18.058 Botschaft zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Bulgarien über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität vom 20. Juni 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Abkommens vom 26. Januar 2018 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Regierung der Republik Bulgarien über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. Juni 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2018-0442

4679

Übersicht Das Abkommen mit Bulgarien über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität ergänzt das bilaterale Vertragsnetz, das die Schweiz mittels analoger Abkommen mit anderen Staaten Ost- und Südosteuropas geknüpft hat. Ein solches Vertragsnetz und eine gute, formalisierte Zusammenarbeit tragen zur inneren Sicherheit der Schweiz bei. Das Abkommen kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden.

Ausgangslage Kriminalitätsformen wie Terrorismus, organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Menschenschmuggel, Geldwäscherei und Drogenhandel treten typischerweise transnational auf. Die Bekämpfung solcher Verbrechen darf deshalb nicht an den Landesgrenzen Halt machen. Vor diesem Hintergrund hat die Schweiz in den vergangenen Jahren ihre internationale polizeiliche Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen weiter ausgebaut.

Auf globaler Ebene wurde die Zusammenarbeit mit Interpol weiter verstärkt. Auf europäischer Ebene wurde die polizeiliche Zusammenarbeit der Schweiz mit der Europäischen Union durch die Beteiligung an der Schengener Zusammenarbeit verbessert. Diese Zusammenarbeit wurde auch dank Europol, der Strafverfolgungsbehörde der Europäischen Union, ausgeweitet. Auf bilateraler Ebene hat die Schweiz in den vergangenen Jahren mit mehreren Staaten Abkommen über die Zusammenarbeit ausgehandelt, die für die Entwicklung der Kriminalität in der Schweiz von besonderer Bedeutung sind. Das vorliegende Abkommen mit Bulgarien ergänzt das Vertragsnetz, das die Schweiz in Südosteuropa in den vergangenen Jahren aufgebaut hat.

Inhalt des Abkommens Das Abkommen regelt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den nach jeweiligem Landesrecht verantwortlichen Polizeibehörden, die zuständig sind für den Informationsaustausch, die Koordination operativer Einsätze, die Einsetzung gemeinsamer Arbeitsgruppen sowie die Aus- und die Weiterbildung. Dabei werden die datenschutzrechtlichen Standards strikte eingehalten. Das Abkommen soll in erster Linie der Bekämpfung der Schwerstkriminalität dienen, ist jedoch auf alle Kriminalitätsbereiche anwendbar. Explizit ausgeschlossen ist eine Zusammenarbeit bei politischen, militärischen und fiskalischen Delikten.

Das Abkommen greift nicht in die bestehende Kompetenzverteilung zwischen den Justiz- und Polizeibehörden ein. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Kantonen sowie unter den Kantonen wird nicht angetastet. Das Abkommen kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden.

4680

BBl 2018

Botschaft 1

Grundzüge des Abkommens

1.1

Ausgangslage

Kriminalität ist keine rein nationale Angelegenheit mehr. Kriminelle Netzwerke handeln über Grenzen hinweg, sind international aktiv und äusserst mobil. Sie haben Methoden entwickelt, über die Landesgrenzen hinweg zu operieren und daraus gar einen Vorteil zu ziehen. Daher darf eine effektive Kriminalitätsbekämpfung nicht an den Landesgrenzen Halt machen. Zur Verhinderung und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität ist die Schweiz deshalb auf eine enge Zusammenarbeit mit ausländischen Polizeibehörden angewiesen. In diesem Sinn hat die Schweiz in den letzten Jahren die Zusammenarbeit mit mehreren Staaten nach und nach verstärkt. Diese Strategie beruht auf drei Pfeilern: der globalen, der europäischen und der bilateralen Zusammenarbeit.

Auf globaler Ebene steht die Zusammenarbeit über die internationale kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol) mit ihren heute 192 Mitgliedstaaten im Vordergrund. Die Zusammenarbeit bezieht sich in erster Linie auf den polizeilichen Informationsaustausch und die internationale Fahndung.

Auf europäischer Ebene wurde mit der Assoziierung der Schweiz an Schengen 1 ein wesentlicher Fortschritt in der Kriminalitätsbekämpfung erzielt. Namentlich die Fahndungszusammenarbeit im Rahmen des Schengener Informationssystems hat sich dabei als wertvolles Instrument erwiesen. Mit der Strafverfolgungsbehörde der Europäischen Union (Europol) wurde zudem der Kampf gegen die Strukturen des organisierten Verbrechens weiter ausgebaut, namentlich durch die Erweiterung der Zusammenarbeit auf alle Deliktsbereiche des Europol-Mandats2.

1

2

Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands; SR 0.362.31.

Abkommen vom 24. September 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Europäischen Polizeiamt; SR 0.362.2.

4681

BBl 2018

Die bilaterale polizeiliche Zusammenarbeit erlaubt es schliesslich, massgeschneiderte Lösungen mit jenen Staaten zu treffen, die für die Verbreitung der Kriminalität in der Schweiz besonders wichtig sind. Heute bestehen bilaterale Abkommen mit allen Nachbarstaaten (Deutschland3, Österreich und Fürstentum Liechtenstein4, Frankreich5 und Italien6) sowie mit Ungarn7, Slowenien8, Lettland9, der Tschechischen Republik10, Albanien11, Mazedonien12, Rumänien13, Bosnien und Herzegowina14, Serbien15 und dem Kosovo16. Am 7. April 2016 wurde mit Montenegro ein solches Abkommen geschlossen, das die eidgenössischen Räte in der Herbstsession 2017 verabschiedet haben (Bundesbeschluss vom 29. September 201717). Die Referendumsfrist ist am 18. Januar 2018 abgelaufen, ohne dass das Referendum ergriffen wurde.

3 4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

Schweizerisch-deutscher Polizeivertrag vom 27. April 1999; SR 0.360.136.1.

