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Bundesblatt

Bern, den 28. Dezember 1973

125. Jahrgang

Band II

Nr. 51 Erscheint wöchentlich. Preis : Inland Fr. 68.- im Jahr, Fr. 38.- im Halbjahr. Ausland Fr. 82.im Jahr, zuzuglich Nachnahme- und Postzustellungsgebuhr. Inseratenver,va!tung: Permedia, Publicitas-Zentraldienst für Periodika, Hirschmattstrasse 36, 6002 Luzern, Tel. 041/23 66 66

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Änderung des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr (Vom 14. November 1973) Sehr geehrter Herr Präsident.

sehr geehrte Damen und Herren.

Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf für eine Änderung des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1958 über den Strassenverkehr.

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Übersicht

Der vorhegende Entwurf sieht die Änderung von insgesamt 36 Artikeln aus verschiedenen Gebieten des Strassenverkehrsgesetzes vor. Die Revision umfasst folgende Schwerpunkte : Die Ausbildung der Fahrzeugführer soll dadurch verbessert werden, dass die Fahrschüler nur noch von Personen begleitet'sein dürfen, die den Fiihrerausweis seit mindestens vier Jahren besitzen, und einen Teil ihrer Ausbildung bei einem Fahrlehrer besuchen müssen (teilweises Fahrschulobligatorium). Die Einzelheiten des teilweisen Fahrschulobligatoriums sowie die Ausbildung des Fahrschülers in lebensrettenden Sofortmassnahmen und die Weiterbildung der Fahrzeugführer sollen vom Bundesrat geregelt werden können.

Durch die Einräumung des Rechts an die Ärzte, ungeeignete Fahrzeugfuhrer der Aufsichtsbehörde für Ärzte oder der für die Erteilung der Führerausweise zuständigen Behörde zu melden, kann der Ausschluss medizinisch ungeeignetei Fahrzeugfuhrer vom Strassenverkehr wirksamer gestaltet werden.

Bei den Administrativmassnahmen wird einerseits die Verwendung des Motorfahrzeugs zu Delikten zum obligatorischen Führerausweis-Entzugsgrund und das Radfahren in angetrunkenem Zustand zum obligatorischen Fahrverbotsgrund. Anderseits wird der Beginn der im Gesetz geregelten Rückfallsfnsten präzisiert. Gleichzeitig werden - in Angleichung an das revidierte Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über die Organisation der Bundesrechtspflege - der Ì97.-S35 Bundesbldtt 125 Jakrg Bd II

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1174 Beschwerdeweg gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen an das Bundesgericht direkt ermöglicht und die Kantone verpflichtet, eine von der Verwaltung unabhängige Instanz als kantonale Oberbehörde einzusetzen.

Neben rein redaktionellen Änderungen im Kapitel der Verkehrsregeln werden die Radfahrer und Motorradfahrer von der Pflicht, in stehenden Kolonnen den Platz beizubehalten, entbunden. Diese Fahrzeugführer sollen nach den Regeln für das Fahren in parallelen Kolonnen rechts an ändern Fahrzeugen vorbeifahren dürfen. Ferner soll die bisher vom Bundesgericht festgesetzte Grenze der Angetrunkenheit aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsgleichheit durch den Bundesrat in das materielle Recht verlegt werden.

In den Haftungsbestimmungen wird generell die Solidarität mehrerer ersatzpflichtiger Personen klarer zum Ausdruck gebracht. An der Kausalhaftung des Motorfahrzeughalters wird nichts geändert; doch sollen mehrere Motorfahrzeughalter den Schaden in erster Linie nach Massgabe des von ihnen zu vertretenden Verschuldens tragen.

Bei den Versicherungsbestimmungen werden die Mindestversicherungssummen aus dem Gesetz herausgenommen und die Regelung der Deckungssummen dem Bundesrat übertragen. Ferner wird der Bund von der Deckung der Strolchenfahrtenschäden entlastet. Demgegenüber wird die Bundesdeckung für die durch unbekannte oder nichtVersicherte Fahrzeuge verursachten Schäden in dem Sinn erweitert, dass nicht mehr nur Personen-, sondern auch Sachschäden zu decken sind.

