18.069 Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erbrecht) vom 29. August 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Erbrecht).

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2011

M 10.3524

Für ein zeitgemässes Erbrecht (S 23.09.10 Gutzwiller; N 02.03.11; S 07.06.11)

2017

P

Patchworkfamilien. Lösungen für eine zeitgemässe Regelung der gesetzlichen Erbfolge?

(N 15.03.17, Nantermod)

16.3416

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. August 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2018-1536

5813

Übersicht Das schweizerische Erbrecht hat sich seit mehr als einem Jahrhundert praktisch nicht verändert. Der Gesetzesentwurf, auf den sich diese Botschaft bezieht, bildet den ersten Teil einer umfassenden Revision, mit der das Erbrecht an die Entwicklung der Gesellschaft angepasst werden soll, jedoch ohne dass dessen Grundstruktur geändert wird. Ziel der Revision ist es insbesondere, die Verfügungsfreiheit der Erblasserin oder des Erblassers zu erhöhen.

Ausgangslage Das geltende Erbrecht datiert im Wesentlichen aus der Zeit der Schaffung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches Anfang des 20. Jahrhunderts. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich seither allerdings grundlegend verändert: Die durchschnittliche Lebenserwartung ist stark gestiegen, die Ehe hat ihre Monopolstellung in der Partnerschaft verloren, Zweit- und Drittbeziehungen sind häufiger und die familiären Lebensformen vielfältiger geworden. Es ist deshalb angebracht, diesen Veränderungen durch eine Revision des Erbrechts Rechnung zu tragen.

Inhalt der Vorlage Im Zentrum der Revision steht die Erhöhung der Verfügungsfreiheit der Erblasserin oder des Erblassers durch eine Verkleinerung der Pflichtteile. Dadurch wird der Handlungsspielraum der Erblasserin oder des Erblassers in zweierlei Hinsicht vergrössert. Einerseits kann sie oder er einen grösseren Teil des Vermögens der gewünschten erbberechtigten Person übertragen, was insbesondere die Übertragung von Familienunternehmen erleichtert. Andererseits kann sie oder er weitere Personen durch Verfügung von Todes wegen stärker begünstigen ­ zum Beispiel eine faktische Lebenspartnerin oder einen faktischen Lebenspartner oder deren beziehungsweise dessen Kinder. Hingegen soll den faktischen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern weder ein gesetzlicher Erbanspruch noch gar ein Pflichtteil eingeräumt werden. Die Beziehungen in einer faktischen Lebenspartnerschaft können sehr unterschiedlich sein. Deshalb soll die Erblasserin beziehungsweise der Erblasser entscheiden können, welche weiteren Personen ihr oder ihm derart nahestehen, dass sie erbrechtlich begünstigt werden sollen.

Zur Verbesserung der Rechtssicherheit sollen verschiedene umstrittene Punkte geklärt werden, so die Behandlung ehe- oder vermögensvertraglicher Vorschlagszuweisungen bei der Nachlassregelung, die Behandlung
des Guthabens aus der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) und die Reihenfolge der Herabsetzungen.

Um stossende Fälle zu vermeiden, in denen die faktische Lebenspartnerin oder der faktische Lebenspartner nach dem Tod des Erblassers oder der Erblasserin auf Sozialhilfe angewiesen ist, obschon der Nachlass genügend Vermögen umfasst, schlägt der Bundesrat die Schaffung eines «Unterstützungsanspruchs» vor. Dabei handelt es sich um einen beschränkten Betrag zulasten der Erbschaft, mit dem das Existenzminimum der faktischen Lebenspartnerin oder des faktischen Lebenspartners gedeckt werden soll.

5814

BBl 2018

Inhaltsverzeichnis Übersicht

5814

1

Ausgangslage 1.1 Entwicklung der gesellschaftlichen Realitäten 1.2 Grundsätzliche Überlegungen zur Gesetzgebung im Erbrecht 1.3 Internationale Aspekte: Vorentwurf zum Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (Erbrecht)

5818 5818 5820

2

Entstehung des Entwurfs 2.1 Der parlamentarische Auftrag: Motion Gutzwiller 10.3524 2.2 Weitere parlamentarische Vorstösse 2.3 Gutachten 2.4 Vorentwurf 2.5 Ergebnisse der Vernehmlassung 2.6 Bundesratsbeschluss vom 10. Mai 2017 2.7 Einbezug von Fachleuten

5821 5821 5822 5824 5825 5826 5826 5827

3

Die beantragte Neuregelung 3.1 Grundzüge der Vorlage 3.2 Änderung der Pflichtteile 3.2.1 Vorbemerkung 3.2.2 Aufhebung des Pflichtteils der Eltern 3.2.3 Reduktion des Pflichtteils der Nachkommen 3.2.4 Beibehaltung des Pflichtteils der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen und Partner 3.2.5 Übersicht über die Pflichtteile und verfügbaren Quoten gemäss geltendem Recht und gemäss Entwurf 3.2.6 Vergleich des Pflichtteilsrechts mit anderen europäischen Ländern 3.3 Verlust des Pflichtteils während eines Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens 3.3.1 Vorbemerkung 3.3.2 Pflichtteilsrecht während eines Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens nach geltendem Recht 3.3.3 Pflichtteilsrecht während eines Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens gemäss Entwurf 3.4 Erhöhung der verfügbaren Quote bei Nutzniessung zugunsten der überlebenden Ehegattin oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partners 3.4.1 Vorbemerkung

5827 5827 5829 5829 5831 5832

5821

5832 5833 5835 5837 5837 5837 5839

5840 5840

5815

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3.4.2

Verfügbare Quote bei Nutzniessung nach geltendem Recht 3.4.3 Verfügbare Quote bei Nutzniessung gemäss Entwurf 3.4.4 Berechnungsbeispiele 3.5 Klarstellung bei der überhälftigen Vorschlagszuweisung durch Ehe- oder Vermögensvertrag 3.5.1 Vorbemerkung 3.5.2 Behandlung der überhälftigen Vorschlagszuweisung nach geltendem Recht 3.5.3 Behandlung der überhälftigen Vorschlagszuweisung gemäss Entwurf 3.5.4 Berechnungsbeispiele 3.6 Klarstellung der erbrechtlichen Behandlung der gebundenen Selbstvorsorge 3.6.1 Vorbemerkung 3.6.2 Erbrechtliche Behandlung der Guthaben der gebundenen Selbstvorsorge nach geltendem Recht 3.6.3 Erbrechtliche Behandlung der Guthaben der gebundenen Selbstvorsorge gemäss Entwurf 3.6.4 Berechnungsbeispiele 3.7 Klarstellungen bei der Herabsetzung 3.7.1 Vorbemerkung 3.7.2 Die Herabsetzung nach geltendem Recht 3.7.3 Die Herabsetzung gemäss Entwurf 3.8 Einführung eines Unterstützungsanspruchs zugunsten der faktischen Lebenspartnerin oder des faktischen Lebenspartners 3.8.1 Vorbemerkung 3.8.2 Vom «Unterhaltsvermächtnis» zum «Unterstützungsanspruch» 3.8.3 Der Unterstützungsanspruch 3.8.4 Beispiele zur Berechnung des Unterstützungsanspruchs 3.8.5 Ansprüche der faktischen Lebenspartnerin oder des faktischen Lebenspartners in anderen Rechtsordnungen 3.9 Übergangsrecht 3.10 Postulat Nantermod 16.3416 3.10.1 Gegenstand 3.10.2 Vorbemerkung 3.10.3 Im Postulat genannte Lösungsvorschläge 3.10.4 Fazit

5841 5842 5843 5845 5845 5846 5847 5848 5851 5851 5852 5855 5856 5858 5858 5858 5859 5861 5861 5862 5863 5866 5869 5870 5872 5872 5872 5873 5876

4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

5877

5

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 5.1 Zivilgesetzbuch 5.2 Partnerschaftsgesetz

5877 5877 5894

5816

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5.3

Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge

5895

6

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.2 Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden 6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 6.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft 6.5 Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann

5896 5896 5896 5897 5898 5898

7

Verhältnis zur Legislaturplanung

5899

8

Rechtliche Aspekte 8.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 8.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 8.3 Erlassform 8.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 8.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 8.6 Datenschutz

5899 5899 5900 5900 5900 5900 5900

Literaturverzeichnis

5901

Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Erbrecht) (Entwurf)

5905

5817

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Entwicklung der gesellschaftlichen Realitäten

Das geltende Erbrecht ist in den Artikeln 457­640 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs1 (ZGB) geregelt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Teilen des ZGB wurde das Erbrecht seit seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1912 nur geringfügig revidiert; so fand mit der Revision des Adoptionsrechts eine Gleichstellung der Adoptiv- mit den Blutsverwandten statt.2 Mit dem neuen Kindschaftsrecht wurden ausserdem die ausserehelichen den ehelichen Kindern gleichgestellt. 3 Als weitere wichtige Entwicklung zu nennen ist die Neuregelung des Erbrechts der überlebenden Ehegattin und des überlebenden Ehegatten durch die Revision des Eherechts im Jahr 1988, mit der deren erbrechtliche Stellung verbessert wurde.4 Trotz dieser Revisionen lässt sich festhalten, dass die «charakteristischen und zentralen Grundzüge des schweizerischen Erbrechts [...] seit nunmehr hundert Jahren unverändert geblieben sind»5. Damit unterscheidet sich das Erbrecht erheblich vom Familienrecht des ZGB, das seit den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts umfassend revidiert worden ist und das sich zurzeit in einer weiteren Modernisierungsphase befindet. Dem damaligen Gesetzgeber des ZGB ist es somit gelungen, trotz der äusserst unterschiedlichen erbrechtlichen Vorgängerregelungen in den einzelnen Kantonen einfache, einheitliche und vor allem beständige Normen zu schaffen.

Seit dem Inkrafttreten des ZGB haben sich die Realitäten, auf die das Erbrecht abstellt, allerdings erheblich verändert. So waren damals die soziodemografischen Gegebenheiten noch weitgehend homogen. Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben hier einen grundlegenden Wandel hervorgebracht: Aufgrund der gestiegenen Scheidungszahlen, aber auch wegen der erhöhten durchschnittlichen Lebenserwartung, sind Zweit- und Drittbeziehungen häufiger geworden, und auch sogenannte Patchworkfamilien gibt es immer mehr: Kinder wachsen heute oft nicht mehr nur bei ihren leiblichen Eltern auf. Sie leben beispielsweise nur bei einem Elternteil, der häufig selbst wieder eine neue Partnerin oder einen neuen Partner hat. Diese oder dieser bringt in vielen Fällen eigene Kinder in den gemeinsamen Haushalt mit.

Es kommt damit zu gelebten Eltern-Kind-Beziehungen jeder denkbaren Ausprägung, die häufig rechtlich als solche nicht anerkannt werden.

1 2 3 4

5

SR 210 Botschaft vom 12. Mai 1971 über die Änderung des Zivilgesetzbuches (Adoption und Art. 321 ZGB), BBl 1971 I 1200 ff.

Botschaft vom 5. Juni 1974 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Kindesverhältnis), BBl 1974 II 1 ff.

Botschaft vom 11. Juli 1979 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Wirkungen der Ehe im allgemeinen, Ehegüterrecht und Erbrecht), BBl 1979 II 1191 ff.; für eine Übersicht über die Revisionen seit 1912 vgl. Wolf/Genna, S. 8 ff.

Wolf/Genna, S. 11.

5818

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Gleichzeitig hat die Ehe ihre Monopolstellung in Partnerschaft und Familie heute weitgehend verloren.6 Häufig werden Beziehungen auch ohne Eheschluss gelebt, sei dies mit oder ohne Kinder. Aus erbrechtlicher Sicht hat diese Entwicklung wiederum zur Folge, dass es mehr und mehr reale Beziehungen gibt, die rechtlich nicht oder nur ungenügend anerkannt sind. Insbesondere begründen sie keinen Verwandtschaftsstatus und somit auch kein gesetzliches Erbrecht. Dieser gesellschaftliche Wandel hat in den letzten Jahrzehnten zu einer «Kluft zwischen den Lebensformen einerseits und Familienrecht und -politik» andererseits geführt.7 Das geltende Erbrecht ermöglicht es in derartigen Fällen auch nicht, diese Kluft durch eine Verfügung von Todes wegen vollständig zu überwinden, weil die Testierfreiheit durch das Pflichtteilsrecht erheblich eingeschränkt wird. Die Funktion des Familien- und Erbrechts besteht jedoch in der Bereitstellung eines verlässlichen rechtlichen Rahmens für die familiären Beziehungen. Stimmen Recht und Wirklichkeit nicht mehr überein, so vermag die Rechtsordnung ihre Aufgabe nicht mehr richtig zu erfüllen.

Es ist deshalb ein zentrales Anliegen der vorliegenden Revision, diese Kluft zu schliessen und die erwähnten gesellschaftlichen Entwicklungen rechtlich nachzuvollziehen.

Neben diesen allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen ist es für das Erbrecht von zentraler Bedeutung, dass sich seit 1900 die Lebenserwartung der Bevölkerung bei Geburt nahezu verdoppelt hat: von 46 auf 81 Jahre für die Männer und von 49 auf 85 Jahre für die Frauen. Dies hat zur Folge, dass die Menschen heute älter sind, wenn sie sterben und vererben. Entsprechendes gilt auch für die Erbinnen und Erben, die sich zum Zeitpunkt des Erbantritts heute typischerweise in einem anderen Lebensabschnitt befinden als vor 100 Jahren. Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass der Erbprozess zu einer Konzentration der Vermögen in der Rentnergeneration führt.

Das Erbrecht hat damit gleichzeitig seine Funktion verloren, jüngeren Menschen beim Aufbau ihres Lebensplanes die dafür unter Umständen notwendigen finanziellen Grundlagen zur Verfügung zu stellen.

Aufgrund des starken Ausbaus der staatlichen Sozialversicherungssysteme kommt dem Familienvermögen und dem Erbrecht im Vergleich zur Zeit der Entstehung des ZGB zudem eine weit weniger
bedeutsame Rolle bei der sozialen Absicherung zu.

Staatliche Fürsorge, Arbeitslosentaggelder sowie die Alters- und Invalidenvorsorge haben diese Funktion weitgehend übernommen. Die Erbschaft wird heute nicht mehr zur Sicherung der Existenz, sondern allenfalls zur Sicherung des Lebensstandards oder zur Deckung zusätzlicher Auslagen eingesetzt, oder sie dient sogar nur noch der Vermögensbildung.

Dem Erbrecht kommt in der Schweiz allerdings nach wie vor eine erhebliche wirtschaftliche und soziale Bedeutung zu: So haben zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung geerbt oder erwarten ein Erbe. Das jährliche Erbschaftsvolumen übersteigt dabei die Bruttoersparnis der privaten Haushalte, wobei hinsichtlich der genauen Zahlen unterschiedliche Schätzungen vorliegen. Umgekehrt geht allerdings auch mindestens ein Drittel der Bevölkerung beim Erben leer aus; die obersten zehn Prozent erhalten drei Viertel der Gesamterbsumme.8 6 7 8

Vgl. dazu bspw. Preisner, S. 786.

Preisner, S. 792.

Stutz/Bauer/Schmugge, S. 22.

5819

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1.2

Grundsätzliche Überlegungen zur Gesetzgebung im Erbrecht

Eugen Huber hat im Jahr 1900 die Ziele formuliert, die der Gesetzgeber im Erbrecht verfolgen soll. Diese können auch heute noch als massgeblich betrachtet werden: (1) die Sicherung des Friedens im Verhältnis der sich folgenden Geschlechter untereinander, (2) die Erhaltung der einmal geschaffenen Werte über den Tod ihres einzelnen Trägers hinaus und (3) die Durchführung eines billigen und wirtschaftlich angemessenen Verteilungsplanes der von der Erblasserin oder vom Erblasser hinterlassenen Güter.9 Im vorliegenden Zusammenhang steht vor allem der erste Punkt im Vordergrund.

Das Erbrecht ist eng verflochten mit der Art und Weise, wie die Funktion der Familie und der Lebenspartnerschaften in der Bevölkerung wahrgenommen und gelebt wird. Es muss deshalb ein zentrales Ziel jeder Regelung und jeder Revision des Erbrechts sein, dass die gesetzliche Normierung in der Bevölkerung auch bekannt und anerkannt ist. Dies umso mehr, wenn das Erbrecht nicht nur eine Regelung für den Fall des Todes einer Person vorsieht, sondern dieser Person auch die Möglichkeit einräumt, in einem gewissen Rahmen von dieser Ordnung abzuweichen und diese durch eigene Anordnungen zu ersetzen. Wer seinen Nachlass in seinem Sinn regeln will, muss mit anderen Worten zuerst verstehen, wie die Regelung ohne eine solche Verfügung von Todes wegen aussehen würde und welcher Spielraum ihr oder ihm für die eigene Regelung zur Verfügung steht. Insbesondere die wichtige Bestimmung von Artikel 498 ZGB, die es der Erblasserin oder dem Erblasser erlaubt, eine gültige letztwillige Verfügung selbstständig und ohne Unterstützung durch Drittpersonen zu verfassen, das heisst vor allem ohne eine juristische Beratung, setzt letztlich ein Erbrecht voraus, das von einer volljährigen und urteilsfähigen Person verstanden werden kann.

Das geltende Erbrecht des ZGB ist einfach und bürgernah formuliert und damit ­ jedenfalls in den Grundsätzen ­ auch für die breite Bevölkerung verständlich. Im Rahmen einer Revision ist darauf zu achten, dass nicht zusätzliche komplizierte Rechtsfiguren geschaffen oder Regelungen getroffen werden, mit denen die Verständlichkeit und Übersichtlichkeit der geltenden Regelung beeinträchtigt würde.

Erbrechtliche Konflikte sind häufig mit vielen Emotionen verbunden, und eine zentrale Funktion des Rechts im Allgemeinen und des
Erbrechts im Besonderen besteht in der Vermeidung potenzieller Konflikte und der Gewährleistung des sozialen Friedens. Die Rechtsordnung kann dieser Aufgabe allerdings nur nachkommen, wenn die relevanten Normen möglichst klar und einfach sind. Gerade im Erbrecht sollte deshalb wenn immer möglich an klar umschriebene Sachverhalte angeknüpft werden. Dies entspricht dem Konzept des geltenden Rechts, das Rechtswirkungen an die Verwandtschaft sowie an die rechtlichen Statusbeziehungen der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft knüpft, dagegen nicht an faktische Beziehungen, die zuerst definiert und dann im Einzelfall subsumiert werden müssten.

9

Huber, Ziff. 822.

5820

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1.3

Internationale Aspekte: Vorentwurf zum Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (Erbrecht)

Angesichts der steigenden Mobilität der Bevölkerung werden grenzüberschreitende Erbfälle häufiger. Am 14. Februar 2018 hat der Bundesrat einen Vorentwurf zur Revision des Erbrechts im Bundesgesetz vom 18. Dezember 198710 über das Internationale Privatrecht (IPRG) in die Vernehmlassung geschickt.11 Hauptziel der Revisionsvorlage ist eine teilweise Harmonisierung des schweizerischen internationalen Privatrechts mit der neuen EU-Erbrechtsverordnung,12 die auf internationale Erbfälle anwendbar ist, welche am 17. August 2015 oder später eröffnet worden sind. Die Verordnung gilt für die Schweiz zwar nicht direkt, sie hat jedoch trotzdem erhebliche Auswirkungen auf die Regelung grenzüberschreitender Erbfälle und auf die Vermögensplanung in Europa. Durch die Änderung der schweizerischen Regeln betreffend die Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheiden will der Vorentwurf das Potenzial für Kompetenzkonflikte zwischen den schweizerischen und europäischen Behörden vermindern und vermeiden, dass die Behörden sich widersprechende Entscheide treffen. Wo eine Änderung nicht sinnvoll erscheint, strebt der Vorentwurf zumindest eine Angleichung des anwendbaren Rechts an. Schliesslich werden auch Vorschläge zur Ergänzung und Klarstellung des geltenden Rechts unterbreitet. Der Vorentwurf enthält dagegen keine Anpassungen des materiellen Schweizer Rechts. Er kann deshalb unabhängig von der vorliegenden Revision behandelt werden.

2

Entstehung des Entwurfs

2.1

Der parlamentarische Auftrag: Motion Gutzwiller 10.3524

Am 17. Juni 2010 reichte Ständerat Felix Gutzwiller die Motion 10.3524 ein. Mit der Motion sollte der Bundesrat beauftragt werden, «das über hundertjährige, nicht mehr zeitgemässe Erb-/Pflichtteilsrecht flexibler auszugestalten und es den stark geänderten demografischen, familiären und gesellschaftlichen Lebensrealitäten anzupassen. Dabei soll das geltende Recht in seinem Kerngehalt bewahrt und die Familie als institutionelle Konstante auch weiterhin geschützt werden. Trotz Teilrevision soll es dem Erblassenden weiterhin freistehen, die Angehörigen im bisherigen Ausmass zu begünstigen.»

10 11 12

SR 291 Der Vorentwurf ist abrufbar unter: www.bj.admin.ch > Startseite BJ > Aktuell > News > 2018 > Kompetenzkonflikte bei grenzüberschreitenden Erbfällen minimieren.

Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses, ABl. L 201/107 vom 27. Juli 2012.

5821

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Der Bundesrat empfahl die Motion am 25. August 2010 zur Annahme. Am 23. September 2010 nahm sie der Ständerat mit 32 zu 7 Stimmen an.13 Die RK-N behandelte das Geschäft an ihrer Sitzung vom 5. November 2010 und beantragte in einem Bericht mit gleichem Datum dem Plenum die Annahme eines angepassten Motionstexts.14 An seiner Sitzung vom 2. März 2011 folgte der Nationalrat dem Antrag seiner Kommission und nahm folgenden angepassten Motionswortlaut (auch mit Zustimmung des Bundesrats)15 mit 94 zu 43 Stimmen an (Anpassung hervorgehoben): «Der Bundesrat wird beauftragt, das über hundertjährige, nicht mehr zeitgemässe Erb-/Pflichtteilsrecht flexibler auszugestalten und es den stark geänderten demografischen, familiären und gesellschaftlichen Lebensrealitäten anzupassen. Dabei soll das geltende Recht in seinem Kerngehalt bewahrt und die Familie als institutionelle Konstante auch weiterhin geschützt werden (keine erbrechtliche Gleichstellung der Konkubinatspaare mit den Ehepaaren). Trotz Teilrevision soll es dem Erblassenden weiterhin freistehen, die Angehörigen im bisherigen Ausmass zu begünstigen.» Damit wollte die Kommission und in der Folge auch der Nationalrat eine gewisse Skepsis gegenüber der Motionsbegründung ausdrücken, insbesondere gegenüber der Forderung, «dass die bisher diskriminierten unverheirateten Lebenspartnerinnen und -partner in das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht mit einbezogen werden und dadurch eine im Vergleich zu den verheirateten sowie den eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnern faire, das heisst gleichwertige Behandlung erfahren (allenfalls unter bestimmten Voraussetzungen hinsichtlich Gleichwertigkeit der Lebensund Verantwortungsgemeinschaften).»16 In der Folge hat sich der Ständerat auf Antrag seiner Kommission17 dieser angepassten Fassung der Motion angeschlossen und am 7. Juni 2011 die Motion einstimmig an den Bundesrat überwiesen. 18

2.2

Weitere parlamentarische Vorstösse

In den vergangenen Jahren sind verschiedene parlamentarische Vorstösse zum Erbrecht eingereicht worden: Das Postulat Brändli19 aus dem Jahr 2006 hatte zum Ziel, die Vererbung von Unternehmen einfacher zu machen, ohne unter anderem am Pflichtteilsrecht zu scheitern.

Nachdem der Ständerat das Postulat angenommen hatte, erstattete der Bundesrat am

13 14

15 16 17

18 19

AB 2010 S 876 Der Bericht der RK-N vom 5. November 2010 ist abrufbar unter: www.parlament.ch > Startseite > Ratsbetrieb > Suche curia vista > Motion 10.3524 > Kommissionsberichte > 05.11.2010 ­ Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates.

Votum BR Sommaruga, AB 2011 N 111.

Votum Huber (Kommissionssprecherin), AB 2011 N 108.

Der Bericht der RK-S vom 31. März 2011 ist abrufbar unter: www.parlament.ch > Startseite > Ratsbetrieb > Suche curia vista > Motion 10.3524 > Kommissionsberichte > 30.03.2011 - Kommission für Rechtsfragen des Ständerates.

AB 2011 S 489 06.3402 «Erleichterung der erbrechtlichen Übertragung von Unternehmungen».

5822

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1. April 2009 einen Bericht «Unternehmensbewertung im Erbrecht». 20 Er kam darin zum Schluss, dass kein legislatorischer Handlungsbedarf besteht.

Die im Jahr 2006 eingereichte Motion Sadis21 verlangte eine Anpassung von Artikel 462 ZGB in dem Sinne, dass die überlebende Ehefrau oder der überlebende Ehemann die gesamte Erbschaft erhalten sollte, wenn keine Nachkommen vorhanden sind. Der Vorstoss wurde im nachfolgenden Jahr abgeschrieben, weil die Motionärin aus dem Rat ausgeschieden ist.

Die Postulate Fetz und Janiak22 aus dem Jahr 2007 verlangten vom Bundesrat unter anderem zu prüfen, ob ein grundsätzlicher Anpassungsbedarf im Erbrecht besteht.

Beide Postulate wurden vom Parlament abgelehnt.

Auch der parlamentarischen Initiative Hoffmann23 aus dem Jahr 2007, die verlangte, dass die Höhe der Pflichtteile der Nachkommen gegenüber ihren Eltern ungeachtet von deren Zivilstand gleich hoch sein sollte, wurde keine Folge gegeben.

Die Motion Häberli-Koller24 aus dem Jahr 2011 verlangte eine Gesetzesrevision, damit Erbengemeinschaften, die im Besitz von Liegenschaften und Grundstücken sind, schneller aufgelöst werden können. Nachdem der Bundesrat dem Parlament die Ablehnung der Motion beantragt hatte, lehnte der Nationalrat diese am 19. September 2011 ab.25 Das Postulat Schenker26 aus dem Jahr 2012 verlangte, dass der Bundesrat in einem Bericht aufzeigt, «für welche Berufsgruppen und/oder für welche für die Betreuung und Unterstützung von älteren Menschen relevanten Institutionen Regelungen bestehen, welche die Erbschleicherei verhindern. Ebenfalls ist aufzuzeigen, wo Regelungsbedarf besteht und welche Akteure dafür verantwortlich sind.» Nachdem der Bundesrat die Ablehnung des Postulats beantragt hatte, dabei allerdings in Aussicht gestellt hat, die Beurteilung des Handlungs- und Regelungsbedarfs für Massnahmen gegen die Erbschleicherei im Rahmen der vorliegenden Erbrechtsrevision vorzunehmen, wurde der Vorstoss gestützt auf Artikel 119 Absatz 5 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200227 abgeschrieben, weil er vom Parlament nicht innert zwei Jahren behandelt worden war. Einer ähnlich lautenden parlamentarischen Initiative Schenker aus dem Jahr 200628 hatte die RK-N Folge gegeben, die RK-S und der Ständerat gaben dann aber keine Folge. Eine Motion Gendotti29 aus dem Jahr 2000, die ein ähnliches Ziel verfolgte, wurde abgeschrieben, nachdem der Motionär aus dem Rat ausgeschieden war.

20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

Der Bericht ist abrufbar unter www.bj.admin.ch > Startseite BJ > Publikationen & Service > Berichte > Unternehmensbewertung im Erbrecht.

06.3656 «Erbberechtigung des überlebenden Ehegatten».

07.3496 und 07.3410 «Anreize für eine Bevorzugung von Enkeln im Erbfall».

07.458 «Zivilstandsunabhängiges Pflichtteilsrecht der Nachkommen».

11.3103 «Bessere Grundstücknutzung durch raschere Auflösung von Erbengemeinschaften».

AB 2011 N 1500 12.3220 «Massnahmen gegen Erbschleicherei».

SR 171.10 06.432 «Erbrechtliche Zuwendungen und Schenkungen an Personen mit einer besonderen beruflichen Funktion».

00.3379 «Keine Erbberechtigung für Pflegende».

5823

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Die parlamentarische Initiative Abate30 vom 14. Juni 2012 verlangt eine Verkürzung der Frist von Artikel 555 Absatz 1 ZGB auf sechs Monate nach der Veröffentlichung des Erbenaufrufs durch die zuständige Behörde. Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-S) hat der Initiative am 23. Oktober 2012, die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) am 7. November 2013 Folge gegeben. Es ist nun an der RK-S, einen entsprechenden Vorentwurf auszuarbeiten. Am 14. Dezember 2017 hat der Ständerat die Frist zur Behandlung dieser parlamentarischen Initiative um zwei Jahre verlängert.

Im Postulat Schwaab31 vom 24. September 2014, das vom Nationalrat am 12. Dezember 2014 angenommen wurde, wird der Bundesrat beauftragt zu prüfen, ob das Erbrecht ergänzt werden muss, um die Rechte der Erbinnen und Erben auf Personendaten und digitale Zugänge der verstorbenen Person sowie um die Auswirkungen des Todes auf deren virtuelle Präsenz zu regeln.

Das vom Ständerat am 10. Juni 2016 angenommene Postulat Fetz32 vom 19. März 2015 beauftragt den Bundesrat, die Ausgestaltung der Aufsicht über die Willensvollstreckerinnen und -vollstrecker auf Zeitgemässheit zu prüfen und darüber zu berichten.

Im Postulat Nantermod33 vom 9. Juni 2016, das vom Nationalrat am 15. März 2017 angenommen wurde, wird der Bundesrat beauftragt, die Möglichkeiten aufzuzeigen, wie das Zivilgesetzbuch geändert werden kann, damit Kinder aus Patchworkfamilien durch die gesetzliche Erbfolgeregelung nicht mehr benachteiligt werden (vgl. dazu ausführlich Ziff. 3.10).

2.3

Gutachten

Aufgrund des parlamentarischen Auftrags aus der Motion 10.3514 Gutzwiller (siehe Ziff. 2.1) beauftragte das Bundesamt für Justiz drei externe Gutachterinnen und Gutachter mit der Abklärung der Revisionsbedürftigkeit des Erbrechts sowie möglicher Lösungsvorschläge: ­

Michelle Cottier, Prof. Dr. iur., MA, Ordinaria an der Universität Genf

­

Peter Breitschmid, Prof. Dr. iur., Ordinarius an der Universität Zürich

­

Denis Piotet, Prof. Dr. iur., Ordinarius an der Universität Lausanne.

Deren Gutachten34 dienten als Grundlage für die Änderungsvorschläge im Vorentwurf über die Änderung des Zivilgesetzbuchs (VE-ZGB).

30 31 32 33 34

12.450 «Erbenaufruf. Änderung von Artikel 555 Absatz 1 ZGB».

14.3782 «Richtlinien für den ».

15.3213 «Prüfung der Aufsicht über testamentarische Willensvollstrecker».

16.3416 «Patchworkfamilien. Lösungen für eine zeitgemässe Regelung der gesetzlichen Erbfolge?».

Die Gutachten wurden im Jahr 2014 in einer gemeinsamen Sondernummer der Zeitschriften Not@lex und successio publiziert.

5824

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2.4

Vorentwurf

Am 4. März 2016 schickte der Bundesrat den Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht) in die Vernehmlassung35.

Mit dem Vorentwurf sollte in erster Linie der parlamentarische Auftrag erfüllt werden, das «nicht mehr zeitgemässe Erb-/Pflichtteilsrecht flexibler auszugestalten und es den stark geänderten Lebensrealitäten anzupassen». Zu diesem Zweck schlug der Bundesrat namentlich vor, den Pflichtteil der Eltern aufzuheben und denjenigen der Ehegattinnen oder Ehegatten beziehungsweise der eingetragenen Partnerinnen oder Partner (von der Hälfte auf einen Viertel) sowie der Nachkommen (von drei Vierteln auf die Hälfte) zu verkleinern. So könnte beispielsweise eine Erblasserin einen grösseren Teil ihres Vermögens anderen Personen übertragen, etwa der faktischen Lebenspartnerin oder dem faktischen Lebenspartner oder, in einer Patchworkfamilie, dem Kind ihres Ehemannes oder ihrer eingetragenen Partnerin. Auch für die Unternehmensnachfolge könnten sich dadurch neue Optionen eröffnen.

Entsprechend dem vom Parlament klar geäusserten Willen ­ «keine erbrechtliche Gleichstellung der Konkubinatspaare mit den Ehepaaren» ­ verzichtete der Bundesrat hingegen darauf, die Einführung eines gesetzlichen Erbteils oder sogar eines Pflichtteilsanspruchs für faktische Lebenspartnerinnen und Lebenspartner vorzuschlagen. Diese sollten grundsätzlich nur dann erbrechtlich begünstigt werden, wenn dies von der Erblasserin oder vom Erblasser ausdrücklich so vorgesehen war. In Einzelfällen kann es mit einer solchen Lösung jedoch zu übertriebenen oder gar stossenden Härten kommen. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die überlebende Partnerin die eigene Berufstätigkeit reduziert hätte, um sich um die gemeinsamen Kinder oder um den pflegebedürftigen Erblasser zu kümmern, und sich mangels Verfügung von Todes wegen zu ihren Gunsten nach dem Ableben des Erblassers in einer Notlage befände. Bereits in seinem 2015 veröffentlichten Bericht zur Modernisierung des Familienrechts in Erfüllung des Postulats Fehr (12.3607)36 hatte der Bundesrat darauf hingewiesen, dass eine Härtefallklausel für derartige Fälle eingeführt werden sollte. Aus diesem Grund schlug er im Vorentwurf die Einführung eines vom Willen der Erblasserin oder des Erblassers unabhängigen «Unterhaltsvermächtnisses» zugunsten der faktischen Lebenspartnerin oder
des faktischen Lebenspartners vor (Art. 484a VE-ZGB).

Schliesslich wurde im Vorentwurf vorgeschlagen, verschiedene Fragen zu klären, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut beantworten lassen und auf die auch die Rechtsprechung bislang keine befriedigenden Antworten zu liefern vermochte. Dies entsprach dem Wunsch des Parlaments, das den Bundesrat in der Motion Gutzwiller 10.3524 beauftragt hatte zu prüfen, «ob allenfalls weitere Anpassungen des Erbrechtes angezeigt erscheinen.»

35 36

Der Vorentwurf und der erläutender Bericht sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > 2016 > EJPD.

Bericht «Modernisierung des Familienrechts» vom 25. März 2015, S. 18. Dieser Bericht ist abrufbar unter: www.bj.admin.ch > Startseite BJ > Publikationen & Service > Berichte > Zukunft des Familienrechts.

5825

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2.5

Ergebnisse der Vernehmlassung

Das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf wurde vom 11. März bis zum 20. Juni 2016 durchgeführt. 25 Kantone, 6 in der Bundesversammlung vertretene Parteien, 7 Universitäten, 46 Organisationen und 15 Privatpersonen haben Stellung genommen.37 Der Vorentwurf wurde im Grossen und Ganzen positiv aufgenommen. Die Vergrösserung der erblasserischen Verfügungsfreiheit wurde von der grossen Mehrheit der Teilnehmenden unterstützt, auch wenn vor allem die vorgeschlagene Verkleinerung des Pflichtteils der überlebenden Ehegattinnen oder Ehegatten beziehungsweise eingetragenen Partnerinnen oder Partner sowie in geringerem Umfang der Nachkommen und Eltern teilweise kritisiert wurde. Differenziert aufgenommen wurde dagegen das «Unterhaltsvermächtnis», das eine Neuerung im Erbrecht darstellte.

Viele Vernehmlassungsteilnehmende erachteten dies angesichts des gesellschaftlichen Wandels als notwendigen Fortschritt, andere waren demgegenüber in Bezug auf dessen Notwendigkeit und Ausgestaltung skeptisch.

