Überwachung der Interessenbindungen in den Verwaltungsräten der bundesnahen Unternehmen am Beispiel des Falles der Verwaltungsratspräsidentin der SBB Bericht der GPK-S vom 28. August 2018 Stellungnahme des Bundesrates vom 24. Oktober 2018

Sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der GPK-S vom 28. August 2018 betreffend «Überwachung der Interessenbindungen in den Verwaltungsräten der bundesnahen Unternehmen am Beispiel des Falles der Verwaltungsratspräsidentin der SBB» nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

24. Oktober 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die GPK-S hat untersucht, wie die SBB und anschliessend das UVEK und das EFD (EFV) mit dem Mandat der Verwaltungsratspräsidentin der SBB bei Capoinvest umgegangen sind. Gegenstand ihrer Untersuchung bildete dabei das System der SBB zur Überwachung von Interessenbindungen, das die SBB auf Anfang 2018 überarbeitet hat. Die Überwachung der Interessenbindungen erfolgt heute durch einen grösseren Ausschuss, und die Präsidentin meldet ihre Mandate direkt dem UVEK. Die GPK-S zeigte sich befriedigt von dieser Lösung und geht, gleich wie das UVEK, davon aus, dass damit ähnliche Fälle wie jener des Capoinvest-Mandats der Verwaltungsratspräsidentin der SBB künftig vermieden werden können.

Die GPK-S kommt weiter zum Schluss, dass aus diesem Fall hinsichtlich der Aufsicht des Bundes über die Interessenbindungen in bundesnahen Unternehmen allgemeine Lehren gezogen werden können. Sie hat dazu vier Empfehlungen formuliert, die zu einer stärkeren Harmonisierung der Praxis führen sollen.

Eine subsidiäre Mitverantwortlichkeit des Bundesrates und der zuständigen Verwaltungseinheiten bei der Überwachung von Interessenbindungen in den Verwaltungsräten von bundesnahen Unternehmen ergibt sich laut GPK-Bericht aus der Zuständigkeit des Bundesrates zur strategischen Steuerung der bundesnahen Unternehmen.

Unter Verweisung auf eine Stellungnahme der EFV hält die GPK-S zudem fest, dass die Generalversammlung nebst Wahlorgan des Verwaltungsrats auch aktienrechtliches Aufsichtsorgan sei.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat ist mit den Sachverhaltsfeststellungen der GPK-S einverstanden. Im untersuchten Fall ist der Auslöser die Verletzung vorgegebener Melde- und Ausstandspflichten und nicht das Fehlen entsprechender Regelungen von Pflichten und Verfahren. Der Bundesrat stellt weiter fest, dass der Verwaltungsrat der SBB die Meldung von Interessenbindungen und den Umgang mit Interessenkonflikten inzwischen konkretisiert hat.

Die verschiedenen Ebenen der Verantwortlichkeiten bei der Meldung von Interessenbindungen und beim Umgang mit Interessenkonflikten sind klar voneinander zu trennen: Eigenverantwortung jedes einzelnen Verwaltungsratsmitglieds, Zuständigkeit und Verantwortung des Verwaltungsrats als Gremium (Innensteuerung) sowie Kontroll- und Steuerung durch den Eigner (Aussensteuerung).

Der Bundesrat sieht dabei, gleich wie die GPK-S, aufgrund der Selbstdeklarationsund der Ausstandspflicht die Hauptverantwortung bei den einzelnen Verwaltungsratsmitgliedern (vgl. Stellungnahme zu Empfehlung 1). Hingegen teilt er die Beurteilung nicht, dass es sich um eine schwere Verletzung der Aufsichtspflicht des Verwaltungsrates handelt. In einer hauptverantwortlichen Stellung steht der Verwal7852

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tungsrat auch als oberstes Leitungsorgan des Unternehmens. Der Verwaltungsrat kann und muss bei der Festlegung der Organisation und der Zusammensetzung des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung Interessenkonflikten möglichst vorbeugen (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 2 des Obligationenrechts1, OR; vgl. Stellungnahme zu den Empfehlungen 2 und 3). Dem Eigner kommt eine subsidiäre (Kontroll-)Verantwortung zu (vgl. Stellungnahme zu Empfehlung 4).

Empfehlung 1

Deklaration von Mandaten

Die GPK-S ersucht den Bundesrat als Hauptaktionär, in allen bundesnahen Unternehmen sicherzustellen, dass die Verwaltungsratsmitglieder sowie die Kandidatinnen und Kandidaten für ein solches Amt dazu verpflichtet werden, all ihre Mandate in Führungs- und Aufsichtsgremien sowie ihre Beratungsmandate in Gesellschaften, Institutionen oder Stiftungen des privaten oder öffentlichen Rechts unverzüglich zu melden, und zwar unabhängig davon, wie sie selbst das Mandat beurteilen.

