleistungen gesetzlich vorgesehen, nicht aber für die mit dem Geldspielgesetz neu steuerbaren Naturalgewinne aus Gewinnspielen.

Vereinfachte Darstellung: Erhebung der Verrechnungssteuer Abliefern und Überwälzen

Auszahlung Nettobetrag

Meldeverfahren

Empfänger der verrechnungssteuerbelasteten Leistung

65 %

100 %

Auszahlung Bruttobetrag

Schuldner der steuerbaren Leistung Ablieferung 35 % der Steuer

0 % Meldung

ESTV Weiterleitung der Steuer

Weiterleitung der Meldung

Kanton

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Der Steuersatz der Verrechnungssteuer beträgt 35 Prozent auf Kapitalerträgen und Geldgewinnen aus Lotterien, 15 Prozent auf Leibrenten und Pensionen sowie 8 Prozent auf sonstigen Versicherungsleistungen.

Rückerstattung der Verrechnungssteuer: In der Schweiz ansässige Empfängerinnen und Empfänger der verrechnungssteuerbelasteten Leistung, die die Einkommensund Vermögenssteuererklärung korrekt ausfüllen, haben einen Anspruch auf vollständige Rückerstattung der Verrechnungssteuer, sofern sie die übrigen Voraussetzungen erfüllen (Recht zur Nutzung sowie rechtzeitiger Antrag). Die Steuer bezweckt für inländische natürliche Personen damit die Sicherung der Einkommensund Vermögenssteuern. Die Empfängerinnen und Empfänger der verrechnungssteuerbelasteten Leistung sollen veranlasst werden, den zuständigen Veranlagungsbehörden die verrechnungssteuerbelasteten Einkünfte und Vermögen (bspw. ein Bankkonto und den darauf entfallenden Zins) offenzulegen und dadurch eine korrekte Besteuerung mittels Einkommens- und Vermögenssteuer sicherzustellen (Sicherungszweck der Verrechnungssteuer). Bei nicht ordnungsgemässer Deklaration verwirkt der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer. Die Verrechnungssteuer als Sicherungssteuer mutiert zur sog. Defraudantensteuer und somit zur definitiven Steuerbelastung.

Zuständig für die Rückerstattung der Verrechnungssteuer an natürliche Personen ist die kantonale Steuerbehörde. In vielen Kantonen wird die Rückerstattung der Verrechnungssteuer im selben Verfahren wie die Veranlagung der Einkommens- und Vermögenssteuer geprüft.

Bei der Erhebung der Einkommens- und Vermögenssteuer gilt das sogenannte gemischte Veranlagungsverfahren. Die Steuerbehörden haben den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären, die Steuerpflichtigen tragen aber Mitwirkungspflichten (sog. Kooperationsmaxime). Die Steuergesetze verlangen, dass die Deklaration vollständig und richtig ist, sodass die Steuerbehörde gestützt darauf die korrekte Veranlagung vornehmen kann. Die Steuerbehörde muss davon ausgehen können, dass die eingereichte Steuererklärung den Tatsachen entspricht und vollständig ist.

Bei Nachfragen müssen die steuerpflichtigen Personen die nötigen Auskünfte erteilen. Trifft dies alles zu, so hat die steuerpflichtige Person ihre Pflichten erfüllt. Erst gestützt auf den so erstellten
Sachverhalt wendet die Steuerbehörde das Recht von Amtes wegen an und legt die steuerbaren Faktoren sowie den Steuerbetrag der Einkommens- und Vermögenssteuer in der Veranlagungsverfügung fest.

Der Antrag auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer wird in der Regel zusammen mit der Abgabe der Steuererklärung eingereicht. Er muss spätestens drei Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die verrechnungssteuerbelastete Leistung fällig geworden ist, gestellt werden (Art. 32 Abs. 1 VStG). Wird die Verrechnungssteuer erst aufgrund einer Beanstandung der ESTV entrichtet und überwälzt, so kommt nach Ablauf der Frist von drei Jahren Artikel 32 Absatz 2 VStG zur Anwendung, wonach eine neue 60-tägige Frist für den Antrag gilt.

Beispiel: Die kantonale Steuerbehörde entdeckt anlässlich einer Buchprüfung im Jahr 2017 bei einer Aktiengesellschaft (AG), dass ein Darlehen des Aktionärs seit 2012 zu hoch verzinst wurde. Sie rechnet die geschäftsmässig nicht begründeten Zinsen bei der AG zum steuerbaren Gewinn. Die zu hohen Zinsen unterliegen als

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verdeckte Gewinnausschüttung ebenfalls der Verrechnungssteuer. Beim Aktionär unterliegen die umqualifizierten Einkünfte als Vermögensertrag der Einkommenssteuer. Da die drei Jahre für die Antragsstellung bereits abgelaufen sind, kann der Aktionär noch innerhalb von 60 Tagen nach der Entrichtung der Verrechnungssteuer den Antrag auf Rückerstattung stellen.

Die Pflichten zur ordnungsgemässen Deklaration als Voraussetzung für die Rückerstattung der Verrechnungssteuer ergeben sich aus den Artikeln 124 Absatz 2 und 125 DBG.4 Diese Grundsätze gelten auch für die Zwecke von Artikel 23 VStG. Eine ordnungsgemässe Deklaration liegt demnach vor, wenn der Empfänger oder die Empfängerin die verrechnungssteuerbelasteten Einkünfte und das entsprechende Vermögen vollständig und fristgerecht in der nächstfolgenden Steuererklärung nach Fälligkeit der Leistung deklariert. Konkreter ist der Begriff der ordnungsgemässen Deklaration im Gesetz nicht geregelt. Entsprechend musste er in der Praxis und durch das Bundesgericht ausgelegt werden. Die Auslegung wurde im Verlauf der Zeit mehrmals präzisiert.5 Dies hatte zur Folge, dass eine Nachdeklaration ohne Verwirkungsfolgen nur noch eingeschränkt möglich ist. Per 2014 hat die ESTV mit ihrem Kreisschreiben Nr. 40 vom 11. März 2014, Verwirkung des Anspruchs von natürlichen Personen auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer gemäss Artikel 23 VStG (nachfolgend KS 40), das vorher geltende Kreisschreiben ersetzt und damit die präzisierte Auslegung des Bundesgerichts übernommen. Es gilt Folgendes: Nachdeklaration durch den Empfänger oder die Empfängerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung Begriff

ordnungsgemäss?