Die übrigen vorgeschlagenen Änderungen und Neuerungen, die oft technischer Natur waren und teilweise komplexe Themen betrafen, wurden im Allgemeinen gut aufgenommen. Einige Punkte waren jedoch auch Gegenstand einer detaillierten Kritik, hauptsächlich seitens Lehre und Praxis.

Schliesslich wurden auch zahlreiche (mehr als fünfzig) weitere Anpassungen vorgeschlagen, die im Vorentwurf nicht enthalten waren.

2.6

Bundesratsbeschluss vom 10. Mai 2017

Angesichts der Anzahl und der Komplexität der in der Vernehmlassung aufgeworfenen Fragen entschied der Bundesrat am 10. Mai 2017, das Erbrecht etappenweise zu revidieren. Er beauftragte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement entsprechend, zunächst eine erste Botschaft auszuarbeiten, die sich auf den mit der Verabschiedung der Motion 10.3524 Gutzwiller erteilten Auftrag des Parlaments konzentriert. Diese liegt nun vor. Die weiteren, eher technischen Revisionsanliegen werden zu einem späteren Zeitpunkt behandelt.

In seinem Beschluss vom 10. Mai 2017 hat der Bundesrat ausserdem seine Absicht erklärt, Wege zu suchen, um die erbrechtliche Unternehmensnachfolge zu erleichtern. Da eine solche Vereinfachung die Anpassung zahlreicher Gesetzesbestimmungen erforderlich macht, die nicht Gegenstand des Vorentwurfs vom 4. März 2016 waren und die somit auch nicht in eine öffentliche Vernehmlassung geschickt wurden, hat der Bundesrat entschieden, die Unternehmensnachfolge nicht im Rahmen dieser Revision zu regeln. Vielmehr soll nach der Verabschiedung der vorliegenden Botschaft ein Vorentwurf, der sich spezifisch mit der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge befasst, in eine Vernehmlassung geschickt werden.

37

Vgl. dazu die Zusammenstellung der eingegangenen Stellungnahmen im Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens. Dieser Bericht ist abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > 2016 > EJPD.

5826

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2.7

Einbezug von Fachleuten

Zur Erarbeitung gesetzlicher Lösungen, die mit den Zielen der Revision übereinstimmen und auch die Bedürfnisse der Praxis aufnehmen, wurden anerkannte Expertinnen und Experten aus dem akademischen Bereich sowie aus der Gerichts-, Anwalts- und Notariatspraxis konsultiert. Im Rahmen von sechs Sitzungen zwischen Juli 2017 und Juni 2018 haben die folgenden Personen an der Ausarbeitung der vorliegenden Botschaft mitgewirkt (in alphabetischer Reihenfolge): ­

Jacqueline Burckhardt Bertossa, LL.M., Rechtsanwältin und Notarin, Fachanwältin SAV Erbrecht, Basel

­

Paul Eitel, Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Erbrecht, Ordinarius an der Universität Luzern

­

Marion Erhardt, Leitende Gerichtsschreiberin und Ersatzrichterin am Bezirksgericht Zürich

­

Andreas Flückiger, Dr. iur., Rechtsanwalt und Notar, Basel

­

Balz Hösly, Dr. iur., Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Erbrecht, Zürich

­

Ingrid Iselin Zellweger, LL.M., Rechtsanwältin, Fachanwältin SAV Erbrecht, Genf

­

Audrey Leuba, Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Ordinaria an der Universität Genf

­

Nora Lichti Aschwanden, Oberrichterin, Obergericht Zürich

­

Paul-Henri Steinauer, Prof. Dr. iur., Emeritus an der Universität Freiburg

Die Vorschläge des Entwurfs sind, soweit sie die berufliche Vorsorge betreffen, ausserdem der Eidgenössischen Kommission für die berufliche Vorsorge (BVGKommission) zur Konsultation vorgelegt worden. Diese hat anlässlich ihrer Sitzung vom 15. Mai 2018 davon Kenntnis genommen.

3

Die beantragte Neuregelung

3.1

Grundzüge der Vorlage

Mit dem ersten Teil der Revision des Erbrechts soll die Motion Gutzwiller 10.3524 umgesetzt werden. Ihr Hauptziel ist die Modernisierung des Erbrechts. Um dieses Ziel zu erreichen, wird eine Verkleinerung der Pflichtteile vorgeschlagen. Die Erblasserin oder der Erblasser erhält so eine grössere Verfügungsfreiheit und kann Personen ihrer oder seiner Wahl stärker begünstigen (siehe Ziff. 3.2). Damit geht eine grössere Flexibilität bei der Unternehmensnachfolge einher, namentlich bei der Übertragung von Familienbetrieben. Darüber hinaus wird die Verfügungsfreiheit auch für den Fall vergrössert, dass der Ehegatte, die Ehegattin, der eingetragene Partner oder die eingetragene Partnerin während eines laufenden Scheidungsverfahrens oder einer laufenden Auflösung der eingetragenen Partnerschaft stirbt: Im Entwurf wird vorgeschlagen, in diesem Fall unter bestimmten Voraussetzungen den 5827

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Pflichtteil (nicht aber das gesetzliche Erbrecht) der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen und Partner aufzuheben (siehe Ziff. 3.3).

Ebenfalls einen Bezug zur Testierfreiheit weist der Vorschlag des Entwurfs auf, die Bestimmung über die Zuweisung der Nutzniessung zugunsten der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehemannes oder eingetragenen Partners an die veränderten Pflichtteile anzupassen. Die Erblasserin oder der Erblasser kann so die überlebende Person in grösserem Ausmass begünstigen, als dies nach geltendem Recht möglich ist (siehe Ziff. 3.4).

Aufgrund der Ergebnisse der Vernehmlassung und der Auffassung der Expertinnen und Experten schlägt der Bundesrat ferner Regelungen zur Klarstellung der erbrechtlichen Folgen einer Vereinbarung zwischen Eheleuten oder eingetragenen Partnerinnen oder Partnern in einem Ehe- beziehungsweise Vermögensvertrag vor, mit welcher sich diese gegenseitig eine überhälftige Beteiligung am Vorschlag zuweisen (siehe Ziff. 3.5). Ebenfalls geklärt werden soll die erbrechtliche Behandlung der Ansprüche aus der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a, siehe Ziff. 3.6).

Unter Berücksichtigung dieser Änderungen schlägt der Bundesrat vor, auch die Reihenfolge der Herabsetzungen im Gesetz zu klären (siehe Ziff. 3.7).

Schliesslich schlägt der Bundesrat vor, im Gesetz eine Härtefallregelung für faktische Lebensgemeinschaften zu schaffen: Ohne die faktischen Lebenspartnerinnen und Lebenspartner mit den Eheleuten beziehungsweise eingetragenen Partnerinnen oder Partnern gleichzustellen, sollen dadurch stossende Fälle vermieden werden, in denen die Person, die mit der verstorbenen Person in einer faktischen Lebensgemeinschaft lebte, nach deren Tod in Not geraten würde und demzufolge auf Sozialhilfe angewiesen wäre, obschon im Nachlass eigentlich ausreichende Mittel vorhanden wären, um dies zu verhindern. Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, einen gesetzlichen Unterstützungsanspruch zugunsten der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder des überlebenden faktischen Lebenspartners einzuführen, die oder der nicht über genügend Mittel zur Deckung des Existenzminimums verfügt (siehe Ziff. 3.8).

Wie in seiner Stellungnahme vom 24. August 2016 angekündigt, prüft der Bundesrat ausserdem die im Postulat
Nantermod 16.3416 «Patchworkfamilien. Lösungen für eine zeitgemässe Regelung der gesetzlichen Erbfolge?» skizzierten Lösungsansätze und legt dar, aus welchen Gründen er diese ablehnt (siehe Ziff. 3.10).

Schliesslich ist festzuhalten, dass mit der vom Bundesrat beantragten Revision weder die gesetzliche Erbberechtigung noch die Erbanteile der gesetzlichen Erbinnen und Erben angepasst werden sollen. Die Artikel 457­466 ZGB werden nicht revidiert. Als gesetzliche Erbinnen und Erben gelten demnach weiterhin die Nachkommen, bei Fehlen von Nachkommen die Eltern und deren Nachkommen, und schliesslich die Grosseltern und deren Nachkommen, die überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise der überlebende Ehemann oder eingetragene Partner sowie ­ wenn gar keine Erbinnen und Erben vorhanden sind ­ der Kanton oder die Gemeinde des letzten Wohnsitzes der verstorbenen Person. Auch die Erbanteile der gesetzlichen Erbinnen und Erben bleiben unverändert. Die überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen und Partner haben weiterhin Anspruch auf die Hälfte der Erbschaft, wenn sie mit Nachkommen zu teilen haben, auf drei Viertel der Erbschaft, wenn sie mit Erbinnen und Erben des 5828

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elterlichen Stammes zu teilen haben, und auf die ganze Erbschaft, wenn keine Nachkommen und keine Erbinnen und Erben des elterlichen Stammes vorhanden sind (Art. 462 ZGB). Wenn die Erblasserin oder der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen verfasst hat, was meistens der Fall sein dürfte, wird die Erbschaft somit gleich aufgeteilt wie nach geltendem Recht. Vorbehalten bleibt gegebenenfalls der neue Unterstützungsanspruch der faktischen Lebenspartnerin oder des faktischen Lebenspartners.

3.2

Änderung der Pflichtteile

3.2.1

Vorbemerkung

Das geltende, massgeblich vom germanischen Recht geprägte Erbrecht beruht auf dem sogenannten Grundsatz der Verfangenheit. Danach ist die Nachfolge von Todes wegen weitgehend der Verfügung der Erblasserin oder des Erblassers entzogen. 38 Dieser Grundsatz findet im ZGB in der Form des Pflichtteils (Art. 471 ZGB) seinen Ausdruck. Das Konzept des Pflichtteilsrechts beruht darauf, dass innerhalb der Familie eine natürliche Erbberechtigung besteht, die von der Erblasserin oder vom Erblasser nicht beseitigt werden kann.

Die Pflichtteile bilden den Teil des Vermögens, der sich der Verfügungsfreiheit entzieht und der den pflichtteilsberechtigten Erbinnen und Erben ­ ausser im seltenen Fall einer Enterbung (Art. 477 ZGB) ­ nicht entzogen werden kann. Sie sollen vor allem gewährleisten, dass die Familienangehörigen der Erblasserin oder des Erblassers weiterhin über die nötigen Mittel verfügen, dass zumindest ein Teil des Vermögens über die Generationen hinweg in der Familie bleibt, dass die Erbinnen und Erben in einem gewissen Rahmen gleich behandelt werden und dass die familiären Beziehungen geschützt werden, indem die Gefahr ungebührlicher Druckversuche zwischen der Erblasserin oder dem Erblasser und den Erbinnen und Erben vermindert wird.39 Das Zivilgesetzbuch sieht heute Pflichtteile vor für die Nachkommen, die Eltern, die Ehefrau oder den Ehemann sowie die eingetragene Partnerin oder den eingetragenen Partner.40 Der Pflichtteil beträgt für die Nachkommen drei Viertel des gesetzlichen Erbanspruchs, für jeden Elternteil, die überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise den überlebenden Ehemann oder eingetragenen Partner die Hälfte (Art. 471 ZGB). Im internationalen Vergleich sind die Pflichtteile nach Schweizer Recht relativ hoch (siehe Ziff. 3.2.6). Sie schränken den Teil des Vermögens, über den die Erblasserin oder der Erblasser frei verfügen kann ­ die sogenannte verfügbare Quote (Art. 470 ZGB) ­, stark ein.

Mit der Verabschiedung der Motion Gutzwiller 10.3524 hat das Parlament dem Bundesrat den Auftrag erteilt, das bestehende Erbrecht zu flexibilisieren. Im Vor38 39 40

Druey, § 6 Rz. 2; zum Ganzen auch Wolf/Genna, S. 37.

Baddeley, S. 283; Guinand/Stettler/Leuba, Rz. 89; Steinauer, Successions, Rz. 355.

Der Pflichtteil der Geschwister in Höhe eines Viertels des gesetzlichen Erbteils (Art. 471 Ziff. 3 aZGB) wurde mit der am 1. Januar 1988 in Kraft getretenen Revision des Eherechts aufgehoben.

5829

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dergrund der vorliegenden Revision steht deshalb das Anliegen, die Entscheidungsautonomie der Erblasserin oder des Erblassers zu stärken. Diese manifestiert sich im Erbrecht in der Verfügungsfreiheit, das heisst der Freiheit, von Todes wegen über das eigene Vermögen ganz oder zumindest teilweise verfügen zu können. Wie erwähnt, wird diese nach geltendem Recht durch die Pflichtteile eingeschränkt. Eine Revision mit dem Ziel der Stärkung der Entscheidungsautonomie der Erblasserin oder des Erblassers muss deshalb primär bei den Pflichtteilen ansetzen: Die Beseitigung oder Reduktion der Pflichtteile hat automatisch eine Vergrösserung der verfügbaren Quote zur Folge und erweitert damit die Entscheidungsautonomie.

Auch wenn immer wieder die Forderung zu hören ist, die Pflichtteile vollständig abzuschaffen und das Erbrecht auf diese Weise umfassend zu liberalisieren, würde dies nach Ansicht des Bundesrates zu weit gehen. Es erscheint fraglich, ob die dafür notwendigen politischen Mehrheiten vorhanden wären, denn der Gedanke, dass ein Teil des Nachlasses den Angehörigen vorbehalten bleibt, ist tief im allgemeinen Rechtsempfinden verankert. Dass (reduzierte) Pflichtteile in einem modernen Erbrecht weiterhin ihren Platz haben, bestätigt auch ein Blick ins Ausland (siehe Ziff. 3.2.6): Sämtliche kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen kennen gegenwärtig Formen zwingender Nachlassteilhabe aufgrund persönlicher oder familiärer Nähebeziehungen.41 In den USA, wo kein Pflichtteilsschutz besteht, wird von einem gewichtigen Teil der Rechtslehre die Einführung eines Schutzes der Nachkommen vor Enterbung im Sinne von Pflichtteilen gefordert.42 Im Vorentwurf hatte der Bundesrat vorgeschlagen, den Pflichtteil der Eltern aufzuheben und denjenigen der Nachkommen (von drei Vierteln auf die Hälfte) sowie der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen oder Partner (von der Hälfte auf einen Viertel) zu reduzieren. Da der Vorschlag, den Pflichtteil der Eltern aufzuheben und jenen der Nachkommen zu verkleinern, von der grossen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst wurde, findet er sich auch im vorliegenden Entwurf (siehe Ziff. 3.2.2 und 3.2.3). Die Reaktionen auf den Vorschlag, den Pflichtteil der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen oder Partner zu
verkleinern, sind dagegen sehr unterschiedlich ausgefallen. Unter Berücksichtigung der in der Vernehmlassung geäusserten Argumente und der Diskussionen mit den Expertinnen und Experten verzichtet der Bundesrat darauf, das geltende Recht in diesem Punkt zu ändern (siehe Ziff. 3.2.4).

Allgemein ist festzuhalten, dass die aufgrund der verkleinerten Pflichtteile erhöhte verfügbare Quote es erleichtern wird, Lösungen für die Übertragung von Unternehmen durch Erbgang zu finden, was sich positiv auf die Wirtschaft auswirken wird. 43 Das neue Recht will einen ersten Beitrag dazu leisten, dass Unternehmen nach einem Todesfall nicht zersplittert, verkauft oder geschlossen werden müssen.

Die aus der Reduktion der Pflichtteile resultierende Erhöhung der verfügbaren Quote ermöglicht zukünftig auch eine gegenüber dem geltenden Recht weiter gehende Bevorzugung faktischer Lebenspartnerinnen und Lebenspartner. Dem Bun41 42 43

Röthel, Pflichtteilsrecht, S. 121 f.

Cottier, S. 46 m. Nachw.

Bergmann/Halter/Zellweger, S. 31.

5830

BBl 2018

desrat ist jedoch bewusst, dass die Wirkung der vorgeschlagenen Änderungen ohne begleitende weiter gehende Steuerharmonisierung in den Kantonen beschränkt bleibt. Denn nach geltendem Recht werden Erbschaften an die faktische Lebenspartnerin oder den faktischen Lebenspartner von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich besteuert.

3.2.2

Aufhebung des Pflichtteils der Eltern

Nach geltendem Recht beträgt der Pflichtteil der Eltern die Hälfte ihres gesetzlichen Erbanspruchs (Art. 471 Ziff. 2 ZGB). Ihr Pflichtteil umfasst somit die Hälfte der Erbschaft, wenn sie allein erben, und einen Achtel der Erbschaft (½ × ¼), wenn sie mit der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise dem überlebenden Ehemann oder eingetragenen Partner zu teilen haben (Art. 462 Ziff. 2 ZGB). Sind hingegen Nachkommen vorhanden, steht den Eltern kein Pflichtteil zu, da sie keine Erbenstellung haben (siehe Art. 458 Abs. 1 ZGB, e contrario).

Wie oben erwähnt, hatte der Bundesrat im Vorentwurf vorgeschlagen, den Pflichtteil der Eltern abzuschaffen. Er stützte sich dabei auf die Überlegung, dass der Pflichtteil der Eltern weniger auf einem Unterstützungsbedürfnis beruht als auf dem Gedanken der Solidarität innerhalb der Familie und der Generationen. Diese Solidarität hat in den letzten Jahrzehnten signifikant abgenommen, und es erscheint deshalb angemessen, dass das Recht diese Entwicklung nachvollzieht.

Da sich auch eine grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden für die Aufhebung des Pflichtteils der Eltern ausgesprochen hat,44 hält der Bundesrat an diesem Vorschlag fest.

Eine Aufhebung des Pflichtteils der Eltern hat insbesondere zur Folge, dass es in Zukunft möglich sein wird, den betreffenden Anteil des Nachlasses der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder dem überlebenden faktischen Lebenspartner zuzuwenden. Heute fällt der gesamte Nachlass einer verstorbenen Person, die in einer faktischen Lebensgemeinschaft lebte und keine Nachkommen hat, ihren Eltern zu, sofern diese noch leben. Dabei ist die Hälfte des Nachlasses pflichtteilsgeschützt mit der Folge, dass einer faktischen Lebenspartnerin oder einem faktischen Lebenspartner auf dem Weg einer Verfügung von Todes wegen maximal die Hälfte des Nachlasses zugewendet werden kann. Weil in diesen Fällen auch keine güterrechtliche Auseinandersetzung stattfindet und somit keine güterrechtliche Partizipation an der Errungenschaft möglich ist, können hier unbefriedigende Situationen entstehen.

Dies vor allem auch deshalb, weil in vielen Fällen die faktische Lebenspartnerin oder der faktische Lebenspartner der Erblasserin oder dem Erblasser näher steht als die Eltern. Es erscheint somit angemessen, den Pflichtteil der
Eltern ersatzlos zu streichen.45 Damit folgt die Schweiz einem internationalen Trend, denn in zahlreichen ausländischen Rechtsordnungen sind die Eltern heute nicht mehr pflichtteilsbe-

44 45

Siehe Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 15 f.

Vgl. auch Breitschmid, Ziff. 33.

5831

BBl 2018

rechtigt, so etwa in den skandinavischen Ländern, aber auch in den Niederlanden und in Frankreich.46

3.2.3

Reduktion des Pflichtteils der Nachkommen

Der Pflichtteil der Nachkommen beträgt nach geltendem Recht drei Viertel des gesetzlichen Erbanspruchs (Art. 471 Ziff. 1 ZGB). Je nach Situation hat das zur Folge, dass ein beträchtlicher Anteil des Nachlasses der Verfügungsfreiheit der Erblasserin oder des Erblassers entzogen ist. Dies kann sich insbesondere dort als problematisch erweisen, wo der Pflichtteil zulasten der überlebenden Ehefrau oder des überlebenden Ehemannes oder einer faktischen Lebenspartnerin oder eines faktischen Lebenspartners geht, die oder der unter Umständen für ein Auskommen auf die Erbschaft angewiesen ist. Ein Vergleich mit anderen Rechtsordnungen macht ausserdem deutlich, dass der Pflichtteil der Nachkommen in der Schweiz sehr hoch ist (siehe Ziff. 3.2.6).

Gerade weil das Erbrecht seit Beginn des 20. Jahrhunderts, namentlich seit der Einführung des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 194647 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) und des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 48 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) seine Funktion als Versorgungsinstitut für die Nachkommen weitgehend verloren hat, hatte der Bundesrat im Vorentwurf vorgeschlagen, den Pflichtteil der Nachkommen von drei Vierteln auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erbanspruchs zu reduzieren. Auch dies entspricht der Tendenz, wie sie in vielen ausländischen Rechtsordnungen in den vergangenen Jahren festzustellen ist (siehe Ziff. 3.2.6).49 Dieser Vorschlag wurde von der grossen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst. Dies nicht nur deshalb, weil damit die Anliegen der Motion Gutzwiller 10.3524 erfüllt werden können, sondern auch, weil die Nachkommen heutzutage in den meisten Fällen zu einem Zeitpunkt erben, in dem sie ihre wirtschaftliche Existenz bereits aufgebaut haben.50 Der Bundesrat hält deshalb an diesem Vorschlag fest.

3.2.4

Beibehaltung des Pflichtteils der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen und Partner

Der Pflichtteil der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten und eingetragenen Partnerinnen und Partner beträgt heute die Hälfte ihres gesetzlichen Erbanspruchs (Art. 471 Ziff. 3 ZGB). Ihr Pflichtteilsanspruch beläuft sich demnach auf die Hälfte der Erbschaft, wenn sie allein erben, auf einen Viertel (½ × ½), wenn sie mit Nach46 47 48 49 50

Röthel, Pflichtteilsrecht, S. 125 f.

SR 831.10 SR 831.40 Röthel, Pflichtteilsrecht, S. 126 f.

Siehe Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 12 f.

5832

BBl 2018

kommen teilen müssen, und auf drei Achtel (½ × ¾), wenn sie in Konkurrenz mit den Eltern der verstorbenen Person erben (Art. 462 ZGB).

Um der Erblasserin oder dem Erblasser einen noch grösseren Handlungsspielraum zu gewähren, hatte der Bundesrat im Vorentwurf vorgeschlagen, den Pflichtteil der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten beziehungsweise eingetragenen Partnerinnen und Partner von der Hälfte auf einen Viertel des gesetzlichen Erbteils zu reduzieren.

Zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmende haben sich jedoch gegen diesen Vorschlag ausgesprochen. Eine solche Reduktion stünde namentlich im Widerspruch zum Ziel der erbrechtlichen Besserstellung der betroffenen Personen und zum Grundsatz der ehelichen Solidarität, nach dem die überlebende Ehefrau oder der überlebende Ehemann nach dem Tod des Erblassers oder der Erblasserin den bisherigen Lebensstandard aufrechterhalten können sollte. Sie könnte namentlich in jenen Ehen problematisch sein, in denen die überlebende Person (insbesondere im fortgeschrittenen Alter) wirtschaftlich schwächer dasteht als die verstorbene Person und auf die Erbschaft dringender angewiesen ist als die Nachkommen. 51 Aufgrund dieser Argumente hat sich der Bundesrat entschieden, seine Haltung in diesem Punkt anzupassen. Er schlägt im vorliegenden Entwurf vor, den Pflichtteil der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen und Partner bei der Hälfte ihres gesetzlichen Erbanspruchs zu belassen. Der Pflichtteil dieser Personen ist damit in Zukunft gleich gross wie derjenige der Nachkommen.

3.2.5

Übersicht über die Pflichtteile und verfügbaren Quoten gemäss geltendem Recht und gemäss Entwurf

Zur besseren Verständlichkeit der Auswirkung der Vorschläge des Bundesrates auf die Pflichtteile werden die Pflichtteile gemäss geltendem Recht und gemäss den Vorschlägen des Bundesrates in den folgenden zwei Tabellen zusammengefasst: Tabelle 1

Pflichtteile und verfügbare Quote gemäss geltendem Recht Die verstorbene Person hinterlässt:

Gesetzlicher Erbanteil

Pflichtteil

Verfügbare Quote

Nachkommen

ganze Erbschaft

¾

¼ (25 %)

Ehefrau/Ehemann oder eingetragene/n Partner/in

ganze Erbschaft

½

½ (50 %)

Mutter und/oder Vater

ganze Erbschaft

½

½ (50 %)

ein/mehrere Geschwister oder deren Nachkommen

ganze Erbschaft

0

ganze Erbschaft (100 %)

51

Siehe Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 14 f.

5833

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Die verstorbene Person hinterlässt:

Gesetzlicher Erbanteil

Pflichtteil

Verfügbare Quote

Nachkommen und Ehefrau/Ehemann oder eingetragene/n Partner/in

½ und ½


und 2/8

(37,5 %)

Mutter und/oder Vater und Ehefrau/Ehemann oder eingetragene/n Partner/in

¼ und ¾


und

½ (50 %)

ein/mehrere Geschwister und Ehefrau/Ehemann oder eingetragene/n Partner/in

¼ und ¾

0 und

(62,5 %)

Vater oder Mutter und ein/mehrere Geschwister

½ und ½

¼ und 0

¾ (75 %)

Vater oder Mutter und ein/mehrere Geschwister und Ehefrau/Ehemann oder eingetragene/n Partner/in


und und ¾

1/16

9/16

und 0 und

Pflichtteile und verfügbare Quote gemäss Entwurf des Bundesrates

(56,25 %)

Tabelle 2

Die verstorbene Person hinterlässt:

Gesetzlicher Erbanteil

Pflichtteil

Verfügbare Quote

Nachkommen

ganze Erbschaft

½

½ (50 %)

Ehefrau/Ehemann oder eingetragene/n Partner/in

ganze Erbschaft

½

½ (50 %)

Mutter und/oder Vater

ganze Erbschaft

0

ganze Erbschaft

ein/mehrere Geschwister oder deren Nachkommen

ganze Erbschaft

0

ganze Erbschaft

Nachkommen und Ehefrau/Ehemann oder eingetragene/n Partner/in

½ und ½

¼ und ¼

½ (50 %)

Mutter und/oder Vater und Ehefrau/Ehemann oder eingetragene/n Partner/in

¼ und ¾

0 und

(62,5 %)

ein/mehrere Geschwister und Ehefrau/Ehemann oder eingetragene/n Partner/in

¼ und ¾

0 und

(62,5 %)

Vater oder Mutter und ein/mehrere Geschwister

½ und ½

0 und 0

ganze Erbschaft

Vater oder Mutter und ein/mehrere Geschwister und Ehefrau/Ehemann oder eingetragene/n Partner/in


und und ¾

0 und 0 und

(62,5 %)

5834

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3.2.6

Vergleich des Pflichtteilsrechts mit anderen europäischen Ländern

England und Wales kennen kein Pflichtteils- oder Noterbrecht. Jedoch kann das Gericht nach Ermessen einen Anspruch auf zwingende Familienvorsorge zusprechen. Antragsberechtigt sind auch Personen, welche die Erblasserin oder der Erblasser wie Kinder behandelt hat oder deren Unterhalt sie oder er unmittelbar vor dem Tod bestritten hat.52 Der Pflichtteil der Nachkommen beträgt in Belgien und Frankreich je nach Anzahl der Kinder die Hälfte, zwei Drittel oder drei Viertel des Nachlasses.53 In Belgien ist der Pflichtteil jedoch seit dem 1. September 2018 auf die Hälfte des Nachlasses beschränkt.54 In Italien und Portugal ist der Pflichtteil abhängig von der Anzahl Kinder sowie davon, ob eine überlebende Ehegattin oder ein überlebender Ehegatte vorhanden ist; die Quote liegt zwischen einem und zwei Dritteln.55 In Deutschland, Österreich und Schweden beträgt der Pflichtteil unabhängig von der Anzahl Kinder die Hälfte des Nachlasses.56 Jedoch reduziert er sich in Deutschland und Österreich, wenn die verstorbene Person eine Ehefrau oder eingetragene (Lebens-)Partnerin beziehungsweise einen Ehemann oder eingetragenen (Lebens-)Partner hinterlässt; er beträgt dann in Deutschland noch zwischen einem Viertel und drei Achteln des Nachlasses,57 in Österreich einen Drittel des Nachlasses.58 Schottland kennt sogenannte legal rights für Nachkommen auf die Hälfte des beweglichen Nachlasses; der Anteil reduziert sich auf einen Drittel, wenn mit einer überlebenden Ehefrau oder einem überlebenden Ehemann zu teilen ist. Diese legal rights setzen sich gegenüber einer letztwilligen Verfügung durch.59 Überlebende Ehegattinnen oder Ehegatten haben in Schweden keinen Pflichtteilsanspruch, einzig die Nachkommen sind pflichtteilsberechtigt.60 Pflichtteile oder Noterbrechte der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehemannes oder eingetragenen Partners in Form einer Quote des

52 53 54 55

56 57

58 59 60

Odersky, England und Wales, Rz. 51 ff., 56.

Art. 913 Code Civil/Burgerlijk Wetboek; Art. 913 Code Civil.

Art. 913 Code Civil/Burgerlijk Wetboek, geändert durch Art. 46 des Gesetzes Nr. 2017/13015 vom 3. Juli 2017 (im Folgenden Gesetz Nr. 2017/13015).

Art. 537 i.V.m. Art. 542 des italienischen Codice Civile (siehe ebenfalls die Ausführungen bei Cubeddu Wiedemann/Wiedemann, Rz. 122 ff.); Art. 2159 und 2139 des portugiesischen Código Civil (siehe ebenfalls die Ausführungen bei Huzel/Wollmann, Rz. 91 f.).

Wie Cubeddu Wiedemann/Wiedemann, Rz. 133 beschreibt, kennt Italien zudem besondere Pflichtteilsrechte, etwa den Anspruch auf Rente des nicht anerkennungsfähigen Kindes.

Johansson, Rz. 115; § 759 i.V.m. § 732 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB); § 2303 i.V.m. § 1929 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, welcher wiederum je nach Situation zwischen der Hälfte und drei Viertel liegt: siehe Übersicht in Tersteegen/Reich, Rz. 22­26, 88; § 2303 BGB i.V.m. § 1931, § 1371 BGB und § 10 Lebenspartnerschaftsgesetz.

§ 759 i.V.m. § 732, § 744 ABGB.

Odersky, Schottland, Rz. 5, 9, 11, 25.

Johansson, Rz. 114 ff. Die Ehefrau oder der Ehemann hat jedoch Anspruch auf Vermögen aus dem Nachlass bis zum vierfachen Betrag des sozialversicherungsrechtlichen Grundbetrags sowie auf Unterhalt aus dem Nachlass während drei Monaten nach dem Tod (Johansson, Rz. 65).

5835

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Nachlasses kennen hingegen Deutschland,61 Frankreich,62 Italien,63 Österreich64 und Portugal;65 diese betragen zwischen einem Achtel und der Hälfte des Nachlasses, wobei teilweise Unterhaltsansprüche, Wohnrechte oder Rechte am gemeinsamen Hausrat hinzukommen. In Belgien hat die überlebende Ehefrau oder der überlebende Ehemann grundsätzlich ein Noterbrecht in Form eines Nutzniessungsrechts an der Hälfte des Nachlasses.66 In Schottland stehen der Ehefrau oder dem Ehemann legal rights auf die Hälfte des beweglichen Nachlasses zu; sofern mit Nachkommen der Erblasserin oder des Erblassers zu teilen ist, reduziert sich dieser Anteil auf einen Drittel.67 In Deutschland,68 Italien69 und Portugal70 schliesslich beträgt der Pflichtteil der Eltern zwischen einem Drittel und der Hälfte des Nachlasses. In Konkurrenz zu einer überlebenden Ehegattin oder einem überlebenden Ehegatten reduziert sich der Pflichtteil auf ein bis drei Achtel.71 Kein Pflichtteilsrecht haben Eltern in Frankreich,72 Schottland,73 Österreich74 Schweden75 sowie seit dem 1. September 2018 in Belgien.76 In Frankreich und Österreich wurden die Pflichtteile der Eltern 2007 und

61

62 63

64

65 66 67 68 69 70 71

72 73 74 75 76

§ 2303 i.V.m. § 1931, § 1371 BGB und § 10 Lebenspartnerschaftsgesetz. Die Quote beträgt für Ehegattinnen und Ehegatten sowie eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner je nach Güterstand zwischen einem und drei Achtel.

Art. 914 Abs. 1 Code Civil. Die Quote beträgt einen Viertel.

Art. 542 Codice Civile. Die Quote beträgt zwischen einem Viertel und der Hälfte. Ergänzt wird das Pflichtteilsrecht durch nicht entziehbare Wohn- und Nutzungsrechte zugunsten der überlebenden Ehefrau oder des überlebenden Ehemannes (Pérès, S. 47; Cubeddu Wiedemann/Wiedemann, Rz. 122, 127, 129) sowie Renten für getrennt lebende oder geschiedene Ehegattinnen oder -gatten über den Tod des Erblassers oder der Erblasserin hinaus (Cubeddu Wiedemann/Wiedemann, Rz. 131 f.). Gleichgeschlechtliche Partnerinnen und Partner können keinen Pflichtteil geltend machen, da ihnen weder die Ehe noch eine erbrechtlich gleichgestellte eingetragene Partnerschaft offen steht (Braun, S. 87).

§ 759 i.V.m. § 744 ABGB. Die Quote beträgt einen Sechstel bis die Hälfte des Nachlasses, je nachdem, ob Nachkommen oder Eltern der Erblasserin oder des Erblassers vorhanden sind.

Art. 2158 f. i.V.m. Art. 2139, Art. 2161 Código Civil. Die Quote beträgt zwischen einem Sechstel und zwei Drittel (vgl. auch Huzel/Wollmann, Rz. 92).

Art. 915bis Code Civil/Burgerlijk Wetboek; geändert durch Art. 49 des Gesetzes Nr. 2017/13015.

Odersky, Schottland, Rz. 5, 9, 11, 25.

§ 2303 Abs. 2 i.V.m. § 1925 BGB. Der Pflichtteil steht nur Eltern zu und beträgt die Hälfte des Nachlasses.

Art. 538 Codice Civile. Die Quote beträgt die Hälfte des Nachlasses.

Art. 2161 Abs. 2 Código Civil Die Quote beträgt für Eltern die Hälfte, für Vorfahren ab dem 2. Grad einen Drittel.

Die Quote der Eltern beträgt in Konkurrenz zum überlebenden Ehegatten in Deutschland je nach Güterstand des Erblassers zwischen einem Achtel und einem Viertel, (Tersteegen/Reich, Rz. 11, 22, 88; § 1931, § 1371 BGB), in Italien einen Viertel (Art. 544 Codice Civile; Cubeddu Wiedemann/Wiedemann, Rz. 126) und in Portugal zwei Neuntel (Art. 2161 Código Civil; Huzel/Wollmann, Rz. 46, 93).

Döbereiner, Rz. 108 f.

Odersky, Schottland, Rz. 25.

§ 730 ABGB; vgl. auch Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (ErbRÄG 2015), Bundesgesetzblatt I, 87/2015.

Johansson, Rz. 115.

Art. 48 Loi Nr. 2017/13015.

