18.026 Botschaft zur Revision des Ausländergesetzes (AuG) (Verfahrensnormen und Informationssysteme) vom 2. März 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zur Revision des Ausländergesetzes.

Der Revisionsentwurf umfasst auch Anpassungen des Asylgesetzes, des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich, des Entsendegesetzes, des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung und des Bundesgesetzes über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

2. März 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2017-0454

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Übersicht Der vorliegende Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes soll der jüngsten Entwicklung des nationalen und internationalen Rechts und der Praxis im Migrationsbereich Rechnung tragen. Ungeachtet der Änderungen des Ausländergesetzes betreffend die Umsetzung von Artikel 121a der Bundesverfassung sowie die Verbesserung der Integration, die das Parlament am 16. Dezember 2016 verabschiedet hat, sind in erster Linie gewisse Verfahren anzupassen und die Gesetzesgrundlagen für den Zugriff, die Speicherung und die Bekanntgabe von migrationsbezogenen Daten zu schaffen.

Ausgangslage Der Migrationsbereich ist umfassend und verändert sich laufend. Um eine einheitliche Praxis im Einklang mit den Verpflichtungen der Schweiz sicherzustellen, sind Anpassungen unumgänglich. Obwohl die verschiedenen Themen nicht miteinander zusammenhängen, wurde aufgrund ihrer Anzahl und Bedeutung beschlossen, sie in einem Sammelpaket zusammenzufassen.

Diese Vorlage erfordert nicht nur die Revision des Ausländergesetzes, sondern auch anderer Gesetze, insbesondere des Asylgesetzes.

Inhalt der Vorlage Der Gesetzesentwurf sieht vor, das Vetorecht des Staatssekretariats für Migration (SEM) über das Zustimmungsverfahren beizubehalten; er sieht ferner vor, die nach Aufhebung des Cabaret-Tänzerinnen-Statuts nötigen Gesetzesänderungen für den Schutz von Prostituierten, die Opfer von Straftaten wurden, umzusetzen und die Zielgruppe der Rückkehrhilfe zu erweitern.

Er legt auch die Rolle des SEM bei der Qualitätssicherung und der qualitativen Weiterentwicklung von Angeboten der Integrationsförderung fest, regelt die Pflicht des Arbeitgebers zur Rückerstattung der Auslagen ihrer in die Schweiz entsandten Arbeitnehmenden und ändert die Verteilung der Beweislast bei einem Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn ein Flüchtling eine Reise in seinen Heimat- oder Herkunftsstaat unternommen hat.

Die Vorlage soll zudem eine optimale Umsetzung aller Weiterentwicklungen des Schengen- und Dublin-Besitzstands, welche die Schweiz bereits übernommen hat, ermöglichen; dies sind die Rückführungsrichtlinie, der Schengener Grenzkodex sowie die neuen Bestimmungen betreffend die Dublin-Haft.

Die Vorlage schafft auch die nötige Gesetzesgrundlage für die Einführung eines Informationssystems im Bereich der Weg- und Ausweisung sowie der Rückkehrhilfe, und sie passt bei verschiedenen Informationssystemen des Migrationsbereichs die Zugriffsberechtigungen an.

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Und schliesslich sollen die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden für die Verwendung von Bild- und Tonaufzeichnungen als Beweismittel in einem Verwaltungs- oder Strafverfahren, den Austausch bestimmter Daten zwischen Behörden sowie die Ermächtigung weiterer Behörden, biometrische Daten im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) abzurufen bzw. zu bearbeiten.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Beantragte Neuregelung 1.2.1 Verfahren für die Zustimmung des SEM zu kantonalen Bewilligungen (Ziff. 2.1) 1.2.2 Schutz von Opfern, die Prostitution betreiben (Ziff. 2.2) 1.2.3 Erweiterung der Zielgruppe der Rückkehrhilfe (Ziff. 2.3) 1.2.4 Qualität der Integrationsmassnahmen (Ziff. 2.4) 1.2.5 Spesen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von entsandten Arbeitnehmenden in der Schweiz (Ziff. 2.5) 1.2.6 Gesetzliche Vermutung bei Reisen von Flüchtlingen in deren Heimat- oder Herkunftsstaat (Ziff. 2.6) 1.2.7 Umsetzungsverbesserungen beim Schengen- und Dublin-Besitzstands (Ziff. 2.7­2.9) 1.2.8 Informationssysteme, Videoüberwachung und Datenaustauch (Ziff. 2.10­2.16) 1.3 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens und Anpassungen 1.3.1 Qualitätssicherung bei der Integrationsförderung (Streichung von Art. 57a VE-AuG aus dem Entwurf) 1.3.2 Reiseverbot für anerkannte Flüchtlinge (Streichung von Art. 59a VE-AuG aus dem Entwurf) 1.3.3 Weitere geforderte Anpassungen 1.4 Zusätzliche Anpassungen nach der Vernehmlassung 1.4.1 Aufhebung des ISR-Systems 1.4.2 Erfassung von Medizinalfällen 1.4.3 Systematische Erhebung biometrischer Daten 1.4.4 Flüchtlinge und Staatenlose mit einer rechtskräftigen Landesverweisung 1.4.5 Annahme der Änderungen des AuG (Integration) 1.5 Problematik der Reisen von anerkannten Flüchtlingen in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat 1.5.1 Ausgangslage 1.5.2 Massnahmen in der Praxis zur Erkennung missbräuchlicher Reisen in den Heimat- oder Herkunftsstaat

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Anpassungen des AuG 2.1 Verfahren für die Zustimmung des SEM zu kantonalen Bewilligungen (Art. 99 E-AuG) 2.1.1 Notwendigkeit der Änderung 2.1.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

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2.2

2.3

2.4

2.5

2.6

2.7

2.8

2.9

Schutz von Opfern, die Prostitution betreiben (Art. 30 Abs. 1 Bst. d und ebis sowie Art. 60 Abs. 2 Bst. b E-AuG) 2.2.1 Notwendigkeit der Änderung 2.2.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats Erweiterung der Zielgruppe der Rückkehrhilfe (Art. 60 Abs. 2 Bst. c E-AuG) 2.3.1 Notwendigkeit der Änderung 2.3.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats Qualität der Integrationsmassnahmen (Art. 56 Abs. 6 E-AuG) 2.4.1 Notwendigkeit der Änderung 2.4.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats Spesen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von entsandten Arbeitnehmenden in der Schweiz (Art. 22 E-AuG und Art. 2 Abs. 3 und 5 E-EntsG) 2.5.1 Notwendigkeit der Änderung 2.5.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats Umkehrung der Beweislast bei Reisen von Flüchtlingen in den Heimat- oder Herkunftsstaat (Art. 63 Abs. 1bis E-AsylG) 2.6.1 Notwendigkeit der Änderung 2.6.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats Anpassungen aufgrund der Rückführungsrichtlinie (Art. 64d Abs. 3, 81 Abs. 2 und 115 Abs. 4 E-AuG) 2.7.1 Notwendigkeit der Änderung 2.7.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats Delegation der Verfügungskompetenz an die Grenzkontrollorgane der Kantone oder des Bundes bei Einreiseverweigerung und Wegweisung an den Schengen-Aussengrenzen (Art. 65 Abs. 2 und 2bis E-AuG) 2.8.1 Notwendigkeit der Änderung 2.8.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats Anordnung einer Dublin-Haft (Art. 80a Abs. 1 Bst. a E-AuG) 2.9.1 Notwendigkeit der Änderung 2.9.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

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2.10 Neues Informationssystem für die Durchführung der Rückkehr (Art. 109f­109j E-AuG) 2.10.1 Notwendigkeit der Änderung 2.10.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats 2.11 Erweiterter Zugang zum zentralen Schengener Visa-Informationssystem und zu ORBIS (Art. 109a Abs. 2 Bst. d und 109c Bst. e E-AuG) 2.11.1 Notwendigkeit der Änderung 2.11.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats 2.12 Zugang des SIRENE-Büros zum ZEMIS (Art. 7a Abs. 3 Bst. f E-BGIAA) 2.12.1 Notwendigkeit der Änderung 2.12.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats 2.13 Zugriff von fedpol auf das API-System im Abrufverfahren sowie Erweiterung der Meldepflicht für bestimmte Flüge auf Antrag (Art. 104 Abs. 1ter, 104a Abs. 1, 1bis, 3 und 3bis, 104b und 104c E-AuG) 2.13.1 Notwendigkeit der Änderung 2.13.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats 2.14 Videoüberwachung (Art. 102f E-AsylG) 2.14.1 Notwendigkeit der Änderung 2.14.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats 2.15 Einführung von besonders schützenswerten digitalisierten Daten im ZEMIS (Art. 4 Abs. 1 Bst. abis und e, 7a E-BGIAA und Art. 99a Abs. 4 AsylG 2.15.1 Notwendigkeit der Änderung 2.15.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats 2.16 Bekanntgabe von Daten an die Migrationsbehörden (Art. 50a Abs. 1 Bst. e Ziff. 8 E-AHVG) 2.16.1 Notwendigkeit der Änderung 2.16.2 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats 3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 3.1 Bestimmungen des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 2005 3.2 Bestimmungen des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 3.3 Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich

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3.4 3.5 4

Entsendegesetz vom 8. Oktober 1999 Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember über die Alters- und Hinterlassenenversicherung

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Auswirkungen 4.1 Wirtschaftliche Auswirkungen einer Befristung der Spesentragungspflicht 4.2 Finanzielle Auswirkungen 4.2.1 Neuer Zugriff auf das Visa-Informationssystem, auf das ZEMIS und auf das API-System 4.2.2 Erweiterung der Zielgruppe der Rückkehrhilfe 4.2.3 Informationssystem für die Durchführung der Rückkehr (Projekt eRetour) 4.2.4 Einführung von besonders schützenswerten digitalisierten Daten im ZEMIS 4.2.5 Qualität der Integrationsmassnahmen 4.2.6 Gesetzliche Vermutung bei Reisen in den Heimat- oder Herkunftsstaat 4.2.7 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

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5

Verhältnis zur Legislaturplanung

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6

Rechtliche Aspekte 6.1 Gesetzesmässigkeit 6.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen 6.3 Verhältnis zum europäischen Recht

1767 1767 1767 1767

Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) (Verfahrensregelungen und Informationssysteme) (Entwurf)

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Das Bundesgesetz vom 16. Dezember 20051 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) trat am 1. Januar 20082 in Kraft. Ungeachtet der Änderungen des AuG3 betreffend die Umsetzung von Artikel 121a der Bundesverfassung4 (BV) sowie die Verbesserung der Integration5, die das Parlament am 16. Dezember 2016 verabschiedet hat und die noch nicht in Kraft getreten sind (nachstehend nAuG), müssen verschiedene weitere Bestimmungen dieses Gesetzes überarbeitet werden. Dies ergibt sich aus der jüngsten Entwicklung des nationalen und internationalen Rechts und der Praxis im Migrationsbereich. In erster Linie sind gewisse Verfahren anzupassen und die Gesetzesgrundlagen für den Zugriff, die Speicherung und die Bekanntgabe von migrationsbezogenen Daten zu schaffen.

Obwohl zwischen den verschiedenen Themen, mit denen sich diese Vorlage befasst, kein Zusammenhang besteht, ist es wegen ihrer Bedeutung für die Praxis im Migrationsbereich dennoch angezeigt, diese gleichzeitig zu behandeln.

1.2

Beantragte Neuregelung

1.2.1

Verfahren für die Zustimmung des SEM zu kantonalen Bewilligungen (Ziff. 2.1)

In einem Grundsatzentscheid6 vertrat das Bundesgericht (BGer) die Auffassung, dass das Zustimmungsverfahren ausgeschlossen ist, wenn das Staatssekretariat für Migration (SEM) den Entscheid einer kantonalen Rekursbehörde mit einer Beschwerde anfechten kann. Die beantragte Neuregelung ermöglicht dem SEM, seine Aufsichtsfunktion weiterhin auszuüben, indem ihm die Möglichkeit gegeben wird, seine Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung oder zu einem arbeitsmarktlichen Vorentscheid zu verweigern oder diesen gar einzuschränken, und zwar auch dann, wenn eine kantonale Rekursinstanz einer Gerichts- oder Verwaltungsbehörde sich dafür ausgesprochen hat.

1 2

3 4 5 6

SR 142.20 Mehrere Bestimmungen der Totalrevision des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) traten bereits im Januar 2007 in Kraft. Dabei handelte es sich um Bestimmungen zu den Zwangsmassnahmen, zur Verbesserung des Status von vorläufig Aufgenommenen und zur Schaffung von Migrationspartnerschaften.

Änderung des AuG vom 16. Dezember 2016 (Steuerung der Zuwanderung und Vollzugsverbesserungen bei den Freizügigkeitsabkommen; BBl 2016 8917).

SR 101 Änderung des AuG vom 16. Dezember 2016 (Integration; BBl 2016 8899).

BGE 141 II 169 vom 30. März 2015.

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1.2.2

Schutz von Opfern, die Prostitution betreiben (Ziff. 2.2)

Nach seinem Entscheid vom 22. Oktober 2014 zur Aufhebung des Cabaret-Tänzerinnen-Statuts mit Wirkung ab 1. Januar 2016 hat der Bundesrat beschlossen, Begleitmassnahmen zum Schutz von Opfern von Straftaten im Zusammenhang mit der Ausübung der Prostitution gemäss dem Opferhilfegesetz vom 23. März 20077 (OHG) einzuführen. Die beantragte Neuregelung sieht vor, den Aufenthalt dieser Personen während der Dauer des erforderlichen Verfahrens zu regeln und ihnen Rückkehrhilfe zu gewähren.

1.2.3

Erweiterung der Zielgruppe der Rückkehrhilfe (Ziff. 2.3)

Um ihre freiwillige Rückkehr in den Heimat- oder Herkunftsstaat zu fördern und ihre Reintegration in diesem Land zu erleichtern, sollen vorläufig aufgenommene Ausländerinnen und Ausländer (Art. 83 ff. AuG), die die Schweiz freiwillig verlassen oder die nach Aufhebung der vorläufigen Aufnahme dieses Land verlassen müssen, ebenfalls von der Rückkehrhilfe profitieren. Mit der beantragten Neuregelung kann somit allen vorläufig aufgenommenen Ausländerinnen und Ausländern, ob aus dem Asyl- oder Ausländerbereich, diese Hilfe gewährt werden.

1.2.4

Qualität der Integrationsmassnahmen (Ziff. 2.4)

Die Rolle des SEM in der Qualitätssicherung und in der qualitativen Weiterentwicklung der Integrationsförderung wird näher geregelt, insbesondere im Bereich der Sprachförderung.

1.2.5

Spesen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von entsandten Arbeitnehmenden in der Schweiz (Ziff. 2.5)

Die Pflicht des Arbeitgebers, die Auslagen ihrer Arbeitnehmenden bei einer Entsendung in die Schweiz zu tragen, ist zu regeln. Dieses Thema war bereits Gegenstand der Motion Markwalder8. In seiner Stellungnahme vom 20. Mai 2015 war der Bundesrat, der die Ablehnung der Motion beantragte, jedoch der Ansicht, dass bei längerfristigen Entsendungen ein gewisser Handlungsbedarf bezüglich der Dauer der Spesentragungspflicht bestehe.

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SR 312.5 Motion 15.3263 «Revision des Entsendegesetzes»; www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista > Geschäft 20153263.

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Die beantragte Neuregelung sieht diese Pflicht ausdrücklich im AuG und im Entsendegesetz vom 8. Oktober 19999 (EntsG)vor und erteilt dem Bundesrat die Kompetenz, bei langfristigen Entsendungen Bestimmungen zur Dauer der Spesentragungspflicht zu erlassen.

1.2.6

Gesetzliche Vermutung bei Reisen von Flüchtlingen in deren Heimat- oder Herkunftsstaat (Ziff. 2.6)

Mit der beantragten Neuregelung im Asylgesetz vom 26. Juni 199810 (AsylG) soll die gesetzliche Vermutung verankert werden, dass sich Flüchtlinge, die in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat gereist sind, freiwillig wieder unter den Schutz dieses Staates gestellt haben (Art. 63 Abs. 1bis E-AsylG). Folglich wird das SEM unmittelbar nach Feststellen einer solchen Reise ein Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft einleiten. Die Flüchtlingseigenschaft soll einzig dann nicht aberkannt werden, wenn die betroffene Person die entsprechende Vermutung widerlegen kann. Die Vermutung gilt dann als widerlegt, wenn die betroffene Person glaubhaft macht, dass die Reise in den Heimat- oder Herkunftsstaat nicht freiwillig erfolgt ist, dass sie nicht die Absicht hatte, sich wieder unter den Schutz dieses Staates zu stellen oder dass dieser Staat ihr keinen Schutz gewährt hat.

1.2.7

Umsetzungsverbesserungen beim Schengen- und Dublin-Besitzstands (Ziff. 2.7­2.9)

Als an Schengen und Dublin assoziierter Staat hat die Schweiz alle Weiterentwicklungen des Schengen- und Dublin-Besitzstands übernommen. Verschiedene Bestimmungen des AuG betreffend die Rückkehr im Zusammenhang mit der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten für die Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie)11 sind aufgrund der diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) anzupassen. Das Verfahren der Einreiseverweigerung und Wegweisung an den Flughäfen muss den Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenze durch Personen (Schengener Grenzkodex)12 besser entsprechen. Zudem ist im Hinblick auf die Änderungen infolge der Neustrukturierung des Asylbereichs13 eine Kompetenznorm für die Anordnung der Dublin-Haft vorzusehen.

9 10 11 12 13

SR 823.20 SR 142.31 ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98­107.

ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1; geändert durch Verordnung (EU) 2017/458, ABl. L 74 vom 18.03.2017, S. 1.

Vgl. Änderung des Asylgesetzes (Neustrukturierung des Asylbereichs; 14.063), vom Parlament am 25. September 2015 angenommen und teilweise in Kraft getreten (AS 2016 3101 ff.).

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Die beantragten Neuregelungen betreffend die Rückführungsrichtlinie tragen der Kritik und den Empfehlungen Rechnung, die namentlich im Rahmen der SchengenEvaluation der Schweiz im Jahr 2014 vom Evaluationskommision vorgebracht wurden.

1.2.8

Informationssysteme, Videoüberwachung und Datenaustauch (Ziff. 2.10­2.16)

Ein neues Informationssystem des SEM, das die für die Aufgaben im Bereich der Weg- und Ausweisung sowie der Rückkehrhilfe erforderlichen Daten enthält, erweist sich als notwendig. Ausserdem müssen bei verschiedenen Informationssystemen die Zugriffsberechtigungen angepasst werden, und gewisse besonders schützenswerte Daten müssen darin erfasst werden können. Zudem müssen Bild- und Tonaufzeichnungen aus der Videoüberwachung als Beweismittel herangezogen werden können. Und schliesslich ist der Datenaustausch zwischen bestimmten Verwaltungsbehörden und den Migrationsbehörden zu verbessern.

1.3

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens und Anpassungen

Der Bundesrat eröffnete am 22. Juni 2016 die Vernehmlassung. Sie dauerte bis zum 13. Oktober 2016. Insgesamt sind 68 Stellungnahmen eingegangen. Alle Kantone, fünf politische Parteien (GPS, CVP, FDP, SPS und SVP), drei Regierungskonferenzen (Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen [KKAK], Konferenz der Kantonsregierungen [KdK] und Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren [KKJPD]) sowie 34 Teilnehmer aus der Gruppe der interessierten Kreise und der Dachverbände haben sich zur Vorlage geäussert. Zwei Teilnehmer (GR und Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter [SVR]) haben ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet. Ein einziger Teilnehmer (SVP) hat die Vorlage im Grundsatz abgelehnt.

Die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer begrüsst grösstenteils die beantragte Neuregelung. Einige beschränken sich jedoch auf eine Stellungnahme zu den Bestimmungen, die sie betreffen oder interessieren. Und schliesslich kritisieren einige Teilnehmer (z. B. FDP, GPS, die Fédération des Entreprises Romandes [FER], der Schweizerische Anwaltsverband [SAV] und der Ordre des avocats de Genève [ODAGE]), dass diese Vorlage ganz unterschiedliche Themen abdeckt.

Am meisten umstritten sind die Bestimmungen betreffend die Qualität der Integrationsmassnahmen (Art. 57a E-AuG) und betreffend die Massnahmen zur Erhöhung der Durchsetzbarkeit des Reiseverbots von anerkannten Flüchtlingen in deren Heimat- oder Herkunftsstaat (Art. 59a E-AuG und Art. 63 E-AsylG). Aufgrund der Stellungnahmen zu diesen Artikeln wurde Artikel 57a E-AuG gestrichen und eine neue Bestimmung vorgeschlagen (vgl. Ziff. 1.3.1 und 2.4). Ebenso wurde Artikel 59a E-AuG gestrichen (vgl. Ziff. 1.3.2).

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In Bezug auf die verschiedenen Stellungnahmen der Vernehmlassungsteilnehmer und die diesbezügliche Haltung des Bundesrats wird auf Ziffer 2 verwiesen.

1.3.1

Qualitätssicherung bei der Integrationsförderung (Streichung von Art. 57a VE-AuG aus dem Entwurf)

Artikel 57a Absätze 1 und 2 VE-AuG des Vernehmlassungsentwurfs über die Qualitätssicherung bei der Integrationsförderung werden gestrichen, weil das Parlament am 16. Dezember 201614 einen entsprechenden Artikel 56 Absatz 5 nAuG im Rahmen der «Integrationsvorlage» (Teilrevision AuG; 13.030) verabschiedet hat. Der verabschiedete Artikel ist umfassender, da er alle Förderbereiche einschliesst. Er trägt zudem den Anliegen der Vernehmlasser Rechnung.

Artikel 57a Absatz 1 und 2 VE-AuG des Vernehmlassungsentwurfs gibt in Berücksichtigung von Artikel 6 Absatz 2 des Bundesgesetzes über die Weiterbildung vom 20. Juni 201415 (WeBiG) dem SEM und den Kantonen die Kompetenz, Kriterien für die Qualitätssicherung und die Qualitätsentwicklung im Bereich der Integrationsmassnahmen festzulegen. Die grosse Mehrheit der Kantone lehnt diese Bestimmung ab. Ebenso drei Parteien und mehrere Organisationen, darunter die Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden (VKM) und die KKJPD. Kritisiert wird vor allem, dass die vorgeschlagene Bestimmung den Kantonen ihre operative Verantwortlichkeit zur Qualitätssicherung entziehe, dass sie keine Rücksicht auf die kantonalen Gegebenheiten nehme, dass sie einen Mehraufwand und Zusatzkosten verursache und Innovationen hemme. Zudem bestehe bereits heute eine Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden im Rahmen der kantonalen Integrationsprogramme (KIP). Diese Instrumente werden als genügend erachtet.

Der in der Vernehmlassung unbestrittene Artikel 57a Absatz 3 VE-AuG wird neu zu Artikel 56 Absatz 6 E-AuG.

1.3.2

Reiseverbot für anerkannte Flüchtlinge (Streichung von Art. 59a VE-AuG aus dem Entwurf)

Der in die Vernehmlassung gegebene Artikel 59a VE-AuG sah vor, anerkannten Flüchtlingen die Reise in den Heimat- oder Herkunftsstaat ausdrücklich zu untersagen. Zudem sollte es bei einem begründeten Verdacht der Missachtung dieses Reiseverbots möglich sein, ein Reiseverbot für alle Flüchtlinge aus dem betreffenden Staat für weitere Staaten auszusprechen, insbesondere für Nachbarstaaten des Heimat- oder Herkunftsstaats. Wie die gesetzliche Vermutung (vgl. Art. 63 Abs. 1bis E-AuG; vgl. Ziff. 1.2.6) zielt diese Bestimmung darauf ab, die Reise anerkannter Flüchtlinge in deren Heimat- oder Herkunftsstaat einzuschränken.

14 15

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Obwohl die generelle Problematik dieser Reisen erkannt (vgl. Ziff. 1.5) und der Zweck dieser Bestimmungen von den Teilnehmern der Vernehmlassung begrüsst wurde, äusserten sich die Teilnehmer mehrheitlich kritisch gegen Artikel 59a VE-AuG. Das Reiseverbot für andere Staaten (Nachbarstaaten) und die Ausweitung dieses Verbots auf alle anerkannten Flüchtlinge aus dem gleichen Heimatstaat wurden als unverhältnismässig erachtet (z. B. FR, GE, NE, SH, SPS, CSP, die Vertretung der Internationalen Organisation für Migration in Bern, die Schweizerische Flüchtlingshilfe [SFH] und der Schweizerische Städteverband [SSV]). Dass diese Bestimmung unbestimmte Begriffe enthält (beispielsweise den Begriff des begründeten Verdachts), schaffe zudem Rechtsunsicherheit (z. B. KKJPD, VKM, SAV und ODAGE).

Gestützt auf das Resultat des Vernehmlassungsverfahrens und nach einer vertiefen Prüfung der Durchführbarkeit soll auf Artikel 59a VE-AuG verzichtet werden. Die Reise aus der Schweiz in einen Heimat- oder Herkunftsstaat erfolgt in der Regel nicht nur über einen Nachbarstaat, sondern über mehrere Staaten. Deshalb lässt sich in der Praxis ein solches Reiseverbot kaum durchsetzen, weil durch die vielfältigen und unübersichtlichen Reiserouten der eigentlichen Zielstaat (Heimat- oder Herkunftsstaat) von den Behörden nicht festgestellt werden kann. Zudem würde ein solches Verbot den Besuch von nahen Familienangehörigen in die Nachbarstaaten verunmöglichen, die sich dort vorübergehend oder dauerhaft aufhalten.

Der im Vernehmlassungsentwurf unterbreitete Vorschlag betreffend die gesetzliche Vermutung bei einer Reise in den Heimat- oder Herkunftsstaat wird jedoch beibehalten (Art. 63 Abs. 1bis E-AsylG; vgl. Ziff. 2.6). Bereits heute wird bei der Feststellung einer Reise in den Heimat- oder Herkunftsstaat automatisch ein Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft eingeleitet, wobei im Rahmen dieser Verfahren schwer nachzuweisen ist, ob ein Flüchtling wieder unter den Schutz seines Heimats- oder Herkunftsstaates zurückkehren wollte. Mit der geplanten gesetzlichen Vermutung wird die betroffene Person selber glaubhaft machen müssen, dass sie trotz dieser Reise weiterhin tatsächlich verfolgt wird.

1.3.3

Weitere geforderte Anpassungen

Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer haben die Aufhebung von Artikel 64c E-AuG gefordert, da eine formlose Wegweisung den Anforderungen des Schengen-Besitzstands in diesem Bereich nicht genüge. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Rückführungsrichtlinie16 Ausnahmen vom Grundsatz, wonach eine Wegweisung bei rechtswidrigem Aufenthalt immer schriftlich zu verfügen ist, vorsieht. Nach Artikel 6 Absatz 3 dieser Richtlinie können die Schengen-Staaten vom Erlass einer Wegweisungsverfügung gegen Drittstaatsangehörige, die sich illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, absehen, wenn die betroffenen Personen auf der Grundlage eines bilateralen Abkommens von anderen Schengen-Staaten rückübernommen werden. Nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a kann jeder Schengen-Staat beschliessen, die Richtlinie nicht anzuwenden ­ und somit keine formelle Wegweisungsver16

ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98­107, Ziff. 1.2.7.

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fügung zu erlassen ­, wenn einem Drittstaatsangehörigen die Einreise nach Artikel 13 des Schengener Grenzkodex bereits verweigert wurde. Dadurch sollen Doppelspurigkeiten vermieden werden, denn bei diesen Personen wurde zuvor schon in einem formellen Verfahren nach dem Schengener Grenzkodex geprüft, ob die Einreisevoraussetzungen erfüllt sind.17 Deshalb ist Artikel 64c AuG nicht aufzuheben.

Einige Vernehmlassungsteilnehmer haben die Änderung bzw. Streichung anderer Bestimmungen gefordert, insbesondere von Artikel 74 AuG (SPS) und Artikel 61 Absatz 1 Buchstabe f AuG (ZH). Diesen Forderungen kann nicht entsprochen werden. Der Gesetzgeber hat sich nämlich bereits zugunsten dieser Bestimmungen geäussert. Es handelt sich um geltendes Recht, das nicht im Rahmen der vorliegenden Revision geändert werden kann.

Zwei Kantone (OW und NW) möchten, dass die Strafverfolgungsbehörden und die Zwangsmassnahmengerichte die zur Anwendung des AuG erforderlichen Informationen unaufgefordert an die mit dem Vollzug des AuG betrauten Behörden übermitteln müssen. Der Bundesrat hat bereits bestimmt, dass die Anhebung und die Einstellung von Strafuntersuchungen, Verhaftungen und Entlassungen sowie zivil- und strafrechtliche Urteile, die Ausländerinnen und Ausländer betreffen, von den Polizei- und Gerichtsbehörden sowie den Strafuntersuchungsbehörden unaufgefordert den für den Vollzug des AuG zuständigen Behörden zu melden sind (Art. 97 Abs. 3 Bst. a und b AuG, Art. 82 Abs. 1 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 200718 [VZAE]). Daher werden die bestehenden gesetzlichen Grundlagen als ausreichend erachtet.

1.4

Zusätzliche Anpassungen nach der Vernehmlassung

Nach der Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens, aber unabhängig davon, wurden verschiedene Bestimmungen in die Vorlage aufgenommen.