Vertrag vom 4. Juni 2012 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden; SR 0.360.163.1.

Abkommen vom 9. Oktober 2007 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Justiz-, Polizei- und Zollsachen; SR 0.360.349.1.

Abkommen vom 14. Oktober 2013 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über die Zusammenarbeit der Polizei- und Zollbehörden; SR 0.360.454.1.

Abkommen vom 5. Februar 1999 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.418.1.

Abkommen vom 27. Juli 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.691.1.

Abkommen vom 23. Mai 2005 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Lettland über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.487.1.

Vertrag vom 31. Mai 2005 vom zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung strafbarer Handlungen; SR 0.360.743.1.

Abkommen vom 21. September 2005 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und dem Ministerrat der Republik Albanien über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.123.1.

Abkommen vom 20. September 2005 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Mazedonien über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.520.1.

Abkommen vom 19. September 2005 vom zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Rumänien über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus, der organisierten Kriminalität, des illegalen Handels mit Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen und Vorläuferchemikalien sowie weiterer strafbarer transnationaler Handlungen; SR 0.360.663.1.

Abkommen vom 24. April 2007 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Bosnien-Herzegowina über die polizeiliche Zusammenarbeit
bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.191.1.

Abkommen vom 30. Juni 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Serbien über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.682.1.

Abkommen vom 6. November 2013 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Republik Kosovo über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.475.1.

BBl 2017 6309

4682

BBl 2018

Hinsichtlich der Kriminalität in der Schweiz spielen Kriminelle aus Südosteuropa eine wichtige Rolle. Sie sind namentlich im Drogenhandel, im Menschenhandel und im illegalen Handel mit Waffen und Zigaretten aktiv und begehen Eigentumsdelikte.

Südosteuropa ist zudem eines der wichtigsten Durchgangsgebiete für illegal nach West- und Nordeuropa einreisende Migrantinnen und Migranten aus dem mittleren Osten, aber auch eine wichtige Region für professionelle Schlepperinnen und Schlepper. Die südosteuropäischen kriminellen Gruppierungen stützen sich oft auf ein Beziehungsnetz innerhalb der in der Schweiz ansässigen Diaspora. Vor diesem Hintergrund ist es für die Schweizer Strafverfolgungsbehörden wichtig, die guten Kontakte zu den Behörden in dieser Region weiter zu vertiefen und auszubauen, vor allem auch mit den Behörden in Bulgarien.

Zusätzlich zum Abschluss von bilateralen Abkommen für die polizeiliche Zusammenarbeit mit Staaten Südosteuropas (Albanien, Mazedonien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Rumänien, Ungarn, Slowenien und Montenegro) hat die Schweiz in dieser Region zwei Polizeiattachés stationiert: Einen in Serbien (mit Seitenakkreditierungen für Bosnien und Herzegowina sowie Montenegro) und einen im Kosovo (mit Seitenakkreditierungen für Albanien und Mazedonien). Im Rahmen eines neuen Konzepts zur gegenseitigen Unterstützung von fedpol-Beamtinnen und Beamten und Verbindungsoffizieren der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV), die ins Ausland entsandt wurden und ein Kontaktnetz bilden, steht den Polizeiattachés seit 2017 ein von der Eidgenössischen Zollverwaltung (EVZ) entsandter, in Sofia stationierter Verbindungsoffizier zur Seite. Dieser Verbindungsoffizier ist in Rumänien und Moldawien seitenakkrediert.

Als logische Weiterentwicklung einer bewährten Zusammenarbeit ist Bulgarien nun der letzte Staat in dieser Region, mit dem die Schweiz ein Polizeiabkommen schliesst.

1.2

Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Die Schweiz unterbreitete Bulgarien im Jahr 2014 einen Abkommensentwurf.

Nach einem Treffen und einem kurzen E-Mail-Verkehr wurden die Verhandlungen Ende 2016 abgeschlossen.

Die Vertragsparteien sind mit dem Ergebnis der Verhandlungen zufrieden. Das Abkommen ist eine solide Grundlage für eine verstärkte Zusammenarbeit.

Der Bundesrat hat das Abkommen am 5. April 2017 genehmigt.

Das Abkommen wurde am 26. Januar 2018 in Sofia von der Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), Frau Simonetta Sommaruga, und dem bulgarischen Innenminister, Herrn Valentin Radev, unterzeichnet.

4683

BBl 2018

1.3

Vernehmlassungsverfahren

Gemäss Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200518 (VIG) ist bei völkerrechtlichen Verträgen, die nach Artikel 140 Absatz 1 Buchstabe b oder Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung (BV)19 dem Referendum unterliegen, ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen.

Nach Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG kann auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind, insbesondere weil über den Gegenstand des Vorhabens bereits eine Vernehmlassung durchgeführt worden ist. Der Inhalt dieses Abkommens stimmt im Wesentlichen mit bereits zuvor abgeschlossenen Polizeiabkommen überein (z. B. mit Albanien, Mazedonien, Rumänien, Bosnien und Herzegowina, Serbien und dem Kosovo). Keines dieser Abkommen wurde je in Frage gestellt. Sie wurden allesamt zur Zufriedenheit der interessierten Kreise umgesetzt. Die politische Akzeptanz des Abkommens beruht darauf, dass für die internationale polizeiliche Zusammenarbeit, eine Strategie erarbeitet wurde, die der Bundesrat genehmigt hat.

Das Abkommen bedingt keine Gesetzesänderung, weder auf Bundesebene noch auch kantonaler Ebene. Es kann mit den vorhandenen Mitteln umgesetzt werden.