Die Änderung der Strafbestimmungen bringt für den Richter einen grösseren Strafrahmen beim Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand und eine gerechtere Abstufung des Strafrahmens beim Tatbestand des Fahrens ohne Versicherung. Zusätzlich wird die - bisher fehlende - Strafbestimmung für die Weigerung, die "Ausweise vorzuweisen, aufgenommen. Die Urteilspublikation bei besonders rücksichtslosen Führern und bei rückfälligen Alkoholtätern soll als Nebenstrafe ausgestaltet und der Bundesrat zur Einführung eines zentralen Strafund Massnahmeregisters im Strassenverkehr ermächtigt werden.

Schliesslich soll die Anwendung der Chauffeurverordnung auf schweizerische Berufsfahrer im Ausland gesetzlich verankert und der Bundesrat zur Beschränkung der ausländischen Transporte in der Schweiz sowohl auf dem Wege zwischenstaatlicher Vereinbarungen als auch unabhängig von solchen Vereinbarungen generell ermächtigt werden.

2 Allgemeiner Teil 21 Ausgangslage Das Bundesgesetz vom 19. Dezember 1958 über den Strassenverkehr (SVG) trat ab 1959 bis 1967 stufenweise in Kraft. Es wurde bisher durch fünf Gesetzesrevisionen vom 19. Juni 1959 (Art. 78), vom 8. März 1960 (Art. 2), vom 23. Juni 1961 (Art. 33 und 49), vom 16. März 1967 (Art. 57a) und vom 9. März 1972 (Art. 9) geändert.

1175 In der Botschaft vom 26 Mai 1971 betreffend die Änderung des Aitikels 9 SVG haben wir Ihnen die Revision weiterer Bestimmungen des SVG in Aussicht gestellt Die Revision des Artikels 9 SVG musste als \oidrmghch vorweggenommen werden Das SVG hat sich bewahrt Die sturmische Entwicklung des Strassenverkehrs bringt es indessen mit sich, dass die entsprechenden Bestimmungen bald einmal überholt sind und daher \on Zeit zu Zeit angepasst weiden müssen Begehren um Änderung des bestehenden Zustandes wurden einerseits aus dem Pailament und anderseits in verschiedenen Eingaben an die Bundesbehorden gestellt Zudem müssen einige Bestimmungen deshalb geandeit werden, weil sie sich in der Gerichtspraxis als unklar oder missverstandlich ei wiesen haben

211 Parlamentarische Vorstosse Die eidgenossischen Rate haben folgende Voi s tosse über wiesen, die auf eine Revision des Strassenverkehrsgesetzes abzielen - In einer Motion vom 6 Dezember 1961 ersuchte Nationalrat Kurzmeyei um die Einführung einer weiteien Nebenstrafe, nämlich des nchterhchen Entzuges des Fuhrerausweises Die Motion wurde am 19 Septembei 1962 m Form eines Postulates (Nr 8387) entgegengenommen Am 27 Februar 1967 hat Nationalrat Wenger m einer Motion für die Prüfung des gleichen Anliegens pladieit und zusatzlich als Sofortmassnahme verlangt dass in den Kantonen zur besseren Gewahrleistung des rechtlichen Gehörs im Ausweisentzugsverfahren von Bundesrechls wegen verwaltungsunabhangige Rekursbehorden eingesetzt weiden Am 5 Oktober 1967 wurde auch diese Motion als Postulat (Ni 9643) überwiesen - Mit Postulat (Nr 8996) vom 2 Dezember 1964 ersuchte Nationalst Bachmann-Winterthur um zwei piazisierende Änderungen des Strassenveikehrsgesetzes m dem Sinne, dass für das Ruhen der VeiSicherung die Hinteilegung der Kontiollschildei allein genügt und für die Veröffentlichung des Strafurteils wegen Fahrens m angetrunkenem Zustand bei der Berechnung der Ruckfallsfrist nicht mehr auf die zweite Veiurteilung sondern auf die neuerliche Tatbegehung abgestellt wnd - Nationalrat Schurmann verlangte m einem Postulat (Nr 9728) vom 20 Dezember 1967, die konkordatsmassige Bildung eines standigen Strassenpohzeikorps sowie die Verschärfung der stiafrechthchen und administrativen Massnahmen bei Verkehrsubertretungen zu prüfen - Mit Postulat (Nr 10 379) vom 24 Juni 1970 forderte Nationalrat Glasson die Einführung einer begrenzten Höchstgeschwindigkeit für Neufahier Im gleichen Sinne wurde von Nationalrat Bratschi am 2 März 1972 postuliert (Postulat Nr 10963) - In zwei Postulaten wird verlangt da« zur Erlangung des Fuhrerausweises der Nachweis über einen besuchten Kurs in Erster Hilfe als obligatorisch erklärt werde Das Postulat (Ni 10 516) von Nationaliat Biatschi wmde am 24 Sep-