1.4.1

Aufhebung des ISR-Systems

Das Informationssystem zur Ausstellung von schweizerischen Reisedokumenten und von Bewilligungen zur Wiedereinreise an Ausländerinnen und Ausländer (ISR) wird aufgehoben weil es die Nutzungsdauer bald erreicht hat.

Es wird vorgeschlagen, dass die Daten dieses Systems im ZEMIS erfasst werden.

Diese technische Änderung bringt die Aufhebung von Artikel 111 AuG sowie die Anpassung von Bestimmungen des AuG (Art. 59 und 102a) und des Bundesgesetzes vom 20. Juni 200319 über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich vom (BGIAA) (Art. 3 Abs. 2 Bst. b und Abs. 3 Bst. b, Art. 4 Abs. 1 Bst. abis und g, Art. 7a und Art. 9 Abs. 1 Bst. m­o und Abs. 2 Bst. l­n) mit sich.

17 18 19

BBl 2009 8893, ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1; geändert aufgrund der Verordnung (EU) 2017/458, ABl. L 74 vom 18.3.2017, S. 1, Ziff. 1.2.7.

SR 142.201 SR 142.51

1698

BBl 2018

Es wurde darauf verzichtet, diese Änderungen erneut in die Vernehmlassung zu geben, da die betreffenden Behörden (VKM und KKJPD) am 11. Mai 2017 konsultiert wurden. Diese haben die geplante Aufhebung des ISR-Systems gutgeheissen.

Zudem bleibt der Datenzugriff unverändert. Die betreffenden Behörden müssen die Daten zu den Reisedokumenten im ZEMIS erneut bearbeiten. Die Position der interessierten Kreise ist somit bekannt im Sinne von Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200520 (VIG).

1.4.2

Erfassung von Medizinalfällen

Im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) und im Informationssystem der Empfangs- und Verfahrenszentren und der Unterkünfte an den Flughäfen (MIDES) ist der Vermerk «Medizinalfall» zu erfassen, damit Asylsuchende, die medizinische Unterstützung benötigen, besser auf die Kantone verteilt werden können (Art. 4 Abs. 1 Bst f E-BGIAA und Art. 99a Abs. 3 Bst. f E-AsylG).

Es wurde darauf verzichtet, diese Änderungen erneut in die Vernehmlassung zu geben, denn sie ermöglichen Zugriffe, die die bestehende Praxis vereinfachen.

Zudem beziehen sie sich hauptsächlich auf die Organisation oder die Verfahren der Bundesbehörden gemäss Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe a des VIG.

1.4.3

Systematische Erhebung biometrischer Daten

Bei der Prüfung der Einreisevoraussetzungen oder bei ausländerrechtlichen Verfahren können die zuständigen Behörden nun in Einzelfällen und bei bestimmten Personenkategorien auch systematisch die biometrischen Daten zu Identifikationszwecken erfassen und speichern (Art. 102 Abs. 1 E-AuG). Dies betrifft hauptsächlich längerfristige, bewilligungspflichtige Aufenthalte in der Schweiz ab drei Monaten für eine Erwerbstätigkeit oder den Familiennachzug (Visum D). Der Bundesrat ist zudem beauftragt, die Personenkategorien zu bestimmen, für die eine systematische Erfassung erfolgen kann.

Es wurde darauf verzichtet, diese Änderung erneut in die Vernehmlassung zu geben, da sie im Wesentlichen die Bundesbehörden und die Bearbeitung biometrischer Daten im Rahmen des Visumverfahrens betrifft. Sie bezieht sich hauptsächlich auf die Organisation oder die Verfahren der Bundesbehörden und insbesondere des Eidgenössischen Depatements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) nach Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe a des VIG.

20

SR 172.061

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BBl 2018

1.4.4

Flüchtlinge und Staatenlose mit einer rechtskräftigen Landesverweisung

Die Situation von Flüchtlingen und Staatenlosen, die mit einer rechtskräftigen, aber nicht vollziehbaren Landesverweisung belegt sind, ist in Bezug auf die Erwerbstätigkeit, die Sozialhilfe und die Bundesbeiträge zu regeln (Art. 61 E-AsylG, Art. 31 Abs. 3 und 4, Art. 86 Abs. 1 und 1bis sowie Art. 87 Abs. 1 Bst. d E-AuG). Diese Änderung entspricht den bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz.

Es wurde darauf verzichtet, diese Änderung erneut in die Vernehmlassung zu geben, da dies einem Anliegen entspricht, der in der Vernehmlassung zur Verordnung über die Einführung der Landesverweisung geäussert wurde.21 Die Position der interessierten Kreise ist somit bekannt im Sinne von Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b des VIG.

1.4.5

Annahme der Änderungen des AuG (Integration)

Das Parlament verabschiedete am 16. Dezember 2016 verschiedene Änderungen des AuG (Integration), darunter Artikel 97 Absatz 3 Buchstabe dquinquies nAuG22, der neu die Bekanntgabe von Daten betreffend die Anwendung von Massnahmen der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden regelt. Der in die Vernehmlassung gegebene Artikel 97 Absatz 3 Buchstabe g VE-AuG erübrigt sich somit und wird aus der Vorlage gestrichen.

Ebenfalls verabschiedet wurde im Rahmen der erwähnten Änderung Artikel 56 nAuG betreffend die Aufgabenteilung im Integrationsbereich (vgl. Ziff. 1.3). Infolgedessen wurde der in die Vernehmlassung gegebene Artikel 57a E-AuG gestrichen, und in Artikel 56 nAuG wurde ein neuer Absatz 6 hinzugefügt.

1.5

Problematik der Reisen von anerkannten Flüchtlingen in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat

1.5.1

Ausgangslage

Nach geltendem Recht haben anerkannte Flüchtlinge einen Anspruch auf einen Reiseausweis für Flüchtlinge. Dieser berechtigt sie jedoch nicht, in den Heimat- oder Herkunftsstaat zu reisen (Art. 59 AuG sowie Art. 3 und 12 Abs. 3 der Verordnung vom 14. November 201223 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen [RDV]). Reist eine Person dennoch in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat, führt dies zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich diese dadurch freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimat- oder Herkunftsstaats 21

22 23

Vgl. Ziff. 2.1.1 des erläuternden Berichts zur Verordnung über die Einführung der Landesverweisung unter: www.bj.admin.ch > Sicherheit > Laufende Rechtsetzungsprojekte > Ausschaffung von ausländischen Straftätern.

BBl 2016 8899 8908 SR 143.5

1700

BBl 2018

gestellt hat (vgl. Art. 63 Abs. 1 Bst. b AsylG). Die Flüchtlingseigenschaft kann jedoch durch das SEM nur in denjenigen Fällen aberkannt werden, in denen das SEM eine Reise in den Heimat- oder Herkunftsstaat auch tatsächlich nachweisen kann. Dieser Nachweis ist in der Praxis für das SEM oftmals nur schwer zu erbringen. In den letzten zwei Jahren wurde die Flüchtlingseigenschaft aufgrund einer Heimatreise nur bei 191 (2015) bzw. 143 (2016) Personen aberkannt. In diesen beiden Jahren lebten insgesamt 48 597 (2015) bzw. 55 291 (2016) anerkannte Flüchtlinge in der Schweiz. Diese relativ tiefe Aberkennungsquote zeigt, dass zusätzliche Massnahmen zur Erkennung missbräuchlicher Reisen in den Heimat- oder Herkunftsstaat notwendig sind. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Problematik der Nachweisbarkeit.

Die Problematik missbräuchlicher Reisen von anerkannten Flüchtlingen in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat wird auch im Rahmen verschiedener parlamentarischer Vorstösse (vgl. Motionen 15.380324 und 15.384425) und medial immer wieder thematisiert. Der Bundesrat ist sich dieser Problematik bewusst, und es ist ihm ein grosses Anliegen, hier wirksame Massnahmen vorzuschlagen, um allfällige Missbräuche in diesem Bereich konsequent zu bekämpfen. In seiner Stellungnahme zu den erwähnten Motionen wies er bereits darauf hin, dass das Eidgenössischen Justizund Polizeidepartement (EJPD) die Möglichkeit prüft, im AsylG die Voraussetzungen für eine freiwillige Unterstellung von Flüchtlingen unter den Schutz ihres Heimat- oder Herkunftsstaats festzulegen.

Vor diesem Hintergrund schlägt der Bundesrat eine gesetzliche Änderung im AsylG vor, wonach eine gesetzliche Vermutung zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft verankert werden soll (vgl. Art. 63 Abs. 1bis E-AsylG, vgl. Ziff. 1.2.6 und 2.6). Zusätzlich hat das SEM in der Praxis bereits Massnahmen ergriffen, um missbräuchliche Reisen in den Herkunftsstaat von anerkannten Flüchtlingen wirksam zu erkennen bzw. solche besser nachweisen zu können (vgl. Ziff. 1.5.2).

1.5.2

Massnahmen in der Praxis zur Erkennung missbräuchlicher Reisen in den Heimat- oder Herkunftsstaat

Bereits seit September 2015 verfügt das SEM über eine «Meldestelle Heimatreisen», an die Verdachtsmeldungen zu Reisen von Personen aus dem Asylbereich in den Heimat- oder Herkunftsstaat gerichtet werden können. Im Anschluss an eine solche Meldung prüft das SEM, ob im Einzelfall aufgrund der bestehenden Hinweise die Flüchtlingseigenschaft der betroffenen Person und das Asyl widerrufen oder die vorläufige Aufnahme aufgehoben werden kann. Seit Errichtung dieser Meldestelle konnten dem SEM zahlreiche Verdachtsfälle durch die Grenzkontrollbehörden sowie durch die kantonalen Sozial- oder Migrationsämter gemeldet werden. In 24

25

Motion 15.3803 «Keine unangebrachten Auslandreisen für in der Schweiz aufgenommene Personen aus dem Asylbereich»; www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista > Geschäft 20153803.

Motion 15.3844 «Keine Auslandreisen für Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene»; www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista > Geschäft 20153844.

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BBl 2018

diesem Zusammenhang wurde auch die Zusammenarbeit zwischen dem SEM, den zuständigen Kantonen und den Grenzkontrollbehörden verstärkt. So greifen die Grenzkontrollbehörden auf die von den Fluggesellschaften nach Abflug übermittelten Passagierdaten (Personalien, Angaben zum Reisedokument und zum Flug; Advance Passenger Information) zurück, um Hinweise auf solche Reisen zu erhalten.

Des Weiteren beabsichtigt das SEM, ab Herbst 2017 ein neues Formular für die Ausstellung von Reiseausweisen für Flüchtlinge einzuführen. Dieses weist darauf hin, dass Flüchtlingen im Fall eines Verdachts auf eine Reise in deren Heimat- oder Herkunftsstaat eine Mitwirkungspflicht im Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft und zum Widerruf des Asyls zukommt. Ein schweizerisches Reisedokument für Flüchtlinge soll dabei nur denjenigen Personen gewährt werden, die sich mit dieser Mitwirkungspflicht einverstanden erklären.

Zurzeit wird zudem im SEM eine neue Bestimmung in der RDV ausgearbeitet, wonach künftig in den von der Schweiz ausgestellten Reiseausweisen für Flüchtlinge auch die Nationalität der Flüchtlinge abgebildet werden kann. Dadurch soll der Arbeitsaufwand für die Grenzkontrollbehörden zur Erkennung von Hinweisen auf eine Reise in den Heimat- oder Herkunftsstaat deutlich vermindert werden. Die entsprechende Regelung wird voraussichtlich Mitte 2018 in Kraft treten.

Das Thema der missbräuchlichen Reisen in den Heimat- oder Herkunftsstaat wird schliesslich auch in anderen europäischen Staaten diskutiert. Auf europäischer Ebene sind deshalb Bestrebungen im Gange, die Kooperation und insbesondere den Informationsfluss zwischen den europäischen Staaten in solchen Fällen zu intensivieren. Es ist dem Bundesrat ein grosses Anliegen, dass sich die Schweiz ebenfalls für eine bessere internationale Zusammenarbeit im Bereich der missbräuchlichen Reisen in den Heimat- oder Herkunftsstaat einsetzt.

2

Anpassungen des AuG

2.1

Verfahren für die Zustimmung des SEM zu kantonalen Bewilligungen (Art. 99 E-AuG)

2.1.1

Notwendigkeit der Änderung

Das Zustimmungsverfahren gibt dem SEM ein Aufsichts- und Vetorecht bei der Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen durch die kantonalen Ausländerbehörden sowie bei den Vorentscheiden der kantonalen Arbeitsmarktbehörden. Das SEM kann also in gewissen Fällen seine Zustimmung verweigern oder den kantonalen Entscheid einschränken.

Der geltende Artikel 99 AuG delegiert die Kompetenz für die Festlegung dieser Fälle an den Bundesrat. Die VZAE wurde geändert und sieht in der seit 1. September 2015 geltenden Fassung eine Weiterdelegation dieser Kompetenz an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement vor. Dieses regelt nun in der Verordnung

1702

BBl 2018

des EJPD vom 13. August 201526 über die dem Zustimmungsverfahren unterliegenden ausländerrechtlichen Bewilligungen und Vorentscheide, welche Fälle dem SEM zur Zustimmung zu unterbreiten sind.

In einem Grundsatzurteil zum Zustimmungsverfahren27 hielt das Bundesgericht insbesondere fest, dass dieses nicht zulässig ist in Fällen, in denen das SEM ­ nach der Erteilung der von einer kantonalen Rekursinstanz einer Gerichts- oder Verwaltungsbehörde nachgesuchten Bewilligung ­ beim BGer eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einreichen oder in Kantonen, die einen doppelten Instanzenzug kennen, den Fall vor die kantonale Rekursbehörde bringen kann.

Im Gegensatz zum Beschwerdeverfahren ist das Zustimmungsverfahren nicht an bestimmte Fristen gebunden, und das SEM kann beim Entscheid sein eigenes Ermessen ausüben. Die vorgeschlagene Anpassung soll diese Situation wiederherstellen, indem erneut gewährleistet wird, dass das SEM die Wahl hat zwischen dem Zustimmungsverfahren und dem Beschwerdeweg, wenn eine kantonale Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde auf eine entsprechende Beschwerde hin eine Aufenthaltsbewilligung erteilt hat.

2.1.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer (die meisten Kantone sowie KKJPD und VKM) befürworten die vorgeschlagene Änderung von Artikel 99 AuG.

Die Stellungnahmen fokussieren auf die Bedeutung des Ermessensspielraums des SEM. Zwei Teilnehmer befürchten eine Verlängerung des Verfahrens und dass das Verfahren bei den Betroffenen auf Unverständnis stösst; sie sind aber der Ansicht, dass das öffentliche Interesse an einer einheitlichen Praxis höher zu gewichten sei.

Die Teilnehmer, die diese Änderung ablehnen, sind der Ansicht, dass das SEM den Entscheid beim Bundesgericht anfechten muss, wenn dieser Weg offen steht. Einige schlagen gar vor, diese Pflicht im Gesetz zu verankern.

Haltung des Bundesrats Aufgrund der Stellungnahmen der Vernehmlassungsteilnehmer ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Änderung von Artikel 99 AuG wie vorgeschlagen beibehalten werden soll.

Das Zustimmungsverfahren erweist sich als Instrument, dessen Zweck weit von demjenigen der Beschwerde entfernt ist: Während bei der Beschwerde die Rechtmässigkeit eines Entscheids geprüft werden soll, ermöglicht das Zustimmungsverfahren dem SEM, den ihm vom AuG gewährten Ermessensspielraum auszuüben.

Bei der Ausübung dieses Ermessensspielraums muss nicht unterschieden werden zwischen den kantonalen Behörden, die den Erstentscheid erlassen, und den Verwaltungs- oder Gerichtsbehörden, die auf Beschwerde hin ein Urteil gegen diesen 26 27

SR 142.201.1 BGE 141 II 169 und Urteil 2C_634/2014 vom 24. April 2015.

1703

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Entscheid erlassen. Das Zustimmungsverfahren soll nämlich eine einheitliche Migrationspolitik sicherstellen.

Die Situation nach der neuen Rechtsprechung ist im Hinblick auf den Auftrag an das SEM, eine kohärente Ausländerpolitik sicherzustellen und die Umsetzung des Ausländergesetzes durch die Kantone zu überwachen (Art. 12 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2 Bst. d der Organisationsverordnung vom 17. November 199928 für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement), nicht zufriedenstellend. Sie ist deshalb zu korrigieren, indem die entsprechende Gesetzesgrundlage angepasst wird.

Da die gesetzliche Verankerung der Pflicht, beim BGer Beschwerde zu erheben, wenn dieser Weg offen steht, letztlich keine Änderung gegenüber der aktuellen Situation nach der Rechtsprechung des BGer mit sich bringt, ist sie abzulehnen.

2.2

Schutz von Opfern, die Prostitution betreiben (Art. 30 Abs. 1 Bst. d und ebis sowie Art. 60 Abs. 2 Bst. b E-AuG)

2.2.1

Notwendigkeit der Änderung

Das Cabaret-Tänzerinnen-Statut wurde 1995 ursprünglich zum Schutz der Tänzerinnen vor Ausbeutung geschaffen. Es bildete eine Ausnahme für die Zulassung von unqualifizierten Arbeitskräften aus Drittstaaten und ermöglichte Frauen, während maximal acht Monaten pro Jahr in der Schweiz als Cabaret-Tänzerin tätig zu sein (Art. 30 Abs.1 Bst. d AuG und alter Art. 34 VZAE).

Der Bundesrat beschloss am 22. Oktober 2014 die Aufhebung dieses Statuts. Die Aufhebung ist eine von 26 Empfehlungen des Berichts der EJPD ins Leben gerufenen Expertengruppe zum Schutz der im Erotikgewerbe tätigen Frauen29, da dieser Status in der Praxis den notwendigen Schutz der betroffenen Frauen oft nicht gewähren kann. Deshalb wurde Artikel 34 VZAE betreffend die Cabaret-Tänzerinnen mit der Teilrevision der VZAE, die am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist, aufgehoben.

Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe d AuG, wonach von den Zulassungsvoraussetzungen abgewichen werden kann, um Personen zu schützen, die im Zusammenhang mit ihrer Erwerbstätigkeit besonders gefährdet sind, ist nach dem Willen des Gesetzgebers nur auf Cabaret-Tänzerinnen anwendbar (siehe Botschaft AuG30). Deshalb hat der Vernehmlassungsentwurf dessen Aufhebung vorgeschlagen.

Personen, die bei der Ausübung von Prostitution Opfer von Straftaten im Sinne des OHG werden, sollen künftig die Möglichkeit erhalten, in bestimmten Fällen eine vorübergehende Aufenthaltsregelung und eine Rückkehrhilfe zu beantragen. Diese weitere Empfehlung der Expertengruppe wird in den Artikeln 30 Absatz 1 Buchstabe ebis und 60 Absatz 2 Buchstabe b E-AuG übernommen.

28 29 30

SR 172.213.1 Bericht unter: www.sem.admin.ch > Publikationen & Service > Berichte > Allgemeine Berichte.

BBl 2002 3709

1704

BBl 2018

Die vorgeschlagenen neuen Regelungen gelten unabhängig davon, ob die betreffende Person diese Tätigkeit rechtmässig oder rechtswidrig ausgeübt hat. Damit wird die Gleichbehandlung aller Opfer sichergestellt, unabhängig vom ausländerrechtlichen Status. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung bleibt dennoch strafbar (Art. 115 Abs. 1 Bst. c AuG).

2.2.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die Mehrheit der Kantone, der politischen Parteien und der interessierten Kreise befürworten die vorgeschlagenen Anpassungen in Bezug auf den Schutz von Opfern, die Prostitution betreiben.

Kritisiert wird vor allem, dass diese Bestimmungen nicht nur für Personen gelten sollen, die Prostitution betreiben, sondern auch für Personen, die im Rahmen einer anderen Tätigkeit in einem prekären Arbeitsverhältnis stehen und der Gefahr der Ausbeutung ausgesetzt sind ­ das heisst für alle Opfer im Sinne des OHG. Zudem werden die Kann-Formulierung von Artikel 30 AuG sowie die Aufhebung des geltenden Buchstabens b und der diesbezüglichen Rechtsprechung kritisiert.

Darüber hinaus wurden verschiedene Anliegen formuliert: ­

Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unabhängig von der Kooperation mit Straf- oder Justizbehörden;

­

Berücksichtigung weiterer Straftaten, die für das Milieu der Prostitution spezifisch sind, aber nicht unter das OHG fallen;

­

Straflosigkeit von Personen, die im Rahmen der Ausübung der Prostitution Opfer werden, sowie von Opfern von Menschenhandel für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung im Sinne von Artikel 115 AuG.

Einige Vernehmlassungsteilnehmer fordern, dass die Aufgabe der Tätigkeit nachgewiesen werden muss, bevor Rückkehrhilfe gewährt wird; zudem dürfe diese Massnahme nicht zu attraktiv sein. Einige wünschen eine allgemeine Rückkehrhilfe für alle Opfer von Straftaten.

Haltung des Bundesrats Nach Ansicht des Bundesrats sollen nur Prostituierte, die Opfer von Straftaten wurden, falls nötig eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Die Behörden können ausserdem Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe b AuG anwenden, um den Aufenthalt in schwerwiegenden Fällen zu bewilligen oder wenn ein erhebliches öffentliches Interesse vorliegt. Dies wäre der Fall bei Opfern von Straftaten, die eine andere Tätigkeit in einem prekären Arbeitsverhältnis ausüben.

Nach Ansicht des Bundesrats ist die bestehende Kann-Bestimmung, die den Behörden einen Ermessensspielraum lässt, beizubehalten. Es ist eine Konkretisierung auf Verordnungsstufe vorgesehen.

Auf den Buchstaben d, der nur für Cabaret-Tänzerinnen galt, ist zu verzichten; der Cabaret-Tänzerinnen-Status wurde aufgehoben. Der neue Buchstabe ebis bezieht sich 1705

BBl 2018

auf eine neue Kategorie von Personen, die Prostitution betreiben und bei der Ausübung ihres Berufs Opfer von Straftaten wurden.

Zudem wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung keine Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden verlangt. Der Bundesrat stellt ausserdem fest, dass bestimmte Straftaten (unbezahlte Löhne) nicht in den Anwendungsbereich des OHG fallen und dass infolgedessen solche Fälle im Rahmen des Buchstabens ebis keine Anwendung finden können. Dennoch kann die mögliche Notwendigkeit, im Rahmen eines Strafverfahrens vorläufig in der Schweiz zu bleiben, ohne dass eine Straftat im Sinne des OHG vorliegt, über Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe b AuG in Betracht gezogen werden.

Und schliesslich kann der Richter selber im Rahmen der Anwendung von Artikel 115 AuG von einer Bestrafung oder einer Strafverfolgung in Anwendung des Strafgesetzbuches31 (StGB) absehen, insbesondere wenn die betreffende Person durch die unmittelbaren Folgen ihrer Tat schwer betroffen war (Art. 52­54 StGB).

Deshalb ist es nicht angebracht, in Artikel 115 AuG für Prostituierte oder Opfer von Menschenhandel ausdrücklich gewisse Ausnahmen von der Strafbarkeit oder vom Vollzug der Strafe wegen illegaler Erwerbstätigkeit vorzusehen.

In Bezug auf die Rückkehrhilfe werden der Kreis der Anspruchsberechtigten und die bestimmenden Elemente für deren Gewährung auf Verordnungsstufe genauer definiert. Diesbezüglich wird den Besonderheiten im Zusammenhang mit der Problematik der Prostitution Rechnung getragen.

2.3

Erweiterung der Zielgruppe der Rückkehrhilfe (Art. 60 Abs. 2 Bst. c E-AuG)

2.3.1

Notwendigkeit der Änderung

Die Rückkehrhilfe soll Personen aus dem Asylbereich (vgl. Art. 93 AsylG) sowie bestimmte Personen aus dem Ausländerbereich (vgl. Art. 60 Abs. 2 AuG) dazu ermuntern, die Schweiz freiwillig und innerhalb der gesetzten Frist zu verlassen, und ihre Reintegration im Zielland ermöglichen.

Um eine gewisse Kohärenz zu gewährleisten, soll die Rückkehrhilfe allen vorläufig Aufgenommenen gewährt werden können, das heisst auch Personen aus dem Ausländerbereich. Denn die meisten der heute von der Schweiz vorläufig aufgenommenen Personen haben ein Asylgesuch gestellt und können somit Rückkehrhilfe beanspruchen. Hingegen können vorläufig aufgenommene Personen, die kein Asylgesuch gestellt haben und deren vorläufige Aufnahme vom SEM nach Artikel 84 Absatz 2 AuG aufgehoben wird, oder die aus eigenem Antrieb ausreisen, bisher nicht von der Rückkehrhilfe profitieren.

Die vorgeschlagene Anpassung möchte diese Situation ausgleichen, indem nicht nur ein Anreiz für die freiwillige Ausreise aus der Schweiz geschaffen werden soll, sondern indem auch verhindert wird, dass ein Asylgesuch nachträglich und ausschliesslich zur Erlangung der Rückkehrhilfe gestellt wird. Zudem wird sicherge31

SR 311.0

1706

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stellt, dass ähnliche Situationen im Asyl- und Ausländerbereich künftig auch gleich behandelt werden können.

2.3.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die grosse Mehrheit der Kantone, der Parteien und der interessierten Kreise begrüsst diese Neuerung.

Die hauptsächlichen Kritikpunkte (mehrere Organisationen und einige Kantone, SPS) beziehen sich auf die Schaffung einer allgemeinen Rückkehrhilfe, die für alle zugänglich ist, und die Umformulierung von Artikel 60 Absatz 2 AuG in diesem Sinne. Die Öffnung der Rückkehrhilfe des Bundes für den Ausländerbereich bei einer freiwilligen und endgültigen Rückkehr würde den Kantonen ermöglichen, insbesondere bei Personen, die von Sozialhilfe abhängig sind, aktiver zu werden (VKM und KKJPD).

Einige Teilnehmer fordern, dass bei dieser Ausweitung vorsichtig vorzugehen ist, damit keine falschen Anreize entstehen. Und schliesslich dürfe diese Massnahme den Staat nicht von seiner Schutzpflicht gegenüber den betroffenen Personen abhalten (Non-Refoulement-Prinzip), indem ein Anreiz für sie geschaffen wird, sein Hoheitsgebiet zu verlassen.

Haltung des Bundesrats Für Fragen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt und der Ausreise von ausländischen Personen sind die Kantone zuständig. Der Bundesrat möchte keine allgemeine Rückkehrhilfe für Ausländerinnen und Ausländer einführen, da diese in die kantonale Zuständigkeit fällt. Mehrere Kantone gewähren bereits heute mit Erfolg eine Rückkehrhilfe. Diese Vorlage möchte eine Rückkehrhilfe für Prostituierte (Art. 30 Abs. 1 Bst. ebis) sicherstellen, wie sie bereits heute für Opfer sowie Zeuginnen und Zeugen von Menschenhandel besteht (Art. 60 Abs. 2 Bst. b AuG). Ausserdem möchte sie vorläufig aufgenommene Personen aus dem Ausländer- und Asylbereich gleichstellen. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, erhalten nur diese Personengruppen im Ausländerbereich eine Rückkehrhilfe des Bundes.

Die Rückkehrhilfe wird nach Kriterien gewährt, die auf Verordnungsstufe festgelegt sind. Wer sich bereit erklärt, mit der Rückkehrhilfe selbstständig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren, tut dies in eigener Verantwortung. Eine Rückkehrhilfe soll nicht zum Ziel haben, Personen, die noch schutzbedürftig sind, einen Anreiz zum Verlassen der Schweiz zu bieten.

1707

BBl 2018

2.4

Qualität der Integrationsmassnahmen (Art. 56 Abs. 6 E-AuG)

2.4.1

Notwendigkeit der Änderung

Integration ist eine Aufgabe, die Bund, Kantone, Gemeinden, Sozialpartner, Nichtregierungsorganisationen und ausländische Organisationen gemeinsam wahrnehmen müssen. Das SEM ist zuständig für die Koordination, den Informations- und Erfahrungsaustausch sowie die Überprüfung der Integration der ausländischen Bevölkerung und die Qualitätssicherung bei der Integrationsförderung (Art. 56 nAuG32). Das SEM soll Organe bezeichnen können, die beispielsweise die Anerkennung von Qualifikationen, die Erteilung von Qualitätslabels oder Akkreditierungen gewährleisten.

2.4.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die in die Vernehmlassung geschickte Fassung von Artikel 57a Absatz 3 E-AuG entspricht jener von Artikel 56 Absatz 6 E-AuG. Dieser Absatz war in der Vernehmlassung völlig unbestritten (siehe zum Ganzen Ziff. 1.3). Ausdrücklich haben drei Vernehmlassungsteilnehmer vorgeschlagen, dass die Evaluation der Qualität der Integrationsmassnahmen durch unabhängige Stellen zu erfolgen habe, um potenzielle Interessenkonflikte zu vermeiden.

Haltung des Bundesrats Aufgrund der Stellungnahmen in der Vernehmlassung zu Artikel 57a Absatz 3 E-AuG bleibt diese Bestimmung unverändert und wird aus Gründen der Gesetzessystematik neu zu Artikel 56 Absatz 6 E-AuG. Die beantragte Regelung stellt sicher, dass die Qualitätssicherung durch geeignete externe Stellen gewährleistet werden kann.

