Elektronische Auszählung von Stimmen (E-Counting)

Anhang

Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 9. Februar 2017

2017-3332

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Das Wichtigste in Kürze Über zehn Prozent der in der Schweiz abgegebenen Stimmzettel werden nicht mehr von Hand ausgezählt, sondern gescannt und elektronisch ausgewertet. Die elektronische Auszählung soll schneller und effizienter sein, bei gleichzeitiger Garantie der Sicherheit und Genauigkeit. Bei der Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 wurden in der Stadt Bern bei der elektronischen Auszählung in einer Stichprobenkontrolle jedoch Fehlinterpretationen entdeckt. Die Stadt Bern verwies darauf, dass die Bundeskanzlei (BK) das Verfahren gemäss Artikel 84 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR) genehmigt habe.

Solche Fehler können die demokratische Legitimation und Glaubwürdigkeit des Abstimmungssystems in Zweifel ziehen. Vor diesem Hintergrund beauftragten die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) im Januar 2015 mit einer Evaluation zur elektronischen Auszählung von Stimmen. An ihrer Sitzung vom 7. Oktober 2015 hat die zuständige Subkommission EJPD/BK der GPK des Nationalrates entschieden, dass die Evaluation auf die Genehmigung der elektronischen Auszählung durch den Bund und die Genauigkeit der elektronischen Auszählung ausgerichtet sein soll.

Der vorliegende Bericht zur elektronischen Auszählung stützt sich auf ein Rechtsgutachten und eine technische Analyse sowie auf Analysen der PVK. Das Rechtsgutachten haben Prof. Dr. Andreas Glaser und Corina Fuhrer vom Zentrum für Demokratie in Aarau verfasst; die technische Analyse führten Prof. Dr. Robert Krimmer und Dirk-Hinnerk Fischer von der Technischen Universität Tallinn zwischen März und Juli 2016 durch. Zur Beurteilung der Umsetzung der Zuständigkeiten und der Einhaltung der Anforderungen analysierte die PVK die von der BK bisher geprüften kantonalen Gesuche zur Einführung der elektronischen Auszählung und führte im Frühjahr 2016 Gespräche mit den an den Prozessen beteiligten Personen bei der BK sowie mit ausgewählten Kantonsvertretern. Um die Genauigkeit der elektronischen Auszählung zu überprüfen, zählte die PVK in ausgewählten Kantonen bzw.

Gemeinden, die unterschiedliche Auszählverfahren (manuell und elektronisch) benützen, die Stimmen von Hand nach und verglich die Ergebnisse.

Ergebnisse im Überblick Insgesamt kommt die Evaluation zum Ergebnis, dass die
Anforderungen des Bundes an die elektronische Auszählung von Stimmen unzureichend und wenig zweckmässig sind. Gleichzeitig sind die Kontrollmöglichkeiten des Bundes eingeschränkt. Die Gesuche der Kantone werden durch die Sektion Politische Rechte der BK zwar systematisch geprüft, jedoch schöpft die BK den vorhandenen Spielraum zur Einforderung von hohen Sicherheitsstandards nicht aus. Zudem erfolgte die Genehmigung der Gesuche durch die BK vor 2016 ohne rechtliche Grundlage. Die Prüfung der Genauigkeit hat ergeben, dass die elektronische und die manuelle Auszählung gleich genau sind, eine systematische Vorprüfung der Stimmzettel bleibt bei der elektronischen Auszählung jedoch unerlässlich.

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Unzureichende Anforderungen des Bundes Gegenüber der herkömmlichen Auszählung von Hand stellen sich mit der elektronischen Auszählung ähnlich wie bei Vote électronique, der elektronischen Stimmabgabe, grössere Herausforderungen. Da die elektronische Auszählung gemäss BPR durch den Bundesrat genehmigt werden muss, trägt dieser eine grössere Verantwortung als im Bereich der manuellen Auszählung. Im Vergleich zur Auszählung von Hand ist die Ergebnisermittlung bei Verfahren der elektronischen Auszählung weniger transparent, da nur noch eine geringe Anzahl an Personen am Auszählungsprozess teilnimmt. Um die Wahl- und Abstimmungsfreiheit zu garantieren, sind darum erhöhte Anforderungen angebracht. Die Anforderungen des Bundes an die bisher von Kantonen gestellten Gesuche sind jedoch wenig zweckmässig. Sie hinken der internationalen Good Practice zur elektronischen Auszählung nach. So fehlen in den Anforderungen an das Betriebskonzept beispielsweise zentrale Aspekte wie die durchgehende Anwendung eines Vier-Augen-Prinzips oder das Erfordernis, die Zählergebnisse anhand einer statistisch relevanten Stichprobe zu überprüfen, wodurch mutmassliche Fehler im gesamten Prozess entdeckt werden können. Zudem hat eine Genehmigung der BK unbefristet Gültigkeit, obwohl sich die Technik weiterentwickelt. Ist einmal eine Genehmigung erteilt, kann die BK folglich nur noch erschwert Kontrollen durchführen.

Eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten und Defizite bei genehmigten Verfahren Will ein Kanton bzw. eine Gemeinde ein vom Bundesrat bereits genehmigtes Verfahren zur elektronischen Auszählung einführen, bedarf es nach Kreisschreibens 2016 keiner erneuten Genehmigung. Der Kanton muss dessen Einsatz nur noch melden, was die Kontrollmöglichkeiten der BK weiter schmälert. Der Bundesrat hat in den Jahren 2001 und 2008 zwei Verfahren genehmigt. Der Verzicht auf eine erneute Prüfung setzt voraus, dass diese beiden Verfahren dem aktuellen Stand der Technik bzw. der internationalen Good Practice entsprechen. Die Vorgaben des Bundesrates stehen in klarem Gegensatz zu jenen bei Vote électronique, bei dem ein mehrstufiges Einführungsverfahren vorgesehen ist. Obwohl die technischen Anforderungen an ein sicheres Verfahren bei Vote électronique gegenüber der elektronischen Auszählung wegen der Informatiksicherheit höher sind, ist dieser
grosse Unterschied in den Genehmigungsprozessen nicht angemessen.

Gesuche, welche auf den beiden bereits vom Bundesrat genehmigten Systemen basieren, wurden in der Vergangenheit von der BK bewilligt. Dazu fehlte ihr jedoch bis zum Erlass des Kreisschreibens 2016 eine rechtliche Grundlage. Im Fall einer Stimmrechtsbeschwerde könnte dieser Verstoss gegen das Legalitätsprinzip unter Umständen zur Feststellung einer Rechtswidrigkeit der Auszählung führen.

Zurückhaltende Nutzung des Spielraums durch die Bundeskanzlei Weil die Anforderungen an die elektronische Auszählung in den rechtlichen Grundlagen sehr unspezifisch sind, verfügt die BK bei der Prüfung von diesbezüglichen Gesuchen über erheblichen Spielraum. Tatsächlich nimmt sie eine zurückhaltende Rolle ein, wie sie dies, abgesehen von Vote électronique, bei Wahlen und Abstimmungen grundsätzlich tut. Die BK will im Genehmigungsprozess die Kantone unter-

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stützen und Minimalstandards durchsetzen. Die Sektion Politische Rechte der BK erachtet es als sinnvoller, wenn Kantone oder Gemeinden selbständig zweckmässige Lösungen erarbeiten, diese verinnerlichen und letztlich auch umsetzen. Die Sektion Politische Rechte hat die gesuchstellenden Kantone in einzelnen Fällen erfolglos dazu angehalten, höhere Standards anzuwenden.

Elektronische Auszählung ist nicht genauer Die PVK stellte bei der Überprüfung der elektronischen wie auch der manuellen Auszählung nur sehr geringe Abweichungen von den offiziell ermittelten Resultaten fest. Bei der Prüfung der Abweichungen der elektronischen Auszählung zeigten sich jedoch gewisse Differenzen bei den leeren Stimmen. Dies dürfte daran liegen, dass das System fehlerhaft ausgefüllte Stimmzettel nicht korrekt erkannte, während bei einer Handauszählung der Wille des/der Stimmberechtigten in aller Regel klar erkennbar war. Dies unterstreicht, dass es bei der elektronischen Auszählung unabdingbar bleibt, die Stimmzettel vor dem Scannen zu prüfen.

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Inhaltsverzeichnis Das Wichtigste in Kürze

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Einleitung 1.1 Anlass und Fragestellung der Evaluation 1.2 Vorgehen 1.3 Aufbau des Berichts

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Die elektronische Auszählung von Stimmen 2.1 Elektronische Auszählung als neues technisches Hilfsmittel 2.2 Abgrenzung zu Vote électronique 2.3 Bundesvorgaben zum Ablauf eidgenössischer Abstimmungen

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3

Zweckmässigkeit und Einhaltung der rechtlichen Zuständigkeiten für die Genehmigung der elektronischen Auszählungen

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4

Anforderungen des Bundes an die elektronische Auszählung 4.1 Erhöhte Anforderungen an die elektronische Auszählung zur Garantie der Wahl- und Abstimmungsfreiheit 4.2 Defizite bei den Anforderungen des Bundes an die geprüften Gesuche 4.3 Zurückhaltende Anwendung der Anforderungen des Bundes 4.4 Verfestigung der Defizite mit dem Kreisschreiben 2016

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5

Genauigkeit der elektronischen Auszählung

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Schlussfolgerungen 6.1 Unzureichende Anforderungen des Bundes bei der Genehmigung an die elektronische Auszählung 6.2 Eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten der BK und Defizite bei bereits genehmigten Verfahren 6.3 Zurückhaltende Nutzung des Spielraums durch die Bundeskanzlei 6.4 Elektronische Auszählung liefert keine genaueren Ergebnisse als die manuelle Auszählung

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177 179 182 184

189 190 191 191

Abkürzungsverzeichnis

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Literatur und Dokumentenverzeichnis

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Verzeichnis der Interviewpartnerinnen und -partner

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Anhang 1: Vorgehen Genauigkeitsprüfung Anhang 2: Anforderungen an die elektronische Auszählung nach dem Stand der Technik

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Impressum

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It's not the voting that's democracy, it's the counting.

Tom Stoppard, Jumpers (1972), 1. Akt

Bericht Der vorliegende Bericht stützt sich in Teilen auf ein rechtliches Gutachten1 und eine technische Analyse2.

1

Einleitung

1.1

Anlass und Fragestellung der Evaluation

In den Kantonen Genf und Basel-Stadt sowie in verschiedenen Schweizer Städten wie Bern, Lausanne, Fribourg und St. Gallen werden die Stimmen nicht mehr von Hand ausgezählt, sondern gescannt und elektronisch ausgewertet. Der Städteverband weist darauf hin, dass bei der elektronischen Auszählung die Stimmzettel einfacher zum Ausfüllen sind (alle Vorlagen auf einem Zettel) als die herkömmlichen Stimmzettel, die Auszählung schneller und effizienter abgewickelt werden kann sowie die Sicherheit und Genauigkeit garantiert seien. Sie stelle folglich eine kostengünstigere und übersichtlichere Lösung dar.3 Bei der Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 wurden in der Stadt Bern bei der elektronischen Auszählung in einer Stichprobenkontrolle aber Fehlinterpretationen entdeckt.4 Kritische Stimmen monieren, dass es bei der elektronischen Auszählung im Vergleich zur Handauszählung schwieriger zu überprüfen ist, wie die Stimmen erfasst und zusammengezählt werden. Die Stadt Bern verwies darauf, dass die Bundeskanzlei (BK) das Verfahren genehmigt habe.

Das sorgfältige und ordnungsgemässe Auszählen von Stimm- und Wahlzetteln ist eines der grundlegenden Verfahren in einer Demokratie und zählt zu den politischen Rechten. Artikel 34 Absatz 2 der Bundesverfassung5 hält fest, dass die Garantie der politischen Rechte die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe

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2

3 4

5

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Glaser, Andreas/Fuhrer Corina (2016): Rechtsgrundlagen für die elektronische Auszählung von Stimmen (E-Counting), Rechtsgutachten im Auftrag der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK).

Krimmer, Robert/Fischer, Dirk-Hinnerk (2016): Evaluation zur elektronischen Auszählung von Stimmen (E-Counting): Technisches Expertenmandat. Im Auftrag der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK).

Schweizer Städteverband, Merkblatt erleichtertes Stimmen und effizientes Auszählen dank scanbaren Stimmzetteln, Bern, März 2011.

Thomi, Samuel, 2014, Scanner wertet Stimmzettel falsch aus, Der Bund, 23.5.2014.

Kühni, Markus, 2014, Elektronische Auszählung Stadt Bern vom 17. Mai 2014, zbaern.ch (Stand 17. Aug. 2015).