Rechtsfolge

Eine Nachdeklaration kann spontan oder nach einer Intervention der Steuerbehörde erfolgen.

Eine spontane Nachdeklaration liegt vor, wenn sie aus eigenem Antrieb des Empfängers oder der Empfängerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung erfolgt.

Beispiel: Die Empfängerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung entdeckt kurz nach der Abgabe der Steuererklärung, dass sie ein Bankkonto nicht angegeben hat, und holt dies nach.

Unter Intervention der Steuerbehörde wird eine Anfrage, Rückfrage, Anordnung oder dergleichen verstanden.

Die Deklaration ist ordnungsgemäss, wenn die Nachdeklaration spontan erfolgte und keine Hinterziehungsabsicht vorliegt.

Hinterziehungsabsicht ist zu bejahen, wenn der Empfänger oder die Empfängerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung gegenüber der Steuerbehörde die entsprechenden Einkommens- oder Vermögensbestandteile nicht in der Steuererklärung deklarierte, um einer Erfassung der Leistung durch die Einkommens- und Vermögenssteuer zu entgehen.6 Erfolgt die Nachdeklaration nach

Bei einer spontanen Nachdeklaration (etwa anlässlich der Kontrolle der Veranlagungsverfügung) vor der Veranlagung ohne Hinterziehungsabsicht verwirkt der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer nicht (nachträgliche Erfüllung der Deklarationspflicht). In allen übrigen Fällen tritt die Verwirkung ein.7 Vor den präzisierenden Urteilen des Bundesgerichts war eine Rückerstattung bisweilen auch im Falle einer Intervention durch die Steuerbehörde möglich.

4 5 6 7

Urteil des Bundesgerichts vom 16. September 2015, 2C_85/2015, Erwägungen 2.3 f.

Urteile des Bundesgerichts vom 11. Oktober 2011, 2C_95/2011 und vom 16. Januar 2013, 2C_80/2012.

KS 40 Ziff. 3.1 mit Verweis auf das Urteil des Bundesgerichts vom 4. Dezember 1996, publ. im Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 66, 166.

Urteil des Bundesgerichts vom 23. Mai 2016, 2C_322/2016, Erwägungen 3.2.1 f.

2331

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Begriff

ordnungsgemäss?

Beispiel: Die Steuerbehörde entdeckt bei einer Kontrolle der Steuererklärung, dass der Empfänger der verrechnungssteuerbelasteten Leistung zwar ein Aktienportfolio, aber keine Dividenden deklariert hat. Auf Nachfrage hin liefert die steuerpflichtige Person diese Angaben nach.

einer Intervention der Steuerbehörde, so liegt keine ordnungsgemässe Deklaration vor.

Rechtsfolge

Aufrechnung durch die Steuerbehörde aus eigener Feststellung Begriff

ordnungsgemäss?

Rechtsfolge

Feststellungen, die zu einer Aufrechnung führen, kann die Steuerbehörde aus früheren Steuererklärungen, anderen ihr bekannten Umständen oder etwa einer Buchprüfung bei der Gesellschaft gewinnen. Dies ist insbesondere bei geldwerten Leistungen der Fall. Eine geldwerte Leistung ist steuerbares Einkommen des Begünstigten (wie eine Gewinnausschüttung) und wird von der Steuerbehörde deshalb als zusätzliches Einkommen bei der Einkommenssteuer aufgerechnet.

Bei der Gesellschaft hat die geldwerte Leistung analoge Folgen: Sie wird dem steuerbaren Gewinn hinzugerechnet, womit sich die Bemessungsgrundlage für die Gewinnsteuern erhöht. Da die Gesellschaft Gewinne (verdeckt) ausschüttet, unterliegt der Betrag der geldwerten Leistung auch der Verrechnungssteuer, die auf den Aktionär oder die Aktionärin zu überwälzen ist.

Beispiel: Die Steuerbehörde entdeckt bei der Buchprüfung einer AG die Abrechnung eines Privataufwands von 3000 Franken über die AG. Entsprechend korrigiert sie den Gewinn bei der AG um 3000 Franken nach oben.

Zugleich nimmt sie bei der Einkommenssteuer des Empfängers eine Aufrechnung im selben Umfang vor. Schliesslich unterliegen die 3000 Franken auch der Verrechnungssteuer.

Eine Aufrechnung durch die Steuerbehörde aus eigener Feststellung stellt nie eine ordnungsgemässe Deklaration dar.

Der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer ist verwirkt. Vor den präzisierenden Urteilen des Bundesgerichts war eine Rückerstattung bisweilen noch möglich.

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rechnerische Korrektur Begriff

ordnungsgemäss?

Rechtsfolge

Eine rechnerische Korrektur liegt vor, wenn deklarierte Erträge durch die Steuerbehörde angepasst werden. Das ist etwa der Fall bei Schreibfehlern, der Deklaration von Netto- statt Bruttoerträgen, der Anpassung von privaten Unkostenanteilen der Beteiligungsinhaberin oder des Beteiligungsinhabers an den geschäftsmässig begründeten Umfang, Bewertungsdifferenzen usw.

Bei einer rechnerischen Korrektur ist die ordnungsgemässe Deklaration zu bejahen.

Keine Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs.8

Kann das Meldeverfahren angewendet werden, so erübrigt sich eine Rückerstattung der Verrechnungssteuer an den Empfänger oder die Empfängerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung. Stellt sich allerdings heraus, dass die gemeldeten verrechnungssteuerbelasteten Leistungen nicht ordnungsgemäss deklariert wurden, muss die Verrechnungssteuer nacherhoben werden.

Gegen einen negativen Entscheid betreffend Rückerstattung der Verrechnungssteuer kann innerhalb von 30 Tagen Einsprache bei der kantonalen Steuerbehörde eingelegt werden. Gegen den Einspracheentscheid steht sodann die Beschwerde vor einer kantonalen Gerichtsinstanz und schliesslich vor Bundesgericht offen.

1.1.2

Reformbedarf

Rückerstattung der Verrechnungssteuer Die geltende Rechtslage zur Rückerstattung der Verrechnungssteuer wird aus Kreisen sowohl der Politik als auch der Wirtschaft und der Wissenschaft kritisiert.