2.5

Spesen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von entsandten Arbeitnehmenden in der Schweiz (Art. 22 E-AuG und Art. 2 Abs. 3 und 5 E-EntsG)

2.5.1

Notwendigkeit der Änderung

Die Entsendung von Arbeitnehmenden in die Schweiz ist sowohl im EntsG als auch im AuG geregelt. Nicht geregelt ist jedoch die Entschädigung der Auslagen, die dem Arbeitnehmenden bei einer Entsendung entstehen, durch den Arbeitgeber.

Nach Artikel 327a Obligationenrecht33 (OR) hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer alle durch die Ausführung der Arbeit notwendig entstehenden Auslagen zu ersetzen, bei Arbeit an auswärtigen Arbeitsorten auch die für den Unterhalt erforderlichen 32 33

BBl 2016 8899 SR 220

1708

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Aufwendungen. Nach der gängigen Praxis gilt Artikel 327a OR sinngemäss bei betrieblichen Transfers der Arbeitnehmenden und bei grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringungen. Auch in diesen Fällen muss der Arbeitgeber die Auslagen erstatten. Umgekehrt ist diese Pflicht bei einer Entsendung in die Schweiz weder im EntsG noch im AuG ausdrücklich geregelt. Zudem regeln diese beiden Gesetze die Lohn- und Arbeitsbedingungen unterschiedlich (vgl. Art. 2 Abs. 1 EntsG und Art. 22 AuG).

Die Wirtschaft fordert seit Jahren, die Spesentragungspflicht bei langfristigen Entsendungen in die Schweiz zeitlich zu begrenzen. Denn diese Personen verlagern oft den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse in die Schweiz, lassen ihre Familienangehörigen nachkommen und sind nicht mehr in ihrem Herkunftsstaat wohnhaft. Unter diesen Umständen kann nicht mehr von Entsendespesen gesprochen werden, die der Arbeitgeber zu tragen hat. Zudem gehören ausländische Personen zur ständigen Wohnbevölkerung, wenn sie sich während mehr als zwölf Monaten in der Schweiz aufhalten.

Diese Frage wurde unlängst im Rahmen der Motion Markwalder (15.3263)34 thematisiert. Der Bundesrat lehnte diese wegen einigen Forderungen der Motionärin, insbesondere die Aufhebung der Spesentragungspflicht bei Kurzzeitentsendungen, ab. Hingegen ist der Bundesrat der Ansicht, dass ein gewisser Handlungsbedarf besteht in Bezug auf die Dauer der Kostentragungspflicht durch ausländische Unternehmen, wenn diese ihre Arbeitnehmenden längerfristig entsenden.

Die beantragte Neuregelung im AuG und im EntsG sieht eine einheitliche Rückerstattung der Auslagen für alle Entsendekonstellationen vor und soll damit Rechtssicherheit schaffen. Zudem soll der Bundesrat die Kompetenz erhalten, die Spesentragungspflicht bei langfristigen Entsendungen in seiner Dauer begrenzen zu können. Diese flexible Lösung ermöglicht eine Befristung der Spesentragungspflicht, wobei auch der Diversität der Entsendungen Rechnung getragen wird und Ausnahmen für besondere Fälle eingeräumt werden.

2.5.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Eine sehr grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer begrüsst die vorgeschlagenen Änderungen. Kritisiert wird vor allem, dass bei der Bestimmung, wann auf die Kostentragungspflicht zu verzichten ist, Kriterien berücksichtigt werden, die über die Dauer der Entsendung hinausgehen, beispielsweise die Integration der betreffenden Person in der Schweiz (ZG, CP) oder die Verlegung des Lebensmittelpunkts. Die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer begrüsst als Richtwert die Dauer von zwölf Monaten für die Spesentragungspflicht sowie die Kompetenz des Bundesrats für die Festlegung dieser Dauer.

34

Motion 15.3263 «Revision des Entsendegesetzes»; www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista > Geschäft 20153263.

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Zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmer sind jedoch der Ansicht, dass Artikel 9 EntsG (administrative Sanktionen) aus Gründen der Klarheit explizit auf Artikel 2a VE-EntsG (Entsendespesen) verweisen sollte. Denn auch Unternehmen, die die Entsendespesen in den minimalen Lohnbedingungen nicht berücksichtigen, sollen sanktioniert werden können.

Haltung des Bundesrats Aufgrund der positiven Stellungnahmen in der Vernehmlassung bleibt die Vorlage inhaltlich unverändert. Der Bundesrat kann auf Verordnungsstufe eine Spesentragungspflicht von unterschiedlicher Dauer je nach Situation vorsehen.

Der Bundesrat will den Bedenken aus der Vernehmlassung Rechnung tragen, wonach ohne expliziten Verweis in Artikel 9 EntsG auf die Pflicht zur Vergütung der Spesen (anfänglich in Art. 2a VE-EntsG vorgesehen) keine genügende Grundlage für eine Sanktion bei einem Verstoss gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen bestehe. Er schlägt deshalb vor, anstelle des Artikels 2a VE-EntsG die Regelung der Spesenpflicht wie bis anhin in Artikel 2 Absatz 3 EntsG zu belassen.

Damit wird in Artikel 9 wie bisher auf die Spesen in Artikel 2 Absatz 3 EntsG verwiesen.

Die explizite Verankerung der Spesentragungspflicht in Artikel 2 Absatz 3 E-EntsG bewirkt keine Änderung in der Praxis der Kontrolle zur Einhaltung der minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen. Dazu werden alle einzuhaltenden Lohnbestandteile gemäss Artikel 1 der Verordnung vom 21. Mai 200335 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (EntsV) zusammengezählt und die Differenz zwischen dem effektiv bezahlten, anrechenbaren Lohn und dem einzuhaltenden schweizerischen Mindestlohn verglichen. Die Unkosten werden dabei in den Vergleich miteinbezogen. Bei Entsendebetrieben, die keinen Nachweis für die Vergütung der Unkosten erbringen können, werden diese vom anrechenbaren Lohn abgezogen. Resultiert beim Vergleich im Ergebnis ein Minus aufseiten des anrechenbaren Lohns, so liegt in Branchen mit Mindestlöhnen ein Lohnverstoss vor, der mit einer Verwaltungssanktion gemäss Artikel 9 EntsG gebüsst werden kann. Der Lohnvergleich erfolgt damit wie bis anhin auf einer Gesamtbetrachtung, konkretisiert in der Weisung des SECO «Vorgehen zum internationalen Lohnvergleich»36.

Folglich liegt nicht schon ein Lohnverstoss vor, wenn einzelne Ansprüche wie der
anteilsmässige Ferienlohn oder die Unkosten nicht vergütet werden, sondern erst dann, wenn im Gesamtergebnis der Mindestlohn nicht erreicht wird. Das gilt sowohl für Branchen mit zwingenden Mindestlöhnen als auch für solche mit orts- und branchenüblichen Löhnen. Sanktionen nach Artikel 9 EntsG wegen unterlassener Vergütung von einzelnen Lohnbestandteilen oder von Spesen sollen daher nicht ausgesprochen werden.

35 36

SR 823.201 www.seco.admin.ch > Arbeit > Personenfreizügigkeit und Arbeitsbedingungen > Entsendung und Flankierende Massnahmen > Internationaler Lohnvergleich

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2.6

Umkehrung der Beweislast bei Reisen von Flüchtlingen in den Heimat- oder Herkunftsstaat (Art. 63 Abs. 1bis E-AsylG)

2.6.1

Notwendigkeit der Änderung

Wie bereits ausgeführt, haben anerkannte Flüchtlinge Anspruch auf einen Reiseausweis für Flüchtlinge, der sie jedoch nicht berechtigt, in den Heimat- oder Herkunftsstaat zu reisen (Art. 59 AuG sowie Art. 3 und 12 Abs. 3 RDV, vgl. auch Ziff. 1.2.6 oben). Unternimmt ein Flüchtling dennoch eine solche Reise, führt dies zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich die betroffene Person dadurch freiwillig wieder unter den Schutz des Heimat- oder Herkunftsstaats, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, gestellt hat. Dies setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer)37 voraus, dass drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: ­

die Reise des Flüchtlings muss freiwillig geschehen, d. h. ohne äusseren Zwang;

­

es ist die Absicht vorhanden, heimatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen;

­

der Heimat- oder Herkunftsstaat gewährt diesen Schutz effektiv.

Da das SEM die Erfüllung dieser Voraussetzungen kaum beweisen kann, wird vorgeschlagen, in Artikel 63 Absatz 1bis E-AsylG die Vermutung zu verankern, dass sich Flüchtlinge, die in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat gereist sind, freiwillig wieder unter den Schutz dieses Staates gestellt haben. Somit eröffnet das SEM, sobald es feststellen kann, dass ein Flüchtling eine solche Reise unternommen hat, ein Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Es obliegt dann diesem Flüchtling, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, indem er aufzeigt, dass die Reise in den Heimat- oder Herkunftsstaat aufgrund eines Zwangs erfolgte oder dass keine Absicht bestand, sich unter den Schutz dieses Staates zu stellen, oder dass der Heimat- oder Herkunftsstaat keinen tatsächlichen Schutz gewährt hat. Es ist ausreichend, wenn der Flüchtling glaubhaft machen kann, dass eine der genannten Voraussetzungen erfüllt ist, um die gesetzliche Vermutung zu widerlegen und so das Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft zu beenden.

2.6.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer befürwortet die Einführung von Artikel 63 Absatz 1bis E-AsylG, der eine Umkehrung der Beweislast vorsieht, wenn Flüchtlinge in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat gereist sind. Einige Teilneh-

37

Vgl. BVGer 2010/17. E. 5.1: Der Flüchtling muss freiwillig mit seinem Heimat- oder Herkunftsstaat in Kontakt getreten sein, das heisst ohne jeden Zwang, der durch die Situation im Aufnahmeland bedingt ist oder von den Behörden dieses Landes ausgeübt wird, er muss die Absicht gehabt haben, den Schutz des Heimat- oder Herkunftsstaats in Anspruch zu nehmen, und er muss diesen Schutz effektiv erhalten haben.

1711

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mer haben diese Bestimmung kritisiert, weil die Umkehrung der Beweislast dem Untersuchungsgrundsatz widerspricht (z. B. SPS, Caritas, SFH).

Haltung des Bundesrats Aufgrund der Stellungnahmen in der Vernehmlassung ist die in Artikel 63 Absatz 1bis E-AsylG vorgesehene Umkehrung der Beweislast in der Vorlage beizubehalten. Wenn eine gesetzliche Vermutung in einem Gesetz verankert wird, kann das Verwaltungsverfahren nicht mehr nach dem Untersuchungsgrundsatz geführt werden. Um die Auswirkungen der Umkehrung der Beweislast zulasten des Flüchtlings zu mindern, sieht der Gesetzesentwurf zwei Massnahmen vor, mit denen das Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft beendet werden kann: einerseits ein Beweismass, das sich auf die Glaubhaftigkeit des Sachverhalts beschränkt, andererseits ist die Erfüllung einer einzigen der in Artikel 63 Absatz 1bis E-AsylG genannten Voraussetzungen erforderlich.

2.7

Anpassungen aufgrund der Rückführungsrichtlinie (Art. 64d Abs. 3, 81 Abs. 2 und 115 Abs. 4 E-AuG)

2.7.1

Notwendigkeit der Änderung

Anlässlich der Schengen-Evaluation der Schweiz im Jahr 2014 wurde Kritik geäussert an den Artikeln 64d Absatz 2 Buchstabe b und 81 Absatz 2 AuG ­ dieser wurde nach der Übernahme der Rückführungsrichtlinie im Jahr 2011 eingeführt bzw.

geändert ­ sowie an Artikel 115 Absatz 4 AuG. Sie müssen deshalb angepasst werden.

Wenn konkrete Elemente befürchten lassen, dass die betroffene Person sich dem Wegweisungsvollzug entziehen will, kann dieser sofort vollstreckbar werden, oder es kann eine Ausreisefrist von weniger als sieben Tagen angesetzt werden (Art. 64d Abs. 2 Bst. b E-AuG). Die «konkreten Anzeichen» gemäss Artikel 64d Absatz 2 Buchstabe b AuG sind ein unbestimmter Begriff, der in einem Absatz 3 mit drei Elementen präzisiert werden soll.

In Bezug auf die Haftbedingungen verlangen die Rückführungsrichtlinie sowie die diesbezügliche Rechtsprechung eine spezifische Haftinfrastruktur für die Administrativhaft. Dies soll eine echte Trennung zwischen Personen in Administrativhaft und Personen im Strafvollzug gewährleisten (Art. 81 Abs. 2 erster Satz E-AuG). Wenn die Kapazitäten fehlen, kann in derselben Strafanstalt eine klar getrennte Infrastruktur für die Administrativhaft eingerichtet werden. Gemäss den Anforderungen des EuGH in der Rechtssache Pham38 können die Kapazitäten in der Schweiz jedoch nur dann als nicht ausreichend erachtet werden, wenn sie dies nicht nur im betreffenden Kanton sind, sondern auch in den anderen Kantonen, die über angemessene Infrastrukturen verfügen.

38

Urteil vom 17.7.2014, Pham, Rs. C-474/13 (ECLI:EU:C: 2014: 2096).

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Schliesslich verlangt die Rechtsprechung des EGMR und des BVGer39 aufgrund des Inhalts der Rückführungsrichtlinie, dass eine Freiheitsstrafe allein aufgrund des illegalen Aufenthalts nicht mehr verfügt oder vollzogen werden darf, wenn ein Wegweisungsverfahren hängig ist oder eröffnet werden muss. Letzteres muss Vorrang haben, ebenso wie eine mögliche Administrativhaft im Hinblick auf die Wegweisung. Deshalb wird vorgeschlagen, dass die zuständige Behörde bei Ausländerinnen und Ausländern, die rechtswidrig ein- oder ausgereist sind oder die sich rechtswidrig in der Schweiz aufhalten, von einer Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung grundsätzlich abgesehen wird, wenn ein Wegweisungsverfahren vorgesehen oder hängig ist (Art. 115 Abs. 4 E-AuG).

2.7.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer begrüsst die vorgeschlagenen Bestimmungen.

Art. 64d Mehrere Teilnehmer (z. B. SPS, SRK, CSP, EKM, SFH) schlagen vor, den Buchstaben b aus Artikel 64d Absatz 3 VE-AuG zu streichen, da dieser zu offen formuliert sei.

Haltung des Bundesrats Die Bestimmung bleibt aufgrund der zustimmenden Stellungnahmen in der Vernehmlassung unverändert. Der Buchstabe b von Artikel 64d Absatz 3 VE-AuG wird trotz einiger Kritik beibehalten, denn ein nicht kooperatives Verhalten kann ein Anzeichen dafür sein, dass die betreffende Person sich der Ausschaffung entziehen will. Diese Formulierung lehnt sich im Übrigen an eine ähnliche Bestimmung in Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 4 AuG im Zusammenhang mit der Ausschaffungs- oder Durchsetzungshaft an. Die Praxis und die Rechtsprechung legen fest, welche Fälle von dieser Bestimmung erfasst sind.

Art. 81 Abs. 2 Die Vernehmlassungsteilnehmer lassen sich in zwei Gruppen aufteilen. Die eine Gruppe, die sich aus der Mehrheit der Kantone sowie der VKM und der KKJPD zusammensetzt, lehnt diese Neuerung klar ab. Die andere Gruppe, die sich aus Organisationen wie der SFH oder dem UNHCR sowie einigen Kantonen zusammensetzt, befürwortet die Neuerung.

Die Gegner kritisieren die Kosten im Zusammenhang mit der Erstellung neuer Gebäude und fordern eine gewisse Flexibilität bei kurzfristigen Inhaftierungen (bis zu 96 Stunden). Einige Kantone sprechen sich für die Beibehaltung der bestehenden Lösung aus, die ihrer Ansicht nach flexibler ist. Sie schlagen vor, dass Ausnahmen 39

Vgl. Erläuterung zu Art. 115 Abs. 4, E-AuG, Ziff. 3.1.

1713

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erlaubt sein sollen bei Kapazitätsengpässen, namentlich eine Inhaftierung in gesonderten Abteilungen getrennt von anderen Haftregimes. Einige Gegner fordern, dass Alternativen zur Haft vorzusehen sind und dass diese stets nur ultima ratio sein darf.

Die Befürworter dieser Bestimmung verweisen auf die Einhaltung des europäischen Rechts und verlangen die Bereitstellung der erforderlichen Mittel für separate Gebäude für die Administrativhaft. Einige unterstreichen, dass durch die bei Engpässen vorgesehene Ausnahme die Pflicht zur Schaffung separater Einrichtungen gelockert wird. Die Suche nach interkantonalen Lösungen wird unterstützt.

Haltung des Bundesrats Der Bundesrat erachtet es als wichtig, die vorgeschlagene Bestimmung in ihrer Formulierung beizubehalten. In erster Linie ist die Rechtsprechung des EuGH und des BGer40 zu berücksichtigen. So muss die Administrativhaft in einem ausschliesslich für diese Haftart vorgesehenen Gebäude erfolgen oder subsidiär in einem Gebäude mit einem besonderen Regime für die Administrativhaft (vgl. Erläuterung zu Art. 81 Abs. 2 E-AuG). Fehlen solche Gebäude, ist eine interkantonale Lösung anzustreben, die diese Bedingungen erfüllt. Nur wenn in der Schweiz keine Haftplätze vorhanden sind, die diese Kriterien erfüllen, ist eine Haft in einem für den Strafvollzug vorgesehenen Gebäude möglich. Die Dauer der Haft spielt hier keine Rolle, deshalb ist für eine Haftdauer von weniger als 96 Stunden keine Ausnahme möglich.

Zudem bestehen Möglichkeiten zur Finanzierung von Gebäuden, die nur für die Administrativhaft vorgesehen sind. Nach Artikel 82 Absatz 1 AuG kann der Bund den Bau von Haftanstalten finanzieren, die ausschliesslich der Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dienen.

Schliesslich wird daran erinnert, dass die Inhaftierung als letztes Mittel zu betrachten ist, dass verhältnismässig sein muss und dass dabei klare Bedingungen erfüllt werden müssen.

Art. 115 Abs. 4 Die Mehrheit der Kantone sowie die VKM und die KKJPD befürworten die neue Bestimmung. Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer (z. B. GE, SFH, SSV, SPS) sind der Ansicht, dass die Bestimmung aufgrund der Rechtsprechung des EuGH und des BGer, die den Behörden keinen Spielraum lässt, zwingend zu formulieren sei (keine Kann-Bestimmung).

Mehrere Kantone, die diese Bestimmung ablehnen, halten
fest, dass der Verzicht auf eine Strafverfolgung die abschreckende Wirkung der Bestimmung zunichtemacht.

Einige schlagen vor, dass diese Ausnahme nur für die rechtswidrige Einreise gelten solle oder dass im Wiederholungsfall die betreffende Person strafrechtlich zu verfolgen sei.

Nach Ansicht verschiedener Organisationen (z. B. Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration [FIZ], Evangelische Frauen Schweiz [EFS] und SFH) sollen aus40

Vgl. Erläuterung zu Art. 81 Abs. 2 E-AuG, Ziff. 3.1.

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ländische Personen, die Prostitution betreiben und in dieser Tätigkeit in ihrer Integrität beeinträchtigt worden sind (Art. 30 Abs. 1 Bst. ebis E-AuG) nicht einer Strafverfolgung ausgesetzt werden sollen, wenn sie eine nicht bewilligte Erwerbstätigkeit ausüben. Andere fordern generell, dass Personen, die Opfer oder Zeuginnen und Zeugen von Menschenhandel sind (Art. 30 Abs. 1 Bst. e AuG) oder die in Ausübung der Prostitution in ihrer Integrität beeinträchtigt worden sind (Art. 30 Abs. 1 Bst. ebis E-AuG), bei einer bevorstehenden Wegweisung keinesfalls strafrechtlich verfolgt, an das Gericht überwiesen oder bestraft werden sollen. Absatz 4 von Artikel 115 müsste folglich angepasst werden.

Haltung des Bundesrats Die Bestimmung bleibt aufgrund der Stellungnahmen in der Vernehmlassung unverändert. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass eine Kann-Formulierung beizubehalten ist, damit die Behörden den Besonderheiten im Einzelfall Rechnung tragen können.

So ist beispielsweise bei einer ersten rechtswidrigen Einreise in die Schweiz gemäss der Rechtsprechung des BGer auf eine Strafverfolgung zu verzichten, nicht aber im Wiederholungsfall. Ausserdem bleibt mit einer Kann-Formulierung die abschreckende Wirkung der Bestimmung erhalten.

In Bezug auf Opfer von Straftaten im Zusammenhang mit Prostitution oder Menschenhandel erachtet es der Bundesrat nicht als sinnvoll, für diese Personengruppen Ausnahmen im AuG vorzusehen, da der Richter allgemeine strafrechtliche Normen anwenden kann (Art 52­54 StGB, vgl. Haltung des Bundesrats bezüglich Art. 30 Abs. 1 Bst. ebis E-AuG, Ziff. 2.2.2). Zudem ist bei einer bevorstehenden Wegweisung im Einzelfall zu prüfen, ob ein rechtswidriger Aufenthalt oder eine illegale Einreise unter Berücksichtigung aller Umstände strafrechtlich verfolgt werden muss.

Eine grundsätzliche Ausnahme für bestimmte Kategorien von Opfern ist somit nicht angezeigt. Die illegale Ausübung einer Erwerbstätigkeit bleibt im Übrigen strafbar, und eine bevorstehende Wegweisung setzt keinesfalls eine mögliche strafrechtliche Verfolgung aus.

2.8

Delegation der Verfügungskompetenz an die Grenzkontrollorgane der Kantone oder des Bundes bei Einreiseverweigerung und Wegweisung an den Schengen-Aussengrenzen (Art. 65 Abs. 2 und 2bis E-AuG)

2.8.1

Notwendigkeit der Änderung

Der Schengener Grenzkodex41 (SGK), der die Kontrollen an den SchengenAussengrenzen und den freien Personenverkehr im Schengen-Raum regelt, wurde von der Schweiz als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands übernommen.

Artikel 7 Absatz 1 AuG sieht entsprechend vor, dass der Grenzübertritt und die Grenzkontrollen im Rahmen der Ein- und Ausreise sich nach den Schengen41

ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1; geändert aufgrund der Verordnung (EU) 2017/458, ABl. L 74 vom 18.3.2017, S. 1, Ziff. 1.2.7.

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Assoziierungsabkommen richten. Der Schengener Grenzkodex sieht vor, dass eine Einreiseverweigerung an den Schengen-Aussengrenzen nur mittels einer begründeten Entscheidung erfolgen kann. Zur genauen Angabe der Gründe wird ein Standardformular verwendet. Die Entscheidung wird von einer nach nationalem Recht zuständigen Behörde erlassen (Art. 13 Abs. 2 SGK).

Die Schweiz verfügt an den Flughäfen für Flüge nach und von einer Destination ausserhalb des Schengen-Raums über Schengen-Aussengrenzen.42 Die Vorgaben des SGK für die Einreiseverweigerung und Wegweisung an der Aussengrenze bzw.

den Flughäfen hat die Schweiz in Artikel 65 AuG umgesetzt.43 Dieser sieht in Absatz 2 vor, dass im Falle einer Einreiseverweigerung und Wegweisung am Flughafen das SEM innerhalb von 48 Stunden eine begründete und beschwerdefähige Verfügung auf einem Formular erlässt. Es kann die Grenzkontrollorgane ermächtigen, eine solche Einreiseverweigerung auszufertigen und zu eröffnen (Art. 23 Abs. 3 der Verordnung vom 22. Oktober 200844 über die Einreise und die Visumerteilung [VEV]). Gegen die Verfügung kann innerhalb von 48 Stunden eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht werden.

Die Aufteilung der Kompetenzen im Verfahren der Einreiseverweigerung und Wegweisung am Flughafen ­ das SEM ist befugt, die Entscheidung zu treffen, während die Grenzkontrollbehörden die Verfügung ausstellen und eröffnen können ­ erklärt sich durch den Umstand, dass die Wegweisung vor dem Inkrafttreten des SGK formlos erfolgen konnte. Die Verweigerung der Einreise und die Wegweisung wurden damals daher direkt durch die Grenzkontrollorgane ausgesprochen. Eine formelle Verfügung musste nur auf ausdrückliches Verlangen der betroffenen Person erlassen werden.

Das Verfahren an den Aussengrenzen für das Verfügen einer Einreiseverweigerung oder Wegweisung gemäss dem SGK soll für die beteiligten Behörden vereinfacht werden (Art. 65 Abs. 2 E-AuG). In der Praxis wird das Wegweisungsverfahren an den Flughäfen ohnehin grösstenteils von den Grenzkontrollorganen durchgeführt.

Deshalb ist es angezeigt, ihnen auch die Befugnis für das Verfügen einer Einreiseverweigerung oder Wegweisung zu übertragen. Damit ist es nicht mehr erforderlich, dass die Grenzkontrollbehörden vor dem Erlass einer solchen Verfügung mit dem SEM Rücksprache nehmen müssen. Das
Verfahren wird dadurch vereinfacht und beschleunigt. Gegen die Verfügung kann beim SEM Einsprache erhoben werden.

Eine Beschwerde beim BVGer ist anschliessend weiterhin möglich (Art. 65 Abs. 2bis E-AuG).

Eine vergleichbare Regelung besteht bei Verweigerung eines Visums: Hier wurde die Kompetenz zum Erlass der Verfügung der zuständigen Ausländervertretung übertragen (Art. 6 Abs. 2 AuG).

42

43 44

Drei internationale Flughäfen: Basel, Genf, Zürich; fünf Landeplätze mit Linien- oder regelmässigen Flügen aus Drittstaaten: Bern, Lugano, Samedan, Sion, St. Gallen; vier Landeplätze mit geringem/sporadischem Verkehrsaufkommen aus Drittstaaten: Grenchen, La Chaux-de-Fonds, Lausanne, Locarno; vgl. die Liste der Grenzübergangsstellen des SEM DB ZI, Abt. Einreise.

In Kraft seit 12. Dezember 2008.

SR 142.204

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2.8.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die Mehrheit der Kantone sowie einige andere Vernehmlassungsteilnehmer, insbesondere die EKM und die KKJPD, befürworten diese Anpassung.

Mehrere Teilnehmer machen darauf aufmerksam, dass Mitarbeitende, die Einreiseverweigerungs- und Wegweisungsverfügungen erlassen, geschult werden müssen.

Die Kritik bezieht sich hauptsächlich auf das bestehende System, insbesondere das Fehlen der aufschiebenden Wirkung, das Recht auf wirksame Beschwerde oder die Verwendung eines Standardformulars, und nicht auf die Delegation an sich.

Haltung des Bundesrats Die Bestimmung bleibt aufgrund der Stellungnahmen in der Vernehmlassung unverändert. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die für die Grenzkontrolle zuständige Behörde, das heisst je nach betroffenem Kanton die Kantonspolizei (z. B. ZH) oder das Grenzwachtkorps (GWK) (z. B. GE und BS), besser geeignet ist als das SEM, an den Innen- oder Aussengrenzen Einreiseverweigerungs- und Wegweisungsverfügungen zu erlassen. Denn diese Behörden sind nicht nur vor Ort und haben Praxiserfahrung; sie können sich auch auf die vom SEM erlassenen und regelmässig aktualisierten Weisungen stützen. Indem die Verfügungskompetenz an die Grenzkontrollbehörde delegiert wird, wird das Verfahren rascher und effizienter. Zudem erlaubt die Beschwerdemöglichkeit beim SEM diesem de facto, seine Aufsichtsfunktion weiter auszuüben und allenfalls den Entscheid der Behörde zu korrigieren.

Bei diesem Verfahren, das im Übrigen unverändert bleibt, handelt es sich nicht um ein Schweizer Verfahren. Vielmehr wird damit grösstenteils der SchengenBesitzstand übernommen. Zudem werden die Verfahrensgarantien bereits heute eingehalten; es wird sichergestellt, dass die ausländische Person die gegen sie erlassene Verfügung und deren Folgen versteht.

2.9

Anordnung einer Dublin-Haft (Art. 80a Abs. 1 Bst. a E-AuG)

2.9.1

Notwendigkeit der Änderung

Die Bestimmungen im Zusammenhang mit der Dublin-Haft, die sich aus der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-Verordnung)45 ergeben (Art. 76a und 80a AuG), traten für die Schweiz am 1. Juli 2015 in Kraft.

45

ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31­59.

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Im Rahmen der Neustrukturierung des Asylbereichs46 hat der Gesetzgeber die Zuständigkeit für den Wegweisungsvollzug den Standortkantonen eines Bundeszentrums zugewiesen (Art. 46 Abs. 1bis erster und zweiter Satz der Änderung vom 25. September 2015 des AsylG; nachfolgend: nAsylG), wobei der Bundesrat die Möglichkeit hat, einen anderen Kanton als zuständig zu bezeichnen, wenn besondere Umstände dies erfordern (Art. 46 Abs. 1bis dritter Satz nAsylG).

Ausserdem hat der Gesetzgeber die Zuständigkeit für die Anordnung der Ausschaffungshaft (Art. 76 AuG) den Standortkantonen eines Bundeszentrums und den vom Bundesrat bezeichneten Kantonen zugewiesen (Art. 80 Abs. 1 und 1bis nAuG).