Die Stadt Bern hat nach dem Zwischenfall umfangreiche Nachtests durchgeführt mit dem Ergebnis, dass keine systematischen Fehlinterpretationen durch Scanner und Software vorlagen.

Bundesverfassung (SR 101)

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schützt.6 Gemäss Artikel 84 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR)7 muss der Bundesrat die Verwendung technischer Hilfsmittel bei Wahl- und Abstimmungsverfahren genehmigen.

Es ist jedoch fraglich, nach welchen Gesichtspunkten der Bund die elektronische Auszählung genehmigt. Im markanten Unterschied zur elektronischen Stimmabgabe (auch Vote électronique/E-Voting), die der Bundesrat in Verordnungen detailliert geregelt hat, fehlen zur elektronischen Auszählung von Papierstimmzetteln (auch ECounting) genauere Bestimmungen. Ein vermehrtes Auftreten von Fehlern kann sich auf die demokratische Legitimation und Glaubwürdigkeit des Abstimmungssystems auswirken. Nicht nur in der Schweiz werden die Manipulierbarkeit der elektronischen Auszählung und dadurch letztlich der Abstimmungsergebnisse thematisiert.8 Vor diesem Hintergrund haben die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte am 30. Januar 2015 beschlossen, die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation zur elektronischen Auszählung von Stimmen zu beauftragen.

Auf der Grundlage einer Projektskizze der PVK hat die zuständige Subkommission EJPD/BK der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates am 7. Oktober 2015 entschieden, dass sich die PVK namentlich mit der Genehmigung der elektronischen Auszählung durch den Bund und der Genauigkeit der elektronischen Auszählung befassen und folgende Fragestellungen untersuchen soll: ­

Sind die rechtlichen Zuständigkeiten für die Genehmigung der elektronischen Auszählung beim Bund zweckmässig verteilt und werden sie eingehalten?

­

Sind die Anforderungen des Bundes an die elektronischen Auszählungsverfahren und deren Einhaltung im Genehmigungsverfahren zweckmässig?

­

Wie ist die Genauigkeit der elektronischen Auszählung zu beurteilen?

1.2

Vorgehen

Um die Genehmigung der elektronischen Auszählung durch den Bundesrat zu beurteilen, wurde die Thematik entlang der obigen drei Fragestellungen untersucht.

Abbildung 1 zeigt zusammenfassend, welche Fragestellungen auf welchen Untersuchungsteilen beruhen.

6

7 8

Steinmann, Gerold (2014): Art. 34 Politische Rechte, in: Ehrenzeller, Bernhard/Schindler, Benjamin/Schweizer, Rainer J./Vallender, Klaus A. (Hrsg.), Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl., Zurich.

Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (BPR, SR 161.1) www.openrightsgroup.org (Stand 17. Aug. 2015)

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Abbildung 1

ANALYSE PVK

TECHNISCHE ANALYSE

RECHTSGUTACHTEN

Fragestellungen und Untersuchungsteile

Zweckmässigkeit und Einhaltung der rechtlichen Zuständigkeiten für die Genehmigung elektronischer Auszählungen

Zweckmässigkeit der Anforderungen des Bundes an die elektronische Auszählung und der Prüfung von deren Einhaltung im Genehmigungsverfahren

Genauigkeit der elektronischen Auszählung

Die Frage nach der Zweckmässigkeit der Zuständigkeiten, wie auch jene nach den Anforderungen des Bundes und deren Einhaltung im Genehmigungsverfahren wurden anhand einer technischen Analyse und eines Rechtsgutachtens vertieft behandelt.

Die technische Analyse wurde von Prof. Dr. Robert Krimmer und Dirk-Hinnerk Fischer von der Technischen Universität Tallinn von März bis Juli 2016 durchgeführt. Sie erstellten eine Kriterienliste9, welche den Stand der Technik bzw. die internationale Good Practice für die elektronische Auszählung abbildet und als Vergleichsbasis für die Beurteilung der Anforderungen diente. Grundlage für diese Liste bildete das Handbuch für die Beobachtung neuer Wahltechnologien der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bzw. dem Büro für Demokratieinstrumente und Menschenrechte (BDIMR).10 Die OSZE legt im Bereich 9 10

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Im technischen Expertenbericht (Krimmer/Fischer 2016) auch Evaluierungsbogen genannt. Zur detaillierten Kriterienliste siehe Anhang 2.

OSZE/BDIMR (2013): Handbook for the Observation of New Voting Technologies, Warsaw.

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Wahlen und Abstimmungen einen Fokus auf Systeme der elektronischen Stimmabgabe und Auszählung. Auch der Europarat hat den Geltungsbereich seines kürzlich verabschiedeten Standards für elektronische Stimmabgabesysteme auch auf die elektronische Auszählung ausgeweitet.11 Das Rechtsgutachten wurde von Prof. Dr. Andreas Glaser und Corina Fuhrer vom Zentrum für Demokratie in Aarau zwischen März und Juli 2016 erstellt. Ziel des Mandats war die Evaluation der normativen Qualität und Kohärenz der Beurteilungskriterien zur Bewilligung der elektronischen Auszählung sowie der verfassungsrechtliche Bestimmung der Kompetenzen des Bundes bei der Erteilung von Bewilligungen. Die geltende Rechtslage wurde anhand der klassischen juristischen Erkenntnismittel (Rechtsgrundlagen, Materialien, Praxis, Literatur) analysiert und kritisch gewürdigt.

Beide Gutachten vergleichen die Anforderungen an elektronische Auszählung zudem mit jenen bei Vote électronique.

Die Einhaltung der Anforderungen durch den Bund im Genehmigungsverfahren wurde durch die PVK basierend auf den von den Kantonen bei der BK eingereichten Dossiers geprüft.12 Ergänzend wurden leitfadengestützte Interviews mit vier Personen der BK und mit Vertretern jener drei Kantone geführt, in welchen die elektronische Auszählung von Stimmen als letzte ermöglicht wurden. Ob die Vorgaben der Kantone/Gemeinden allenfalls über die Anforderungen des Bundes hinausgehen, wurde im Rahmen der Prüfung der eingereichten Gesuche ebenfalls beurteilt.

Die Frage nach der Genauigkeit der elektronischen Auszählung wurde anhand einer vergleichenden Auszählung von Stimmzetteln eruiert. Im Rahmen der eidgenössischen Abstimmung vom 5. Juni 2016 hat die PVK bei drei ausgewählten Kantonen13 und Gemeinden die elektronisch ausgezählten Stimmzettel manuell nachgezählt und mit den offiziell ermittelten Ergebnissen verglichen. Zum Vergleich wurden zudem Stimmzettel bei vier Kantonen/Gemeinden mit Handauszählung der Stimmen manuell nachgezählt.14 Ziel war es, das Instrument der elektronischen Auszählung und dessen Ergebnisqualität im Vergleich zur manuellen Auszählung zu beurteilen.

Die Teilnahme an der Untersuchung war für die Kantone/Gemeinden freiwillig und sie werden im Bericht nicht namentlich erwähnt. Die Datenerhebungen führte die PVK zwischen dem 9. Juni und dem 28. Juli 2016 durch.

Zu einem Entwurf des vorliegenden Berichts und der Materialien hat die BK im Dezember 2016 Stellung genommen.

11 12

13

14

Europarat, Recommendation Rec(2017)5 on Standards for e-voting.

Da diese Unterlagen und in den meisten Fällen auch die Betriebskonzepte von den Kantonen respektive Gemeinden nicht veröffentlicht wurden, wird nicht im Detail auf die Inhalte einzelner Gesuche eingegangen.

In der Regel zählen in der Schweiz die Gemeinden die Stimmzettel aus. Verschiedentlich werden die Stimmen der Auslandschweizerinnen und -schweizer zentral (vom Kanton) ausgezählt.

Einschränkungen der Aussagekraft der Genauigkeitsprüfung werden ausführlich in Anhang 1 diskutiert.

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1.3

Aufbau des Berichts

Der Bericht stellt im folgenden Kapitel die elektronische Auszählung von Stimmen vor. Danach folgen drei Kapitel, die jeweils der Beantwortung einer der drei Fragestellungen gewidmet sind: das dritte Kapitel thematisiert die Zuständigkeiten für die Genehmigung der elektronischen Auszählung beim Bund, das vierte Kapitel setzt sich mit den Anforderungen des Bundes an die elektronischen Auszählungsverfahren und deren Einhaltung auseinander, und im fünften Kapitel wird die Genauigkeit der elektronischen Auszählung beurteilt. Im sechsten Kapitel werden vier Schlussfolgerungen gezogen.

2

Die elektronische Auszählung von Stimmen

Im vorliegenden Kapitel werden als erstes das technische Hilfsmittel der elektronischen Auszählung und dessen Verbreitung in der Schweiz beschrieben. Im Anschluss folgt eine Abgrenzung der elektronischen Auszählung gegenüber Vote électronique und eine Einbettung in die allgemeinen Bundesvorgaben zum Ablauf eidgenössischer Abstimmungen.

2.1

Elektronische Auszählung als neues technisches Hilfsmittel

Stimmzettel15 können über drei verschiedene Kanäle abgegeben werden: an der Urne, brieflich oder in einzelnen Kantonen über Vote électronique. Die Stimmabgabe via Post und direkt an der Urne erfolgt auf Papier. Die Stimmen werden im Anschluss traditionell von Hand gezählt.16 Um das Verfahren zu beschleunigen und die Fehleranfälligkeit zu verringern, gelangen inzwischen verschiedene technische Hilfsmittel zur Anwendung. Dazu zählen in erster Linie Präzisionswaagen und Zählmaschinen, wie sie von Geldinstituten verwendet werden, aber auch Scanner zur elektronischen Auszählung von Stimmen.

Während bei Präzisionswaagen oder Zählmaschinen die Stimmzettel manuell vorsortiert werden, wird bei der elektronischen Auszählung nach der Erfassung durch den Scanner eine Software eingesetzt, welche den Willen der Stimmenden (Kreuz auf dem Stimmzettel) erkennt, zuordnet und anschliessend das Resultat ermittelt.

Dafür kommen in der Schweiz zwei Verfahren zum Einsatz: Intelligent Mark Recognition (IMR) und Optical Mark Recognition (OMR). Beiden Technologien ermöglichen die Erkennung von Markierungen (Kästchen, Kreuz, Strichcode) und werden beispielsweise auch für die Auswertung von Fragebögen eingesetzt.

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16

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Die elektronische Auszählung ist bei Abstimmungen wie auch Wahlen möglich. Für Wahlen auf eidgenössischer Ebene ­ den Nationalratswahlen ­ wurde bisher jedoch noch kein Gesuch zur elektronischen Auszählung gestellt. In der Folge wird in der Evaluation nur die elektronische Auszählung bei eidgenössischen Abstimmungen betrachtet.

Nuspliger, Kurt/Mäder, Jana (2013): Präzision in der Demokratie, ZBl 114/2013, S. 183­205.

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Für die Stimmberechtigten ergeben sich, abgesehen von neuen Stimmzetteln, auf welchen Ja oder Nein nur noch angekreuzt werden müssen, keine direkten Änderungen, wenn von der Handauszählung auf die elektronische Auszählung gewechselt wird. Sie können ihren Stimmzettel weiterhin über die beiden gängigen Stimmkanäle (per Post oder durch Abgabe im Wahllokal) einreichen.

In der Botschaft zum BPR vom 1. September 1993 wurde die Bestimmung, dass technische Hilfsmittel (Art. 84 BPR) durch den Bundesrat genehmigt werden müssen, mit dem Hinweis auf die Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung begründet.17 Als Voraussetzungen für die Genehmigung solcher Hilfsmittel durch den Bundesrat wurden aufgeführt, dass die Eignung und Zuverlässigkeit der technischen Mittel und namentlich auch die Wahrung des Stimmgeheimnisses gewährleistet sind.

Die elektronische Auszählung wurde bisher von einzelnen Gemeinden bzw. Kantonen (Genf und Basel-Stadt) eingeführt. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Gemeinden, welche die elektronische Auszählung von Stimmen anwenden. Mehrheitlich handelt es sich dabei um Städte. Insgesamt werden gegenwärtig über die ganze Schweiz gesehen die Stimmen von über zehn Prozent der Stimmberechtigten elektronisch ausgezählt.