Somit entstehen dem Bund und den Kantonen keine zusätzlichen Kosten (siehe Ziff. 3). Deshalb wurde auf eine separate Vernehmlassung zu diesem Abkommen verzichtet, zumal es auch mit jenem vergleichbar ist, das mit Montenegro abgeschlossen wurde und das die Bundesversammlung am 29. September 2017 ohne Gegenstimmen angenommen hat. Die Frist, innerhalb derer gegen das Abkommen das Referendum ergriffen werden konnte, ist am 18. Januar 2018 abgelaufen, ohne dass das Referendum ergriffen wurde. Anzumerken ist ausserdem, dass bislang gegen keines der vom Parlament genehmigten Abkommen über die polizeiliche Zusammenarbeit das Referendum ergriffen wurde. Dieses mit Bulgarien vereinbarte Abkommen ist das letzte seiner Art. Dank der Schengener Zusammenarbeit und der engen, durch die bilateralen Abkommen gesicherte Zusammenarbeit verfügt die Schweiz nun überall in der Region Südosteuropas über wichtige Instrumente.

1.4

Überblick über den Inhalt des Abkommens

In der Präambel bestätigen die beiden Vertragsparteien ihr Interesse, die polizeiliche Zusammenarbeit namentlich bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des Terrorismus, des Menschenhandels sowie des illegalen Handels mit Betäubungsmitteln zu verstärken. Die geltenden Rechte und Pflichten der Angehörigen der Vertragsparteien sowie die Grundrechte, der Datenschutz und weitere internationale Verpflichtungen bleiben unangetastet.

Titel I des Abkommens beinhaltet die allgemeinen Bestimmungen. Es definiert insbesondere die zuständigen Behörden und den Anwendungsbereich.

18 19

SR 172.061 SR 101

4684

BBl 2018

Titel II legt die Hauptformen der Zusammenarbeit fest und bestimmt den allgemeinen Informationsaustausch, die Zusammenarbeit auf oder ohne Ersuchen, die Regelungen betreffend die Koordination der getroffenen Massnahmen und die gemeinsame Ausbildung.

Titel III regelt die besonderen Formen der Zusammenarbeit. Es geht vor allem um die gemeinsamen Gruppen, die grenzüberschreitende Observation und die kontrollierte Ein-, Durch- und Ausfuhr. Zudem erweitert er die Grundlagen für die Stationierung polizeilicher Verbindungsbeamtinnen und -beamten.

Titel IV behandelt die zivil- und die strafrechtliche Verantwortung, die Verfahrensvorschriften und die Kosten.

Titel V enthält die datenschutzrechtlichen Bestimmungen sowie die Regeln zum Schutz klassifizierter Informationen und Bestimmungen zu deren Weitergabe an Dritte.

Titel VI enthält die Schlussbestimmungen und legt die Modalitäten für das Inkrafttreten sowie die Kündigung fest.

1.5

Würdigung

Das Abkommen schafft eine rechtliche Basis für die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Bulgarien und legt einheitliche Verfahrensregeln und grundlegende Datenschutzbestimmungen fest.

Das Abkommen schliesst eine weitere Lücke im Sicherheitsnetz, das die Schweiz bereits durch Abkommen mit anderen südosteuropäischen Staaten geknüpft hat und verstärkt die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität.

Das Abkommen greift nicht in die bestehende Kompetenzverteilung zwischen den Justiz- und Polizeibehörden ein, die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Kantonen sowie unter den Kantonen wird nicht angetastet, es bedingt keine Anpassungen des Landesrechts und kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden.

2 Art. 1

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen des Abkommens Zweck des Abkommens

Zweck des Abkommens ist die Verstärkung der bilateralen polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren und strafbare Handlungen zu bekämpfen. Als Mittel zur Zweckerfüllung sind der Austausch von strategischen und operativen Informationen und regelmässige Treffen der zuständigen Behörden vorgesehen.

4685

BBl 2018

Art. 2

Zuständige Behörden und ausführende Dienststellen

Die Zusammenarbeit basiert gemäss Absatz 1 auf dem Zentralstellenprinzip, wie es bei der polizeilichen Zusammenarbeit mit Nicht-Nachbarstaaten angewendet wird.

Die Ersuchen werden an eine zentrale Stelle übermittelt. Diese Zentralstellen behandeln die Ersuchen nach den nationalen Vorschriften und leiten sie gegebenenfalls an die zuständige Behörde weiter. Dadurch werden die Kommunikationswege vereinfacht. Die Zentralstellen sind auch die Hauptansprechpartner für die Klärung von Auslegungsfragen und für die Erarbeitung von Vorschlägen zur Weiterentwicklung des Abkommens.

Absatz 2 dieses Artikels listet jene Stellen auf, die für die Umsetzung des Abkommens zuständig sind. Der Vollzug betrifft die Weiterentwicklung der bilateralen Zusammenarbeit und des Inhaltes des Abkommens sowie den direkten Austausch von Informationen und die Umsetzung der im Abkommen festgehaltenen Massnahmen zur Zusammenarbeit. Unter Beachtung des oben erwähnten Zentralstellenprinzips können sich somit neben dem Bundesamt für Polizei, die kantonalen Polizeikräfte, die EVZ und die zum Vollzug berechtigten Organe auf das Abkommen stützen. Auf bulgarischer Seite zuständig sind Stellen des Innenministeriums, der nationalen Behörde für innere Sicherheit, des Nationalen Zentrums für Terrorismusbekämpfung und der Zollbehörde.

Die Vertragsparteien sind gemäss Absatz 3 verpflichtet, jegliche Änderungen hinsichtlich der in den Absätzen 1 und 2 genannten Stellen unverzüglich mitzuteilen.

Dies reicht von einer Namensänderung bis zu einer Neustrukturierung. Diese Auflage dient der Sicherstellung einer effizienten Kommunikation.