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2017 abgeschafft.77 Eltern in Frankreich haben seither lediglich noch ein Rückfallsrecht, um von Erbinnen und Erben Geschenke zurückzuverlangen.78 In Belgien haben bedürftige Eltern seit 2018 einen Unterhaltsanspruch zulasten des Nachlasses.79

3.3

Verlust des Pflichtteils während eines Scheidungsoder Auflösungsverfahrens

3.3.1

Vorbemerkung

Der Pflichtteil der überlebenden Ehefrau oder des überlebenden Ehemannes beziehungsweise der überlebenden eingetragenen Partnerin oder des überlebenden eingetragenen Partners findet seine Grundlage im Willen des Paares, eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft zu bilden, der sich in der Eheschliessung oder der Begründung der eingetragenen Partnerschaft manifestiert. 80 In der Regel besteht dieser Wille nicht mehr, wenn die Ehefrau oder der Ehemann beziehungsweise eine eingetragene Partnerin oder ein eingetragener Partner vor Gericht klagt, um die Gemeinschaft zu beenden. Damit die Erblasserin oder der Erblasser in einem solchen Fall wieder freier über das eigene Vermögen verfügen kann, schlägt der Entwurf vor, die Pflichtteilsregelung zu ändern, wenn ein Scheidungsverfahren oder ein Verfahren zur Auflösung der eingetragenen Partnerschaft eingeleitet worden ist.

3.3.2

Pflichtteilsrecht während eines Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens nach geltendem Recht

Nach geltendem Recht entfallen der Pflichtteilsanspruch und das gesetzliche Erbrecht zwischen den Eheleuten erst, wenn sie geschieden sind (Art. 120 Abs. 2 ZGB), das heisst, wenn das Scheidungsurteil formell rechtskräftig ist. 81 Die gleiche Regelung gilt für eingetragene Partnerinnen oder Partner (Art. 31 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 200482, PartG).

77

78 79 80

81 82

Für Frankreich Döbereiner, Rz. 108; für Österreich Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (ErbRÄG 2015), Bundesgesetzblatt I, 87/2015 sowie Erläuterungen des Bundesministeriums für Justiz (Nr. 688 d. B. XXV. Gesetzgebungsperiode), abrufbar unter www.parlament.gv.at > Parlament aktiv > Regierungsvorlagen und Gesetzesinitiativen > Nationalrat ­ XXV GP > Regierungsvorlagen (Gesetze) > 688 d. B.

Döbereiner, Rz.109.

Art. 205bis Code Civil/Burgerlijk Wetboek, geändert durch Art. 2 des Gesetzes Nr. 2017/13015.

Gemäss Deschenaux/Steinauer/Baddeley, Rz. 35, ist der rechtliche Grundgedanke hinter der Ehe der einer besonderen Beziehung, die grundsätzlich bis zum Tod der Ehefrau oder des Ehemannes anhalten soll und nur unter bestimmten gesetzlichen und gerichtlich überprüften Bedingungen früher aufgelöst werden kann.

CR CC I-Piotet, Art. 120 N 12; Werro, Rz. 353; BSK ZGB II-Staehelin, Art. 462 N 2 m.w.Nachw.

SR 211.231

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Diese Regelung gilt seit dem Inkrafttreten des ZGB (früher in Art. 154 Abs. 3)83 und war damals im Hinblick auf die Vorsorge angemessen 84, vor allem mit Blick auf die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft. Seither haben sich die Umstände jedoch geändert: Die überlebende Ehefrau oder der überlebende Ehemann ist im Falle des Todes der Erblasserin oder des Erblassers während eines Scheidungsverfahrens unabhängig von ihrer oder seiner Erbenstellung nach wie vor an der güterrechtlichen Aufteilung des Vermögens der Erblasserin oder des Erblassers beteiligt, 85 ausser die Ehegatten lebten unter dem Güterstand der Gütertrennung. Diese Aufteilung erfolgt im Rahmen der Auflösung des Güterstands, die nach dem Tod automatisch vorgenommen wird (Art. 204 Abs. 1 ZGB). Im Bereich der Vorsorge erhält die überlebende Person, sofern sie die massgebenden Voraussetzungen erfüllt, zudem Hinterlassenenleistungen der AHV (Art. 23 ff. AHVG) sowie aus der zweiten Säule (Art. 18 ff. BVG).

Stirbt die Ehefrau, der Ehemann, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner während eines Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens, so behält die überlebende Person nach geltendem Recht nicht nur das gesetzliche Erbrecht, sondern auch das Pflichtteilsrecht. Tatsächlich kann nach geltendem Recht nicht vom Grundsatz abgewichen werden, wonach einer Erbin oder einem Erben der Pflichtteil ausschliesslich im aussergewöhnlichen Fall einer Enterbung entzogen werden kann (Art. 477 ZGB).86 In extremen Fällen könnte beispielsweise jemand versucht sein, das Scheidungsverfahren gegen seine erkrankte Ehefrau oder seinen erkrankten eingetragenen Partner absichtlich zu verzögern, weil er deren beziehungsweise dessen Tod abwarten will, um zu erben.87 Bei der Aufteilung des Vermögens im Rahmen der Auflösung des Güterstands gilt dagegen Folgendes: Bei Scheidung, Trennung, Ungültigerklärung der Ehe oder gerichtlicher Anordnung der Gütertrennung wird die Auflösung des Güterstands auf den Tag zurückbezogen, an dem das Begehren eingereicht wurde (Art. 204 Abs. 2 ZGB). Seit dem 1. Januar 2017 gilt dasselbe für die Aufteilung der beruflichen Vorsorge bei einer Scheidung: Das revidierte Recht sieht vor, dass diejenigen Ansprüche im Bereich der beruflichen Vorsorge zu teilen sind, die während der Ehe bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens erworben
wurden (Art. 122 ZGB), und nicht mehr bis zur formellen Rechtskraft des Scheidungsurteils, wie dies früher der Fall war.

Dies ist darin begründet, dass die Einleitung des Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens den Willen zum Ausdruck bringt, die durch die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft begründete Schicksalsgemeinschaft endgültig zu beenden. Es erscheint deshalb unwahrscheinlich, dass die Eheleute oder eingetragenen Partnerinnen oder Partner während eines Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens wünschen, dass im Falle des Todes einer der beiden Personen die überlebende Person in gleicher Weise begünstigt wird wie vor der Einleitung des Verfahrens.

83 84 85 86 87

AS 24 245 Piotet, Rapport, S. 65.

CS-Roussianos/Auberson, Art. 462 N 5.

BSK ZGB II-Staehelin, Art. 462 N 2; BK-Weimar, Art. 462 N 8.

Piotet, Rapport, S. 75.

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Um diese Situation zu korrigieren, hatte der Bundesrat im Vorentwurf folgenden Vorschlag unterbreitet: Der Pflichtteilsanspruch der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehemannes oder eingetragenen Partners sollte entfallen, wenn die Erblasserin oder der Erblasser während eines Verfahrens verstirbt, das auf gemeinsames Begehren eingeleitet wurde (d. h. in den Fällen, in denen beide im Grundsatz der Scheidung beziehungsweise der Auflösung der Partnerschaft zustimmen), oder während eines Verfahrens, das ausserordentlich lange (mehr als zwei Jahre) gedauert hat. 88 Ohne abweichende Anordnung sollten zudem die Verfügungen von Todes wegen und die Anordnungen im Ehevertrag oder in der Vereinbarung über die eingetragene Partnerschaft zugunsten der überlebenden Person bei einem Scheidungs- oder Auflösungsverfahren, das den Verlust des Pflichtteilsanspruchs zur Folge hat, hinfällig werden. Der Vorschlag wurde in der Vernehmlassung mehrheitlich unterstützt, seine Formulierung wurde jedoch als zu kompliziert empfunden.89

3.3.3

Pflichtteilsrecht während eines Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens gemäss Entwurf

Obwohl der Fall selten eintreten dürfte, dass die Ehefrau oder der Ehemann während eines Scheidungsverfahrens beziehungsweise eine eingetragene Partnerin oder ein eingetragener Partner während eines Auflösungsverfahrens stirbt, erachtet es der Bundesrat nach wie vor als angemessen, dass in einem solchen Fall unter bestimmten Voraussetzungen der Pflichtteil der überlebenden Person entfällt. So kann die Erblasserin oder der Erblasser in einem grösseren Umfang über das eigene Vermögen verfügen. Durch diese Änderung kann das Erbrecht wertungsmässig zudem an die bereits bestehenden Regelungen im Güterrecht und beim Vorsorgeausgleich angeglichen werden.

Der Entwurf hält deshalb in einer etwas vereinfachten Formulierung am Vorschlag des Vorentwurfs fest: Stirbt eine der beiden Personen während eines Scheidungsverfahrens, so kann die überlebende Person ihren Pflichtteil nicht geltend machen, wenn zum Todeszeitpunkt eine der beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt ist: (1) Beide Eheleute stimmten der Scheidung im Grundsatz zu (das Verfahren wurde auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder eine Scheidung auf Klage wird in eine Scheidung auf gemeinsames Begehren umgewandelt); oder (2) die Eheleute haben bereits während mindestens zwei Jahren getrennt gelebt (Art. 472 Abs. 1 E-ZGB).

Die gleichen Grundsätze gelten sinngemäss beim Tod einer Partnerin oder eines Partners während eines Verfahrens zur Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft (Art. 472 Abs. 2 E-ZGB).

Die überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise der überlebende Ehemann oder eingetragene Partner behält jedoch bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft der Scheidung oder der Auflösung der eingetragenen Partnerschaft das gesetzliche Erbrecht (Art. 120 Abs. 2 E-ZGB und Art. 31 Abs. 1 E-PartG). Das 88 89

Vorschlag auf der Basis der Lösung von Piotet, Rapport, S. 92­93 und 99, sowie Fankhauser, Ehekrise, S. 268 ff.

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 33.

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bedeutet, dass die betreffende Person bei einem solchen Todesfall vor Eintritt der formellen Rechtskraft des Scheidungs- oder Auflösungsurteils ihren Anspruch auf ihren Erbanteil (Art. 462 ZGB) behält, soweit ihr dieser nicht testamentarisch entzogen wird. Mit diesem Kompromiss kann sowohl dem Vorsorgebedarf der überlebenden Person Rechnung getragen werden als auch gegebenenfalls dem Wunsch der Erblasserin oder des Erblassers, diese von ihrem beziehungsweise seinem Nachlass auszuschliessen.

In Anbetracht der Zielsetzung der Änderung betreffend den Pflichtteilsanspruch ist diese Regelung ebenfalls auf die Begünstigungen aus Verfügungen von Todes wegen, aus einem Ehevertrag oder aus einem Vermögensvertrag anzuwenden. Unter Vorbehalt einer abweichenden Anordnung sind solche Begünstigungen hinfällig, wenn im Todeszeitpunkt ein Scheidungs- oder Auflösungsverfahren hängig ist, das nach Artikel 472 E-ZGB zum Verlust des Pflichtteilsanspruchs führt. Die Artikel 120, 217 und 241 ZGB werden entsprechend angepasst.

3.4

Erhöhung der verfügbaren Quote bei Nutzniessung zugunsten der überlebenden Ehegattin oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partners

3.4.1

Vorbemerkung

Die Möglichkeit, die überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise den überlebenden Ehemann oder eingetragenen Partner besserzustellen, ist ein zentrales Thema in der Diskussion über die Revision des Erbrechts. Der Gesetzgeber steht seit jeher im Dilemma, den Nachlass zwischen der überlebenden Ehefrau oder dem überlebenden Ehemann und den Kindern des Erblassers oder der Erblasserin angemessenen aufzuteilen. Heikle Konstellationen ergeben sich insbesondere, falls es sich nicht um gemeinsame Kinder der verstorbenen und der überlebenden Person handelt (siehe Ziff. 3.10).

Sowohl in der Schweiz als auch im europäischen Ausland geht die Tendenz heute in Richtung einer Besserstellung der überlebenden Ehefrau oder des überlebenden Ehemannes beziehungsweise der überlebenden eingetragenen Partnerin oder des überlebenden eingetragenen Partners.90 Ein gutes Beispiel dafür ist das revidierte Eherecht, das seit dem 1. Januar 1988 in Kraft ist. Diese Entwicklung ist Ausdruck allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklungen: So ist die Bedeutung der Familie als solidarischer Verbund der Generationen zurückgegangen, und das Interesse, Vermögen im Familienstamm zu halten, hat sich relativiert. Auch aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs der vergangenen Jahrzehnte ist die Weitergabe von Familien-

90

Vgl. nur Röthel, Erbrecht, S. 50 f. m.w.Nachw.; der Entwurf des Zivilgesetzbuches von Eugen Huber kannte noch kein gesetzliches Erbrecht der überlebenden Ehefrau oder des überlebenden Ehemannes; dieses wurde erst von den eidgenössischen Räten ins ZGB eingefügt.

5840

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vermögen an die Nachkommen heute ­ ausser bei Familienunternehmen ­ nicht mehr von gleicher Bedeutung wie früher.

Innerhalb des Familienverbundes steht heute vor allem die Paarbeziehung im Zentrum. Dies widerspiegelt sich auch in Artikel 462 ZGB, der die überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise den überlebenden Ehemann oder eingetragenen Partner zur wichtigsten gesetzlichen Erbin, zum wichtigsten gesetzlichen Erben erhebt.91 Immer mehr Stimmen fordern gar die wirtschaftliche Alleinnachfolge der Ehefrau oder des Ehemannes beziehungsweise der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners.92 Der Bundesrat erachtet jedoch eine derart radikale Lösung nicht als sinnvoll und schlägt im Entwurf lediglich eine Verkleinerung der Pflichtteile der Nachkommen vor. Den Pflichtteil der Ehegattinnen oder Ehegatten beziehungsweise der eingetragenen Partnerinnen oder Partner belässt er auf dem Niveau des geltenden Rechts (siehe Ziff. 3.2.4), zumindest solange der Wille zur Bildung einer Schicksalsgemeinschaft besteht (siehe Ziff. 3.3).

Der Bundesrat ist aber der Ansicht, dass die Möglichkeit, die überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise den überlebenden Ehemann oder eingetragenen Partner besserzustellen, erweitert werden kann, indem die Regelung der Nutzniessung an die neugefassten Pflichtteile angepasst wird.

3.4.2

Verfügbare Quote bei Nutzniessung nach geltendem Recht

Nach geltendem Recht kann der überlebenden Ehefrau oder dem überlebenden Ehemann die Nutzniessung am ganzen den gemeinsamen Kindern zufallenden Teil der Erbschaft zugewendet werden (Art. 473 Abs. 1 ZGB). Diese Nutzniessung tritt an die Stelle des der Ehefrau oder dem Ehemann neben diesen Nachkommen zustehenden gesetzlichen Erbrechts. Letztere erben somit das nackte Eigentum an ihrem mit der Nutzniessung belasteten Erbanteil. Neben dieser Nutzniessung beträgt die verfügbare Quote (d. h. der Anteil, der die gesetzlichen Pflichtteile übersteigt und über den die Erblasserin oder der Erblasser frei verfügen kann) einen Viertel des Nachlasses (Art. 473 Abs. 2 ZGB).

Diese Bestimmung soll in erster Linie dazu beitragen, dass die überlebende Ehefrau oder der überlebende Ehemann den bisherigen Lebensstandard beibehalten kann.

Gleichzeitig soll sie verhindern, dass der Nachlass zwischen der überlebenden Person und den gemeinsamen Nachkommen aufgeteilt werden muss. 93 In vielen Fällen lässt sich damit insbesondere vermeiden, dass die Familienwohnung verkauft werden muss, damit die Erbteilung vorgenommen werden kann. Von der Möglichkeit, die diese Bestimmung bietet, wird in der Praxis häufig Gebrauch gemacht. Mit dieser Regelung kann beispielsweise eine Erblasserin ihren überlebenden Ehemann begünstigen und gleichzeitig dafür sorgen, dass bei dessen Ableben ihr gesamter 91 92

93

Wolf, S. 306; BK-Weimar, Einleitung zum 13. Titel, N 9.

Röthel, Erbrecht, S. 50 f. m. Nachw. sowie Röthel, Pflichtteilsrecht, S. 126 f.; in der Lehre ist allerdings auch Kritik laut geworden, weil die Revision zu einer «Überdotierung des Ehegatten» geführt habe, vgl. BK-Weimar, Einleitung zum 13. Titel, N 16.

Steinauer, Successions, Rz. 415 und m.w.Nachw.

5841

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Nachlass an ihre gemeinsamen Nachkommen geht. Im Gegenzug müssen es diese hinnehmen, dass ihr Pflichtteil bis zum betreffenden Zeitpunkt entsprechend beschränkt wird.94 Seit dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches wurde Artikel 473 ZGB allerdings bereits drei Mal revidiert (1976, 1984 und 2001). Seine Nützlichkeit wurde nicht in Frage gestellt, wohingegen seine Formulierung offenbar nach wie vor nicht befriedigt.95 Der Entscheid des Gesetzgebers, die verfügbare Quote auf einen Viertel des Nachlasses festzusetzen, ist das Ergebnis eines Kompromisses, der gewissermassen in letzter Minute geschlossen wurde.96 Dieser Kompromiss wird jedoch von der Lehre heftig kritisiert. Überdies ist sich die Lehre hinsichtlich der Höhe der Quote, die der Erblasserin oder dem Erblasser neben der Nutzniessung nach Artikel 473 ZGB noch zur Verfügung steht, weiterhin uneinig (, 2/8 oder ). Wird die Bestimmung grammatikalisch, historisch, systematisch und teleologisch ausgelegt, so ergeben sich weitere kleine Ungereimtheiten.97 Im Vorentwurf hatte der Bundesrat vorgeschlagen, die von der Lehre festgestellten ungenauen Übersetzungen und Ungereimtheiten zu beseitigen, den gegenwärtigen Meinungsstreit zu beenden und an der verfügbaren Quote von einem Viertel festzuhalten, um die Nachkommen (deren Pflichtteil verkleinert wird, siehe Ziff. 3.2.3) nicht weiter zu übergehen und den Artikel nicht erneut zu ändern. Dieser Entscheid wurde von verschiedener Seite kritisiert, da die mit der Revision des Erbrechts verfolgte Erhöhung der Verfügungsfreiheit konsequenterweise ebenfalls bei einer Nutzniessung nach Artikel 473 ZGB nachvollzogen werden sollte.98

3.4.3

Verfügbare Quote bei Nutzniessung gemäss Entwurf

Aufgrund der erwähnten Überlegungen schlägt der Bundesrat nunmehr vor, Artikel 473 ZGB im Einklang mit dem Zweck der vorliegenden Revision anzupassen und damit die mit der Auslegung dieser Bestimmung verbundenen Unsicherheiten zu beseitigen.

Bei dieser Gelegenheit wird der Gesetzestext ausserdem im Hinblick auf die Tatsache angepasst, dass eingetragene Partnerinnen oder Partner seit dem 1. Januar 2018 das Kind ihrer Partnerin beziehungsweise ihres Partners adoptieren können (Art. 264c Abs. 1 Ziff. 2 ZGB) und damit auch eingetragene Partnerinnen oder Partner gemeinsame Nachkommen haben können. Das hat zur Folge, dass die Nutzniessung auch der überlebenden eingetragenen Partnerin oder dem überlebenden eingetragenen Partner zugewendet werden kann, wenn gemeinsame Nachkommen vorhanden sind.

Neben der Nutzniessung am Teil der Erbschaft, der den gemeinsamen Nachkommen zufällt, beträgt die verfügbare Quote die Hälfte des Nachlasses (Art. 473 Abs. 2 94 95 96 97 98

BSK ZGB II-Staehelin, Art. 473 N 2.

Carlin, S. 1.

BSK ZGB II-Staehelin, Art. 473 N 6­11.

Carlin, S. 295 ff.

Siehe Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 31.

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zweiter Satz E-ZGB). Diese verfügbare Quote entspricht der ordentlichen Quote, wenn die überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise der überlebende Ehemann oder eingetragene Partner mit gemeinsamen Nachkommen teilen muss (Art. 471 E-ZGB i. V. m. Art. 462 ZGB). Abweichend vom geltenden Recht99 verfügt die Erblasserin oder der Erblasser folglich unabhängig davon, ob sie oder er von der Möglichkeit nach Artikel 473 ZGB Gebrauch macht oder nicht, über dieselbe Testierfreiheit. So kann die überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise der überlebende Ehemann oder eingetragene Partner entsprechend einem in der Praxis weit verbreiteten Wunsch in einem weiteren Umfang begünstigt werden, indem ihr oder ihm die Hälfte des Nachlasses zu vollem Eigentum und die andere Hälfte zur Nutzniessung zugewendet wird.

Dabei ist klarzustellen, dass Artikel 473 ZGB den Pflichtteil der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehemannes oder eingetragenen Partners nicht berührt. Anstelle der Nutzniessung nach Artikel 473 ZGB kann die betreffende Person demnach weiterhin ihren Pflichtteil zu vollem Eigentum verlangen. Wenn sie hingegen die Nutzniessung akzeptiert, verzichtet sie auf ihren Pflichtteil.100 Schliesslich wird im Gesetzestext weiterhin ausdrücklich die Höhe der verfügbaren Quote festgehalten. Dies bietet den Vorteil, dass der sogenannte Achtelstreit nicht wieder ausbricht.101 Mit einer verfügbaren Quote von einer Hälfte werden zwei Positionen der Lehre aufgenommen, die vor der Revision vom 5. Oktober 2001 vertreten wurden: die Lehrmeinung für eine verfügbare Quote, die dem Wert des Nachlasses nach Abzug des Pflichtteils der Nachkommen entspricht, und die Lehrmeinung für eine verfügbare Quote, die der ordentlichen verfügbaren Quote entspricht.102

3.4.4

Berechnungsbeispiele

Die nachfolgenden Beispiele sollen die Funktionsweise von Artikel 473 E-ZGB aufzeigen. Entsprechend der Ansicht der Mehrheit der Lehre werden bei Vorhandensein gemeinsamer und nichtgemeinsamer Kinder zwei verschiedene Erbmassen im Verhältnis zur Anzahl der Kinder gebildet: Eine ist zwischen der überlebenden Ehefrau oder dem überlebenden Ehemann und den gemeinsamen Nachkommen zu teilen, die andere zwischen der überlebenden Ehefrau oder dem überlebenden Ehemann und den nichtgemeinsamen Kindern der verstorbenen Person. 103 Das von einer Minderheit in der Lehre104 vorgeschlagene Vorgehen wird mit der vorliegenden Revision somit obsolet, was die Rechtssicherheit erhöht.

99 100 101 102 103 104

BSK ZGB II-Staehelin, Art. 473 N 11.

Steinauer, Successions, Rz. 440 und m.w.Nachw.

Sutter-Somm/Ammann, Rz. 68 ff.; BSK ZGB II-Staehelin, Art. 473 N 6.

Vgl. für die verschiedenen Lehrmeinungen Carlin, S. 310 ff.

CR CC II-Steinauer, Art. 473 N 6; Sutter-Somm/Ammann, Rz. 74 m.w.Nachw.

Sutter-Somm/Ammann, Rz. 75 m. w.Nachw.

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Beispiel 1: X stirbt und hinterlässt seine Ehefrau Y, 65 Jahre alt, und die beiden gemeinsamen Kinder A und B. Sein Nachlass beläuft sich auf 600 000 Franken. In seinem Testament begünstigt X seine Frau Y maximal, indem er ihr die verfügbare Quote zu vollem Eigentum und den Rest zur Nutzniessung zuwendet.

Da ausschliesslich gemeinsame Kinder vorhanden sind, kann der Wille von X buchstabengetreu umgesetzt werden. Folglich unterliegt die gesamte Erbschaft, also 600 000 Franken, der Regelung von Artikel 473 E-ZGB. Sie wird wie folgt aufgeteilt: Die verfügbare Quote in Höhe von 300 000 Franken wird Y zu vollem Eigentum zugewiesen. Die restlichen 300 000 Franken werden Y zur Nutzniessung übertragen, A und B erhalten das nackte Eigentum daran (je 150 000 Franken).

Beispiel 2: Gleiche Ausgangslage wie in Beispiel 1, X hinterlässt neben A und B jedoch noch ein Kind D aus einer früheren Beziehung.

Da gemeinsame (A und B) und nichtgemeinsame Kinder (D) vorhanden sind, kann der Wille von X nicht buchstabengetreu umgesetzt werden. Die Erbschaft muss proportional zur Anzahl Erbinnen und Erben jeder Erbengruppe in zwei Erbmassen aufgeteilt werden, das heisst in diesem Fall im Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel.

­

Die zwei Drittel in Höhe von 400 000 Franken für die gemeinsamen Kinder unterliegen Artikel 473 E-ZGB. Sie werden wie folgt aufgeteilt: Die verfügbare Quote in Höhe von 200 000 Franken wird Y zu vollem Eigentum zugewiesen. Die restlichen 200 000 Franken werden Y zur Nutzniessung übertragen, A und B erhalten das nackte Eigentum daran (je 100 000 Franken).

­

Das restliche Drittel in Höhe von 200 000 Franken unterliegt nicht Artikel 473 E-ZGB und muss unter Y und D aufgeteilt werden. Gestützt auf das Testament erhält Y in einem ersten Schritt 100 000 Franken (verfügbare Quote) zu vollem Eigentum. In Anwendung der Artikel 484 und 530 ZGB, die allgemein zur Anwendung gelangen, wenn eine Erbschaft mit Nutzniessungsansprüchen beschwert ist, darf der kapitalisierte Wert der Nutzniessung auf den restlichen 100 000 Franken nicht höher sein als 50 000 Franken, was dem Wert des Pflichtteils von Y105 (¼ × 200 000) entspricht. Die Nutzniessung muss somit auf einen kapitalisierten Wert von 50 000 Franken reduziert werden. Der höchstmögliche Betrag für die Nutzniessung beläuft sich folglich auf 87 750 Franken (50 000 Franken × 100 / 3,5 × 16,28106).107 D erhält somit 12 250 Franken zu vollem Eigentum und 87 750 Franken zu nacktem Eigentum.

105

Sobald die verfügbare Quote erreicht ist, kann Y nicht mehr als ihren Pflichtteil bekommen. Andernfalls würde der Pflichtteil von D verletzt.

106 Steinauer, Successions, Rz. 420; Stauffer/Schaetzle/Schaetzle/Weber, S. 175­178: Frau von 65 Jahren, Basiszins von 3,5 % (üblicherweise verwendeter Zinssatz, der aber je nach Vermögensertrag variieren kann).

107 Erklärung der Berechnung: Kapitalisierter Wert einer Nutzniessung = Höhe des Nutzniessungskapitals × Basiszins × Kapitalisierungssatz (aufgrund Alter und Geschlecht der begünstigten Person) / 100 (siehe Carlin, S. 104). Für die Berechnung des Werts des Nutzniessung gilt folgende Berechnung: kapitalisierter Wert der Nutzniessung × 100 / Basiszins × Kapitalisierungssatz.

5844

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Am Schluss erhält Y insgesamt 300 000 Franken zu vollem Eigentum und einen Nutzniessungsanspruch über 287 750 Franken. A und B erhalten das nackte Eigentum an je 100 000 Franken. D erhält 12 250 Franken zu vollem Eigentum und 87 750 Franken zu nacktem Eigentum; weil nacktes Eigentum im Betrag von 87 750 Franken einem Wert von 37 750 Franken entspricht (87 750 ­ 50 000 Franken: Betrag des nackten Eigentums ­ kapitalisierter Wert der das Eigentum beschwerenden Nutzniessung = Wert des nackten Eigentums), erhält D 50 000 Franken, also genau den Pflichtteil von ¼ von 200 000 Franken).

3.5

Klarstellung bei der überhälftigen Vorschlagszuweisung durch Ehe- oder Vermögensvertrag

3.5.1

Vorbemerkung

Die Frage der Ansprüche der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehemannes oder eingetragenen Partners stellt sich nicht nur in Bezug auf den Erbanspruch. Vielmehr hängt nach dem Tod einer verheirateten Person die finanzielle Situation der überlebenden Ehefrau oder des überlebenden Ehemannes in vielen Fällen massgeblich davon ab, was ihr oder ihm aufgrund des Güterrechts zufällt. Nach dem Tod einer verheirateten Person erfolgt in einem ersten Schritt die güterrechtliche Auseinandersetzung (Art. 204 Abs. 1 ZGB), in einem zweiten Schritt wird der Nachlass geteilt. Unter dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung (Art. 196 ff. ZGB) fällt die Hälfte des Wertes der Errungenschaft der verstorbenen Person, der sogenannte Vorschlag, im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung an die überlebende Ehefrau beziehungsweise an den überlebenden Ehemann (Art. 215 Abs. 1 ZGB). Die andere Hälfte fällt zusammen mit dem Wert des Eigenguts der verstorbenen Person in deren Nachlass.

Durch Ehevertrag können die Eheleute von dieser Regel abweichen und eine andere Beteiligung am Vorschlag vereinbaren (Art. 216 ZGB). Sie haben damit die Möglichkeit, im Todesfall den ganzen Vorschlag der überlebenden Person zuzuweisen, sodass nur der Wert des Eigenguts in den Nachlass fällt. Auch gemäss Partnerschaftsgesetz können die beiden Partnerinnen oder Partner in einem Vermögensvertrag eine besondere Regelung vereinbaren (Art. 25 PartG).

Wird in einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft der ganze Vorschlag der verstorbenen Person an die überlebende Person zugewiesen, so kann diese in den Genuss des Vermögens kommen, zu dessen Bildung sie während Jahren beigetragen hat. Zudem wird damit die finanzielle Sicherheit der überlebenden Person im Alter gewährleistet. Häufig ist die Ehegattin oder die eingetragene Partnerin beziehungsweise der Ehegatte oder der eingetragene Partner stärker auf die Erbschaft angewiesen als die Nachkommen. Bei diesen besteht zum Zeitpunkt des Erbgangs in vielen Fällen kein finanzieller Bedarf, weil sie sich in einer Lebensphase befinden, in der sie sich bereits im Erwerbsleben etabliert haben und auf ein geregeltes Einkommen zugreifen können. Auch die Notariatspraxis zeigt deutlich, dass die Abweichung von der gesetzlichen Regelung zum Zweck der Begünstigung der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehemannes oder 5845

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eingetragenen Partners einer der Hauptgründe für den Abschluss von Ehe- und Erbverträgen beziehungsweise Vermögensverträgen bildet.108 Diese Anliegen stossen allerdings vor allem dort an ihre Grenzen, wo die Zuwendung von Vermögen an die überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen und Partner zulasten nichtgemeinsamer Kinder erfolgt; hier bestehen keinerlei Aussichten, dass diesen Kindern die betreffenden Vermögenswerte beim Tod der neuen Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des neuen Ehemannes oder eingetragenen Partners nachträglich wieder zufallen. Aus diesem Grund räumt das geltende Recht nur die Möglichkeit ein, mit der Vorschlagszuweisung die Pflichtteilsansprüche der gemeinsamen Kinder und der Eltern zu beeinträchtigen, nicht jedoch die Pflichtteilsansprüche der nichtgemeinsamen Kinder und von deren Nachkommen (Art. 216 Abs. 2 ZGB). Bei einer eingetragenen Partnerschaft darf eine solche Vorschlagszuweisung die Pflichtteile der Nachkommen einer Partnerin oder eines Partners nicht verletzen (Art. 25 Abs. 2 PartG).

Unter dem Güterstand der Gütergemeinschaft (Art. 221 ff. ZGB) fällt das Gesamtgut der überlebenden Ehefrau oder dem überlebenden Ehemann und den Erbinnen und Erben je zur Hälfte zu. Die Eheleute können indessen auch hier mit einem Ehevertrag eine andere Teilung vereinbaren (Art. 241 Abs. 2 ZGB). Sie haben so die Möglichkeit, im Todesfall das ganze Gesamtgut der überlebenden Ehefrau oder dem überlebenden Ehemann zuzuweisen, sodass nur der Wert des Eigenguts in den Nachlass fällt. Im Gegensatz zum Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung dürfen die Pflichtteilsansprüche der Nachkommen dabei aber nicht beeinträchtigt werden.

In diesem Fall sind die Pflichtteilsansprüche aller (gemeinsamen und nichtgemeinsamen) Nachkommen geschützt. Dies ist durch den Umstand gerechtfertigt, dass Vermögenswerte, die unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung Teil des Eigenguts wären (und damit in den Nachlass fallen würden), unter dem Güterstand der Gütergemeinschaft zum Gesamtgut gehören können.109

3.5.2

Behandlung der überhälftigen Vorschlagszuweisung nach geltendem Recht

Die den Eheleuten zur Verfügung stehende Möglichkeit, der Ehegattin beziehungsweise dem Ehegatten in Form eines Ehevertrags (und nicht in Form eines Erbvertrags, auch wenn der Ehevertrag diesbezüglich erst im Todesfall wirksam wird) den ganzen Vorschlag zuzuweisen, gilt als lex specialis im Verhältnis zu den ordentlichen Regeln des Erbrechts.110 Die Frage, ob die überhälftige Vorschlagszuteilung durch Ehevertrag als Zuwendung unter Lebenden oder als Zuwendung von Todes wegen zu qualifizieren ist, ist in der Lehre jedoch umstritten.111 In einem Urteil vom 15. Februar 2011 legte das Bundesgericht ­ das sich bis zum Inkrafttreten der Revision des Eherechts am 1. Januar 1988 für eine Qualifikation als Verfügung von Todes wegen ausgespro108 109 110 111

Wolf, S. 305.

Deschenaux/Steinauer/Baddeley, Rz. 1583.

Steinauer, Successions, Rz. 496.

Eitel, Ehegüterrechtliche Rechtsgeschäfte, S. 9­19.

5846

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chen hatte ­ die verschiedenen Standpunkte im Detail dar.112 Im konkreten Fall liess es die rechtliche Qualifikation der Verträge, die eine von der gesetzlichen Aufteilung des Vorschlags abweichende Vorschlagszuteilung vorsehen, jedoch offen.113 Seither hat es sich nicht mehr zum Thema geäussert. Die Beantwortung der Frage hat aber erhebliche Auswirkungen auf die Berechnung der Pflichtteile und auf die Reihenfolge der Herabsetzungen, da die Zuwendungen unter Lebenden nach den Verfügungen von Todes wegen herabgesetzt werden (Art. 532 ZGB). Diese unsichere Ausgangslage beeinträchtigt somit die Rechtssicherheit und soll deshalb im Rahmen der vorliegenden Revision geklärt werden.

Im Vorentwurf hatte der Bundesrat vorgeschlagen, die überhälftige Vorschlagszuteilung durch Ehe- oder Vermögensvertrag als Verfügung von Todes wegen zu qualifizieren. Er hatte entsprechend angeregt, Artikel 494 ZGB im Abschnitt «Die Verfügungsarten» um einen Absatz 4 zu erweitern, in dem festgehalten werden sollte, dass die Vorschlagszuteilung wie ein Erbvertrag zu behandeln ist. In der Vernehmlassung sind die Reaktionen auf diesen Vorschlag sehr unterschiedlich ausgefallen. 114 Die Klarstellung bezüglich der Berechnung der Pflichtteilsansprüche der Nachkommen bei einer Vorschlagszuteilung zugunsten der überlebenden Ehefrau oder des überlebenden Ehemannes wurde begrüsst. Das Ansinnen, die Zuteilung als eine Verfügung von Todes wegen einzustufen, stiess hingegen auf heftige Kritik. So wurde namentlich moniert, dass diese Qualifikation der überhälftigen Vorschlagszuteilung nicht mit dem Ziel der Revision vereinbar sei, die Verfügungsfreiheit der Erblasserin oder des Erblassers zu vergrössern. Denn dadurch werde diese im Bereich der Vorschlagszuteilung wieder eingeschränkt. Zudem schwäche sie die Stellung der überlebenden Ehefrau oder des überlebenden Ehemannes gegenüber den gemeinsamen Kindern deutlich. Die Praxis zeige, dass die überhälftige Vorschlagszuteilung für Paare mit geringen Einkommen und sehr wenig oder keinem Eigengut sehr wichtig sei, damit die überlebende Person, bei der es sich statistisch gesehen öfter um die Frau handle, ihren Lebensstandard beibehalten könne. Durch die überhälftige Vorschlagszuteilung könne auch vermieden werden, dass die überlebende Person die Familienwohnung verkaufen müsse, um für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen zu können, damit sie nicht sozialhilfebedürftig werde.