Folgende parlamentarische Vorstösse zum Thema sind derzeit hängig: ­

8

Am 29. September 2016 reichte Nationalrätin Daniela Schneeberger die Motion «Keine Verwirkung der Verrechnungssteuer» (16.3797) ein, in der verlangt wird, «das Verrechnungssteuergesetz sei so anzupassen, dass in der Schweiz ansässige, natürliche Personen die Verrechnungssteuer-Rückerstattung wegen versehentlichem oder fahrlässigem Nicht- oder Falschdeklarieren nicht verwirken, solange gewährleistet ist, dass die mit der Verrechnungssteuer belasteten Vermögenserträge besteuert werden.» Mit Beschluss vom 23. November 2016 beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion, da er es als notwendig erachtete, den Zeitraum für die Nachdeklaration einzuschränken. Er anerkannte indes den Handlungsbedarf und beauftragte

KS 40, Ziff. 3.2

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das EFD, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten. Die Motion wird voraussichtlich in der Frühjahrssession 2018 im Nationalrat behandelt.

­

Die parlamentarische Initiative von Nationalrat Luzi Stamm vom 30. September 2016 «Verrechnungssteuergesetz. Gemischtes Verfahren» (16.474) verlangt sinngemäss das Gleiche wie die Motion Schneeberger. Die Initiative befindet sich im Vorprüfungsverfahren in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates hat der Initiative am 23. Oktober 2017 Folge gegeben.

Einzelne Autorinnen und Autoren aus der Wissenschaft bringen unter Berufung auf die Konvention vom 4. November 19509 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK) und die dazu ergangene Rechtsprechung vor, dass es sich bei der Verwirkung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer um eine Strafe im rechtlichen Sinne handle.10 Entsprechend müssten die strafrechtlichen Verfahrensgarantien eingehalten werden, und es gelte der Grundsatz des Verbots der doppelten Bestrafung. Diese Autorinnen und Autoren erblicken einen Verstoss gegen diesen Grundsatz in der Kumulation der nicht zurückerstatteten Verrechnungssteuer und der zu entrichtenden Einkommenssteuer.

Das Bundesgericht hat bisher offengelassen, ob für die Verwirkung des Anspruchs auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer ein dem Empfänger oder der Empfängerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung vorwerfbares Verhalten erforderlich ist. Es hält allerdings fest, dass einfache Fahrlässigkeit genügen würde, wenn ein Verschulden erforderlich sein sollte.11 In ständiger Rechtsprechung hält es fest, «dass der Rechtsverlust nach Artikel 23 VStG nicht als Strafe anzusehen ist bzw.

nicht primär der «Bestrafung» des Steuerpflichtigen dient. Stattdessen hat es [das Bundesgericht] den Sicherungszweck der Verrechnungssteuer in den Vordergrund gestellt (...).»12 Der Bundesrat will den Sicherungszweck der Verrechnungssteuer aufrechterhalten.

Gleichzeitig stellt die vorliegende Neuerung sicher, dass die Einkommens- und die Verrechnungssteuer bei fahrlässigen Nichtdeklarationen nicht kumulativ anfallen.

Damit wird der Kritik aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Rechnung getragen.

Meldeverfahren für steuerbare Naturalgewinne Naturalgewinne aus Gewinnspielen unterliegen mit dem Geldspielgesetz unter bestimmten Voraussetzungen der Verrechnungssteuer. Es ist zu regeln, wie die Umsetzung dieser neuen Bestimmungen zu erfolgen hat. Um einen administrativ möglichst einfachen Vollzug zu gewährleisten, wird mit dieser Vorlage das Meldeverfahren für die neu steuerbaren Naturalgewinne eingeführt.

9 10 11 12

SR 0.101 Vgl. z. B. Daniel Holenstein / Julia von Ah, Kreisschreiben ESTV Nr. 40 ­ nach dem Öffnen der Büchse der Pandora bleibt nur die Hoffnung, in: ASA 85, 609 ff.

Statt vieler: Urteil des Bundesgerichts vom 16. September 2015, 2C_85/2015, Erwägung 2.5.

Urteil des Bundesgerichts vom 13. Dezember 2004, 2A.299/2004, in: ASA 75, 417, Erwägung 4.2.1.

2334

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1.2

Die beantragte Neuregelung

1.2.1

Rückerstattung der Verrechnungssteuer

Die Neuerung sieht vor, dass eine ordnungsgemässe Deklaration nicht nur wie bisher vorliegt bei: ­

einer Deklaration in der Steuererklärung,

­

einer rechnerischen Korrektur, oder

­

einer spontanen Nachdeklaration durch den Empfänger oder die Empfängerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung,

sondern neu möglich ist bei: ­

einer Deklaration in der Steuererklärung,

­

einer rechnerischen Korrektur,

­

einer Nachdeklaration durch den Empfänger oder die Empfängerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung (spontan oder nach einer Intervention der Steuerbehörde), oder

­

einer Aufrechnung der nichtdeklarierten Einkünfte oder Vermögen durch die Steuerbehörde aus eigener Feststellung.

Bei sämtlichen Nachdeklarationen und Aufrechnungen muss die Nichtdeklaration fahrlässig erfolgt sein. Sind die übrigen Voraussetzungen ebenfalls erfüllt, so gilt die Deklaration als ordnungsgemäss und der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer ist nicht verwirkt. Von der Neuregelung unberührt bleiben die rechtlichen Grundlagen zur Einleitung und Durchführung von Strafverfahren wegen versuchter vorsätzlicher Steuerhinterziehung.

Bei Nachdeklaration bzw. Aufrechnung nach Ablauf der Einsprachefrist ist der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer ­ mit Ausnahme der rechnerischen Korrektur ­ verwirkt.

Mit dieser Regelung wird erreicht, dass die Einkommens- und die Verrechnungssteuer bei fahrlässigen Nichtdeklarationen nicht kumulativ anfallen.