Art. 3

Anwendungsbereich

Artikel 3 regelt den Geltungsbereich und sieht eine systematische polizeiliche Zusammenarbeit in allen Kriminalitätsbereichen vor, mit Schwerpunkt auf der Bekämpfung schwerer Straftaten zum Beispiel in den Bereichen Terrorismus, organisiertes Verbrechen oder Straftaten gegen Leib und Leben. Der Artikel untersagt ausdrücklich die Zusammenarbeit in politischen, militärischen oder fiskalischen Angelegenheiten.

Art. 4

Anwendbares Recht

Artikel 4 legt fest, dass die Zusammenarbeit auf der Grundlage innerstaatlichen Rechts sowie nach Massgabe der jeweiligen internationalen Verpflichtungen erfolgt, namentlich im Bereich der internationalen Polizeizusammenarbeit. Dies bedeutet, dass bei der operativen Umsetzung von Massnahmen die schweizerischen Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften beachtet werden müssen. Welche polizeilich relevanten Rechtsakte des schweizerischen Rechts tatsächlich Anwendung finden, kann nur im konkreten Einzelfall entschieden werden. Mit dem Verweis auf das innerstaatliche Recht wird beispielsweise festgelegt, dass für die Anordnung von Zwangsmassnahmen wie Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen oder Telefonüberwachungen ausnahmslos der Rechtshilfeweg zu beschreiten ist.

Der Vorbehalt zugunsten bestehender internationaler Übereinkünfte bedeutet aber auch, dass durch das neue Abkommen die Bestimmungen bestehender bi- oder 4686

BBl 2018

multilateraler internationaler Abkommen, die die Schweiz und Bulgarien ratifiziert haben, nicht aufgehoben werden. Dies betrifft insbesondere das Zweite Zusatzprotokoll vom 8. November 200120 zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen; dieses regelt die internationalen, für beide Vertragsstaaten geltenden Bedingungen hinsichtlich gemeinsamer Gremien nach Massgabe von Artikel 12, der grenzüberschreitenden Observation nach Artikel 13 und der kontrollierten Lieferungen im Sinne von Artikel 14 des Abkommens.

Art. 5

Allgemeine Zusammenarbeit

Artikel 5 definiert das allgemeine Ziel der Zusammenarbeit: Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die Bekämpfung aller in Artikel 3 erwähnten Kriminalitätsformen.

Art. 6

Informationsaustausch

Artikel 6 regelt die gegenseitige Unterstützung durch den Austausch personenbezogener und nicht personenbezogener Daten sowie von Dokumentationsmaterial. Der Austausch personenbezogener Daten, einschliesslich sensitiver Daten nach Artikel 20 Buchstabe a, dient in erster Linie der operativen Polizeiarbeit. Artikel 6 betrifft beispielsweise Angaben zu Personen, die an strafbaren Handlungen beteiligt sind, Angaben über Tatverdächtige, Informationen über die Tatbegehungsweise, Angaben über die getroffenen Massnahmen oder über geplante kriminelle Handlungen, Angaben über die Identität einer verdächtigen Person (Fingerabdrücke, DNA-Profile, Fotografien usw.), die Übermittlung von Auszügen aus öffentlichen Registern, Angaben über Inhaberinnen und Inhaber von Postfächern und Telefon-Abonnentinnen und -Abonnenten, Informationen über Fernhaltemassnahmen und Fahrzeughalterdaten.

Der Austausch nicht personenbezogener Daten und Dokumentationsmaterial dient in erster Linie der Analyse, der Koordination und der allgemeinen Information, kann sich aber auch für die operative Polizeiarbeit als nützlich erweisen. In Sachen Analyse steht der Austausch von kriminalpolizeilichen Analysen und Lagebildern im Vordergrund. Der Austausch kann sich aber auch auf allgemeine Fachliteratur beziehen. Ausdrücklich erwähnt werden ausserdem der Austausch von Informationen zu geplanten Aktionen, die mit der anderen Vertragspartei abgestimmt werden sollten, oder auch die gegenseitige Orientierung über Gesetzesänderungen, die den Anwendungsbereich des Abkommens betreffen.

Artikel 6 regelt nicht abschliessend die Bereiche, in denen die Vertragsparteien untereinander Information austauschen können. Bezüglich des Umfangs und der Grundsätze des Informationsaustauschs ist auch hier das innerstaatliche Recht der Vertragsparteien massgebend. In der Schweiz richtet sich der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen nach Artikel 75a des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 198121 sowie nach den vom Bundesrat für anwendbar erklärten Statuten und Regle-

20 21

SR 0.351.12 SR 351.1

4687

BBl 2018

menten von Interpol (Art. 350­353 des Strafgesetzbuchs22). Absatz 2 enthält eine für Bulgarien unerlässliche Bestimmung: Sie ermöglicht es dem Partner, während eines laufenden Strafverfahrens und gegebenenfalls unter Zustimmung der Justizbehörden, gewisse Informationen auszutauschen. Die Schweiz hätte es vorgezogen, auf diese Präzisierung zu verzichten, zumal die Bestimmung keine Auswirkung auf nationales Recht hat.

Art. 7

Zusammenarbeit auf Ersuchen

Gemäss Artikel 7 Absatz 1 können die zuständigen Behörden einander direkt um Unterstützung ersuchen oder eingegangene Ersuchen beantworten. Voraussetzung ist, dass es dabei um die Bekämpfung der Kriminalität oder um die Abwehr von Gefahren geht. Ausgeschlossen sind Ersuchen, die den Justizbehörden vorbehalten sind. Absatz 2 dieses Artikels präzisiert die Bereiche für solche Unterstützungsersuchen. Es handelt sich beispielsweise um die Feststellung von Aufenthalt und Wohnsitz, die Identifikation von Inhaberinnen und Inhabern eines Telefonanschlusses, Erkenntnisse aus grenzüberschreitenden Observationen, Informationen zur Herkunft von Sachen oder auch die Übersendung von erkennungsdienstlichen Daten wie DNA-Profile.