3.5.3

Behandlung der überhälftigen Vorschlagszuweisung gemäss Entwurf

Der Bundesrat kann diese Argumente nachvollziehen. Wie bereits im Fall des Pflichtteils der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen und Partner (siehe Ziff. 3.2.4) kommt er auf seinen Entscheid zurück und passt den im Vorentwurf formulierten Vorschlag an. Die Vereinbarung einer überhälftigen Vorschlagszuweisung zugunsten der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehemannes oder eingetragenen Partners soll als Zuwendung unter Lebenden qualifiziert werden. Dies erlaubt es, 112 113 114

BGE 137 III 113 E. 4.2.2 und 4.2.3.

BGE 137 III 113 E. 3.

Siehe Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 28­30.

5847

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eine weitere in der Praxis bestehende Unsicherheit zu beseitigen: Weil es sich um eine Zuwendung unter Lebenden handelt (und nicht um eine Verfügung von Todes wegen), müssen diese Verträge nicht wie letztwillige Verfügungen des Erblassers eröffnet werden.

Um die gemeinsamen Nachkommen, deren Pflichtteil durch den vorliegenden Entwurf verkleinert wird, nicht allzu stark zu benachteiligen, schlägt der Bundesrat aber vor, die überhälftige Vorschlagszuweisung bei der Berechnung der Pflichtteile zu berücksichtigen, indem sie in die Pflichtteilsberechnungsmasse einbezogen wird, soweit sie die überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise den überlebenden Ehemann oder eingetragenen Partner begünstigt, das heisst in der Höhe des Betrags, der die Hälfte des Vorschlags der verstorbenen Person übersteigt (Art. 216 Abs. 2 E-ZGB). Dies hat zur Folge, dass die Vorschlagszuteilung gegebenenfalls herabgesetzt werden kann. Der Entwurf sieht dies ausdrücklich vor (Art. 532 Abs. 2 E-ZGB).

Mit dieser Lösung wird die Pflichtteilsberechnungsmasse grösser ausfallen und werden die Pflichtteile aller pflichtteilsberechtigten Erbinnen und Erben (gemeinsame Nachkommen, nichtgemeinsame Nachkommen, überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise überlebender Ehemann oder eingetragener Partner) auf dieselbe Weise berechnet.115 Die Herabsetzung der Ehe- oder Vermögensverträge kann jedoch ausschliesslich von den nichtgemeinsamen Kindern und deren Nachkommen verlangt werden, wie dies bereits im geltenden Recht der Fall ist.

Mit dem Entwurf wird der Schutz der gemeinsamen Kinder und ihrer Nachkommen dennoch verbessert: Bei einer Wiederverheiratung oder der Begründung einer neuen eingetragenen Partnerschaft des überlebenden Elternteils können sie ihren Pflichtteil geltend machen, den sie beim Tod des anderen Elternteils nicht hatten geltend machen können (Art. 216 Abs. 4 E-ZGB). Ein solcher Schutz des Pflichtteils der gemeinsamen Kinder und ihrer Nachkommen besteht bereits im Fall einer Wiederverheiratung bei einem Nutzniessungsvermächtnis nach Artikel 473 Absatz 3 ZGB.

3.5.4

Berechnungsbeispiele

Folgende Beispiele sollen zum besseren Verständnis der im Entwurf formulierten Vorschläge beitragen: Beispiel 3: X und Y, verheiratet, haben ein gemeinsames Kind A. Beim Tod von X besteht sein Vermögen aus 700 000 Franken Errungenschaft (welche er gestützt auf Art. 216 Abs. 1 ZGB in vollem Umfang Y zugewiesen hat) und 100 000 Franken Eigengut. X hat einem Dritten T drei Jahre vor seinem Tod 500 000 Franken (aus seinem Eigengut) geschenkt.

Die Masse zur Berechnung der Pflichtteile der Erbinnen und Erben von X beläuft sich somit auf 950 000 Franken: das Eigengut von 100 000 Franken, dazu die Hälfte 115

Gegenwärtig werden die Pflichtteile auf der Grundlage von zwei unterschiedlichen Berechnungsmassen berechnet, siehe Eitel, Ehegüterrechtliche Rechtsgeschäfte, S. 18.

5848

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der Errungenschaft in Höhe von 350 000 Franken und die Zuwendung von 500 000 Franken (die in Anwendung von Art. 527 Ziff. 3 ZGB herabgesetzt werden kann).

Auf dieser Grundlage beträgt der Pflichtteil von Y (½ × ½ = ¼) 237 500 Franken und derjenige von A ebenfalls 237 500 Franken (Art. 471 E-ZGB). Die verfügbare Quote beläuft sich auf 475 000 Franken (950 000 ­ 237 500 ­ 237 500 Franken).

Da Y durch Ehevertrag die gesamte Errungenschaft zugewiesen worden ist, steht lediglich der Wert des Eigenguts von X, also 100 000 Franken, zur Verfügung, um den Pflichtteil von A zu decken. Ihm fehlen somit 137 500 Franken, damit sein Pflichtteil gewahrt ist. Als gemeinsames Kind kann es gegenüber Y nicht die Herabsetzung verlangen. Es muss folglich die Schenkung an T angreifen. Da die Schenkung an T die verfügbare Quote nur um 25 000 Franken übersteigt (475 000 ­ 500 000 Franken), kann es von T nur diesen Betrag einfordern. A erhält schliesslich insgesamt 125 000 Franken (100 000 Franken Eigengut von X und 25 000 Franken von T aufgrund der Herabsetzung der Schenkung). Der durch Artikel 216 Absatz 3 E-ZGB gewährte Schutz der überlebenden Ehefrau oder des überlebenden Ehemannes gegenüber den gemeinsamen Kindern schützt Y vor einer Klage durch A.

Unter dem Strich erhält Y 350 000 Franken und A 125 000 Franken; T kann 475 000 Franken behalten.

Beispiel 3a: Gleiche Ausgangslage wie in Beispiel 3, ausser dass das Kind D nicht ein gemeinsames Kind von X und Y ist. Es ist ausschliesslich das Kind von X.

Da Y durch Ehevertrag die gesamte Errungenschaft zugewiesen worden ist, steht lediglich der Wert des Eigenguts von X, das heisst 100 000 Franken, zur Verfügung, um den Pflichtteil von D zu decken. Ihm fehlen somit 137 500 Franken, damit sein Pflichtteil gewahrt ist. Als nichtgemeinsames Kind kann es gegenüber Y und T die Herabsetzung verlangen. Da die Zuwendungen aus Ehevertrag vor den weiteren Zuwendungen herabgesetzt werden müssen (Art. 532 Abs. 2 E-ZGB), muss D zuerst gegenüber Y die Herabsetzung verlangen, denn die überhälftige Vorschlagszuweisung durch Ehevertrag ist nach dem neuen Recht als späteste Zuwendung unter Lebenden zu betrachten (siehe Ziff. 3.7.3). Durch die Herabsetzung der überhälftigen Vorschlagszuweisung kann D von Y so 112 500 Franken erhalten (350 000 Franken überhälftige Vorschlagszuweisung ­
Pflichtteil von Y in Höhe von 237 500) und 25 000 Franken von T durch die Herabsetzung der diesem zuteilgewordenen Schenkung.

Unter dem Strich erhält Y 237 500 Franken und D 237 500 Franken; T kann 475 000 Franken behalten.

Beispiel 4: X und Y, verheiratet, haben ein gemeinsames Kind A. Beim Tod von X setzt sich dessen Vermögen zusammen aus 700 000 Franken Errungenschaft (welche er gestützt auf Artikel 216 Absatz 1 ZGB in vollem Umfang an Y zugewiesen hat) und 100 000 Franken Eigengut. X hat einem Dritten T drei Jahre vor seinem Tod 2 550 000 Franken (aus seinem Eigengut) geschenkt.

Die Masse zur Berechnung der Pflichtteile der Erbinnen und Erben beläuft sich somit auf 3 000 000 Franken: die Hälfte der Errungenschaft in Höhe von 350 000 Franken, das Eigengut von 100 000 Franken und eine Zuwendung von 2 550 000 Franken, die in Anwendung von Artikel 527 Ziffer 3 ZGB herabgesetzt werden kann. Auf dieser Grundlage beträgt der Pflichtteil von Y (½ × ½ = ¼) 750 000 5849

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Franken und derjenige von A ebenfalls 750 000 Franken. Die verfügbare Quote beläuft sich auf 1 500 000 Franken (3 000 000 ­ 750 000 ­ 750 000 Franken).

Obwohl Y durch Ehevertrag die gesamte Errungenschaft in Höhe von 350 000 Franken zugewiesen worden ist, ist ihr Pflichtteil nicht gedeckt. Sie erhält darüber hinaus folglich die Hälfte des Werts des Eigenguts von X, das heisst 50 000 Franken (100 000 Franken / 2), die andere Hälfte steht A zu. Y erhält somit 400 000 Franken; ihr fehlen 350 000 Franken, damit ihr Pflichtteil gedeckt ist. A seinerseits erhält 50 000 Franken; ihm fehlen 700 000 Franken, damit sein Pflichtteil gedeckt ist. Y und A können folglich in Höhe dieser Beträge (350 000 + 700 000 Franken) gegenüber T die Herabsetzung verlangen, um ihre Pflichtteile wiederherzustellen.

Unter dem Strich erhält Y 750 000 Franken und A 750 000 Franken; T kann 1 500 000 Franken behalten.

Beispiel 4a: Gleiche Ausgangslage wie in Beispiel 4, doch D ist ausschliesslich das Kind von X (nichtgemeinsames Kind).

Das Ergebnis ist dasselbe wie in Beispiel 4. Es spielt keine Rolle, ob es sich um ein gemeinsames oder nichtgemeinsames Kind handelt, da Y ihren Pflichtteil nicht erhalten hat und die Herabsetzung folglich nur gegenüber dem Dritten erfolgen kann (gegenüber dem Dritten hat das nichtgemeinsame Kind dieselben Rechte wie ein gemeinsames Kind).

Beispiel 5: X und Y, verheiratet, haben ein gemeinsames Kind A. Beim Tod von X setzt sich sein Vermögen aus 700 000 Franken Errungenschaft (welche er gestützt auf Art. 216 Abs. 1 ZGB in vollem Umfang an Y zugewiesen hat) und 100 000 Franken Eigengut zusammen. X hat einem Dritten drei Jahre vor seinem Tod 400 000 Franken (aus seinem Eigengut) geschenkt.

Die Masse zur Berechnung der Pflichtteile der Erbinnen und Erben von X beläuft sich auf 850 000 Franken (die Hälfte der Errungenschaft in Höhe von 350 000 Franken, das Eigengut von 100 000 Franken und eine Zuwendung von 400 000 Franken, die in Anwendung von Art. 527 Ziff. 3 ZGB herabgesetzt werden kann).

Auf dieser Grundlage beträgt der Pflichtteil von Y (½ × ½ = ¼) 212 500 Franken und derjenige von A ebenfalls 212 500 Franken. Die verfügbare Quote beläuft sich auf 425 000 Franken (850 000 ­ 212 500 ­ 212 500 Franken).

Da Y durch Ehevertrag die gesamte Errungenschaft zugewiesen worden ist, steht nur der Wert
des Eigenguts von X, das heisst 100 000 Franken, zur Verfügung, um den Pflichtteil von A zu decken. Ihm fehlen somit 112 500 Franken, damit sein Pflichtteil gewahrt ist. Als gemeinsames Kind kann es gegenüber Y nicht die Herabsetzung verlangen. Ausserdem kann es auch die Schenkung an T nicht angreifen, da diese die verfügbare Quote des Nachlasses von X nicht übersteigt (Art. 522 Abs. 1 EZGB). Es muss sich folglich mit den 100 000 Franken zufriedengeben und kann seinen Pflichtteil nicht wiederherstellen, solange Y nicht wieder heiratet (Art. 216 Abs. 4 E-ZGB).

Unter dem Strich erhält Y 350 000 Franken und A 100 000 Franken; T kann 400 000 Franken behalten.

5850

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Beispiel 5a: Gleiche Ausgangslage wie in Beispiel 5, doch D ist ausschliesslich das Kind von X (nichtgemeinsames Kind).

Da Y durch Ehevertrag die gesamte Errungenschaft zugewiesen worden ist, steht nur der Wert des Eigenguts von X, das heisst 100 000 Franken, zur Verfügung, um den Pflichtteil von D zu decken. Ihm fehlen somit 112 500 Franken, damit sein Pflichtteil gewahrt ist. Als nichtgemeinsames Kind kann es gegenüber Y die Herabsetzung verlangen. Gegenüber T kann es aus zwei Gründen nicht die Herabsetzung verlangen: Einerseits müssen die Zuwendungen aus Ehe- oder Vermögensvertrag vor den weiteren Zuwendungen herabgesetzt werden (Art. 532 Abs. 2 E-ZGB), und andererseits übersteigt die Schenkung an T die verfügbare Quote des Nachlasses von X nicht (Art. 522 Abs. 1 ZGB). Durch die Herabsetzung der überhälftigen Vorschlagszuweisung kann es somit von Y 112 500 Franken erhalten.

Unter dem Strich erhält Y 237 500 Franken und D 212 500 Franken; T kann demgegenüber 400 000 Franken behalten.

3.6

Klarstellung der erbrechtlichen Behandlung der gebundenen Selbstvorsorge

3.6.1

Vorbemerkung

Das schweizerische Vorsorgesystem basiert auf den drei Säulen nach Artikel 111 Absatz 1 der Bundesverfassung116 (BV): der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (erste Säule), der beruflichen Vorsorge (zweite Säule) und der Selbstvorsorge (dritte Säule). Der Zweck des Systems besteht darin, den älteren Menschen, den Hinterbliebenen und den Menschen mit einer Behinderung beim Eintreten eines Versicherungsfalles (Alter, Tod oder Invalidität) die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise zu erlauben.117 Nach Artikel 111 Absatz 4 BV fördert der Bund in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Selbstvorsorge namentlich durch Massnahmen der Steuer- und Eigentumspolitik. Die gesetzliche Grundlage für diese «gebundene Selbstvorsorge», das heisst die Säule 3a, bildet Artikel 82 BVG. Gemäss diesem Artikel können namentlich Arbeitnehmende und Selbstständigerwerbende von steuerlichen Vorteilen profitieren, wenn sie Beiträge an weitere, der beruflichen Vorsorge dienende anerkannte Vorsorgeformen leisten. Die Beiträge müssen jedoch ­ ergänzend zu den Leistungen der ersten und der zweiten Säule ­ ausschliesslich und unwiderruflich der Vorsorge der gegen die Risiken Alter, Tod und Invalidität versicherten Person und ihrer Hinterbliebenen dienen.

Artikel 82 BVG ist seit dem Inkrafttreten des BVG am 1. Januar 1985 nie geändert worden. Nach Absatz 2 legt der Bundesrat in Zusammenarbeit mit den Kantonen die anerkannten Vorsorgeformen fest. In Erfüllung dieses gesetzlichen Auftrags hat er in der Verordnung vom 13. November 1985118 über die steuerliche Abzugsberechti116 117 118

SR 101 Art. 113 Abs. 2 Bst. a BV; Jungo, Säule 3a, S. 99.

SR 831.461.3

5851

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gung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV 3) zwei Vorsorgeformen verankert: die gebundene Vorsorge bei Versicherungseinrichtungen und die gebundene Vorsorge bei Bankstiftungen (Art. 1 Abs. 1 BVV 3). Somit sind ausschliesslich Bankstiftungen und Versicherungseinrichtungen als Anbieter von Dienstleistungen der gebundenen Selbstvorsorge zugelassen. Dadurch ist das Vorsorgekapital bezüglich Regulierung, Aufsicht und Anlagevorschriften angemessen geschützt.

Diese Ausgestaltung der Selbstvorsorge hat sich seit der Einführung im Jahr 1987 bewährt. Dasselbe gilt für die eigenständige Begünstigtenordnung in der Säule 3a: Der Kreis der Personen, die begünstigt werden können, ist gemäss dem Zweck, die Leistungen der ersten und der zweiten Säule zu ergänzen, sehr ähnlich definiert wie jener in der zweiten Säule.

3.6.2

Erbrechtliche Behandlung der Guthaben der gebundenen Selbstvorsorge nach geltendem Recht

Mit Blick auf das dargestellte Sozialversicherungssystem begründet der Tod einer Person für ihre Rechtsnachfolgerinnen und -nachfolger ­ insbesondere für ihre gesetzlichen Erbinnen und Erben ­gegenüber Dritten Ansprüche, die nicht in den Nachlass fallen. Die Begünstigten erwerben diese Ansprüche aus eigenem Recht.

Darunter fallen insbesondere die Ansprüche nach Massgabe des AHVG (Witwenund Witwerrente sowie Waisenrente) sowie des BVG (Witwen- und Witwerrente, Waisenrente, und je nach Reglement der Vorsorgeeinrichtung Leistungen zugunsten der Personen, die von der verstorbenen Person in erheblichem Masse unterstützt worden sind oder mit dieser in den letzten fünf Jahren ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft gebildet haben [Art. 20a BVG]).119 Diese Ansprüche gehören nicht zur Erbmasse und unterliegen somit auch nicht der Herabsetzung. Denn wenn eine verstorbene Person Leistungen finanziert hat, die der begünstigten Person im Rahmen der obligatorischen Sozialversicherungen direkt zustehen und die zum Zweck der Sicherstellung der Hinterlassenenvorsorge eingeführt wurden, ist davon auszugehen, dass sich die verstorbene Person lediglich an der Finanzierung eines Systems der obligatorischen Vorsorge beteiligt hat. Es handelt sich somit seitens der verstorbenen Person nicht um eine aus eigener Initiative ergriffene Handlung, um eine Rechtsnachfolgerin oder einen Rechtsnachfolger mit einer Zuwendung im Sinne des Erbrechts zu begünstigen, welche die Rechtsnachfolgerin oder der Rechtsnachfolger in Form eines eigenen Rechts geltend machen kann.120 Die Frage hingegen, ob Ansprüche aus der gebundenen Selbstvorsorge, der Säule 3a, in den Nachlass fallen, ist im geltenden Recht umstritten.121

119 120 121

Steinauer, Successions, Rz. 129; Jungo, Säule 3a, S. 98.

Steinauer, Successions, Rz. 132.

Steinauer, Successions, Rz. 132 und Fn. 9; PraxKomm Erbrecht-Künzle, Einleitung N 117­126, 118.

5852

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Gestützt auf den eigentlichen Vorsorgezweck der Säule 3a sprechen zahlreiche Argumente dafür, dass Guthaben aus der Säule 3a aus der Erbmasse ausgenommen werden:122 ­

Die gesetzlichen und verfassungsmässigen Grundlagen (Art. 82 BVG bzw.

Art. 111 BV) der Säule 3a sind sozialversicherungsrechtlicher und nicht zivilrechtlicher Natur.

­

Würden die Guthaben in der Säule 3a in den Nachlass fallen, wären sie den Gläubigern der Erblasserin oder des Erblassers und des Nachlasses ausgeliefert. Dies ist unvereinbar mit dem Vorsorgezweck (Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung der Hinterbliebenen, insbesondere der Ehegattin, des Ehegatten und der minderjährigen Kinder).

­

Könnten diese Guthaben anderen Zwecken als der Vorsorge dienen, so würde die Rechtfertigung für ihre Steuerbefreiung entfallen.

­

Bei Personen, die keine zweite Säule haben (insbesondere Selbstständigerwerbende), kann die Säule 3a unter Umständen deren einzige berufliche Vorsorge sein.

­

Der Gesetzgeber hat ausdrücklich vorgesehen, dass die Versicherungsgerichte für Streitigkeiten mit den Vorsorgeeinrichtungen der Säule 3a zuständig sind (Art. 73 BVG), das heisst die für Fragen der beruflichen Vorsorge im Bereich der zweiten Säule zuständigen Gerichte und nicht die für erbrechtliche Fragen zuständigen Zivilgerichte.

Gestützt auf den freiwilligen Charakter des Vermögensaufbaus in der Säule 3a im Sinne eines steuerlich begünstigten Sparens sprechen andere Argumente dafür, dass Guthaben der Säule 3a Teil des Nachlasses bilden:123

122 123

­

Die Guthaben der Säule 3a können manchmal beträchtliche Beträge umfassen, die unter Umständen den Hauptteil des Vermögens der Erblasserin oder des Erblassers ausmachen oder sogar ihr oder sein gesamtes Vermögen darstellen. Wenn sie nicht in den Nachlass fallen, könnte somit die Pflichtteilsregelung umgangen werden.

­

Im Gegensatz zur zweiten Säule ist der Aufbau eines Vorsorgeguthabens in der dritten Säule vollständig freiwillig. Das Rechtsverhältnis zwischen der Vorsorgenehmerin oder dem Vorsorgenehmer und der Versicherungseinrichtung oder Bankstiftung ist privatrechtlicher Natur, einschliesslich der Bezeichnung der Begünstigten innerhalb der Grenzen gemäss Artikel 2 Absätze 2 und 3 BVV 3.

­

Während in der zweiten Säule die angesparten Guthaben an die Vorsorgestiftung und damit an die anderen Versicherten gehen, wenn keine Begünstigten vorhanden sind, ist dies bei der dritten Säule nicht der Fall. Diese folgt der Logik der individuellen und nicht zur kollektiven Vorsorge.

BK-Weimar, Art. 476 N 50 f.

Siehe dazu namentlich Aebi-Müller, Rz. 9­15.

5853

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­

Im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung werden die Guthaben der gebundenen Vorsorge (soweit es sich um ein Bankguthaben oder um den Rückkaufswert einer Versicherung handelt) in der Regel gemäss den ordentlichen Wertersatzregeln der Errungenschaft oder dem Eigengut zugerechnet (Grundsatz der güterrechtlichen Surrogation)124 und nicht in Anwendung von Artikel 122 ZGB aufgeteilt (nach dieser Bestimmung hat jede Ehefrau oder jeder Ehemann im Fall der Scheidung Anspruch auf die Hälfte der bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens zu ermittelnden Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge des Ehemannes bzw. der Ehefrau). Obwohl die Guthaben der gebundenen Vorsorge auch zur Vorsorge bestimmt sind, werden sie somit wie gewöhnliche Sparguthaben behandelt und die Versicherungen der gebundenen Vorsorge wie gewöhnliche Privatversicherungen; bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung wird mit anderen Worten kein Unterschied zwischen der Säule 3a und der Säule 3b gemacht.125

Im Zivilrecht wird unterschieden zwischen der gebundenen Vorsorge bei Versicherungseinrichtungen und der gebundenen Vorsorge bei Bankstiftungen. Ein Teil der Lehre ist daher der Auffassung, dass die Ansprüche aus der Säule 3a bei einer Bank beim Tod der Vorsorgenehmerin oder des Vorsorgenehmers in die Erbmasse fallen und dass den Begünstigten nach Artikel 2 BVV 3 kein eigenes Recht gegenüber Vorsorgestiftungen bei Banken zusteht.126 Anders verhält es sich mit den Ansprüchen aus der Säule 3a aufgrund der gebundenen Vorsorge bei Versicherungseinrichtungen, da die Begünstigten in diesem Fall gegenüber dem Versicherer ein eigenes Recht geltend machen können (Art. 78 des Bundesgesetzes vom 2. April 1908127 über den Versicherungsvertrag; VVG), womit der entsprechende Anspruch nicht Bestandteil des Nachlasses ist.128 Tatsächlich werden allerdings seit Jahren Ansprüche sowohl aus der gebundenen Vorsorge bei Versicherungen als auch aus der gebundenen Vorsorge bei Bankstiftungen direkt an die nach Artikel 2 BVV 3 begünstigten Personen ausgerichtet.129 Das Bundesgericht hat das Verhältnis zwischen Erbrecht und gebundener Selbstvorsorge in einem Urteil vom 28. Januar 2014 thematisiert.130 Die Erwägungen der Zweiten sozialrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts wurden aber von der Lehre heftig kritisiert.131 Der Entscheid sei letztendlich eine weitere Ursache für die bestehende Rechtsunsicherheit, die der Gesetzgeber beseitigen müsse. 132 Die bestehende Rechtsunsicherheit auf diesem Gebiet birgt daher im Erbfall erhebliche Risiken für die verschiedenen Akteure. Wenn beispielsweise eine Bankstiftung 124 125 126 127 128 129 130

BGE 137 III 337 E. 2.1.1.

Deschenaux/Steinauer/Baddeley, Rz. 1101.

Jungo, Säule 3a, S. 110 und Fn. 71.

SR 221.229.1 Jungo, Säule 3a, S. 108 und Fn. 65.

Jungo, Säule 3a, S. 114.

Urteil 9C_523/2013 vom 28. Januar 2014, E. 4.1 (Erwägung nicht publiziert in BGE 140 V 57).

131 Aebi-Müller, Rz. 18­38.

132 Jungo, Säule 3a, S. 94 f.

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für die Säule 3a der faktischen Lebenspartnerin133 des verstorbenen (unverheirateten) Vorsorgenehmers gemäss den Vorschriften der BVV 3 und dem ausdrücklichen Willen des Vorsorgenehmers134 dessen gesamtes aufgelaufenes Guthaben überweist, ohne vorgängig die Zustimmung der Erbinnen und Erben eingeholt zu haben, besteht für sie die Gefahr, dass ein Nachkomme die erfolgte Überweisung bestreitet und verlangt, dass das Guthaben (ein zweites Mal) ihm oder dem Nachlass überwiesen wird. Die Beseitigung dieser Unsicherheit erscheint umso dringender, als die Zahl der Bankkonten und Versicherungspolicen der Säule 3a in den letzten Jahren markant zugenommen hat, von 1 094 854 im Jahr 1995 über 2 332 654 im Jahr 2005 auf 3 833 541 im Jahr 2016.135 Vor diesem Hintergrund hatte der Bundesrat im Vorentwurf eine klare Trennung zwischen beruflicher Vorsorge (zweite Säule und Säule 3a) und Erbrecht vorgeschlagen. So würde in Bezug auf die Guthaben der Säule 3a eindeutig dem Vorsorgerecht Vorrang eingeräumt. Die Vernehmlassungsteilnehmenden begrüssten allgemein die Absicht, die Frage zu klären, die Meinungen zur gewählten Lösung gingen jedoch auseinander.136

3.6.3

Erbrechtliche Behandlung der Guthaben der gebundenen Selbstvorsorge gemäss Entwurf

Angesichts der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens schlägt der Bundesrat einen Kompromiss vor, der sowohl die Ansicht eines Teils der Lehre als auch den Vorrang des Vorsorgerechts betreffend die Guthaben der gebundenen Selbstvorsorge berücksichtigt. Folglich betrifft die vorliegende Revision zum Teil auch das Vorsorgerecht.

Die Guthaben der Säule 3a gehören damit bei beiden anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge nach wie vor nicht zur Erbmasse. Zur Wahrung der Rechte der Hinterbliebenen an diesen Guthaben soll dieser Punkt im Gesetz ausdrücklich geregelt werden. Deshalb wird im Entwurf vorgeschlagen, das Recht der Begünstigten auf den Anspruch aus der Säule 3a in Artikel 82 Absatz 4 E-BVG zu verankern.

Dies hat zur Folge, dass die Vorsorgeeinrichtungen ihre Leistungen direkt an die begünstigen Personen auszahlen können, ohne vorgängig die Erbinnen und Erben konsultieren zu müssen und ohne sich dem Risiko auszusetzen, dass eine Erbin oder ein Erbe die Zahlung anficht. Da die Vorsorgeguthaben der Säule 3a nicht zum Nachlass gehören, sind sie nicht zu berücksichtigen, wenn die Erbschaft als Folge einer Ausschlagung aller Erben durch das Konkursamt liquidiert wird (Art. 573 ZGB).

Auf Grundlage der im Entwurf vorgeschlagenen Änderung der Artikel 476 und 529 E-ZGB (vgl. Ziff. 4.1) werden die Ansprüche aus der Säule 3a aber der Pflichtteils133

Nach Art. 2 Abs. 1 Bst. b Ziff. 2 BVV 3 die Person, die mit der verstorbenen Person in den letzten fünf Jahren bis zu deren Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt hat.

134 In Anwendung der Art. 2 Abs. 1 Bst. b Ziff. 2 und 2 Abs. 2 BVV 3.

135 Vgl. BSV, Sozialversicherungsstatistik 2017, S. 127.

136 Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 36­41.

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berechnungsmasse hinzugerechnet (bei Versicherungslösungen der Säule 3a nur zum Rückkaufswert) und können folglich unabhängig von der gewählten Form der gebundenen Selbstvorsorge herabgesetzt werden. Das bedeutet, dass die pflichtteilsberechtigten Erbinnen und Erben, die nicht ihren Pflichtteil erhalten, gegenüber den Begünstigten der Säule 3a die Herabsetzung verlangen können, bis der Pflichtteil hergestellt ist.

Die vom Bundesrat beantragte Lösung entspricht damit dem Zweck der Säule 3a.

Dieser besteht nach Artikel 82 BVG in erster Linie darin, zur Vorsorge der Begünstigten beizutragen für den Fall, dass die Vorsorgenehmerin oder der Vorsorgenehmer stirbt. Ausserdem wird die Erblasserin oder der Erblasser dadurch daran gehindert, die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten mittels Säule 3a zu umgehen.

Die vorliegende Revision bietet ferner die Gelegenheit, den Wortlaut von Artikel 82 BVG zu optimieren und die darin enthaltene Kompetenzdelegation zu präzisieren.

Diese ist sehr allgemein formuliert und entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Die beiden anerkannten Vorsorgeformen werden deshalb in Absatz 1 ausdrücklich genannt und so auf Gesetzesstufe eingeführt. So kann auch in den Artikeln 476 und 529 E-ZGB darauf Bezug genommen werden. Der Bundesrat behält im Übrigen die Kompetenz, die Einzelheiten der anerkannten Vorsorgeformen zu regeln und die Reihenfolge der Begünstigten zu bestimmen (Art. 82 Abs. 3 E-BVG).

Schliesslich ist festzuhalten, dass die vorliegende Revision des Erbrechts keine Auswirkungen auf die zweite Säule hat. Die Leistungen der obligatorischen und überobligatorischen beruflichen Vorsorge fallen nicht in den Nachlass; sie unterliegen nicht der Herabsetzung und sind auch von einer Ausschlagung nicht betroffen.137 Deshalb verzichtet der Bundesrat darauf, die Ansprüche aus der zweiten Säule im Entwurf in den Artikeln zur Säule 3a und zur Lebensversicherung (Art.

476 und 529 E-ZGB) zu erwähnen, womit im Ergebnis die geltende Rechtslage bestätigt wird.

3.6.4

Berechnungsbeispiele

Die folgenden Beispiele veranschaulichen das Zusammenspiel zwischen dem eigenen Anspruch der Begünstigten gegenüber den Einrichtungen der Säule 3a und einem allfälligen Recht der Erbinnen und Erben, deren Pflichtteil verletzt wurde, auf Herabsetzung.

Beispiel 6: X und Y, verheiratet, haben ein Kind A. Beim Tod von X beläuft sich ihr Nachlass auf 20 000 Franken. X verfügte ausserdem über eine aus Eigengut geäufnete Säule 3a in Höhe von 100 000 Franken, in der Y als einzige begünstigte Person vorgesehen war.

Die Pflichtteilsberechnungsmasse der Erben von X beträgt 120 000 Franken (20 000 + 100 000 Franken, die in Anwendung von Art. 476 E-ZGB hinzuzurechnen sind).

Auf dieser Grundlage beläuft sich der Pflichtteil von Y (½ × ½ = ¼) auf 30 000 Franken und jener von A ebenfalls auf 30 000 Franken.

137

BGE 129 III 305

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Die verfügbare Quote beträgt 60 000 Franken (120 000 ­ 30 000 ­ 30 000 Franken).

Da Y einen eigenen Anspruch gegenüber der Einrichtung der gebundenen Selbstvorsorge hat, die ihm im vorliegenden Fall bereits die 100 000 Franken überwiesen hat, stehen zur Deckung des Pflichtteils von A nur die 20 000 Franken Bankguthaben zur Verfügung. Demnach fehlen A 10 000 Franken, damit sein Pflichtteil gewahrt ist. Es kann von Y in Höhe dieses Betrags die Herabsetzung verlangen. Gegenüber der Vorsorgeeinrichtung besteht dagegen kein Anspruch mehr.

Unter dem Strich erhält Y 90 000 und A 30 000 Franken.

Beispiel 6a: Gleiche Ausgangslage wie im vorherigen Beispiel, aber X und Y leben seit mehr als fünf Jahren zusammen, ohne verheiratet zu sein, und X hat Y als einzigen Begünstigten ihrer Säule 3a bezeichnet.

In diesem Fall ist Y nicht pflichtteilsberechtigt und der Pflichtteil von A beträgt 60 000 Franken (½ × 120 000 Franken).

Da Y ein eigenes Recht auf den Anspruch gegenüber der Einrichtung der gebundenen Selbstvorsorge hat, die ihm im vorliegenden Fall bereits die 100 000 Franken überwiesen hat, stehen zur Deckung des Pflichtteils von A nur die 20 000 Franken Bankguthaben zur Verfügung. Demnach fehlen A 40 000 Franken, damit sein Pflichtteil gewahrt ist. Es kann von Y in Höhe dieses Betrags die Herabsetzung verlangen. Gegenüber der Vorsorgeeinrichtung besteht dagegen kein Anspruch mehr.

Unter dem Strich erhält Y 60 000 und A 60 000 Franken.

Beispiel 7: X, ledig, hat zwei Kinder C und D. Beim Tod von X beläuft sich ihr Nachlass auf 20 000 Franken. X verfügte ausserdem über eine aus Eigengut geäufnete Säule 3a in Höhe von 100 000 Franken, in der sie C als einzigen Begünstigten bezeichnet hat.

Die Pflichtteilsberechnungsmasse der Erben von X beträgt 120 000 Franken (20 000 + 100 000 Franken, die in Anwendung von Art. 476 E-ZGB hinzuzurechnen sind). Auf dieser Grundlage beläuft sich der Pflichtteil von C und D (½ × ½ = ¼) auf je 30 000 Franken.

Die verfügbare Quote beträgt 60 000 Franken (120 000 ­ 30 000 ­ 30 000 Franken).

Da C einen eigenen Anspruch gegenüber der Einrichtung der gebundenen Selbstvorsorge hat, die ihm im vorliegenden Fall bereits 100 000 Franken überwiesen hat, stehen zur Deckung des Pflichtteils von D nur die 20 000 Franken Bankguthaben zur Verfügung. Demnach fehlen D 10 000 Franken,
damit sein Pflichtteil gewahrt ist. Es kann von C in Höhe dieses Betrags die Herabsetzung verlangen. Gegenüber der Vorsorgeeinrichtung besteht dagegen kein Anspruch mehr.

Unter dem Strich erhält C 90 000 Franken und D 30 000 Franken.

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3.7

Klarstellungen bei der Herabsetzung

3.7.1

Vorbemerkung

Der vorliegende Entwurf führt zu einer Anpassung der verfügbaren Quote (siehe Ziff. 3.2­3.4) und klärt die Grundlage für die Berechnung der Pflichtteile (siehe Ziff. 3.5 und 3.6). Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, auch verschiedene heute umstrittene Fragen bei der Herabsetzung zu bereinigen. Mit der Herabsetzungsklage können Erbinnen und Erben, deren Pflichtteil verletzt wurde, die Herabsetzung bestimmter Verfügungen der Erblasserin oder des Erblassers auf das erlaubte Mass verlangen (Art. 522 Abs. 1 ZGB).

