18.061 Botschaft zur Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Saudi-Arabien vom 15. August 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Saudi-Arabien.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. August 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Saudi-Arabien ist eine bedeutende Volkswirtschaft und gehört zu den G20-Staaten.

Für die Schweiz ist Saudi-Arabien ein wichtiger Handels- und Investitionspartner.

Zwischen der Schweiz und Saudi-Arabien bestehen verschiedene Staatsverträge über die Zusammenarbeit im Wirtschaftsbereich. Ein allgemeines Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung fehlte jedoch bislang.

Aus diesem Grund haben die Vertragsstaaten Ende 2010 Verhandlungen über den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens aufgenommen. Die Verhandlungen konnten im März 2016 mit der Paraphierung eines Entwurfs für ein solches Abkommen abgeschlossen werden.

Die Kantone und die interessierten Kreise aus der Wirtschaft haben den Abschluss des Abkommens begrüsst. Das Abkommen wurde am 18. Februar 2018 unterzeichnet.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Saudi-Arabien ist eine bedeutende Industrienation und als solche Mitglied der G20.

In den Jahren 2008 bis 2012 erreichte Saudi-Arabien das weltweit drittstärkste reale Wirtschaftswachstum mit einem durchschnittlichen Wachstum des Bruttoinlandproduktes von 6,25 Prozent. In den Folgejahren ist die Wirtschaftsentwicklung allerdings etwas zurückgefallen (2,7 Prozent für 2013, 3,5 Prozent für 2014, 3,4 Prozent für 2015 und 1,7 Prozent für 2016), was insbesondere auf den tieferen Ölpreis zurückzuführen ist. Die langfristigen wirtschaftlichen Aussichten sind jedoch intakt, was in erster Linie den Erdölreserven zu verdanken ist, die nach Venezuela die weltweit grössten sind. Diese ermöglichen Saudi-Arabien eine expansive Fiskalpolitik, die hohe Investitionen in die Infrastruktur einschliesst. Daneben hat Saudi-Arabien in der jüngeren Vergangenheit auch verschiedene Reformbemühungen unternommen, um die Abhängigkeit von Einnahmen aus fossilen Energieträgern zu reduzieren. Dazu gehören die Öffnung für Investitionen aus dem Ausland sowie die Privatisierung von bislang weitgehend staatlich kontrollierten Wirtschaftszweigen.

Zwischen der Schweiz und Saudi-Arabien bestehen im Wirtschaftsbereich verschiedene Abkommen, namentlich das Freihandelsabkommen von 22. Juni 20091 zwischen den EFTA-Staaten und den Mitgliedstaaten des Kooperationsrates der Arabischen Golfstaaten sowie das Abkommen vom 1. April 20062 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Saudi-Arabien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen. Im Steuerbereich bestehen das Abkommen vom 20. Februar 19993 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung des Königreichs Saudi-Arabien über die gegenseitige Befreiung von Steuern auf dem Gebiet der internationalen Luftfahrt sowie die gegenseitigen Notifikationen zur Umsetzung des automatischen Informationsaustausches4. Ein allgemeines Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bezüglich Steuern vom Einkommen und vom Vermögen fehlt jedoch bislang.

Saudi-Arabien ist aufgrund seiner Kaufkraft, seiner nach regionalen Massstäben relativ offenen Wirtschaft und seiner Devisenreserven ein wichtiger Handels- und Investitionspartner der Schweiz. So stand die Schweiz im Jahr 2016 an 15. Stelle der Importpartner Saudi-Arabiens. Der Kapitalbestand der schweizerischen
Direktinvestitionen nach Saudi-Arabien betrug per Ende 2016 rund 906 Millionen Franken und hat sich gegenüber Ende 2007 ungefähr versechsfacht. Schweizerische Unternehmen verfügen über eine starke Präsenz in Saudi-Arabien und beschäftigten dort per Ende 1 2 3 4

SR 0.632.311.491 SR 0.975.214.9 SR 0.672.914.95 Vgl. Bundesbeschluss vom 6. Dezember 2017, AS 2017 7745

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2016 über 12 000 Personen. Saudi-Arabien ist zudem für den schweizerischen Tourismus ein wichtiger Markt.