2335

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Vereinfachte Übersicht der Rückerstattungsberechtigung natürlicher Personen im Inland bei fehlender Deklaration in der Steuererklärung gemäss Neuerung Wie werden die in der Steuererklärung nicht deklarierten verrechnungssteuerbelasteten Leistungen mit der Einkommenssteuer erfasst?

ja

verwirkt

nein

Stellte die Nichtdeklaration eine strafbare versuchte Steuerhinterziehung der Einkommenssteuer dar?

durch Aufrechnung der Steuerbehörde durch Nachdeklaration nach einer Nachfrage der Steuerbehörde durch spontane Nachdeklaration durch rechnerische Korrektur

(unter Beachtung von Artikel 32 VStG)

gar nicht Abgabe Steuererklärung / Veranlagung

1.2.2

Rückerstattungsanspruch nicht verwirkt

Einsprachefrist

Verfahrensschritt auf der Zeitachse Bundesgericht

Meldeverfahren für steuerbare Naturalgewinne

Mit dem neuen Geldspielgesetz unterliegen einkommenssteuerpflichtige Naturalgewinne aus inländischen Geldspielen auch der Verrechnungssteuer (nArt. 6 Abs. 1 VStG [geändert mit BGS]). Hierbei handelt es sich um Naturalgewinne von über 1 Million Franken (Steuerfreibetrag) aus der Teilnahme an Grossspielen, d. h. Lotterien, Sportwetten und grossen Geschicklichkeitsspielen, die je automatisiert, interkantonal oder online durchgeführt werden, sowie aus der Teilnahme an OnlineSpielbankenspielen, die nach Geldspielgesetz zugelassen sind. Verrechnungssteuerpflichtig werden neu auch Naturalgewinne aus inländischen Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung, wenn ihr Wert 1000 Franken (Steuerfreigrenze) übersteigt (nArt. 6 Abs. 2 VStG [geändert mit BGS]).

Für die neben der Einkommenssteuer inskünftig auch der Verrechnungssteuer unterliegenden Geld- und Naturalgewinne aus Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung wird das Meldeverfahren neu eingeführt. Dies ist aus administrativen Gründen nötig, um eine sogenannte «Aufrechnung ins Hundert» und damit eine Überbewertung der Leistung zu verhindern: Dabei würde der ausgeschüttete (Brutto-)Betrag bzw. der entsprechende Wert des Naturalgewinns als Nettobetrag der Leistung (65 %) betrachtet und die Verrechnungssteuer von dem entsprechend höheren Nettobetrag ausgehend berechnet.

Beispiel: Gewinnt jemand ein Fahrzeug im Wert von 50 000 Franken, so müsste der Veranstalter 35 % von 50 000 Franken als Verrechnungssteuer der ESTV abliefern.

Da sich ein Naturalgewinn nicht wie ein Geldgewinn teilen lässt, wäre eine Aufrechnung ins Hundert erforderlich. Der Wert des Naturalgewinns würde hierbei als Nettowert (65 %) qualifiziert. Wird der Wert des Fahrzeugs von 50 000 Franken als Nettowert auf 100 % aufgerechnet, so ergibt sich ein Bruttowert von knapp 77 000 Franken. Die vom Veranstalter der ESTV zu entrichtende Verrechnungssteuer beliefe sich damit auf fast 27 000 Franken, und der Gesamtgewinn würde nun 2336

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77 000 Franken betragen. Dies entspricht nicht dem tatsächlich ausgerichteten Gewinn. Wird im Vergleich dazu jedoch ein Bargewinn von 50 000 Franken ausgerichtet, so kann von diesem Betrag die Verrechnungssteuer abgezogen werden, und eine Aufrechnung ins Hundert entfällt. Der ausbezahlte Nettogewinn würde in diesem Fall 32 500 Franken und die zu entrichtende Verrechnungssteuer 17 500 betragen.

Mit dem vorgesehenen Meldeverfahren für Naturalgewinne erfüllt der Veranstalter seine Steuerpflicht, indem er der ESTV die erforderlichen Angaben über das Gewinnspiel und die Gewinnerinnen und Gewinner macht.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Vernehmlassung

Die vom Bundesrat vom 28. Juni bis 19. Oktober 2017 durchgeführte Vernehmlassung zeigte eine breite Zustimmung zur Zielsetzung der Vorlage. Gegen die Ansicht des Bundesrates, dass die Rückerstattung der Verrechnungssteuer bei vorsätzlichem Hinterziehungsversuch oder bei vollendeter Steuerhinterziehung nicht gewährt werden darf, wurde im Rahmen der Vernehmlassung grundsätzlich kein Einwand erhoben. Einigen Teilnehmenden ging der Vorschlag allerdings zu wenig weit oder sie kritisierten einzelne Punkte:13

13

­

Frist zur Nachdeklaration: Zwei Parteien, drei Kantone, zehn Organisationen und zwei Privatpersonen forderten eine längere Frist als den vom Bundesrat vorgeschlagenen Ablauf der Einsprachefrist zur Veranlagungsverfügung. Es sei nicht sichergestellt, dass die Doppelbelastung durch die anfallende Einkommenssteuer und die Verweigerung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer ausgeschlossen wird.

­

Zusammenhang zwischen der Verweigerung der Rückerstattung und einem Strafverfahren wegen Hinterziehungsversuchs: Der Bundesrat hatte in der Vernehmlassungsvorlage erläutert, dass das Rückerstattungsverfahren zu sistieren ist, wenn die Rückerstattung der Verrechnungssteuer aufgrund eines vermuteten Hinterziehungsversuchs verweigert werden soll. Die Kantone sollten sodann den Ausgang des Verfahrens wegen Hinterziehungsversuchs abwarten und im Anschluss daran gestützt auf dieses Urteil die Rückerstattung der Verrechnungssteuer gewähren oder verweigern (versuchte Steuerhinterziehung). Eine Reihe von Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern äussert Bedenken zur Praxistauglichkeit der vom Bundesrat vorgeschlagenen Lösung (die meisten Kantone, eine Partei, die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren [FDK], die Schweizerische Steuerkonferenz [SSK] und drei Organisationen). Eine Sistierung sei auch verfahrensökonomisch nicht sinnvoll, da sich so das ganze Veranlagungsverfahren verzögere.

Der Ergebnisbericht kann eingesehen werden unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2017 > EFD.

2337

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Die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung werden nachfolgend gewürdigt. Die Stellungnahmen betreffend die Übergangsbestimmung sind in Ziffer 1.4 aufgenommen.

Zum Meldeverfahren für steuerbare Naturalgewinne wurde kein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt. Die interessierten Kreise konnten jedoch zum Geldspielgesetz Stellung nehmen.14 Das Meldeverfahren regelt bloss die Umsetzung der neu verrechnungssteuerpflichtigen Naturalgewinne. Es führt zu einer administrativen Vereinfachung für alle Beteiligten. Von einer Vernehmlassung wären keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Die Voraussetzungen für einen Verzicht auf eine Vernehmlassung sind somit erfüllt (Art. 3 Abs. 1 Bst. b i.V.m. Art. 3a Abs. 1 Bst. b des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200515).