Die Pflicht des einzelnen Mitglieds des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung, dem eigenen Unternehmen seine Interessenbindungen zu melden, ergibt sich aus seinen arbeits-, auftrags- und aktienrechtlichen Sorgfalts- und Treuepflichten (Art. 321a, 398 Abs. 1 und 2 sowie 717 OR).

Zum Umgang mit Interessenkonflikten äussert sich auch der Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance2. In Empfehlung 17 heisst es: «Jedes Mitglied von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung hat seine persönlichen und geschäftlichen Verhältnisse so zu ordnen, dass Interessenkonflikte mit der Gesellschaft möglichst vermieden werden. Tritt ein Interessenkonflikt auf, so benachrichtigt das betroffene Mitglied des Verwaltungsrats oder der Geschäftsleitung den Verwaltungsratspräsidenten.» Der Präsident bzw. der Vizepräsident beantragt «einen der Intensität des Interessengegensatzes entsprechenden Entscheid des Verwaltungsrats; dieser entscheidet unter Ausstand des Betroffenen.» Formell richtet sich der Swiss Code an börsenkotierte Unternehmen, d. h. nicht an SBB, Post und RUAG. Er stellt aber eine der Grundlagen dar, auf denen der Corporate-Governance-Bericht vom 13. September 2006 aufgebaut wurde (CG-Bericht).3 Er kann zudem als Best Practice für alle grösseren Schweizer Unternehmen eingestuft werden.

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SR 220. Organisation der AG, als unübertragbare und unentziehbare Aufgaben des Verwaltungsrates, die nach der herrschenden Lehre nicht nur die Organisation der AG, sondern auch die innere Organisation des Verwaltungsrats umfasst (Katja Roth Pellanda, Vertragsverhältnisse mit Verwaltungsräten, GesKR 1 2012, S. 72 ff., 74 mit weiteren Hinweisen).

Vom Juli 2002, aktualisiert 2007, 2014 und 2016. Zu finden auf den Internetseiten von Economiesuisse unter: www.economiesuisse.ch > Themen > Wettbewerb und Regulatorisches > Corporate-Governance.

BBl 2006 8233, Fn. 39.

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Der Bundesrat stellt fest, dass sich die Ausstands- und die Meldepflicht bzw. das Prinzip der Selbstdeklaration bereits direkt aus den Vorgaben des Aktienrechts und den Grundsätzen der Best Practice ergeben. Auch die Vorgaben des CG-Berichts sind klar: So ist bei der Wahl der Organe darauf zu achten, dass sich diese mit der Stossrichtung der strategischen Ziele des Bundesrates identifizieren können und damit Gewähr für die Vertretung der Bundesinteressen im Verwaltungsrat bieten.

Die gesetzliche Treuepflicht für Mitglieder des Verwaltungs- oder Institutsrats sowie der Geschäftsleitung und griffige Regeln zum Verfahren bei allfälligen Interessenkonflikten sollen zudem die Integrität der verselbstständigten Einheit und ihrer Organe stärken und allfällige Schäden verhindern. Die Mitglieder des Verwaltungsrats wahren die Interessen der verselbstständigten Einheit. Bei Interessenkonflikten tritt ein Mitglied in den Ausstand. Dauerhafte Interessenkonflikte schliessen eine Mitgliedschaft im Verwaltungsrat aus.4 Die bestehenden Regelungen, die Vorgaben und Erwartungen des Bundesrates sind demzufolge klar. Die Verwaltungsratspräsidentin der SBB räumte laut GPK-Bericht nachträglich selbst ein, dass die Nichtmeldung des betreffenden Mandats ein Fehler war, und entschuldigte sich dafür.

Zur Überwachung der Interessenbindungen verweist der Bundesrat auf die Ausführungen zu den weiteren Empfehlungen.

Empfehlung 2

Ausschuss zur Überwachung der Interessenbindungen

Die GPK-S ersucht den Bundesrat als Hauptaktionär sicherzustellen, dass der Ausschuss zur Überwachung der Interessenbindungen in jedem bundesnahen Unternehmen regelmässig zusammenkommt und dass die Interessenbindungen im Verwaltungsrat periodisch thematisiert werden.

Darüber hinaus wird der Bundesrat aufgefordert, sicherzustellen, dass die bundesnahen Unternehmen transparent und vollständig über die Tätigkeiten der verschiedenen Verwaltungsratsausschüsse informieren.

Empfehlung 3

Unterjährige Mandatsänderungen

Die GPK-S ersucht den Bundesrat als Hauptaktionär, ein explizites Verfahren einzuführen, wonach die Verwaltungsratspräsidien aller bundesnahen Unternehmen verpflichtet werden, das jeweils zuständige Departement laufend über neue Mandate zu informieren.

Sie ersucht den Bundesrat ausserdem, dafür zu sorgen, dass alle bundesnahen Unternehmen in ihrem Geschäftsbericht sämtliche Mandate ihrer Verwaltungsratsmitglieder auflisten, welche diese im Laufe des Geschäftsjahres und nicht nur per 31. Dezember innehatten.