Aus diesen Gründen wurden Ende 2010 Verhandlungen mit Saudi-Arabien über den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens aufgenommen. Die Verhandlungen konnten nach vier Runden im März 2016 mit der Paraphierung eines Entwurfs für ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie zur Verhinderung der Steuerhinterziehung («DBA-SA») abgeschlossen werden.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftsverbände wurden im Mai 2016 über den Abschluss des DBA-SA konsultiert und haben diesen begrüsst. Das DBA-SA wurde am 18. Februar 2018 unterzeichnet.

1.2

Würdigung

Aufgrund ihrer unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen verfolgen die Schweiz und Saudi-Arabien im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen teilweise unterschiedliche Interessen. Saudi-Arabien führt eine sehr konsequente Abkommenspolitik, die es gegenüber sämtlichen Abkommenspartnern durchsetzt. Der Abschluss des DBA-SA verlangte daher auch verschiedene Konzessionen von schweizerischer Seite. Evolutivklauseln stellen jedoch sicher, dass die Schweiz von Weiterentwicklungen der saudischen Politik profitieren kann. Unter Berücksichtigung dieser Ausgangspositionen stellt das DBA-SA insgesamt ein gutes Verhandlungsresultat dar.

Das DBA-SA setzt in der Präambel sowie durch die Missbrauchsklausel in Artikel 28 in der Form einer Hauptzweckbestimmung («principal purpose test rule» oder «PPT-Regel») den Mindeststandard gemäss dem Bericht zur Massnahme 6 des OECD-Projekts «Base Erosion and Profit Shifting» (nachfolgend «BEPS-Projekt») um und verhindert damit die Gewährung von Abkommensvorteilen in missbräuchlichen Situationen. Die Aufnahme von Missbrauchsklauseln in ein Doppelbesteuerungsabkommen hat allgemein den Vorteil, dass die Vertragsstaaten sich zur gleichen Auffassung darüber verpflichten, unter welchen Bedingungen die Vorteile eines Abkommens verweigert werden können. Die umfassenden Ausführungen und die zahlreichen Beispiele im Kommentar zum OECD-Musterabkommen geben die Leitlinien für die Auslegung der PPT-Regel vor.

Ebenfalls umgesetzt ist im DBA-SA der Mindeststandard der BEPS-Massnahme 14.

Schliesslich erfüllt das DBA-SA den internationalen Standard im Bereich des Informationsaustausches.

Das DBA-SA versetzt Schweizer Unternehmen gegenüber anderen in Saudi-Arabien tätigen ausländischen Unternehmen in eine konkurrenzfähige Position. Es gewährleistet Rechtssicherheit und einen vertraglichen Rahmen, der sich vorteilhaft auf die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen auswirken wird.

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Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Abkommens

Das DBA-SA folgt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht weitgehend dem Musterabkommen der OECD sowie der Abkommenspolitik der Schweiz. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die wichtigsten Abweichungen davon.

Titel und Präambel Entsprechend dem Mindeststandard der BEPS-Massnahme 6 und dem OECDMusterabkommen in der Fassung von 2017 ist in der Präambel vorgesehen, dass das DBA-SA auch die Verhinderung der Steuerhinterziehung und -umgehung bezweckt.

Die Begriffspaare «Steuerhinterziehung oder -umgehung», «la fraude ou l'évasion fiscale» bzw. «l'evasione o l'elusione fiscale» auf Italienisch sind im internationalen Kontext und namentlich unter Berücksichtigung des englischen Wortlauts «tax evasion or avoidance» zu verstehen. Sie sollen jedes Verhalten erfassen, das hinsichtlich der Verwerflichkeit mindestens einer Steuerumgehung nach schweizerischem Verständnis entspricht. Als Steuerumgehung gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein ungewöhnliches, sachwidriges oder absonderliches Vorgehen, das den wirtschaftlichen Gegebenheiten völlig unangemessen erscheint und sich einzig mit der Absicht der Steuerersparnis erklären lässt, die tatsächlich resultieren würde, wenn das Vorgehen von der Steuerbehörde so hingenommen würde. Die Steuerumgehung bildet somit die Grenze der steuerlich akzeptablen Gestaltungsfreiheit der steuerpflichtigen Personen.

Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Im Vergleich zu den anderen Golfstaaten verfügt Saudi-Arabien über ein umfassendes System der Unternehmensbesteuerung. Unter das DBA-SA fällt auf saudischer Seite die Einkommenssteuer sowie der Zakat. Beim saudischen Zakat handelt es sich um eine kodifizierte Steuer mit religiösem Hintergrund. Dem Zakat unterliegen in Saudi-Arabien ansässige Personen mit Staatsangehörigkeit von Saudi-Arabien oder eines Mitgliedstaates des Golfkooperationsrates für ihr Einkommen und Vermögen.

Angehörige anderer Staaten unterliegen der Einkommenssteuer.

Entsprechend der schweizerischen Abkommenspolitik fällt die Verrechnungssteuer auf Lotteriegewinnen nicht unter das Abkommen. Dies wird in der Ziffer 1 des Protokolls zum DBA-SA zum Ausdruck gebracht.

Art. 4

Ansässige Person

Die Regelung der Ansässigkeit folgt dem OECD-Musterabkommen. Gemäss schweizerischer Abkommenspolitik wird im Protokoll zudem klargestellt, dass auch steuerbefreite gemeinnützige Organisationen sowie Vorsorgeeinrichtungen als ansässige Personen gelten (Ziff. 3).

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Art. 5

Betriebsstätte

Die Definition der Betriebsstätte folgt weitgehend dem OECD-Musterabkommen in der Fassung von 2014 und der schweizerischen Abkommenspolitik. Eine Ausnahme bildet der Absatz 3, der dem UNO-Musterabkommen entnommen ist. Demnach stellen Baustellen, Montagen und damit zusammenhängende Aufsichtstätigkeiten ab einer Dauer von 6 Monaten eine Betriebsstätte dar. Zudem führt die Erbringung von Dienstleistungen zu einer Betriebsstätte, sofern solche Tätigkeiten in einem Vertragsstaat während eines im betroffenen Steuerjahr beginnenden oder endenden Zeitraumes von 12 Monaten länger als 183 Tage andauern. Die Schweiz hat solche Bestimmungen bereits in verschiedenen Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart, z. B. mit den Philippinen5 oder mit Vietnam6. Die Frage, ob nach saudischer Praxis die Dienstleistungen physisch im Betriebsstättestaat erbracht werden müssen, ist derzeit Gegenstand von Beratungen der saudischen Behörden.

Die Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen wird in Abweichung vom OECD- und UNO-Musterabkommen nicht ausdrücklich als Betriebsstätte genannt, fällt aber unter «eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen» und stellt daher auch unter dem DBA-SA eine Betriebsstätte dar (Abs. 2 Bst. f).

Art. 7

Unternehmensgewinne

Die Regelung für Unternehmensgewinne folgt weitgehend dem Wortlaut des OECD-Musterabkommens in der Fassung von 2008. Da die Fassung von 2008 anders als der 2010 eingeführte sogenannte «authorized OECD approach» oder «AOA», abgesehen vom Drittvergleichsgrundsatz, keine näheren Kriterien für die Gewinnzuteilung enthält, wird die Bestimmung durch Absatz 4 und eine Protokollbestimmung ergänzt, nach denen jeweils die konkreten Tätigkeiten der Betriebsstätte und des Stammhauses für die Gewinnzuteilung massgebend sind. Im Ergebnis entspricht diese Regelung weitgehend der schweizerischen Abkommenspolitik und dem AOA.

Eine wesentliche Abweichung von der schweizerischen Abkommenspolitik und dem OECD-Musterabkommen betrifft die Regelung der Berücksichtigung von Zahlungen zwischen der Betriebsstätte und dem Stammhaus als Gegenleistung für die Einräumung bzw. Erbringung von Lizenzen, Patenten, Dienstleistungen oder (mit Ausnahme von Banken) für Darlehen (Abs. 3). Diese entspricht dem UNO-Musterabkommen, gemäss dem solche Zahlungen nur berücksichtigt werden, soweit sie die effektiven Kosten des Empfängers ersetzen. Die Vereinbarung dieser Bestimmung ist konstanter Teil der saudischen Abkommenspolitik und daher eine notwendige Voraussetzung für den Abschluss des DBA-SA. Eine automatische und globale Meistbegünstigungsklausel im Protokoll zum DBA-SA stellt aber sicher, dass schweizerische Unternehmen bei einer Änderung der saudischen Politik betreffend die Abzüge von Betriebsstätten nach Absatz 3 gegenüber Unternehmen des betreffenden Drittstaates nicht schlechter gestellt sind (Ziff. 4 Bst. c des Protokolls).