1.3.2

Würdigung und Begründung

Trotz Nichtdeklaration verrechnungssteuerbelasteter Einkünfte in der Steuererklärung soll die Rückerstattung der betroffenen Verrechnungssteuer nicht in jedem Fall ausgeschlossen sein. Die Neuregelung präzisiert deshalb die in Artikel 23 VStG statuierte Voraussetzung der ordnungsgemässen Deklaration. Die Präzisierung umfasst zwei Aspekte, nämlich den Zeitpunkt der Nachdeklaration (bis zum Ablauf der Einsprachefrist) und die Motivation der Nichtdeklaration.

Zu den in der Vernehmlassung kritisierten Punkten hält der Bundesrat Folgendes fest: ­

14 15 16

Frist zur Nachdeklaration: In der Vernehmlassung wurde teils gefordert, dass eine Nachdeklaration oder Aufrechnung bis zur Rechtskraft der Einkommens- und Vermögenssteuerveranlagung zuzulassen sei. Dies ist aus folgenden Gründen abzulehnen: Die steuerpflichtige Person ist gehalten, die Veranlagungsverfügung zu prüfen. Sie muss aufgrund ihrer Sorgfalts- und Deklarationspflicht eine Nichtdeklaration erkennen und das Versäumte nachdeklarieren. Die Möglichkeit zur Nachdeklaration während der Einsprachefrist erlaubt es, die bei der Deklaration verletzte Sorgfalts- und Deklarationspflicht zu «heilen». Die steuerpflichtige Person, die ihren Pflichten auch bei der Prüfung der Veranlagung nicht nachkommt, nimmt eine unvollständige Veranlagung in Kauf. Damit ist die Nichtdeklaration nicht mehr fahrlässig, sondern eventualvorsätzlich.16 Dass die (eventual)vorsätzliche Nichtdeklaration zur Verwirkung der Rückerstattung führen soll, wird durch das Vernehmlassungsergebnis gestützt. Entsprechend ist eine Befristung der Nachdeklaration bis zum Ablauf der Einsprachefrist sachgerecht.

Der Ergebnisbericht kann eingesehen werden unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2014 > EJPD.

SR 172.061 Zum Begriff vgl. BGE 133 IV 1, E. 4.1.

2338

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­

Zusammenhang zwischen der Verweigerung der Rückerstattung und einem Strafverfahren wegen Hinterziehungsversuchs: Die innerhalb der kantonalen Steuerverwaltung für die Rückerstattung der Verrechnungssteuer zuständige Verwaltungseinheit soll eigenständig und ohne Präjudiz für ein allfälliges Strafverfahren die Rückerstattung prüfen und darüber entscheiden. Dafür ist weder die Eröffnung eines Strafverfahrens noch eine allfällige Strafverfügung notwendig.

Die Prüfung, ob ein solches Strafverfahren einzuleiten ist, obliegt der dafür zuständigen Verwaltungseinheit der kantonalen Steuerverwaltung. Bestehen klare Anzeichen für eine fahrlässige Nichtdeklaration, so darf kein Strafverfahren wegen Hinterziehungsversuchs eingeleitet werden, da kein strafrechtlicher Vorwurf im Raum steht. Ein Strafverfahren ist auch nicht einzuleiten, wenn die Verrechnungssteuerbehörde im Massenverfahren zuerst die Rückerstattung verweigert hat, aufgrund der Einsprache der steuerpflichtigen Person gegen die Verweigerung aber zum Schluss kommt, dass die Verweigerung zu Unrecht erfolgte. In diesem Fall wird die Rückerstattung der Verrechnungssteuer durch die Gutheissung der Einsprache doch gewährt. Nur wenn wegen Verdachts auf vorsätzliche Hinterziehung ein Strafverfahren eröffnet wird, ist das Einspracheverfahren betreffend die Rückerstattung der Verrechnungssteuer aus rechtlichen und verfahrensökonomischen Gründen zu sistieren, bis im Strafverfahren die Frage des Vorsatzes geklärt ist. Dieses Vorgehen stützt sich auf die bestehenden Verfahrensregeln und Grundsätze des DBG und des Strafrechts.

1.3.3

Auswirkungen

Die Neuerung führt dazu, dass:

17

­

in den meisten Fällen von Fahrlässigkeit die Rückerstattung der Verrechnungssteuer gewährt wird.

­

der Sicherungszweck der Verrechnungssteuer erhalten bleibt, d. h. die Aussicht auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer motiviert zur Deklaration der entsprechenden Einkünfte. Damit ist das Steueraufkommen bei der Einkommens- und Vermögenssteuer von Bund, Kantonen und Gemeinden weiterhin gesichert.

­

das Meldeverfahren, insbesondere bei geldwerten Leistungen, vermehrt zur Anwendung gelangt: Ergibt sich gemäss der Neuregelung, dass eine Deklaration ordnungsgemäss war, kann die Schuldnerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung das Meldeverfahren beantragen. Erfüllt sie alle übrigen Voraussetzungen, muss die Verrechnungssteuer demnach nicht nachträglich entrichtet werden (Art. 20 VStG und Art. 24 der Verrechnungssteuerverordnung vom 19. Dezember 196617).

SR 642.211

2339

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1.4

Umsetzung

Die Umsetzung der Neuerung erfolgt durch die Kantone. Sie prüfen im Rahmen der Einkommens- und Vermögensveranlagung die ordnungsgemässe Deklaration nach Artikel 23 VStG zusammen mit dem Rückerstattungsantrag. Der Bund übt die Oberaufsicht aus und prüft die korrekte Anwendung des Rechts durch die kantonalen Steuerbehörden.

1.4.1

Übergangsrecht

In der Vernehmlassung hatte der Bundesrat vorgeschlagen, die Anpassung in Artikel 23 VStG auf Einkünfte anzuwenden, die im Kalenderjahr vor Inkrafttreten der Neuerung fällig werden. Verschiedene Teilnehmer begrüssten die vorgeschlagene Übergangsregelung (eine Partei, 16 Kantone, SSK und FDK). Insbesondere zwei Parteien, fünf Kantone, elf Organisationen aus der Wirtschaft und drei Einzelpersonen waren demgegenüber der Meinung, dass die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung zu restriktiv sei.