3.7.2

Die Herabsetzung nach geltendem Recht

Nach geltendem Recht kann eine pflichtteilsberechtigte Person, die nicht dem Werte nach ihren Pflichtteil erhält, die Herabsetzung (Art. 522 ff. ZGB) der Verfügungen und Todes wegen und bestimmter Zuwendungen unter Lebenden (siehe insbes.

Art. 527 ZGB) verlangen, und zwar gemäss der in Artikel 532 ZGB vorgegebenen Reihenfolge. Gemäss dieser Bestimmung unterliegen in erster Linie die Verfügungen von Todes wegen der Herabsetzung und sodann die Zuwendungen unter Lebenden (auch als lebzeitige Zuwendungen bezeichnet), wobei die späteren vor den früheren Verfügungen oder Zuwendungen herabgesetzt werden, und zwar so lange, bis der Pflichtteil hergestellt ist. Denn es ist davon auszugehen, dass die Erblasserin oder der Erblasser zuerst die verfügbare Quote ausgeschöpft und erst dann ­ durch Verfügungen von Todes wegen oder lebzeitige Zuwendungen ­ Pflichtteilsrechte belastet hat. Zur Wiederherstellung der Pflichtteile müssen folglich zuerst die Verfügungen von Todes wegen und anschliessend die Zuwendungen unter Lebenden herabgesetzt werden, und zwar in der umgekehrten Reihenfolge, in der sie getroffen wurden.138 Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen zu den Pflichtteilen und der verfügbaren Quote (Art. 470 und 471 ZGB) erscheint es unmöglich, dass eine Erblasserin oder ein Erblasser, die oder der lediglich über die verfügbare Quote von Todes wegen verfügt, den Pflichtteil einer Erbin oder eines Erben verletzt. Allerdings hat sich herausgestellt, dass dies durchaus möglich ist und sogar relativ häufig vorkommt, vor allem, wenn die Erbfolge zum Teil nach der gesetzlichen Erbfolge (sog. Intestaterbfolge, d. h. gesetzliche Erbfolge ohne Testament in Anwendung von Art. 481 Abs. 2 ZGB) und zum Teil gemäss Testament erfolgt. 139 Namentlich ist es möglich, dass der Pflichtteil bestimmter Erbinnen und Erben verletzt wird, weil andere Erbinnen und Erben durch Intestaterwerb den Teil der Erbschaft erhalten, über den die verstorbene Person nicht verfügt hat.140 Da der Intestaterwerb nach dem geltenden Wortlaut des Gesetzes nicht herabgesetzt werden kann, sondern ausschliesslich die Verfügungen der Erblasserin oder des Erblassers, müssten gemäss einer strikten Umsetzung des Gesetzes die von der verstorbenen Person ange138 139 140

Steinauer, Successions, Rz. 828; BSK ZGB II-Forni/Piatti, Art. 532 N 3.

Piotet, Rapport, S. 84; siehe die Beispiele von Eitel, Herabsetzung, S. 309 f.

Steinauer, Successions, Rz. 809 mit Beispiel unter Rz. 810.

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ordneten testamentarischen Zuwendungen herabgesetzt werden, auch wenn diese die verfügbare Quote nicht übersteigen; dies würde allerdings mit einiger Wahrscheinlichkeit dem Willen der Erblasserin oder des Erblassers widersprechen.141 Ein grosser Teil der Lehre bedauert diese Situation, und es wird die Ansicht vertreten, dass eine Gesetzeslücke vorliegt, die durch die Anerkennung der Herabsetzbarkeit des Intestaterwerbs geschlossen werden sollte.142 Die Frage ist allerdings umstritten;143 sie ist auch vom Bundesgericht bis heute nicht entschieden worden.

Was die Zuwendungen unter Lebenden angeht, sieht das geltende Recht lediglich vor, dass die späteren Zuwendungen vor den früheren herabgesetzt werden müssen (Art. 532 ZGB). Dabei wird allerdings nicht präzisiert, welcher Zeitpunkt für die Beantwortung der Frage massgeblich ist, wann eine Zuwendung als erfolgt anzusehen ist. Dieser Punkt ist allerdings wesentlich für die Bestimmung der Herabsetzungsreihenfolge. So ist ein bedeutender Teil der Lehre der Ansicht, dass eine überhälftige Vorschlagszuweisung in einem Ehe- oder Vermögensvertrag als erstes herabgesetzt werden muss, da es sich um die letzte lebzeitige Zuwendung der Erblasserin oder des Erblassers handelt,144 gefolgt von den widerrufbaren Zuwendungen, weil diese in der «letzten Sekunde» vor dem Tod wirksam werden, 145 und schliesslich die weiteren Zuwendungen. Dass diesbezüglich keine klaren Regeln bestehen, ist der Rechtssicherheit aber in jedem Fall abträglich.

Zur Behebung dieser Rechtsunsicherheit hatte der Bundesrat im Vorentwurf vorgeschlagen, verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der Herabsetzung zu regeln.

Einige davon waren äusserst technischer Natur (indirekte Herabsetzung, Rang der Herabsetzung positiver Erbverträge, Ausweitung der Regel zur Herabsetzung von Vermächtnissen einzelner Sachen usw.). Die in der Vernehmlassung hierzu eingegangenen Stellungnahmen fielen sehr unterschiedlich aus.146 Der Bundesrat hat deshalb entschieden, im vorliegenden Entwurf lediglich die allgemeinen Fragen zu regeln: die Herabsetzbarkeit des Intestaterwerbs, die in der Vernehmlassung gut aufgenommen wurde, sowie die Herabsetzungsreihenfolge. Einer allfälligen Revision der eben erwähnten technischen Fragen zu einem späteren Zeitpunkt soll dadurch nicht vorgegriffen werden.

3.7.3

Die Herabsetzung gemäss Entwurf

Auch wenn sich das oben beschriebene Problem voraussichtlich in Zukunft weniger oft stellen wird, da im vorliegenden Entwurf eine Erhöhung der verfügbaren Quote vorgeschlagen wird, soll die dargestellte Gesetzeslücke bei der Herabsetzbarkeit des Intestaterwerbs geschlossen werden. Im Entwurf ist folglich ausdrücklich vorgesehen, dass die Herabsetzung von Erwerbungen nach der gesetzlichen Erbfolge verlangt werden kann (Art. 522 und 523 E-ZGB).

141 142 143

Steinauer, Successions, Rz. 811.

Steinauer, Acquisitions, S. 79 m.w.Nachw.; Eitel, Herabsetzung, S. 319.

PraxKomm Erbrecht-Hrubesch-Millauer, Vorbemerkungen zu Art. 522 ff., N 2a m.w.Nachw.

144 Steinauer, Successions, Rz. 496 mit zahlreichen Nachw. in Fn. 69.

145 Steinauer, Successions, Rz. 835.

146 Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 49­58.

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Wenn der Intestaterwerb neu herabgesetzt werden kann, muss auch die Reihenfolge überdacht werden, in der die Zuwendungen von Todes wegen herabgesetzt werden müssen; ausserdem muss der Rang der Herabsetzung des Intestaterwerbs bestimmt werden. Diesbezüglich ist daran zu erinnern, dass es sich beim Intestaterwerb um denjenigen Teil der Erbschaft handelt, den eine Erbin oder ein Erbe in Anwendung von Artikel 481 Absatz 2 ZGB erhalten hat, das heisst unabhängig vom Willen der Erblasserin oder des Erblassers. Entsprechend der Ansicht der Mehrheit in der Lehre147 schlägt der Bundesrat vor, die Willensäusserung der verstorbenen Person in den Vordergrund zu stellen, wenn diese vor ihrem Tod im Rahmen der verfügbaren Quote über einen Teil ihres Vermögens verfügt hatte, auch wenn sie sich unter Umständen nicht bewusst war, dass dies zur Herabsetzung der von den Erbinnen und Erben durch gesetzliche Erbfolge erworbenen Erbanteile führen könnte. Der Artikel zur Herabsetzungsreihenfolge wird entsprechend angepasst: Der Herabsetzung unterliegen zuerst die Erwerbungen nach der gesetzlichen Erbfolge, dann die Verfügungen von Todes wegen und schliesslich die Zuwendungen unter Lebenden (Art. 532 Abs. 1 E-ZGB).

Im Rahmen der vorliegenden Revision ist ausserdem klarzustellen, in welcher Reihenfolge die lebzeitigen Zuwendungen herabgesetzt werden, falls mehrere Zuwendungen unter Lebenden für eine Herabsetzung in Betracht kommen. Die Behandlung einer überhälftigen Vorschlagszuweisung in einem Ehe- oder Vermögensvertrag ­ deren Qualifikation unter geltendem Recht umstritten ist, 148 mit der vorliegenden Revision jedoch geregelt wird (siehe Ziff. 3.5) ­ wird im Gesetzestext deshalb ebenfalls geklärt. Damit besteht keine Unklarheit mehr: Die Vereinbarung einer überhälftigen Vorschlagszuweisung in einem Ehe- oder Vermögensvertrag bildet eine Zuwendung unter Lebenden, die gemäss der Auffassung eines grossen Teils der Lehre149 als solche als Erstes der Herabsetzung unterliegt. Die Begründung dafür liegt darin, dass die überhälftige Vorschlagszuweisung ihre Wirkung beim letzten Schritt der güterrechtlichen Auseinandersetzung entfaltet, die kurz vor dem Tod erfolgt (d. h. der Aufteilung des Vorschlags); sie ist somit als letzte Zuwendung unter Lebenden durch den Erblasser oder die Erblasserin zu betrachten,150 und deshalb als
Erstes herabzusetzen.151 Darauf folgen die frei widerruflichen Zuwendungen sowie die Leistungen aus der gebundenen Selbstvorsorge, und schliesslich die weiteren Zuwendungen, wobei jeweils die späteren vor den früheren herabgesetzt werden (Art. 532 Abs. 2 E-ZGB).

Als Folge der Anpassungen, die im Bereich der Herabsetzung der Zuwendungen unter Lebenden vorgeschlagen werden, muss auch Artikel 494 Absatz 3 ZGB neu gefasst werden. Gemäss dieser Bestimmung können die Personen, die aus einem Erbvertrag begünstigt sind (Erben oder Vermächtnisnehmer), die Verfügungen von Todes wegen und Schenkungen, die mit dieser Begünstigung nicht vereinbar sind, mittels einer der Herabsetzungsklage entsprechenden Klage anfechten.152 147 148 149 150 151 152

Steinauer, Acquisitions, S. 78 und die Nachw. in Fn. 3.

Sutter-Somm/Ammann, Rz. 56 ff.

Steinauer, Successions, Rz. 836 m.w.Nachw.

Steinauer, Successions, Rz. 496 und die Nachw. in Fn. 69.

Eitel, Ehegüterrechtliche Rechtsgeschäfte, S. 18.

Guinand/Stettler/Leuba, Rz. 357; Steinauer, Successions, Rz. 633 m.w.Nachw.

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3.8

Einführung eines Unterstützungsanspruchs zugunsten der faktischen Lebenspartnerin oder des faktischen Lebenspartners

3.8.1

Vorbemerkung

Im Blickpunkt der Diskussion um ein modernes Erbrecht steht die Frage, wie die Rechtsordnung mit der stetig zunehmenden Zahl faktischer Lebenspartnerschaften umgehen soll. Entgegen der Meinung der Hälfte der Bevölkerung153 steht der faktischen Lebenspartnerin oder dem faktischen Lebenspartner nach geltendem Recht weder ein gesetzliches Erbrecht noch ein Pflichtteilsanspruch zu. Unabhängig von der Dauer und Intensität der Lebensgemeinschaft hat sie oder er nach dem Gesetz keinen gesetzlichen Erbanspruch, wenn der faktische Lebenspartner oder die faktische Lebenspartnerin stirbt.

Paare in einer faktischen Lebenspartnerschaft können zwar bereits unter geltendem Recht ihre Beziehung im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung regeln. Dies gilt auch für den Fall des Todes der Partnerin oder des Partners. Trotzdem steht die Forderung im Raum, dass der Gesetzgeber Bestimmungen über die Auflösung einer faktischen Lebenspartnerschaft durch Tod schaffen soll, weil viele Betroffene ihren Nachlass trotz entsprechendem Willen nicht rechtzeitig ordnen.154 Die Diskussion geht hier allerdings in sehr unterschiedliche Richtungen: Während teilweise die Beibehaltung des Status quo postuliert wird, weil sich die Betroffenen bewusst gegen eine rechtliche Normierung ihrer Beziehung entschieden hätten, wird umgekehrt die Einführung eines gesetzlichen Erbrechts und teilweise sogar eines Pflichtteilsrechts entsprechend der Regelung für die Eheleute gefordert, weil die faktische Lebenspartnerschaft heute in vielen Fällen die Funktion der Ehe übernommen habe und dabei die gleichen Schutzbedürfnisse bestünden.155 Auch die der vorliegenden Revision zugrunde liegende Motion Gutzwiller 10.3524 verlangt, «dass die bisher diskriminierten unverheirateten Lebenspartnerinnen und -partner in das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht mit einbezogen werden und dadurch eine im Vergleich zu den verheirateten sowie den eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnern faire, das heisst gleichwertige Behandlung erfahren (allenfalls unter bestimmten Voraussetzungen hinsichtlich Gleichwertigkeit der Lebensund Verantwortungsgemeinschaften).» In der vom Parlament schliesslich an den Bundesrat überwiesenen Fassung der Motion wurde dann allerdings klärend ergänzt, dass «keine erbrechtliche Gleichstellung der Konkubinatspaare mit den Ehepaaren»
beabsichtigt sei. Damit hat das Parlament eine wichtige und für den Bundesrat verbindliche Vorentscheidung getroffen.

Aus diesem Grund hat der Bundesrat im Vorentwurf auf jegliche Regelung verzichtet, mit der die faktische Lebenspartnerschaft im Erbfall mit der ehelichen Gemeinschaft oder der eingetragenen Partnerschaft gleichgestellt worden wäre. Dank der 153 154

Stutz/Bauer/Schmugge, S. 215; dazu auch Cottier, S. 32.

So insbesondere Cottier, S. 35 ff. m.zahlr.Nachw. in Fn. 63; zur Frage der von faktischen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern zu leistenden Erbschaftssteuer siehe Ziff. 3.2.1 in fine.

155 Vgl. zum Ganzen den Bericht zur Modernisierung des Familienrechts, S. 27.

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Vergrösserung der Verfügungsfreiheit erhält die Erblasserin oder der Erblasser ohnehin die Möglichkeit, den faktischen Lebenspartner oder die faktische Lebenspartnerin im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen grosszügiger als heute zu begünstigen. Es verbleibt so in der Entscheidungsautonomie der Erblasserin oder des Erblassers, festzulegen, welches Gewicht der konkreten faktischen Partnerschaft beigemessen werden soll und in welchem Umfang die Partnerin oder der Partner am Nachlass partizipieren soll.

Damit stossende Ergebnisse vermieden werden können, wenn keine Verfügung von Todes wegen vorliegt, soll aber ­ entsprechend den Ausführungen des Bundesrates im Bericht vom März 2015 zur Modernisierung des Familienrechts 156 ­ eine Regelung zur Vermeidung von Härtefällen geschaffen werden.

3.8.2

Vom «Unterhaltsvermächtnis» zum «Unterstützungsanspruch»

Wenn keine Verfügung von Todes wegen vorliegt, kann die überlebende faktische Lebenspartnerin oder der überlebende faktische Lebenspartner in eine schwierige finanzielle Lage geraten ­ vor allem dann, wenn sie oder er über keine oder nur über geringe eigene finanzielle Mittel verfügt. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass die faktische Lebenspartnerin während des Zusammenlebens beispielsweise ihre eigene Erwerbstätigkeit reduziert und damit auf ihre finanzielle Unabhängigkeit verzichtet hat, um durch Hausarbeit, Kinderbetreuung oder Pflege ihres Partners oder eines Familienmitglieds zum Wohl des Paares beizutragen. Es erscheint stossend, dass der Nachlass beim Tod ihres faktischen Lebenspartners dann vollumfänglich den gesetzlichen Erbinnen und Erben zugutekommt, während sie selbst bedürftig wird und unter Umständen gezwungen wird, Sozialhilfe zu beantragen.

Um solchen Fällen entgegenzuwirken, hatte der Bundesrat im Vorentwurf vorgeschlagen, ein gesetzliches, unabhängig vom Willen der Erblasserin oder des Erblassers bestehendes Vermächtnis, das sogenannte «Unterhaltsvermächtnis», einzuführen. Gestützt darauf hätte die Person, die mit der verstorbenen Person während mindestens drei Jahren eine faktische Lebensgemeinschaft geführt und erhebliche Leistungen in deren Interesse erbracht hat, einen gegenüber dem Nachlass bestehenden Anspruch auf Ausrichtung eines Vermächtnisses gehabt (Art. 484a Abs. 1 Ziff. 1 VE-ZGB). Der Bundesrat hatte überdies vorgeschlagen, das Unterhaltsvermächtnis auch einer Person zugutekommen zu lassen, die «während ihrer Minderjährigkeit mindestens fünf Jahre mit dem Erblasser in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat und vom Erblasser finanzielle Unterstützung erhalten hat, die dieser fortgesetzt hätte, wenn er nicht verstorben wäre» (Art. 484a Abs. 1 Ziff. 2 VEZGB).

Der Vorschlag wurde in der Vernehmlassung teilweise heftig kritisiert. Dabei wurde vor allem moniert, dass dessen Umsetzung zu komplex sei; ausserdem sei er systemfremd und hätte zu einer Zunahme der Gerichtsverfahren geführt.157 Aufgrund 156 157

Bericht zur Modernisierung des Familienrechts, S. 33.

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 17­27.

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dieser Bedenken hat der Bundesrat entschieden, auf das Unterhaltsvermächtnis zu verzichten. Unter Berücksichtigung der in der Vernehmlassung geäusserten Argumente und der Diskussionen mit den Expertinnen und Experten schlägt der Bundesrat im Entwurf ein neues Konzept vor: Zur Vermeidung von Härtefällen soll der faktischen Lebenspartnerin oder dem faktischen Lebenspartner neu ein gesetzlicher Unterstützungsanspruch gegenüber der Erbschaft zustehen.

3.8.3

Der Unterstützungsanspruch

Der Bundesrat schlägt vor, der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder dem überlebenden faktischen Lebenspartner unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch gegenüber der Erbschaft des verstorbenen faktischen Lebenspartners oder der verstorbenen faktischen Lebenspartnerin zu gewähren. Dieser Anspruch kann vor dem Tod weder durch eine letztwillige Verfügung noch durch eine Vereinbarung ausgeschlossen werden. Damit wird eine neue gesetzliche Erbschaftsschuld geschaffen, für welche die Erbinnen und Erben solidarisch haften. Im Rahmen der neuen Regelung wird der faktischen Lebenspartnerin oder dem faktischen Lebenspartner Vorrang gegenüber den Pflichtteilserbinnen und -erben gewährt: Deren Pflichtteil wird erst nach Abzug des Unterstützungsanspruchs berechnet (siehe Art. 474 Abs. 2 E-ZGB).

Ein solcher Unterstützungsanspruch besteht nur unter folgenden zwei Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen (Art. 606a Abs. 1 E-ZGB): (1) Beim Tod der Erblasserin oder des Erblassers hat das Paar seit mindestens fünf Jahren in einer faktischen Lebensgemeinschaft gelebt; und (2) die überlebende Person gerät infolge des Todes der Erblasserin oder des Erblassers in Not, das heisst, sie ist nicht mehr in der Lage, ihr sozialhilferechtliches Existenzminimum selbst zu decken.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat die faktische Lebenspartnerin oder der faktische Lebenspartner einen Unterstützungsanspruch. Die Unterstützung erfolgt in Form einer monatlichen Rente. Kann mit den Erbinnen und Erben keine Einigung erzielt werden, so kann die Forderung von der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder dem überlebenden faktischen Lebenspartner entweder innert drei Monaten nach dem Tod der Erblasserin oder des Erblassers angemeldet und anschliessend innert eines Jahres eingeklagt werden oder sie kann direkt gerichtlich geltend gemacht werden (Art. 606b E-ZGB). Die unmittelbare gerichtliche Geltendmachung macht die Anmeldung gemäss Artikel 606b Absatz 1 E-ZGB hinfällig. Es ist dann Sache des Gerichts, den Betrag der monatlichen Rente, den Höchstbetrag der Unterstützung sowie die Art und Weise der Sicherheit festzulegen (Art. 606c E-ZGB).

Zur Festlegung des Betrags des Unterstützungsanspruchs muss in erster Linie der Betrag berechnet werden, der für die Deckung des monatlichen Bedarfs der berechtigten
Person erforderlich ist, und die unter den gegebenen Umständen angemessene Dauer des Unterstützungsanspruchs bestimmt werden. Dabei sind namentlich das Alter der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder des überlebenden faktischen Lebenspartners, ihr oder sein Einkommen und Vermögen, die Erwerbsaussichten (aufgrund des Alters, des Gesundheitszustands, der beruflichen Ausbildung sowie des Umfangs und der Dauer einer allfälligen Kinderbetreuung etc.) und die Anwart5863

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schaften aus der Alters- und Hinterlassenenversicherung und aus der beruflichen oder einer anderen Vorsorge zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um bekannte Kriterien des Familienrechts, die bereits beim Entscheid über den nachehelichen Unterhalt Anwendung finden (siehe Art. 125 ZGB).

Der Gesamtbetrag des Anspruchs ist in doppelter Hinsicht begrenzt: Einerseits darf er den Betrag zur Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums der überlebenden Person bis zu ihrem vollendeten 100. Altersjahr nicht übersteigen; andererseits ist er auf einen Viertel des Nettovermögens der Erblasserin oder des Erblassers beschränkt (Art. 606a Abs. 2 E-ZGB). Das Nettovermögen entspricht dem vorhandenen Vermögen abzüglich der Erblasserschulden; die Erbschaftsschulden und allfällige Ausgleichungsforderungen sind nicht zu berücksichtigen. Indem der Unterstützungsanspruch anhand des Nettovermögens berechnet wird, muss nicht abgewartet werden, bis sämtliche Erbschaftsschulden bekannt sind. Die Beschränkung des Unterstützungsanspruchs auf höchstens einen Viertel des Nettovermögens bietet dabei Gewähr, dass der Nachlass nicht zu stark belastet und die Erbteilung nicht unnötig verzögert wird. So kann der Teil der Erbschaft, der einen Viertel des Nettovermögens der verstorbenen Person übersteigt, den Erbinnen und Erben übergeben werden, bevor der Betrag des Unterstützungsanspruchs endgültig feststeht.

In den Fällen, in denen eine lebenslängliche Rente zugesprochen wird (vgl. Bsp. 8 unter Ziff. 3.8.4), wird diese bis zum vollendeten 100. Altersjahr der überlebenden Partnerin oder des überlebenden Partners berechnet (Art. 606a Abs. 2 E-ZGB). Die monatlichen Beträge werden bis zu diesem Zeitpunkt addiert, um sicherzustellen, dass der Gesamtbetrag einen Viertel des Nettovermögens der Erblasserin oder des Erblassers nicht überschreitet. Ist dieser höher, so wird der Gesamtbetrag auf einen Viertel des Nettovermögens festgesetzt. Dadurch wird die Dauer, während der die Rente ausbezahlt wird, automatisch gekürzt. Gekürzt wird also die Dauer der Rente und nicht deren Höhe. Damit soll vermieden werden, dass sich die berechtigte Person an das Sozialamt wenden muss, um den fehlenden Restbetrag zu decken. Aus verfahrensökonomischen Gründen und zur Entlastung der öffentlichen Finanzen ist es vorzuziehen, dass sie in erster
Linie ihren Unterstützungsanspruch ausschöpft, bevor sie sich an das Sozialamt wendet.

Schliesslich ist festzuhalten, dass der Betrag des Unterstützungsanspruchs nicht unabänderlich ist. Bei erheblicher und dauernder Veränderung der Verhältnisse der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder des überlebenden faktischen Lebenspartners kann die Rente herabgesetzt oder aufgehoben werden (Art. 606d Abs. 3 EZGB).

Angesichts dieser Voraussetzungen wird die Regelung in der Praxis voraussichtlich eher selten zur Anwendung kommen. Es geht dabei vor allem um die stossenden Fälle, in denen die überlebende Person bei der Bestreitung ihres Lebensunterhalts vom Gemeinwesen abhängen würde, während sich ihr sozialhilferechtliches Existenzminimum mit dem Nachlassvermögen ­ zu dessen Bildung sie beigetragen hat ­ decken liesse, ohne die Ansprüche der Erbinnen und Erben allzu stark zu beeinträchtigen.

In Bezug auf die anwendbaren Bestimmungen des internationalen Privatrechts ist zu beachten, dass es sich beim Unterstützungsanspruch um einen erbrechtlichen 5864

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gesetzlichen Anspruch handelt. Folglich wird massgebend sein, welchem Recht der Nachlass unterstellt ist (Art. 90 ff. IPRG).

Unterstützungsanspruch und Steuern Aufgrund der Art und des Zwecks des Unterstützungsanspruchs sollte die daraus resultierende Rente aus steuerrechtlicher Sicht als Unterstützung aus privaten Mitteln im Sinne von Artikel 24 Buchstabe d des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990158 über die direkte Bundessteuer (DBG) qualifiziert werden können und nach diesem Artikel von der Einkommenssteuer befreit sein.

Von einer steuerfreien Unterstützung aus öffentlichen oder privaten Mitteln kann gemäss Rechtsprechung nur dann ausgegangen werden, wenn die drei nachfolgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind159: (1) Die empfangende Person ist bedürftig (Bedürftigkeit); (2) die private oder öffentlich-rechtliche Institution leistet die Beiträge mit Unterstützungsabsicht (Unterstützung); (3) die Leistung erfolgt unentgeltlich, das heisst, die empfangende Person muss dafür keine Gegenleistung erbringen (Unentgeltlichkeit).

Die Qualifikation als Unterstützung aus privaten Mitteln ist aber nicht die einzige mögliche Einstufung. Letztlich ist allein die Beurteilung der für die Steuerveranlagung zuständigen kantonalen Steuerbehörden und im Beschwerdefall der zuständigen Gerichtsbehörden massgeblich. Es ist daher aus heutiger Sicht nicht auszuschliessen, dass die zuständige kantonale Steuerbehörde den Unterstützungsanspruch zum Beispiel als Vermögensanfall infolge Erbschaft qualifiziert, der auf Bundesebene nach Artikel 24 Buchstabe a DBG beziehungsweise nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990160 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) steuerfrei ist, in den Kantonen mit einer Erbschaftssteuer aber einer solchen unterliegt.

Dabei ist die Bedürftigkeit gemäss den aktuellen Verhältnissen der empfangenden Person und somit zum Zeitpunkt, in dem sie die Leistungen effektiv erhält, zu bestimmen und nicht zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin oder des Erblassers, der gemäss Artikel 606a E-ZGB für die Entstehung des Unterstützungsanspruchs massgebend ist.

Der gerichtlich bestimmte Gesamtbetrag zur Finanzierung des Unterstützungsanspruchs, der maximal einen Viertel des Nettovermögens der Erblasserin oder des Erblassers
betragen darf, ist zivilrechtlich wie der übrige Nachlass bis zur Erbteilung Teil der Erbschaft, anschliessend Eigentum der Erbinnen und Erben. Steuerrechtlich werden die zuständigen kantonalen Steuerbehörden und im Beschwerdefall die zuständigen Gerichtsbehörden darüber entscheiden, in welchem Umfang der Gesamtbetrag der Besteuerung der Erbschaft sowie der Vermögensbesteuerung bei den Erbinnen und Erben unterliegt, zumal für beide Steuern ausschliesslich die Kantone zuständig sind.

158 159

SR 642.11 Vgl. BGE 137 II 328 E. 4.3 und Urteil 2C_78/2014 des Bundesgerichts vom 26. Mai 2014 E. 3.1.

160 SR 642.14

5865

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3.8.4

Beispiele zur Berechnung des Unterstützungsanspruchs

Folgende Beispiele sollen zum besseren Verständnis des im Entwurf formulierten Vorschlags beitragen.

Beispiel 8: Die überlebende faktische Lebenspartnerin ist 70 Jahre alt, hat im Zeitpunkt des Todes des Erblassers kein Einkommen 161 und auch keine Aussichten auf ein künftiges Einkommen. Das monatliche soziale Existenzminimum beträgt 2700 Franken. Der verstorbene Lebenspartner hatte zum Zeitpunkt seines Todes ein Nettovermögen von 4 000 000 Franken.

Wenn keine Aussicht darauf besteht, dass die überlebende faktische Lebenspartnerin künftig ein Einkommen erzielen kann, wird eine lebenslängliche Rente berechnet, das heisst eine Rente bis zum vollendeten 100. Altersjahr und somit für dreissig Jahre. Bei einem Bedarf von 2700 Franken pro Monat resultiert zur Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums bis zum 100. Altersjahr ein Gesamtbetrag von 972 000 Franken (2700 Franken × 12 × 30). Weil dieser Betrag tiefer ist als ein Viertel des Nettovermögens der verstorbenen Person, kann er vollumfänglich für die Leistung einer Rente an die überlebende faktische Lebenspartnerin beansprucht werden. Folglich hat diese bis zum Alter von 100 Jahren einen Anspruch auf eine monatliche Rente von 2700 Franken. Im Fall einer gerichtlichen Entscheidung legt das Gericht l im Urteilsdispositiv eine Rente von 2700 Franken pro Monat, einen Höchstbetrag von 972 000 Franken sowie die Art und Weise der von den Erbinnen und Erben zu stellenden Sicherheit fest. Falls die überlebende faktische Lebenspartnerin stirbt, bevor sie 100-jährig wird, fällt der Restbetrag mitsamt den Zinsen den Erbinnen und Erben zu.

Beispiel 8a: Gleiche Ausgangslage wie in Beispiel 8, aber die überlebende faktische Lebenspartnerin kann auf ein regelmässiges monatliches Einkommen von 1300 Franken zugreifen, jedoch ohne Aussichten auf eine künftige Erhöhung.

Wenn keine Aussicht darauf besteht, dass die überlebende faktische Lebenspartnerin künftig ein höheres Einkommen erzielen kann, ist eine lebenslängliche Rente zu berechnen, im vorliegenden Kontext wiederum eine Rente bis zum vollendeten 100. Altersjahr, das heisst für dreissig Jahre. Bei einem Bedarf von 1400 Franken (2700 ­ 1300 Franken) pro Monat zur Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums bis zum 100. Altersjahr ergibt sich ein Gesamtbetrag von 504 000 Franken (1400 Franken
× 12 × 30). Weil dieser Betrag tiefer ist als ein Viertel des Nettovermögens der verstorbenen Person, kann er vollumfänglich für die Leistung einer Rente an die überlebende faktische Lebenspartnerin beansprucht werden. Die monatliche Rente beläuft sich folglich auf 1400 Franken bis zum Alter von 100 Jahren, der Höchstbetrag der Unterstützung auf 504 000 Franken. Falls die überlebende faktische Lebenspartnerin stirbt, bevor sie 100-jährig wird, fällt der Restbetrag mitsamt den Zinsen den Erbinnen und Erben zu.

161

Diese sehr seltene Konstellation ist möglich, wenn eine Person nie AHV-Beiträge geleistet hat.

5866

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Beispiel 8b: Gleiche Ausgangslage wie in Beispiel 8, aber die überlebende faktische Lebenspartnerin kann auf ein regelmässiges monatliches Einkommen von 2700 Franken oder mehr zugreifen.

Bei einem Einkommen in der Höhe ihres Bedarfs oder höher hat die überlebende faktische Lebenspartnerin keinen Anspruch auf eine Unterstützungsleistung nach Artikel 606a E-ZGB.

Beispiel 8c: Die überlebende faktische Lebenspartnerin ist 70 Jahre alt und hat zum Todeszeitpunkt kein Einkommen und auch keine Aussichten auf ein künftiges Einkommen. Das monatliche sozialhilferechtliche Existenzminimum beträgt 2700 Franken. Die verstorbene Person hatte zum Zeitpunkt ihres Todes ein Nettovermögen von 800 000 Franken.

Auf der Grundlage des vorhandenen Vermögens ist es in diesem Fall nicht möglich, bis zum 100. Altersjahr eine lebenslängliche Rente von insgesamt 972 000 Franken zuzusprechen (siehe Bsp. 8). Der Höchstbetrag der Unterstützung wird somit durch die Höhe des Nettovermögens auf einen Viertel davon begrenzt. Die monatliche Rente ist folglich auf 2700 Franken festzulegen und der Höchstbetrag auf 200 000 Franken. Die überlebende faktische Lebenspartnerin kann so während rund sechs Jahren eine Rente beziehen. Danach wird sie sich an das Sozialamt wenden müssen, sofern sich ihre finanzielle Lage nicht wesentlich verbessert hat.

Beispiel 8d: Gleiche Ausgangslage wie in Beispiel 8c, aber die überlebende faktische Lebenspartnerin hat ein regelmässiges monatliches Einkommen von 1300 Franken, jedoch ohne Aussichten auf eine künftige Erhöhung.

Auf der Grundlage des Nachlassvermögens ist es nicht möglich, bis zum 100. Altersjahr eine lebenslängliche Rente von insgesamt 504 000 Franken zuzusprechen (siehe Bsp. 8a). Der Höchstbetrag der Unterstützung wird somit auf einen Viertel des Nettovermögens begrenzt. Die monatliche Rente ist folglich auf 1400 Franken festzulegen und der Höchstbetrag auf 200 000 Franken. Die überlebende faktische Lebenspartnerin kann so während rund zwölf Jahren eine Rente beziehen.

Danach wird sie sich an das Sozialamt wenden müssen, sofern sich ihre finanzielle Lage nicht wesentlich verbessert hat.

Beispiel 9: Der überlebende faktische Lebenspartner ist 55 Jahre alt, hat im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin kein Einkommen und auch keine Aussichten auf ein künftiges Einkommen. Weder eine AHV-Rente
noch Ergänzungsleistungen sind zu erwarten. Das monatliche sozialhilferechtliche Existenzminimum beträgt 2700 Franken. Die verstorbene Person hatte zum Zeitpunkt ihres Todes ein Nettovermögen von 4 000 000 Franken.

Da keine Aussicht darauf besteht, dass der überlebende faktische Lebenspartner ein Einkommen erzielen wird, und das verfügbare Vermögen es nicht zulässt, eine Rente bis zum 100. Altersjahr anzuordnen (2700 Franken × 12 × 45 = 1 458 000 Franken), ist der Höchstbetrag der Unterstützung auf einen Viertel des Nettovermögens der verstorbenen Person begrenzt, das heisst auf 1 000 000 Franken. So kann der überlebende faktische Lebenspartner eine Rente von 2700 Franken pro Monat beziehen, bis dieser Höchstbetrag ausgeschöpft ist, das heisst während rund dreissig Jahren. Falls er stirbt, bevor der Höchstbetrag erreicht wird, fällt der verbleibende Restbetrag mitsamt den Zinsen den Erbinnen und Erben zu.

5867

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Beispiel 9a: Gleiche Ausgangslage wie in Beispiel 9, aber der überlebende faktische Lebenspartner kann auf ein regelmässiges monatliches Einkommen von 1300 Franken zugreifen. Es ist zu erwarten, dass mit dem Erreichen des AHV-Alters die AHVRente und Ergänzungsleistungen mehr als 2700 Franken betragen werden.

Da die Notlage nicht über die Pensionierung hinaus anhalten wird, kann der überlebende faktische Lebenspartner nur bis zu diesem Zeitpunkt Unterstützung beanspruchen. Bei einem Bedarf von 1400 Franken pro Monat (2700 ­ 1300 Franken) bis zum Alter von 65 Jahren kann sich die Unterstützung auf 168 000 Franken (1400 Franken × 12 × 10) belaufen. (Im Falle einer überlebenden faktischen Lebenspartnerin würde sich die Unterstützung bis zum Alter von 64 Jahren auf 151 200 Franken (1400 Franken × 12 × 9) belaufen.) Weil dieser Betrag tiefer ist als ein Viertel des Nettovermögens der verstorbenen Person, kann er vollumfänglich für die Leistung einer Rente an den überlebenden faktischen Lebenspartner beansprucht werden.