5 6

SR 0.672.964.51 SR 0.672.978.91

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Eine weitere Abweichung vom OECD-Musterabkommen betrifft einen Vorbehalt für nationale Regelungen zur Besteuerung von Einkünften von nicht ansässigen Personen aus der Versicherung von in einem Vertragsstaat gelegenen Risiken in Absatz 5. Saudi-Arabien kann demnach unabhängig vom Vorhandensein einer Betriebsstätte die Gewinne aus dem Versicherungs- und Rückversicherungsgeschäft eines Schweizer Versicherers besteuern, sofern diese aus der Versicherung von in Saudi-Arabien gelegenen Risiken herrühren. Die saudische Steuer betrug zum Zeitpunkt der Verhandlung der Bestimmung 1 Prozent der Bruttoprämien. Eine Konsultation zwischen den Vertragsstaaten ist vorgesehen für den Fall, dass sich die anwendbaren Gesetze wesentlich ändern.

Art. 10, 11 und 12

Dividenden, Einkünfte aus Forderungen (Zinsen) und Lizenzgebühren

Die Regelung der Besteuerung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren entspricht der aktuellen schweizerischen Politik in Bezug auf Abkommen mit Staaten der Golfregion und richtet sich weitgehend nach dem OECD-Musterabkommen.

Für Dividenden sieht das DBA-SA einen generellen Residualsteuersatz von 15 Prozent vor. Kommen die Dividenden einer Gesellschaft zu, die mindestens 10 Prozent am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft hält, oder werden die Dividenden an die Zentralbank, an Einrichtungen und Fonds in vollständigem Eigentum der Vertragsstaaten oder an Vorsorgeeinrichtungen bezahlt, so sieht das DBA-SA einen reduzierten Residualsteuersatz von 5 Prozent vor.

Für Zinsen ­ diese werden im DBA-SA auf Wunsch von Saudi-Arabien als «Einkünfte aus Forderungen» bezeichnet ­ sieht das Abkommen eine maximale Besteuerung im Quellenstaat von 5 Prozent vor. Entsprechend der schweizerischen Abkommenspolitik sind jedoch verschiedene Ausnahmen von der Besteuerung im Quellenstaat vereinbart worden. Ausschliesslich im Ansässigkeitsstaat besteuert werden demnach insbesondere Zinsen, die an Vorsorgeeinrichtungen, die Vertragsstaaten oder deren Zentralbanken bezahlt werden, sowie Zinsen, die im Zusammenhang mit dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen auf Kredit oder für zwischen Gesellschaften oder von Finanzinstituten gewährte Darlehen geleistet werden.

Da die Definition der Lizenzgebühren dem UNO-Musterabkommen folgt, fallen Zahlungen für die Benutzung von gewerblicher, kaufmännischer und wissenschaftlicher Ausrüstung, namentlich Leasing-Raten, unter den Begriff der Lizenzgebühren.

Für Lizenzgebühren sieht Artikel 12 DBA-SA eine generelle Maximalbesteuerung im Quellenstaat von 7 Prozent vor. Auf Zahlungen für die Benutzung oder das Recht zur Benutzung von gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstung beträgt die Residualsteuer maximal 5 Prozent.

Art. 13

Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen

Dieser Artikel entspricht weitgehend dem OECD-Musterabkommen. Dementsprechend sieht Absatz 4 vor, dass die Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen an einer Gesellschaft, deren Wert zu über 50 Prozent direkt oder indirekt aus unbeweglichem Vermögen in einem Vertragsstaat stammen, in diesem besteuert werden können.