Der Bundesrat trägt dieser Kritik Rechnung und sieht deshalb vor, dass die Neuerung auf alle Einkommenssteuerveranlagungen anzuwenden ist, bei denen die Einsprachefrist bei Inkrafttreten der Neuerung noch nicht abgelaufen ist. Damit können bei noch laufender Veranlagung auch Leistungen, die mehrere Jahre vor Inkrafttreten entstanden sind, unter die Neuerung fallen.

1.4.2

Inkrafttreten

Es ist vorgesehen, dass der Bundesrat das Inkrafttreten bestimmt. Aus veranlagungstechnischen Gründen ist ein Inkrafttreten per 1. Januar angezeigt. Damit würde die Neuregelung frühestens per 1. Januar 2020 in Kraft treten können.

Sollte das Parlament ein Inkrafttreten bereits per 1. Januar 2019 anstreben, müsste wie folgt vorgegangen werden: ­

Die Revision müsste in der Herbstsession 2018 vom Parlament verabschiedet werden.

­

Zudem müsste der in der Vorlage enthaltene Absatz 3 der Inkraftsetzungsbestimmung durch folgende Absätze ersetzt werden: «3 Steht am 31. Januar 2019 fest, dass gegen das Gesetz kein Referendum zustande gekommen ist, so treten die übrigen Bestimmungen rückwirkend auf den 1. Januar 2019 in Kraft.

4 Andernfalls bestimmt der Bundesrat das Inkrafttreten der übrigen Bestimmungen.»

Damit könnte die Neuerung per 1. Januar 2019 zur Anwendung gelangen, wenn kein Referendum ergriffen wird. Die rückwirkende Inkraftsetzung beträgt genau einen Monat und begründet sich einzig im Abwarten des Ablaufs der Referendumsfrist.

Obgleich bereits innerhalb dieser Frist gewisse Unsicherheiten bestehen können, 2340

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kann sie als massvoll bezeichnet werden. Eine weitergehende Rückwirkung, zum Beispiel bei einer längeren Beratungsdauer im Parlament, wäre hingegen aus Sicht des Bundesrates nicht vertretbar.

1.4.3

Meldeverfahren für steuerbare Naturalgewinne

Die Änderungen zum Meldeverfahren bei Naturalgewinnen hängen vom Inkrafttreten des neuen Geldspielgesetzes ab. Falls das Geldspielgesetz in der Volksabstimmung vom 10. Juni 2018 abgelehnt wird, erübrigt sich die Einführung eines Meldeverfahrens für Naturalgewinne. Wird das Geldspielgesetz in der Volksabstimmung angenommen, sollen die Bestimmungen zum Meldeverfahren zusammen mit dem Geldspielgesetz in Kraft treten.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Rückerstattung der Verrechnungssteuer

Art. 23

b. Verwirkung

Im französischen Text von Artikel 23 Absatz 1 werden lediglich redaktionelle Anpassungen vorgenommen.

Die in Artikel 23 Absatz 1 VStG erwähnte Deklarationspflicht als Voraussetzung für die Rückerstattung der Verrechnungssteuer bleibt unverändert bestehen. Sie stellt die Funktion der Verrechnungssteuer als Defraudantensteuer sicher.

Im neuen Absatz 2 wird der Begriff der ordnungsgemässen Deklaration präzisiert.

Die Präzisierung umfasst eine zeitliche (Frist zur Nachdeklaration) und eine auf die Motivation bezogene (Fahrlässigkeit18) Schranke. Im Umkehrschluss ergibt sich aus diesen präzisierenden Vorgaben, dass der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer verwirkt, wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind.

18

Zum Begriff vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 13. Dezember 2004, 2A.299/2004, Erwägung 4.3.

2341

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Art der Deklaration

ordnungsgemäss?

Rechtsfolge

Deklaration durch den Empfänger Eine Deklaration in der oder die Empfängerin der verSteuererklärung ist immer rechnungssteuerbelasteten Leisordnungsgemäss.

tung in der Steuererklärung (Art. 23 Abs. 1)

Keine Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs.

Nachdeklaration durch den Empfänger oder die Empfängerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung (spontan oder nach einer Intervention der Steuerbehörde) (Art. 23 Abs. 2 Bst. a)

Sind die Voraussetzungen 1 und 2 erfüllt, ist der Rückerstattungsanspruch nicht verwirkt.

Ist die Voraussetzung 1 nicht erfüllt, so tritt die Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs verschuldensunabhängig ein.

Dies ist Ausfluss der Verrechnungssteuer als Defraudantensteuer.

Ist die Voraussetzung 2 nicht erfüllt, so verwirkt der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer. Ist der Empfänger oder die Empfängerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung mit der Verweigerung der Rückerstattung nicht einverstanden, kann er oder sie gegen diesen Entscheid Einsprache erheben.

Aufrechnung der Steuerbehörde aus eigener Feststellung (Art. 23 Abs. 2 Bst. b)

Rechnerische Korrekturen (Art. 23 Abs. 1)

Die Nachdeklaration oder Aufrechnung gilt als ordnungsgemässe Deklaration, wenn: 1. sie vor Ablauf der Einsprachefrist erfolgte, wobei der abstrakte Fristenlauf massgebend ist, unabhängig davon, ob und wann eine Einsprache erhoben wird; und 2. die ursprüngliche Nichtdeklaration fahrlässig war. Keine Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Empfänger oder die Empfängerin gegenüber der Steuerbehörde die entsprechenden Einkommensoder Vermögensbestandteile vorsätzlich nicht in der Steuererklärung deklarierte, um einer Erfassung der Leistung durch die Einkommens- und Vermögenssteuer zu entgehen.

Eine rechnerische Korrektur Keine Verwirkung des beeinflusst die OrdnungsRückerstattungsanspruchs.

mässigkeit einer Deklaration nicht.

Steuerpflichtige, die ihre Veranlagung gewissenhaft prüfen, können damit eine Fahrlässigkeit noch wettmachen und die Verrechnungssteuer neu trotz mangelhafter Deklaration in der Steuererklärung zurückerhalten. Nach Ablauf der Einsprachefrist ist dies nicht mehr möglich.

An den Grundsätzen der Sachverhaltsermittlung im Bereich der Einkommens- und Vermögenssteuern ändert die Neuregelung nichts. Die Steuerbehörde ist nach wie vor zur Ermittlung des massgebenden Sachverhaltes von Amtes wegen verpflichtet und die steuerpflichtige Person hat ihren Mitwirkungspflichten nachzukommen.