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CG-Bericht S. 8269 und Leitsatz 6.

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Nach Aktienrecht ist unternehmensintern der Verwaltungsrat für die organisationsrechtlichen Massnahmen im Umgang mit Interessenkonflikten und der Regelung des Ausstandes zuständig. Die Oberleitung der Gesellschaft, die Erteilung der nötigen Weisungen und die Festlegung der Organisation gehört zu den unentziehbaren und unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrats.

Wird bei Drittmandaten die Vorprüfung oder der Entscheid zu Interessenkonflikten vom Verwaltungsrat an einen Ausschuss delegiert, so hat dieser Ausschuss selbstverständlich seine Funktion auch effektiv wahrzunehmen. Im Übrigen teilt der Bundesrat die Auffassung, dass der unternehmensinterne Umgang mit Interessenkonflikten transparent geregelt und konsequent eingehalten werden muss. Dabei ist es auch nach Auffassung des Bundesrates zwingend, dass Interessenkonflikte der für den Entscheid zuständigen Stelle laufend gemeldet werden. Der Bundesrat wird seine Erwartungen an die Organisation der bundesnahen Unternehmen im Rahmen der Eignergespräche bzw. in einem Schreiben entsprechend klarstellen. Dabei wird er ebenfalls veranlassen, dass die Mandate des Verwaltungsrats im Geschäftsbericht nicht nur per Stichdatum 31. Dezember, sondern laufend, d. h. auch bei Befristung oder Abgabe des Mandats, aufgenommen werden.

In Bezug auf die Meldepflicht des Verwaltungsrats gegenüber dem zuständigen Departement sieht Artikel 11 der Kaderlohnverordnung vom 19. Dezember 20035 eine solche vor, wenn der Verwaltungsrat feststellt, dass eine Nebenbeschäftigung die Leistungsfähigkeit vermindern würde oder in definierten Fällen zu Interessenkonflikten führen könnte. Das Departement beurteilt, ob eine Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist. Bei den Wahlgeschäften durch den Bundesrat gehört die Unabhängigkeit gemäss Anforderungsprofil für die Verwaltungsratsmitglieder der bundesnahen Unternehmen zu den Wahlvoraussetzungen. Die Steuerung der bundesnahen Unternehmen steht vor einer vertieften Überprüfung.6 So wird insbesondere die Steuerung der am Markt tätigen Unternehmen (Swisscom, SBB, Post und RUAG) durch externe Expertinnen und Experten überprüft. Nach Abschluss dieser Arbeiten wird der Bundesrat voraussichtlich im zweiten Quartal 2019 aufgrund eines Aussprachepapiers über das weitere Vorgehen entscheiden. Dabei werden insbesondere auch die Informationsflüsse
zwischen dem Bund und den ausgelagerten Einheiten thematisiert. In diesem Kontext wird der Bundesrat die Empfehlungen der GPK-S zum Umgang mit Interessenkonflikten nochmals in seine Erwägungen einbeziehen und prüfen, ob diese Regelung ergänzt werden muss, um eine sach- und zeitgerechte Information des Bundes und damit eine entsprechende Steuerung ermöglichen zu können.

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SR 172.220.12 Bundesratsbeschluss vom 8. Juni 2018 (Medienmitteilung des Bundesrates vom 11. Juni 2018: Bundesrat schränkt Décharge für den Verwaltungsrat der Post ein).

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Empfehlung 4

Überprüfung der Mandate durch den Bund

Die GPK-S erwartet vom Bundesrat als Hauptaktionär, dass er bei der Kenntnisnahme von den Geschäftsberichten der bundesnahen Unternehmen künftig insbesondere auf Drittmandate von Verwaltungsratsmitgliedern achtet und dass er, falls nötig, über die zuständigen Verwaltungsstellen vertiefte Abklärungen vornehmen lässt.

Sie ersucht den Bundesrat in diesem Zusammenhang, die Rolle der EFV als Kompetenzzentrum für die Überwachung von Interessenskonflikten innerhalb der bundesnahen Unternehmen zu stärken.

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Der Bundesrat bzw. die zuständigen Verwaltungsstellen sind bei der Prüfung und Genehmigung des Geschäftsberichts darauf angewiesen, dass Drittmandate von den Mandatsträgerinnen und -trägern offengelegt werden.

Aufgrund der subsidiären Verantwortung des Bundesrates muss sich die Überprüfung durch die Verwaltungsstellen allerdings weitgehend darauf beschränken, anlässlich der Wahl oder von anstehenden Wiederwahlen die Frage nach Drittmandaten zu stellen und bei Unklarheiten nachzufragen.

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Der Bundesrat wird aber die Überprüfung der Interessenbindungen verstärken. Diese Aufgabe sollen die Eignerstellen der Departemente gemeinsam mit der EFV wahrnehmen. Die Rollenwahrnehmung im Eignermodell des Bundes wird, wie erwähnt, im Rahmen des externen Gutachtens überprüft.

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