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Eine Abweichung vom OECD-Musterabkommen räumt dem Ansässigkeitsstaat einer nicht börsenkotierten Gesellschaft, deren Anteile veräussert werden, ein Besteuerungsrecht von maximal 15 Prozent des Veräusserungsgewinns ein, wenn der Veräusserer zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb eines Zeitraumes von 12 Monaten vor der Veräusserung mehr als 10 Prozent des Kapitals der Gesellschaft hielt. Diese Regelung ist vom UNO-Musterabkommen inspiriert und findet sich so oder ähnlich in verschiedenen anderen von der Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen7.

Art. 14

Selbstständige Arbeit

Die Regelung der Besteuerung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit folgt dem UNO-Musterabkommen. Dementsprechend hat ein Staat auch ohne feste Einrichtung in diesem Staat ein Besteuerungsrecht, wenn sich eine im anderen Staat ansässige Person in einem im betreffenden Steuerjahr beginnenden oder endenden Zeitraum von 12 Monaten mehr als 183 Tage dort aufhält. Das Besteuerungsrecht dieses Staates beschränkt sich in diesem Fall auf Einkünfte aus in diesem Staat ausgeübten Tätigkeiten.

Art. 18 und 19

Ruhegehälter und öffentlicher Dienst

Ruhegehälter einschliesslich Kapitalleistungen (Ziff. 6 des Protokolls) können im Quellenstaat besteuert werden. Dabei wurde berücksichtigt, dass Saudi-Arabien Ruhegehälter nicht besteuert. Für Ruhegehälter, die aus Saudi-Arabien an eine in der Schweiz ansässige Person bezahlt werden, wird die Besteuerung dadurch sichergestellt, dass die Schweiz nach Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe a die Freistellung nur unter Vorbehalt der effektiven Besteuerung in Saudi-Arabien gewährt.

Ausgenommen von dieser Regelung sind Ruhegehälter aus früherem öffentlichem Dienst, die nach Artikel 19 Absatz 2, der dem OECD-Musterabkommen folgt, unter Umständen auch im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können.

Art. 21

Dozenten und Forscher

Zahlungen, die eine Dozentin, ein Dozent, eine Forscherin oder ein Forscher, die oder der aktuell oder vorher in einem Vertragsstaat ansässig ist oder war, für ihre bzw. seine Lehr- oder Forschungstätigkeit im anderen Vertragsstaat aus Quellen im erstgenannten Vertragsstaat erhält, können während zwei Jahren im Tätigkeitsstaat nicht besteuert werden, sofern es sich um eine Lehr- oder Forschungstätigkeit an einer öffentlichen Hochschule handelt.

Art. 24

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Saudi-Arabien vermeidet die Doppelbesteuerung generell durch die Anrechnungsmethode. Die Schweiz vermeidet die Doppelbesteuerung entsprechend ihrer Politik durch die Freistellungsmethode und für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren 7

Z.B. Doppelbesteuerungsabkommen mit Indien (SR 0.672.942.31), China (SR 0.672.924.91) oder Argentinien (SR 0.672.915.41).

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mittels der Anrechnungsmethode. Wie üblich gewährt die Schweiz die Befreiung für Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen an Immobiliengesellschaften nach Artikel 13 Absatz 4 nur, sofern eine effektive Besteuerung in Saudi-Arabien nachgewiesen wird. Der Vorbehalt einer tatsächlichen Besteuerung gilt in Ergänzung der schweizerischen Abkommenspolitik auch für eine Reihe zusätzlicher Einkünfte, namentlich Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit und Ruhegehälter, die nach dem DBA-SA im Quellenstaat besteuert werden können.

Art. 25

Verständigungsverfahren

Die Bestimmung über das Verständigungsverfahren entspricht weitgehend jener des OECD-Musterabkommens, enthält allerdings in Abweichung davon keine Schiedsklausel. Saudi-Arabien verpflichtet sich jedoch, mit der Schweiz in Verhandlungen zu treten, sobald es eine entsprechende Bestimmung in einem anderen Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat, um das DBA-SA entsprechend zu ergänzen (Ziff. 9 des Protokolls).

Entsprechend den Empfehlungen aus der Massnahme 14 des BEPS-Projekts können nach dem DBA-SA Anträge auf Verständigungsverfahren, unabhängig von der Ansässigkeit der Antragstellerin oder des Antragstellers, an die zuständigen Behörden eines der beiden Vertragsstaaten gestellt werden (Abs. 1).