1176 lember 1970, das Postulat (Nr. 11 584) von Nationalrat Bräm am 25. Juni 1973 angenommen.

In einer Motion vom 22. Juni 1972 ersuchte Ständerat Bodenmann um folgende vier Änderungen versicherungsrechtlicher Natur: die Anpassung der Mindestversicherangssummen an die Geldentwertung und die stark gestiegenen Heilungskosten, den Einbau der Haftung für Strolchenfahrten in die Halterversicherung, die Ausdehnung der Versicherungspflicht auf die Angehörigen des Halters und die Aufhebung der Möglichkeit, bei Gefâlligkeitsfahrten die Entschädigung zu kürzen. Die Motion wurde am 19. September 1972 in Form eines Postulates (Nr. 11 351) angenommen.

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Eingaben an die Bundesbehörden und Gerichtspraxis

Auf Grund des Postulates von Nationalrat Kurzmeyer vom 19. September 1962 hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement eine Expertengruppe für Strafrechtsfragen des Strassenverkehrs eingesetzt, die ihren Bericht am 27. Oktober 1966 erstattete. Diese Expertengruppe beantragt folgende legislatorischen Änderungen: Die Einführung eines ärztlichen Melderechts bei fahruntauglichen Personen, den Verzicht auf die Hinterlegung des Fahrzeugausweises beim Ruhen der Versicherung, die Berücksichtigung des leichten Falles bei Fahren ohne Haftpflichtversichung und die Berechnung der Rückfallsfrist bei der Veröffentlichung des Strafurteils nach der zweiten Tatbegehung.

Im Bericht der vom Eidgenössischen Justiz- and Polizeidepartement eingesetzten Studiengruppe für die Bekämpfung der Verkehrsunfälle von 1969 werden die Vor- und Nachteile eines teilweisen Fahrschulobligatoriums gewürdigt. Zudem wird die Schaffung eines zentralen Registers über Strafen und Massnahmen im Strassenverkehr beantragt. Der Bundesrat hat zu diesem Bericht am 8. September 1971 zuhanden der Bundesversammlung Stellung genommen und sich darin für die Verwirklichung der erarbeiteten Empfehlungen dieser Studiengruppe eingesetzt.

Das Bundesgericht hat sich in zwei Urteilen zur Berechnung strassenverkehrsrechtlicher Rückfallsfristen geäussert. Im Entscheid 96IV 82 ff. führt es aus, dass für die Veröffentlichung des Strafurteils nach Artikel 102 Ziffer 2 Buchstabe b SVG dann Rückfall vorliege, wenn die neue Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand innerhalb der fünfjährigen Frist liege. Demgegenüber wird beim Führerausweisentzug in BGE 97 I 725 ff. Rückfall im Sinne von Artikel 17 Absatz l Buchstaben c und d SVG dann angenommen, wenn die zweite Tatbegehung innerhalb von zwei bzw. fünf Jahren seit der ersten Tatbegehung liegt. Diese am Wortlaut orientierte Interpretation zeigt eine Divergenz zwischen zwei Gesetzesbestimmungen auf, die aus Gründen der Gleichheit und Klarheit vom Gesetzgeber beseitigt werden muss. - In BGE 97 II 259 hat das Bundesgericht entschieden, dass Artikel 78 SVG keine gesetzliche Grundlage für den Einbezug der Mitfahrer in die Unfallversicherung der Motorradfahrer biete, wie dies in der bundesrätlichen Verordnung vom 20. November 1959 über Haftpflicht und