Auch in diesem Fall ist die Dauer des Rentenanspruchs festzulegen.

Beispiel 10: Die überlebende faktische Lebenspartnerin ist 35 Jahre alt und hat zum Zeitpunkt des Todes kein Einkommen. Das monatliche sozialhilferechtliche Existenzminimum beträgt 2700 Franken. Die verstorbene Person hatte zum Zeitpunkt ihres Todes ein Nettovermögen von 4 000 000 Franken.

Gestützt auf das Alter der überlebenden faktischen Lebenspartnerin ist anhand der in der Rechtsprechung für den Unterhalt nach der Scheidung entwickelten Kriterien zu beurteilen, ob und ab welchem Zeitpunkt ihr (unter Berücksichtigung ihrer Ausbildung, ihres Alters, ihrer Gesundheit usw.) eine Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann. Im vorliegenden Beispiel wird angenommen, dass die überlebende faktische Lebenspartnerin nach drei Jahren wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen kann, um ihren Lebensbedarf zu decken. Folglich ist ihr während drei Jahren eine monatliche Rente in der Höhe von 2700 Franken auszurichten (insgesamt 97 200 Franken).

Denkbar wäre auch, dass ihr schrittweise ein zunehmendes Einkommen angerechnet und die Rente entsprechend stufenweise angepasst wird.162 Beispiel 10a: Gleiche Ausgangslage wie in Beispiel 10, aber die überlebende faktische Lebenspartnerin kann auf ein regelmässiges monatliches Einkommen von 1300
Franken zugreifen.

In diesem Beispiel wird angenommen, dass die überlebende faktische Lebenspartnerin ihre Erwerbstätigkeit innert zwei Jahren erhöhen kann, um ein Einkommen zu erzielen, das den Lebensbedarf deckt. Folglich ist ihr während dieser Zeit eine Rente zur Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums zu gewähren, das heisst während zwei Jahren 1400 Franken (2700 ­ 1300 Franken) pro Monat (insgesamt 33 600 Franken). Denkbar wäre es auch, dass ihr schrittweise ein zunehmendes Einkommen angerechnet und die Rente entsprechend stufenweise angepasst wird.

162

Wie dies im Rahmen von Art. 125 ZGB geschieht (siehe z. B. BGE 137 III 102, E. 4.2.2 und 4.2.3; BGE 127 III 136, E. 2c).

5868

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3.8.5

Ansprüche der faktischen Lebenspartnerin oder des faktischen Lebenspartners in anderen Rechtsordnungen

In Belgien, Frankreich, Schweden und Italien haben faktische Lebenspartnerinnen und Lebenspartner kein gegenseitiges gesetzliches Erbrecht in Form eines Anteils am Nachlass; sie können jedoch andere obligatorische oder dingliche Ansprüche geltend machen:163 ­

In Belgien haben überlebende faktische Lebenspartnerinnen oder überlebende faktische Lebenspartner, sofern sie mit der Erblasserin oder dem Erblasser gesetzlich zusammenwohnten, ein Erbrecht in Form eines Nutzniessungs- beziehungsweise Mietrechts an der zuletzt gemeinsam bewohnten Immobilie sowie am Hausrat. Gesetzliches Zusammenleben (cohabitation légale/wettelijke samenwoning) liegt nach Abgabe einer schriftlichen Erklärung bei der Standesbeamtin oder dem Standesbeamten am gemeinsamen Wohnort vor.164

­

In Frankreich steht der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder dem überlebenden faktischen Lebenspartner ein einjähriges Wohnrecht (kostenloses Wohnrecht oder Übernahme der Mietkosten) an der vor dem Tod gemeinsam bewohnten Wohnung zu, sofern sie oder er mit der Erblasserin oder dem Erblasser durch einen zivilrechtlichen Solidaritätspakt (pacte civil de solidarité, PACS) verbunden war.165 Die im Rahmen eines PACS verbundenen Personen treten ­ gleich wie auch Konkubinatspartnerinnen oder -partner, die vor dem Tod ein Jahr lang zusammen gelebt haben ­ zudem ipso jure in den Mietvertrag der verstorbenen Person ein.166

­

In Schweden steht überlebenden faktischen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern ein gesetzlicher Anteil am gemeinsam bewohnten Grundstück, der Wohnung und dem gemeinsamen Hausrat zu.167 Als faktische Lebenspartnerinnen und Lebenspartner (sambo) gelten Personen, die dauerhaft als Paar zusammenleben und einen gemeinsamen Haushalt führen.168

­

In Italien treten nichteheliche Partnerinnen oder Partner der verstorbenen Person als nahe Angehörige unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich in deren Mietvertrag über die Familienwohnung ein.169

In Österreich haben faktische Lebenspartnerinnen und Lebenspartner («Lebensgefährten») seit 2017 ein ausserordentliches Erbrecht, sofern sie mit der verstorbenen Person in den letzten drei Jahren in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben: 163 164 165 166 167 168 169

Vgl. Jungo, Faktische Lebenspartner, S. 16 ff., zu Belgien, Italien und Schweden; Döbereiner, Rz. 106, zu Frankreich.

Art. 745octies und 1476 Abs. 1 Code Civil/Burgerlijk Wetboek; vgl. auch Jungo, Faktische Lebenspartner, S. 16.

Art. 515-6 Abs. 3 und 763 Abs. 1 Code Civil; vgl. auch Döbereiner, Rz. 106.

Art. 14 Loi Nr. 89-462 vom 6. Juli 1989.

§ 18 Abs. 1 Sambolag 2003:376 (Lebensgefährtengesetz); Lund-Andersen, S. 1131 ff.

§ 1 Abs. 1 Sambolag 2003:376 (Lebensgefährtengesetz); Lund-Andersen, S. 1131.

Art. 6 legge 392/1978 Disciplina delle locazioni di immobili urbani; vgl. auch Cubeddu Wiedemann/Wiedemann, Rz. 128; Braun, S. 86.

5869

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Ihnen fällt der gesamte Nachlass zu, wenn keine gesetzlichen Erbinnen und Erben vorhanden sind.170 Sie haben auch ein zeitlich begrenztes Wohnrecht und ein Nutzungsrecht an den beweglichen Sachen des gemeinsamen Haushalts, sofern es zur Fortführung der bisherigen Lebensverhältnisse erforderlich ist.171 In Deutschland hat die faktische Lebenspartnerin oder der faktische Lebenspartner kein gesetzliches Erbrecht.172 In Schottland kann das Gericht dem cohabitant der Erblasserin oder des Erblassers aus dem Nachlass einen Unterhaltsbeitrag oder die Übertragung von Nachlassgegenständen zusprechen.173 Diese Regelung greift nur, sofern die Erblasserin oder der Erblasser nicht testiert hat.174 Als cohabitant gelten gleich- oder verschiedengeschlechtliche Partnerinnen oder Partner, die wie in einer Ehe mit der Erblasserin oder dem Erblasser zusammengelebt haben.175 In England und Wales kann das Gericht einer nichtehelichen Partnerin oder einem nichtehelichen Partner einen Anspruch auf Versorgung zusprechen, sofern sie oder er von der Erblasserin oder dem Erblasser unmittelbar vor deren oder dessen Tod Unterhalt erhalten hat.176 Dabei steht dem Gericht ein grosser Ermessensspielraum zu.177

3.9

Übergangsrecht

Das erbrechtliche Intertemporalrecht ergibt sich aus zwei Sonderbestimmungen des Schlusstitels des Zivilgesetzbuchs (Art. 15 und 16 SchlT ZGB) sowie den allgemeinen zivilrechtlichen Übergangsbestimmungen (Art. 1­4 SchlT ZGB). Der massgebliche Anknüpfungspunkt ist dabei der Zeitpunkt des Todes der Erblasserin oder des Erblassers: Ist die Person vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts verstorben, so gilt das alte Recht; stirbt sie nach Inkrafttreten der Revision, so kommt das neue Recht zur Anwendung. Dies gilt unabhängig davon, ob die gesetzliche Erbfolge eintritt oder ob vor dem Inkrafttreten der Revision eine letztwillige Verfügung erstellt oder ein Erbvertrag abgeschlossen wurde. Dieser Grundsatz führt zu einer klaren Regelung, deren Folgen auch für die Praxis vorhersehbar sind. Zudem lassen sich damit in den meisten Fällen schwierige Auslegungsfragen vermeiden.

170

171 172 173 174 175

176 177

§ 748 Abs. 1 ABGB; vgl. auch Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (ErbRÄG 2015), Bundesgesetzblatt I, 87/2015. Gemäss § 748 Abs. 2 ABGB besteht das ausserordentliche Erbrecht auch, wenn der Haushalt beispielsweise aus gesundheitlichen oder beruflichen Gründen nicht gemeinsam geführt werden konnte, aber eine besondere Verbundenheit zwischen den Lebensgefährten bestand.

§ 745 Abs. 2 ABGB , wonach es sich dabei um ein gesetzliches Vermächtnis handelt; vgl.

auch Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (ErbRÄG 2015), Bundesgesetzblatt I, 87/2015.

Jungo, Faktische Lebenspartner, S. 12.

Art. 29 Abs. 2 des Family Law (Scotland) Act 2006; Odersky, Schottland, Rz. 32.

Odersky, Schottland, Rz. 31 ff.

Odersky, Schottland, Rz. 30. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des Zusammenlebens kann das Gericht die Dauer des Zusammenlebens und verschiedene weitere Faktoren berücksichtigen.

Odersky, England und Wales, Rz. 51 f.

Odersky, England und Wales, Rz. 56.

5870

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Im Hinblick darauf, dass mit der vorliegenden Revision die Verfügungsfreiheit der Erblasserin oder des Erblassers vergrössert werden soll (Ziff. 3.2­3.4), erscheint es unwahrscheinlich, dass Verfügungen von Todes wegen, die vor dem Inkrafttreten der Revision errichtet wurden, sich als unvereinbar mit dem neuen Pflichtteilsrecht erweisen werden. Soweit eine Verfügung von Todes wegen im Einklang mit den geltenden Pflichtteilen steht, wird sie dies umso mehr auch hinsichtlich der reduzierten Pflichtteile des neuen Rechts sein. Darüber hinaus wird die Vergrösserung der verfügbaren Quote das Konfliktpotenzial erheblich reduzieren, das zwischen den pflichtteilsgeschützen Erbinnen und Erben einerseits und den durch eine überhälftige Zuweisung des Vorschlags begünstigten Personen (Ziff. 3.5), den im Rahmen der Selbstvorsorge der Erblasserin und des Erblassers begünstigten Personen (Ziff. 3.6) oder den durch eine herabsetzbare Zuwendung (deren Reihenfolge neu ins Gesetz eingeführt wird) begünstigten Personen (Ziff. 3.7) andererseits entstehen kann.

Schliesslich wird der Unterstützungsanspruch der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder des überlebenden faktischen Lebenspartners (Ziff. 3.8) unabhängig von der Höhe der gesetzlichen Erbteile und der Pflichtteile festgelegt. Ausserdem wird ein potenzieller Unterstützungsanspruch nur bei Todesfall nach Inkrafttreten des neuen Rechts bestehen.

Nicht verhindert werden kann, dass im Einzelfall dennoch heikle Fragen beantwortet werden müssen, so insbesondere, wenn bestimmte Formulierungen in einer letztwilligen Verfügung oder einem Erbvertrag darauf schliessen lassen, dass die Erblasserin oder der Erblasser unter revidiertem Recht anders verfügt hätte oder dass unter diesen Umständen eine andere Vereinbarung getroffen worden wäre. Derartige Unsicherheiten sind allerdings notwendigerweise mit einer Anpassung der erbrechtlichen Bestimmungen verbunden und können nicht vom Gesetzgeber in abstracto beantwortet werden. So bietet die vorliegende Revision für die Personen, die bereits Verfügungen von Todes wegen getroffen haben, die Gelegenheit, diese im Lichte der grösseren Testierfreiheit und der Klärungen durch das neue Recht zu überdenken und, falls sie dies wünschen, anzupassen. Es wird auch Aufgabe der Gerichte bleiben, im konkreten Einzelfall gestützt auf die
allgemeinen Regeln eine angemessene Lösung zu finden.

Der Bundesrat hat ausserdem geprüft, ob die vor dem Inkrafttreten der vorliegenden Revision errichteten Verfügungen von Todes wegen altem Recht unterstellt werden sollten. Dies hätte jedoch zur Folge, dass das alte Recht noch während mehrerer Jahre oder gar Jahrzehnte nach Inkrafttreten der vorliegenden Revision zur Anwendung gelangen würde. Damit würde die Umsetzung der mit der Revision verbundenen rechtspolitischen Ziele aber erheblich verzögert, was nicht im Sinne des Gesetzgebers sein kann. Es würden sich überdies schwierige Fragen stellen, wenn in einem Fall sowohl vor als auch nach der Revision Verfügungen errichtet wurden. Diese Lösung wurde deshalb nicht weiterverfolgt.

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3.10

Postulat Nantermod 16.3416

3.10.1

Gegenstand

Mit einem am 9. Juni 2016 eingereichten Postulat verlangte Nationalrat Philippe Nantermod vom Bundesrat, dass dieser die Möglichkeiten aufzeigt, wie das Zivilgesetzbuch geändert werden kann, damit Kinder aus Patchworkfamilien durch die gesetzliche Erbfolgeregelung nicht mehr benachteiligt werden.178 Gemäss der Begründung hat die fehlende verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Kindern und dem überlebenden Elternteil in Patchworkfamilien für die direkt Beteiligten unliebsame Folgen, die sie oft völlig unerwartet treffen. Es könne vorkommen, dass die Erbteile von Halbgeschwistern sich um ein Mehrfaches voneinander unterscheiden. Auch die Reihenfolge, in der die beiden Elternteile sterben, wobei der Todeszeitpunkt in manchen tragischen Fällen nur Minuten auseinanderliegen könne, habe enorme Auswirkungen auf die Erbteilung und führe zu einer Art makabren, deplatzierten Lotterie. Ausserdem könne es passieren, dass das Vermögen einer Familie aufgrund von Wiederverheiratungen in völlig fremde Hände gerate.

In seiner Stellungnahme vom 24. August 2016 erklärte sich der Bundesrat bereit, die im Postulat vorgeschlagenen Lösungsansätze im Rahmen der vorliegenden Botschaft zu prüfen.

3.10.2

Vorbemerkung

Es ist davon auszugehen, dass sich das Postulat ausschliesslich auf Patchworkfamilien bezieht, in denen die Erblasserin oder der Erblasser nebst einem Ehemann oder eingetragenen Partner beziehungsweise einer Ehefrau oder eingetragenen Partnerin Nachkommen hinterlässt, die nicht aus der Gemeinschaft dieser beiden Personen hervorgegangen sind. Die im Postulat angesprochenen Probleme stellen sich damit nicht in sogenannt traditionellen Familien, die ausschliesslich gemeinsame Kinder umfassen, bei Paaren ohne Kinder und in Familien, in denen nur die Ehefrau, der Ehemann, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner der verstorbenen Person Kinder hat. Sollten die unten geprüften Lösungsansätze umgesetzt werden, bildeten sie demnach eine Sonderregelung, die ausschliesslich für verheiratete Personen oder Personen in eingetragener Partnerschaft gälten, die Kinder aus einer früheren Beziehung haben.

Die dem Postulat zugrunde liegende Problemstellung kann anhand des folgenden Beispiels besser dargelegt werden.

Beispiel: Patchworkfamilie mit zwei Kindern: Herr Y ist mit Frau X verheiratet. Das Kind C stammt aus einer früheren Beziehung der Erblasserin X, das Kind G aus einer früheren Beziehung des überlebenden Ehemannes Y. Die Erblasserin X und ihr Ehemann Y verfügen über ein Vermögen von je 100 000 Franken, also insgesamt 200 000 Franken. Ohne letztwillige Verfügung, Erbvertrag oder Ehevertrag erhalten beim Tod von X ihr Ehemann Y und ihr Kind C je 50 000 Franken. Beim Tod von Y 178

Postulat Nantermod 16.3416 «Patchworkfamilien. Lösungen für eine zeitgemässe Regelung der gesetzlichen Erbfolge?»

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wird sein Kind G in der Folge 150 000 Franken erhalten (wenn sich das Vermögen von Y seit dem Tod von X nicht verändert hat), also 100 000 Franken mehr als ihr Kind C.

3.10.3

Im Postulat genannte Lösungsvorschläge

Ersatz des gesetzlichen Erbteils der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen oder Partner durch ein Nutzniessungsrecht gemäss Artikel 473 ZGB bei gesetzlicher Erbfolge Das Postulat nennt zunächst die Möglichkeit, der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise dem überlebenden Ehemann oder eingetragenen Partner anstelle des ihr oder ihm nach geltendem Recht zustehenden gesetzlichen Erbteils ein Nutzniessungsrecht gemäss Artikel 473 ZGB zu gewähren. Im geltenden Artikel 473 ZGB wird jedoch präzisiert, dass die Nutzniessung am ganzen den gemeinsamen Kindern zufallenden Teil der Erbschaft zugewendet werden kann; der Pflichtteil der nichtgemeinsamen Kinder kann folglich nicht belastet werden.

Beispiel: Patchworkfamilie mit drei Kindern: Herr Y ist mit Frau X verheiratet. Das Kind C stammt aus einer früheren Beziehung der Erblasserin X, das Kind G aus einer früheren Beziehung des überlebenden Ehemannes Y. A ist das gemeinsame Kind von X und Y. Die Eheleute verfügen über Vermögen von je 100 000 Franken, also insgesamt 200 000 Franken.

Gemäss diesem Vorschlag des Postulats würde der Nachlass beim Tod von Frau X wie folgt geteilt: Eine Hälfte (50 000 Franken) käme ihrem Kind C zu Eigentum zu, die andere Hälfte (50 000 Franken) würde dem gemeinsamen Kind A zugeteilt, jedoch mit der Nutzniessung zugunsten des überlebenden Ehemannes Y belastet.

Beim Tod von Y würden die Kinder A und G je 50 000 Franken erhalten. G erhielte nichts von dem, was vormalig X gehört hatte. Am Schluss hätten ihr Kind C 50 000 Franken, sein Kind G 50 000 Franken und das gemeinsame Kind A 100 000 Franken erhalten.

Nach geltendem Recht würde der Nachlass (ohne Nutzniessung) wie folgt aufgeteilt: ein Viertel (25 000 Franken) käme A zu, ein Viertel (25 000 Franken) C und die Hälfte (50 000 Franken) Y. Beim Tod von X erhielte G folglich nichts, hätte jedoch eine Anwartschaft auf einen Viertel beim Tod von Y. Beim Tod von Y erhielten A und G je 75 000 Franken. Am Schluss hätte C 25 000 Franken erhalten, G 75 000 Franken und das gemeinsame Kind A 100 000 Franken.

Damit hätte die im Postulat vorgeschlagene Lösung tatsächlich eine Besserstellung der Kinder der Erblasserin oder des Erblassers zur Folge. Durch diese Lösung würde der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin
beziehungsweise dem überlebenden Ehemann oder eingetragenen Partner allerdings jeglicher Anspruch auf Volleigentum entzogen. Da die betreffende Person nur ein Nutzniessungsrecht am Anteil der gemeinsamen Kinder hätte, könnte sie zwar bis zu ihrem Tod eine allfällige Liegenschaft, Möbel oder ein Fahrzeug nutzen, die im Rahmen der Erbteilung dem gemeinsamen Kind zugefallen wären; sie könnte jedoch beispielweise kein Geld erhalten (mit Ausnahme allfälliger Zinserträge).

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Diese Lösung ist folglich nicht im Interesse der überlebenden Ehegattin oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partners. Diese verlören nicht nur jeglichen Anspruch auf Volleigentum. Sie würden auch nicht gleich behandelt wie die Witwe, der Witwer, die überlebende eingetragene Partnerin oder der überlebende eingetragene Partner, die bei Paaren ohne Kinder oder bei Paaren mit ausschliesslich gemeinsamen Kindern Anspruch auf die Hälfte des Nachlasses zu Eigentum hätten. Eine solche Ungleichbehandlung erscheint weder sachgerecht noch erwünscht. Dies umso mehr, als die verstorbene Person die Möglichkeit gehabt hätte, die gesetzliche Erbfolge durch eine letztwillige Verfügung abzuändern.

Umwandlung des Erbes der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen oder Partner in einen gesetzlichen Anspruch gegenüber den Kindern Ferner wird im Postulat vorgeschlagen, den Erbteil der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehemannes oder eingetragenen Partners durch einen gesetzlichen Anspruch gegenüber den Kindern der Erblasserin oder des Erblassers zu ersetzen.

Da in der vorliegenden Revision nicht vorgesehen ist, die Erbteile zu ändern, ist dieser Vorschlag auf Grundlage der geltenden Erbteile zu prüfen. Nach Artikel 462 Ziffer 1 ZGB erhalten überlebende Ehegatten und überlebende eingetragene Partnerinnen oder Partner die Hälfte der Erbschaft, wenn sie mit Nachkommen zu teilen haben. Gemäss dem Vorschlag im Postulat verlören sie ihre Erbenstellung und hätten gegenüber den Nachkommen einen Anspruch in Höhe der Hälfte des Nachlasses.

Dieser gesetzliche Anspruch könnte sich an den Anspruch nach Artikel 606 ZGB anlehnen, wonach «Erben, die zur Zeit des Todes des Erblassers in dessen Haushaltung ihren Unterhalt erhalten haben», verlangen können, «dass ihnen nach dem Tode des Erblassers der Unterhalt noch während eines Monats auf Kosten der Erbschaft zuteil werde». Der neu zu schaffende Anspruch würde jedoch einen deutlich höheren Betrag umfassen.

Dabei ist zu beachten, dass dieser Anspruch gegenüber der Erbschaft oder gegenüber den Nachkommen entstehen könnte. Wenn der Anspruch gegenüber den Nachkommen entstünde, wie im Postulat erwähnt, wären die Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen
Partnerinnen und Partner noch schlechter gestellt. Denn bei einer Überschuldung von Erbinnen und Erben würde beispielsweise der Anspruch der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehemannes oder eingetragenen Partners mit anderen Forderungen konkurrieren und womöglich nur zum Teil befriedigt.

Folglich würde die Stellung der überlebenden Ehegattinnen oder Ehegatten beziehungsweise eingetragenen Partnerinnen oder Partner durch den Vorschlag, deren Erbe in einen gesetzlichen Anspruch gegenüber den Kindern umzuwandeln, in rechtlicher Hinsicht erheblich geschwächt, was der Bundesrat nicht möchte.

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Ablösung des gesetzlichen Erbteils der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen oder Partner durch ein «Unterhaltsvermächtnis» Im Postulat wird des Weiteren angeregt, den gesetzlichen Erbteil der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehemannes oder eingetragenen Partners durch ein «Unterhaltsvermächtnis» zulasten der Erbschaft abzulösen.

Der Bundesrat hat mit dem Entwurf seinen früheren Vorschlag aufgegeben, im Gesetz ein Unterhaltsvermächtnis einzuführen. Er schlägt vielmehr vor, einen «Unterstützungsanspruch» zugunsten der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder des überlebenden faktischen Lebenspartners einzuführen. Der Anspruch ist auf den effektiven Bedarf der überlebenden Partnerin oder des überlebenden Partners und auf einen Viertel des Nettovermögens der Erblasserin beziehungsweise des Erblassers beschränkt (siehe Ziff. 3.8).

Mit vorgeschlagenen Lösung könnte die im Postulat angesprochene Problematik gelöst werden. Wird der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise dem überlebenden Ehemann oder eingetragenen Partner die Erbenstellung entzogen, um sie durch ein Unterhaltsvermächtnis oder einen Unterhaltsanspruch zu ersetzen, wären nur die Nachkommen der verstorbenen Person Erben.

Dadurch würde das Problem der Reihenfolge des Versterbens behoben: Die Nachkommen beider Teile des Paares erhielten den gesamten Nachlass ihrer Vorfahrin beziehungsweise ihres Vorfahren.

Wie die anderen Lösungen weist eine solche Lösung aber zwei wesentliche Nachteile auf. Einerseits läuft sie darauf hinaus, dass eine der wesentlichen Wirkungen der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft aufgehoben wird: die Erbenstellung der Ehefrau oder des Ehemannes beziehungsweise der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners. In Konkurrenz zu Nachkommen verlören diese folglich ihren Anspruch auf die Hälfte der Erbschaft der Erblasserin oder der Erblassers zu Eigentum. Sie würden dadurch im Erbfall ­ insbesondere bei einem umfangreichen Nachlass ­ erheblich schlechter gestellt. Nach geltendem Recht erhielten sie einen weitaus grösseren Erbteil als mit dem vom Postulat vorgeschlagenen Unterhaltsvermächtnis oder Unterhaltsanspruch. Andererseits wäre die Anwendung auf die Mitglieder einer Patchworkfamilie
beschränkt. Bei Paaren ohne gemeinsame Kinder oder mit ausschliesslich gemeinsamen Kindern erhielte die überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise der überlebende Ehemann oder eingetragene Partner die Hälfte der Erbschaft zu Eigentum. Eine derartige Ungleichbehandlung wäre stossend und nicht zu rechtfertigen.

Einrichtung einer Erbfolgeverbindung zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Kindern für den Fall, dass das Erbe angetreten wird Eine weitere im Postulat vorgebrachte Idee zur Beseitigung der Ungleichbehandlung zwischen den Kindern einer Patchworkfamilie wäre die Einführung einer Erbfolgeverbindung zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Kindern der Erblasserin oder des Erblassers. Der Zweck einer solchen Erbfolgeverbindung bestünde darin, einen Teil des Vermögens der verstorbenen Person, das bei deren Tod der Ehefrau oder dem Ehemann zugekommen ist, später wieder in das Vermögen der Nachkom5875

BBl 2018

men der Erblasserin oder des Erblassers zurückzuführen. Das würde dazu beitragen, dass das Familienvermögen der verstorbenen Person beim Tod der Ehefrau oder des Ehemannes schliesslich an ihre eigenen Nachkommen fällt und nicht den Nachkommen der Ehefrau oder des Ehemannes zugutekommt.

Auf diese Weise könnten die Kinder der Ehefrau oder des Ehemannes zum Beispiel eine neue Kategorie gesetzlicher Erbinnen und Erben (wie die eigenen Kinder) bilden. Die resultierende Gleichstellung wäre allerdings nur sehr beschränkt, haben doch die nichtgemeinsamen Kinder noch eine zusätzliche Anwartschaft auf das Erbe ihres zweiten Elternteils der früheren Beziehungen. Die nichtgemeinsamen Kinder wären somit gegenüber den gemeinsamen Kindern ungerechtfertigterweise bevorteilt.

Sodann existiert nach geltendem Recht keine rechtliche Verbindung zwischen der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise dem überlebenden Ehemann oder eingetragenen Partner und den Nachkommen der verstorbenen Person, sodass die Schaffung einer Erbfolgeverbindung zwischen diesen der Logik des geltenden Rechts zuwiderlaufen würde. Und weil schliesslich auch im Rahmen der vorliegenden Revision keine Erbfolgeverbindung zwischen faktischen Lebenspartnerinnen oder Lebenspartnern geschaffen werden soll, muss dies umso mehr im Verhältnis zwischen Erblasserin oder Erblasser und den Kindern ihres Ehemannes oder seiner Ehefrau gelten.

3.10.4

Fazit

Das Anliegen des Postulats kann mit keinem der geprüften Vorschläge zufriedenstellend erfüllt werden. Die im Postulat angesprochene Problematik muss anders gelöst werden als durch eine Änderung des Erbrechts der Eheleute und eingetragenen Partnerinnen oder Partner in Patchworkfamilien. Eine Schwächung oder Aufhebung der Erbberechtigung der Eheleute und der eingetragenen Partnerinnen oder Partner mit Kindern aus einer früheren Beziehung ist mit der Entwicklung und den Werten unserer Gesellschaft nicht vereinbar. Zudem läuft sie der allgemeinen internationalen Entwicklung entgegen, die Stellung der überlebenden Ehegattinnen und Ehegatten und eingetragenen Partnerinnen oder Partner zu stärken. Eine solche Lösung widerspräche schliesslich auch dem der Revision zugrundeliegenden parlamentarischen Auftrag, die Verfügungsfreiheit der Erblasserin oder des Erblassers zu erhöhen, ohne die Stellung der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehemannes oder eingetragenen Partners zu schwächen.

Wer heiratet oder eine eingetragene Partnerschaft schliesst, ist sich bewusst, dass die Ehefrau oder der Ehemann beziehungsweise die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner dadurch eine gesetzliche Erbberechtigung erhält und so der Erbteil der eigenen Nachkommen entsprechend reduziert wird. Das geltende Recht bietet verschiedene Möglichkeiten, um dies zu vermeiden und zum Beispiel sicherzustellen, dass eine Liegenschaft der Familie im Todesfall statt an die Ehefrau oder den Ehemann beziehungsweise die eingetragene Partnerin oder den eingetragenen Partner an die eigenen Nachkommen fällt. So kann ein Erbvertrag abgeschlossen 5876

BBl 2018

werden, in dem die Aufteilung des Vermögens im Todesfall geregelt oder teilweise oder ganz auf künftige Erbansprüche verzichtet wird. Es besteht ausserdem auch die Möglichkeit, eine letztwillige Verfügung zugunsten der eigenen Nachkommen zu verfassen und die Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise den Ehemann oder eingetragenen Partner auf den Pflichtteil zu setzen, ihr oder ihm anstelle des Erbteils eine Nutzniessung einzuräumen oder eine Nacherbeneinsetzung vorzusehen. Das geltende Recht bietet somit Möglichkeiten, um zu verhindern, dass die Nachkommen aus einer früheren Beziehung durch die Wirkungen der neuen Ehe oder eingetragenen Partnerschaft benachteiligt werden. Jede Person ist frei und selbst dafür verantwortlich, diese Möglichkeiten zu nutzen.

4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der beantragten Neuregelung werden die Aufträge der eingangs zur Abschreibung beantragten parlamentarischen Vorstösse erfüllt: 2011

M 10.3524

Für ein zeitgemässes Erbrecht (S 23.09.10 Gutzwiller; N 02.03.11; S 07.06.11)

2017

P

Patchworkfamilien. Lösungen für eine zeitgemässe Regelung der gesetzlichen Erbfolge?

(N 15.03.17, Nantermod)

16.3416

Die folgenden parlamentarischen Vorstösse werden im Rahmen einer nachfolgenden Revision des Erbrechts behandelt (vgl. Ziff. 2.6): 2014

P

14.3782

Richtlinien für den
2015

P

15.3213

Prüfung der Aufsicht über testamentarische Willensvollstrecker (S 10.06.2015, Fetz)

5

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

5.1

Zivilgesetzbuch

Art. 120 Abs. 2 und 3 (Erbrechtliche Folgen der Scheidung) Abs. 2: Die Eheleute haben ein gegenseitiges Erbrecht, solange die Ehe Bestand hat (d. h. bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft des Scheidungsurteils). Dies ergibt sich zwar bereits aus Artikel 462 ZGB, der den Erbanspruch der überlebenden Ehefrau oder des überlebenden Ehemannes regelt. Die Bestimmung zu den Scheidungsfolgen, wonach geschiedene Eheleute ausdrücklich kein gegenseitiges gesetzliches Erbrecht haben, soll jedoch beibehalten werden.

Die Folgen der Scheidung für die Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen sind nun in Absatz 3 geregelt.

5877

BBl 2018

Abs. 3: Der neue Absatz 3 Ziffer 1 entspricht dem geltenden Recht, wonach die Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft des Scheidungsurteils hinfällig werden, sofern keine anderweitige Anordnung in einer letztwilligen Verfügung oder einem Erbvertrag getroffen wurde.

Der neue Absatz 3 Ziffer 2 regelt ausserdem die Wirkungen des Todes der Ehegattin oder des Ehegatten während eines Scheidungsverfahrens. Der Tod der Ehefrau oder des Ehemannes während des Scheidungsverfahrens lässt dieses gegenstandslos werden. Weder die überlebende Ehegattin oder der überlebende Ehegatte noch die Erben der verstorbenen Person können das Verfahren weiterführen.179 Durch dessen Einleitung bringen die Eheleute beziehungsweise die Ehegattin oder der Ehegatte zum Ausdruck, dass sie ihre Ehe endgültig beenden wollen. Der Gesetzgeber hat bereits entschieden, die güterrechtliche Auseinandersetzung (Art. 204 Abs. 2 ZGB) und den Vorsorgeausgleich (Art. 122 ZGB) auf den Tag zurückzubeziehen, an dem das Scheidungsbegehren eingereicht wurde. Der Bundesrat schlägt vor, in Bezug auf die Pflichtteile (Ziff. 3.3.3 und Art. 472 E-ZGB) und auf die Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen in gleicher Weise vorzugehen.

Stirbt eine verheiratete Person während des Scheidungsverfahrens, so kann die überlebende Ehegattin oder der überlebende Ehegatte unter Vorbehalt einer abweichenden Anordnung in einer Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) folglich keine Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen zu ihren oder seinen Gunsten geltend machen, wenn das Scheidungsverfahren nach Artikel 472 E-ZGB den Verlust des Pflichtteilsanspruchs zur Folge hat. Stirbt die Ehefrau oder der Ehegatte hingegen während eines Scheidungsverfahrens, das die Voraussetzungen nach Artikel 472 E-ZGB nicht erfüllt, so behalten die Verfügungen von Todes wegen zugunsten der überlebenden Person ihre Gültigkeit.

Art. 216 Abs. 2­4

(Ehevertrag und Pflichtteil der Nachkommen unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung)

Abs. 2: Gemäss Absatz 1 dieser Bestimmung können die Eheleute im Rahmen eines Ehevertrages vereinbaren, sich in Abweichung von Artikel 215 ZGB gegenseitig mehr als die Hälfte bis hin zum gesamten Vorschlag zuzuweisen. Dies hat zur Folge, dass nur der Wert des Eigenguts der verstorbenen Person zum Nachlass zählt.

Damit die gemeinsamen Nachkommen, deren Pflichtteil durch die vorliegende Revision verkleinert wird (Art. 471 E-ZGB), nicht zu stark benachteiligt werden, wird im neuen Absatz 2 vorgeschlagen, die Vereinbarung, mit welcher eine überhälftige Vorschlagszuteilung vorgenommen wird, bei der Berechnung der Pflichtteile in die Pflichtteilsberechnungsmasse einzubeziehen, «soweit sie den überlebenden Ehegatten begünstigen», was schon bisher von einem gewichtigen Teil der Lehre gefordert wurde180, aber nach wie vor umstritten ist. Der Masse hinzugerechnet wird folglich ausschliesslich der Teil des Vorschlags, der zusätzlich zugewiesen wird, der also die nach Artikel 215 ZGB gesetzlich vorgesehene Hälfte des Vorschlags übersteigt. Dies gilt sowohl unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung als auch bei einer Gütergemeinschaft: Da die Frage der Hinzurechnung nunmehr in 179 180

Werro, Rz. 354 Deschenaux/Steinauer/Baddeley, Rz.1351 und Fn. 18.

5878

BBl 2018

Artikel 216 E-ZGB geregelt wird, muss Artikel 241 ZGB diesbezüglich nicht geändert werden.

Diese Regelung gilt auch für eingetragene Partnerinnen und Partner, die den Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung gewählt haben (Art. 25 Abs. 1 PartG).