Tabelle 1 Einsatz elektronischer Auszählung bei eidgenössischen Volksabstimmungen Kanton

im Einsatz seit

Einsatz bei folgenden Gemeinden/Wählergruppen

Genf

2001

Freiburg Waadt

2004 2005

St. Gallen

2008

Alle Gemeinden und Auslandschweizer/ -innen (zentralisierte Durchführung) Stadt Freiburg Lausanne, Ecublens, La Tour-de-Peilz, Lutry, Montreux, Morges, Nyon, Prilly, Renens, Vevey, Yverdon-les-Bains, Auslandschweizer/-innen Stadt St. Gallen, Rapperswil-Jona, Auslandschweizer/-innen (zentralisierte Durchführung) Stadt Bern Alle Gemeinden und Auslandschweizer/ -innen (dezentrale Durchführung in den Gemeinden)

Bern 2014 Basel-Stadt 2015

Total

Anteil an den Stimmberechtigten der Schweiz

2,9 % 0,4 % 3,1 %

1,3 % 1,6 % 2,0 %

11,3 %

Anmerkung: Stand der Stimmberechtigten am 5.6.2016 Quelle: Bundeskanzlei, Bundesamt für Statistik 17

Botschaft des Bundesrates vom 1. September 1993 über eine Teiländerung der Bundesgesetzgebung über die politischen Rechte (BBl 1993 III 445).

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2.2

Abgrenzung zu Vote électronique

Die elektronische Auszählung (E-Counting) steht in der Schweiz im Schatten von Vote électronique (E-Voting), welches eine grössere Aufmerksamkeit erfährt. Dies zeigt sich u a. in der Anzahl parlamentarischer Vorstösse18 und im Umfang der medialen Berichterstattung. Unter Vote électronique wird die elektronische Stimmabgabe verstanden, die vom Stimmbürger bzw. der Stimmbürgerin von einem Computer aus ­ und daher unabhängig vom individuellen Aufenthaltsort ­ durchgeführt wird.

Nach einem ersten Bericht des Bundesrates über die Machbarkeit, die Chancen und die Risiken von Vote électronique aus dem Jahr 2002 folgten Pilotversuche in drei Kantonen (Zürich, Neuenburg und Genf), die je ein eigenes Verfahren entwickelt hatten. Im zweiten Bericht von 2006 wurden die ersten Pilotversuche (2004­2005) positiv beurteilt. Bundesrat und Parlament entschieden sich für eine schrittweise, kontrollierte Ausdehnung des elektronischen Stimmkanals (Bundesrat 2013). Seither wurden verschiedene Gesetzesänderungen in Kraft gesetzt. Die Kantone sind wie bei der elektronischen Auszählung frei, Vote électronique einzuführen. Es bedarf ebenfalls der Bewilligung durch den Bundesrat. Dabei ist er ermächtigt, örtlich, zeitlich und sachlich begrenzte Versuche für interessierte Kantone und Gemeinden zuzulassen (Art. 8a Abs. 1 BPR). Allein im Rahmen von eidgenössischen Abstimmungen wurden seit Projektbeginn mehr als hundert verbindliche Versuche mit der elektronischen Stimmabgabe durchgeführt. Beim Bund ist die Sektion Politische Rechte der BK, die auch die Genehmigung der elektronischen Auszählung unter sich hat, für Vote électronique zuständig. Für die Organisation und Durchführung der eidgenössischen Urnengänge sind jedoch die Kantone verantwortlich.19 Vote électronique unterscheidet sich fundamental von den beiden bisher gebräuchlichen Stimmkanälen (Urne, brieflich), da das gesamte Verfahren von der Stimmabgabe über die Entgegennahme der Stimmen bis zu deren Auszählung auf elektronischem Weg erfolgt. Die Plausibilisierung ­ die Überprüfung, ob ein Resultat nachvollziehbar und richtig sein kann ­ bezieht sich bei Vote électronique auf drei technische Schritte: (1) Die Abgabe der Stimme via Internet gemäss Absicht («castas-intended»), (2) die Ablage der Stimme im Sinn ihrer Abgabe («recorded-as-cast») und (3) die Zählung der
Stimme im Sinn der Ablage («counted-as-recorded»).20 Im Unterschied dazu gelangen technische Hilfsmittel erst auf der letzten Stufe der «Ermittlung der Wahl- und Abstimmungsergebnisse» zum Einsatz, während die Stimmzettel weiterhin auf Papier vorliegen.

18

19 20

174

Für eine Übersicht der Vorstösse auf Bundes- wie auch auf Kantonsebene, siehe Bundeskanzlei (2013) ergänzende Dokumentation zum Bericht des Bundesrates zu Vote électronique vom 14. Juni 2013. Auswertung der Einführung von Vote électronique (2006­2012) und Grundlagen zur Weiterentwicklung.

Bundesrat 2013, S. 5071 Bundesrat 2013, S. 5184

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2.3

Bundesvorgaben zum Ablauf eidgenössischer Abstimmungen

Der Bund verfügt im Bereich von Wahlen und Abstimmungen nur über geringe Kompetenzen und setzt in erster Linie die Rahmenbedingungen (u. a. Bereitstellen der Stimmzettel, Veröffentlichung der Ergebnisse). Die Abstimmungen über nationale Vorlagen werden jedoch von den Kantonen auf ihrem Gebiet gemäss Artikel 10 Absatz 2 BPR selbst durchgeführt. Zudem erlassen sie die erforderlichen Anordnungen die eine korrekte Auszählung garantieren und eine Beschwerdemöglichkeit schaffen. Soweit die BV, das BPR und die Ausführungserlasse des Bundes keine Bestimmungen enthalten, gilt kantonales Recht. Folglich liegt es in der Verantwortung der Kantone, wie die Stimmen ausgezählt werden. So werden die Stimmzettel in einigen Gemeinden von einem nichtständigen Stimmausschuss ohne Bezahlung ausgezählt, während in anderen Gemeinden Parteimitglieder oder auch bezahlte Bürgerinnen und Bürger das Auszählen übernehmen.

Für Vote électronique und die elektronische Auszählung gelten gegenüber dem konventionellen Zählverfahren gewisse zusätzliche Regelungen. So muss für beide eine Genehmigung des Bundesrates vorliegen. Das Gesuch für die elektronische Auszählung in einzelnen Gemeinden muss beim Bund immer vom jeweiligen Kanton eingereicht werden. Für die Einführung sind Änderungen in den gesetzlichen Grundlagen der Kantone und jeweiligen Gemeinden erforderlich.

Konkrete Anforderungen an technische Hilfsmittel gründen in Artikel 84 BPR, der 1994 in Kraft getreten ist und durch ein Kreisschreiben des Bundesrates aus dem Jahr 200321 konkretisiert wurde. Die aufgeführten Anforderungen betrafen insbesondere Präzisionswaagen. Hingegen entwickelte dieses Kreisschreiben keine Anforderungen an die elektronische Auszählung. Erst mit dem am 18. Mai 2016 neu in Kraft getretenen Kreisschreiben des Bundesrates22 wurden Anforderungen an maschinenlesbare Stimmzettel speziell zur Gewährleistung der Vertrauenswürdigkeit festgehalten. Zudem müssen die speziell für die elektronische Auszählung angefertigten Stimmzettel für eidgenössische Abstimmungen von der BK genehmigt werden.23 Dabei wird darauf geachtet, dass es sich um exakt denselben Text (inkl.

Zeilenumbrüchen, Fettgedrucktes etc.) handelt.

21

22

23

Bundesrat (2003): Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen vom 15. Januar 2003 zur Resultatermittlung mit technischen Geräten bei eidgenössischen Volksabstimmungen (BBl 2003 419).

Bundesrat (2016): Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen vom 18. Mai 2016 über die Ermittlung der Ergebnisse eidgenössischer Volksabstimmungen mit technischen Mitteln (BBl 2016 4099).

Die herkömmlichen Stimmzettel für eidgenössische Abstimmungen werden von der BK bereitgestellt. Für die elektronische Auszählung müssen jedoch von den Gemeinden/Kantonen auf den Scanner angepasste Stimmzettel geschaffen werden.

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Zweckmässigkeit und Einhaltung der rechtlichen Zuständigkeiten für die Genehmigung der elektronischen Auszählungen

Zusammenfassung: Gesuche zur Einführung der elektronischen Auszählung, welche auf einem bereits vom Bundesrat genehmigten Verfahren basieren, wurden in der Vergangenheit von der BK genehmigt, obwohl vom Bundesrat keine explizite Delegation dieser Kompetenz an die BK erfolgt war. Für die sich in der Praxis etablierte Aufgabendelegation fehlte bis zum Erlass vom Kreisschreiben 2016 eine rechtliche Grundlage, weshalb die Rechtmässigkeit von Auszählungen mit früher genehmigten Verfahren offen ist. Aus fachlicher Sicht ist die BK die für die Prüfung der kantonalen Gesuche kompetente Stelle.

Der Bundesrat soll sich grundsätzlich durch Delegation entlasten. Er legt folglich durch Verordnungen fest, welche Verwaltungseinheiten für die Entscheidung in einzelnen Geschäften oder in ganzen Geschäftsbereichen zuständig sind (Art. 47 Abs. 2 RVOG)24. Die Zuordnung erfolgt in der Regel an die Einheit, bei der die erforderliche politische und fachliche Kompetenz konzentriert ist (Art. 13 Abs. 2 Satz 1 RVOV)25.

Die BK erfüllt Vollzugsaufgaben, die ihr durch Gesetz übertragen werden ­ so insbesondere im Bereich der politischen Rechte (Art. 4 Abs. 2 Bst. d OV-BK)26 ­ und sorgt dafür, dass alle eidgenössischen Abstimmungen und Wahlen korrekt durchgeführt werden (Art. 1 Abs. 4 Bst. a OV-BK). Durch das Kreisschreiben 2016 überträgt der Bundesrat explizit einen Teil der Genehmigungen von technischen Hilfsmitteln bei Abstimmungen an die BK. So sind die Meldungen der Kantone zum Einsatz bewilligter Verfahren zur elektronischen Auszählung vor dem erstmaligen Einsatz an die BK zu richten (Ziff. 3.2 Kreisschreiben 2016). Diese kann von den Kantonen wiederum Belege für die Erfüllung der technischen Kriterien und der Vertrauenswürdigkeit verlangen. Zum Einsatz neuer technischer Hilfsmittel beziehungsweise Verfahren bedarf es weiterhin einer Bewilligung durch den Bundesrat (Ziff. 4.1 Kreisschreiben 2016).

Bis zum Erlass des Kreisschreibens 2016 gab es keine rechtliche Grundlage zur Prüfung der Gesuche durch die BK. In der Praxis hat sich jedoch eine Aufgabenteilung zwischen Bundesrat und BK etabliert: Gesuche die auf bereits vom Bundesrat genehmigten Verfahren basierten, wurden von der BK genehmigt. So behandelte der Bundesrat beispielsweise das in der Stadt St. Gallen zum Einsatz gebrachte Scanningverfahren; das Gesuch der
Stadt Bern und des Kantons Basel-Stadt, die sich auf das St. Galler Verfahren bezogen, wurde demgegenüber durch die BK genehmigt.

Problematisch war dabei, dass die BK diese Feststellung ohne gesetzliche Grundlage vornahm.27 Es bestehen Zweifel, ob es sich hierbei um eine Genehmigung im Sinne von Artikel 84 Absatz 2 BPR handelt.

24 25 26 27

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Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (SR 172.010).

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 1998 (SR 172.010.1).

Organisationsverordnung für die Bundeskanzlei vom 29. Oktober 2008 (OV-BK, SR 172.210.10).

Glaser/Fuhrer 2016, S. 28

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Mit dem Kreisschreiben 2016 wurde nun zwar eine rechtliche Grundlage geschaffen, doch der Verstoss gegen das Legalitätsprinzip dürfte bei den früher behandelten Gesuchen bestehen bleiben. Im Fall einer Stimmrechtsbeschwerde könnte die Rechtswidrigkeit der Auszählung und damit eine Verletzung der Abstimmungsfreiheit festgestellt werden, was zur Anordnung einer manuellen Nachzählung führen könnte.28 Während der BK zwar in der Vergangenheit die rechtlichen Grundlagen fehlten, verfügt sie aber über die nötige fachliche Kompetenz zur Beurteilung der kantonalen Gesuche.29 Die zuständige Sektion Politische Rechte prüft auch die Gesuche für Vote électronique und hat dadurch hinsichtlich technischer Hilfsmittel einen breiten Erfahrungsschatz aufgebaut. Auch die Kantonsvertretenden schreiben der Sektion Politische Rechte die nötige Kompetenz zu, um die Kantone bei der Erarbeitung der Gesuche zu unterstützen und diese zu prüfen.