Hingegen hat er die Zuständigkeit für die Anordnung einer Dublin-Haft (Art. 76a AuG) nur den Standortkantonen eines Bundeszentrums zugewiesen.

Dieses Versäumnis soll behoben werden, indem in Artikel 80a Absatz 1 Buchstabe a E-AuG festgelegt wird, dass die vom Bundesrat bezeichneten Kantone ebenfalls eine Haft nach Artikel 76a AuG anordnen können.

2.9.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer begrüsst diesen Vorschlag.

Mehrere Teilnehmer unterstreichen, dass es hier darum geht, ein Versäumnis in der Vorlage zur Neustrukturierung des Asylbereichs zu beheben. Aufgrund der Stellungnahmen wird der ursprüngliche Entwurf beibehalten.

2.10

Neues Informationssystem für die Durchführung der Rückkehr (Art. 109f­109j E-AuG)

2.10.1

Notwendigkeit der Änderung

Es soll eine gesetzliche Grundlage für ein Informationssystem namens eRetour entworfen werden, das sämtliche Aufgaben im Rückkehrverfahren unterstützt und gleichzeitig das bestehende System «AURORA», das für die Ausreiseorganisation eingesetzt wird, sowie das System «Individuelle Rückkehrhilfe», das für die Daten im Zusammenhang mit der Rückkehrhilfe verwendet wird, ersetzt.

Das neue Informationssystem eRetour soll die Daten enthalten, die für die Arbeitsprozesse in Bezug auf die Rückkehrhilfe und -beratung sowie den Vollzug der Wegweisung, der Ausweisung im Sinne des AuG oder der Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis des StGB oder Artikel 49a oder 49abis des Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 192747 (MStG) erforderlich sind. Diese bestehen einerseits aus den Massnahmen zur Identifikation und zur Beschaffung von Ersatzpapieren und ande46

47

Siehe Änderung des Asylgesetzes (Neustrukturierung des Asylbereichs; 14.063), vom Parlament am 25. September 2015 angenommen und teilweise in Kraft getreten (AS 2016 3101 ff).

SR 321.0

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rerseits aus den Massnahmen im Hinblick auf die konkrete Organisation der Ausreise. Das System soll zudem die kantonalen Behörden bei bestimmten Abrechnungen der vom SEM übernommenen Ausreisekosten unterstützen.

Die neue Datenbank eRetour vereinfacht den Informationsaustausch zwischen dem SEM und seinen Ansprechpartnern, verringert den administrativen Aufwand und stellt die Bearbeitung der pendenten Fälle in Echtzeit sicher. Dadurch verbessert sich die Arbeitseffizienz sowohl bei den Kantonen als auch beim SEM, insbesondere durch die Einführung eines elektronischen Arbeitsprozesses. Zudem verfügt das SEM über detaillierte und zuverlässige statistische Daten für den Rückkehrbereich.

Das neue System soll die Arbeitsprozesse des Bundes und der Kantone unterstützen.

Es scheint angebracht, die neue Datenbank im neuen Kapitel 14a zu den Informationssystemen gesetzlich zu verankern. Es ist ein neuer Abschnitt 2 (Informationssystem für die Durchführung der Rückkehr) vorgesehen. Darin finden sich die neuen Artikel 109f­109j E-AuG, die sich mit dem neuen Informationssystem befassen.

2.10.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die grosse Mehrheit der Kantone, der politischen Parteien und der interessierten Kreise haben sich für die neuen Bestimmungen ausgesprochen, welche die Zusammenarbeit und den Informationsaustauch zwischen den Behörden im Rückkehrbereich erleichtern werden.

Mehrere Organisationen, darunter die VKM, die KKJPD und die Vertretung der Internationalen Organisation für Migration in Bern (IOM), fordern, dass die Zugriffsrechte je nach den Aufgaben der verschiedenen Benutzer beschränkt werden.

Es wird zudem gewünscht, dass auch die kommunalen und städtischen Behörden ein angemessenes Zugriffsrecht haben. Der SSV wünscht, dass diese rasch in die Arbeiten eingebunden werden.

Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer, darunter die VKM, halten fest, dass es nicht klar sei, wie die Migrationsbehörden die Daten betreffend die Straf- oder Untersuchungshaft erfassen müssen. Eine Gesetzesgrundlage müsse die Datenbekanntgabe durch Staatsanwälte und Gerichte an die kantonalen Migrationsbehörden vorsehen.

NE fragt sich, ob die Strafbehörden nicht Zugang zum System haben sollten, da sie bei einem laufenden Wegweisungsverfahren auf eine Strafverfolgung verzichten müssten (Art. 115 Abs. 4 AuG). GE denkt ebenfalls an diesen Zugang, aber im Zusammenhang mit strafrechtlichen Landesverweisungen, die seit Oktober 2016 verfügt werden.

Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer, von denen einige die Bestimmung ablehnen, führen die Achtung des Rechts auf Privatleben und des Datenschutzes an.

Einige Kantone fragen sich, welche Kosten sie zu tragen hätten.

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Haltung des Bundesrats Der Bundesrat wird in den Ausführungsverordnungen sicherstellen, dass der Zugriff durch die verschiedenen Benutzer dieses Systems auf das strikte Minimum beschränkt bleibt.

Er beschliesst, dem Wunsch des SSV nachzukommen und sowohl den kantonalen als auch den kommunalen Behörden, einschliesslich den Städten, die Möglichkeit zu geben, auf das System zuzugreifen, insbesondere für ihre Aufgaben im Wegweisungs- und Rückkehrbereich (Art. 109h Bst. b und d). Zudem wird dem Wunsch von SH entsprochen, in Artikel 109h E-AuG einen neuen Buchstaben betreffend die für die Rückkehrhilfe und die Kostenabrechnungen zuständigen Behörden einzufügen.

Somit können neben den kantonalen Migrationsbehörden auch andere kantonale Behörden auf das System zugreifen.

Die Daten zur Haftart sind von den Kantonen bereitzustellen, die sie von den Strafverfolgungsbehörden beschaffen müssen. Letztere sind verpflichtet, diese Informationen gestützt auf Artikel 97 Abs. 3 AuG und den bestehenden Artikel 82 VZAE bekanntzugeben.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass ein allgemeiner Zugang der Strafverfolgungsoder Justizbehörden zum System nicht verhältnismässig ist. Der Umstand, dass gegen eine ausreisepflichtige Person eine Landesverweisung verfügt wurde, wird von den Migrationsbehörden im eRetour erfasst, wenn das SEM um Rückkehrunterstützung ersucht wird. Ausserdem werden die Justizbehörden wie bereits heute bei den Kantonen nachfragen können, ob ein laufendes Wegweisungsverfahren besteht, um allenfalls Artikel 115 Absatz 4 AuG anzuwenden. Die zuständigen Migrationsbehörden können ­ im Rahmen der Massnahmen zur Unterstützung des Vollzugs der Weg- oder Ausweisung ­ dem SEM die Fälle melden, die von einer solchen gerichtlichen Massnahme betroffen sind.

Der Bundesrat legt auch viel Wert auf die Wahrung des Datenschutzes und der Privatsphäre. Dies wird in den vorgeschlagenen Bestimmungen berücksichtigt.

Und schliesslich gehen die Entwicklungskosten für das neue System vollumfänglich zu Lasten des Bundes.

2.11

Erweiterter Zugang zum zentralen Schengener Visa-Informationssystem und zu ORBIS (Art. 109a Abs. 2 Bst. d und 109c Bst. e E-AuG)

2.11.1

Notwendigkeit der Änderung

Das zentrale Visa-Informationssystem (C-VIS) enthält zahlreiche Informationen zu den von den Schengen-Staaten erteilten oder verweigerten Visa, namentlich die biometrischen Daten der Visumgesuchstellerinnen und -gesuchsteller (Fingerabdrücke der zehn Finger und Fotografie). Das System wurde von den SchengenStaaten im Oktober 2011 in Nordafrika eingeführt. Die Auslandvertretungen der Schweiz und der Schengen-Staaten wurden schrittweise nach Weltregionen an das System angeschlossen. Dieser Prozess wurde am 20. November 2015 beendet. Das 1720

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nationale Visumsystem ORBIS, das seit dem 20. Januar 2014 im Einsatz ist, umfasst die Daten, die für von der Schweiz ausgestellte Visa massgeblich sind, aber keine biometrischen Daten.

Die für die Visumerteilung zuständigen Behörden, aber auch die Behörden, die für die Kontrolle des rechtmässigen Aufenthalts von ausländischen Personen verantwortlich sind, haben Zugang zu beiden Systemen. Dies sind namentlich die kantonalen Polizeibehörden, die Personenkontrollen durchführen. Dieser Zugang ist auf die kommunalen Polizeibehörden zu erweitern, um zu gewährleisten, dass die grösseren Städte die Systeme ohne Umweg über die kantonalen Polizeibehörden abfragen können. Dies stellt für die betroffenen Behörden einen erheblichen Zeitgewinn dar.

Ausserdem kann dadurch die Dauer der Überprüfungen namentlich im C-VIS eingeschränkt werden, was für die überprüften Ausländerinnen und Ausländer ohne Identitätsdokumente von Vorteil ist. Diese Erweiterung entspricht zudem in Inhalt und Umfang den Artikeln 7 und 19 der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über das Visa-Informationssystem (VIS) und den Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt (VIS-Verordnung)48.

2.11.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die grosse Mehrheit der Kantone, zwei politische Parteien sowie mehrere Organisationen befürworten diese Anpassung. Der SSV begrüsst insbesondere den neuen Zugang, der schon lange gewünscht wird. SG fordert, dass die kantonalen Migrationsbehörden ebenfalls Zugang zum C-VIS haben. Der SSV wünscht zudem, dass Artikel 109a Absatz 3 Buchstabe d AuG, der sich mit dem Zugang zum C-VIS zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten befasst, umfassender formuliert wird und dass alle kommunalen Polizeibehörden diesen Zugang haben.

Haltung des Bundesrats Die vorgeschlagene Fassung bleibt aufgrund der Zustimmung im Rahmen der Vernehmlassung unverändert. Was die Forderung von SG entspricht, so haben die kantonalen Migrationsbehörden bereits Zugang zum C-VIS im Rahmen des Visumverfahrens (Art. 109a Abs. 2 Bst. a AuG). Ausserdem wird den Wünschen des SSV nicht entsprochen, da der bestehende Zugang berechtigterweise nur für gewisse Städte vorgesehen ist, die Sonderaufgaben zur Verhütung und Aufdeckung terroristischer Straftaten oder sonstiger schwerer Straftaten haben.

48

ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 60; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 610/2013, ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 1.

1721

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2.12

Zugang des SIRENE-Büros zum ZEMIS (Art. 7a Abs. 3 Bst. f E-BGIAA)

2.12.1

Notwendigkeit der Änderung

Dem SIRENE-Büro (Supplementary Information REquest at the National Entry) Schweiz, das bei der Einsatzzentrale fedpol angegliedert ist, soll im Rahmen der Aufgaben, die es im Zusammenhang mit dem Schengener Informationssystem (SIS) ausführt, ein neuer Schweizer Zugriff auf die Daten zu Reisedokumenten gewährt werden.

Da das ISR-System aufgehoben werden soll (vgl. Ziff. 1.4.1), ist der Zugriff des SIRENE-Büros Schweiz auf die Daten zu Reisedokumenten nicht mehr durch das ISR-System ­ wie in der Vernehmlassung vorgeschlagen (vgl. Ziff. 1.2.12 des erläuternden Berichts49) ­ gewährleistet, sondern durch das ZEMIS gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c und Absatz 2 Buchstabe c BGIAA in Bezug auf den Zugriff und Artikel 7a Absatz 3 Buchstabe g E-AuG in Bezug auf die Bearbeitung biometrischer Daten.

Das SIRENE-Büro Schweiz ist als Anlaufstelle der Schweiz für alle SchengenStaaten unter anderem zuständig für die Bearbeitung von Anfragen zu Ausweisdokumenten, die im SIS als gestohlen oder verloren ausgeschrieben sind. Darunter können auch von der Schweiz ausgestellte Reisedokumente fallen, die ihren Ursprung im ZEMIS haben. Wird nun ein solches Schweizer Reisedokument, das im SIS als gestohlen oder verloren ausgeschrieben ist, in einem anderen Schengen-Staat kontrolliert oder aufgefunden, erfolgt umgehend eine Rückfrage an das SIRENEBüro. Um die Richtigkeit der Angaben zum Dokument und der Ausschreibung bestätigen und solche Anfragen auch ausserhalb der Arbeitszeiten (am Wochenende und in der Nacht) bearbeiten zu können, benötigt das SIRENE-Büro einen Zugriff auf das ZEMIS. Im Schengen-Raum werden ausserdem immer wieder Personen kontrolliert, die sich mit einem Schweizer Reisedokument ausweisen, in vielen Fällen aber gleichzeitig auch mit einem Einreiseverbot im SIS schengenweit ausgeschrieben sind. Auch in dieser Situation kann es vorkommen, dass das SIRENEBüro vom SIRENE-Büro eines anderen Schengen-Staates zwecks Überprüfung der Echtheit eines solchen Reisedokuments angefragt wird.

Die Nutzung und die Zugriffsmöglichkeiten sind die gleichen wie beim Informationssystem Ausweisschriften (ISA), in dem die Daten gespeichert sind, die bei der Ausstellung eines Identitätsausweises für Schweizer Staatsangehörige erfasst werden.

49

Bericht unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2016 > Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement.

1722

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2.12.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer hat dem Vorschlag zugestimmt. Mit Ausnahme der Ersetzung des ISR-Systems durch das ZEMIS wird der ursprüngliche Entwurf beibehalten.

2.13

Zugriff von fedpol auf das API-System im Abrufverfahren sowie Erweiterung der Meldepflicht für bestimmte Flüge auf Antrag (Art. 104 Abs. 1ter, 104a Abs. 1, 1bis, 3 und 3bis, 104b und 104c E-AuG)

2.13.1

Notwendigkeit der Änderung

Heute verpflichtet das SEM Fluggesellschaften, die Flüge von 18 Abflugorten ausserhalb des Schengen-Raums in die Schweiz durchführen, die Flugpassagierdaten zu übermitteln (API-Daten; Advance Passenger Information). Diese Meldepflicht soll die Grenzkontrolle verbessern und zur Bekämpfung von rechtswidrigen Einreisen in den Schengen-Raum bzw. von Durchreisen durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen beitragen (Art. 104 AuG). Zu diesem Zweck führt das SEM ein Passagier-Informationssystem (API-System; Art. 104a AuG), das die entsprechenden Daten enthält. Diese Daten werden automatisch mit den relevanten Systemen (ZEMIS50, RIPOL51 SIS II52 und der Interpol-Datenbank über gestohlene und verlorene Reisedokumente53) abgeglichen.

Die Behörden, die für die Grenzkontrolle an den Flughäfen zuständig sind (Schengen-Aussengrenzen), können online auf die API-Applikation zugreifen und durch den Abgleich der Daten aus den verschiedenen Informationssystemen Personen anhalten, nach denen gefahndet wird, gegen die eine Einreisesperre vorliegt oder die mit einem gestohlenen oder verlorenen Reisedokument einreisen wollen. Personen, die mit einer Straftat in Zusammenhang stehen (organisiertes und international tätiges Verbrechen sowie Terrorismus), sind jedoch nicht in jedem Fall zur Fahndung ausgeschrieben. Deshalb ist es nicht möglich, die Einreise dieser Personen in die Schweiz zu verhindern.

Zwecks verbesserter Bekämpfung des organisierten und international tätigen Verbrechens sowie des Terrorismus werden neu zwei Massnahmen vorgeschlagen:

50 51 52 53

Zentrales Migrationsinformationssystem, das der Bearbeitung der Personendaten aus dem Ausländer- und Asylbereich dient. Vgl. ZEMIS-Verordnung (SR 142.513).

Fahndungssystem der Schweizer Strafverfolgungsbehörden. Vgl. RIPOL-Verordnung (SR 361.0).

Schengener Fahndungssystem. Vgl. Verordnung N­SIS (SR 362.0).

Stolen and Lost Travel Documents (SLTD) database der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation INTERPOL. Vgl. Interpol-Verordnung (SR 366.1).

1723

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­

Zum einen soll fedpol einen Online-Zugriff auf das API-System erhalten.

Zurzeit werden die Passagierdaten der Flüge von den 18 Abflugorten von den Grenzkontrollbehörden (GWK und Kantonspolizei Zürich) an fedpol übermittelt. Diese Daten treffen oft erst nach Ankunft der Personen bei fedpol ein. Falls eine dieser Personen gesucht oder verdächtigt wird, kann fedpol die nötigen polizeilichen Massnahmen zur Strafverfolgung nicht rechtzeitig einleiten.

Mit dem Online-Zugriff haben die zuständigen Stellen bei fedpol die Möglichkeit, die Einreise in die Schweiz eigenständig und rasch zu überprüfen und allenfalls die verschiedenen Prozessschritte (Rapportierung, Anhaltung, Einbezug weiterer Stellen usw.) noch vor Ankunft der gesuchten oder verdächtigten Person vorzubereiten (beispielsweise Verhaftung oder Beobachtung einer Person, die an Kampfhandlungen im Ausland teilgenommen hat, bei ihrer Rückkehr in die Schweiz).

Die Task-Force TETRA (TErrorist TRAvellers) hat den Bedarf nach einem raschen Zugriff auf Flugpassagierdaten in ihrem Bericht vom Februar 2015 zur Bekämpfung von dschihadistisch motiviertem Terrorismus in der Schweiz mit Schwerpunkt auf dschihadistisch motivierten Reisenden54 unterstrichen. Die Nutzung von API-Daten zur Erkennung der Rückreise von dschihadistisch motivierten Reisenden wird auch durch die Resolution 2178 (2014) des UN-Sicherheitsrats vom 24. September 2014 begrüsst (vgl. auch: Madrid Guiding Principles55 und The Hague Implementation Plan56).

­

Zum anderen soll fedpol veranlassen können, dass das SEM die Meldepflicht der Luftfahrtunternehmen auf Flüge ausdehnt, deren Abflugorte ein erhöhtes Risiko darstellen.

Die Ausdehnung der Meldepflicht trägt einer Gefährdungsanalyse von fedpol sowie der kriminalstrategischen Priorisierung des EJPD Rechnung57. Bereits heute besteht für diverse Abflugorte eine Meldepflicht für Daten, die für die Bekämpfung des organisierten und international tätigen Verbrechens sowie des Terrorismus und der schweren Kriminalität von besonderer Bedeutung sind.

Dem NDB werden die API-Daten mittels einer Liste zur Verfügung gestellt. Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) hat gestützt auf einen internen Bericht und ein Gutachten des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsberaters (EDÖB) im Jahr 2015 die Nutzung der API-Daten ohne Abrufverfahren durch den NDB für 54

55

56

57

Vgl. Ziffer 5.2.2 des Berichts unter: www.ejpd.admin.ch > Aktuell > News > 2015 > Bekämpfung von dschihadistisch motiviertem Terrorismus: Task Force legt Bericht vor und setzt erste Massnahmen um.

Leitsätze zur Umsetzung der UN-Sicherheitsresolution 2178 (2014), S/2015/939, verabschiedet im Rahmen des Treffens des Counter-Terrorism Committee (CTC) 2015 in Madrid.

Verabschiedet im Rahmen des Joint Meeting of the Foreign Terrorist Fighters Working Groups of the Global Counterterrorism Forum (GCTF) and the Global Coalition to Counter ISIL, 17. Januar 2016, Den Haag (NL).

Siehe Kurzfassung unter: www.ejpd.admin.ch > Aktuell > Suche: Bundesrat nimmt kriminalstrategische Priorisierung des EJPD zur Kenntnis.

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rechtmässig erklärt.58 Mit der vorliegenden Revision soll aus Rechtssicherheitsgründen aber dennoch eine explizite Gesetzesgrundlage für die elektronische Weiterleitung der API-Daten geschaffen werden. Zudem soll neu auch der NDB beim SEM beantragen können, zur Abwehr von Bedrohungen für die innere und äussere Sicherheit, die von Terrorismus, verbotenem Nachrichtendienst und Proliferation ausgehen, die Meldepflicht der Luftfahrtunternehmen auf weitere Abflugorte auszudehnen.

2.13.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die Mehrheit der Kantone, zwei politische Parteien und mehrere Organisationen begrüssen die vorgeschlagenen Anpassungen. Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer unterstreichen deren Nutzen für die Bekämpfung der Kriminalität. Einige Verbände und die SVP lehnen diese Neuerungen hingegen ab.

Die ablehnenden Stimmen unterstreichen im Wesentlichen, dass die API-Daten Informationen zu Schweizer Bürgerinnen und Bürgern beinhalten. Dies dürfe nicht sein, da die bestehenden Gesetzesgrundlagen im AuG und in der Verfassung eine solche Datenverarbeitung nicht erlauben.

Lediglich zwei Verbände halten fest, dass die vorgesehenen Bestimmungen den internationalen Anforderungen in Bezug auf den Umfang und die Ausübung des freien Ermessens, das den Kantonen gewährt wird, nicht genügen und dass die Aufzeichnung der Daten von Reisenden das Recht auf Privatsphäre verletze. Einige Vernehmlassungsteilnehmer (z.B. ODAGE und SAV) unterstreichen, dass die wahllose Übermittlung aller Daten an den NDB unverhältnismässig sei. Sie fordern, dass die Behörden (Grenzwachtkorps, fedpol und NDB) die massgebenden Daten, die sie erhalten möchten, und die betroffenen Flüge auflisten, sodass ihnen nur die für sie nützlichen Daten übermittelt werden.

Ihrer Ansicht nach müsste zudem festgehalten werden, dass das Kopieren oder Importieren von Daten in andere Dateien verboten ist.

ZH möchte, dass die kantonalen Strafverfolgungsbehörden die Daten ebenfalls erhalten. GE wünscht ausserdem, dass die kantonalen Polizeibehörden direkt auf das System zugreifen können.

Haltung des Bundesrats Aufgrund der mehrheitlich positiven Stellungnahmen in der Vernehmlassung bleibt der Entwurf unverändert.

Die Frage, ob die Meldepflicht die Daten aller Passagiere und damit auch jene von Schweizerinnen und Schweizern umfasst, ist im geltenden Recht bereits positiv beantwortet. Es gilt mittels Abfrage der entsprechenden Sachfahndungsdatenbanken 58

Vgl. Jahresbericht 2015 vom 29. Januar 2016 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte, S. 66 unter: www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista > Jahresbericht 2015 der GPK und der GPDel.

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sicherzustellen, dass Passagiere erkannt werden, die versuchen, ein als gestohlen gemeldetes Reisedokument einer Schweizerin oder eines Schweizers zu nutzen, um sich so einer eingehenden Kontrolle zu entziehen. Ausserdem ergibt sich der Einschluss aller Passagiere auch aus dem Zweck der Meldepflicht (Verbesserung zur Grenzkontrolle): Der Schengener Grenzkodex59 wurde am 15. März 2017 durch die Verordnung (EU) 2017/45860 als Reaktion auf die Terroranschläge in Europa geändert. Nach den neuen Bestimmungen, die am 7. April 2017 in Kraft traten, werden nicht nur die Daten von Drittstaatsangehörigen, sondern auch von Schweizer-, EUund EFTA-Bürgerinnen und -Bürgern sowie deren Reisedokumente im Rahmen der Aussengrenzkontrolle standardmässig in den einschlägigen Fahndungssystemen abgeglichen.

Die Gewährung eines Online-Zugriffs auf das API-System für fedpol ist verhältnismässig: Der Zugriff soll auf einen begrenzten Kreis von Mitarbeitern beschränkt werden und er darf nur in Einzelfällen zur Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität sowie des Terrorismus verwendet werden. Die API-Daten werden zudem nur manuell und nicht automatisiert mit Daten aus den bei fedpol vorhandenen Datenbanken abgeglichen. Es werden schliesslich keine Flugpassagierdaten in den Datenbanken von fedpol gespeichert.

Der NDB kann bereits heute API-Daten erhalten. Die neue Bestimmung verankert dies im AuG und vereinfacht die Datenübermittlung.

Der von GE und ZH gewünschte Zugriff entspricht nicht dem Zweck des APISystems. Er ist somit nicht gerechtfertigt und unverhältnismässig.

2.14

Videoüberwachung (Art. 102f E-AsylG)

2.14.1

Notwendigkeit der Änderung

Das SEM hat bereits heute in seinen Aussenstellen Videoüberwachungsanlagen sowohl im Aussen- als auch im Innenbereich installiert. Die Videoüberwachung dient der Erleichterung der Arbeit des Sicherheitspersonals vor Ort und soll das objektive wie auch subjektive Sicherheitsempfinden sämtlicher betroffener Personen (Asylsuchende, Mitarbeitende des SEM, Betreuungsdienstleister, externe Besucherinnen und Besucher usw.) fördern. Sie ermöglicht zudem, die Selbstdisziplin aller Beteiligten (vor allem der Asylsuchenden und Sicherheitsmitarbeitenden) im täglichen Zusammenleben zu steigern.

Zurzeit ist nur die Live-Wiedergabe auf einem Endgerät (Monitor) in der Sicherheitsloge möglich. Aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen dürfen die Bild- und Tonaufzeichnungen nicht gespeichert, ausgelagert oder weiterverarbeitet werden.

Sie würden jedoch dort, wo zurzeit nur die oftmals widersprüchlichen Aussagen verschiedener Konfliktparteien berücksichtigt werden können, eine Beweisgrundlage bieten bei konkreten Anschuldigungen zwischen potenziellen Opfern und 59 60

ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1; geändert aufgrund der Verordnung (EU) 2017/458, ABl. L 74 vom 18.3.2017, S. 1, Ziff. 1.2.7.

ABl. L 74 vom 18.03.2017, S. 1.

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Tätern. Dass dieses Beweismittel wirksam ist, wurde in anderen Bereichen (Geschäfte, Gefängnisse, öffentliche Anlagen usw.) mehrfach bestätigt. Beispielsweise hätte bei der komplexen, intensiven und kostenaufwendigen Untersuchung im Zusammenhang mit dem Vorfall im Empfangs- und Verfahrenszentrum Kreuzlingen die Sachlage mittels Videoüberwachung rasch geklärt werden können.

Aus den oben genannten Gründen ist die Aufzeichnung und Verwendung von Video- und Tonaufnahmen zu erlauben und in einem formellen Gesetz festzulegen (Art. 102f E-AsylG).

2.14.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer, darunter zwei Drittel der Kantone und die KKJPD, befürworten diese neue Bestimmung.

Die Kritik bezieht sich vor allem auf die Achtung der Privatsphäre, die Verhältnismässigkeit des Einsatzes der Videoüberwachung als Sicherheitsmassnahme sowie die Frist für die Aufbewahrung der Aufzeichnungen.

Stellungnahme des Bundesrats Die Videoüberwachung ist kein Mittel, das zulasten anderer Sicherheitsmassnahmen eingesetzt wird. Es geht in erster Linie darum, eine Beweisgrundlage sicherzustellen, und nicht eine zusätzliche Abschreckungsmassnahme einzuführen. Bild- und Tonaufzeichnungen dürfen nur an die Strafverfolgungsbehörden übergeben (auf Anzeige oder von Amtes wegen) und im Rahmen von behördlichen Ermittlungen verwendet werden. Zudem ist der Schutz der Privatsphäre dadurch gewährleistet, dass die Videoüberwachung nur in bestimmten Räumen eingesetzt werden darf und dass darauf hinzuweisen ist; dies wird vom Bundesrat in der Vollzugsverordnung geregelt.

Eine Aufbewahrungsdauer von vier Monaten ist im Hinblick auf Artikel 31 StGB gerechtfertigt. Dieser sieht zwar vor, dass eine Anzeige innerhalb von drei Monaten einzureichen ist, dies aber ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Täters. Zudem muss bei Personen, die nach Ablauf der dreimonatigen Frist eine Anzeige einreichen, die Aufbewahrung des Beweismittels während eines angemessenen Zeitraums sichergestellt werden, damit dieses im Rahmen eines Strafverfahrens vorgelegt werden kann. In diesem Fall ist ein zusätzlicher Monat als angemessen zu erachten.

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2.15

Einführung von besonders schützenswerten digitalisierten Daten im ZEMIS (Art. 4 Abs. 1 Bst. abis und e, 7a E-BGIAA und Art. 99a Abs. 4 AsylG

2.15.1

Notwendigkeit der Änderung

Um die Nutzung der Daten der Informationssysteme zu optimieren (E-GovernmentStrategie Schweiz), soll der Zugriff auf besonders schützenswerte Daten im ZEMIS geändert werden. Dazu gehören insbesondere die Fingerabdrücke und die Fotografie der Ausländerinnen und Ausländer oder der Asylsuchenden.

So werden verschiedene Zugriffe auf die Fotografie der betreffenden Person eingeführt, und die Zuständigkeit für deren Erfassung wird auf die kantonalen Migrationsbehörden erweitert. Diese können die Daten für die Zwecke der Rückführung erfassen, falls sie fehlen oder nicht mehr aktuell sind.