Um eine Umsetzung von Verständigungslösungen in Saudi-Arabien nicht an den kurzen Fristen des nationalen Rechts scheitern zu lassen, ist vorgesehen, dass die innerstaatlichen Fristen zwar nicht gelten, die Umsetzung aber nicht später als 10 Jahre nach Ablauf des betreffenden Steuerjahres zu erfolgen hat (Abs. 2 in fine).

Art. 26

Informationsaustausch

Das DBA-SA enthält eine Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem internationalen Standard. Die nachfolgenden Ausführungen gehen lediglich auf einzelne Punkte in Artikel 26 DBA-SA und auf die dazugehörige Protokollbestimmung (Ziff. 7) ein.

Wie in den Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz mit diversen anderen Staaten sowie im OECD-Musterabkommen gilt die Bestimmung über den Informationsaustausch für sämtliche Steuern.

Die Bestimmungen von Artikel 26 werden im Protokoll zum Abkommen (Ziff. 7) konkretisiert. Es regelt unter anderem im Detail die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Bst. b). Notwendig ist insbesondere die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person (diese Information kann sich aus sämtlichen Elementen ergeben, die eine Identifizierung ermöglichen) sowie, soweit bekannt, Name und Adresse der Person (z. B. eine Bank), in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet. Ebenso hält das Protokoll zum Abkommen fest, dass diese Voraussetzungen nicht formalistisch ausgelegt werden dürfen (Bst. c).

Gemäss dem internationalen Standard ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Dazu gehören nach dem weiterentwickelten OECD-Standard auch konkrete Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen 5281

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abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Das DBA-SA ermöglicht es, solchen Ersuchen Folge zu leisten. Die Identifikation kann durch Name und Adresse der betroffenen Person erfolgen, aber auch durch andere Mittel, z. B. durch die Beschreibung eines Verhaltensmusters. Diese Auslegung beruht auf der Auslegungsklausel (Bst. c in Verbindung mit Bst. b), die die Vertragsstaaten zu einer Auslegung der Erfordernisse an ein Ersuchen mit dem Ziel eines möglichst weit gehenden Informationsaustausches verpflichtet, ohne dass «fishing expeditions» zugelassen sind. Die prozeduralen Voraussetzungen für die Erfüllung von Gruppenersuchen sind im Steueramtshilfegesetz vom 28. September 20128 geregelt.

Artikel 26 DBA-SA sieht den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor.

Die Schweiz hat der saudischen Delegation mitgeteilt, dass sie keine Amtshilfe leisten wird, wenn das Amtshilfegesuch auf illegal beschafften Daten beruht.

Die Bestimmung über den Informationsaustausch gilt für den Austausch von Informationen betreffend Steuerjahre, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Kalenderjahres beginnen (Ziff. 7 des Protokolls).

Art. 28

Verschiedene Bestimmungen

Diese Bestimmung sieht die Einführung einer Missbrauchsklausel vor, die auf den hauptsächlichen Zweck einer Gestaltung oder eines Geschäfts abstellt. Aufgrund dieser Klausel werden die Vorteile des DBA-SA nicht gewährt, wenn das Erlangen dieser Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke der entsprechenden Gestaltung oder des Geschäfts war; es sei denn, es wird nachgewiesen, dass das Gewähren dieser Vorteile in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht. Diese Missbrauchsklausel stimmt mit der PPTRegel gemäss OECD-Musterabkommen nach dessen Anpassung aufgrund der Massnahme 6 des BEPS-Projekts überein.

Diese Missbrauchsklausel ist zwar neu, sie entspricht aber in ihren Grundzügen den Missbrauchsklauseln, die die Schweiz in den letzten Jahren in einer Vielzahl ihrer Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat. Anders ist indessen, dass die Missbrauchsklausel nicht auf gewisse Arten von Einkünften, wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, beschränkt ist. Vielmehr findet sie in Bezug auf sämtliche Bestimmungen des DBA-SA Anwendung. Alle Abkommensvorteile unterliegen damit dem Vorbehalt einer missbräuchlichen Inanspruchnahme.