4

Anforderungen des Bundes an die elektronische Auszählung

Zusammenfassung: Bei der elektronischen Auszählung ist weniger offensichtlich als bei der Handauszählung, wie die Ergebnisse zustande kommen. Daher sind erhöhte Anforderungen zur Garantie der Wahl- und Abstimmungsfreiheit erforderlich. Die Anforderungen des Bundes sind bisher wenig zweckmässig und hinken der internationalen Good Practice für die elektronische Auszählung hinterher. Das neue Kreisschreiben aus dem Jahr 2016 führt zwar einige Anforderung auf, gleichzeitig gelten die früheren Genehmigungen weiterhin unbefristet. Für den Einsatz von zwei früher bewilligten Verfahren in weiteren Kantonen und Gemeinden muss nicht erneut ein Gesuch beim Bundesrat gestellt werden. Da der Einsatz bei der BK nur noch gemeldet werden muss, verfügt diese kaum noch über eine Interventionsmöglichkeit. Die BK verfolgt einen Ansatz der Überzeugung, durchgesetzt werden jedoch nur Minimalanforderungen.

4.1

Erhöhte Anforderungen an die elektronische Auszählung zur Garantie der Wahl- und Abstimmungsfreiheit

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gibt die in Artikel 34 Absatz 2 BV verankerte Wahl- und Abstimmungsfreiheit den Stimmberechtigten Anspruch darauf, dass «kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt»30. Darunter fällt insbesondere die korrekte Stimmenverwertung, Auszählung und Ermittlung des Wahl- und Abstimmungsergebnisses. Der einzelne Stimmberechtigte besitzt dementsprechend ein Recht auf ordnungsgemässe und sorgfältige Auszäh28 29 30

Glaser/Fuhrer 2016, S. 28 Krimmer/Fischer 2016, S. 27 BGE 141 II 297

177

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lung der Stimmen. Die Akzeptanz knapper Abstimmungsergebnisse hängt massgeblich davon ab, dass das Auszählungsverfahren Gewähr für eine sorgfältige Ermittlung der Abstimmungsergebnisse bietet.

Die Korrektheit der Auszählung der Stimmen wird durch institutionelle Vorkehren wie die Einsetzung eines Stimmbüros unterstützt. Indem es sich hierbei um ein kollektives Organ handelt, in dem verschiedene Parteien und Gruppierungen vertreten sind, wird eine gegenseitige Kontrolle der Mitglieder ermöglicht.31 Die Pflicht zur korrekten Ermittlung des Abstimmungsergebnisses steht in engem Zusammenhang mit einem allfälligen Anspruch auf Nachzählung. Ein sehr knappes Abstimmungsergebnis erfordert nach Artikel 13 Absatz 3 BPR jedoch nur dann eine Nachzählung, wenn Unregelmässigkeiten glaubhaft gemacht worden sind, die nach Art und Umfang geeignet waren, das Bundesergebnis wesentlich zu beeinflussen.

Das alleinige Vorliegen eines sehr knappen Abstimmungsergebnisses genügt demnach für eine Anfechtung des Resultats durch die Stimmberechtigten nicht.

In Bezug auf die korrekte Ermittlung des Abstimmungsergebnisses stellen sich bei der elektronischen Auszählung vergleichbare Fragen wie beim Vote électronique.

Zwar unterscheiden sich die ersten beiden Schritte («cast-as-intended», «recordedas-cast»)32, da diese bei der elektronischen Auszählung manuell und beim Vote électronique elektronisch durchgeführt werden. Der letzte Schritt jedoch, die Summierung aller elektronisch erfassten Stimmen zum finalen Resultat («counted-asrecorded»), ist bei beiden Varianten gleichermassen der Manipulation ausgesetzt und nur schwer überprüfbar. Eine Anfechtung des elektronisch ausgezählten Resultats wird praktisch verunmöglicht.33 Die hohen Anforderungen an die Geltendmachung von Unregelmässigkeiten sind daher in Anbetracht der erschwerten Erkennbarkeit im Vergleich zur vollständig manuellen Auszählung für Verfahren der elektronischen Auszählung wie auch für Vote électronique erheblich abgesenkt. Die grösste Aufmerksamkeit ist beim Einsatz technischer Hilfsmittel auf die rechtliche Verankerung von Transparenz und Plausibilisierung zu legen.34 Der Bund kann dies durch einen Genehmigungsvorbehalt sicherstellen.

Gemäss Artikel 91 Absatz 2 Satz 1 BPR bedürfen die kantonalen Ausführungsbestimmungen zur Ausübung des eidgenössischen
Stimmrechts einer Genehmigung seitens des Bundes. Demnach müssen sowohl Bestimmungen zur manuellen Auszählung, als auch Normen, welche die elektronische Auszählung und Vote électronique regeln, durch den Bund genehmigt werden. Der Genehmigungsvorbehalt für die technischen Hilfsmittel wird in Artikel 84 BPR explizit aufgeführt. Durch das Genehmigungsverfahren wird ein gewisses Mindestmass an Homogenität zwischen den kantonalen Bestimmungen und damit indirekt auch bezüglich der verwendeten

31 32 33 34

178

Hangartner, Yvo/Kley, Andreas (2000): Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 2000.

Vgl. Ziff. 1.2 Glaser/Fuhrer 2016, S. 9 Glaser/Fuhrer 2016, S. 22

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elektronischen Hilfsmittel gewährleistet. Der Bund trägt dabei den in den Kantonen gewachsenen Traditionen bei der Ausübung politischer Rechte Rechnung.35

4.2

Defizite bei den Anforderungen des Bundes an die geprüften Gesuche

Die BK basierte ihre Beurteilung der kantonalen Gesuche bisher auf drei Säulen: dem BPR, dem Kreisschreiben36 und der Kommunikation mit den Kantonen. Die darin enthaltenen Anforderungen werden in der Folge mit Blick auf die technischen Anforderungen und die Befristung der Bewilligung beurteilt.

Technische Anforderungen In Artikel 84 Absatz 2 BPR sind keine materiellen Vorgaben an die Zuverlässigkeit der bei der Ergebnisermittlung einzusetzenden technischen Mittel verankert. Es handelt sich vielmehr um eine Blanko-Ermächtigung an den Bundesrat, die Vorgaben zu konkretisieren. Das Gesetz beinhaltet bei isolierter Betrachtung keine hinreichende Bestimmtheit.37 Ebenso beinhaltet Artikel 84 Absatz 2 BPR keine Gesetzesdelegation und weder in einer Verordnung noch im Kreisschreiben 2003 wurden die Anforderungen an die elektronische Auszählung definiert. Demgegenüber konkretisierte der Bundesrat entsprechend der Delegation in Artikel 8a Abs. 4 BPR die Modalitäten von Vote électronique ausführlich auf Verordnungsstufe.38 Die Kantone müssen im Hinblick auf die Zuverlässigkeit von Vote électronique alle wirksamen und angemessenen Massnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, dass der Urnengang korrekt durchgeführt und abgeschlossen werden kann (Art. 27j Abs. 1 VPR).

Weiter werden insbesondere Anforderungen an die Plausibilisierung des Ergebnisses gestellt (Art. 27i VPR). Die Plausibilisierung erweist sich als Schlüsselinstrument zur Gewährleistung der Verfassungskonformität des Vote électronique, lassen sich doch auf diese Weise durch Softwarefehler, menschliche Fehlleistungen oder vorsätzliche Manipulationen verursachte systematische Fehlfunktionen im Abstimmungsablauf vor der Publikation des Abstimmungsergebnisses mutmasslich entdecken.39 Zusätzlich sieht Artikel 27l VPR vor, dass eine unabhängige, von der BK anerkannte externe Stelle die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen der BK bestätigt und die Sicherheitsvorkehrungen und das Verfahren der elektronischen Stimmabgabe auf den neuesten Stand hin überprüft.

35 36

37 38

39

Glaser/Fuhrer 2016, S. 25 Da die bisherigen Gesuche ­ bis auf das früher genehmigte Gesuch des Kantons Genf ­ vor dem Hintergrund des Kreisschreibens 2003 genehmigt wurden, wird nicht nur das Kreisschreiben 2016, sondern auch das davor geltende aus dem Jahr 2003, beurteilt.

Glaser/Fuhrer 2016, S. 19 Verordnung vom 24. Mai 1978 über die politischen Rechte (VPR, SR 161.11).

Verordnung der Bundeskanzlei vom 13. Dezember 2013 über die elektronische Stimmabgabe (VEleS, SR; 161.116).

Siehe dazu auch Glaser, Andreas (2015) Der elektronisch handelnde Staat, E-Legislation, E-Government, E-Justice, ZSR 134, S. 259­333.

179

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Als Hilfestellung für die Einreichung von Gesuchen um eine Genehmigung für den Einsatz von Verfahren der elektronischen Auszählung wurde den interessierten Kantonen bislang durch die Sektion Politische Rechte der BK per E-Mail eine Anleitung zur Verfügung gestellt. Darin werden primär die einzureichenden Dokumente und Nachweise benannt und erläutert. Als eigentliche Rechtsgrundlage kann diese Anleitung indes nicht gelten. Rechtlich ist die E-Mail als unverbindlicher Realakt einzuordnen, da es sich um die blosse Übermittlung von Informationen zuhanden von kantonalen Behörden handelt. Im Verhältnis zum Kreisschreiben fehlt es der E-Mail demnach an eigenständiger Bedeutung.40 Das technische Gutachten zeigt auf, dass auch mit der Konkretisierung durch diese Hilfestellung die Anforderungen des Bundes vor dem Erlass des Kreisschreibens 2016 im Vergleich mit der internationalen Good Practice zur elektronischen Auszählung 41 grössere Defizite aufweisen (siehe Anforderungen Kreisschreiben 2003 Tabelle 2)42. So fehlen in den Anforderungen an das Betriebskonzept43 beispielsweise zentrale Aspekte wie technische Hilfestellungen für die Wahlhelfer durch den Hersteller sowie Risiko- beziehungsweise Krisenmanagementkonzepte. Ebenfalls fordert der Bund keine Auseinandersetzung mit der Problematik der Abhängigkeit vom Hersteller. Die Existenz und Verfügbarkeit von Ersatzteilen bleibt ebenso unerwähnt wie auch Anforderungen an die Sicherheit bei der Übermittlung der Daten. Bei den Genehmigungsprozessen wird vom Bund nicht durchgehend ein Vier-Augen-Prinzip eingefordert. Ebenso sind Anforderungen an den Aus- sowie Nachzählungsprozess gering. So fehlt beispielsweise das Erfordernis, dass eine statistisch relevante Stichprobe zur Plausibilisierung der Zählergebnisse erhoben wird. Im Bereich «Grundlagen» zeigt sich, dass die BK speziell in der Kommunikation mit dem gesuchstellenden Kanton Gewicht auf das grundsätzliche Bewusstsein über die Verantwortung und einen vertieften Austausch vor der Genehmigung legt, was positiv beurteilt wird.

40 41 42 43

180

Glaser/Fuhrer 2016, S. 15 Hauptsächlich Handbuch für die Beobachtung neuer Wahltechnologie der OSZE (OSZE/BDIMR 2013), vgl. Ziff. 1.2. Für die Kriterien siehe Anhang 2.

Die Anforderungen im Kreisschreiben 2016 werden in Kapitel 4.4 besprochen.

Unter Betriebskonzept werden auch das Sicherheits- und Technikkonzept sowie Risikoszenarien subsummiert.

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Tabelle 2 Anforderungen des Bundes zur Genehmigung der elektronischen Auszählung gegenüber internationaler Good Practice für die elektronische Auszählung Kategorie

Anforderungen Kreisschreiben 2003

Anforderungen Kreisschreiben 2016

Grundlagen Betriebskonzept Hersteller Hardware Software Übermittlung der Daten Auszählprozess Nachzählprozess Quelle: Krimmer/Fischer 2016, S. 24 und S. 28 Anmerkung: Schwarz = der internationalen Good Practice entsprechend, grau = der internationalen Good Practice teilweise entsprechend, weiss = der internationalen Good Practice nicht entsprechend

Befristung der Bewilligung Ein tief greifender Unterschied zwischen den Anforderungen des Bundes an Vote électronique gegenüber jenen an die elektronische Auszählung stellt die Tatsache einer einmaligen und unbefristeten Bewilligung dar. Die Genehmigung für Vote électronique unterliegt einem differenzierteren zweistufigen Verfahren. Dieses besteht aus einer vom Bundesrat zu erteilenden Grundbewilligung (Art. 27a Abs. 1 VPR) und einer generellen Bewilligung, die nach fünf Urnengängen nicht mehr an bestimmte Urnengänge gebunden ist (Art. 27a Abs. 3 VPR).44 Hat ein Kanton die bundesrätliche Grundbewilligung erhalten, überprüft die BK zusätzlich pro Urnengang, ob die Voraussetzungen für die Durchführung weiterhin gegeben sind. Die BK stützt ihren Entscheid pro Urnengang auf eine formale Überprüfung. Erhoben wird, ob alle verlangten Dokumente und Zertifikate den aktuellen Anforderungen entsprechen.45 Da die elektronische Auszählung im Unterschied zum Vote électronique nur die Auszählung der Stimmen, nicht aber deren Abgabe und deren Übermittlung betrifft, rechtfertigen sich gewisse Vereinfachungen bei der Bewilligungserteilung, insbesondere weil bei der elektronischen Auszählung die Nachzählung von Stimmzetteln möglich ist. Auf der letzten Stufe der Auszählung der Stimmen in Form der Auswertung der Stimmzettel mithilfe technischer Geräte sollten demgegenüber ähnliche Standards gelten wie beim Vote électronique.46

44 45 46

Glaser 2015, S. 17 Bundesrat 2013, S. 5196 Glaser/Fuhrer 2016, S. 31

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4.3

Zurückhaltende Anwendung der Anforderungen des Bundes

Bei allen bisher eingereichten und bewilligten Gesuchen wurden die Anpassungen der kantonalen rechtlichen Grundlagen durch die BK im Detail geprüft. In erster Linie hat die BK beurteilt, ob neue technische Mittel und eigene Stimmzettel zum Ankreuzen ermöglicht werden. Speziell bei den neueren Fällen wurde der Austausch mit der BK von Seiten der Kantone jeweils früh gesucht, um offene Fragen zu klären respektive eine erste Rückmeldung zu den geplanten Anpassungen zu erhalten. Die Prüfung der rechtlichen Grundlagen durch die Sektion Politische Rechte der BK kann als adäquat bezeichnet werden.