Zur Ausstellung von Dokumenten zu Identifikationszwecken im Asyl- und Rückkehrbereich, von Aufenthaltstiteln und neu von Reisedokumenten ist die Verfügbarkeit zentraler Informationen im ZEMIS in jeweils geeigneter Form ein wichtiger Punkt. Aktuell bestehen die elektronischen Dossiers aus PDF-Dokumenten, die nicht systematisch weiterverarbeitet werden können. Gleiches gilt für die darin enthaltenen Fotografien und die Fingerabdruckbogen. Deshalb wird vorgeschlagen, die biometrischen Daten in einem verarbeitbaren Format (z. B. im JPG-Format) im ZEMIS zu erfassen. Diese Daten werden somit von den Migrationsbehörden der Kantone und des Bundes erfasst. Diese sowie das Grenzwachtkorps und die kantonalen Polizeibehörden haben Zugang zu den Daten zum Zweck der Personenidentifikation. So wird insbesondere vorgeschlagen, dass die im MIDES gespeicherten Fotografien von Asylsuchenden in das ZEMIS übernommen werden.

Zudem muss das ZEMIS ebenfalls die Tonaufnahmen enthalten, die für Herkunftsgutachten im Asylbereich bestimmt sind. Da es sich um besonders schützenswerte Personendaten handelt, bedingen ihre Erfassung und die Regelung des Zugangs zu diesen neuen Daten eine Anpassung des Gesetzes (Art. 4 BGIAA).

2.15.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer hat die Vorlage gutgeheissen.

Einige Verbände haben gefordert, dass auch die kommunalen Polizeibehörden Zugriff auf die biometrischen Daten haben. Dieser Forderung wird entsprochen, um eine optimale Nutzung der vorhandenen Daten sicherzustellen.

Zudem wurde der vorgeschlagene Artikel 7b VE-BGIAA unabhängig von der Vernehmlassung durch eine Änderung von Artikel 7a E-BGIAA ersetzt. Darüber hinaus müssen die besonderen Kennzeichen wie Behinderungen, Prothesen oder Implantate (vgl. Ziff. 1.4.1) sowie die Angaben zu Medizinalfällen (vgl. Ziff. 1.4.2) ebenfalls zu den schützenswerten Daten gemäss Artikel 4 BGIAA gezählt werden.

1728

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2.16

Bekanntgabe von Daten an die Migrationsbehörden (Art. 50a Abs. 1 Bst. e Ziff. 8 E-AHVG)

2.16.1

Notwendigkeit der Änderung

Schliesslich wird vorgeschlagen, Artikel 50a Absatz 1 Buchstabe e des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)61 betreffend den Datenaustausch zu Sozialversicherungen anzupassen, damit die Migrationsbehörden über alle von ihnen benötigten Informationen verfügen.

In der Praxis geben die Sozialversicherungsbehörden den Migrationsbehörden gegenwärtig keine Daten bekannt (vgl. Art. 33 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG]62), da in den meisten Fällen die dafür nötige Zustimmung der betroffenen Person fehlt (Art. 50a Abs. 4 Bst. b AHVG).

Aufgrund der zahlreichen Probleme in der Praxis sollen die Sozialversicherungsbehörden in Einzelfällen und auf schriftliche und begründete Anfrage Daten zu Renten der Alters- und Hinterlassenenversicherung, der Invalidenversicherung und zu Ergänzungsleistungen (EL) an die zuständigen Migrationsbehörden übermitteln können. Diese Daten sind wichtig, um zu prüfen, ob ausreichende finanzielle Mittel zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vorhanden sind.

2.16.2

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer hat die vorgeschlagene Anpassung gutgeheissen.

Mehrere Teilnehmer sind der Ansicht, dass die Datenbekanntgabe sich nicht auf Renten beschränken soll. Sie müsse beispielsweise auch laufende IV-Anträge umfassen oder andere Informationen, die für eine ausländerrechtliche Verfügung, einschliesslich gegenüber europäischen Staatsangehörigen, nützlich sind. Einige Teilnehmer unterstreichen, dass die Datenbekanntgabe verhältnismässig bleiben muss.

Haltung des Bundesrats Aufgrund der Stellungnahmen in der Vernehmlassung wird der Entwurf nicht geändert.

Artikel 50a Absatz 1 Buchstabe e AHVG hält klar fest, dass die Bekanntgabe von Sozialversicherungsdaten nur in Einzelfällen und auf individuelle und begründete Anfrage erfolgen kann. Zudem müssen diese Daten für den Vollzug des AuG (Art. 97 Abs. 2) erforderlich sein. Unter diesen Voraussetzungen entspricht eine solche Übermittlung dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

61 62

SR 831.10 SR 830.1

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3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Bestimmungen des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 200563

Art. 12 Abs. 1 (Betrifft nur den französischen Text) Es gilt den in der französischen Fassung fehlerhaften Bezug auf die zuständige Behörde am Arbeitsplatz zu entfernen. Dieser Hinweis findet sich weder in der deutschen Fassung «bei der am Wohnort in der Schweiz zuständigen Behörde» noch in der italienischen «lautorità competente per il luogo di residenza in Svizzera». In der Tat wurde vom Bundesrat in der Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer aus dem Jahr 200264 festgehalten, dass einzig der Wohnkanton die Kompetenz besitzt, die Anmeldepflicht zu regeln.

Art. 22

Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie Entschädigungen für Auslagen bei entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern

Die Ergänzungen dieses Artikels sollen die Unsicherheit in Bezug auf die Spesentragungspflicht bei Entsendungen im Rahmen von betrieblichen Transfers und grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringungen klären und eine mit dem EntsG identische Regelung herbeiführen (siehe auch Ziff. 2.5).

Der Inhalt des bestehenden Artikels 22 AuG betreffend die Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit wird in einen neuen Absatz 1 (Bst. a) übernommen, dem eine neue Bedingung hinzugefügt wird, nämlich dass der Betrag der Entschädigung für Auslagen orts-, berufs- und branchenüblich sein muss (Bst. b). Zudem ist die Pflicht zur Rückerstattung der Auslagen im Zusammenhang mit der Entsendung im Gesetz (Abs. 2) zu verankern (Abs. 2). Und schliesslich soll der Bundesrat die Kompetenz erhalten, die Spesentragungspflicht bei langfristigen Entsendungen in ihrer Dauer zu begrenzen (Abs. 3).

Art. 30 Abs. 1 Bst. d und ebis Bst. d Dieser Buchstabe ist aufgrund der Aufhebung des Cabaret-Tänzerinnen-Statuts, die am 1. Januar 2016 wirksam wurde, aufzuheben (vgl. Ziff. 1.2.2). Obwohl er ermöglichte, von den Zulassungsvoraussetzungen abzuweichen, um Personen zu schützen, die im Zusammenhang mit ihrer Erwerbstätigkeit der Gefahr der Ausbeutung ausgesetzt sind, fand dieser Buchstabe in der Praxis nur auf Cabaret-Tänzerinnen Anwendung. Als Begleitmassnahme zur Aufhebung dieses Statuts wird ein neuer Buchstabe ebis geschaffen, um den Schutz von Personen, die Prostitution betreiben und im Rahmen dieser Tätigkeit zu Opfern von Straftaten werden, zu gewährleisten.

63 64

SR 142.20 BBl 2002 3709 3777

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Bst. ebis Es wird vorgeschlagen, in Artikel 30 Absatz 1 AuG die Möglichkeit vorzusehen, von den Zulassungsvoraussetzungen abzuweichen, um den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern, die Prostitution betreiben und während dieser Tätigkeit durch eine Straftat in ihrer körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden sind (Opfer; Art. 1 Abs. 1 OHG), zu regeln.

­

Der Begriff der Straftat ist grundsätzlich gleich wie im Strafgesetzbuch definiert; darunter versteht man ein tatbestandsmässiges und rechtswidriges Verhalten.65 Demgegenüber ist es nicht nötig, dass der Täter oder die Täterin ermittelt worden ist, sich schuldhaft verhalten hat oder vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat (Art. 1 Abs. 3 OHG). In der Praxis wird im Einzelfall entschieden, ob ein Vorfall in den Geltungsbereich des Gesetzes fällt oder nicht.66 Somit kann eine Tätlichkeit genügen, um die Opfereigenschaft zu begründen, während a contrario eine einfache Körperverletzung nur zu einer geringfügigen Beeinträchtigung der körperlichen und psychischen Integrität führen kann.67

­

Der Begriff der Beeinträchtigung impliziert eine gewisse Schwere. Es reicht nicht, dass dem Opfer Unannehmlichkeiten erwachsen sind, dass es Angst gehabt hat oder dass es Unbill erlitten hat.68 Als «unmittelbar» gilt eine Beeinträchtigung, wenn sie dem Wesen des betreffenden Tatbestands entspricht (typische bzw. charakteristische Folge des Delikts).69

­

Der Begriff des Opfers hängt nicht von der Qualifikation der Straftat ab, sondern ausschliesslich von den Folgen für die geschädigte Person.70

Für Opferhilfeleistungen ist die Einleitung bzw. Durchführung eines Strafverfahrens nicht Voraussetzung.71 Das Opfer kann auch nicht verpflichtet werden, Strafanzeige einzureichen oder einen Strafantrag zu stellen.72 Es wird vorgeschlagen, die Anwendung von Buchstabe ebis auf Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit der Ausübung der Prostitution zu beschränken, um der besonderen Gefährdungslage bei einer Erwerbstätigkeit in der Prostitution Rechnung zu tragen.

Der Opferhilfe kommt im Wesentlichen subsidiäre Bedeutung zu. Insbesondere erwartet man von Opfern, die über genügend finanzielle Mittel verfügen, dass sie die Folgen der Straftat zumindest teilweise mit ihren eigenen Mitteln bewältigen.73

65 66 67 68 69 70 71 72 73

BGE 134 II 33 E. 5.4 BBl 2005 7165 7203 Urteil BGer 1A.70/2004 vom 7. Juli 2004.

BGE 129 IV 216 E. 1.2.1 Urteil BGer 6S.437/2005 vom 24. November 2005 E. 2; Urteil BGer 6S.543/2006 vom 20. Februar 2007 E. 2.

BGE 129 IV 216 E. 1.2.1; BGE 125 II 265 E. 4a BBL 2005 7165 7206 So führten im Jahr 2013 gemäss BFS-Opferhilfestatistik bloss 47,7 % der durch die Opferhilfestellen beratenen Fälle zu einem Strafverfahren.

BBl 2005 7165 7182

1731

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Das Opferhilferecht sieht einen Anspruch auf Entschädigung (aufgrund der eigentlichen Beeinträchtigung) und eine Genugtuung (aufgrund der Schwere der Beeinträchtigung) vor. Die Anforderungen an den Nachweis der Opfereigenschaft sind je nach Art und Umfang der beanspruchten Hilfe unterschiedlich hoch:74 ­

Für die Soforthilfe und für die Wahrnehmung von Rechten im Strafverfahren genügt es, dass eine die Opferstellung begründende Straftat in Betracht fällt.

­

Für die Zusprechung von definitiven finanziellen Leistungen ist hingegen der Nachweis einer tatbestandsmässigen und rechtswidrigen Straftat nötig.

Der Aufenthalt soll namentlich dann bewilligt werden können, wenn die Anwesenheit für den Bezug von Unterstützung oder von Leistungen nach dem OHG (insbesondere Beratung und Soforthilfe) erforderlich ist. Diese Gründe sind auf Verordnungsstufe zu regeln (Art. 30 Abs. 2 AuG).

Art. 31 Abs. 3 Der bisherige Absatz 3, der einen Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung für Staatenlose vorsieht, wurde im Rahmen der Neustrukturierung des Asylbereichs75 aufgehoben. Die vorliegende Änderung trägt dieser Aufhebung Rechnung und befasst sich neu mit dem Anspruch von Staatenlosen auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

Analog der anerkannten Flüchtlinge, soll anerkannten Staatenlosen die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit eingeräumt werden. Es handelt sich um Personen, die voraussichtlich in der Schweiz verbleiben werden, da sie über keine Staatsangehörigkeit verfügen.

Mit der Änderung vom 16. Dezember 201676 des AuG (Integration) wurde eine Meldepflicht eingeführt für die Erwerbstätigkeit von Personen, denen die Schweiz Asyl gewährt oder die sie als Flüchtlinge vorläufig aufgenommen hat (Art. 61 nAsylG). Diese Vorlage unterstellt auch Flüchtlinge, die mit einer rechtskräftigen, aber nicht vollziehbaren Landesverweisung belegt sind, dieser Meldepflicht (vgl.

Erläuterung zu Art. 61 AsylG in Ziff. 3.2).

Aus Gründen der Gleichbehandlung scheint es gerechtfertigt zu sein, dass die Erwerbstätigkeit von anerkannten Staatenlosen (Abs. 1), vorläufig aufgenommenen anerkannten Staatenlosen (Abs. 2) sowie anerkannten Staatenlosen mit einer rechtskräftigen Landesverweisung ebenfalls dem Meldeverfahren nach Artikel 61 nAsylG unterliegt.

Dieser Absatz führt somit alle betroffenen Kategorien von Staatenlosen auf und verweist auf Artikel 61 AsylG.

74 75 76

BBl 2005 7165 7203 AS 2016 3101 3127 BBl 2016 8899

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Art. 56 Abs. 6 Durch die Bezeichnung von unabhängigen Organen stellt das SEM sicher, dass die Qualitätssicherung wie beispielsweise die Anerkennung von Qualifikationen oder von Lehr- und Lernkonzepten gewährleistet werden kann. In der Sprachförderung zum Beispiel übernimmt die Geschäftsstelle Fide im Auftrag des SEM operative Aufgaben im Bereich der Qualitätssicherung. Fide ist ein umfassendes Sprachlernsystem, das von didaktischen Hilfsmitteln über eine Kursleiterausbildung bis hin zu einem Sprachnachweis reicht. Die Geschäftsstelle Fide ist für die Akkreditierung von Bildungsinstitutionen, die Kursleiterausbildungen anbieten, und für die Durchführung von Gleichwertigkeitsverfahren bei Leiterinnen und Leitern von Sprachkursen zuständig.

Art. 59 Sachüberschrift und Abs. 3­6 Der bisherige Artikel 59, der sich mit den Reisedokumenten für Ausländerinnen und Ausländer befasst, wird in drei Artikel aufgeteilt. Der neue Artikel 59 umfasst drei Absätze, die unverändert bleiben und sich mit der Ausstellung von Reisedokumenten an schriftenlose Ausländerinnen und Ausländer durch das SEM befassen. Absatz 3 erfährt eine leichte Anpassung in der deutschen Sprache.

Die Absätze 4­6 werden aufgehoben und sind neu in Artikel 59a betreffend Datenchip und Artikel 59b betreffend biometrische Daten zu finden.

Art. 59a

Datenchip

Abs. 1 Dieser Absatz übernimmt den Inhalt des bisherigen Absatzes 5 von Artikel 59 AuG.

Er bestimmt, welche Daten auf dem Datenchip der Reisedokumente gespeichert werden können.

Durch die Aufhebung des ISR-Systems (vgl. Ziff. 1.4) erübrigt sich der Verweis auf Artikel 111 AuG: ­

In Bezug auf nicht besonders schützenswerte Daten erwähnt Artikel 59a Absatz 1 E-AuG «weitere Personendaten der Inhaberin oder des Inhabers» (gegenwärtig in Art. 111 Abs. 2 Bst. a AuG genannte Daten und bestimmte Daten von Bst. e) und «Angaben zum Reisedokument» (gegenwärtig in Art. 111 Abs. 2 Bst. c AuG genannte Daten).

­

In Bezug auf besonders schützenswerte Daten, das heisst Gesundheitsdaten (besondere Kennzeichen wie Behinderungen, Prothesen oder Implantate), verweist Artikel 59a Absatz 1 E-AuG auf Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe g E-BGIAA (gegenwärtig in Art. 111 Abs. 2 Bst. e AuG genannte Daten).

Diese Daten werden nur auf ausdrückliches Ersuchen der betreffenden Person auf dem Chip gespeichert.

1733

BBl 2018

Abs. 2 Dieser Absatz übernimmt den Inhalt des bisherigen Absatzes 6 von Artikel 59 AuG, wonach der Bundesrat festlegt, welche Arten von Reisedokumenten mit einem Datenchip versehen werden und welche Daten darauf zu speichern sind.

Art. 59b

Biometrische Daten

Abs. 1 Dieser Absatz übernimmt den Inhalt des bisherigen Absatzes 4 von Artikel 59 AuG, der sich mit der Übertragung von Aufgaben an Dritte befasst.

Abs. 2 Dieser Absatz ermöglicht dem SEM und den kantonalen Behörden, die im ZEMIS bereits erfassten biometrischen Daten für die Ausstellung von Reisedokumenten zu verwenden. Diese beiden Behörden werden ermächtigt, die für die Ausstellung oder Erneuerung eines Reisedokuments benötigten biometrischen Daten aus dem ZEMIS abzufragen und weiterzuleiten.

Abs. 3 Die Qualität der biometrischen Daten ist zu gewährleisten, indem ihre Nutzung zeitlich begrenzt wird. Ausserdem muss der Bundesrat kürzere Fristen für die Erfassung biometrischer Daten festlegen können, falls dies aufgrund der Entwicklung der Gesichtszüge nötig ist. Mittels persönlicher Vorsprache und zuverlässiger Identifikation der Antragstellerin oder des Antragstellers werden Missbräuche bei der Erteilung eines neuen Reisedokumentes verhindert.

Art. 60 Abs. 2 Bst. a (Betrifft nur den französischen Text) In der französischen Fassung ist das Pronomen «celles» am Anfang von Buchstabe a zu ergänzen, damit dieser der neuen Formulierung des Einleitungssatzes von Absatz 2 entspricht. Am materiellen Gehalt der Bestimmung ändert sich jedoch nichts.

Bst. b Der Verweis auf Buchstabe d von Artikel 30 Absatz 1 AuG, der wegen der Aufhebung des Cabaret-Tänzerinnen-Statuts (vgl. Ziff. 2.2) aufgehoben wurde, wird durch einen neuen Buchstaben ebis ersetzt. Dieser ermöglicht Ausländerinnen und Ausländern, die Prostitution betreiben, Rückkehrhilfe zu beantragen, wenn sie während dieser Tätigkeit durch eine Straftat in ihrer körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden sind (vgl. Erläuterung zu Art. 30 Bst. ebis).

Die Rückkehrhilfe hat generell zum Ziel, die selbstständige oder pflichtgemässe Rückkehr von Personen zu fördern und deren Wiedereingliederung im Heimat- oder Herkunftsstaat oder, wenn ihr Aufenthalt dort bewilligt wird, in einem Drittstaat zu erleichtern, indem sie diese Personen beim Aufbau einer neuen Perspektive unterstützt. Das SEM setzt die Rückkehrhilfe mit seinen Partnern, der Direktion für 1734

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Entwicklung und Zusammenarbeit des EDA (DEZA), der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sowie den zuständigen kantonalen Stellen und Hilfswerken um. Im Gegensatz zu Personen aus dem Asylbereich kann Rückkehrhilfe im Ausländerbereich bisher nur Personen gewährt werden, die im Zusammenhang mit ihrer Erwerbstätigkeit besonders gefährdet sind, die Opfer oder Zeuginnen und Zeugen von Menschenhandel sind (Art. 60 Abs. 2 Bst. b AuG) oder die wegen einer schweren allgemeinen Gefährdung den Heimat- oder Herkunftsstaat verlassen haben oder während der Dauer der Gefährdung nicht in diesen zurückkehren konnten (Art. 60 Abs. 2 Bst. a AuG).

Im besonderen Fall von ausländischen Personen, die der Prostitution nachgegangen sind, kann die Rückkehrhilfe eine präventive Wirkung haben, indem sie einen Anreiz setzt, aus diesem Milieu auszusteigen. Sie kann zudem verhindern, dass die betroffenen Personen erneut Opfer von Straftaten werden. Für die Gewährung von Rückkehrhilfe an Personen, die der Prostitution nachgegangen sind, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: ­

die betreffende Person wurde in direktem Zusammenhang mit der Prostitution Opfer einer Gewalttat (ärztliches Attest, Polizeirapport oder Auskünfte von Dritten);

­

die Ausreise aus der Schweiz erfolgt aus eigenem Antrieb;

­

im Herkunfts-, Heimat- oder Drittstaat muss eine ausreichende finanzielle Unterstützung fehlen;

­

die betreffende Person muss glaubhaft machen, dass sie die Prostitution definitiv beenden will.

Der maximale Pauschalbetrag der individuellen Rückkehrhilfe beträgt 1000 Franken bei Personen aus dem Asylbereich (Art. 74 der Asylverordnung 2 vom 11. August 199977 [AsylV 2]) oder aus dem Ausländerbereich (Art. 74 AsylV 2, mit Verweis auf Art. 78 Abs. 2 VZAE). Dieser Pauschalbetrag kann mit einer materiellen Zusatzhilfe von maximal 3000 Franken für individuelle Massnahmen bzw. 5000 Franken bei besonderen Integrationsbedürfnissen im Zielland ergänzt werden (Art. 74 Abs. 4 AsylV 2). Sind diese Bedingungen erfüllt, soll die Rückkehrhilfe anders als im Asylbereich auch an Angehörige von EU- oder EFTA-Staaten ausgerichtet werden können. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Lebensbedingungen auch in bestimmten EU-Staaten so schlecht sein können, dass einzelne Personen aus wirtschaftlicher Not Prostitution betreiben müssen. Die Betreuung bei der Wiedereingliederung vor Ort kann durch eine NGO erfolgen.

Bst. c Vorläufig aufgenommene Personen gemäss AuG, deren vorläufige Aufnahme nach Artikel 84 Abs. 2 AuG aufgehoben wurde oder die aus eigenem Antrieb rechtsgenüglich aus der Schweiz ausreisen, sollen neu auch von der Rückkehrhilfe profitieren können (vgl. Ziff. 2.3). So können bei einer freiwilligen Ausreise neu auch Ausländerinnen und Ausländer, deren vorläufige Aufnahme aufgrund von Unmöglichkeit des Vollzugs (Art. 83 Abs. 2), Unzulässigkeit des Vollzugs (Art. 83 Abs. 3) 77

SR 142.312

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oder Unzumutbarkeit des Vollzugs aufgrund einer medizinischen Notlage (Art. 83 Abs. 4; in Ergänzung zu Art. 60 Abs. 2 Bst. a AuG) verfügt wurde, Rückkehrhilfeleistungen beanspruchen. Die aufgrund von Krieg, Bürgerkrieg oder einer Situation allgemeiner Gewalt im Heimat- oder Herkunftsstaat berechtigten Personen beanspruchen die Rückkehrhilfeleistungen weiterhin gestützt auf Artikel 60 Absatz 2 Buchstabe a AuG.

Hingegen können Personen, deren vorläufige Aufnahme aufgrund ihres Verhaltens nach Artikel 84 Absatz 3 AuG aufgehoben wurde, keine Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Weitere Einschränkungen bei der Gewährung von Rückkehrhilfe sind heute bereits in den Ausführungsbestimmungen (Art. 64 AsylV 2) geregelt.

Art. 64d Abs. 3 Diese Änderung basiert auf der Schengen-Evaluation der Schweiz im Jahr 2014 zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie sowie der Empfehlungen des RückkehrHandbuchs78 (vgl. Ziff. 2.7). Die Rückführungsrichtlinie sieht in Artikel 3 Ziffer 7 vor, dass die «Fluchtgefahr» auf objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen muss. Während namentlich bei der Vorbereitungs- (Art. 75 AuG) und der Ausschaffungshaft (Art. 76 AuG) im geltenden Recht bereits entsprechende Kriterien aufgeführt werden, fehlen diese bis anhin beim sofortigen Vollzug einer Wegweisung nach Artikel 64d Absatz 2 Buchstabe b AuG. Dies soll nun mit der vorgeschlagenen Ergänzung nachgeholt werden.

Als konkrete Elemente, die befürchten lassen, dass die betreffende Person sich dem Wegweisungsvollzug entziehen will, sieht die Vorlage namentlich Folgendes vor: Die betroffene Person kommt ihrer Mitwirkungspflicht nach Artikel 90 AuG nicht nach, ihr Verhalten lässt darauf schliessen, dass sie sich behördlichen Anordnungen widersetzt, oder sie übertritt trotz Einreiseverbot die Grenze. Die nicht abschliessende Formulierung dieser Bestimmung lässt den Behörden einen gewissen Handlungsspielraum. Dennoch müssen sie die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH berücksichtigen.

Art. 65 Abs. 2 und 2bis Artikel 65 AuG regelt die Einreiseverweigerung und die Wegweisung am Flughafen.

Das aktuelle Verfahren ist zu korrigieren, um dem Schengener Grenzkodex zu genügen und den Grenzkontrollbehörden zu ermöglichen, einen Entscheid im Namen des SEM zu erlassen (vgl. Ziff. 2.8).

Auf ihrem Hoheitsgebiet sind die Kantone für die Ausübung
der Personenkontrollen zuständig (Art. 9 Abs. 1 AuG). Sie können diese Aufgabe mittels Vereinbarung mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement an das Grenzwachtkorps übertragen (Art. 23 Abs. 2 VEV, Art. 97 Zollgesetz vom 18. März 200579 [ZG]). Dies hat zur Folge, dass an den Schweizer Aussengrenzen sechs verschiedene Grenzkontroll78

79

Empfehlung der Kommission vom 1.10.2015 für ein gemeinsames Rückkehr-Handbuch, das von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Durchführung rückkehrbezogener Aufgaben heranzuziehen ist; C(2015) 6250 final.

SR 631.0

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behörden im Einsatz sind: eine Bundesbehörde (GWK) und fünf kantonale Behörden (Kantonspolizei Bern, Genf, Solothurn, Wallis und Zürich).

Es ist vorgesehen, dass diese verschiedenen Grenzkontrollbehörden Einreiseverweigerungs- bzw. Wegweisungsverfügung im Namen des SEM erlassen können (Art. 65 Abs. 2). Sie vollziehen damit Bundesrecht in Vertretung des SEM, bei dem gegen diesen ersten Entscheid Einsprache erhoben werden kann. Das Einspracheverfahren soll eine einheitliche Praxis gewährleisten und überdies im Interesse der beteiligten Behörden den bisherigen Beschwerdeweg aufrechterhalten. Gegen den Einspracheentscheid des SEM kann wie bisher beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden (Art. 65 Abs. 2bis).

Sowohl der Einsprache beim SEM als auch der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Diese neue Bestimmung bedingt Anpassungen der VEV.

Art. 69 Abs. 1 Bst. c Artikel 76 AuG, auf den Buchstabe c verweist, wurde im Rahmen der Umsetzung von Artikel 121 Absätze 3­6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer80 geändert: Die Ausschaffungshaft ist nicht mehr nur nach einem erstinstanzlichen Aus- oder Wegweisungsentscheid möglich, sondern auch nach einer erstinstanzlichen Landesverweisung.

Deshalb ist die strafrechtliche Landesverweisung in Buchstabe c zu ergänzen und so zu formulieren, dass die strafrechtliche Landesverweisung einer ausländischen Person, die nach Artikel 76 AuG in Haft genommen wurde, nicht vor Rechtskraft der entsprechenden Verfügung vollzogen werden kann. Dies entspricht Artikel 66c Absatz 1 StGB, wonach die Landesverweisung ab Rechtskraft des Urteils vollstreckbar ist.

In der französischen Version wird das Adjektiv «exécutoire» («vollstreckbar») ersetzt durch «entrée en force» («rechtskräftig» bzw. «passata in giudicato»; entspricht der aktuellen deutschen und italienischen Version). Denn es handelt sich um eine definitive Verfügung, die nicht mehr beschwerdefähig ist.

Art. 80a Abs. 1 Bst. a Aufgrund der Neustrukturierung des Asylbereichs muss diese Bestimmung angepasst werden, um besser festzulegen, welcher Kanton die Dublin-Haft anordnen kann (Art. 76a AuG).

Wenn wegzuweisende Personen sich in einem Zentrum des Bundes aufhalten, kann entweder der Kanton, in dem sich das Zentrum befindet, oder der Kanton,
der als für den Wegweisungsvollzug gemäss Artikel 46 Absatz 1bis dritter Satz AsylG als zuständig bezeichnet wurde, die Dublin-Haft anordnen. In den anderen Fällen, wenn eine Zuweisung in den Kanton erfolgt, in dem sich das Zentrum des Bundes befindet, ist dieser Kanton alleine dafür zuständig (vgl. Ziff. 2.9).

80

AS 2016 2329, 2339

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Art. 81 Abs. 2 Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts81 wird der besonderen Situation der Administrativhäftlinge am besten in spezifisch auf die Bedürfnisse dieser Haftart eingerichteten Gebäuden Rechnung getragen (siehe auch Ziff. 2.7). Falls keine entsprechende Einrichtung vorhanden ist, ist eine Haft in anderen Gebäuden nicht ausgeschlossen, es muss aber dafür gesorgt werden, dass diese Personen strikt getrennt von Personen in Strafhaft bzw. Untersuchungshaft untergebracht werden.

Die geltende Bestimmung im AuG widerspricht dieser Rechtsprechung des BGer.