Die vorgeschlagene Lösung weist zwei Vorteile auf: Die Pflichtteilsberechnungsmasse wird höher ausfallen und die Pflichtteile aller Pflichtteilsberechtigten (gemeinsame und nichtgemeinsame Nachkommen, überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin bzw. überlebender Ehemann oder eingetragener Partner) werden auf der Grundlage der gleichen Berechnung festgelegt.

Abs. 3: Die Vereinbarung einer überhälftigen Vorschlagszuweisung durch Ehe- oder Vermögensvertrag bildet eine Zuwendung unter Lebenden, was zur Beendigung eines Lehrstreits festgehalten wird (siehe Ziff. 3.5.2). Als solche wird sie nach den Verfügungen von Todes wegen herabgesetzt (Art. 532 Abs. 1 E-ZGB).

Wie nach geltendem Recht können nur die nichtgemeinsamen Kinder und deren Nachkommen die Herabsetzung verlangen, soweit ihr Pflichtteil im Erbgang verletzt wird.

Abs. 4: Auch wenn die gemeinsamen Kinder kein Recht haben, die Herabsetzung der überhälftigen Vorschlagszuweisung an die überlebende Ehegattin oder den überlebenden Ehegatten zu verlangen, wird ihre Stellung durch die neue Regelung in zweierlei Hinsicht verbessert: Einerseits wird die Pflichtteilsberechnungsmasse damit erhöht, andererseits erhalten die gemeinsamen Kinder im Fall der Wiederverheiratung der überlebenden Ehegattin oder des überlebenden Ehegatten das Recht, ihren Pflichtteil, den sie aufgrund der ehevertraglichen Vorschlagszuweisung nicht erhalten haben, in einem späteren Zeitpunkt durchzusetzen.

Für Berechnungsbeispiele zu Artikel 216 E-ZGB siehe Ziff. 3.5.4.

Art. 217 Abs. 2

(Ehevertrag und Tod während eines Scheidungsverfahrens unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung)

Bei Scheidung, Trennung, Ungültigerklärung der Ehe oder gerichtlicher Anordnung der Gütertrennung sind nach geltendem Recht die Vereinbarungen eines Ehevertrags über die Änderung der gesetzlichen Beteiligung am Vorschlag (unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung) nur verbindlich, wenn der Ehevertrag dies ausdrücklich vorsieht (Art. 217 ZGB).

Künftig soll diese Regel auch zur Anwendung kommen, wenn der Güterstand als Folge des Todes der Ehefrau oder des Ehemannes während eines Scheidungsverfahrens aufgelöst wird, sofern es sich um ein Scheidungsverfahren handelt, das nach Artikel 472 E-ZGB den Verlust des Pflichtteilsanspruchs des überlebenden Ehemannes beziehungsweise der überlebenden Ehefrau zur Folge hat und soweit sich in einem Ehevertrag keine abweichende Anordnung findet (vgl. Ziff. 3.3.3).

5879

BBl 2018

Art. 241 Abs. 4

(Ehevertrag und Tod während eines Scheidungsverfahrens unter dem Güterstand der Gütergemeinschaft)

Bei Scheidung, Trennung, Ungültigerklärung der Ehe oder Eintritt der gesetzlichen oder gerichtlichen Gütertrennung (unter dem Güterstand der Gütergemeinschaft) gelten ehevertragliche Vereinbarungen über die Änderung der gesetzlichen Teilung nach geltendem Recht nur, wenn der Ehevertrag dies ausdrücklich vorsieht (Art. 242 Abs. 3 ZGB).

In Zukunft soll dies ­ unter Vorbehalt einer abweichenden Anordnung in einem Ehevertrag ­ auch gelten, wenn der Güterstand als Folge des Todes der Ehefrau oder des Ehemannes während eines Scheidungsverfahrens aufgelöst wird, das nach Artikel 472 E-ZGB den Verlust des Pflichtteilsanspruchs des überlebenden Ehemannes beziehungsweise der überlebenden Ehefrau zur Folge hat (vgl. Ziff. 3.3.3).

Art. 470 Abs. 1

(Pflichtteilsberechtigte Erben)

In diesem Absatz werden die pflichtteilsberechtigten Erbinnen und Erben aufgeführt. Die Aufzählung ist anzupassen, da der Pflichtteil der Eltern in Artikel 471 E-ZGB aufgehoben wird. Der Ausdruck «Eltern» wird folglich aus der Bestimmung gestrichen.

Art. 471

II. Pflichtteil

Um die Verfügungsfreiheit der Erblasserin oder des Erblassers zu erhöhen, ohne die Stellung der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise des überlebenden Ehemannes oder eingetragenen Partners zu verschlechtern, wird im Entwurf vorgeschlagen, den Pflichtteil der Nachkommen von drei Vierteln auf die Hälfte zu reduzieren, den Pflichtteil der Eltern aufzuheben und den Pflichtteil der Ehegattinnen und Ehegatten beziehungsweise eingetragenen Partnerinnen und Partner bei der Hälfte zu belassen. Durch diese Lösung wird den Bedenken Rechnung getragen, die in der Vernehmlassung zum Vorentwurf geäussert wurden. Das heutige komplexe System wird dadurch vereinfacht: Künftig haben sämtliche Pflichtteilsberechtigten Anspruch auf einen Pflichtteil im Umfang der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils. Artikel 471 kann entsprechend einfacher formuliert werden.

Sind pflichtteilsberechtigte Erbinnen und Erben vorhanden, so variiert die verfügbare Quote gemäss Entwurf wie in der Tabelle unter Ziff. 3.2.5 dargelegt.

Art. 472

III. Verlust des Pflichtteilsanspruchs

Randtitel: Artikel 472 E-ZGB bestimmt, in welchen Fällen die überlebende Ehefrau oder eingetragene Partnerin beziehungsweise der überlebende Ehemann oder eingetragene Partner aufgrund eines hängigen Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens ihren oder seinen Pflichtteil nach Artikel 471 ZGB nicht mehr beanspruchen kann.

Infolge dieser Regelung fällt die verfügbare Quote höher aus und kann die Erblasserin oder der Erblasser einen grösseren Teil anderen Personen zuwenden (vgl.

Ziff. 3.3).

5880

BBl 2018

Abs. 1: Stirbt die Erblasserin oder der Erblasser während eines Scheidungsverfahrens, das die Voraussetzungen von Ziffer 1 oder 2 erfüllt, so ist der überlebende Ehemann beziehungsweise die überlebende Ehefrau nicht pflichtteilsberechtigt. Er oder sie hat jedoch nach wie vor einen gesetzlichen Erbanspruch. Um der betreffenden Person die Erbenstellung ganz zu entziehen, muss die Erblasserin oder der Erblasser somit eine Verfügung von Todes wegen treffen. Liegt keine solche Verfügung vor, behält die überlebende Person ihr gesetzliches Erbrecht (Art. 462 ZGB).

Die überlebende Ehefrau oder der überlebende Ehemann verliert ihren beziehungsweise seinen Pflichtteilsanspruch, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist: Ziff. 1: Das Scheidungsverfahren wurde auf gemeinsames Begehren eingeleitet (Art. 111­112 ZGB). Durch die Einreichung des gemeinsamen Scheidungsbegehrens bringen die Eheleute zum Ausdruck, dass sie beide der Scheidung im Grundsatz zustimmen, das heisst ihre Ehe beenden wollen. Entsprechend erscheint es gerechtfertigt, dass der Pflichtteilsanspruch mit der Einreichung des Scheidungsbegehrens entfällt.

Ziff. 2: Das Scheidungsverfahren wurde auf Klage hin eingeleitet (Art. 114 oder 115 ZGB), in der Folge jedoch in eine Scheidung auf gemeinsames Begehren umgewandelt, weil beide Parteien mit der Scheidung einverstanden sind (nach Art. 292 Abs. 1 Bst. b der Zivilprozessordnung181, ZPO). In diesem Fall verlieren beide Eheleute den Pflichtteilsanspruch, sobald sie der Scheidung im Grundsatz zugestimmt haben.

Schliesslich verliert die überlebende Ehefrau oder der überlebende Ehemann ihre beziehungsweise seinen Pflichtteilsanspruch, wenn das Scheidungsverfahren auf Klage hin eingeleitet wurde und die Eheleute beim Tod der Erblasserin oder des Erblassers mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben. Der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage ist dabei nicht massgebend; es spielt folglich keine Rolle, ob die Voraussetzung des zweijährigen Getrenntlebens bei der Einleitung des Verfahrens bereits erfüllt war oder nicht. Ausschlaggebend ist, ob die Eheleute zum Todeszeitpunkt seit mindestens zwei Jahren getrennt gelebt haben. Die Frist von zwei Jahren ist an die Frist von Artikel 114 Absatz 1 ZGB angelehnt.

Für den Fall, dass das Scheidungsverfahren auf Klage und gestützt auf Artikel
115 ZGB eingeleitet wurde, weil geltend gemacht wird, die Fortsetzung der Ehe sei nicht mehr zumutbar, ist daran zu erinnern, dass in derartigen Fällen auch eine Enterbung (Art. 477 ZGB) in Betracht kommen könnte. Sind die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, kann die Erblasserin ihren Ehemann beziehungsweise der Erblasser seine Ehefrau enterben, ohne den Ablauf der zweijährigen Frist abwarten zu müssen.

Abs. 2: Bei Verfahren zur Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gilt sinngemäss die gleiche Regelung.

Art. 473

IV. Nutzniessung

Randtitel: Der Randtitel wird vereinfacht, sodass der Inhalt der Bestimmung klar zum Ausdruck kommt.

181

SR 272

5881

BBl 2018

Abs. 1: Da seit dem 1. Januar 2018 gemäss Artikel 264c Absatz 1 Ziffer 2 ZGB das Kind der eingetragenen Partnerin beziehungsweise des eingetragenen Partners adoptiert werden kann (und somit auch gleichgeschlechtliche Paare gemeinsame Nachkommen haben können), müssen auch die eingetragenen Partnerinnen und Partner die Möglichkeit erhalten, der überlebenden Partnerin oder dem überlebenden Partner die Nutzniessung am ganzen den gemeinsamen Nachkommen zufallenden Teil der Erbschaft zuzuwenden. Der Wortlaut des Artikels wird deshalb entsprechend angepasst.

Um zukünftig jegliche Zweifel zu beseitigen, wird ausdrücklich im Gesetz festgehalten, dass die Erblasserin oder der Erblasser unabhängig davon, wie sie oder er mit dem verfügbaren Teil der Erbschaft umgeht, dem überlebenden Ehemann oder eingetragenen Partner beziehungsweise der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin die Nutzniessung am ganzen den gemeinsamen Nachkommen zufallenden Teil der Erbschaft zuwenden kann (Nutzniessungsvermächtnis). Es besteht folglich die Möglichkeit, der überlebenden Person die Hälfte des Vermögens zu vollem Eigentum zuzuweisen und die andere Hälfte zur Nutzniessung, wobei die gemeinsamen Nachkommen das nackte Eigentum an dieser Hälfte erhalten.

In der französischen Fassung wird ausserdem der Ausdruck «enfants» (Kinder) durch «descendants» (Nachkommen; der Ausdruck umfasst sämtliche Nachkommen der ersten Parentel) ersetzt. Dieser Begriff ist genauer und entspricht der deutschen («gemeinsame Nachkommen») und italienischen («discendenti comuni») Fassung sowie der einstimmigen Auffassung der Lehre.182 Abs. 2: Die einzige Änderung im Vergleich mit dem geltenden Recht betrifft die Höhe der verfügbaren Quote bei einer Nutzniessung. Zur Erhöhung der erblasserischen Verfügungsfreiheit beträgt diese Quote neu die Hälfte und nicht einen Viertel.

Sie entspricht somit der üblichen verfügbaren Quote gemäss der geänderten Pflichtteilsregelung (Art. 471 E-ZGB).

In der italienischen Fassung wird der Ausdruck «legittima» duch «quota ereditaria legale» ersetzt, damit sie der deutschen («gesetzliches Erbrecht») und französischen («droit de succession attribué par la loi») entspricht. Die Nutzniessung tritt «an die Stelle des dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner neben diesen Nachkommen
zustehenden gesetzlichen Erbrechts», wobei die Beanspruchung des Pflichtteils anstelle der Nutzniessung vorbehalten bleibt (vgl.

Ziff. 3.4.3). Da die Bestimmung in Anwendung von Absatz 1 ausschliesslich auf die gemeinsamen Nachkommen anwendbar ist, ist es nicht sachgerecht, den zweiten Teil des Satzes zu ändern, der gemäss einigen Autorinnen und Autoren zur Folge haben soll, dass die verfügbare Quote bei Vorhandensein gemeinsamer und nichtgemeinsamer Nachkommen anhand der gesamten Erbschaft zu berechnen wäre. 183 Der zweite Teil ist vielmehr wie folgt zu verstehen: Die verfügbare Quote beträgt die Hälfte des den gemeinsamen Nachkommen zufallenden Nachlasses. 184 Das Beispiel (siehe Ziff. 3.4.3) zur Erbteilung bei Vorhandensein gemeinsamer und nichtgemeinsamer Nachkommen zeigt deutlich, welchen Zweck die Bestimmung 182 183 184

Guinand/Stettler/Leuba, Rz. 119; Steinauer, Successions, Rz. 435 m.w.Nachw.

Sutter-Somm/Ammann, Rz. 75 m.Nachw.

Carlin, S. 209.

5882

BBl 2018

verfolgt und wie vorzugehen ist, wenn mit gemeinsamen und nichtgemeinsamen Kindern geteilt werden muss.

Abs. 3: Im Falle der Wiederverheiratung der Ehefrau oder des Ehemannes, die oder der mit einem Nutzniessungsanspruch nach Artikel 473 E-ZGB bedacht wurde, können die Nachkommen ihren Pflichtteilsanspruch geltend machen. Diese Möglichkeit wird nun auf die Begründung einer neuen eingetragenen Partnerschaft ausgedehnt.

Art. 474 Abs. 2

(Abzug der Schulden)

Dieser Absatz wird ergänzt, damit der Unterstützungsanspruch, welcher der faktischen Lebenspartnerin oder dem faktischen Lebenspartner geschuldet ist (Ziff. 3.8 und Art. 606a E-ZGB), ebenfalls von der Erbschaft abgezogen wird, und zwar in gleicher Weise wie die Ansprüche der Hausgenossen auf Unterhalt während eines Monats (Art. 606 ZGB).

Art. 476

3. Versicherung und gebundene Selbstvorsorge

Randtitel: Der Randtitel wird angepasst, damit er dem geänderten Inhalt des Artikels entspricht, in dem neu die Frage der Behandlung der gebundenen Selbstvorsorge bei der Nachlassregelung geklärt wird.

Abs. 1: In diesem Absatz wird der Wortlaut des geltenden Artikels 476 ZGB übernommen. Dabei wird klargestellt, dass Versicherungsansprüche der gebundenen Selbstvorsorge ebenfalls in dessen Geltungsbereich fallen und folglich auch (zum Rückkaufswert) zur Pflichtteilsberechnungsmasse gerechnet werden. Entsprechend können die Erbinnen und Erben bei einer Verletzung ihres Pflichtteils deren Herabsetzung verlangen (Art. 529 und 532 E-ZGB). Um im französischen Text zu verdeutlichen, dass es sich um eine Hinzurechnung handelt, wird der aktuelle Ausdruck «comprises dans la succession» (die Versicherungsansprüche sind im Vermögen inbegriffen) durch «ajoutées à la succession» (die Versicherungsansprüche werden zum Vermögen hinzugerechnet) ersetzt. Auch die deutsche Fassung wird entsprechend angepasst «zu dessen Vermögen hinzugerechnet». In der italienischen Fassung «sono computate nella successione» kommt dies bereits klar zum Ausdruck.

Wie bereits unter geltendem Recht wird nur der Rückkaufswert dem Nachlass angerechnet. Der Vorschlag des Vorentwurfs, wonach die gesamten Versicherungsleistungen hätten angerechnet werden müssen, wurde fallengelassen. Gibt es keinen Rückkaufswert, so findet keine erbrechtliche Anrechnung statt.

Abs. 2: Durch diesen neuen Absatz wird in Verbindung mit Artikel 82 E-BVG der Umgang mit den Ansprüchen der Begünstigten der Säule 3a bei einer Bankstiftung im Gesetz verankert und damit ein Lehrstreit beendet (siehe Ziff. 3.6.2): Die Ansprüche fallen nicht in den Nachlass, werden aber zur Pflichtteilsberechnungsmasse hinzugerechnet. So wird dem in Artikel 111 BV definierten Hauptzweck der Säule 3a ­ der Vorsorge ­ Rechnung getragen. Die Guthaben der Erbinnen und Erben sowie weiterer Begünstigter aus der Säule 3a sind nicht Bestandteil des Vermögens der Erblasserin oder des Erblassers. Sie werden jedoch hinzugerechnet und können

5883

BBl 2018

Gegenstand einer Herabsetzungsklage sein (Art. 529 und 532 E-ZGB), wenn sie die verfügbare Quote übersteigen.

Da in Artikel 82 Absatz 1 E-BVG die beiden einzigen anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge genannt werden, kann hier festgehalten werden, dass sich die Bestimmung auf die gebundene Selbstvorsorge bei Bankstiftungen bezieht.

Art. 494 Abs. 3

(Klage aus Erbvertrag)

Gestützt auf die Änderungen, die im vorliegenden Entwurf im Bereich der Herabsetzung vorgeschlagen werden, schlägt der Bundesrat vor, auch die Bestimmung klarzustellen, welche Personen, die mit erbvertraglichen Verpflichtungen begünstigt wurden, bestimmte Anordnungen der Erblasserin oder des Erblassers anfechten und entsprechende Herabsetzungen verlangen können.

Nach dem neuen Wortlaut der Bestimmung können die Verfügungen von Todes wegen und die unentgeltlichen Zuwendungen unter Lebenden der Erblasserin oder des Erblassers (nach deren bzw. dessen Tod) angefochten werden, wenn folgende zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: (1) Die Verfügungen und Zuwendungen sind mit den Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar, namentlich schmälern sie erbvertraglich vereinbarte Begünstigungen; (2) sie sind im Erbvertrag nicht vorbehalten worden.

Gemäss dem Entwurf sind die üblichen Gelegenheitsgeschenke ausgenommen. Die Erblasserin oder der Erblasser muss trotz eines Erbvertrags frei sein, Gelegenheitsgeschenke auszurichten. Demgegenüber setzt gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts die « und daherige Anfechtbarkeit von Schenkungen [...]

eine besondere obligatorische Verpflichtung des Erblassers, solche zu unterlassen, voraus».185 Diese Rechtsprechung wird mit der vorliegenden Revision ihre Gültigkeit verlieren: Schenkungen, die über Gelegenheitsgeschenke hinausgehen, sollen grundsätzlich anfechtbar werden.186 Im Vergleich zum geltenden Wortlaut des Gesetzes wird der Ausdruck «Schenkungen» durch den weiteren Begriff der «Zuwendungen unter Lebenden» ersetzt. So können namentlich auch Zuwendungen aufgrund von Ehe- oder Vermögensverträgen nach Artikel 216 Absatz 2 E-ZGB beziehungsweise Artikel 25 Absatz 1 PartG angefochten werden. Diese Zuwendungen unterliegen auch der Herabsetzung (siehe Art. 532 E-ZGB).

Art. 522

B. Herabsetzungsklage

Abs. 1: Dieser Absatz wird zur besseren Verständlichkeit vollständig neu formuliert, auch wenn inhaltlich nur eine Änderung vorgenommen wird: So kann neu nach Ziffer 1 ausdrücklich die Herabsetzung des Intestaterwerbs verlangt werden, das heisst der Erwerbungen gemäss der gesetzlichen Erbfolge (Art. 481 Abs. 2 ZGB), die nicht nach dem erklärten Willen der Erblasserin oder des Erblassers erworben wurden. Dies war bisher umstritten (siehe Ziff. 3.7.2). In den Ziffern 2 und 3 wird 185 186

BGE 70 II 255 E. 2; BGE 140 III 193 E. 2.1.

In Einklang mit der herrschenden Lehre, namentlich Eitel/Elmiger, S. 269; PraxKomm Erbrecht-Grundmann, Art. 494 N 22 ff.

5884

BBl 2018

ausdrücklich bestätigt, dass sowohl Zuwendungen von Todes wegen als auch Zuwendungen unter Lebenden der Herabsetzung unterliegen können.

Die übrigen Änderungen des Absatzes sind redaktioneller Natur. Im Einleitungssatz wird festgehalten, dass die Herabsetzungsklage von den Erbinnen und Erben angestrengt werden kann, «die dem Werte nach weniger als ihren Pflichtteil erhalten», anstatt «die nicht dem Werte nach ihren Pflichtteil erhalten». Der Teilsatz «hat der Erblasser seine Verfügungsbefugnis überschritten» im ersten Absatz wird gestrichen, denn im Fall eines Intestaterwerbs kann die verfügbare Quote gerade nicht überschritten werden.187 Schliesslich wird der Ausdruck «auf das erlaubte Mass» durch «bis der Pflichtteil hergestellt ist» ersetzt. Diese Wendung ist klarer, denn gerade dazu dient eine Herabsetzungsklage.

Abs. 2: Gegenüber dem geltenden Recht wird klargestellt, dass dieser Absatz nur auf Verfügungen von Todes wegen anwendbar ist.

Art. 523

2. Pflichtteilsberechtigte

Randtitel: Der Randtitel wird an den neuen Inhalt des Artikels angepasst, der ausschliesslich die Herabsetzung unter pflichtteilsberechtigten Erbinnen und Erben betrifft.

Die nach Artikel 522 Absatz 1 Ziffer 1 E-ZGB neu erwähnte Möglichkeit, die Erwerbungen gemäss der gesetzlichen Erbfolge herabsetzen zu lassen, muss auch für den Fall einer Herabsetzung unter pflichtteilsberechtigten Miterbinnen und Miterben vorgesehen werden. Artikel 523 ZGB wird entsprechend angepasst; neben den Zuwendungen, die unter den pflichtteilsberechtigten Miterbinnen und Miterben herabsetzbar sind, können nun auch die «Erwerbungen gemäss der gesetzlichen Erbfolge» herabgesetzt werden. Dabei wird nicht festgelegt, in welchem Umfang der Intestaterwerb der Pflichtteilsberechtigten herabgesetzt werden kann. Die Präzisierung «unter Miterben» des geltenden Rechts ist überflüssig, denn es können ausschliesslich pflichtteilsberechtigte Erbinnen und Erben auf Herabsetzung klagen. Sie wird deshalb gestrichen. Der Ausdruck «bei Überschreitung der Verfügungsbefugnis» wird aus denselben Gründen wie in Artikel 522 Absatz 1 E-ZGB ebenfalls gestrichen.

Art. 529

4. Versicherung und gebundene Selbstvorsorge

Randtitel: Der Randtitel wird angepasst, damit er dem geänderten Inhalt des Artikels entspricht, in dem neu die Frage der Behandlung der gebundenen Selbstvorsorge bei der Nachlassregelung geklärt wird.

Abs. 1: In diesem Absatz wird der Wortlaut des geltenden Artikels 529 ZGB übernommen. Dabei wird klargestellt, dass Versicherungsansprüche der gebundenen Selbstvorsorge ebenfalls in dessen Geltungsbereich fallen und folglich auch (mit ihrem Rückkaufswert) der Herabsetzung unterliegen. Dieser Einschub geht mit der in Artikel 476 Absatz 1 E-ZGB vorgeschlagenen Änderung einher, wonach solche

187

Steinauer, Acquisitions, S. 86.

5885

BBl 2018

Ansprüche der Pflichtteilsberechnungsmasse hinzugerechnet werden. Entsprechend bedarf es einer Gesetzesgrundlage für deren Herabsetzung.

Abs. 2: Es muss zudem eine Gesetzesgrundlage geschaffen werden, damit auch die Ansprüche der Begünstigten der Säule 3a bei einer Bankstiftung herabgesetzt werden können. Deshalb wird Artikel 529 ZGB um einem Absatz ergänzt, dessen Wortlaut Artikel 476 Absatz 2 E-ZGB entspricht. Wenn die Ansprüche die verfügbare Quote übersteigen, können sie Gegenstand einer Herabsetzungsklage sein.

Art. 532

III. Durchführung

Dieser Artikel wird geändert, um der in den Artikeln 522 und 523 E-ZGB neu erwähnten Möglichkeit der Herabsetzung des Intestaterwerbs Rechnung zu tragen und im Gesetz festzuhalten, in welcher Reihenfolge die Zuwendungen unter Lebenden herabgesetzt werden.

Abs. 1: Entsprechend dem bereits im Vorentwurf formulierten Vorschlag werden die Erwerbungen gemäss der gesetzlichen Erbfolge (Intestaterwerb; Ziff. 1) vor den Verfügungen von Todes wegen (Ziff. 2) herabgesetzt. Mit dieser Lösung wird dem von der Erblasserin oder vom Erblasser in einer Verfügung von Todes wegen geäusserten Willen gegenüber dem Erwerb von Erbanteilen in Anwendung des Gesetzes der Vorrang eingeräumt (siehe Ziff. 3.7.2). Im Übrigen wird die geltende Herabsetzungsreihenfolge beibehalten: Die lebzeitigen Zuwendungen werden zuletzt herabgesetzt (Ziff. 3), das heisst nach den Verfügungen von Todes wegen.

Abs. 2: Die späteren Zuwendungen unter Lebenden werden weiterhin vor den früheren herabgesetzt. Anders als im geltenden Recht wird jedoch die Reihenfolge der Herabsetzung der verschiedenen Arten von Zuwendungen unter Lebenden im Gesetz festgelegt: In erster Linie werden immer die der Hinzurechnung unterliegenden Zuwendungen aus Ehevertrag oder Vermögensvertrag herabgesetzt (Ziff. 1), das heisst diejenigen, mit denen der überlebenden Ehefrau oder eingetragenen Partnerin beziehungsweise dem überlebenden Ehemann oder eingetragenen Partner mehr als die Hälfte des Vorschlags zugewiesen wird (siehe Art. 216 Abs. 2 E-ZGB). Durch die Präzisierung, wonach ausschliesslich «die der Hinzurechnung unterliegenden Zuwendungen aus Ehevertrag oder Vermögensvertrag» betroffen sind, werden die Vereinbarungen nach Artikel 181 ZGB (Vereinbarung eines Güterstands), Artikel 199 ZGB (Bestimmung der Vermögenswerte der Errungenschaft für die Ausübung eines Berufes oder den Betrieb eines Gewerbes) und Artikel 206 Absatz 3 ZGB (Mehrwertanteil an einem Vermögensgegenstand) vom Anwendungsbereich der Bestimmung ausgeschlossen.

In zweiter Linie werden die frei widerruflichen Zuwendungen sowie die Leistungen aus der gebundenen Selbstvorsorge jeweils im gleichen Verhältnis herabgesetzt (Ziff. 2). Bei den frei widerruflichen Zuwendungen handelt es sich um die frei widerruflichen Schenkungen nach Artikel 527 Ziffer 3 ZGB sowie Zuwendungen durch frei widerrufliche Lebensversicherungen oder aus frei widerruflichen Trusts.188 188

Steinauer, Successions, Rz. 469a m.w.Nachw.; Eitel/Bieri, S. 300.

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Zuletzt werden alle übrigen Zuwendungen unter Lebenden herabgesetzt, jeweils die späteren vor den früheren (Ziff. 3). Gleichzeitige Zuwendungen werden in Anwendung der allgemeinen Regelung von Artikel 525 ZGB jeweils im gleichen Verhältnis herabgesetzt.

Art. 606 Randtitel Im französischen Text ist die neue Formulierung des Titels von Buchstabe D. «Droits des personnes qui faisaient ménage commun avec le défunt» geschlechtsneutral und angemessener als die aktuelle Formulierung «Droits de ceux qui faisaient ménage commun avec le défunt» im Zivilgesetzbuch.

Da in Artikel 606a E-ZGB eine neue Kategorie anspruchsberechtigter Personen hinzugefügt wird (siehe unten), ist klarzustellen, dass Artikel 606 ZGB ausschliesslich für die Erbinnen und Erben gilt. Der Randtitel wird entsprechend mit «I. Erben» präzisiert.

Art. 606a­606d

II. Lebenspartner

Es werden vier neue Artikel eingeführt, um einen neuen gesetzlichen Unterstützungsanspruch zugunsten der faktischen Lebenspartnerin oder des faktischen Lebenspartners der Erblasserin beziehungsweise des Erblassers gegenüber der Erbschaft zu schaffen, wofür die Erbinnen und Erben nach dem Wortlaut des Gesetzes solidarisch haften. Damit soll die überlebende Person ihr sozialhilferechtliches Existenzminimum decken können, wenn sie infolge des Todes der Erblasserin oder des Erblassers in Not gerät (siehe Ziff. 3.8). Diese neuen Bestimmungen werden im siebzehnten Titel («Die Teilung der Erbschaft») im ersten Abschnitt («Die Gemeinschaft vor der Teilung», Art. 602 ff. ZGB) im Anschluss an Artikel 606 ZGB, die Bestimmung zum Anspruch der Hausgenossen, eingereiht.

Randtitel: Die neuen Artikel 606a­606d E-ZGB regeln die Situation einer zweiten Kategorie von Personen, die mit der verstorbenen Person in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hatten und neu gegenüber dem Nachlass Ansprüche geltend machen können: die Kategorie der faktischen Lebenspartnerinnen und Lebenspartner. Die Artikel stehen entsprechend unter dem Gliederungstitel «II. Lebenspartner».

Art. 606a

1. Unterstützungsanspruch

Abs. 1: Eine Person kann gegenüber den Erbinnen und Erben der verstorbenen faktischen Lebenspartnerin oder des verstorbenen faktischen Lebenspartners einen Unterstützungsanspruch geltend machen, wenn die folgenden zwei Bedingungen kumulativ erfüllt sind: (1) Sie hat am Tag des Todes der verstorbenen Person seit mindestens fünf Jahren mit dieser in einer faktischen Lebensgemeinschaft gelebt; und (2) sie ist als Folge des Todes ihrer faktischen Lebenspartnerin oder ihres faktischen Lebenspartners auf Unterstützungsleistungen angewiesen, um nicht in Not zu geraten.

Im Gegensatz zum Vorentwurf wird jedoch nicht mehr verlangt, dass die überlebende Person einen besonderen Beitrag im Interesse der Erblasserin oder des Erblassers erbracht hat (siehe Art. 484a VE-ZGB).

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Nur wer mit der Erblasserin oder dem Erblasser am Todestag «in einer faktischen Lebensgemeinschaft» lebte ­ sei dies als gleichgeschlechtliches oder verschiedengeschlechtliches Paar ­, hat einen Anspruch auf Unterstützungsleistungen. Gemeint ist hier der von der Rechtsprechung entwickelte Begriff des «stabilen Konkubinats»: eine auf einer ausschliesslichen Beziehung beruhende Lebensgemeinschaft von einer gewissen Dauer, die auch einen geistigen, körperlichen und wirtschaftlichen Charakter hat und als «Wohn-, Tisch- und Bettgemeinschaft» bezeichnet werden kann. 189 Der Ausdruck «in einer faktischen Lebensgemeinschaft leben» schliesst folglich diejenigen Personen aus, die mit der Erblasserin oder dem Erblasser lediglich eine Liebes- oder Freundschaftsbeziehung ohne Lebensgemeinschaft pflegten, sowie auch diejenigen, die mit ihr oder ihm ohne eine eigentliche Liebesbeziehung einen gemeinsamen Haushalt führten, beispielweise die Mitbewohnerinnen und Mitbewohner oder Pflege- und Haushaltshilfen.

Um den Anspruch auf Unterstützung nicht zu weit zu fassen und nicht zu stark in die Rechte der Erbinnen und Erben einzugreifen, wird im Entwurf die Mindestdauer der Lebensgemeinschaft von drei (gemäss Vorentwurf) auf fünf Jahre verlängert.

Grundsätzlich bedeutet das Leben «in einer faktischen Lebensgemeinschaft», dass das Paar einen gemeinsamen Haushalt führt und ununterbrochen zusammenlebt.

Diese Merkmale werden im Gesetzestext nicht ausdrücklich genannt, damit besondere Fälle berücksichtigt werden können, etwa wenn eine der beiden Personen des Paars in eine sozial-medizinische Einrichtung oder ein Altersheim eintritt, lange im Spital ist oder wenn die eine Person die andere finanziell unterstützt, obwohl sie in zwei verschiedenen Wohnungen leben. Auch kürzere Unterbrüche infolge beruflich bedingter Auslandaufenthalte oder eines Sprachaufenthaltes schliessen das Vorliegen einer faktischen Lebensgemeinschaft nicht generell aus. Durch die Vorgabe einer fünfjährigen Dauer der Lebensgemeinschaft kann der Unterstützungsanspruch auf die Paare beschränkt werden, deren Beziehung erwiesenermassen gefestigt ist.

Ausserdem entspricht diese Frist derjenigen im Bereich der beruflichen Vorsorge (2. Säule), in dem die faktische Lebenspartnerin oder der faktische Lebenspartner ab fünf Jahren ununterbrochenen Zusammenlebens
Hinterlassenenleistungen beanspruchen kann, wenn dies im Reglement der Vorsorgeeinrichtung vorgesehen ist (Art. 20a BVG), sowie der Frist in der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a; Art. 2 Abs. 1 Bst. b Ziff. 2 BVV 3). Die notwendigen Bestätigungen, die für den Nachweis des Zusammenlebens (bzw. eines gemeinsames Wohnsitzes) und dessen Dauer ­ beides wichtige Fragen bei der Entscheidung über den Unterstützungsanspruch einer überlebenden Partnerin oder eines überlebenden Partners ­ erforderlich sind, werden von der Wohngemeinde (in der Regel von der Einwohnerkontrolle) erteilt.

Eine Person kann den Unterstützungsanspruch gemäss dem neuen Artikel 606a Absatz 1 E-ZGB gegen die Erbinnen und Erben geltend machen, wenn sie ohne eine solche Unterstützung «in Not geraten würde». Dabei handelt es sich um die gleiche Voraussetzung, wie sie bereits seit Langem im Rahmen der zivilrechtlichen Unterstützungspflicht zwischen Verwandten in auf- und absteigender Linie gemäss Artikel 328 ZGB gilt. Durch diesen Verweis kann an Begriffe angeknüpft werden, die im Familienrecht bekannt sind. In «Not» im Sinn von Artikel 328 ZGB und somit Artikel 606a E-ZGB befindet sich nach der Rechtsprechung, wer sich das zum 189

BGE 138 III 97 E. 2.3.3; siehe ebenfalls Jubin, Rz. 16 m.w.Nachw.

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Lebensunterhalt Notwendige nicht mehr aus eigener Kraft verschaffen kann.190 Durch den Verweis auf Artikel 328 ZGB kann ausserdem der Zweck des Unterstützungsanspruchs bestimmt werden: die Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder des überlebenden faktischen Lebenspartners, das einen minimalen Lebensstandard gewährleisten soll.191 Als Unterstützung nach Artikel 606a E-ZGB sind demnach ausschliesslich die Mittel geschuldet, die zur Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums erforderlich sind, das heisst die Differenz zwischen dem Bedarf und dem Einkommen (oder den Erwerbsaussichten) der betroffenen Person.192 Mit anderen Worten sind vom Gesamtbetrag, der zur Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums notwendig ist, die Einnahmen abzuziehen, welche die überlebende Person erzielt (oder ab einem bestimmten Zeitpunkt erzielen kann). Ihr Vermögen ist ebenfalls zu berücksichtigen. Wenn ihr Einkommen und ihr Vermögen einen Teil ihres Bedarfs decken, wird der Anspruch entsprechend gekürzt.