Mit Blick auf die technischen Aspekte wurden nach Aussagen von den Mitarbeitenden der Sektion Politische Rechte der BK im Rahmen der Gesuche der Kantone Genf, Waadt und Freiburg im Zeitraum der Jahre 2000 bis 2005 jedoch fast ausschliesslich die Anpassung der rechtlichen Grundlagen zur Ermöglichung elektronischer Auszählung geprüft. In den Dossiers sind ebenfalls nur Unterlagen dazu, nicht aber zu den technischen Aspekten auffindbar. Wie in den Dossiers zu anderen Kantonen ersichtlich, gab es zumindest in einem Fall vor der Einführung des Verfahrens auch vor Ort eine Vorführung für die BK. Offenbar wurden verschiedentlich im bilateralen Austausch auch Informationen über die technischen Verfahren und die Prozesse der elektronischen Auszählung ausgetauscht. Gleichzeitig haben sich im Rahmen der Untersuchung Zweifel erhärtet, dass nicht in all diesen Fällen überhaupt ein Betriebskonzept besteht, womit einheitliche Abläufe garantiert werden können.

Dies kann u a. dazu führen, dass eine Vorprüfung der Stimmzettel nicht systematisch durchgeführt wird.

Bezüglich des Gesuchs des Kantons St. Gallen aus dem Jahr 2007 wurde eine grössere Zahl von Bewertungskriterien zugrunde gelegt als bei der Behandlung der früheren Gesuche. Insoweit ist einen Paradigmenwechsel feststellbar. Als Grundlage für die Genehmigung des Gesuchs des Kantons St. Gallen dienten dem Bund verschiedene durch den Kanton eingereichte vertrauliche Dokumente. Es wurde eine sogenannte Prozessdokumentation verwendet, um die neu geschaffenen Rechtsgrundlagen sowie den konkreten Vorgang der Auszählung maschinenlesbarer Stimmzettel aufzuzeigen. Zusätzlich wurden mittels einer technischen Dokumentation die zu verwendende Soft- und Hardware sowie die Handhabung
des geplanten Scanners dargelegt. Ebenfalls eingereicht wurden Musterbeispiele künftiger Stimmzettel.

In allen bisher eingereichten und vom Bund genehmigten Verfahren wird dagegen nur sehr knapp oder überhaupt nicht darauf eingegangen, wie die Plausibilisierung der Ergebnisse gehandhabt werden soll, respektive wann und in welchem Umfang eine Stichprobe gezogen wird. Ansonsten sind die nach dem Kanton St. Gallen eingereichten Betriebskonzepte in den weiteren Bereichen meist einiges detaillierter, als dies die Anforderungen des Bundes erwarten liessen.

Die Sektion Politische Rechte der BK hat verschiedentlich die gesuchstellenden Kantone dazu angehalten hohe Standards anzuwenden, insbesondere sollten zufällige und repräsentative Stichproben am Ende des Auszählungsprozesses gezogen werden. Ebenfalls versuchte die BK die Kantone zu höheren Standards bei der 182

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Aufbewahrung der Computer respektive der Sicherheit bei der Datenspeicherung zu bewegen. Am sichersten wäre die Durchführung der Auszählung mit Hardware, welche ausschliesslich zum Zweck der Stimmenauszählung eingesetzt würde, was nur punktuell gemacht wird. Ähnliches kann für die Veröffentlichung der Betriebskonzepte zur Schaffung von Transparenz angemerkt werden. Nicht in allen Fällen sind die Kantone auf die Hinweise der BK eingetreten. Ganz allgemein sieht sich die BK im Genehmigungsprozess als durchsetzende Instanz von Mindeststandards und als Unterstützung für die Kantone. Man erachtet es sinnvoller, wenn Kantone oder Gemeinden selbständig, allenfalls mit Unterstützung der BK, auf zweckmässige Lösungen kommen und diese verinnerlichen. In einem internen Papier hält die Sektion Politische Rechte fest: «zentral [...] ist, dass die digitale Ergebnisermittlung mittels manueller Nachzählung einer Stichprobe validiert wird. Die Grösse der Stichprobe ­ und somit die statistische Aussagekraft ­ bestimmen jedoch die Kantone. Wichtig ist, dass sich die Kantone bzw. Gemeinden darüber im Klaren sind, welche Rückschlüsse auf die Gesamtheit der Stimmzettel aufgrund der gewählten Stichprobengrösse zulässig sind». Wichtig ist jedoch, dass alle Aspekte der Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit in einem Betriebskonzept festgehalten werden, da die Sensibilisierung gerade bei Wechseln der zuständigen Personen schnell verloren gehen kann.

Letztlich gründe die zurückhaltende Rolle der BK nach eigenen Aussagen in der allgemeinen Zurückhaltung des Bundes bei der Regelung der Durchführung von Wahlen und Abstimmungen. Aufgrund des expliziten Genehmigungsvorbehaltes des Bundes in Artikel 84 Abs. 2 BPR trägt dieser auch eine grössere Verantwortung als im Bereich der manuellen Auszählung, bei welcher der Bund nur im Rahmen der Genehmigung der kantonalen Ausführungsbestimmungen auf die Rechtsgrundlagen Einfluss nehmen kann. Daher wird die Anwendung der Anforderungen durch die BK nur als bedingt zweckmässig beurteilt.

Aufgrund der tiefen Anforderungen und des frühzeitigen Austausches zwischen den gesuchstellenden Kantonen und der Sektion Politische Rechte der BK musste in der Vergangenheit kein Gesuch zurückgewiesen werden. Vereinzelt hat die BK die Genehmigung mit zusätzlichen Auflagen respektive Vorbehalten versehen. Die
Kontrolle der kantonalen Umsetzung der Vorbehalte funktioniere nach Aussagen der befragten Personen der Sektion Politische Rechte der BK aufgrund regelmässiger Kontakte zu den Verantwortlichen gut. Wie auch bei Anpassungen der Betriebskonzepte setzt die BK stark auf die selbständige Meldung durch die Kantone, was in den meisten Fällen aufgrund des regelmässigen Austausches der Sektion Politische Rechte der BK mit den Wahl- und Abstimmungsleitern der Kantone sehr gut funktioniere.

Allgemein gilt es festzuhalten, dass die Betriebskonzepte der Gemeinden resp.

Kantone über die Zeit hinweg konkreter wurden und sich immer mehr der laufend weiterentwickelten internationalen Good Practice angepasst haben. In einem Fall wurde festgestellt, dass das Betriebskonzept nach der Genehmigung durch die BK und den ersten Abstimmungen noch leicht angepasst wurde. Die verantwortliche Person hat dies der BK mitgeteilt. Allgemein herrscht die Meinung bei den befragten Personen, dass grössere Anpassungen im Betriebskonzept der BK gemeldet würden.

Darüber was grössere Anpassungen sind, herrscht jedoch keine einheitliche Meinung.

183

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4.4

Verfestigung der Defizite mit dem Kreisschreiben 2016

Die Unterschiede in den Anforderungen des Bundes an die elektronische Auszählung im Vergleich zur internationalen Good Practice und zu Vote électronique finden auch mit dem Kreisschreiben 2016 ihre Fortsetzung.

Im Unterschied zum Kreisschreiben 2003 regelt das am 18. Mai 2016 erlassene Kreisschreiben des Bundesrates erstmals explizit die Bewilligung von Verfahren zur elektronischen Auszählung. Gemäss Ziffer 3.1 des Kreisschreibens 2016 gelten gestützt auf Artikel 84 Absatz 2 BPR zwei Verfahren mit elektronischer Erfassung und Auszählung von Stimmzetteln als bewilligt, nämlich die Verwendung eines optischen Lesegerätes (OMR) wie es der Kanton Genf im Jahr 2001 einführte, und die Erfassung der Stimmzettel durch Scanner (IMR) wie es der Kanton St. Gallen seit dem Jahr 2008 einsetzt.47 Die Verfahren werden im Kreisschreiben nicht weiter definiert. Für den Einsatz derselben Verfahren in weiteren Kantonen und Gemeinden muss nicht erneut ein Gesuch beim Bundesrat gestellt werden. Die Kantone müssen den Einsatz von bewilligten Verfahren oder deren Ausdehnung auf weitere Gemeinden des Kantonsgebiets vor dem erstmaligen Einsatz der BK lediglich melden (Ziff.

3.2 Kreisschreiben 2016). Die Kantone sichern gegenüber der BK explizit die Erfüllung sämtlicher Kriterien in Bezug auf die maschinenlesbaren Stimmzettel und die Gewährleistung der Vertrauenswürdigkeit zu. Gleichzeitig kann die BK Belege einfordern. Problematisch ist hier jedoch, dass die BK nicht über das Betriebskonzept des Kantons Genf verfügt, da für diesen Kanton nur die Rechtsgrundlagen zur Genehmigung geprüft wurden und auch später kein Betriebskonzept nachgereicht wurde. Dadurch können Belege von Kantonen, die sich bei der Einführung auf das Verfahren des Kantons Genf stützen, nicht mit dessen Betriebskonzept verglichen werden.48 Im Lichte der rasanten technischen Entwicklung erscheint die einfache Meldung beim Einsatz von bereits durch den Bundesrat genehmigten Verfahren als ein sehr weitgehender Schritt. Dieser impliziert, dass die derzeit im Einsatz befindlichen Verfahren (ursprünglich in den Jahren 2001 und 2008 erstmals eingeführt) der aktuellen internationalen Good Practice entsprechen.49 Die BK kann zwar bei den Kantonen Belege einfordern, eine systematische Prüfung finde jedoch nicht mehr statt.

47 48

49

184

Vgl. auch Ziff. 2.1 Im Rahmen der Verwaltungskonsultation hat die Sektion Politische Rechte der BK mit Schreiben vom 2. Dezember 2016 diesbezüglich wie folgt Stellung genommen: «Mit dem Kreisschreiben 2016 sind zugelassene Technologien (3.1) [...] sowie die Gewährleistung der Vertrauenswürdigkeit definiert. Ausgehend davon, kann die BK ein Gesuch/Information behandeln. Ein Rückgriff auf Unterlagen des Kantons GE ist deshalb nicht notwendig.» Nach Ansicht der PVK widerspricht diese Argumentation teilweise der bisherigen Praxis. In früheren Fällen (vor Erlass des Kreisschreibens 2016) wurde im Genehmigungsschreiben der BK explizit darauf hingewiesen, dass die angestrebte Lösung mit dem bereits genehmigten Verfahren des Kantons SG verglichen wurde.

Krimmer/Fischer 2016, S. 28

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Allgemein steht bei erheblichen und/oder wiederholten Verstössen dem Bundesrat als Ultima Ratio nur die Möglichkeit des Widerrufs der Bewilligung für den Einsatz technischer Hilfsmittel zur Verfügung. Probleme könnten sich jedoch ergeben, wenn die Verstösse von einem Kanton stammen, der selbst nicht über eine eigene Bewilligung verfügt, sondern sich auf ein bereits genehmigtes Verfahren der Kantone Genf oder St. Gallen beruft.

Einer gesonderten Bewilligung des Bundesrates bedarf es für den Einsatz technischer Mittel zur Ermittlung der Ergebnisse oder Teilergebnisse eidgenössischer Volksabstimmungen, wenn zur Ergebnisermittlung neue technische Hilfsmittel beziehungsweise Verfahren eingesetzt werden (Ziff. 4.1 Bst. a Kreisschreiben 2016).