2342

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Art. 70d

VI. Übergangsbestimmung zur Änderung vom ...

Gemäss der Übergangsbestimmung ist die Neuerung auf mit der Verrechnungssteuer belastete Einkünfte anwendbar, bei denen die Einsprachefrist zur Veranlagung noch nicht abgelaufen ist. Dabei ist der abstrakte Fristenlauf massgebend. Es ist also unerheblich, ob und wann Einsprache erhoben wird, sofern die Einsprachefrist noch läuft.

2.2

Meldeverfahren für steuerbare Naturalgewinne

Art. 11 Abs. 1 und 38 Abs. 2 In diesen Bestimmungen wird zusätzlich auf den neuen Artikel 20a verwiesen. Die Bestimmungen werden zudem redaktionell angepasst.

Art. 16 Abs. 2bis Bst. abis Für steuerbare Naturalgewinne soll auch bei verspäteter Meldung kein Verzugszins erhoben werden. Artikel 16 Absatz 2bis wird hierfür mit einem Buchstaben abis ergänzt.

Art. 20 Abs. 3 Diese Anpassung stellt klar, dass bei den Meldeverfahren für Kapitalerträge (in Kraft seit 15. Februar 2017) auch bei Nichteinhalten der Meldefrist ­ diese beträgt gemäss den Ausführungsbestimmungen zum Gesetz in der Regel 30 Tage nach Fälligkeit des Ertrags ­ das Meldeverfahren anwendbar bleibt. Die Verrechnungssteuer wird also nicht nachträglich erhoben und überwälzt. Es ist weiterhin kein Verzugszins geschuldet. Die Norm enthält im geltenden Recht einen Bussenvorbehalt nach Artikel 64. Der Vorbehalt ist an dieser Stelle irreführend, da er keinen Vorbehalt zur Gewährung des Meldeverfahrens darstellt. Er wird deshalb gestrichen und durch eine Präzisierung in Artikel 64 ersetzt. Damit wird festgehalten, dass eine solche Fristverletzung keine Steuerhinterziehung nach Artikel 61, sondern eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Es handelt sich somit nur um eine formelle Anpassung der Bestimmung.

Art. 20a

3. Bei Naturalgewinnen aus Geldspielen sowie aus Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung

Mit dem neuen BGS unterliegen Geld- und Naturalgewinne aus einkommenssteuerpflichtigen Geldspielen ab 1 Million Franken (Steuerfreibetrag) und aus Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung ab 1000 Franken (Steuerfreigrenze) der Verrechnungssteuer. Die Erhebung der Verrechnungssteuer auf Naturalgewinnen soll ohne Ausnahme mittels Meldeverfahren erfolgen. Damit wird verhindert, dass bei Naturalgewinnen mangels Überwälzung eine «Aufrechnung ins Hundert» erfolgt (vgl. vorne Ziff. 1.2.2). Das Meldeverfahren führt zu einer deutlichen administrativen Vereinfachung. Die Veranstalterin hat den Naturalgewinn

2343

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innerhalb von 30 Tagen nach dessen Bezug der ESTV zu melden und muss die Steuer nicht als Geldbetrag abliefern. Der Meldung ist eine Wohnsitzbestätigung der Gewinnerin oder des Gewinners beizulegen. Auch bei verspäteter Meldung wird das Meldeverfahren gestattet, d. h. es wird keine «Aufrechnung ins Hundert» vorgenommen. Es ist kein Verzugszins geschuldet (vgl. nArt. 16 Abs. 2bis Bst. abis). Die verspätete Meldung stellt jedoch eine Ordnungswidrigkeit dar, für die eine Busse ausgesprochen werden kann (siehe sogleich nArt. 64 Abs. 1 Bst. d). Die ESTV leitet die Meldung an die Steuerbehörde des Wohnsitzkantons der Gewinnerin oder des Gewinners weiter. Die Gewinnerin bzw. der Gewinner erhält somit den ungekürzten Gewinn und muss diesen ordnungsgemäss deklarieren, was die Steuerbehörde des Wohnsitzkantons anhand der Meldung überprüft.

Art. 64

IV. Ordnungswidrigkeiten

Absatz 1 wird formell neu strukturiert. Die Präzisierung in Buchstabe c stellt klar, dass die verspätete Meldung nach Artikel 20 Absatz 3 im Rahmen des Meldeverfahrens eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Die Frist zur Meldung ergibt sich wie bereits heute aus den Ausführungsbestimmungen. Diese Regelung stellt damit eine Spezialvorschrift gegenüber Artikel 61 Buchstabe b dar, der die Steuerhinterziehung regelt.

Die verspätete Meldung hat in diesen Fällen damit als Straffolge lediglich eine Busse von maximal 5000 Franken. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers betreffend die Regelung beim Meldeverfahren für Kapitalerträge. Für die Meldeverfahren bei steuerbaren Naturalgewinnen gilt mit dem Verweis auf Artikel 20a Absatz 2 dieselbe Regelung (Bst. d).

Im französischen Text von Absatz 2 werden lediglich redaktionelle Anpassungen vorgenommen.

2.3

Formelle Bereinigung

Art. 5 Abs. 1 Bst. e VStG; Art. 6 Abs. 1 Bst. f des Bundesgesetzes vom 27. Juni 197319 über die Stempelabgaben Die genannten Normen enthalten Ausnahmen für Arbeitsbeschaffungsreserven bei der Verrechnungssteuer und der Stempelabgabe. Sämtliche Arbeitsbeschaffungsreserven mussten bis Ende 2010 aufgelöst werden.20 Die Ausnahmeregelungen erweisen sich damit als überflüssig und sind aufzuheben.

19 20

SR 641.10 AS 2008 6481

2344

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3

Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden

3.1

Finanzielle Auswirkungen

3.1.1

Rückerstattung der Verrechnungssteuer

Die Neuerung führt zu Mindereinnahmen bei der Verrechnungssteuer, da diese vermehrt zurückerstattet werden wird. Diese Mindereinnahmen haben auch Auswirkungen auf die Kantone, die einen Anteil von 10 Prozent an der Verrechnungssteuer erhalten (Art. 132 Abs. 2 der Bundesverfassung21, BV). Die finanziellen Auswirkungen lassen sich jedoch nicht quantifizieren. Einerseits sind keine quantitativen Informationen zu Anzahl oder Höhe verwirkter Rückerstattungsansprüche infolge mangelhafter Deklaration verfügbar. Andererseits kann die durch die vorliegende Neuerung hervorgerufene Verhaltensänderung nicht vorhergesagt werden. So kann insbesondere nicht abgeschätzt werden, wie viele Steuerpflichtige neu innert der Einsprachefrist eine fahrlässige Nichtdeklaration korrigieren und deshalb die Verrechnungssteuer zurückerhalten.