Der geltende Artikel 81 Absatz 2 AuG widerspricht auch der Rückführungsrichtlinie82, die für die Schweiz wegen ihrer Schengen-Assoziierung verbindlich ist. Artikel 16 Absatz 1 dieser Richtlinie hält fest, dass die Inhaftierung zum Zweck der Abschiebung generell in speziellen Hafteinrichtungen erfolgen soll. Wenn dies nicht möglich ist (beispielsweise wenn die Kapazitäten ausgeschöpft sind), müssen die betroffenen Personen, die in gewöhnlichen Haftanstalten untergebracht sind, «gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht werden». Entsprechend wurde auch in den Schlussfolgerungen zur Evaluation der Schweiz im Jahr 2014 zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie festgehalten, dass die Schweiz Artikel 81 Absatz 2 AuG anpassen müsse. In einem Urteil vom 17. Juli 2014 stellte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entsprechend fest, dass «ein Mitgliedstaat sich nicht auf das Fehlen spezieller Hafteinrichtungen in einem Teil seines Hoheitsgebiets berufen dürfe, um abzuschiebende Drittstaatsangehörige in gewöhnlichen Haftanstalten unterzubringen».83 Das heisst, dass die Unterbringung in einer ordentlichen Strafanstalt erst dann erlaubt ist, wenn schweizweit, und nicht nur im betreffenden Kanton, in speziellen Einrichtungen keine Kapazitäten für die Administrativhaft bestehen oder wenn diese Kapazitäten nicht mehr bestehen. Die Schweiz muss die Urteile des EuGH grundsätzlich berücksichtigen, um eine einheitliche Anwendung des Schengen-Besitzstands zu gewährleisten.

Personen in Vorbereitungs-, Ausschaffungs- oder Durchsetzungshaft müssen getrennt von Häftlingen im Strafvollzug untergebracht sein. Es bedarf einer Unterbringung in vollständig getrennten Abteilungen der Anstalt, wobei die getroffene Lösung ein abweichendes freieres
Haftregime (Gemeinschaftsräume, Besuchsausübung, Freizeitaktivitäten) zulassen muss.84 Die Rechte der betroffenen Personen in Administrativhaft müssen auch bei einer allfälligen abteilungsübergreifenden Nutzung bestimmter Räumlichkeiten jederzeit vollumfänglich gewährleistet sein. Sie sind insbesondere vor aggressivem oder unangemessenem Verhalten zu schützen.

Diese klare Trennung ermöglicht zudem die Unterscheidung zwischen Personen in Administrativhaft und Personen, die wegen des Verdachts einer Straftat inhaftiert sind.85

81 82 83

84 85

BGE 123 I 221, E. II.1.b ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98­107; Ziff. 1.2.7.

EuGH, Urteil vom 17.7.2014, Bero u. Bouzalmate, Verbundene Rechtssachen C-473/13 und C-514/13, ECLI:EU:C:2014:2095; sowie im Urteil vom 17.7.2014, Pham, Rechtssache C-474/13, ECLI:EU:C:2014:2096.

BBl 1994 I 326 BGE 122 II 53 E. 5a

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Art. 86 Abs. 1 und 1bis und Art. 87 Abs. 1 Bst. d Flüchtlinge mit einer rechtskräftigen Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG unterstehen den gleichen Sozialhilfebestimmungen wie Flüchtlinge, denen die Schweiz Asyl gewährt hat (Art. 86 Abs. 1 fünfter Satz AuG). Zudem legt Artikel 23 des Abkommens vom 28. Juli 195186 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [Flüchtlingskonvention, FK]) fest, dass die vertragsschliessenden Staaten den auf ihrem Gebiet rechtmässig sich aufhaltenden Flüchtlingen die gleiche Fürsorge und öffentliche Unterstützung gewähren wie den Einheimischen. Eine identische Regelung in Bezug auf die Gewährung von Sozialhilfe bei Flüchtlingen findet sich auch im Übereinkommen vom 28. September 195487 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (Art. 23 dieses Übereinkommens).

Aus Gründen der Klarheit und der Rechtssicherheit sollen staatenlose Personen im neuen Artikel 86 Absatz 1bis E-AuG sowie in Artikel 87 Absatz 1 Buchstabe d EAuG explizit erwähnt werden.

Art. 99

Zustimmungsverfahren

In einem Grundsatzentscheid vom 30. März 201588 hält das BGer Folgendes fest: Wenn eine Aufenthaltsbewilligung auf dem Entscheid einer kantonalen Rekursbehörde beruht (grundsätzlich eine Gerichtsbehörde) und dieser Entscheid mittels einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bis zum BGer weitergezogen werden kann, muss das SEM dieses Rechtsmittel nutzen, und nicht das Zustimmungsverfahren.89 Damit soll vermieden werden, dass nach dem Entscheid des SEM eine neue Rechtshängigkeit begründet wird, was das Verfahren verlängern würde.

Für das Zustimmungsverfahren gelten jedoch andere verfahrensrechtliche Regeln: Im Gegensatz zum Beschwerdeverfahren ist das Zustimmungsverfahren nicht befristet, weshalb das SEM über eine umfassende Kognition verfügt.90 Dies ermöglicht dem SEM, die ihm vorgelegten Dossiers allenfalls vertiefter zu prüfen. Zudem verfolgt das Zustimmungsverfahren ein anderes Ziel: Es ermöglicht dem SEM, eine kohärente Ausländerpolitik zu gewährleisten.

Die vorgeschlagene Änderung bezweckt somit, die Praxis vor dem Bundesgerichtsentscheid weiterzuführen, indem im Gesetz ausdrücklich festgelegt wird, dass das SEM auch dann seine Zustimmung verweigern kann, wenn eine kantonale Rekursinstanz einer Gerichts- oder Verwaltungsbehörde sich bereits geäussert hat.

86 87 88 89 90

SR 0.142.30 SR 0.142.40 BGE 141 II 169. Bezüglich der gleichen Frage siehe auch Urteil 2C_634/2014 vom 24. April 2015.

Vgl. Art. 89 Abs. 2 und 111 des Bundesgerichtsgesetzes (BGG, SR 173.110); vorgenannte Urteile: 2C_146/2014, E. 4.4.3 und 2C_634/2014, E. 3.2.

Das BGer überprüft grundsätzlich nicht nochmals die Tatsachen (vgl. Art. 99 BGG), während das SEM bei anderen Behörden oder ausnahmsweise bei Privatpersonen schriftliche Auskünfte einholen kann (vgl. Art. 49 des Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 1986 [VwVG, SR 172.021]).

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Art. 102 Abs. 1 und 2 Abs. 1 Zurzeit können die zuständigen Behörden (z. B. SEM, konsularische Dienste oder kantonale Migrationsbehörden) bei der Prüfung der Einreisevoraussetzungen (Beantragung eines Schengen-Visums oder eines nationalen Visums) oder bei einem ausländerrechtlichen Verfahren (Gesuch um Aufenthaltsbewilligung) in Ausnahmefällen biometrische Daten von Ausländerinnen und Ausländern erheben, namentlich um die Identität der betreffenden Person festzustellen. Durch die vorgeschlagene Änderung können diese Behörden die biometrischen Daten von Ausländerinnen und Ausländern neu für bestimmte Personenkategorien auch systematisch erheben (vgl.

Ziff. 1.4.3). So können beispielsweise neu die biometrischen Daten von Gesuchstellern nationaler Visa (Visum D) in den Auslandsvertretungen systematisch in der von fedpol betriebenen Fingerabdruck-Datenbank AFIS erfasst und zwecks Identifikation im Inland weiterverwendet werden. Diese Bestimmung ermöglicht insbesondere dem SEM die systematische Überprüfung von Personen, die aus bestimmten Ländern stammen (z. B. vom EDA erstellte Liste) oder die in eine bestimmte Personenkategorie fallen (z. B. jene, die um Familiennachzug ersuchen).

Abs. 2 Der Bundesrat wird neu ermächtigt zu bestimmen, welche Personengruppen systematisch erfasst werden nach Absatz 1. Dieser Absatz übernimmt zudem den Inhalt des bisherigen Absatzes 2. In redaktioneller Hinsicht ist jedoch aus Gründen der Kohärenz in Absatz 1 das Verb «erfassen» anstelle des Verbs «erheben» zu verwenden.

Art. 102a Abs. 2­4 Abs. 2 Dieser Absatz sieht vor, dass die Erfassung der biometrischen Daten und die Weiterleitung der Ausweisdaten an die ausfertigende Stelle ganz oder teilweise Dritten übertragen werden können.

Abs. 3 Dieser Absatz übernimmt den bisherigen Absatz 3 und ermöglicht den kantonalen Behörden, biometrische Daten zur Ausstellung eines Ausweises oder zu dessen Erneuerung zu bearbeiten. Dies bedingt keine Änderung der geltenden Praxis in Bezug auf die Ausstellung eines biometrischen Aufenthaltstitels.

Abs. 4 In systematischer Hinsicht wird Absatz 2 von Artikel 102a AuG zu Absatz 4 von Artikel 102a E-AuG. Am materiellen Gehalt der Bestimmungen ändert sich jedoch nichts.

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Art. 104 Abs. 1­1ter Abs. 1 Das SEM kann wie bisher Flugverkehrsunternehmen dazu verpflichten, ihm auf Ersuchen der Grenzkontrollbehörden Personendaten der beförderten Personen sowie Daten zum Flug (API-Daten) zu übermitteln. Zudem wird vorgeschlagen, im Gesetz den Zugriff auf die API-Daten bei technischen Problemen des API-Systems im Gesetz zu regeln. Somit kann das SEM die Flugverkehrsunternehmen verpflichten, die API-Daten direkt an die Grenzkontrollbehörden zu übermitteln.

Abs. 1bis Wie oben bereits ausgeführt (Ziff. 2.13), können die API-Daten auch genutzt werden, um das organisierte und international tätige Verbrechen, Terrorismus, verbotenen Nachrichtendienst und Proliferation zu bekämpfen.

Zurzeit erfolgt die Auswahl der Abflugorte, ab denen die meldepflichtigen Flugverkehrsunternehmen Flüge in die Schweiz durchführen, gestützt auf eine Migrationsrisikoanalyse. Aufgrund der neuen Ziele des API-Systems (vgl. auch Erläuterung zu Art. 104a Abs. 1 Bst. c E-AuG), die in der Zuständigkeit von fedpol bzw. des NDB liegen, ist es sinnvoll, diesen zu ermöglichen, beim SEM eine Ausdehnung dieser Meldepflicht auf weitere Abflugorte zu beantragen. Eine allfällige Ausdehnung der Meldepflicht auf zusätzliche Abflugorte beruht auf einer Gefährdungsanalyse der jeweiligen antragstellenden Behörde. Die Gefährdungsanalyse von fedpol wird auch die bestehende kriminalstrategische Priorisierung 2015 bis 2019 berücksichtigen.

Diese setzt derzeit den Schwerpunkt auf Terrorismus, organisierte Kriminalität, Cyberkriminalität sowie Menschenhandel und Menschenschmuggel.91 Regionen, die für die Bekämpfung dieser Straftaten bedeutsam sind, haben Einfluss auf die Auswahl der Abflugorte, für die eine Meldepflicht für API-Daten in Frage kommt.

Bereits jetzt decken die 18 Nicht-Schengen-Abflugorte wichtige Destinationen ab, welche auch zur Bekämpfung dieser Straftaten bedeutsam sind. Eine erhebliche Ausweitung der meldepflichtigen Abflugorte ist daher nach derzeitiger Lage seitens fedpol nicht erforderlich.

Sollte das SEM einen Antrag von fedpol oder des NDB um Erweiterung der Meldepflicht für eine Flugstrecke ablehnen, so soll das im Artikel 15 Absatz 3 der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 199892 (RVOV) geregelte Differenzbereinigungsverfahren zur Anwendung kommen. Zur Beilegung von
Differenzen zwischen SEM und fedpol (innerhalb des EJPD) ist die Departementsvorsteherin zuständig, für allfällige Differenzen mit dem NDB der Bundesrat.

Abs. 1ter In systematischer Hinsicht wird Absatz 1 zweiter Satz von Artikel 104 AuG zu Absatz 1ter von Artikel 104 E-AuG. Am materiellen Gehalt der Bestimmungen ändert sich jedoch nichts.

91 92

Vgl. Medienmitteilung des EJPD vom 4.12.2015: www.ejpd.admin.ch > Aktuell > News > Suche: Bundesrat nimmt kriminalstrategische Priorisierung des EJPD zur Kenntnis.

SR 172.021

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Art. 104a Abs. 1, 1bis, 3, 3bis und 4 Abs. 1 Die API-Daten müssen auch zur Bekämpfung des organisierten und international tätigen Verbrechens, des Terrorismus, des verbotenen Nachrichtendienstes und der Proliferation genutzt werden können, Dazu ist die Zweckbestimmung des APISystems in Absatz 1 zu erweitern. Artikel 6 Absatz 1 fünfter Abschnitt der dem Artikel 104a zugrundeliegenden Richtlinie 2004/82/EG des Rates vom 29. April 200493 über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln, sieht bereits vor, dass die Passagierdaten zu repressiven Zwecken genutzt werden können, sofern die nationalen Gesetze dies so vorsehen.

Abs. 1bis In systematischer Hinsicht wird Absatz 1 zweiter Satz von Artikel 104a AuG zu Absatz 1bis von Artikel 104a E-AuG. Am materiellen Gehalt der Bestimmungen ändert sich jedoch nichts.

Abs. 3 In redaktioneller Hinsicht ist das überflüssige Adverb «wirksam» zu streichen (dies betrifft auch Art. 104 Abs. 1 und 104a Abs. 1). Am materiellen Gehalt der Bestimmungen ändert sich im Vergleich zum geltenden Recht entsprechend nichts.

Abs. 3bis Es wird vorgeschlagen, den Online-Zugriff von fedpol auf die in Artikel 104 Absatz 3 genannten Daten zu beschränken in Einzelfällen, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen, das heisst die Bekämpfung des organisierten Verbrechens und des Terrorismus (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 199494 über die kriminalpolizeilichen Zentralstellen des Bundes und gemeinsame Zentren für Polizei- und Zollzusammenarbeit mit anderen Staaten, Artikel 23 und 24 der Strafprozessordnung95, Artikel 260ter und Artikel 260quinquies StGB sowie des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 201496 über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen). Im Vordergrund stehen somit Delikte wie Menschenhandel, unerlaubter Verkehr mit Betäubungsmitteln sowie Terrorismus.

Zudem wird der Zugang zum API-System ebenfalls auf bestimmte Mitarbeitende von fedpol beschränkt. Die API-Daten werden in periodischen Abständen im Einzelfall mit Daten aus den Systemen zur Unterstützung gerichtspolizeilicher Ermittlungen manuell (fehlende technische Mittel) abgefragt und abgeglichen (vgl. Art. 10, 11 und 12 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 200897 über die polizeilichen
Informationssysteme des Bundes [BPI]. Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter von fedpol gleicht also den Namen einer gesuchten Person mit den elektronischen Passagierlis93 94 95 96 97

ABl. L 261 vom 6.8.2004, S. 24­27.

SR 360 SR 312.0 SR 122 SR 361

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ten ab. Bei einem Treffer können die API-Daten zu Zwecken der Vorermittlung sowie polizeilichen Ermittlungen weiter bearbeitet und in den Systemen nach den Artikeln 10­12 BPI gespeichert werden.

Die Resultate des Abgleichs der API-Daten mit den Datenbanken RIPOL, SIS, ZEMIS und ASF-SLTD (Art. 104a Abs. 4 AuG) werden von den Grenzkontrollbehörden an fedpol übermittelt, wenn sie für diese von Bedeutung sind.

Abs. 4 In redaktioneller Hinsicht ist die Abkürzung «ZEMIS» zu verwenden, da sie im Artikel 59b Absatz 2 E-AuG neu eingeführt wird. Am materiellen Gehalt der Bestimmungen ändert sich im Vergleich zum geltenden Recht entsprechend nichts.

Art. 104b

Automatische Weiterleitung von Daten des API-Systems

Abs. 1 Nach Absatz 1 werden die API-Daten unmittelbar, nachdem sie in das API-System eingespiesen wurden, in elektronischer Form an den NDB übermittelt (Art. 104 Abs. 3 AuG), mit Ausnahme der Ergebnisse der Datenbankabfragen, die das APISystem automatisiert generiert (Art. 104a Abs. 4 AuG). Auf Letztere haben wie bisher nur die Grenzkontrollorgane Zugriff (Art. 104a Abs. 3 AuG).

Abs. 2 Absatz 2 legt sodann die Zwecke fest, zu welchen die weitergeleiteten API-Daten bearbeitet werden dürfen.

Dem NDB dienen die API-Daten dazu, Einreisende in die Schweiz oder Durchreisende präventiv zu erkennen (z. B. mutmassliche Angehörige von Terrororganisationen oder von fremden Nachrichtendiensten). Die Daten werden mit den bestehenden Informationen in den Datenbanken des NDB abgeglichen. In Verknüpfung mit Erkenntnissen aus Grenz- und Zollkontrollen erlauben sie eine Vervollständigung des Bewegungsprofils einer Zielperson. Dies ermöglicht dem NDB auch, beispielsweise einen Antrag auf ein Einreiseverbot oder einen Antrag auf Ablehnung eines Einbürgerungsgesuchs fundiert zu begründen, sowie andere präventive Massnahmen wie Ansprachen oder Umfeldabklärungen effizienter wahrzunehmen.

Die Daten, die gemäss Artikel 104b E-AuG an den NDB weitergeleitet werden, werden mit dem integralen Analysesystem des NDB (IASA NDB; vgl. Art. 49 des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. September 201598 [NDG]) und dem integralen Analysesystem Gewaltextremismus des NDB (IASA-GEX NDB; vgl. Art. 50 NDG) manuell abgeglichen und danach vernichtet. Allfällige Treffer (Hits) werden in diesen Systemen erfasst und unterstehen fortan den Bestimmungen des 4. bzw.

5. Abschnitts der Verordnung vom 16. August 201799 über die Informations- und Speichersysteme des Nachrichtendienstes des Bundes.

98 99

SR 121 SR 121.2

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Art. 104c In systematischer Hinsicht wird Artikel 104b AuG (Zugang zu Passagierdaten im Einzelfall) zu Artikel 104c E-AuG. Am materiellen Gehalt der Bestimmungen ändert sich jedoch nichts.

Art. 109a Abs. 2 Bst. d und 109c Bst. e Das im Oktober 2011 eingeführte C-VIS hat sich als wirksames Instrument erwiesen. Damit kann namentlich über die Fingerabdrücke rasch geprüft werden, ob eine Person ein Schengen-Visum für die Einreise in Europa erhalten hat und welcher Staat dieses Visum ausgestellt hat. Zudem lässt sich damit die Identität der angehaltenen Person prüfen, falls diese nicht anderweitig festgestellt werden kann. Einige kommunale Polizeibehörden müssen aufgrund ihrer Bedeutung rasch und direkt, ohne Umweg über die kantonalen Stellen, auf das C-VIS zugreifen können (vgl.

Ziff. 2.11). Dies würde bei der Überprüfung von ausländischen Staatsangehörigen ohne Identitätsdokument einen erheblichen Zeitgewinn bedeuten. Deshalb wird der Zugang zum C-VIS auf die kommunalen Polizeibehörden erweitert.

Es ist somit auch sinnvoll, den aktuellen Zugang zu ORBIS, der nur für die kantonalen Behörden vorgesehen ist, analog zu erweitern. Damit können die kommunalen Polizeibehörden sowohl das nationale System als auch das zentrale SchengenSystem online abfragen. Artikel 109a Absatz 2 Buchstabe d, der den Zugang zu C-VIS regelt, und Artikel 109c Buchstabe e E-AuG, der sich mit dem Zugang zu ORBIS befasst, werden entsprechend ergänzt.

Art. 109f

Grundsätze

Diese Bestimmung legt das allgemeine Ziel und den Anwendungsbereich des neuen Informationssystems eRetour für die Durchführung der Rückkehr fest. Das System wird für Aufgaben genutzt, die den gesamten Prozess der Rückkehrunterstützung abdecken. Es handelt sich im Wesentlichen um die Rückkehrberatung und die Gewährung von Rückkehrhilfe (Art. 93 AsylG), die Unterstützung der Kantone beim Vollzug der Wegweisung, der Ausweisung im Sinne dieses Gesetzes oder der Landesverweisung nach den Artikeln 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG (Art. 71 AuG) sowie die Übernahme und Abrechnung der Ausreisekosten (Art. 92 AsylG) oder der Haftkosten (Art. 82 AuG).

Art. 109g

Inhalt

Dieser Artikel regelt den Inhalt des neuen Informationssystems eRetour für die Durchführung der Rückkehr.

Abs. 1 Dieser Absatz bestimmt die Kategorien der Personen, deren Daten im neuen System erfasst werden. Es handelt sich sowohl um Personen aus dem Asylbereich als auch um Personen aus dem Ausländerbereich, für die das SEM von den kantonalen Behörden, die mit der Durchführung der Rückkehr betraut sind, oder einer Rückkehrberatungsstelle um Gewährung einer Rückkehrhilfe, die Beschaffung von Reise1744

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ersatzdokumenten, die Organisation der Ausreise oder die Erstattung der Ausreiseoder Haftkosten ersucht wird.

Abs. 2 Mit dem neuen Informationssystem lassen sich alle Daten, die für den optimalen Ablauf des Ausreiseprozesses einer ausländischen Person erforderlich sind, zentralisieren ­ von der Rückkehrberatung über Massnahmen zur Beschaffung eines Ersatzdokuments, die Flugreservation und die Bezahlung des Ausreisegelds bis zur Abrechnung der Ausreisekosten. Diese Informationen werden gezielt den verschiedenen Personen, die am Rückkehrprozess beteiligt sind, zugänglich gemacht, sei dies im Bearbeitungsmodus oder lediglich zur Abfrage.

Bst. a Die im System erfassten Personendaten werden aus dem ZEMIS übernommen, sofern sie dort vorhanden sind. Die Daten zur Ethnie und Religion werden nur übernommen und verwendet, wenn dies im Rahmen eines Identifikationsverfahrens gemäss den Besonderheiten des Heimat- oder Herkunftslands der ausländischen Person ausdrücklich erforderlich ist.

Im Rahmen eines Identifikationsverfahrens sind je nach den Anforderungen des ersuchten Herkunftslands allenfalls zusätzliche Daten von im Ausland lebenden nahen Verwandten wie Grosseltern, Ehegatte oder Geschwister im neuen System zu erfassen; dies betrifft die Identität sowie den Geburtsort und den Aufenthalt im Ausland.

Bst. b Die biometrischen Daten sind notwendig im Rahmen der Massnahmen zur Identifikation von Ausländerinnen und Ausländern, ihrer Rückübernahme oder der Ausstellung eines Reiseersatzdokuments durch die Behörden des Heimat- oder Herkunftsstaates (Art. 97 Abs. 2 und 3 und 98b AsylG). Dazu gehören auch die Fotografie und die Fingerabdrücke. Bei Personen aus dem Asylbereich wird die Fotografie aus dem ZEMIS übernommen, bei den anderen Personen werden die Fotografie und die Fingerabdrücke falls nötig von den kantonalen Migrationsbehörden erfasst.

Bst. c Alle Dokumente, die zwischen den am Rückkehrhilfeprozess beteiligten Stellen und dem SEM ausgetauscht werden, werden künftig im elektronischen Dossier Rückkehr des ZEMIS (Dokumente des e-Dossiers im Zusammenhang mit der Rückkehr) gespeichert. Über die neue Applikation wird den Benutzern des neuen Informationssystems Zugang zu diesem Dossier gewährt.

Bst. d Dieser Buchstabe befasst sich mit der Art der Wegweisung, beispielsweise die vom SEM oder den Kantonen
verfügte Dublin-Wegweisung oder Wegweisung in einen Drittstaat, die Ausweisung nach dem AuG, die Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG oder die freiwillige Rückkehr von ausländischen Personen.

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Das bei der Ausreise verwendete Reisedokument (z. B. nationaler Reisepass, Laissez-passer) wird angezeigt. Das Reisegeld (Art. 59a AsylV 2), das Ausreisegeld (Art. 59abis AsylV 2) oder die Beträge, die im Rahmen einer Rückkehrhilfe des Bundes oder des Kantons gewährt werden und bei der Ausreise aus der Schweiz zu übergeben sind, werden ebenfalls erwähnt. Und schliesslich werden das Datum und der Ort der effektiven Ausreise der betreffenden Person erfasst.

Bst. e Die Daten betreffend die Gewährung von Rückkehrhilfe werden zurzeit in der Applikation «Individuelle Rückkehrhilfe» erfasst (Art. 1g der Asylverordnung 3 vom 11. August 1999100 [AsylV 3]). Diese wird nach der Migration der Daten in das eRetour deaktiviert. Die Daten zur Rückkehrberatung werden zurzeit dezentral bei den für die Rückkehrberatung zuständigen kantonalen Stellen oder bei beauftragten Dritten erfasst, oftmals in individuellen Datenblättern. Sie stehen dem SEM nur teilweise und rückwirkend zu Überwachungs- und Statistikzwecken zur Verfügung.

In Zukunft werden alle Beratungsfälle, die zur Organisation der Ausreise führen, sowie alle Anträge auf Rückkehrhilfe von der zuständigen Rückkehrberatungsstelle im System erfasst und ­ über einen elektronischen Arbeitsprozess ­ an die zuständige Stelle beim SEM übermittelt.

Bst. f und g Die aktuelle Applikation AURORA soll die Massnahmen zur Identifikation und zur Beschaffung von Reisedokumenten sowie die Ausreiseorganisation unterstützen (Art. 12 der Verordnung vom 11. August 1999101 über den Vollzug der Weg- und Ausweisung von ausländischen Personen [VVWA] und Art. 1a Bst. j AsylV 3). In diesem System werden zurzeit nur die Daten betreffend die Vorbereitungen der Ausreise auf dem Luftweg erfasst. Die Daten betreffend die Aktivitäten zur Beschaffung von Dokumenten werden dezentral in den Datenblättern eingetragen und können nicht für Überwachungs- und Statistikzwecke verwendet werden. Das System Aurora wird deaktiviert. Es wird aber noch während zwei Jahren nach Einführung des Moduls für die Ausreiseorganisation beibehalten, jedoch nur im Abfragemodus.

Aus Kostengründen wurde auf eine Migration der darin enthaltenen Daten in das neue Informationssystem verzichtet. Alle Anträge auf Rückkehrunterstützung werden durch das SEM im Rahmen der Massnahmen zur Identifikation von ausländischen
Personen und zur Beschaffung von Reiseersatzdokumenten sowie die Anträge betreffend Ausreiseorganisation durch die kantonalen Migrationsbehörden oder die zuständige Rückkehrberatungsstelle (letztlich auch die Spezialistinnen und Spezialisten der Bundeszentren) im System erfasst. Diese Anträge werden anschliessend ­ über einen elektronischen Arbeitsprozess ­ an die zuständige Stelle beim SEM übermittelt.

100 101

SR 142.314 SR 142.281

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Bst. h Artikel 71b nAuG, der im Rahmen der Neustrukturierung des Asylbereichs102 eingeführt wird, sieht eine Übermittlung der medizinischen Daten der wegzuweisenden Person durch den Arzt vor, um deren Transportfähigkeit zu beurteilen. Buchstabe h ermöglicht die Aufbewahrung dieser Informationen im eRetour zuhanden der für die Ausreiseorganisation zuständigen Behörden. Die besonderen Massnahmen, die beim Transport zu ergreifen sind, die allfällige Notwendigkeit einer medizinischen Begleitperson oder die Möglichkeit, Medikamente mitzunehmen, werden ebenfalls festgehalten. Diese Informationen sind wichtig, um die Sicherheit der freiwillig oder zwangsweise ausreisenden Personen zu gewährleisten.

Bst. i Die Bestimmung der Reiseroute sowie die Wahl des Flugs und der Fluggesellschaft, hängen teilweise von den Ergebnissen der Abfragen im RIPOL gemäss Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe f BPI und im SIS gemäss Artikel 16 Absatz 5 Buchstabe bbis BPI ab. Je nach diesen Ergebnissen müssen die Vorbereitungsmassnahmen ausgesetzt werden, beispielsweise damit die kantonale Behörde den Eintrag im RIPOL löschen kann oder die Modalitäten der Ausreise (Reiseroute und Fluggesellschaft) angepasst werden können. Deshalb müssen die Ergebnisse dieser Abfragen verfügbar sein, und es muss ersichtlich sein, wann und durch wen diese erfolgt sind.

Bst. j Die Informationen zu den Festhaltungen ausländischer Personen sind wichtig, denn sie haben einen Einfluss auf die Dauer der Massnahmen (beispielsweise zur Beschaffung eines Reisedokuments), auf das Datum des Flugs oder auf die Beurteilung der Risiken und allfälliger Begleitmassnahmen. Hier geht es um den Ort, die Dauer und die Art der laufenden Haft. Die Festhaltungen gemäss Artikel 73 und 75­78 AuG sind ebenso betroffen wie neu die Strafhaft, einschliesslich der Untersuchungshaft. Diese Daten sind von den kantonalen Migrationsbehörden zu erfassen (Art. 15a VVWA).

Bst. k Die Verhaltensmerkmale der betreffenden Person werden für die Organisation der Ausreise auf dem Luftweg benötigt. Sie beziehen sich auf alle Arten der Wegweisung und die freiwillige Rückkehr.

Diese Daten sind wichtig, um die Rückkehr der betreffenden Person bestmöglich vorzubereiten. So wird beispielsweise der gewalttätige, depressive oder verletztliche Charakter dieser Person angezeigt.