Für den Betrieb der Systeme stellt der Bundesrat im Kreisschreiben 2016 Anforderungen an Stimmzettel sowie Massnahmen zum Risikomanagement und zur regelmässigen Kalibrierung der Geräte. Neu wird im Kreisschreiben auch die Plausibilisierung der Resultate zur Prüfung der Funktionsweise der technischen Mittel vorgeschrieben. Um eine statistisch relevante Aussagekraft der Stichprobe zu erreichen, müsste diese eine signifikante Grösse aufweisen und am Ende des Auszählungsprozesses zufällig gezogen werden. Ist dies gegeben, kann mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eine Aussage über die vorgelagerten Prozesse und die Genauigkeit der Auszählung gemacht werden. Im Kreisschreiben wird jedoch keine Anforderung an die Zufälligkeit der Grösse der Stichprobe erlassen. Betreffend die Stichproben stellt das Kreisschreiben 2016 daher eine Minimallösung dar.50 Das Kreisschreiben 2016 orientiert sich im Wesentlichen an der vorausgegangenen Prüfpraxis der BK (Kreisschreiben 2003 und Hilfestellung der BK). Folglich ist in der Praxis kaum eine Veränderung zu erwarten. Die Konkretisierung des Kreisschreibens stellt aber eine höhere Nachvollziehbarkeit und Rechtssicherheit her.

Darüber hinaus wird im Kreisschreiben ferner ein Erfahrungsaustausch zwischen den Kantonen vorgeschlagen, was aus Sicht der technischen Beurteilung als sinnvoll eingestuft wird, da die Kantone/Gemeinden sich gegenseitig möglicherweise zu höheren Standards «anleiten» und motivieren. Die Kantone ihrerseits haben sich zu einem Entwurf des Kreisschreibens Ende 2015 unterschiedlich geäussert. U.a.

wurden einerseits
die Anforderungen und der Detaillierungsgrad zu den Massnahmen zur Gewährleistung der Vertrauenswürdigkeit als zu hoch und andererseits als zu offen und interpretationsbedürftig betrachtet. Darüber hinaus wurde von einzelnen Kantonen ein Ausdruck mangelndes Vertrauen der BK in die Arbeit der Kantone/Gemeinden geortet.51

50 51

Glaser/Fuhrer 2016, S. 22 Bundeskanzlei (2016): KRS E-Counting ­ Kommunikation SPR anlässlich des Wahl- und Abstimmungsleitertreffens vom 28.1.2016. Internes Dokument.

Mit Blick auf die Rückmeldungen der Kantone wurden zwischen Entwurfsphase und verabschiedeter Version verschiedentlich redaktionelle und inhaltliche Änderungen am Kreisschreiben vorgenommen.

185

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5

Genauigkeit der elektronischen Auszählung

Zusammenfassung: Die PVK stellte bei der Überprüfung der elektronischen wie auch der manuellen Auszählung nur sehr geringe Abweichungen von den offiziell ermittelten Resultaten fest. Bei der Prüfung der Abweichungen der elektronischen Auszählung zeigten sich jedoch gewisse Differenzen bei den leeren Stimmen. Dies dürfte daran liegen, dass das System fehlerhaft ausgefüllte Stimmzettel nicht korrekt erkannte, während bei einer Handauszählung der Wille des/der Stimmberechtigten in aller Regel klar erkennbar war. Dies unterstreicht, dass es bei der elektronischen Auszählung unabdingbar bleibt, dass die Stimmzettel vor dem Scannen geprüft werden.

Die PVK hat in sieben Kantonen bzw. Gemeinden die abgegebenen Stimmen zu zwei Vorlagen von der eidgenössischen Abstimmung vom 5. Juni 2016 von Hand nachgezählt. Die Prüfung der Genauigkeit ergab weder bei der elektronischen noch bei der manuellen Auszählung auffallende Abweichungen von den offiziellen Resultaten. Bei einem näheren Vergleich beider Methoden fällt auf, dass sie sich in Bezug auf falsch gezählte Ja- und Nein-Stimmen kaum unterscheiden. Hinsichtlich der ausgewiesenen leeren Stimmen sind hingegen bei der elektronischen Auszählmethode vereinzelt Fehler feststellbar.

Die durchschnittliche Ungenauigkeit der elektronischen Auszählmethode ­ wie in Tabelle 3 ersichtlich ­ lag bei den beiden ausgezählten Vorlagen lediglich bei 0,01 % aller abgegebenen Stimmen. Die klassische Handzählung befindet sich mit einer Fehlerquote von 0,04 % in einem ähnlich niedrigen Bereich. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei der Betrachtung der Abweichungen der einzelnen Fälle (einzelne/r Gemeinde/Kanton und einzelne Abstimmungsvorlage). Dort bewegt sich die Ungenauigkeit mit maximal 0,15 % des Stimmentotals in einem Bereich, der von der PVK ebenfalls als vernachlässigbar eingestuft wird, da ein solcher Fehler auf das Ergebnis keinen Einfluss gehabt hätte.

Tabelle 3 Abweichungen nach Kanton/Gemeinde und Auszählmethode Gemeinde/Kanton nach Auszählverfahren

Vorlage 1 (N = 18 603)

Vorlage 2 (N = 18 584)

elektronisch 1 elektronisch 2 elektronisch 3 elektronisch total

0,00 % 0,02 % 0,00 % 0,01 %

0,00 % 0,02 % 0,00 % 0,01 %

manuell 1 manuell 2 manuell 3 manuell 4 manuell total

0,00 % 0,00 % 0,09 % 0,00 % 0,04 %

0,00 % 0,15 % 0,00 % 0,07 % 0,04 %

Anmerkungen: Das Total der Abweichung der jeweiligen Auszählmethode bildet sich nicht aus dem Durchschnitt, sondern aus der Differenz der aufaddierten Stimmen.

186

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Die Anzahl Stimmzettel (N) entspricht dem durch die PVK gezählten Total.

Vorlage 1: Abstimmungsvorlage über das bedingungslose Grundeinkommen, Vorlage 2: Abstimmungsvorlage über die Asylgesetzrevision.

Um detailliertere Aussagen über die Genauigkeit der manuellen sowie der elektronischen Auszählmethode machen zu können, ist eine Aufschlüsselung der aufgetretenen Fehler in Ja, Nein und leer notwendig. Denn die Abweichung des offiziellen Resultats von demjenigen der Genauigkeitsprüfung sagt noch wenig über die Genauigkeit der Auszählmethode an sich aus, da falsch gezählte Ja- und Nein-Stimmen sich gegenseitig aufheben können. Es ist also möglich, dass die Fehler zahlreich sind, obwohl nur eine minimale Abweichung im Total festgestellt werden kann.

Abbildung 2 stellt die Fehler aufgeschlüsselt nach Auszählmethode und Abstimmungsvorlage dar. Bei einem näheren Vergleich beider Auszählmethoden fällt auf, dass sie sich in Bezug auf falsch gezählte Ja- und Nein-Stimmen kaum unterscheiden. Hinsichtlich der falsch ausgewiesenen leeren Stimmzettel sind hingegen bei der elektronischen Auszählmethode Fehler feststellbar. Diese fallen gegenüber den Abweichungen im Total allerdings mit ­1,15 % bzw. ­2,85 % umso klarer aus.

Aufgrund der relativ geringen Bedeutung der leeren Stimmen52 ist das Risiko einer Veränderung des Ausgangs einer Abstimmung jedoch eher klein.

Abbildung 2 Abweichungen nach Stimmabsicht und Auszählmethode Ja (V1)

Nein (V1)

leer (V1)

Ja (V2)

Nein (V2)

leer (V2)

0.50%

Abweichung von der offiziellen Auszählung

0.00% -0.50% -1.00% -1.50% -2.00% -2.50% -3.00%

e-counting

manuell

Anmerkungen: Durchschnittliche Abweichung der Ja-, Nein- und leeren Stimmen vom offiziellen durch den Kanton oder die Gemeinde ermittelten Resultat aufgeschlüsselt nach Auszählmethode und Abstimmungsvorlage. V1: Abstimmungsvorlage über das bedingungslose Grundeinkommen, V2: Abstimmungsvorlage über die Asylgesetzrevision.

52

Die leeren Stimmzettel machen am Total der Stimmzettel rund 1,3 % (V1) resp. 2,4 % (V2) aus.

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Die Differenzen sind bei beiden Vorlagen ähnlich verteilt. Dies ist ein Anzeichen dafür, dass die Fehler nicht abhängig von der entsprechenden Vorlage sind. Insgesamt lässt sich mit Blick auf die Ja- und Nein-Stimmen über alle Fälle eine praktisch gleiche Verteilung der Fehler feststellen, die sich so gegenseitig aufheben. Dies ist zudem ein klares Indiz dafür, dass eine systematische Falschzählung respektive Manipulation in den untersuchten Fällen ausgeschlossen werden kann.

Der vergleichsweise grosse Anteil an falsch ermittelten leeren Stimmen bei der elektronischen Auszählung ist wohl darauf zurückzuführen, dass einerseits Stimmzettel vom Scanner als leer gezählt wurden, bei denen zwar die dafür vorgesehenen Kästchen nicht angekreuzt waren, sich jedoch neben diesen ein Kreuz befand und somit der Wille der abstimmenden Person in der Regel klar erkennbar gewesen wäre. Andererseits könnten Stimmzettel, welche nicht mit einer korrekten Farbe ausgefüllt wurden, vom Scanner als leer erkannt worden sein.53 Diese beiden Fehlerquellen machen sodann die Wichtigkeit einer durchgängigen Vorabprüfung der Stimmzettel deutlich, die bei der Verwendung eines Scanners zur Ermittlung des Abstimmungsergebnisses unabdingbar ist. Es ist allerdings zu erwähnen, dass diese Fehler nur in einem der untersuchten Fälle vorzufinden waren. Dementsprechend wäre bei einer Einzelbetrachtung die Fehlerquote bei der Kategorie «leer» für diesen Fall ungleich höher.

Gemeinden verfolgen nach Aussagen der Kantonsvertreter mit der Einführung der elektronischen Auszählung in der Regel nicht das Ziel schneller, jedoch effizienter respektive kostengünstiger zu werden. So werden bei der elektronischen Auszählung in den Stimmbüros markant weniger Personen eingesetzt, was vorab einen geringeren Aufwand für die Organisation und entsprechend weniger Entschädigungsaufwand bedeutet. Da in den meisten Kantonen ­ abgesehen von Genf und Basel-Stadt, in welchen die Stimmzettel komplett elektronisch ausgezählt werden ­ nur einzelne Gemeinden elektronisch auszählen, stellt die BK keine Veränderung in der Geschwindigkeit der Lieferung der Resultate fest, wenn in einem Kanton die elektronische Auszählung neu Anwendung findet.

6

Schlussfolgerungen

Insgesamt kommt die Evaluation zum Ergebnis, dass die Anforderungen des Bundes an die elektronische Auszählung von Stimmen unzureichend und wenig zweckmässig sind. Gleichzeitig sind die Kontrollmöglichkeiten des Bundes eingeschränkt. Die Gesuche der Kantone werden durch die Sektion Politische Rechte der BK zwar systematisch geprüft, jedoch schöpft die BK den vorhandenen Spielraum zur Einforderung von hohen Sicherheitsstandards nicht aus. Zudem wurden vor 2016 die Gesuche durch die BK ohne rechtliche Grundlage genehmigt. Die Prüfung der Genauigkeit hat ergeben, dass die elektronische und die manuelle Auszählung gleich genau sind, eine systematische Vorprüfung der Stimmzettel bleibt bei der elektronischen Auszählung unerlässlich.

53

188

Vereinzelt konnten solche Stimmzettel im Rahmen der vergleichenden Auszählung durch die PVK erkannt werden. Von diesen wurde nicht in allen Fällen ein Doppel erstellt, damit der Scanner diese erkennen konnte.

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6.1

Unzureichende Anforderungen des Bundes bei der Genehmigung an die elektronische Auszählung

Gegenüber der herkömmlichen Handauszählung ist die Ergebnisermittlung bei Verfahren der elektronischen Auszählung weniger transparent, da nur noch eine geringe Zahl an Personen am Auszählungsprozess teilnimmt. Daher sind erhöhte Anforderungen zur Garantie der Wahl- und Abstimmungsfreiheit erforderlich. Denn ein sehr knappes Abstimmungsergebnis erfordert nach Artikel 13 Absatz 3 BPR nur dann eine Nachzählung, wenn Unregelmässigkeiten glaubhaft gemacht werden können. Folglich ist der Erlass erhöhter Anforderungen durch den Bund für die Genehmigung von Verfahren der elektronischen Auszählung angemessen, obwohl er die Regelungskompetenz bezüglich eidgenössischer Abstimmungen generell zurückhaltend ausübt.