Art. 8

Unaufgeforderte Zusammenarbeit

Im Einzelfall können sich die zuständigen Behörden nach Artikel 8 auch ohne Ersuchen gegenseitig Informationen mitteilen, soweit diese für die empfangende Behörde bei der Abwehr von konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder zur Bekämpfung von Straftaten von Bedeutung sind. Die empfangende Behörde ist verpflichtet, die Informationen auf ihre Nützlichkeit hin zu prüfen. Werden diese als nicht notwendig erachtet, sind sie unaufgefordert zu vernichten oder der mitteilenden Behörde zurückzuschicken.

Art. 9

Koordination

Koordination ist für die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität grundlegend. Es ist deshalb notwendig, innerstaatlich geplante Polizeiaktionen mit anderen betroffenen Staaten abzusprechen und Einsätze bei Bedarf zeitlich abzustimmen.

Diese Einsätze betreffen vorab die Suche nach Personen und Gegenständen, die Strafverfolgung im Bereich der organisierten Kriminalität und die Umsetzung besonderer Ermittlungstechniken wie der verdeckten Ermittlung. Die Koordination kann jedoch auch Massnahmen des nach innerstaatlichem Recht vorgesehenen Opfer- und Zeugenschutzes für Personen beinhalten; solche Massnahmen sind für beide Länder von grossem Interesse. Ebenfalls abgedeckt sind die Planung und die Durchführung gemeinsamer Programme zur Kriminalitätsprävention oder die Sicherung des Linienluftverkehrs. Bei der Koordination von Einsätzen die Zwangsmassnahmen beinhalten, ist jeweils die entsprechende Bewilligung von Seiten der zuständigen Justizbehörden einzuholen.

22

SR 311

4688

BBl 2018

Art. 10

Aus- und Weiterbildung

Artikel 10 soll dazu beitragen, die Zusammenarbeit durch Massnahmen bei der polizeilichen und sprachlichen Aus- und Weiterbildung zu verstärken. Im Vordergrund stehen die Teilnahme an Ausbildungskursen, die Durchführung gemeinsamer Seminare und Übungen sowie die Schulung von Spezialistinnen und Spezialisten der anderen Vertragspartei. Weitere Möglichkeiten sind der Austausch von Schulungskonzepten beziehungsweise -programmen und die Teilnahme von Beobachterinnen und Beobachtern an Übungen der anderen Vertragspartei (Abs. 1). Auch der Fachkenntnis- und der Erfahrungsaustausch (Abs. 2) sollen gefördert werden.

Art. 11

Gemeinsame Arbeitsgruppen und Sicherheitsanalysen

Die Erarbeitung gemeinsamer Sicherheitsanalysen stellt für die operative und die strategische Zusammenarbeit eine wichtige Grundlage dar. In Artikel 11 werden die Vertragsparteien darin bestärkt, untereinander Lageberichte auszutauschen, gemeinsam die Sicherheitslage zu analysieren und zu diesem Zweck gemeinsame Arbeitsgruppen einzusetzen.

Art. 12

Gemeinsame operative Gremien

Artikel 12 sieht vor, dass bei Bedarf gemeinsame Gremien gebildet werden können.

Dabei kann es sich um gemischt besetzte Kontroll-, Observations- und Ermittlungsgremien handeln. Dabei dürfen die Beamtinnen und Beamten eines Vertragsstaats, die im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats in solchen Gremien beratend und unterstützend tätig sind, dürfen dabei jedoch keine hoheitlichen Befugnisse wahrnehmen. Artikel 20 des Zweiten Zusatzprotokolls vom 8. November 200123 zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen regelt die Bedingungen, unter denen die in dieser Bestimmung vorgesehenen gemeinsamen Ermittlungsgremien tätig werden dürfen.

Art. 13

Grenzüberschreitende Observation

Artikel 13 regelt die grenzüberschreitende Observation. Gemäss Absatz 1 sind Beamtinnen und Beamte der einen Vertragspartei befugt, bei einem laufenden Ermittlungsverfahren eine grenzüberschreitende Observation durchzuführen. Voraussetzung ist, dass die observierte Person verdächtigt wird, an einer Straftat beteiligt gewesen zu sein, die die ersuchenden Vertragspartei mit Freiheitsentzug von mindestens einem Jahr bestraft, oder dass vermutet wird, die observierte Person könnte bei der Identifizierung einer Person helfen, die einer Straftat verdächtigt wird. Für diese Massnahme bedarf es der Rechtshilfe und eines vorgängig an die zuständige Behörde gerichteten Rechtshilfeersuchens.

Gemäss Absatz 2 gilt ein bewilligtes Ersuchen für das gesamte Hoheitsgebiet; die ersuchte Behörde kann die Bewilligung indessen an bestimmte Auflagen binden.

Absatz 3 legt fest, dass die für die grenzüberschreitende Observation zuständigen nationalen Behörden durch Briefwechsel mitgeteilt werden.

23

SR 0.351.12

4689

BBl 2018

Die Artikel 282 f. der Schweizerischen Strafprozessordnung24 legen fest, unter welchen Voraussetzungen grenzüberschreitende Observationen angeordnet werden dürfen; dauert eine Observation länger als einen Monat, bedarf sie der Genehmigung durch die Staatsanwaltschaft. Auch Artikel 17 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen enthält eine für die beiden Vertragsparteien verbindliche Regelung über die grenzübereschreitende Observation.