Bei begleiteten Flügen
oder gar Sonderflügen werden zusätzliche Informationen betreffend die Kooperation oder Nichtkooperation der ausländischen Person oder die Zwangsmassnahmen, die während des Flugs allenfalls verordnet werden können und diejenigen, die effektiv verordnet worden sind, aufgeführt. Der Zugang zu diesen Informationen ist auf die für den Fall zuständigen Behörden beschränkt.

102

Vgl. Botschaft vom 3. September 2014 zur Änderung des Asylgesetzes (Neustrukturierung des Asylbereichs), BBl 2014 7991.

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Bst. l Im eRetour werden der Abgangs-, Transit- und Ankunftsflughafen, das Flugdatum und die Abflugzeit sowie der Name der Fluggesellschaft angezeigt.

Bst. m Das Informationssystem eRetour enthält namentlich das Datum, den Ort und die Dauer der durchgeführten Begleitungen (Eskorten) im Hinblick auf eine zentrale Befragung, eine Überstellung zum Flughafen oder eine Wegweisung, eine Ausweisung nach dem AuG oder eine strafrechtliche Landesverweisung. Die Identität der Begleitperson, ihre Funktion sowie die Beschaffung von Visa und Impfungen, die für die Begleitung erforderlich sind, werden ebenfalls im System erfasst. Diese Daten sind für eine effiziente Organisation und Durchführung der Ausreise unbedingt erforderlich.

Bst. n Verschiedene im System erfasste Datenarten ermöglichen die Erstellung einer Abrechnung durch den zuständigen Kanton im Hinblick auf die Kostenrückerstattung durch den Bund (Art. 92 AsylG und Art. 54­59 AsylV 2). Es handelt sich insbesondere um Daten zur Rückkehrhilfe (Bst. e), zur Feststellung der Identität und zur Beschaffung von Reisedokumenten (Bst. f) sowie zur Begleitung (Bst. m). Das System muss auch die Kostenabrechnungen betreffend die Massnahmen zur Administrativhaft gemäss Artikel 75­78 AuG, die von den Kantonen angeordnet wird und für die eine Tagespauschale gemäss Artikel 82 AuG vorgesehen ist, enthalten.

Zu dieser Datenkategorie gehört die Rückerstattung der Ausreisekosten durch die Kantone an das SEM (Art. 13 VVWA).

Abs. 3 Die in Absatz 2 Buchstaben a­c und j aufgeführten Personendaten stammen aus dem ZEMIS, sofern sie dort vorhanden sind, und können im eRetour während des Rückkehrprozesses aktualisiert werden. Falls nötig, werden sie im ZEMIS übernommen.

Die Aktualität der Daten im ZEMIS ist somit gewährleistet. Hier geht es um den Namen und Vornamen, das Geburtsdatum, die Staatsangehörigkeit, den Zivilstand, die Identitätsausweise oder die Daten betreffend die Haft.

Die Daten betreffend die Haft nach den Artikeln 73 und 75­78 AuG sind im eRetour im Abfragemodus verfügbar. Die übrigen Haftarten werden direkt im eRetour erfasst.

Abs. 4 Absatz 4 entspricht den Anforderungen in Bezug auf die Informationspflicht von Artikel 7a des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992103 über den Datenschutz und von Artikel 10 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 24. Oktober 1995104 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutzrichtlinie). Das SEM 103 104

SR 235.1 ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

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informiert die Personen, deren Daten erfasst werden, über den Zweck der Bearbeitung dieser Daten, die Datenkategorien und die Datenempfänger.

Art. 109h

Datenbearbeitung

Dieser Artikel regelt den Zugang zum neuen Informationssystem. Für jede zugriffsberechtigte Behörde werden die Kategorie der verfügbaren Daten und der Zweck des Zugriffs festgelegt. Die Einzelheiten, insbesondere die Unterscheidung zwischen Bearbeitung und Abfrage von Daten, werden auf Verordnungsstufe geregelt.

Bst. a­d Der Bund unterstützt die Kantone, die mit dem Vollzug der Wegweisung, der Ausweisung im Sinne dieses Gesetzes oder der Landesverweisung nach den Artikeln 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG (Art. 71 AuG) betraut sind (Art. 71 AuG). Das Informationssystem eRetour ist so ausgestaltet, dass diese Unterstützungsfunktion nicht nur den Mitarbeitenden des SEM zugutekommt, sondern auch den kantonalen Migrationsbehörden, einschliesslich der mit der Rückkehrberatung und -hilfe beauftragten Stellen. Die betroffenen kantonalen Polizeibehörden müssen die im System erfassten Daten für ihre Aufgaben im Zusammenhang mit der Ausreise der Ausländerinnen und Ausländer ebenfalls bearbeiten können.

Diese vier Kategorien von Behörden (Bst. a­d) werden alle Unterstützungsanträge an das SEM (Beschaffung von Dokumenten, Rückkehrhilfe, Ausreiseorganisation oder Kostenrückerstattung) direkt im eRetour erfassen und können ­ über den elektronischen Arbeitsprozess ­ den Stand der Fallbearbeitung verfolgen. Deshalb ist für diese Behörden ein Zugang zum System im gesetzlich festgelegten Rahmen unerlässlich.

Bst. e Die mit der Wegweisung betrauten Stellen der kantonalen Polizeibehörden müssen die Begleitung der ausreisepflichtigen Personen gewährleisten. Die Begleitung erfolgt in der Schweiz oder im Ausland auf Linien- oder Sonderflügen. Diese Stellen geben im eRetour das Personal an, das die Begleitung sicherstellt. Dafür wurde ein beschränkter Zugang zu den massgebenden Daten im eRetour vorgesehen.

Bst. f Das SEM kann mit den zuständigen Behörden der Standortkantone von internationalen Flughäfen oder Dritten insbesondere im Rahmen der Ausreisekontrolle Vereinbarungen über die Führung des Betriebs am Flughafen abschliessen (Art. 11 Abs. 2 VVWA). Während an den Flughäfen Zürich und Genf der Empfang und die polizeiliche Zuführung von weg- oder auszuweisenden Personen durch die kantonale Flughafenpolizei erfolgt, wird diese Aufgabe am Flughafen Basel-Mulhouse durch das Grenzwachtkorps (GWK)
sichergestellt nach Artikel 23 Absatz 2 VEV und Artikel 97ZG. Deshalb ist für diese Instanz sowie für jede andere Behörde, die diese gesetzlichen Aufgaben durchführt, ein Zugang zum Informationssystem erforderlich.

Das GWK stellt ebenfalls die Übergaben auf dem Landweg von Personen mit unbefugtem Aufenthalt in Anwendung der Rückübernahmeabkommen sicher, und muss auf das eRetour zugreifen können.

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Bst. g Vom SEM oder einer kantonalen Migrationsbehörde beauftragte Dritte im Sinne von Artikel 93 Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 3 AsylG oder Artikel 71a Buchstabe b AuG müssen ebenfalls Daten im eRetour bearbeiten können. Sie benötigen einen Zugang, der auf die für ihre Arbeit erforderlichen Informationen beschränkt ist.

Die Kategorien von beauftragten Dritten und die Art der übertragenen Aufgaben sind in Artikel 109i E-AuG beschrieben.

Art. 109i

Beauftragte Dritte

Dieser Artikel regelt den Zugriff von beauftragten Dritten auf das neue Informationssystem eRetour.

Abs. 1 Dieser Absatz bestimmt, welche Dritte von den Kantonen und vom SEM mit bestimmten Aufgaben im Rückkehrbereich beauftragt werden können.

Beauftragung gestützt auf Art. 93 AsylG Die Internationale Organisation für Migration (IOM) unterstützt das SEM bei der Umsetzung von Programmen im Ausland zur Erleichterung der Rückkehr und der Wiedereingliederung von Personen, welche die Schweiz verlassen haben (Art. 93 Abs. 1 Bst. c AsylG). Überdies organisiert die IOM in Zusammenarbeit mit dem Flughafendienst des SEM die Rückkehr und Begleitung von verletzlichen Personen.

Um die Ausreise von verletzlichen Personen vorbereiten zu können und die Betreuung von Personen, die Rückkehrhilfe erhalten haben, nach ihrer Rückkehr in das Herkunftsland oder in einen Drittstaat sicherzustellen, ist ein beschränkter Zugang zum System vorgesehen.

Auf kantonaler Ebene finanziert das SEM namentlich die Rückkehrberatungsstellen (Art. 93 Abs. 1 Bst. a AsylG). In 17 Kantonen sind diese Beratungsstellen einer kantonalen Behörde angegliedert, beispielsweise dem Migrationsamt oder der Sozialdirektion. Neun Kantone haben diese Aufgabe an Dritte übertragen, beispielsweise an das Schweizerische Rote Kreuz oder die Caritas. Bei einer solchen Übertragung muss den Dritten deshalb Zugang zu den Personendaten und zu den Verfahrensphasen gewährt werden, damit sie ihre Beratungsaufgaben wahrnehmen können (Art. 67 Abs. 1 und 2 AsylV 2). Ein Zugang muss ihnen auch ermöglichen, die verschiedenen Antragsarten (Gewährung von Rückkehrhilfe, Identifikation, Reiseorganisation oder Rückerstattung von Reisekosten) in elektronischer Form zu erfassen und an das SEM zu übermitteln.

Zudem kann das SEM im Rahmen der Rückkehrhilfe (Art. 93 Abs. 3 AsylG) mit internationalen Organisationen zusammenarbeiten. Die Aktivitäten im Zusammenhang mit der Rückkehrberatung und -hilfe in den Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes und an den Flughäfen Zürich-Kloten und Genf-Cointrin wurden vom SEM nach Artikel 67 Absatz 3 AsylV 2 an die IOM übertragen. Deshalb müssen die in den Empfangs- und Verfahrenszentren tätigen Rückkehrberaterinnen und -berater über einen Zugang zum neuen System verfügen, damit sie die Beratungsfälle und die

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Anträge auf Rückkehrhilfe sowie die Meldungen im Hinblick auf die Ausreiseorganisation erfassen können.

Beauftragung gestützt auf Art. 71 Bst. b AuG Um einen reibungslosen Vollzug der Wegweisung, der Ausweisung nach dem AuG oder der strafrechtlichen Landesverweisung sicherzustellen, betreibt das SEM einen Flughafendienst, der namentlich Aufgaben zur Vorbereitung der Ausreise (Art. 71 Bst. b AuG und Art. 11 Abs. 1 und 2 VVWA) ausführt. Bei den beauftragten Dritten handelt es sich um den Reisedienst des EDA, der die Flugreservationen vornimmt (Art. 5 VVWA), die Flughafenpolizei und andere Bodenorganisationen (Zürich, Genf und Bern) oder externe Unternehmen im Sinne von Artikel 11 Absatz 2 VVWA.

Diese Aufgaben bedingen einen Zugang zu spezifischen Informationen, die für die Vorbereitung der Ausreise erforderlich sind ­ beispielsweise die Flugdaten, die vorhandenen Identitätsdokumente, die Arten der individuellen Leistungen (einschliesslich Rückkehrhilfe, Reisegeld) oder die Bereitstellung von Hilfsmitteln (z. B.

Rollstuhl). Deshalb ist ein Zugang für diese Dritte zum neuen System, der auf die massgeblichen Daten beschränkt ist, erforderlich.

Das SEM stellt falls nötig die medizinische Begleitung sowohl im Rahmen eines Sonderflugs als auch auf Linienflügen sicher (Art. 71 Bst. b AuG und Art. 11 Abs. 4 VVWA). Damit die vom SEM beauftragten medizinischen Fachpersonen die Transportfähigkeit der Personen, welche die Schweiz verlassen müssen, beurteilen können, ist ein beschränkter Zugang zum System erforderlich. Die beauftragten medizinischen Fachpersonen können das Ergebnis ihrer Untersuchung direkt im System eingeben und, auf Wunsch des SEM, die für den jeweiligen Flug vorgesehenen Begleitpersonen erfassen.

Abs. 2 Das SEM kann beauftragten Dritten nach Absatz 1 Zugriff auf die zur Erfüllung ihres Auftrags notwendigen Daten des eRetour gewähren.

Hierbei handelt es sich um Aufgaben im Zusammenhang mit der Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe (Art. 93 AsylG), die Vorbereitung der Ausreise am Flughafen sowie die Abklärung der Transportfähigkeit der betreffenden Person und die Bestimmung der medizinischen Begleitung (Rückreiseorganisation; Art. 71 Bst. b AuG).

Abs. 3 Wenn das SEM über ein Abrufverfahren Dritten Zugang zum Informationsystem eRetour gewährt, muss es sicherstellen, dass diese die Vorschriften
zum Datenschutz und zur Informatiksicherheit einhalten. Das SEM haftet für Schäden, welche die mit der Datenbearbeitung beauftragten Dritten verursachen, und zwar unabhängig von deren Verschulden.

Abs. 4 Der Bundesrat bestimmt auf Verordnungsstufe, auf welche Daten Dritte Zugriff haben.

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Art. 109j

Überwachung und Vollzug

Dieser Artikel regelt die Kompetenzen des SEM bzw. des Bundesrats in Bezug auf das neue Informationssystem für die Durchführung der Rückkehr. Die Einzelheiten werden auf Verordnungsstufe geregelt.

Abs. 1 Wenn das SEM im Rahmen der Ausführung seiner gesetzlichen Aufgaben Personendaten im neuen Informationssystem bearbeitet oder durch Dritte bearbeiten lässt, ist es für die Sicherheit und die Rechtmässigkeit der Datenbearbeitung verantwortlich. Das SEM muss insbesondere die für die Datensicherheit erforderlichen Massnahmen treffen und seine Aufsichtspflicht in Bezug auf die Datenbearbeitung durch Dritte wahrnehmen.

Abs. 2 In diesem Absatz sind die Bereiche aufgeführt, die in die Zuständigkeit des Bundesrats fallen.

Art. 111 Dieser Artikel (Informationssysteme für Reisedokumente) wird aufgehoben, da das ISR-System aufgehoben wird und die Daten zu den Reisedokumenten für Ausländerinnen und Ausländer im ZEMIS erfasst werden (vgl. Ziff. 1.4.1).

Art. 115 Abs. 4 Grundlage für diese Änderung bildet die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur strafrechtlichen Verfolgung wegen illegalem Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern, die sich in einem hängigen Wegweisungsverfahren befinden.105 Diese Rechtsprechung des Bundesgerichts orientiert sich ihrerseits an der Rechtsprechung des EuGH zur Rückführungsrichtlinie106 (vgl. Ziff. 2.7). Gemäss dieser steht die «Rückführungsrichtlinie nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen gegen sich illegal aufhaltende Drittstaatsangehörige während des Rückkehrverfahrens eine Freiheitsstrafe wegen des illegalen Aufenthalts verhängt werden kann». Ein hängiges Wegweisungsverfahren dürfe nicht durch die Verhängung und den Vollzug von Freiheitsstrafen einzig wegen illegalem Aufenthalt behindert werden. Das Wegweisungsverfahren soll gegenüber einem allfälligen Strafverfahren wegen illegalem Aufenthalt Vorrang haben. Der EuGH weist zudem darauf hin, dass Freiheitsstrafen wegen illegalem Aufenthalt dann verhängt werden dürfen, «wenn Zwangsmassnahmen es zuvor nicht ermöglicht haben, einen illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen abzuschieben».107 Die Verhängung einer Busse oder die Bestrafung mit einer Geldstrafe wegen illegalem Aufenthalt bleibt weiterhin möglich. Im Vergleich zur geltenden Bestimmung erlaubt der Änderungsvorschlag zu Artikel 115 Absatz 4 E-AuG den Vorrang des Vollzugs der Wegweisung vor einer Freiheitsstrafe (wegen illegalem Aufenthalt) im Sinne der geltenden Rechtsprechung des BGer und des 105 106 107

Bundesgerichtsurteil 6B 196/2012 vom 24.01.2013.

ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98­107, Ziff. 1.2.7.

Vgl. EuGH, Rechtssachen C-329/11 (Achughbabian) und C-61/11 PPU (El Dridi).

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EuGH nicht nur dann, wenn der Vollzug einer Wegweisung sofort möglich ist, sondern solange ein hängiges Wegweisungsverfahren besteht oder wenn ein solches Verfahren in Anwendung der Rückführungsrichtlinie eröffnet werden muss. Wenn das Wegweisungsverfahren aufgrund des Verhaltens der betroffenen Person scheitert und diese erneut aufgegriffen wird, kann eine entsprechende Freiheitsstrafe wegen illegalem Aufenthalt verhängt und vollzogen werden. Auf der Grundlage eines Urteil des EuGH vom 1. Oktober 2015 ist die Anordnung und der Vollzug einer Freiheitsstrafe zudem auch dann zulässig, wenn die betroffene Person nach einer im Rahmen eines früheren Wegweisungsverfahrens erfolgten Rückkehr unter Verletzung eines Einreiseverbots erneut in die Schweiz eingereist ist.108 Strafverfahren während eines Wegweisungsverfahrens auf der Grundlage anderer Straftatbestände bleiben von dieser Bestimmung jedoch ausgenommen.

Verhältnis zur Landesverweisung Die Landesverweisung ist von dieser Bestimmung nicht erfasst. Das mögliche Absehen von einer Strafverfolgung, dem Vollzug einer Strafe usw. bezieht sich nur auf das Wegweisungs- oder Ausweisungsverfahren und nur auf die in Artikel 115 Absatz 1 AuG erwähnten Straftatbestände (mit Ausnahme der nicht bewilligten Erwerbstätigkeit). Reist eine Person trotz einer noch bestehenden Landesverweisung ein, könnte man zwar im Rahmen eines allfälligen Wegweisungsverfahrens auf der Grundlage dieser Bestimmung von einem Strafverfahren wegen der Verletzung der Einreisevorschriften usw. absehen, nicht jedoch von einem Strafverfahren auf der Grundlage von Artikel 291 StGB (Verweisungsbruch).

3.2

Bestimmungen des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998109

Art. 61 Abs. 1 Am 20. März 2015 hat das Parlament die Änderung des StGB und des MStG zur Umsetzung von Artikel 121 Absätze 3­6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer verabschiedet.110 Die neuen Gesetzesbestimmungen sind auf den 1. Oktober 2016 in Kraft getreten. Die entsprechenden Verordnungen wurden angepasst oder ergänzt und sind am 1. März 2017 in Kraft getreten.

Im Rahmen der Ausarbeitung der Verordnung über die Einführung der Landesverweisung wurde unter anderem im Vernehmlassungsverfahren vorgeschlagen, dass Flüchtlingen, die mit einer rechtskräftigen, aber nicht vollziehbaren Landesverweisung belegt sind, die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit eingeräumt werden soll (vgl.

Artikel 65 E-VZAE).111

108 109 110 111

Vgl. EuGH, Rechtssache C-290-14 (Celaj).

SR 142.31 BBl 2015 2735 Bericht unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2016 > Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement.

1753

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Im Rahmen dieser Vernehmlassung wurde unter anderem geltend gemacht, dass Artikel 61 AsylG angepasst werden sollte, wenn gemäss Artikel 65 VZAE Flüchtlingen, die mit einer rechtskräftigen, aber nicht vollziehbaren Landesverweisung belegt sind, die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit eingeräumt werden soll. Der Bundesrat hat diesen Einwand geteilt und auf die vorgeschlagene Regelung in Artikel 65 VZAE im Rahmen der Verordnungen über die Einführung einer Landesverweisung verzichtet. Es ist jedoch sinnvoll und wichtig, dass auch Flüchtlinge mit einer rechtskräftigen, aber nicht vollziehbaren Landesverweisung einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, da diese Personen voraussichtlich für eine längere Zeit in der Schweiz verbleiben werden. Die Möglichkeit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit kann zu einer finanziellen Entlastung des Bundes und der Kantone führen, da Flüchtlinge, die mit einer Landesverweisung belegt sind, Sozialhilfe erhalten (vgl.

Art. 86 AuG). Auch vor diesem Hintergrund und insbesondere im Interesse der Kantone ist es sinnvoll, die Erwerbstätigkeit für diesen Personenkreis zuzulassen.

Eine deutliche Mehrheit der Kantone sowie die KKJPD haben im Rahmen der Vernehmlassung zur Verordnung über die Einführung der Landesverweisung keinerlei Einwände gegen die vorgeschlagene Bestimmung geäussert. Ablehnend oder eher ablehnend äusserten sich jedoch die Kantone GR und LU sowie die SVP.

Vor diesem Hintergrund soll Artikel 61 AsylG dahingehend ergänzt werden, dass auch Flüchtlingen mit einer rechtskräftigen, aber nicht vollziehbaren Landesverweisung die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit eingeräumt werden soll.

Dieser Artikel trägt den Änderungen des AuG (Integration)112 Rechnung, die das Parlament am 16. Dezember 2016 verabschiedet hat.

Art. 63 Abs. 1bis Absatz 1bis erster Satz stellt eine lex specialis zu Absatz 1 Buchstabe b i. V. m.

Artikel 1 Buchstabe C Ziffer 1 FK dar und verankert die (widerlegbare) gesetzliche Vermutung, dass sich Flüchtlinge, die in den Heimat- oder Herkunftsstaat reisen, freiwillig im Sinne von Artikel 1 Buchstabe C Ziffer 1 FK wieder unter den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, gestellt haben. Folglich wird die Flüchtlingseigenschaft aberkannt, ausser wenn es der betroffenen Person gelingt, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen.

Nach der Rechtsprechung des BVGer wird die Inanspruchnahme des heimatstaatlichen Schutzes nur angenommen, wenn kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind113:

112 113

­

die Reise des Flüchtlings muss freiwillig geschehen, d. h. ohne äusseren Zwang;

­

es ist die Absicht vorhanden, heimatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen;

­

der Heimat- oder Herkunftsstaat gewährt diesen Schutz effektiv.

BBl 2016 8899 BVGE 2010/17

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Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird nach Praxis des BVGer die Flüchtlingseigenschaft aberkannt. Absatz 1bis zweiter Satz knüpft an diese drei Voraussetzungen an. Die betroffene Person muss also, um die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, alternativ darlegen: ­

dass die Reise in den Heimat- oder Herkunftsstaat aufgrund eines äusseren Zwangs erfolgte; ein solcher ist gemäss aktueller Rechtsprechung des BVGer beispielsweise dann gegeben, wenn eine Reise in den Heimatstaat unternommen wurde, um die schwer kranke Mutter zu besuchen;

­

dass keine Absicht bestand, sich unter den Schutz des Heimat- oder Herkunftsstaates zu stellen und eine solche Unterschutzstellung auch nicht in Kauf genommen wurde; gemäss Praxis des BVGer lassen etwa Urlaubs- und Vergnügungsreisen auf eine Inkaufnahme einer Unterschutzstellung schliessen;

­

dass ihr der Heimat- oder Herkunftsstaat keinen effektiven Schutz gewährt hat.

Weil die Vermutungsfolge sehr einschneidend ist (Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft) und weil in der Praxis mit grossen Beweisschwierigkeiten gerechnet werden muss (fehlende Verfügbarkeit von Beweisakten, Sachverhalt mit Auslandbezug und Beweisführung über negative Tatsachen), werden in Absatz 1bis zweiter Satz die Beweisanforderungen insofern reduziert, als eine Glaubhaftmachung genügt (vgl. so bereits in Bezug auf den Nachweis der Flüchtlingseigenschaft Art. 7 Abs. 1 und 2 AsylG). Das bedeutet ­ im Gegensatz zum strikten Beweis («Nachweis») ­, dass der Gegenbeweis dann gelingt, wenn die Behörde das Vorhandensein einer der erwähnten Voraussetzungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält.

Art. 99a Abs. 3 Bst. f und 4 Abs. 3 Bst. f Die Aufteilung von Asylsuchenden auf die Kantone gemäss festgelegtem Verteilschlüssel soll möglichst gleichmässig sein, auch hinsichtlich Personen, die medizinische Unterstützung benötigen. Je nach Schweregrad des medizinischen Bedürfnisses bedeutet die Aufnahme dieser Personen für die Kantone einen kosten- und betreuungsintensiven Aufwand.

Zur Einhaltung des Verteilschlüssels und der transparenten Auskunft gegenüber den Kantonen ist es wichtig zu wissen, wie viele Personen in einem bestimmten Zeitraum welche medizinische Unterstützung benötigen. Dazu wird vorgeschlagen, in den Informationssystemen MIDES und ZEMIS den Vermerk «Medizinalfall» zu verwenden. Der Verteilprozess wird somit effizienter gestaltet und ersetzt die manuellen Strichlisten durch schnellere Auswertungsmethoden.

In den Informationssystemen MIDES und ZEMIS werden Medizinalfälle in verschiedene Kategorien nach geschätztem Ressourcenaufwand aufgeteilt. Dies gewährleistet eine einheitliche Behandlung der Medizinalfälle sowie regelmässig aktualisierte und genaue Daten, insbesondere für die Kantone.

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Im Rahmen der Asyl-Neustrukturierung wurde entschieden, dass die ankommenden Gesuchstellerinnen und -steller bereits bei der Erstverteilung in die Asylregion gleichmässig gemäss folgenden Merkmalen verteilt werden: Nationalität (Herkunftsregion), Alter, Einzelperson oder Familie und offensichtlicher Medizinalfall. Die Erstverteilung auf die unterschiedlichen Verfahrensregionen wird künftig gemäss einem Verteilschlüssel erfolgen. Die entsprechenden Daten (Erstregistrierung) werden im MIDES abgebildet.Die Kategorie «Medizinalfall» muss aus diesem Grund auch im MIDES geführt werden können.

Abs. 4 Da die im MIDES enthaltene Fotografie der Asylsuchenden künftig ins ZEMIS übernommen wird, ist Artikel 99a Absatz 4 AsylG leicht anzupassen. Dieser hält fest, dass die Personendaten nach Absatz 3 Buchstabe c, das heisst die biometrischen Daten im MIDES, auch ins ZEMIS übernommen werden.

Art. 102f

Videoüberwachung

Der neue Artikel 102f regelt die Aufzeichnung und Verwendung von Video- und Tonaufnahmen, und insbesondere deren Aufbewahrung, im AsylG (vgl. Ziff. 2.14).

Aus Sicht des Datenschutzes fehlt eine formelle Gesetzesgrundlage zur Verwendung von Personendaten bei Video- und Tonaufzeichnungen (Videoüberwachung) in den vom SEM im Rahmen des Asylverfahrens geführten Gebäuden, einschliesslich der Empfangs- und Verfahrenszentren sowie der Bundeszentren. Bei der Platzierung der Videokameras wird die Privatsphäre sämtlicher Personen berücksichtigt. Ein Einsatz der Videokameras ist deshalb in Räumlichkeiten wie zum Beispiel Schlafräume, Nasszonen (Duschen, Waschräume, Toiletten usw.) strikt untersagt.

Die Videoüberwachung soll insbesondere die Sicherheit der Personen innerhalb und ausserhalb der vom SEM geführten Gebäude, insbesondere der Asylsuchenden, der Mitarbeitenden des SEM, der für die Betreuung zuständigen Mitarbeitenden und des Sicherheitspersonals gewährleisten. Die personellen Ressourcen im Sicherheitsbereich erlauben es nicht, dieses Ziel optimal zu erfüllen. Die Videoüberwachung stellt somit ein notwendiges und angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Ziels dar und entspricht dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Kommt es zu einer Straftat, können diese Aufzeichnungen zudem als Beweismittel vor einer Strafverfolgungsbehörde dienen, sofern sie massgeblich sind. Aufgrund von Artikel 31 StGB hat das Opfer eines Antragsdeliktes ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Täters drei Monate Zeit, um eine Anzeige einzureichen. Damit aus den Videoaufzeichnungen der grösstmögliche Nutzen gezogen werden kann, ist eine Speicherung der Daten für einen Zeitraum von mindestens vier Monaten zu definieren.

Der Personenkreis, der zur Sichtung der Aufzeichnungen berechtigt ist, setzt sich ausschliesslich aus den Sicherheitsverantwortlichen des SEM (Dienst Sicherheit und Betrieb) zusammen. Mit Sicherheitsaufgaben beauftragte Dritte (z. B. Securitas oder Abacon) sind nicht berechtigt, darauf zuzugreifen. Hingegen können im Rahmen einer administrativen Untersuchung nach Artikel 27a ff. RVOV) bei einer Diszipli-

1756

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naruntersuchung nach Artikel 98 der Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 2001114 innerhalb des SEM oder eines Strafverfahrens die zuständigen Vorgesetzten des Dienstes Sicherheit und Betrieb die Aufzeichnungen ansehen.

Eine Delegationsnorm an den Bundesrat ist vorgesehen, um die Modalitäten der Videoüberwachung zu regeln. Er bestimmt insbesondere die vom SEM geführten Gebäude und die Teile dieser Gebäude, in denen die Videoüberwachung eingesetzt wird. Der Bundesrat ist ebenfalls berechtigt, die Modalitäten der Übermittlung von Personendaten an die Strafverfolgungsbehörden sowie die technischen Massnahmen, welche die Aufzeichnung und Vernichtung dieser Daten ermöglichen, festzulegen.

Und schliesslich legt der Bundesrat fest, dass auf die Videoüberwachung aufmerksam gemacht werden muss.

3.3

Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003115 über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich

Das Projekt eRetour hat zum Ziel, eine IT-unterstützte Prozesssteuerung für die Rückkehr sowohl im Asyl- als auch im Ausländerbereich zu realisieren.

Das Projekt eAsyl hat zum Ziel, ein elektronisches Dossier (e-Dossier) zur Verfügung zu stellen, um die Abwicklung der Asylverfahren des SEM zu unterstützen.