3.1.2

Meldeverfahren für Naturalgewinne aus Geldspielen

Naturalgewinne unterliegen nach geltendem Recht nicht der Verrechnungssteuer.

Mit dem neuen Geldspielgesetz unterliegen Naturalgewinne ab 1 Million Franken (Steuerfreibetrag) aus einkommenssteuerpflichtigen Geldspielen sowie aus Lotterien und Geschicklichkeitsspielen zur Verkaufsförderung ab 1000 Franken (Steuerfreigrenze) der Verrechnungssteuer. Ab Inkraftsetzung des neuen Geldspielgesetzes wird es daher zu nicht bezifferbaren Mehreinnahmen kommen. Die vorliegende Neuerung hat auf die Verrechnungssteuereinnahmen keine finanziellen Auswirkungen.

3.2

Personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf den Personalbestand des Bundes, der Kantone und der Gemeinden.

3.3

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die Vorlage hat keine nennenswerten volkswirtschaftlichen Auswirkungen.

21

SR 101

2345

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4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 201622 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 201623 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt. Die dieser Vorlage zugrunde liegende Problematik wurde in einem politischen Vorstoss aufgenommen, um eine Revision zu erwirken.

Der Entwurf zu einem Geldspielgesetz, der die Einführung des Meldeverfahrens bei Naturalgewinnen erfordert, ist in der Botschaft vom 25. Januar 201224 zur Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Vorliegend wird lediglich die notwendige verfahrensrechtliche Umsetzung dieser Neuerung geregelt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Erlasskompetenz

Aufgrund von Artikel 132 Absatz 2 BV hat der Bund die ausschliessliche Kompetenz zur Regelung der Verrechnungssteuer.

5.2

Verfassungsmässigkeit

In der Vernehmlassung wurde von bürgerlicher Seite und aus Kreisen der Wirtschaft die Doppelbelastung durch die anfallende Einkommenssteuer und die Verweigerung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer kritisiert. Bisweilen wurde dieser Effekt als dem Sinn und Zweck der Verrechnungssteuer zuwiderlaufend gedeutet. So wird verlangt, dass die Verrechnungssteuer immer dann zurückzuerstatten ist, wenn die Einkommenssteuer erhoben werden konnte. Der Sicherungszweck sei damit erfüllt.

Die Vernehmlassungsteilnehmer und -teilnehmerinnen haben unterschiedliche zeitliche Grenzen für diese Regelung vorgeschlagen (vgl. dazu Ziff. 1.3). Die Vorbringen gehen in die Richtung der Kritik aus Kreisen der Wissenschaft, wonach die Verwirkung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer in Kombination mit der Erhebung der Einkommenssteuer eine Strafe darstelle (vgl. Ziff. 1.1.2). Würde die Verwirkung der Verrechnungssteuer eine echte Strafe darstellen, müssten u. a. die Garantien für ein rechtsstaatliches Verfahren sowie das Verbot der doppelten Bestrafung (Art. 6 EMRK) beachtet werden.

Nach Ansicht des Bundesrates handelt es sich bei der Verrechnungssteuer nicht um eine reine Sicherungssteuer, sondern auch um eine Defraudantensteuer. Diese beiden Zwecke sind gleichwertig. Bei einer nicht ordnungsgemässen Deklaration kommt die Defraudantensteuer zum Tragen. Die gesetzliche Verwirkungsfolge ist nicht strafrechtlicher Natur.25 Sie ist vielmehr notwendig, um der Kooperationsmaxime bei der Veranlagung der Einkommenssteuer zum Durchbruch zu verhelfen. Ohne 22 23 24 25

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183 BBl 2012 481, hier 615.

Urteil des Bundesgerichts vom 13. Dezember 2004, 2A.299/2004, in: ASA 75, 417, Erwägung 4.2.1.

2346

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korrekte und vollständige Deklaration können die Kantone ihre Veranlagungstätigkeit nicht handhaben. Eine konsequente rechtsgleiche Besteuerung wäre nicht mehr sichergestellt.

Mit der vorliegenden Neuerung wird der Begriff der ordnungsgemässen Deklaration ausgeweitet. Dies hat zur Folge, dass die Verrechnungssteuer vermehrt erfolgreich zurückgefordert werden kann. Damit wird der Anwendungsbereich der Defraudantensteuer eingeschränkt. Eine weitergehende Einschränkung würde der Steuerhinterziehung Vorschub leisten, da der Anreiz zur korrekten und vollständigen Deklaration reduziert würde. Darunter würde nicht nur die rechtsgleiche Besteuerung, sondern auch das Vertrauen in die Steuergerechtigkeit leiden.

Die vom Bundesrat vorgesehene Übergangsregelung knüpft an den Verfahrensstand hinsichtlich der Einkommens- und Vermögenssteuer an (vgl. Ziff. 1.4.1). Die Anwendung des neuen Rechts ist damit vom Stand der Veranlagung abhängig. Dies kann bei verzögerter respektive rascher Veranlagung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Das Anknüpfen an den Stand der Veranlagung wäre jedoch auch bei der in der Vernehmlassung vorgesehenen Übergangsregelung von Zufälligkeiten abhängig gewesen. Entscheidend ist vielmehr, dass damit die Anwendung des neuen Rechts auf sämtliche noch nicht abgeschlossenen Sachverhalte sichergestellt ist.

Diese Regelung steht im Einklang mit dem Rechtsgrundsatz, wonach bei Fehlen einer expliziten Regelung neues Recht auf laufende Verwaltungsverfahren anwendbar ist. Eine darüber hinausgehende Anwendung der Neuerung auch auf rechtskräftige Fälle würde eine unzulässige Rückwirkung darstellen und ist daher abzulehnen.

Betreffend die Neuregelung des Meldeverfahrens bei Naturalgewinnen ergeben sich keine verfassungsrechtlichen Probleme, da lediglich die Art und Weise der Erhebung geregelt wird.

2347

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