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Versicherungen im Strassenverkehr (Art. 55 Abs. 1) vorgeschrieben ist. In der vorliegenden Revision soll auch hier eine klare gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

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Neue Erkenntnisse

Neben den parlamentarischen Vorstössen (Ziff. 211) und den Schlussfolgerungen von Expertengruppen und des Bundesgerichtes (Ziff. 212) haben sich weitere Bestimmungen des SVG aus verschiedenen neuen Erkenntnissen heraus als revisionsbedürftig erwiesen. Diese neuen Erkenntnisse ergaben sich einerseits aus Änderungen anderer Gesetze und anderseits aus Rechtsabhandlungen namhafter Fachleute. Zudem werden durch einige Ergänzungen bisher umstrittene oder unklare Gesetzesgrundlagen eindeutig formuliert. Einige wenige Revisionsvorschläge bringen schliesslich redaktionelle Verbesserungen.

Alle diese neuen Erkenntnisse werden im besonderen Teil (Ziff. 3) bei der Erläuterung der einzelnen Bestimmungen \erwertet.

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Das Vernehmlassungsverfahren

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat am 18. Oktober 1971 den Kantonen und Verbänden einen Vorentwurf für die Teiländerung des SVG zur Stellungnahme unterbreitet. Im Laufe dieses Vernehmlassungsverfahrens wurden Anträge auf Änderung weiterer Bestimmungen des SVG gestellt. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat in der Folge einige dieser Anträge in die Revision einbezogen und darüber am 24. Juli 1972 ein zusätzliches Stellungnahmeverfahren durchgeführt.

Diese'beiden Vorentwürfe wurden überarbeitet und anschliessend in der Ständigen Strassenverkehrskommission durchberaten, in der sämtliche am Strassenverkehr interessierten Kreise vertreten sind. Dieser Kommission standen die Stellungnahmen der Kantone und der Verbände zu den Vorentwürfen zur Verfügung.

Die Ihnen unterbreitete Revisionsvorlage berücksichtigt nach Möglichkeit die im Vernehmlassungsverfahren geäusserten Wünsche und insbesondere die in der repräsentativ zusammengesetzten Ständigen Strassenverkehrskommission gefassten Beschlüsse. Sie erstreckt sich auf die Bestimmungen, deren Änderung keinen längeren Aufschub mehr ertragen. Wir sind uns bewusst, dass weitere Vorschriften des SVG gelegentlich revidiert werden müssen. Entsprechende Anträge sind bereits eingereicht worden. Einige dieser Änderungsanträge müssen jedoch noch näher geprüft werden und sind nicht vordringlich. Zudem hätte der Einbezug sämtlicher Wünsche praktisch zu einer Totalrevision des SVG eeführt, was jedoch eine mehrjährige Verzögerung der in der Revisionsvorlage berücksichtigten notwendigen Änderungen zur Folge hätte.

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Auf die im Vernehmlassungsverfahren geäusserten Meinungen werden wir, soweit nötig, im folgenden Kapitel (Ziff. 3) bei den einzelnen Artikeln zurückkommen.

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Besonderer Teil

Nachfolgend werden die einzelnen Revisionsvorschläge erläutert.