Vom Wortlaut her unterscheidet sich die Missbrauchsklausel gegenüber jenen, wie sie in vielen jüngeren Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz enthalten sind, noch in einem weiteren Punkt. So ist Missbrauch nicht auf Situationen beschränkt, bei denen der Hauptzweck der entsprechenden Gestaltung oder des Geschäfts im Erlangen der Abkommensvorteile lag, sondern Missbrauch besteht auch dann, wenn das Erlangen der Abkommensvorteile bloss einer der Hauptzwecke war. Vom Resultat her besteht indessen diesbezüglich keine Differenz. Denn der zweite Teil der Missbrauchsklausel sieht vor, dass die Abkommensvorteile dennoch gewährt wer8

SR 651.1

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den, wenn dies in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht. Dies sollte grundsätzlich dann der Fall sein, wenn das Erlangen des entsprechenden Abkommensvorteils nicht der Hauptzweck der Gestaltung oder des Geschäfts war.

Die Missbrauchsklausel enthält in Absatz 2 eine zusätzliche Bestimmung, wonach die Vertragsstaaten zur Verhinderungen von Missbrauch des DBA-SA ihre innerstaatlichen Regelungen anwenden können. Diese müssen jedoch im Einklang mit der in Absatz 1 festgelegten PPT-Regel stehen. Der Anwendungsbereich des Missbrauchsvorbehalts im DBA-SA wird durch den Verweis auf die innerstaatlichen Missbrauchsbestimmungen daher nicht ausgedehnt.

Ziff. 10 des Protokolls zum DBA-SA Gleichbehandlung Eigene Staatsangehörige und solche der Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrates unterstehen in Saudi-Arabien dem Zakat, während für Angehörige anderer Staaten die Einkommenssteuer zur Anwendung gelangt. Die beiden Systeme sind völlig unterschiedlich. Eine Gleichbehandlungsbestimmung nach Artikel 24 der Musterabkommen der OECD und der UNO konnte daher im DBA-SA nicht vereinbart werden. Eine automatische Gleichbehandlungsbestimmung stellt jedoch sicher, dass schweizerische Unternehmen und andere Personen mit Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit der Schweiz in Saudi-Arabien nicht schlechter gestellt werden als Angehörige von bzw. Ansässige in Drittstaaten mit Ausnahme von in den genannten Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrates und der Arabischen Liga ansässigen Personen oder Personen mit Staatsangehörigkeit dieser Staaten.

3

Finanzielle Auswirkungen

Wie bei Doppelbesteuerungsabkommen üblich, verzichten unter dem DBA-SA beide Parteien auf die Erhebung von Steuern. Betroffen davon ist auf schweizerischer Seite insbesondere die Verrechnungssteuer auf Dividenden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass unter dem DBA-SA direkte Investitionen zwischen den beiden Ländern zunehmen, womit der Wirtschaftsstandort insgesamt und damit die Steuerbasis der Schweiz gestärkt wird.

Das vorliegende Abkommen kann im Rahmen der bestehenden personellen Ressourcen umgesetzt werden.

4

Rechtliche Aspekte

4.1

Verfassungsmässigkeit

Das DBA-SA stützt sich auf Artikel 54 der Bundesverfassung9 (BV), wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung des DBA-SA zuständig.

9

SR 101

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4.2

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unter anderem wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200210 (ParlG) gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen.

Der Schweiz werden durch das Abkommen Rechte erteilt und Pflichten auferlegt.

Insbesondere werden die Besteuerung eingeschränkt und der Informationsaustausch erweitert. Das Abkommen enthält somit wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des DBA-SA wird deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt.

4.3

Vernehmlassungsverfahren

Das DBA-SA untersteht dem Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200511 (VlG) besteht damit an sich die Pflicht zur Durchführung einer Vernehmlassung. Zum DBA-SA wurde eine Orientierung durchgeführt.

Dabei wurde im Mai 2016 den Kantonen und den am Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen interessierten Wirtschaftskreisen eine Erläuterung zum DBA-SA vorgelegt. Das DBA-SA wurde positiv und ohne Einwände aufgenommen. Die Positionen der interessierten Kreise sind entsprechend bekannt und belegt. Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG konnte deshalb auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.

10 11

SR 171.10 SR 172.061

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