Mitte 2014 konnte im Verfahrenszentrum Zürich (Testbetrieb) erfolgreich ein e-Dossier-System eingeführt werden, welches nun weiterentwickelt wird.

Diese verschiedenen Projekte erfordern die Erfassung neuer digitaler Daten im ZEMIS und die Schaffung eines neuen Zugangs zu diesen Daten (vgl. Ziff. 2.15).

Das BGIAA ist entsprechend anzupassen.

Art. 3 Abs. 2 Bst. b und 3 Bst. b Aufgrund der Aufhebung des ISR-Systems (vgl. Ziff. 1.4.1) muss der Verwendungszweck des ZEMIS auf Aufgaben im Zusammenhang mit der Ausstellung von schweizerischen Reisedokumenten und von Bewilligungen zur Wiedereinreise für ausländische Staatsangehörige aus dem Ausländerbereich (Abs. 2 Bst. b) und aus dem Asylbereich (Abs. 3 Bst. b) ausgeweitet werden. Diese Aufgaben entsprechen jeden von Artikel 111 Absatz 1 AuG, der aufgehoben werden soll.

Art. 4 Abs. 1 Bst. abis und e­g Bst. abis Die Unterschrift wird neu im BGIAA als biometrisches Datenelement definiert. Sie wird im ZEMIS erfasst, insbesondere im Rahmen der Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Reisedokumenten für Ausländerinnen und Ausländer.

114 115

SR 172.220.111.3 SR 142.51

1757

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Bst. e Die heute im Rahmen von Asylverfahren erstellten Audiodaten (z. B. Sprachgutachten) sollen aus Effizienzgründen (schnelle Zugriffe, keine physischen Datenträger) künftig ebenfalls im ZEMIS für die Mitarbeitenden des SEM verfügbar sein.

Bst. f Der Vermerk «Medizinalfall» wird im ZEMIS und im MIDES erfasst, damit die Asylsuchenden besser auf die Kantone verteilt werden können. Diesbezüglich wird auf die obigen Erläuterungen zu Artikel 99a Absatz 3 Buchstabe f verwiesen.

Bst. g Aufgrund der Aufhebung des ISR-Systems (vgl. Ziff. 1.4.1) müssen besonders schützenswerte Daten, wozu die besonderen Kennzeichen (Behinderungen, Prothesen oder Implantate) gehören, im Gesetz aufgeführt werden.

Alle Daten, die zur Ausstellung von Reisedokumenten oder von Aufenthaltsbewilligungen für Ausländerinnen und Ausländer erforderlich sind (vgl. Art. 111 Abs. 2 AuG), können gestützt auf Artikel 4 BGIAA bereits heute im ZEMIS erfasst werden; dies geschieht vorbehaltlich der besonderen Kennzeichen, weshalb diese Änderung erfolgt.

Art. 7 Abs. 1 Das SEM bearbeitet künftig im ZEMIS die Daten der Reisedokumente für ausländische Personen zusammen mit den Behörden, die für die Ausstellung dieser Reisedokumente im Ausländerbereich (neuer Verweis auf Bst. m­o) und im Asylbereich (neuer Verweis auf Bst. l­n) zuständig sind. Diese Anpassung ist auf die Aufhebung des ISR-Systems zurückzuführen sowie darauf, dass die Daten zu den Reisedokumenten für ausländische Personen neu im ZEMIS erfasst werden (vgl. Ziff. 1.4.1).

Art. 7a

Biometrische Daten

Dieser Artikel wurde nach der Vernehmlassung vollständig umformuliert (vgl. auch Ziff. 1.4.1).

Abs. 1 Dieser Absatz bestimmt die Behörden, die im Rahmen ihrer Aufgaben biometrische Daten (Fotografie, Fingerabdrücke und Unterschrift) direkt ins ZEMIS eingeben können.

Die Aufgaben, die die Erfassung von biometrischen Daten im ZEMIS rechtfertigen, sind namentlich: ­

Für das SEM (Bst. a): Erfassung der Fotografie im Rahmen des Asylverfahrens (Art. 98b und 99a Abs. 3 Bst. c AsylG).

Dieser Buchstabe entspricht dem geltenden Artikel 7a Absatz 1 Buchstabe a AuG.

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­

Für Dritte, die vom SEM mit der Feststellung der Identität von asylsuchenden oder schutzbedürftigen Personen in den Empfangs- und Verfahrenszentren betraut sind (Bst. b): Bestimmte Aufgaben des SEM können an Dritte übertragen werden; diese müssen deshalb biometrische Daten im ZEMIS erfassen können.

­

Für die Ausweise ausstellenden Behörden (Bst. c): Die Erfassung der Fotografie, der Fingerabdrücke und der Unterschrift im Rahmen der Ausstellung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige (Art. 102a E-AuG). Ab 2019 wird gestützt auf Artikel 102a AuG von allen Ausländerinnen und Ausländern, einschliesslich EU/EFTA-Bürgerinnen und -Bürgern, eine Fotografie im ZEMIS erfasst, damit Aufenthaltstitel im Kreditkartenformat ausgestellt werden können.

Dieser Buchstabe entspricht dem geltenden Artikel 7a Absatz 1 Buchstabe b AuG.

­

Für die Behörden, die vom SEM mit der Erfassung der biometrischen Elemente im Zusammenhang mit Reisedokumenten betraut sind (Bst. d): Die Erfassung der Fotografie, der Fingerabdrücke und der Unterschrift im Rahmen der Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Staatsangehörige (Art. 59 E-AuG).

Dieser Buchstabe ersetzt den geltenden Artikel 111 Absatz 5 Buchstabe e AuG.

­

Für die kantonalen Migrationsbehörden (Bst. e): Im Rahmen der Rückkehrverfahren (Wegweisung oder Landesverweisung nach dem AuG oder dem AsylG) müssen diese Behörden falls nötig für den Vollzug der Wegweisung oder der Landesverweisung die Fotografie und die Fingerabdrücke der betreffenden Personen erfassen können (Art. 69 Abs. 1 AuG).

Abs. 2 Dieser Absatz ermöglicht es, die Erfassung biometrischer Daten im ZEMIS und deren Übermittlung an die mit der Ausfertigung der Ausweise und Reisedokumente betraute Stelle teilweise oder ganz Dritten zu übertragen.

Er entspricht dem geltenden Artikel 7a Absatz 2 BGIAA, findet aber wegen der geplanten Aufhebung des ISR-Systems neu auf Reisedokumente Anwendung.

Abs. 3 Dieser Absatz bestimmt die Behörden, die im Rahmen ihrer Aufgaben die biometrischen Daten (Fotografie, Fingerabdrücke und Unterschrift) im ZEMIS abfragen oder bearbeiten können.

Die Aufgaben, die den Zugang zu den biometrischen Daten im ZEMIS rechtfertigen, sind namentlich: ­

Für das SEM (Bst. a): Im Rahmen der Asylverfahren die EVZ, die heute die Fotografie zur Identifikation der Asylsuchenden und zur Ausstellung von Laissez-passer im Hinblick auf die Ausreise oder den Transfer von Asylsuchenden von einem Zentrum in ein anderes oder in die Kantone verwenden.

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Im Rahmen der Rückkehrverfahren (Wegweisung oder Landesverweisung nach dem AuG oder dem AsylG) erleichtert die Verwendung der Fotografien die Identifikation der betreffenden Personen sowie die Ausstellung von Dokumenten wie Laissez-passer oder Rückübernahmegesuche.

­

Für Dritte, die vom SEM mit der Feststellung der Identität von asylsuchenden oder schutzbedürftigen Personen in den Empfangs- und Verfahrenszentren betraut sind (Bst. b): Das Sicherheitspersonal der Bundesverfahrenszentren muss zur Identifikation der Asylsuchenden auf die Fotografie im ZEMIS zugreifen können.

Dies entspricht auch der IBM-Strategie (Integrated Border Management) des EJPD.

­

Für die Ausweise ausstellenden Behörden (Bst. c): Dieser Buchstabe entspricht dem geltenden Artikel 7a Absatz 3 Buchstabe b, findet aber wegen der geplanten Aufhebung des ISR-Systems neu auf Reisedokumente Anwendung. Er ermöglicht die Bearbeitung der Fotografie, der Fingerabdrücke und der Unterschrift.

­

Für die Migrationsbehörden (Bst. d): Im Rahmen der Rückkehrverfahren (Wegweisung oder Landesverweisung nach dem AuG oder dem AsylG) müssen diese Behörden für den Vollzug der Wegweisung oder der Landesverweisung Zugriff auf die Fotografie der betreffenden Personen haben (Art. 69 Abs. 1 AuG).

­

Für das GWK (Bst. e), die kantonalen und kommunalen Polizeibehörden (Bst. f), das SIRENE-Büro von fedpol (Bst. g) und den NDB (Bst. h): Diese Behörden müssen auf die Fotografien zugreifen können, um Ausländerinnen und Ausländer, die sich unter bestimmten Bedingungen in der Schweiz aufhalten, zu identifizieren.

Die kantonalen und kommunalen Polizeibehörden sowie das GWK (Art. 23 Abs. 2 VEV und Art. 97 des ZG) können insbesondere den rechtmässigen Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz überprüfen.

Das SIRENE-Büro ist die Anlaufstelle der Schweiz für alle SchengenStaaten im Rahmen ihrer Aufgaben zur Identifikation der im SIS erfassten Personen und Sachen. Der NDB muss auf diese Daten zugreifen können, um insbesondere einer Bedrohung der inneren oder äusseren Sicherheit durch Terrorismus vorzubeugen. Nur ein Online-Zugang zu den Fotografien ermöglicht es diesen Behörden, die bereits auf das ZEMIS zugreifen können, ihre gesetzlichen Aufgaben angemessen zu erfüllen.

Dies entspricht auch der IBM-Strategie (Integrated Border Management) des EJPD.

Das SIRENE-Büro Schweiz hat neu Zugriff auf die biometrischen Daten der Reisedokumente (vgl. Ziff. 2.12.1).

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Abs. 4 Dieser Absatz wird mit den Reisedokumente ergänzt, weil zukünftig die Daten der Reisedokumente im ZEMIS erfasst werden (Aufhebung des ISR-Systems; vgl.

Ziff. 1.4.1).

Abs. 5 Weil die Liste der Fälle in Sachen Amtshilfe in diesem Absatz sehr beschränkt ist, konnten zahlreiche Gesuchen (z. B. von fedpol oder der NDB) in Bezug auf die biometrischen Daten von Aufenthaltstiteln nicht angemessen bearbeitet werden.

Deshalb ist dieser Absatz aufzuheben. Infolge dieser Aufhebung kommen die allgemeinen Regeln der Amtshilfe zur Anwendung, wobei die im Datenschutzgesetz festgelegten Kriterien einzuhalten sind (vgl. Art. 19 DSG).

Art. 8a

Übermittlung von Daten an das Informationssystem für die Durchführung der Rückkehr

Mit Artikel 8a E-BGIAA soll eine Bestimmung eingeführt werden, die es ermöglicht, klar anzugeben, welche Daten im ZEMIS automatisch in das Informationssystem für die Durchführung der Rückkehr gemäss Artikel 109f E-AuG übermittelt werden.

Art. 9 Abs. 1 Bst. m­o und 2 Bst. m­o Der Kreis der datenzugriffsberechtigen Behörden und Stellen muss im Rahmen der Übertragung von Artikel 111 AuG ins BGIAA erweitert werden. Die Behörden gemäss Artikel 111 Absatz 5 Buchstaben b und c AuG (die Grenzwachtposten der Polizeibehörden der Kantone und die Grenzwachtkorps für die Durchführung der Personenkontrolle [Bst. b] sowie die von den Kantonen bezeichneten Polizeistellen zur Identifikationsabklärung und zur Aufnahme von Meldungen verlorener Reisedokumente [Bst. c]) haben gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben a und e BGIAA bereits heute Zugang zu den ZEMIS-Daten. Die Behörden und Stellen gemäss Artikel 111 Absatz 5 Buchstaben a, d und e AuG müssen neu in Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben m, n und o bzw. Absatz 2 Buchstaben m, n und o BGIAA aufgenommen werden.

3.4

Entsendegesetz vom 8. Oktober 1999116

Art. 2 Abs. 3 und 5 zweiter Satz Nach Absatz 3 erster Satz müssen die Arbeitgeber den entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die im Zusammenhang mit der Entsendung entstandenen Auslagen wie jene für Reise, Verpflegung und Unterkunft ersetzen. Mit dieser Präzisierung wird keine materielle Änderung in der Abgrenzung zwischen Lohnbestandteil und Auslagenersatz gemäss dem bisherigen Absatz 3 bewirkt. Diese Ab116

SR 823.20

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grenzung auf Gesetzesebene ist beizubehalten. Absatz 3 zweiter Satz legt fest, dass die Entschädigungen nicht als Lohnbestandteil gelten. Damit wird auch festgelegt, dass die übrigen Entsendeentschädigungen, die nicht dem Ersatz der Auslagen dienen, als Lohnbestandteil angerechnet werden.

Die Spesentragungspflicht wurde bisher implizit auf den geltenden Artikel 2 Absatz 3 EntsG gestützt. Sie wird nun explizit im Entsendegesetz verankert, um rechtliche Unklarheiten in diesem Bereich aufzuheben. Zudem soll der Bundesrat in Absatz 5 zweiter Satz die Kompetenz erhalten, die Spesentragungspflicht bei langfristigen Entsendungen in ihrer Dauer zu begrenzen (Ziff. 2.5). Die Regelung der Spesentragungspflicht im AuG (Art. 22 E-AuG) und im EntsG ist identisch; sie wird auf Verordnungsstufe konkretisiert.

3.5

Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946117 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung

Art. 50a Abs. 1 Bst. e Ziff. 8 Artikel 97 Absatz 2 AuG regelt die Pflicht der Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden, den Ausländerbehörden auf Verlangen die zur Anwendung des AuG notwendigen Daten und Informationen bekannt zu geben.

Nach herrschender Lehre118 sind die in den Sozialversicherungsgesetzen enthaltenen Datenschutznormen massgebend. Gemäss dem Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000119 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) haben Personen, die an der Durchführung der Sozialversicherungsgesetze beteiligt sind, gegenüber Dritten Verschwiegenheit zu bewahren (Art. 33 ATSG).

In Abweichung von diesem Artikel sieht Artikel 50a AHVG ­ auf den Artikel 66a des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959120 über die Invalidenversicherung und Artikel 26 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2006121 über die Ergänzungsleistungen (ELG) verweisen ­ Ausnahmen vor, insbesondere wenn die betroffene Person schriftlich eingewilligt hat (Abs. 4 Bst. b). Diese Bestimmung ist eine spezielle Rechtsnorm von Artikel 97 Absatz 2 AuG und geht diesem vor. Deshalb darf, wenn keine Einwilligung vorliegt, die Datenbekanntgabe in Einzelfällen und auf schriftliches und begründetes Gesuch hin erfolgen (Art. 50a Abs. 1 Bst. e AHVG). Jedoch 117 118

SR 831.10 Mund, Claudia, Kommentar zu Art. 97 AuG, in: Caroni/Gächter/Thurnherr (Hrsg.), Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG), Bern, 2010, Rz. 8­12 (insbesondere 12). Siehe auch das Rechtsgutachten von Prof. Dr. iur. Kurt Pärli, Professor an der Universität St. Gallen und an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, Gutachten «Datenschutz und Datenaustausch in der IIZ», November 2012 /Überarbeitung Januar/Februar 2013, Seite 44, Rz. 183 (vom SECO beauftragte Studie).

Siehe auch Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, BBl 2002 3709 (3823).

119 SR 830.1 120 SR 831.20 121 SR 831.30

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sind weder die kantonalen Migrationsbehörden noch das SEM in der Liste von Artikel 50a Absatz 1 Buchstabe e AHVG aufgeführt.

Zur Lösung dieses Problems ist das AHVG dahingehend zu ändern, dass die Migrationsbehörden, das heisst das SEM oder die kantonalen Migrationsbehörden, in dieser Liste aufgeführt sind und im Einzelfall auf begründete schriftliche Anfrage Zugang zu den Daten betreffend die Auszahlung von AHV- und IV-Renten sowie Ergänzungsleistungen haben (vgl. Ziff. 2.16).

In Bezug auf die Bekanntgabe von Daten zu Ergänzungsleistungen zur Prüfung des Anspruchs auf Aufenthalt in der Schweiz werden sich die zuständigen Migrationsbehörden auf einen neuen Artikel 26a ELG stützen können, der eine unaufgeforderte Datenbekanntgabe vorsieht122.

4

Auswirkungen

4.1

Wirtschaftliche Auswirkungen einer Befristung der Spesentragungspflicht

Die Befristung der Pflicht zur Übernahme der Auslagen von entsandten Mitarbeitenden, die von den Arbeitgebern zusätzlich zu den Lohnkosten zu bezahlen sind (Art. 22 E-AuG), könnte wirtschaftliche Auswirkungen haben.

Entsendungen von Mitarbeitenden im Rahmen von internationalen Einsätzen können für die Arbeitgeber und Unternehmen erhebliche Investitionen bedeuten. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Entsendung zu definieren gestaltet sich als sehr komplex. Gemäss einer Studie von PriceWaterhouseCoopers (PWC)123 erhalten Entsandte (Expatriates) eindeutig eine höhere Vergütung als Mitarbeitende in vergleichbaren Funktionen, die nicht ins Ausland entsandt werden. Die Entsendezulagen steigen gemäss dieser Studie, je länger die Einsatzdauer ist.

Durch die Befristung der Spesentragungspflicht findet eine wirtschaftliche Angleichung der Löhne von inländischen Arbeitnehmern und langfristig Entsandten aus dem Ausland statt, was auf der Arbeitnehmerseite ein verändertes Konsumverhalten durch die selbstständige Übernahme der Auslagen im Zusammenhang mit ihrer Entsendung bewirken kann. Auf der Arbeitgeberseite können global tätige Unternehmen bei langfristigen Entsendungen bestimmte Personalkosten einsparen, wobei der orts- und branchenübliche Lohn gemäss Artikel 22 Absatz 1 AuG weiterhin garantiert wird.

Mit der Befristung der Spesentragungspflicht wird verhindert, dass internationale Unternehmen ihre Projekte aus Kostengründen im Ausland anstatt in der Schweiz realisieren. Auch die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen wird durch die Befristung der Spesentragungspflicht gesteigert, was ebenfalls dem Wirtschaftsstandort Schweiz zugutekommt. Da Expatriates während der Dauer ihrer Entsendung den Sozialversicherungs- und Steuerpflichten im Herkunftsland unterstellt bleiben, hat die neue Regelung keine finanziellen Auswirkungen auf die Sozialversi122 123

BBl 2016 8917 «Der Mehrwert internationaler Mitarbeitereinsätze», 2007; nicht publizierter Bericht.

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cherungen und Steuern in der Schweiz. Insgesamt betrachtet dürfte der wirtschaftliche Nutzen einer Befristung der Spesentragungspflicht die Auswirkungen der Mindereinnahmen von langfristigen Entsandten deutlich überwiegen.

4.2

Finanzielle Auswirkungen

Der vorliegende Entwurf hat geringe finanzielle Auswirkungen, da die entsprechenden Kosten bereits im Budget und in der Finanzplanung eingestellt sind. Die wichtigsten finanziellen Auswirkungen werden nachfolgend erläutert.

4.2.1

Neuer Zugriff auf das Visa-Informationssystem, auf das ZEMIS und auf das API-System

Die Gemeinden müssen die Kosten im Zusammenhang mit der Datenanbindung ihrer Polizeibehörden an die beiden Visa-Informationssysteme selber tragen. Die Kosten hängen von der gewählten Art der Anbindung ab. Sie gehen nicht zu Lasten des Bundes. Der Bund muss lediglich die neuen Berechtigten in der Benutzerverwaltung der beiden Systeme erfassen.

Der neue Zugriff des SIRENE-Büros auf das ZEMIS dürfte keine Kosten mit sich bringen, da die bestehende Infrastruktur eine einfache Installation des Systems erlaubt.

Die elektronische Übermittlung von API-Daten an den NDB hat keine finanziellen Auswirkungen. Der neue Zugriff von fedpol auf das API-System hat geringe finanzielle Auswirkungen. Im Falle einer deutlichen Ausweitung der Meldepflicht ist allerdings mit personellem Mehraufwand zu rechnen. Bei bis zu fünf neuen Abflugorten kann das SEM den Zusatzaufwand intern absorbieren. Danach wäre pro 20 zusätzliche Abflugorte eine Vollzeitstelle erforderlich. Eine Ausdehnung der Meldepflicht ist jedoch derzeit nicht vorgesehen.

4.2.2

Erweiterung der Zielgruppe der Rückkehrhilfe

Ende August 2017 stammten von insgesamt 40 112 vorläufig aufgenommenen Personen nur 1498 aus dem Ausländerbereich. Davon stammten 959 Personen aus Syrien, die aber bereits heute gestützt auf die Bestimmung von Artikel 60 Absatz 2 Buchstabe a AuG aufgrund des Kriegs Rückkehrhilfe beantragen können. Pro Jahr wird im Ausländerbereich in etwa zwei Fällen vom SEM die vorläufige Aufnahme aufgehoben; im Zeitraum 2008­2016 sind durchschnittlich neun Personen pro Jahr freiwillig ausgereist.

Die voraussichtliche Anzahl der Personen, die im Ausländerbereich künftig zusätzlich von Rückkehrhilfe profitieren können (weil ihre vorläufige Aufnahme durch die Behörde aufgehoben wurde oder sie freiwillig die Schweiz verlassen), dürfte gemäss einer Schätzung, die den neu zu setzenden Anreiz zur Ausreise berücksichtigt,

1764

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gering sein und sich im zweistelligen Bereich pro Jahr bewegen. Dies kann im Rahmen der in Budget und Finanzplanung eingestellten Mittel bewältigt werden.

Die gleiche Feststellung gilt für die Gewährung von Rückkehrhilfe an Opfer von Straftaten im Zusammenhang mit der Ausübung der Prostitution (vgl. Ziff. 2.3). Die Anzahl Personen, die in den Genuss der Rückkehrhilfe kommen werden, bleibt mehr oder weniger stabil gegenüber der Anzahl Personen, die zurzeit Rückkehrhilfe erhalten.

4.2.3

Informationssystem für die Durchführung der Rückkehr (Projekt eRetour)

Das neue IT-System wird etappenweise realisiert. Die Gesamtkosten werden auf 6,5 Millionen Franken geschätzt (2013­2020). 400 000 Franken sind im Budget 2017 des SEM eingestellt. Das Budget 2018 beträgt 1,3 Millionen Franken mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2019­2020 von 3,8 Millionen Franken.

Für die Benutzer entstehen keine Kosten, da die meisten von ihnen bereits über eine Datenanbindung zum gesicherten Portal des EJPD (SSO-Portal) verfügen. Lediglich einige Rückkehrberatungsstellen verfügen noch nicht über diese Infrastruktur. Was die künftigen Zentren des Bundes betrifft, so wird diese Infrastruktur auf Kosten des SEM installiert. Die Kantone übernehmen diese Kosten selber, insbesondere wenn die Aufgaben der Rückkehrberatung an Dritte übertragen werden.

4.2.4

Einführung von besonders schützenswerten digitalisierten Daten im ZEMIS

Die Realisierung der IT-Funktionalitäten für die Speicherung der Sprachgutachten, der Fingerabdrücke und der Fotografien ist im Budget und in der Finanzplanung des SEM eingestellt (Projekte eRetour und eAsyl). Das Projekt eAsyl bringt Kosten von 5 Millionen Franken mit sich (2013­2020). Für die Phase 2017­2020 sind rund 3,2 Millionen Franken vorgesehen. Weniger als 800 000 Franken wurden im Budget 2017 des SEM eingestellt. Das Budget 2018 beträgt 1,1 Millionen Franken mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2019­2020 von 1,3 Millionen Franken. Die Kosten von eRetour sind unter Ziffer 4.2.3 erwähnt. Die Kantone beteiligen sich im ausländerrechtlichen Bereich an den Projektkosten über die Abgaben, die für die Informatikentwicklungen des Systems ZEMIS erhoben werden.

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4.2.5

Qualität der Integrationsmassnahmen

Der neue Artikel 56 Absatz 6 AuG hat weder finanzielle noch personelle Auswirkungen. Gestützt auf Artikel 55 AuG und Artikel 13 der Verordnung vom 24. Oktober 2007124 über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern kann das SEM Projekte und Programme von nationaler Bedeutung unterstützen. Zu diesen zählen Massnahmen zur Qualitätssicherung, die dazu dienen, die Wirksamkeit der Integrationsförderung zu erhöhen. Eines dieser Vorhaben ist das Projekt «fide ­ Französisch, Italienisch, Deutsch in der Schweiz ­ lernen, lehren, beurteilen», das bereits läuft und mit den ordentlichen Mitteln der Integrationsförderung finanziert wird.

4.2.6

Gesetzliche Vermutung bei Reisen in den Heimat- oder Herkunftsstaat

Die Verankerung einer gesetzlichen Vermutung bezüglich freiwilliger Unterschutzstellung bei einer unerlaubten Reise von anerkannten Flüchtlingen in den Heimatoder Herkunftsstaat hat keinen finanziellen oder personellen Mehraufwand zur Folge. Allfällige Einsparungen aufgrund einer vermehrten Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft bei solchen Reisen können zum jetzigen Zeitpunkt nicht beziffert werden. Die Bundesbeiträge an die Sozialhilfe für Flüchtlinge werden beispielsweise nicht mehr überwiesen, wenn eine Person in den ersten fünf Jahren nach Einreichung des Asylgesuchs die Flüchtlingseigenschaft verliert.

4.2.7

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b der Bundesverfassung, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredites oder Zahlungsrahmens enthält.

5

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 2016 zur Legislaturplanung 2015­2019125 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 2016126 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt. Er lässt sich jedoch in das Ziel 13 integrieren: Die Schweiz steuert die Migration und nutzt deren wirtschaftliches und soziales Potenzial. Darüber hinaus hat er sich zum Ziel gesetzt, dass die Schweiz für Sicherheit sorgt und als verlässliche Partnerin in der Welt agiert. Sie will Gewalt, Kriminalität und Terrorismus vorbeugen und wirksam bekämpfen (Ziel 14). Der Zugriff auf die API-Daten durch fedpol sowie die Möglichkeit, die Meldepflicht auch auf neue 124 125 126

SR 142.205 BBl 2016 1105 BBl 2016 5183

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Abflugorte auszudehnen, welche zur Verhinderung und Bekämpfung des Terrorismus und des organisierten und international tätigen Verbrechens bedeutsam sind, trägt diesem Ziel Rechnung.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Gesetzesmässigkeit

Der Vorentwurf zur Änderung des AuG stützt sich auf Artikel 121 Absatz 1 BV (Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die Gewährung von Asyl sowie Aufenthalt und Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern). Er ist mit der Verfassung vereinbar.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen

Die vorliegenden Änderungen sind mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar. Verschiedene Anpassungen stützen sich auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Die Grundzüge der Vorlage sind insbesondere darauf ausgerichtet, Opfer im Bereich der Prostitution besser zu schützen, die Qualität der Integrationsmassnahmen zu verstärken und für die Haftmassnahmen bei illegal anwesenden Personen einen besonderen Standard sicherzustellen. Diese Massnahmen sind mit der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950127, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966128 (UNO-Pakt II) und den anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz in diesem Bereich vereinbar.

Mit der Nutzung von API-Daten zur Bekämpfung von dschihadistisch motivierten Reisenden würde die Schweiz auch der bindenden Resolution 2178 (2014) des UN-Sicherheitsrates entsprechen.

6.3

Verhältnis zum europäischen Recht

Die vorliegenden Änderungen stehen im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union. Mit der Vorlage sollen in erster Linie verschiedene Bestimmungen angepasst werden, um einigen kritisierten Punkten im Rahmen der Schengen-Evaluation der Schweiz betreffend die Rückführungsrichtlinie Rechnung zu tragen. Insbesondere soll die Rückführungsrichtlinie129 bestmöglich umgesetzt werden ­ aber auch der Schengener Grenzkodex130. Die Empfehlungen im Rückkehr-Handbuch 127 128 129 130

SR 0.101 SR 0.103.2 ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98­107, Ziff. 1.2.7.

ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1; geändert durch Verordnung (EU) 2017/458, ABl. L 74 vom 18.3.2017, S. 1, Ziff. 1.2.7.

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werden ebenfalls berücksichtigt. Die Nutzung von API-Daten in der Schweiz erfolgt ebenfalls in Umsetzung einer Schengen-relevanten Richtlinie, der Richtlinie 2004/82/EG131. Diese lässt die Verwendung von API-Daten im Zusammenhang mit der Strafverfolgung zu, wenn dies entsprechend der nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist und den Datenschutzbestimmungen132 der ebenfalls Schengen- und Dublin-relevanten Datenschutzrichtlinie entspricht. Dies ist der Fall.

Ausserdem wird die Datenschutzrichtlinie auch in Bezug auf die neuen Bestimmungen betreffend die Datenbanken vollumfänglich eingehalten.

Die vorgeschlagenen Anpassungen entsprechen somit insbesondere auch dem von der Schweiz übernommenen Schengen/Dublin-Besitzstand.

131 132

ABl. L 261 vom 06.08.2004, S. 24­27, Ziff. 3.1.

ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31­50, Ziff. 3.1.

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