Art. 14

Kontrollierte Lieferung

Artikel 14 regelt die Durchführung kontrollierter Lieferungen und ergänzt so Artikel 18 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen. Absatz 1 nennt hierbei die kontrollierte Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr zum Beispiel von Betäubungsmitteln, Waffen, Falschgeld oder sonstigem Diebesgut. Die ersuchte Vertragspartei kann die Operation unter Angabe der Gründe beschränken oder ablehnen. Der Absatz 2 regelt den Ablauf der Operation und die Befugnisse der beteiligten Beamtinnen und Beamten. Am Grenzübertritt oder einem vereinbarten Übergabeort übernimmt die ersuchte Behörde die Kontrolle der Lieferung. Nach Absprache besteht für die Beamtinnen und Beamten des Ausgangsstaates die Möglichkeit, die Lieferung zusammen mit den Beamtinnen und Beamten der ersuchten Vertragspartei weiter zu begleiten. Sie unterstehen dabei jedoch den Anordnungen der Beamtinnen und Beamten der ersuchten Vertragspartei.

Art. 15

Verbindungsbeamtinnen und -beamte

Artikel 15 ermächtigt die Vertragsparteien dazu, Vereinbarungen über die befristete oder unbefristete Entsendung von Verbindungsbeamtinnen und -beamten in das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu treffen (Abs. 1). Die konkreten Vereinbarungen werden in der Regel über einen Notenaustausch getroffen. Nach Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung vom 30. November 200125 über die Wahrnehmung kriminalpolizeilicher Aufgaben im Bundesamt für Polizei ist in der Schweiz das EJPD dafür zuständig. Unter Artikel 15 des vorliegenden Abkommens fällt auch eine allfällige Seitenakkreditierung, das heisst, die Akkreditierung polizeilicher Verbindungsbeamtinnen und -beamten einer Vertragspartei, stationiert in einem Drittstaat.

Der Status der stationierten Beamtinnen und Beamten richtet sich einzig nach den Bestimmungen des Wiener Übereinkommens vom 18. April 196126 über diplomatische Beziehungen.

In den Absätzen 2 und 3 sind die Grundsätze der Aufgaben der Verbindungsbeamtinnen und -beamten festgehalten: die Förderung der polizeilichen Zusammenarbeit durch die Unterstützung in der polizeilichen und der strafrechtlichen Rechtshilfe, wobei den Beamtinnen und Beamten die Ausübung hoheitlicher Funktionen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei untersagt bleibt.

24 25 26

SR 312.0 SR 360.1 SR 0.191.01

4690

BBl 2018

Die Schweiz hat bereits einen Verbindungsoffizier der EVZ in Sofia stationiert. Er ist Teil des gemeinsamen Netzes, das das Bundesamt für Polizei und die EVZ seit 2017 bilden. Es besteht aus 10 Polizeiattachés und 4 EVZ-Attachés. Dieser in Sofia stationierte Attaché unterstützt die Schweizer Botschaft vor Ort und die zuständigen Stellen beim Bund und bei den Kantonen.

Art. 16

Fürsorge und Dienstverhältnis

Die Vertragspartei ist gegenüber den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Beamtinnen und Beamten bei der Ausübung ihres Dienstes zu gleichem Schutz und Beistand verpflichtet wie gegenüber den eigenen Beamtinnen und Beamten (Abs. 1). Bei einem Diensteinsatz auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei gelten gemäss Absatz 2 die Regeln und Vorschriften jener Einheit, die den Beamtinnen und Beamten zugeteilt sind.

Nach Absatz 3 bleiben die entsandten Beamtinnen und Beamten jedoch in Bezug auf ihr Dienst- und Anstellungsverhältnis sowie in disziplinarrechtlicher Hinsicht ihrem Heimatstaat unterstellt.

Art. 17

Zivilrechtliche Verantwortung

Artikel 17 regelt den rechtlichen Rahmen der zivilrechtlichen Verantwortung, die sich aus dem Einsatz von Beamtinnen und Beamten auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei ergeben kann. Grundsätzlich gilt, dass eine Vertragspartei gemäss dem innerstaatlichen Recht jener Vertragspartei haftet, auf deren Gebiet der Einsatz stattfindet (Abs. 1). Von der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet der Schaden entstanden ist, wird verlangt, dass sie den Schaden in derselben Weise behebt, als wäre er von ihren eigenen Beamtinnen und Beamten verursacht worden (Abs. 2). In einem solchen Fall muss die andere Vertragspartei den Geschädigten oder den an ihrer Stelle Anspruchberechtigten den geleisteten Schadenersatz in voller Höhe erstatten (Abs. 3). Vorbehaltlich einer solchen Erstattung und unbeschadet von allfälligen Ansprüchen gegenüber Dritten darf der Vertragsstaat, in dem der Schaden entstanden ist, keine weiteren Schadenersatzforderungen geltend machen (Abs. 4).

Art. 18

Strafrechtliche Verantwortung

Bei Einsätzen werden die Beamtinnen und Beamten beider Vertragsparteien in Bezug auf Straftaten, die gegen sie begangen werden oder die sie selbst begehen, den Beamtinnen und Beamten der Vertragspartei gleichgestellt, in deren Hoheitsgebiet der Einsatz stattfindet. Die strafrechtliche Verantwortung in der Schweiz richtet sich nach Artikel 15 Absatz 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 195827. Sie beschränkt sich auf die strafbaren Handlungen, die im Rahmen eines Einsatzes beziehungsweise der amtlichen Tätigkeit verübt wurden. Die Strafverfolgung solcher strafbaren Handlungen ­ Zuwiderhandlungen im Strassenverkehr sind ausgenommen ­ bedarf einer Ermächtigung des EJPD.

27

SR 170.32

4691

BBl 2018

Art. 19

Verfahren und Kosten

Artikel 19 regelt die Verfahrensabläufe sowie die Kostenaufteilung bei der Zusammenarbeit. Ersuchen um Information oder andere Ersuchen um Hilfeleistung sind gemäss Absatz 1 grundsätzlich in schriftlicher Form und in verschlüsselter Übertragung zu stellen. In dringenden Fällen kann ein Ersuchen auch mündlich gestellt werden, sofern es anschliessend unverzüglich schriftlich bestätigt wird. Die Ersuchen sollten in der Regel mindestens folgende Angaben enthalten: ­

die Bezeichnung der Behörde, von der das Ersuchen ausgeht;

­

den Grund des Ersuchens;

­

eine kurze Beschreibung des wesentlichen Sachverhalts, vor allem die Bezugspunkte zum ersuchten Staat;

­

Angaben über alle im Ersuchen genannten Hauptpersonen.