Die Anforderungen des Bundes an die bisher von Kantonen gestellten Gesuche sind wenig zweckmässig. Sie hinken der internationalen Good Practice für die elektronische Auszählung nach. So sind im Gesetz keine materiellen Vorgaben an die Zuverlässigkeit der bei der Ermittlung der Abstimmungsergebnisse einzusetzenden technischen Mittel verankert. Bis zum Erlass des Kreisschreibens des Bundesrates im Jahr 2016 bestand bis auf eine E-Mail Hilfestellung zwischen der Sektion Politische Rechte der BK und interessierten Kantonen keine weitere Konkretisierung der Anforderungen. Auch mit Blick auf diese nicht formalisierten Anforderungen der BK können grössere Defizite im Vergleich zu der internationalen Good Practice ausgemacht werden. So fehlen in den Anforderungen an das Betriebskonzept beispielsweise zentrale Aspekte wie die durchgehende Anwendung eines Vier-AugenPrinzips oder das Erfordernis, die Zählergebnisse anhand einer statistisch relevanten Stichprobe zu überprüfen. Auf diese Weise liessen sich durch Softwarefehler, menschliche Fehlleistungen oder vorsätzliche Manipulationen verursachte systematische Fehlfunktionen im Abstimmungsablauf mutmasslich entdecken. Allgemein sind die Anforderungen des Bundes an Vote électronique konkreter. Dies ist auch bei der Plausibilisierung der Fall, die vom Bund expliziter geregelt und kontrolliert wird.

Ein tief greifender Unterschied zwischen den Anforderungen an Vote électronique und an die elektronische Auszählung stellt die Tatsache dar, dass eine Genehmigung für die Durchführung elektronischer Auszählung unbefristet Gültigkeit hat, obwohl sich die Technik
weiterentwickelt. Ist einmal eine Genehmigung erteilt, kann die BK folglich nur noch erschwert Kontrollen durchführen.

Im Unterschied zum Kreisschreiben 2003 regelt das Kreisschreiben 2016 erstmals explizit die Bewilligung von Verfahren zur elektronischen Auszählung. Es orientiert sich im Wesentlichen an der vorausgegangenen Prüfpraxis der BK, wodurch kaum eine Veränderung erkennbar sein wird. Die Konkretisierung des Kreisschreibens stellt nun aber eine höhere Nachvollziehbarkeit und folglich Rechtssicherheit her.

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6.2

Eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten der BK und Defizite bei bereits genehmigten Verfahren

Will ein Kanton bzw. eine Gemeinde ein vom Bundesrat genehmigtes Verfahren zur elektronischen Auszählung einführen, bedarf es seit dem Erlass des Kreisschreibens 2016 keiner erneuten Genehmigung. Der Einsatz muss durch den Kanton nur noch gemeldet werden, was die Kontrollmöglichkeiten der BK weiter schmälert.

Gemäss dem Kreisschreiben 2016 gelten zwei vom Bundesrat genehmigte Verfahren der elektronischen Erfassung und Auszählung von Stimmzetteln als bewilligt. Für den Einsatz derselben Verfahren in weiteren Kantonen und Gemeinden muss nicht erneut ein Gesuch beim Bundesrat gestellt werden. Die Kantone müssen den Einsatz von diesen Verfahren oder deren Ausdehnung auf weitere Gemeinden des Kantonsgebiets vor dem erstmaligen Einsatz lediglich der BK melden. Durch die Meldung ­ und eben nicht mehr explizite Genehmigung ­ verfügt der Bund in diesen Fällen auch im Vergleich zu Vote électronique kaum oder nur über sehr schwache Kontrollmechanismen.

Die beiden durch den Bundesrat genehmigten Verfahren stammen aus den Jahren 2001 und 2008. Im Lichte der rasanten technischen Entwicklung erscheint es als ein sehr weitgehender Schritt, der implizit voraussetzt, dass diese Verfahren bis auf weiteres der internationalen Good Practice entsprechen. Problematisch ist zudem, dass die BK nicht über das Betriebskonzept eines bereits genehmigten Verfahrens verfügt, da in diesem Fall einzig die Anpassung der rechtlichen Grundlagen geprüft wurde. Daher bleibt unklar, wie die BK vorgehen wird, falls ein Kanton die Einführung dieses bereits bewilligten Verfahrens melden würde. Allenfalls eingereichte Dokumente liessen sich daher nicht direkt mit dem genehmigten Verfahren vergleichen.

Allgemein steht bei erheblichen und/oder wiederholten Verstössen dem Bundesrat als Ultima Ratio nur die Möglichkeit des Widerrufs der Bewilligung für den Einsatz technischer Hilfsmittel zur Verfügung. Probleme könnten sich jedoch ergeben, wenn die Verstösse von einem Kanton stammen, der selbst nicht über eine eigene Bewilligung verfügt, sondern sich auf ein bereits genehmigtes Verfahren beruft. Demgegenüber besteht bei Vote électronique ein mehrstufiges Verfahren, wodurch die Kontrolle durch die BK fortlaufend sichergestellt ist. Obwohl die technischen Anforderungen an ein sicheres Verfahren von Vote électronique gegenüber der elektronischen
Auszählung höher sind, ist diese grosse Differenz nicht durchgehend angemessen.

Gesuche, welche auf den beiden bereits vom Bundesrat genehmigten Systemen basieren, wurden in der Vergangenheit von der BK bewilligt. Dazu fehlte ihr jedoch bis zum Erlass des Kreisschreibens 2016 eine rechtliche Grundlage. Im Fall einer Stimmrechtsbeschwerde könnte dieser Verstoss gegen das Legalitätsprinzip unter Umständen zur Feststellung einer Rechtswidrigkeit der Auszählung, verbunden mit der Anordnung einer manuellen Nachzählung führen.

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6.3

Zurückhaltende Nutzung des Spielraums durch die Bundeskanzlei

Weil die Anforderungen an die elektronische Auszählung in den rechtlichen Grundlagen sehr unspezifisch sind, verfügt die BK bei der Prüfung von Gesuchen über erheblichen Spielraum. Tatsächlich nimmt sie eine zurückhaltende Rolle ein, wie sie dies abgesehen von Vote électronique bei Wahlen und Abstimmungen grundsätzlich tut. Gegenüber der Auszählung auf manuelle Art stellen sich mit der elektronischen Auszählung jedoch grössere Herausforderungen und aufgrund des expliziten Genehmigungsvorbehaltes des Bundes trägt dieser auch eine grössere Verantwortung als im Bereich der manuellen Auszählung.

Als Grundlage für die Genehmigung von Gesuchen dienten dem Bund neben den angepassten kantonalen Rechtsgrundlagen durch den Kanton eingereichte vertrauliche Dokumentationen. Zentral dabei ist das sogenannte Betriebskonzept. Neben verschiedenen weiteren Aspekten wurde in allen bisher eingereichten und vom Bund genehmigten Verfahren nur sehr knapp oder überhaupt nicht darauf eingegangen, wie die Plausibilisierung der Ergebnisse gehandhabt werden soll. Ansonsten sind die eingereichten Betriebskonzepte in verschiedenen Bereichen detaillierter, als dies die Anforderungen des Bundes erwarten liessen.

Die BK will im Genehmigungsprozess die Kantone unterstützen und Minimalstandards durchsetzen. Die Sektion Politische Rechte der BK erachtet es als sinnvoller, wenn Kantone oder Gemeinden selbständig zweckmässige Lösungen erarbeiten und diese letztlich auch umsetzen. Die Sektion Politische Rechte hat die gesuchstellenden Kantone in einzelnen Fällen erfolglos dazu angehalten, hohe Standards anzuwenden.

Die Sektion Politische Rechte der BK bietet interessierten Kantonen/Gemeinden einen frühzeitigen Austausch zur Klärung der Anforderungen an die elektronische Auszählung an, was von diesen in der Vergangenheit auch jeweils genutzt wurde.

Folglich musste bis anhin noch kein Gesuch zurückgewiesen werden.

6.4

Elektronische Auszählung liefert keine genaueren Ergebnisse als die manuelle Auszählung

Die PVK stellte bei der Überprüfung der elektronischen wie auch der manuellen Auszählung nur sehr geringe Abweichungen von den offiziell ermittelten Resultaten fest. Bei der Prüfung der Abweichungen der elektronischen Auszählung zeigten sich jedoch gewisse Differenzen bei den leeren Stimmen. Dies dürfte daran liegen, dass das System fehlerhaft ausgefüllte Stimmzettel nicht korrekt erkannte, während bei einer Handauszählung der Wille des/der Stimmberechtigten in aller Regel klar erkennbar war. Dies unterstreicht, dass es bei der elektronischen Auszählung unabdingbar bleibt, dass die Stimmzettel vor dem scannen geprüft werden.

191

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Abkürzungsverzeichnis Abs.

Art.

BBl BDIMR BGE BK BPR Bst.

BV GPK IMR OMR OSZE OV-BK PVK RVOG RVOV SR vgl.

VPR

192

Absatz Artikel Bundesblatt Büro für Demokratieinstrumente und Menschenrecht Bundesgerichtsentscheid Bundeskanzlei Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (SR 161.1) Buchstabe Bundesverfassung (SR 101) Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Intelligent Mark Recognition Optical Mark Recognition Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit Organisationsverordnung für die Bundeskanzlei vom 29. Oktober 2008 (SR 172.210.10) Parlamentarische Verwaltungskontrolle Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (SR 172.010) Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 1998 (SR 172.010.1) Systematische Rechtssammlung vergleiche Verordnung vom 24. Mai 1978 über die politischen Rechte (SR 161.11)

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Literatur und Dokumentenverzeichnis Rechtserlasse, amtliche Schriften und interne Amtsdokumente Bundeskanzlei (2016): KRS E-Counting ­ Kommunikation SPR anlässlich des Wahlund Abstimmungsleitertreffens vom 28.1.2016. Internes Dokument.

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Bundesrat (2016): Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen vom 18. Mai 2016 über die Ermittlung der Ergebnisse eidgenössischer Volksabstimmungen mit technischen Mitteln, BBl 2016 4099.

Bundesrat (2013): Bericht des Bundesrates zu Vote électronique. Auswertung der Einführung von Vote électronique (2006­2012) und Grundlagen zur Weiterentwicklung, BBI 2013 5069.

Bundesrat (2003): Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen vom 15. Januar 2003 zur Resultatermittlung mit technischen Geräten bei eidgenössischen Volksabstimmungen, BBl 2003 419.

Bundesrat (2002): Bericht über den Vote électronique. Chancen, Risiken und Machbarkeit elektronischer Ausübung politischer Rechte, BBl 2002 645.

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193

BBl 2018

Krimmer, Robert/Fischer, Dirk-Hinnerk (2016): Evaluation zur elektronischen Auszählung von Stimmen (E-Counting): Technisches Expertenmandat. Im Auftrag der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK).

Kühni, Markus (2014): Elektronische Auszählung Stadt Bern vom 17. Mai 2014, zbaern.ch (Stand 17. Aug. 2015).

Nuspliger, Kurt/Mäder, Jana (2013): Präzision in der Demokratie, ZBl 114/2013, S. 183­205.

OSZE/BDIMR (2013): Handbook for the Observation of New Voting Technologies, Warsaw.

Steinmann, Gerold (2014): Art. 34 Politische Rechte, in: Ehrenzeller, Bernhard/ Schindler, Benjamin/Schweizer, Rainer J./Vallender, Klaus A. (Hrsg.), Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl., Zurich.

Thomi, Samuel (2014): Scanner wertet Stimmzettel falsch aus, Der Bund, 23.5.2014.

194

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Verzeichnis der Interviewpartnerinnen und -partner Eggenberger, Ursula Fiechter, Julien Kühni, Markus Machado Rebmann, Simone Orsini, Daniel Perriard, Barbara Spycher, Oliver Wyler, Stefan Ziegler, Stephan

Leiterin Sektion Kommunikation , Bundeskanzlei (Telefoninterview) Stv. Leiter Sektion Politische Rechte, Bundeskanzlei Informatikingenieur, Blogger Grossrätin Kanton Bern Leiter Wahlen und Abstimmungen, Kanton BaselStadt (Telefoninterview) Leiterin Sektion Politische Rechte, Bundeskanzlei Stv. Projektleiter Sektion Politische Rechte, Bundeskanzlei Leiter Sektion Politische Rechte, Kanton Bern Leiter Wahlen und Abstimmungen, Kanton St. Gallen (Telefoninterview)

195

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Anhang 1

Vorgehen Genauigkeitsprüfung Im Rahmen der eidgenössischen Abstimmung vom 5. Juni 2016 hat die PVK zur Erfassung der Genauigkeit bei ausgewählten Kantonen und Gemeinden (in der Folge Einheiten genannt) die ausgezählten Stimmzettel zu zwei Vorlagen manuell nachgezählt.