Daraus geht hervor, dass die überlebende faktische Lebenspartnerin oder der überlebende faktische Lebenspartner, die oder der vor dem Tod des oder der anderen Ergänzungsleistungen bezogen hat, keinen Unterstützungsanspruch geltend machen kann, da sie oder er sich nicht in einer Notlage im Sinne von Artikel 606a E-ZGB befindet. Denn das sozialhilferechtliche Existenzminimum ist tiefer als das Existenzminimum, das für den Bezug von Ergänzungsleistungen der IV und der AHV massgebend ist.193 Ferner ist ein Unterstützungsanspruch ausgeschlossen, wenn die überlebende faktische Lebenspartnerin oder der überlebende faktische Lebenspartner als Erbin oder Erbe eingesetzt oder mit einem Vermächtnis bedacht worden ist und so für den eigenen Unterhalt aufkommen kann.

Abs. 2: Da die Unterstützung so lange wie notwendig das sozialhilferechtliche Existenzminimum im Sinne des laufenden Lebensbedarfs (Miete, Versicherungsprämien, Nahrungsmittel usw.) decken soll, wird sie in Form einer monatlichen Rente gewährt.

Auch wenn die Ausschüttung eines Kapitals zwar die Möglichkeit böte, die Verhältnisse zwischen den Parteien rasch und klar zu regeln, kommt eine solche aus mehreren Gründen nicht in Frage. Wenn die berechtigte Person nicht in der Lage ist, ihr Vermögen
zu verwalten, besteht zunächst die Gefahr, dass das Gemeinwesen schon bald für sie aufkommen muss. Dies würde dem Zweck des Unterstützungsanspruchs zuwiderlaufen und diesen vereiteln. Zudem besteht die Unterstützungspflicht des Nachlasses nur so lange wie nötig (Art. 606d E-ZGB) und erlischt mit dem Tod der berechtigten Person. Für die Erbschaft stellt eine Rente unter dem Strich somit eine 190 191

BGE 136 III 1 E. 4 Zur Berechnung des sozialen Existenzminimums siehe SKOS, Das soziale Existenzminimum, S. 3­5.

192 Dies gleich wie bei der Unterstützung in Anwendung von Art. 328 ZGB, siehe Lienhard, S. 138.

193 Guggisberg, S. 16; siehe ebenfalls BGE 138 II 191 E. 5.3, «La LPC soutient le régime de l'assurance-vieillesse et invalidité [AVS/AI] dans sa fonction de garantie des besoins vitaux, à savoir du minimum d'existence du droit des assurances sociales [...]. Ce dernier est supérieur au minimum vital découlant de l'aide d'urgence, lequel concrétise l'art. 12 Cst. [...], ainsi que du minimum du droit des poursuites».

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geringere Belastung dar als eine Kapitalleistung, die in einem Zug ausbezahlt wird und beim Tod der berechtigten Person in deren Nachlass fiele.

Der Gesamtbetrag des Unterstützungsanspruchs darf einen Viertel des Nettovermögens der Erblasserin oder des Erblassers zum Zeitpunkt der Eröffnung des Erbgangs nicht übersteigen. Damit wird eine klare Obergrenze festgelegt, mit der gewährleistet werden soll, dass nicht allzu stark in die Rechte der gesetzlichen Erbinnen und Erben eingegriffen wird. Das Nettovermögen entspricht dem vorhandenen Vermögen abzüglich der Schulden der Erblasserin oder des Erblassers und ohne Berücksichtigung allfälliger Ausgleichungsansprüche. Für besonders umfangreiche Erbschaften, bei denen ein Viertel des Nettovermögens den Betrag für die lebenslängliche Deckung des Bedarfs der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder des überlebenden faktischen Lebenspartners bei Weitem übertrifft, wird im Gesetz eine zweite Obergrenze für den Gesamtbetrag des Unterstützungsanspruchs bestimmt: die Summe der monatlichen Renten bis zum vollendeten 100. Altersjahr der Partnerin oder des Partners. Diese zweite Obergrenze stellt sicher, dass die berechtigte Person in der Regel bis zu ihrem Tod Unterstützung erhält. Ein allfälliger Rest sowie allfällige Zinsen auf dem Gesamtbetrag des Unterstützungsanspruchs fallen an die Erbschaft zurück.

Der Unterstützungsanspruch ist folglich doppelt beschränkt: einerseits auf den Betrag, der für die Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums der berechtigten Person erforderlich ist (bis zum Alter von hundert Jahren oder bis zum Zeitpunkt, an dem von ihr erwartet werden kann, für ihren Bedarf selbst aufzukommen), und andererseits auf einen Viertel des Nettovermögens der verstorbenen Person. Wenn der für die Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder des überlebenden faktischen Lebenspartners erforderliche Betrag tiefer ist als ein Viertel dieses Nettovermögens, dann ist der Unterstützungsanspruch auf das sozialhilferechtliche Existenzminimum beschränkt; ist dieser Betrag hingegen höher ist als ein Viertel des Nettovermögens, dann bleibt der Unterstützungsanspruch auf einen Viertel des Nettovermögens beschränkt (für Beispiele zur Berechnung des Anspruchs siehe Ziff. 3.8.4).

Abs. 3: Damit
die Ausrichtung der Rente gewährleistet ist, muss eine angemessene Sicherheit geleistet werden. Der Begriff der Sicherheit ist im Zivilrecht bekannt (siehe z. B. Art. 132, 324 und 546 ZGB). Werden sich die Parteien nicht einig, welche Art der Sicherheit geleistet werden soll, entscheidet das Gericht. Es beurteilt, welche Form der Sicherheitsleistung im Einzelfall angemessen ist. Dabei bietet sich die Einrichtung eines auf den Namen der Erbinnen und Erben lautenden Sperrkontos bei einer Bank an, auf dem ein Dauerauftrag zugunsten der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder des überlebenden faktischen Lebenspartners eingerichtet wird ­ zumindest in den Fällen, in denen die Erbschaft Bankguthaben umfasst. Denkbar wäre aber auch das Verbot eine Immobilie zu veräussern, deren Mietzins als Rente ganz oder teilweise der überlebenden Partnerin oder dem überlebenden Partner überwiesen wird.

Abs. 4: Da der neue Unterstützungsanspruch mit der familienrechtlichen Unterstützungspflicht zwischen Verwandten in auf- und absteigender Linie (Art. 328 ZGB) zusammenfallen kann, muss im Gesetz eine Rangordnung zwischen den beiden Ansprüchen festgelegt werden. Die Solidarität aufgrund einer mindestens fünf Jahre 5890

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dauernden faktischen Lebensgemeinschaft mit der Erblasserin oder dem Erblasser muss angesichts der entsprechend engen Beziehung der Solidarität aufgrund eines Verwandtschaftsverhältnisses vorgehen. Deshalb wird in Absatz 4 festgehalten, dass die Verwandtenunterstützung nach Artikel 328 ZGB dem erbrechtlichen Anspruch nach Artikel 606a E-ZGB nachgeht.

Abs. 5: Können sich die Erbinnen und Erben einerseits und die überlebende faktische Lebenspartnerin oder der überlebende faktische Lebenspartner andererseits in Bezug auf den Unterstützungsanspruch nach Artikel 606a Absatz 1 E-ZGB nicht einigen, so muss allenfalls das Gemeinwesen einspringen, zumindest bis die jeweiligen Rechte und Pflichten bestimmt sind. Entsprechend ist eine gesetzliche Surrogation zugunsten des Gemeinwesens vorzusehen, wie dies bereits der Fall ist, wenn das Gemeinwesen für den Unterhalt eines Kindes mit einem Anspruch auf Unterhaltsbeiträge (Art. 289 Abs. 2 ZGB) oder einer Person mit einem Anspruch auf Verwandtenunterstützung (Art. 329 Abs. 3 ZGB) aufkommt.

Art. 606b

2. Anmeldung und Verjährung des Unterstützungsanspruchs

Abs. 1: Der Unterstützungsanspruch kann die Höhe des Nachlasses erheblich beeinflussen. Es muss deshalb rasch Klarheit darüber bestehen, ob die überlebende faktische Lebenspartnerin oder der überlebende faktische Lebenspartner den Anspruch geltend machen will oder nicht.

Aus diesem Grund hatte der Bundesrat im Vorentwurf noch vorgeschlagen, eine Klage mit einer Verwirkungsfrist von drei Monaten einzuführen (Art. 484a Abs. 3 VE-ZGB). Dieser Vorschlag wurde im Rahmen der Vernehmlassung heftig kritisiert, besonders auch, weil die vorgeschlagene Frist derjenigen der Ausschlagung entsprach (Art. 567 Abs. 1 E-ZGB). Es sei nicht angemessen, von der trauernden faktischen Lebenspartnerin oder vom trauernden faktischen Lebenspartner zu verlangen, derart rasch rechtliche Schritte einzuleiten, und dies, bevor die Identität der Erbinnen und Erben mit Sicherheit feststehe.194 Angesichts dieser überzeugenden Bedenken hat der Bundesrat entschieden, hier eine Anpassung vorzunehmen. Wenn beim Tod des faktischen Lebenspartners oder der faktischen Lebenspartnerin absehbar ist, dass die überlebende Person nicht in der Lage sein wird, für ihr sozialhilferechtliches Existenzminimum selbst aufzukommen, und gleichzeitig auch feststeht, dass eine Einigung mit den Erbinnen und Erben nicht in Betracht kommt, kann selbstverständlich sofort das Gericht angerufen werden, jedenfalls soweit die Erbinnen und Erben bekannt sind und die Erbschaft angenommen haben. Ein solches Vorgehen erscheint aber in vielen Fällen nicht zumutbar. Nur wenige haben in der schmerzlichen Lage, die der Verlust einer nahestehenden Person bedeutet, die Kraft, den Unterstützungsanspruch zu berechnen und ein Gerichtsverfahren gegen die Erbberechtigten einzuleiten, denen sie vielleicht ebenfalls verbunden sind. Um den Interessen aller Betroffenen Rechnung zu tragen, schlägt der Bundesrat deshalb vor, der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder dem überlebenden faktischen Lebenspartner die Möglichkeit zu geben, in einem ersten Schritt lediglich die Absicht der Geltendmachung des Unterstützungs194

Fankhauser, Ehegattenunterhalt, S. 33 f.

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anspruchs anzumelden. Dafür genügt es, bei der zuständigen Behörde eine schriftliche Erklärung abzugeben, ohne dabei den geltend gemachten Betrag oder die Namen der Erbinnen und Erben im Einzelnen nennen zu müssen. Die Behörde, die die Erklärung empfängt, muss diese registrieren und den Erbinnen und Erben, die sich danach erkundigen, bekannt geben. Sie ist nicht verpflichtet, allfällige Erbinnen und Erben ausfindig zu machen. Das Ziel dieser Anmeldung besteht vor allem darin, den Erbinnen und Erben rasch Kenntnis von den Absichten der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder des überlebenden faktischen Lebenspartners zu geben, damit diese gegebenenfalls die nötigen Schritte für eine einvernehmliche Lösung einleiten können.

Für die Entgegennahme der schriftlichen Erklärung ist zwingend die Behörde am letzten Wohnsitz der Erblasserin oder des Erblassers örtlich zuständig (Art. 28 Abs. 2 ZPO). Welche Behörde sachlich zuständig ist, wird durch kantonales Recht bestimmt (Art. 54 SchlT ZGB). In Erbfällen mit einem Auslandsbezug wird die örtlich zuständige Behörde gestützt auf die Regelung des internationalen Privatrechts über die Zuständigkeit in erbrechtlichen Fragen bestimmt (Art. 86 ff. IPRG).

Im Entwurf wird für die Anmeldung des Unterstützungsanspruchs eine Verwirkungsfrist von drei Monaten ab dem Tod festgelegt. Nach Ablauf dieser Frist erlischt der Anspruch. Da es sich um eine gesetzliche Verwirkungsfrist handelt, ist weder eine Unterbrechung noch ein Stillstand der Frist möglich. Die Frist wird relativ kurz bemessen, damit sich die Nachlassregelung nicht zu lange verzögert und die Erbinnen und Erben nicht länger als notwendig im Ungewissen gelassen werden. Sie erscheint aber angesichts der geringen inhaltlichen Anforderungen an die Anmeldung für die überlebende faktische Lebenspartnerin oder den überlebenden faktischen Lebenspartner angemessen. Verfügt diese oder dieser nicht über die zur Deckung des Existenzminimums notwendigen Mittel, so muss sie oder er in irgendeiner Weise rasch Massnahmen ergreifen. Beantragt die überlebende Person Sozialhilfe, um ihren Unterhalt bestreiten zu können, so wird das mit der Prüfung ihres Antrags befasste Gemeinwesen ein Interesse daran haben, sie zur umgehenden Einreichung der Meldung zu bewegen und sie dabei auch zu unterstützen, zumal ansonsten aufgrund
der eintretenden Verwirkung auch Subrogation des Unterstützungsanspruch auf das unterstützende Gemeinwesen gemäss Artikel 606a Absatz 4 E-ZGB nicht mehr möglich ist.

Falls Zweifel bestehen, ob eine Verfügung von Todes wegen zugunsten der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder des überlebenden faktischen Lebenspartners existiert, tut diese Person gut daran, den Unterstützungsanspruch fristgerecht bei der zuständigen Behörde anzumelden, um damit die Rechte zu wahren, falls sie ohne diese Unterstützung in Not geraten würde. Sie hat in der Folge die Wahl, den Unterstützungsanspruch gerichtlich geltend zu machen oder nicht.

Anzufügen ist, dass die Anmeldung keine Voraussetzung für die gerichtliche Geltendmachung des Unterstützungsanspruchs ist. Innert drei Monaten seit dem Tod der Erblasserin oder des Erblassers kann die überlebende faktische Lebenspartnerin oder der überlebende faktische Lebenspartner auch direkt Klage einreichen. Die unmittelbare gerichtliche Geltendmachung macht somit die Anmeldung gemäss Artikel 606b Absatz 1 E-ZGB hinfällig.

5892

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Abs. 2: Der Unterstützungsanspruch verjährt innerhalb eines Jahres, beginnend mit dem Tag des Todes. Kann innert dieser Frist keine Einigung mit den Erbinnen und Erben erreicht werden, so hat die faktische Lebenspartnerin oder der faktische Lebenspartner ein Interesse daran, gegen die Erbinnen und Erben vor Gericht zu klagen, um den Unterstützungsanspruch zu wahren. Wenn das Gemeinwesen für den Unterhalt der unterstützungsberechtigten Person aufgekommen ist, geht der Anspruch mit allen Rechten auf dieses über (Art. 606a Abs. 4 E-ZGB). In diesen Fällen ist das Gemeinwesen klageberechtigt.

Die einjährige Verjährungsfrist gibt den Beteiligten ausreichend Zeit, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Sie ist aber auch kurz genug, um zu vermeiden, dass sich die Nachlassregelung allzu sehr in die Länge zieht. Bei Bedarf kann die Verjährung unterbrochen werden, zum Beispiel durch die Einleitung eines Betreibungsverfahrens. Die Frist kann auch einfach durch die Einreichung eines Schlichtungsgesuchs bei der zuständigen Schlichtungsbehörde gewahrt werden (Art. 62 Abs. 1 und 64 Abs. 2 ZPO).

Die Klage ist beim Gericht am letzten Wohnsitz der Erblasserin oder des Erblassers (Art. 28 Abs. 1 ZPO) einzureichen. Angesichts der Solidarhaftung der Erbinnen und Erben kann die faktische Lebenspartnerin oder der faktische Lebenspartner gegen eine, mehrere oder alle erbberechtigten Personen klagen.

Art. 606c

3. Entscheid

Im Fall einer Klage wird das Gericht beurteilen müssen, ob und in welchem Umfang der Unterstützungsanspruch nach den in Ziffer 3.8.3 dargelegten Kriterien besteht.

Damit die Ansprüche der überlebenden Partnerin oder des überlebenden Partners gegebenenfalls mittels Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden können, ist im Gesetz festgehalten, dass das Gericht im Urteilsdispositiv nicht nur den Betrag der monatlichen Rente beziffert, sondern auch den Höchstbetrag der Unterstützung und damit den Gesamtbetrag, für den nach Artikel 606c Absatz 2 E-ZGB eine Sicherheit zu leisten ist. Das Gericht hat ebenfalls die zu leistende Sicherheit festzulegen.

Es ist im Übrigen keine Indexierung der Rente vorgesehen, weil diese auf Grundlage des Nachlassvermögens zum Zeitpunkt des Todes endgültig zu bestimmen ist.

Dieses Vermögen wird ­ anders als etwa das Einkommen eines geschiedenen Ehemannes, der seiner ehemaligen Ehefrau eine Rente schuldet ­ ebenfalls nicht einem Index angepasst.

Für Beispiele zur Berechnung des Unterstützungsanspruchs siehe Ziffer 3.8.4.

Art. 606d

4. Veränderung der Verhältnisse

Wie bereits erläutert, sind bei der Festlegung der Dauer des Unterstützungsanspruchs und der Höhe der Unterstützung die Umstände und namentlich die voraussichtliche Entwicklung der finanziellen Lage der überlebenden faktischen Lebenspartnerin oder des überlebenden faktischen Lebenspartners zu berücksichtigen (für Beispiele zur Berechnung des Unterstützungsanspruchs siehe Ziff. 3.8.4). Unvorhersehbare Verbesserungen der finanziellen Lage, zum Beispiel dank einer Erbschaft, einem grossen Lottogewinn, aber auch einer Wiederverheiratung oder einer neuen 5893

BBl 2018

Lebensgemeinschaft, kann es selbstverständlich nicht in die Berechnung einbeziehen. Darum sieht der Entwurf für den Fall einer erheblichen und dauernden Veränderung der Verhältnisse der faktischen Lebenspartnerin oder des faktischen Lebenspartners vor, dass die Unterstützung herabgesetzt oder aufgehoben werden kann.

Die den Erbinnen und Erben damit gebotene Möglichkeit, auf Reduktion oder Aufhebung der Unterstützung nach Artikel 606a E-ZGB zu klagen, ergibt sich bereits aus dem dort festgehaltenen Grundgedanken, wonach die überlebende Person dann von den Erbinnen und Erben Unterstützung verlangen kann, wenn sie ohne diese in Not geraten würde, das heisst nicht mehr mit ihren eigenen Mitteln für ihren Lebensunterhalt aufkommen könnte. Wenn die Notlage infolge eines Ereignisses, das zum Zeitpunkt des Todes der faktischen Lebenspartnerin oder des faktischen Lebenspartners nicht vorhersehbar war, nicht mehr besteht, wird auch die Unterstützung hinfällig. Dann müssen die Mittel, die als Sicherheit für den Unterstützungsanspruch geleistet wurden, wieder dem Nachlass freigegeben werden. Grundsätzlich wird die Unterstützung im Falle der Gutheissung der Klage auf den Zeitpunkt der Klageerhebung angepasst oder aufgehoben.

5.2

Partnerschaftsgesetz

Art. 25 Abs. 2

(Vermögensvertrag und Pflichtteile der Nachkommen)

Die neuen Bestimmungen zum Ehevertrag in Artikel 216 Absätze 2 und 3 E-ZGB müssen auch für eingetragene Partnerinnen und Partner Anwendung finden, die sich gemäss dem Verweis von Artikel 25 Absatz 1 ZGB dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung unterstellt haben.

Da neu auch eingetragene Partnerinnen oder Partner gemeinsame Nachkommen haben können (mittels Adoption des Kindes der eingetragenen Partnerin beziehungsweise des eingetragenen Partners), kann der geltende Absatz 2 von Artikel 25 PartG aufgehoben werden.

Art. 31 Abs. 2

(Tod während eines Auflösungsverfahrens)

Nach Artikel 472 E-ZGB führt die Einleitung eines Verfahrens zur Auflösung der eingetragenen Partnerschaft zum Verlust des Pflichtteilsanspruchs. Die Auswirkungen eines solchen Verfahrens auf Verfügungen von Todes wegen zugunsten der überlebenden eingetragenen Partnerin oder des überlebenden eingetragenen Partners sind in gleicher Weise zu regeln wie beim Scheidungsverfahren. In Artikel 31 Absatz 2 E-PartG wird daher der Wortlaut der Artikel 120 Absatz 3 E-ZGB übernommen.

Die neue Regelung von Artikel 217 Absatz 1 E-ZGB, wonach Regelungen in Eheverträgen zur Begünstigung der überlebenden Ehegattin oder des überlebenden Ehegatten dann nicht beachtlich sind, wenn der Güterstand zufolge Todes eines der Ehegatten während eines Scheidungsverfahrens aufgelöst wird, das gemäss Artikel 472 E-ZGB den Verlust des Pflichtteilsanspruchs bewirkt, findet aufgrund des Verweises in Artikel 25 Absatz 1 PartG, unter Vorbehalt einer abweichenden An5894

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ordnung im Vermögensvertrag, im Falle eines Auflösungsverfahrens auf die eingetragene Partnerschaft Anwendung.

5.3

Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge

Art. 82

Gleichstellung anderer Vorsorgeformen

Abs. 1: Die beiden steuerlich privilegierten anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) sind aktuell in der BVV 3 geregelt. Ihre Anerkennung wird neu auf Gesetzesstufe verankert, was der Klarstellung der Rechtslage dient.

Dadurch ändert sich die rechtliche Ausgangslage nicht. Als anerkannte Vorsorgeformen gelten weiterhin die gebundene Vorsorge bei Versicherungseinrichtungen und die gebundene Vorsorge bei Bankstiftungen. Beide sind heute weit verbreitet.

Abs. 2: Da die anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge nunmehr in Absatz 1 festgehalten sind, regelt Absatz 2 neu lediglich die Kompetenz des Bundesrates, in Zusammenarbeit mit den Kantonen die steuerliche Abzugsberechtigung festzulegen. Der Bundesrat hat diese Kompetenz zusammen mit den Kantonen bereits durch die Verabschiedung von Artikel 7 BVV 3 wahrgenommen. Er beabsichtigt nicht, die gemäss dieser Bestimmung steuerlich abzugsfähigen Beträge zu ändern.

Abs. 3: Die Kompetenz des Bundesrates, die Einzelheiten der anerkannten Vorsorgeformen zu regeln, war bisher in Absatz 2 enthalten und ist zukünftig Gegenstand des neuen Absatzes 3. Die Bestimmung bildet somit die neue gesetzliche Grundlage für die geltenden Bestimmungen der BVV 3. Sie umfasst eine Generalklausel und stellt ausdrücklich klar, dass der Bundesrat dafür zuständig ist, den Kreis und die Reihenfolge der Begünstigten der anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge zu bestimmen. Da diese Reihenfolge sowohl von jener in der zweiten Säule als auch von der Erbfolge gemäss dem Zivilgesetzbuch abweicht, muss die Regelungsbefugnis im Gesetz explizit erwähnt werden. Der Bundesrat beabsichtigt allerdings derzeit nicht, die in Artikel 2 Absatz 1 BVV 3 festgelegte Reihenfolge zu ändern.

Auch die Bestimmungen zur Ausrichtung der Leistungen, zur Abtretung, Verpfändung und Verrechnung der Leistungsansprüche und des Vorsorgekapitals sowie die Anlagevorschriften, die seit dem Inkrafttreten der BVV 3 im Wesentlichen nicht geändert worden sind, sollen beibehalten werden.

Mit dem zweiten Satz wird in einer formell-gesetzlichen Grundlage präzisiert, dass die Vorsorgenehmerin oder der Vorsorgenehmer ihre oder seine Anordnungen schriftlich (im Sinne von Art. 13 ff. des Obligationenrechts195) treffen muss, wenn sie oder er gestützt auf Artikel 2 Absätze 2 und 3 BVV 3 von
der Reihenfolge nach Absatz 1 Buchstabe b desselben Artikels abweichen will. Dies erscheint notwendig, damit nicht die für letztwillige Verfügungen geltenden Formvorschriften (Art. 498 ZGB) eingehalten werden müssen. Die Schriftform dient als Nachweis bei der Feststellung des Willens der Vorsorgenehmerin oder des Vorsorgenehmers. Durch 195

SR 220

5895

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die Schriftlichkeit können die Interessen der betroffenen Parteien besser gewahrt werden. Das gilt sowohl für die Begünstigten der Leistungen der Säule 3a als auch für die Vorsorgeeinrichtungen, die damit weniger Gefahr laufen, das Kapital doppelt überweisen zu müssen.

Abs. 4: Der neue Absatz 4 legt auf Gesetzesstufe fest, dass die Begünstigten von anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge einen eigenen Anspruch auf die ihnen aus dieser Vorsorgeform zugewiesene Leistung haben. Eigentlich wird den Begünstigten einer gebundenen Selbstvorsorge bei Versicherungseinrichtungen bereits heute per Gesetz ein solches Recht zuerkannt (Art. 78 VVG). Dagegen besteht zurzeit keine Gesetzesgrundlage für ein eigenes Recht der Begünstigten der gebundenen Selbstvorsorge bei Bankstiftungen, auch wenn dieses Recht in der Praxis als etabliert gilt. Da mit der Revision der Artikel 476 und 529 E-ZGB klargestellt wird, dass die Vorsorgeguthaben der beiden Vorsorgeformen nach Artikel 82 Absatz 1 E-BVG nicht zur Erbmasse der Vorsorgenehmerin oder des Vorsorgenehmers gehören, ist es wichtig, im Gesetz diese neue einheitliche Regelung betreffend das eigene Recht der Begünstigten auf ihren Anspruch einzufügen. Damit verfügen die Begünstigten der beiden anerkannten Vorsorgeformen über ein direktes und rechtlich durchsetzbares Forderungsrecht gegenüber der Vorsorgeeinrichtung (ob bei einer Bankstiftung oder einer Versicherungseinrichtung) auf Auszahlung des Guthabens. Die Vorsorgeeinrichtungen ihrerseits können die Guthaben den reglementarischen Begünstigten überweisen, ohne befürchten zu müssen, später mit Forderungen der Erbengemeinschaft oder einzelner Erbinnen und Erben konfrontiert zu werden (kein Doppelzahlungsrisiko).

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

Die vorgeschlagene Revision des Erbrechts hat für den Bund keine finanziellen, personellen oder anderen Auswirkungen.

6.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden

Die vorgesehenen Änderungen haben nur wenige direkte Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden.

Die Erhöhung der verfügbaren Quote könnte steuerlich einen leicht positiven Effekt für die Wohnsitzkantone und -gemeinden jener Erblasserinnen und Erblasser haben, die Verfügungen von Todes wegen verfasst haben. Falls diese den verfügbaren Teil ihres Nachlasses einer Person zuwenden, die ihren Erbanteil nicht wie die pflichtteilsgeschützten Erbinnen und Erben zu einem privilegierten Steuersatz versteuern kann, wird auf ihren Teil ein höherer Steuersatz angewandt als bei den gesetzlichen Erbinnen und Erben. Das könnte zu zusätzlichen Steuereinnahmen führen.

Demgegenüber werden die Änderungen in Bezug auf die Ansprüche aus der Säule 3a, die der Pflichtteilsberechnungsmasse hinzugerechnet werden, für bestimmte 5896

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Kantone nicht ohne steuerliche Folgen bleiben. Denn mit der neuen Vorlage werden sämtliche Leistungen der direkten Besteuerung unterstellt und gehören nicht zum Nachlass. Auf diesen Leistungen wird folglich keine Erbschaftssteuer mehr erhoben.

Bisher wurden bestimmte Leistungen der Säule 3a in einigen Kantonen zum Nachlass gezählt und entsprechend mit der Erbschaftssteuer belastet. Sie waren somit von der direkten Steuer ausgenommen. Mit dem Entwurf können die Kantone auf diesen Leistungen keine Erbschaftssteuer mehr erheben. Die Erbschaftssteuer ist in solchen Fällen in der Regel jedoch höher als die direkte Steuer, denn im Erbrecht wird davon ausgegangen, dass es sich dabei um Verhältnisse zwischen Dritten handelt, auf die allgemein höhere Steuersätze angewandt werden.

Die neue Bestimmung zum Unterstützungsanspruch könnte einen leicht positiven Effekt auf die Kantons- und Gemeindefinanzen haben. Denn da der Unterstützungsanspruch Personen vorbehalten ist, die nicht über das sozialhilferechtliche Existenzminimum verfügen, also meist Personen, die nach dem Tod der Erblasserin oder des Erblassers vom Gemeinwesen abhängig wären, ginge zumindest ein Teil des Unterstützungsaufwands vom Gemeinwesen auf den Nachlass über. Demnach dürften die öffentlichen Finanzen um den Betrag der gewährten Unterstützungsansprüche entlastet werden. Kommt dabei keine Einigung in Bezug auf den Unterstützungsanspruch zustande, so muss er beim zuständigen Zivilgericht eingeklagt werden. Als Folge davon könnten die Anzahl der Erbstreitigkeiten vor Gericht und damit der Aufwand für diese Behörden sowie allenfalls für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege steigen. Die Anzahl der vor Gericht angestrengten Verfahren sollte jedoch gering bleiben, zumal der Unterstützungsanspruch auf Härtefälle beschränkt ist.

Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass sich die vorliegende Revision finanziell eher positiv auf die Kantone und Gemeinden auswirken wird.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die beantragte Revision und dabei insbesondere die Reduktion der Pflichtteile könnten positive Auswirkungen auf die Volkswirtschaft haben.

Gemäss der Regulierungsfolgenabschätzung des Schweizerischen Instituts für Kleinund Mittelunternehmen an der Universität St. Gallen wird die höhere Verfügungsfreiheit positive Effekte auf die familieninterne Übertragung von Unternehmen haben. Denn die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer wird in höherem Masse die Möglichkeit haben, Nachfolgelösungen umzusetzen, die ihr oder ihm aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoll erscheinen. Dadurch kann vermieden werden, dass Unternehmen nach einem Todesfall zersplittert, verkauft oder geschlossen werden müssen. Ferner wird eine stärkere Konzentration des Eigentums am Unternehmen auf nur eine Nachfolgerin, einen Nachfolger ­ die Geschäftsführerin oder den Geschäftsführer ­ ermöglicht. Aus ökonomischer Sicht gibt es gute Gründe dafür, da damit Fehlanreize und Führungsprobleme vermieden werden. 196 Die Vergrösserung der Verfügungsfreiheit trägt ausserdem zu einer höheren Stabilität 196

Bergmann/Halter/Zellweger, S. 31.

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von Unternehmen und damit zu einer Sicherung von Arbeitsplätzen bei.197 All dies führt zu positiven Wachstumseffekten und damit zu positiven Auswirkungen auf die Volkswirtschaft; diese können allerdings nicht beziffert werden.

6.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die wesentlichen Grundsätze und Ziele des schweizerischen Erbrechts werden beibehalten: die Sicherung des Friedens zwischen den Generationen, die Erhaltung der einmal geschaffenen Werte über den Tod hinaus und die Durchführung eines gerechten und wirtschaftlich sinnvollen Verteilungsplanes der von der Erblasserin oder vom Erblasser hinterlassenen Werte.198 Durch die Vergrösserung der verfügbaren Quote bietet die Vorlage allen Betroffenen die Möglichkeit, freier über das Schicksal des eigenen Vermögens nach dem Tod zu bestimmen, ohne dass die gesetzlichen Erbteile geändert werden. Ohne eine rechtlich verbindliche Anordnung des Erblassers erfolgt die Teilung auch nach dem neuen Recht gleich wie nach dem alten. Durch die Reduktion der Pflichtteile werden die bestehenden Einschränkungen jedoch vermindert und bieten sich allen Betroffenen erweiterte Möglichkeiten für eine Regelung des Nachlasses. Im Einklang mit der gesellschaftlichen Entwicklung werden so die persönliche Freiheit und der Wille der Erblasserinnen und Erblasser stärker gewichtet.

Schliesslich wird durch die Besserstellung der faktischen Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, denen nach dem Tod ihres Partners oder ihrer Partnerin unter bestimmten Voraussetzungen ein gesetzlicher Unterstützungsanspruch zusteht, eine in unserer Gesellschaft immer weiter verbreitete Lebensform stärker anerkannt. Damit wird gewissermassen auch die Unterstützung honoriert, die die faktische Lebenspartnerin oder der faktische Lebenspartner der verstorbenen Person zu Lebzeiten hat zukommen lassen ­ beispielsweise in den Fällen, in denen die überlebende Person auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hat, mit der sie ihren eigenen Bedarf hätte decken können.

6.5

Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann

Frauen und Männer werden in der Vorlage formell gleich behandelt. In der Praxis könnten gesellschaftliche Faktoren allerdings bewirken, dass von den Vorschlägen des Entwurfs Frauen und Männer unterschiedlich betroffen sind. Denn in der Schweiz ist der Mann in den meisten Paaren nach wie vor mindestens zwei Jahre älter als die Frau.199 Überdies liegt die Lebenserwartung der Männer bei der Geburt in der Schweiz bei 80,1 Jahren, während diejenige der Frauen 84,5 Jahre beträgt. 200

197 198 199 200

Bergmann/Halter/Zellweger, S. 6.

Huber, Ziff. 822.

BFS, Familien in der Schweiz, S. 17.

BFS, Sterbetafeln, S. 7.

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Diese Umstände haben zur Folge, dass die Verwitwungswahrscheinlichkeit für die Frauen statistisch grösser ist.201 Die Praxis zeigt, dass Personen, die Verfügungen von Todes wegen verfassen, mehrheitlich Anordnungen treffen, welche die überlebende Ehefrau oder faktische Lebenspartnerin beziehungsweise den überlebenden Ehemann oder faktischen Lebenspartner so stark wie möglich begünstigen. Die mit dem Entwurf beantragte Erhöhung der verfügbaren Quote lässt deshalb erwarten, dass eine gewisse Verbesserung für die überlebende Person stattfinden wird, was wiederum angesichts der erwähnten Lebenserwartungen etwas häufiger Frauen als Männer betreffen dürfte.

Der Unterstützungsanspruch wiederum dürfte öfter Frauen als Männern zugutekommen. Bekanntlich ist Teilzeitarbeit unter den Frauen deutlich weiter verbreitet als unter den Männern,202 insbesondere wenn Kinder vorhanden sind.203 Ausserdem ist die Sterblichkeitsrate der Männer bei Paaren unterschiedlichen Geschlechts höher.204 Daher dürften in der Praxis mehr Frauen als Männer die Voraussetzungen für den Unterstützungsanspruch erfüllen. Der Unterstützungsanspruch kann folglich nicht nur als Fortschritt bei der Anerkennung des Status der faktischen Lebenspartnerin oder des faktischen Lebenspartners betrachtet werden, sondern auch als Fortschritt für den spezifischen Fall derjenigen Frauen, die nach dem Tod ihres Partners in eine prekären Lage geraten.

7

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 27. Januar 2016205 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt, wird jedoch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 2016206 über die Legislaturplanung 2015­2019 nicht erwähnt. Sie stützt sich auf einen Beschluss des Bundesrates vom 10. Mai 2017.

8

Rechtliche Aspekte

8.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die beantragte Revision stützt sich auf Artikel 122 Absatz 1 BV, der dem Bund die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Zivilrechts überträgt.

201 202 203 204 205 206

BFS, Sterbetafeln, S. 41.

BFS, Arbeitsmarktindikatoren, S. 10.

BFS, Familien in der Schweiz S. 33.

BFS, Familien in der Schweiz S. 32.

BBl 2016 1105, hier 1218 BBl 2016 5183

5899

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8.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Schweiz ist an keine internationale Verpflichtung gebunden, die ihren Handlungsspielraum auf dem Gebiet des innerstaatlichen Erbrechts einschränkt.

8.3

Erlassform

Die Änderung des Zivilgesetzbuchs ist in Form eines Bundesgesetzes zu erlassen.

8.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredits oder Zahlungsrahmens enthält.

8.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Mit der Vorlage werden keine neuen Rechtsetzungsbefugnisse an den Bundesrat delegiert.

8.6

Datenschutz

Die Vorlage betrifft keine Fragen in Verbindung mit dem Datenschutz.

5900

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