Absatz 2 legt fest, dass die Hilfeleistung direkt zwischen den zuständigen Behörden zu erfolgen hat, sofern ein Ersuchen nicht aufgrund von innerstaatlichem Recht den Justizbehörden vorbehalten ist. Zudem sind die Vertragsstaaten verpflichtet, die Ersuchen so schnell als möglich zu beantworten (Abs. 3).

Absatz 4 behält den Vertragsstaaten das Recht vor, die Hilfe in einem konkreten Fall ganz oder teilweise zu verweigern, wenn die betreffende Vertragspartei der Meinung ist, die Erledigung des Hilfeersuchens beeinträchtige ihre Souveränität, gefährde ihre Sicherheit oder andere wesentliche Staatsinteressen oder verletze ihre Rechtsvorschriften und Verpflichtungen aus internationalen Übereinkünften.

In diesem Fall muss die ersuchte Vertragspartei die andere Vertragspartei unverzüglich und schriftlich unter Angabe der Gründe informieren (Abs. 5).

In Absatz 6 wird festgehalten, dass die Kosten für die Erledigung eines Ersuchens von der ersuchten Vertragspartei getragen werden, und Absatz 7 regelt, dass jede Vertragspartei die ihr aus der Umsetzung des Abkommens entstandenen Kosten selber trägt.

Art. 20 und 21 Datenschutz, Schutz klassifizierter Daten und deren Weitergabe von Daten an Dritte Die Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden umfasst auch den Austausch von Personendaten und somitauch von besonders schützenswerten Personendaten. Diese Datenbearbeitungen betreffen die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen.

Mit den Artikeln 20 und 21 wird die Zielsetzung einer effizienten Bekämpfung von Straftaten mit den Anliegen des Datenschutzes in Einklang gebracht. Grundlage ist dabei das Übereinkommen vom 28. Januar 198128 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten. Dieses Übereinkommen ist für beide Vertragsparteien verbindlich.

Artikel 20 legt fest, welche Datenschutzvorschriften bei der Übermittlung personenbezogener Daten von besonderer Bedeutung sind und deshalb von den Behörden beider Länder zwingend berücksichtigt werden müssen.

28

SR 0.235.1

4692

BBl 2018

Im Artikel wird explizit festgehalten, dass polizeilich relevante, jedoch besonders schützenswerte Personendaten (z. B. Daten bezüglich religiöser Überzeugungen) nur übermittelt werden dürfen, wenn es unbedingt erforderlich ist und nur gemeinsam mit anderen polizeilich relevanten Daten.

Weiter sind folgende Grundsätze des Datenschutzes hervorzuheben: ­

die Zweckbindung sowie die Beschränkung auf die nutzungsberechtigten Behörden;

­

die datenschutzrechtlichen Grundsätze der Richtigkeit der Daten sowie der Erforderlichkeit und der Verhältnismässigkeit ihrer Übertragung und die damit zusammenhängende Pflicht zur Berichtigung beziehungsweise Vernichtung falscher Daten;

­

die Gewährung des Auskunftsrechts gegenüber der übermittelnden Vertragspartei und der betroffenen Person über die Verwendung der übermittelten Daten;

­

die Pflicht zur Einhaltung der Löschungsfristen, wie sie im innerstaatlichen Recht vorgesehenen sind;

­

die Pflicht, die Übermittlung, den Empfang und die Löschung der Daten aktenkundig zu machen;

­

die Schadenersatzregelung für allfällige Regressansprüche unter den Vertragsparteien;

­

die Pflicht, Massnahmen zur Datensicherheit zu treffen. Die Massnahmen müssen nationalem Rechtentsprechen und in Übereinstimmung mit den internationalen Standards erfolgen.

Artikel 21 sieht vor, dass die Vertragsparteien untereinander klassifizierte Informationen austauschen können, sofern sie ein Durchführungsabkommen abschliessen.

Ein solches Abkommen könnte demnach dann abgeschlossen werden, wenn dies aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften erforderlich ist. Für die Bundesbehörden kommt gegebenenfalls die Informationsschutzverordnung vom 4. Juli 2007 29 zur Anwendung.

Art. 22

Mitteilungen

In Artikel 22 Absatz 1 wird vereinbart, dass die Vertragsparteien innerhalb von 30 Tagen nach Inkrafttreten des Abkommens einander auf diplomatischem Weg die Telefon- und Telefaxverbindungen sowie weitere relevante Informationen der wichtigsten Dienststellen innerhalb der zuständigen Organe mitteilen. Wichtigste Stelle bei fedpol ist in diesem Zusammenhang die Einsatzzentrale, die bereits heute rund um die Uhr einen effizienten Informationsaustausch zwischen ausländischen und schweizerischen Polizeibehörden und der EZV sicherstellt. Gibt es im Laufe der Zeit Änderungen der Kommunikationsmittel oder -wege, ist die andere Vertragspartei nach Absatz 2 unverzüglich schriftlich zu informieren.

29

SR 510.411

4693

BBl 2018

Art. 23

Sprache

Artikel 23 regelt die sprachlichen Modalitäten der Zusammenarbeit. Um Kosten für Übersetzungen zu vermeiden, werden Informationen grundsätzlich in englischer Sprache ausgetauscht. Im Einzelfall können die Vertragsparteien jedoch vereinbaren, sich in einer anderen Sprache zu verständigen.