Die Evaluation fokussiert auf das Instrument der elektronischen Auszählung und dessen relative Ergebnisqualität, das heisst auf die Frage, inwiefern sich dessen Ergebnisgenauigkeit im Vergleich zur offiziell ausgezählten Ergebnis verhält. Die PVK hat ebenfalls die Ergebnisqualität von manuell auszählenden Einheiten überprüft, um sie mit der elektronischen zu vergleichen. Es ging dabei nicht darum, einzelne Einheiten zu kontrollieren, sondern die Genauigkeit der Auszählmethoden zu beurteilen. Aus diesem Grund sind diese Einheiten im Bericht nicht namentlich erwähnt und die Ergebnisse werden anonym und nach Auszählungsinstrumenten dargestellt.

Um eindeutige Aussagen darüber zu treffen, welche der beiden Auszählmethoden (elektronisch/manuell) genauere Ergebnisse liefert, müsste theoretisch in derselben Einheit für dieselbe Abstimmung dieselben Stimmen ausgezählt werden, und zwar gleichzeitig und unabhängig voneinander sowie elektronisch und von Hand. Da eine solche ideale Versuchsanordnung nicht möglich war (die gleichen Stimmen können nicht gleichzeitig elektronisch und von Hand ausgezählt werden), musste eine Annäherung an diese hypothetischen Bedingungen vorgenommen werden. Die Lösung bestand darin, dass Fälle verglichen wurden, die sich möglichst nur hinsichtlich der Auszählmethode unterscheiden, um so Aussagen über die Genauigkeit der jeweiligen Auszählmethode machen zu können. Die Prüfung fand in insgesamt sieben Einheiten statt: drei mit elektronischer und vier mit manueller Auszählung.

Um die Genauigkeit des ermittelten Abstimmungsresultates zu prüfen, wurde jeweils eine Vollerhebung bei den einzelnen Einheiten durchgeführt. Es wurden Einheiten ausgewählt, bei welchen vom Umfang her eine Vollerhebung durchführbar war: vereinzelt hat man sich auf Quartiere/Zählkreise von Städten gestützt und bei Kantonen auf die Stimmen der Auslandschweizer/-innen. Diese werden teilweise kantonal ausgezählt und stellten wegen ihrer geeigneten Anzahl für das Vorhaben eine adäquate Grösse dar.

Der Vorteil einer Vollerhebung ist die Exaktheit
des Ergebnisses, da nicht wie bei einer Stichprobe mit einer Ungenauigkeit gerechnet werden muss. Zudem müsste bei einer kleinen Grundgesamtheit (<5000) eine vergleichsweise grosse Zufallsstichprobe gezogen werden, um gesicherte Aussagen machen zu können. Der Nachteil beim gewählten Vorgehen der Vollerhebung stellt der engere Fokus dar. So werden beispielsweise nur gewisse Quartiere einer Stadt oder nur die Auslandschweizer in einem Kanton einbezogen. Die möglichen Fehlerquellen sind daher zwar geringer, die Generalisierbarkeit ist jedoch eingeschränkt die Interpretation unterliegt gewissen Vorbehalten. Nachfolgend wird kurz auf weitere mögliche Probleme hingewiesen: 196

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­

Die Zahl der untersuchten Einheiten ist klein. Insbesondere wurden nur drei Einheiten mit elektronischer Auszählung untersucht, wobei diese sich noch durch ein unterschiedliches System unterscheiden. Die Systeme (IMR/OMR) einzeln zu betrachten, wäre wegen der Anonymität der Einheiten problematisch, wohingegen die gemeinsame Betrachtung der Systeme zu einer Verzerrung der Resultate führen kann, wenn die Ungenauigkeit hauptsächlich von einem System stammt. Eine solche Verzerrung, ausgehend von einer Einheit, ist selbstverständlich auch bei der Handauszählung möglich.

­

Die Daten wurden nur zu einem Abstimmungsdatum erhoben. Darum kann von einer geringen Fehlerquote der elektronischen Auszählung nicht auf ein sicheres System geschlossen werden, da etwaige Sicherheitslücken am System zu einem späteren Zeitpunkt ausgenützt werden könnten. Es handelt sich letztlich nur um eine Momentaufnahme.

­

Da die Einheiten einer vergleichenden Auszählung einverstanden sein mussten, dass die PVK nachzählt, hat dies möglicherweise zu einer ungewünschten Selektion geführt. Die Zustimmung der Einheiten geschah also nicht zufällig. Vielleicht handelt es sich bei den untersuchten Einheiten nur um solche, die in der Vergangenheit keine Probleme hinsichtlich ungenauer Stimmenzählung zu verzeichnen hatten.

­

Letztlich gilt es festzuhalten, dass sich die von Einheit zu Einheit unterschiedliche Zahl der abgegebenen Stimmen auf das Resultat auswirken kann. Möglicherweise hängt die Fehleranfälligkeit bei der Handauszählung von der Zahl der Stimmen ab (Konzentration lässt nach etc.); diejenige der elektronischen Stimmenzählung bleibt wahrscheinlich konstant.

Ob manuell auszählende Einheiten zusätzlich technische Hilfsmittel wie Präzisionswaagen oder Zählmaschinen einbezogen haben, wurde aufgrund der geringen Anzahl von Fällen nicht erhoben.

197

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Anhang 2

Anforderungen an die elektronische Auszählung nach Standards der internationalen Good Practice (Krimmer/Fischer 2016) Dimension

Indikator

Grundlagen

Ist dies ein Erstgesuch?

Ist der Gesuchsteller sich bewusst, was für laufende Verantwortung mit der Einführung auf ihn zukommt?

Wurden Unregelmässigkeiten und sonstige Probleme vor der Finalisierung des Antrages mit den eidgenössischen Stellen geklärt und besprochen?

Sind alle Wahllokale über die möglichen Formate und Grössen der Stimmzettel informiert?

Werden bestimmte Stifte oder andere spezielle Hilfsmittel zum erfolgreichen Ausfüllen der Stimmzettel benötigt?

Erkennen die Scanner handschriftliche Notizen auf den Stimmzetteln?

Wie werden unlesbare Stimmzettel markiert bzw. der Wahlkommission vom Scanner mitgeteilt?

Stimmt das Format der Fragen mit den Bedingungen der Hard- und der Software überein?

Erfasst der Scanner ungewöhnliches Ankreuzen?

Gibt es Möglichkeiten, falsch gesetzte Stimmen rückgängig zu machen, so dass der Scanner es noch erkennt?

Hat der Hersteller Erfahrungen mit ähnlichen Projekten?

Existiert eine Unterstützungsmöglichkeit durch den Hersteller für schwerere Probleme?

Sind die jährlichen Wartungskosten aufgeführt?

Sind Experten des Herstellers für Problemlösungen bei leichteren und mittleren Problemen erreichbar?

Wurden die benutzten Geräte schon einmal zugelassen?

Wie hoch ist der MTBF (mean time between failures)?

Sind Ersatzgeräte vorhanden?

Wie schnell sind Ersatzgeräte verfügbar?

Sind die Scanner passend zur aktuellen Version der Software kalibriert?

Sind die Scanner mit den Computern über ein sichtbares Kabel verbunden, um den Zugriff Unbefugter auszuschliessen?

Können die Scanner die Stimmzettel markieren, um eine Stichprobenkontrolle zu vereinfachen?

Ist die Anzahl der Stimmzettel durchgängig ablesbar und somit kontrollierbar?

Sind die gewählten Scanner fähig, die Stimmzettelmenge zu verarbeiten?

Haben die Geräte mindestens eine doppelte Einzugskontrolle?

Sind genügend Ersatzteile, wie Tintenpatronen, vorhanden?

Was ist der normale Nutzen der eingesetzten Computer?

Wie wird kommuniziert, welche Computer benutzt werden?

Hersteller

Hardware

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Dimension

Software

Betriebskonzept

Übermittlung der Daten

Auszählprozess

Indikator

Werden zu jeder Abstimmung die gleichen Computer benutzt?

Sind die Computer während der Abstimmung mit dem Internet verbunden?

Wurden die Computer von Experten kontrolliert?

Werden die Geräte physisch unzugänglich aufbewahrt?

Wer hat Zugang zu den Räumlichkeiten?

Sind Scanner/Computer während der Auszählung mit dem Internet verbunden?

Ist die Software lokal installiert?

Wird die Software vor den Auszählungsprozessen zufällig getestet?

Gibt es eine Anfang-bis-Ende-Überprüfung?

Wird die Richtigkeit der Version der Software überprüft?

Wer hat die Kompetenz, im Wahllokal mit technischen Problemen umzugehen?

Zählt die Software durchgängig mit, wie viele Stimmzettel schon gescannt wurden?

Wird das Zusammenspiel von Software und Hardware (Computer, Scanner, Version der Software) vor der Abstimmung getestet?

Ist das Vier-Augen-Prinzip im Betriebskonzept durchgängig eingehalten?

Enthält das Betriebskonzept konkrete Verantwortlichkeiten für alle Teilschritte?

Ist mehr als ein Wahlhelfer ausgebildet, um kleinere Probleme selbst beheben zu können?

Gibt es technische Hilfestellungen durch den Hersteller?

Existiert ein Risikomanagementkonzept?

Existiert ein Notfallplan für den Fall eines Komplettausfalls des Systems?

Welche Massnahmen kommen zum Tragen, falls Probleme mit der technischen Auszählung auftreten sollten?

Wird der Übermittlungsprozess der ermittelten Wahlergebnisse vor der finalen Übermittlung getestet?

Ist der Kommunikationsweg sicher?

Welche Methoden werden zur Verifikation benutzt?

Können diese Methoden eine Verifikation von Anfang bis Ende garantieren?

Werden die Daten auf Korrektheit überprüft?

Können die Abstimmungsfragen dem anfragenden Kanton elektronisch zur Verfügung gestellt werden?

Mit Hilfe welcher Medien werden die Daten aufbewahrt?

Wer hat Zugang zu den Daten?

Wie lang werden die Daten aufbewahrt?

Wie werden die Daten vernichtet?

Existiert ein Datenmanagementkonzept?

Wird das Vier-Augen-Prinzip umgesetzt?

Hängt der Auszählungsprozess allein vom technischen Verständnis einer Person ab?

Ist der Prozess für Aussenstehende und Beobachter vollständig nachvollziehbar?

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Dimension

Indikator

Nachzählen

Wird eine unabhängige und zufällige Kontrolle durchgeführt?

Ist die Auswahl der Stichprobe zufällig und nicht konsekutiv?

Ist die Stichprobe statistisch relevant?

Wie werden die Wahllokale, in welchen Nachzählungen stattfinden sollen, auf kantonaler Ebene ausgewählt?

Wer kann die Nachzählung verfolgen?

Ist in einer rechtlichen Basis ausreichend geregelt, welche Vorgehensweise im Falle einer Diskrepanz gewählt wird?

Werden die Kontrollen der Ergebnisse vor der Übermittlung der Ergebnisse durchgeführt?

Wie wird mitgeteilt, welches Wahllokal Nachzählungen durchführen muss?

200

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Impressum Durchführung der Untersuchung Dr. Felix Strebel, PVK (Projektleitung) Christoph Wellig, PVK (wissenschaftliche Mitarbeit)

Externer Expertenbericht «technisches Expertenmandat» Prof. Dr. Robert Krimmer, Technische Universität Tallinn (Projektleitung) Dirk-Hinnerk Fischer (wissenschaftliche Mitarbeit)

Externer Expertenbericht «Rechtsgutachten» Prof. Dr. Andreas Glaser, Zentrum für Demokratie Aarau (Projektleitung) Corina Fuhrer (wissenschaftliche Mitarbeit)

Dank Die PVK dankt der Bundeskanzlei wie auch den Kantonen und Gemeinden, die der PVK die vergleichende Auszählung ermöglichten, für die Bereitstellung von Dokumenten und das entgegengebrachte Vertrauen. Ein Dank gilt allen Gesprächspartnerinnen und -partnern für ihre bereitwillige Teilnahme an den Interviews und für die erteilten Auskünfte. Abschliessend dankt die PVK den externen Experten für die wertvolle Zusammenarbeit.

Kontakt Parlamentarische Verwaltungskontrolle Parlamentsdienste CH-3003 Bern Tel. +41 58 322 97 99 E-Mail: pvk.cpa@parl.admin.ch www.parlament.ch > Organe > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle

Originalsprache des Berichts: Deutsch 201

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