Art. 24

Evaluation

Artikel 24 sieht die Möglichkeit der Zusammenkunft von hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern der Vertragsparteien vor. Solche Expertentreffen dienen der Evaluation der Umsetzung des Abkommens. Die Fachleute können im Rahmen solcher Treffen zudem Erfahrungen im Zusammenhang mit neuen Sicherheitsstrategien austauschen oder Initiativen zur Ergänzung und zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit ergreifen und den Vertragsparteien entsprechende Vorschläge unterbreiten.

Art. 25

Durchführungsvereinbarungen

Die zuständigen Behörden können auf der Grundlage und im Rahmen des Abkommens schriftliche Vereinbarungen über dessen Durchführung treffen. Diese Durchführungsvereinbarungen dienen dazu, das Abkommen umzusetzen. Es kann sich dabei um spezifische oder befristete Regelungen betreffend einer Hilfeleistung im Einzelfall handeln oder um allgemeine und unbefristete Vereinbarungen zur Festlegung der allgemeinen Modalitäten der Zusammenarbeit.

Als zuständig gelten die nach dem nationalen Recht der jeweiligen Vertragsparteien bezeichneten Behörden. In der Schweiz wird die Zuständigkeit nach Massgabe von 166 Absatz 2 BV und der Artikel 7a und 48a Absatz 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 199730 (RVOG) geprüft. Bei den genannten Abkommen handelt es sich um völkerrechtliche Verträge von beschränkter Tragweite im Sinne von Artikel 7a Absatz 24 RVOG. Für deren Abschluss ist der Bundesrat zuständig; er hat diese Kompetenz jedoch dem EJPD übertragen.

Art. 26

Andere internationale Übereinkommen

Artikel 26 enthält einen Vorbehalt zugunsten bestehender internationaler Abkommen. Durch das vorliegende Abkommen werden bereits bestehende bilaterale oder multilaterale Abkommen, die die Schweiz oder Bulgarien oder beide binden, nicht berührt.

Art. 27

Inkrafttreten und Kündigung des Abkommens

Nach Abschluss der erforderlichen verfassungsrechtlichen Verfahren für das Inkrafttreten des Abkommens teilen die Vertragsparteien einander mit, dass die dafür notwendigen innerstaatlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Das Abkommen tritt am Tag des Eingangs der letzten Notifikation in Kraft (Abs. 1). Das Abkommen kann 30

SR 172.010

4694

BBl 2018

von den Vertragsparteien jederzeit durch eine schriftliche Mitteilung gekündigt werden; das Abkommen tritt sechs Monate nach dem Empfang der Kündigung ausser Kraft (Abs. 2).

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Das Abkommen kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden. Es führt weder auf Bundes- noch auf Kantonsebene zu einer finanziellen oder personellen Mehrbelastung. Gewisse Massnahmen wie die Koordination operativer Einsätze können jedoch im Einzelfall und nach vorgängiger Absprache zwischen den beiden Vertragsparteien zu einer Kostenaufteilung führen. Die Erfahrungen aus den bereits in Kraft getretenen Abkommen über die Zusammenarbeit haben jedoch gezeigt, dass diese Massnahmen nicht zu besonderen Mehrkosten führen.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

Die Botschaft vom 27. Januar 201631 zur Legislaturplanung 2015­2019 und der Bundesbeschluss vom 14. Juni 201632 über die Legislaturplanung 2015­2019 (Ziel 15) sehen unter anderem vor, die bestehenden Beziehungen mit anderen Staaten zu festigen, um Gewalt, Kriminalität und Terrorismus vorbeugen und wirksam bekämpfen zu können. Durch den zunehmenden internationalen Charakter der Kriminalität sind leistungsfähige Justiz- und Polizeibehörden sowie rechtsstaatliche Handlungsgrundlagen notwendig. Die Zusammenarbeit mit in- und ausländischen sowie mit internationalen Partnern soll weiterentwickelt und konsolidiert werden. Das vorliegende Abkommen wird diesem Ziel gerecht.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund eines Gesetzes oder völkerrechtlichen Vertrags der Bundesrat zuständig ist (Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200233 (ParlG); Art. 7a Abs. 1 RVOG).

Fehlt es an einer einschlägigen Bestimmung, bedarf das vorliegende Abkommen der Genehmigung des Parlaments.

31 32 33

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183, hier 5189 SR 171.10

4695

BBl 2018

5.2

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Das vorliegende Abkommen mit Bulgarien enthält solche wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen. Zum einen werden den rechtsanwendenden Behörden neue Kompetenzen eingeräumt (z. B. Bildung gemeinsamer Observations-, Analyse- und Ermittlungsgremien). Zum andern werden den Vertragsparteien auch Pflichten auferlegt (z. B. Haftung, Schadenersatzpflicht bei der Übermittlung von unrichtigen Daten).

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens ist deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

5.3

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das vorliegende Abkommen entspricht jenen, die mit anderen Staaten in der Region abgeschlossen wurden. Es steht des Weiteren im Einklang mit dem SchengenBesitzstand, an den die Schweiz durch die Beteiligung an der Schengener Zusammenarbeit gebunden ist, insbesondere mit dem Rahmenbeschluss 2008/977/JI34. Das Abkommen entspricht auch der Richtlinie (EU) 2016/68035, die den Rahmenbeschluss von 2008 ersetzt. Diese beiden Dokumente regeln die Bedingungen, unter denen Daten, die von einem Schengen-Staat übermittelt wurden, an einen Drittstaat übermittelt werden dürfen. Dieses Abkommen hat im Übrigen keine Auswirkungen auf andere internationale Verpflichtungen der Schweiz.

34

35

Rahmenbeschluss 2008/977/JI des Rates vom 27. November 2008 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden, Abl. 350 vom 30.12.2008, S. 60.

Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, Abl. 119 vom 4.5.2016, S. 89.

4696

BBl 2018

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Das Abkommen enthält keine Subventionsbestimmungen, Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen. Somit unterliegt es nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV.

4697

BBl 2018

4698