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Änderung im I. Titel «Allgemeine Bestimmungen »

Artikel 6 In Absatz l wird der Gesetzestext in allen drei Amtssprachen aufeinander abgestimmt. Bei der Ausarbeitung der Signalisationsverordnung vom 31. Mai 1963 (SSV) wurde man insbesondere bei der Übersetzung von Artikel 80 SSV in die französische und italienische Amtssprache gewahr, dass der abstrakte Gesetzesbegriff «publicité» («pubblicità») sich für die konkreten Aussagen in der SSV nicht eignete. Die vorgeschlagene Änderung («Reklamen und andere Ankündigungen», «Les réclames et autres annonces», «la pubblicità e gli altri avvisi») ist redaktioneller Natur und bringt gleichzeitig in allen drei Amtssprachen klar zum Ausdruck, dass die eigentlichen Reklamen, d. h. die durch Schrift, Zeichen, Farbe, Ton u. dgl. der Werbung für bestimmte Produkte, Betriebe oder Dienstleistungen dienenden Hinweise, als eine besondere Art von Ankündigungen gelten.

Als zusammenfassende Sachüberschrift des Artikels 6 kann der heutige Begriff «Reklamen» («publicité», «pubblicità») durchaus beibehalten werden.

Im neuen Absatz 2 beantragen wir Ihnen, dem Bundesrat die gesetzliche Kompetenz zum Erlass eines Verbotes von Reklamen und ändern Ankündigungen im Bereich von Autobahnen und Autostrassen einzuräumen. Dieses Verbot ist zwar bereits in Artikel 80 Absatz 6 SSV ausgesprochen. In je einer Beschwerde an den Bundesrat und an das Bundesgericht wurde jedoch bestritten, dass sich dieses bundesrätliche Verbot inhaltlich im Rahmen des heutigen Artikels 6 SVG halte. Obwohl Bundesrat und Bundesgericht (BGE 98 I 340 ff.) in ihren Entscheiden die Gesetzmässigkeit von Artikel 80 Absatz 6 SSV bejaht haben, erachten wir es als zweckmässig, in der jetzigen Revision eine klare Rechtslage zu schaffen.

Die Strassenbenützerverbände haben im Vernehmlassungsverfahren gewünscht, dass Ankündigungen verkehrserzieherischen oder unfallverhütenden Charakters vom Verbot nach Absatz 2 ausgenommen werden sollten. Diesem 'berechtigten Interesse trägt die vorgeschlagene Kann-Vorschrift Rechnung. Mit der Kompetenz zum Erlass eines generellen Verbotes von Reklamen und ändern Ankündigungen im Bereich von Autobahnen und Autostrassen hat der Bundesrat auch die Möglichkeit, eine nach den sachlichen und örtlichen Verhältnissen differenzierte Regelung zu treffen. Durch den Ausschluss bestimmter Ankündigungen im Gesetz selbst könnte der Bundesrat schützenswerte Interessen und dem reibungslosen Verkehrsablauf dienende Hinweise zu wenig oder gar nicht berücksichtigen.

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Änderungen im II. Titel «Fahrzeuge und Fahrzeugfuhrer »

AI tikel 14 In einem neuen Absatz 4 schlagen wir \ or dass den Ärzten ein gesetzliches Recht eingeräumt wird zui Meldung fahruntauglicher Motorfahrzeugfuhrer an die Aufsichtsbehörde für Aizte oder an die Fuhrerausweis-Entzugsbehorde Der Arzt kann sich gemass Artikel 321 Ziffer 2 des Schweizeiischen Strafgesetzbuches (StGB) nur auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einei Bewilligung der vorgesetzten Behoide oder Aufsichtsbehörde vom Berufsgeheimnis entbinden lassen, es sei denn ein Gesetz erklare etwas anderes (Alt 32 StGB) Um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht zu gefahl den wird von dieser Möglichkeit der Geheimnisentbindung nur selten Gebiauch gemacht Im Rahmen des Strassenverkehrsrechb gilt es jedoch wideistreitende Interessen gegeneinander abzuwägen Auf der einen Seite ist die Schweigepflicht des Arztes ernst zu nehmen, denn es besteht ein Inteiesse sowohl des Patienten als auch dei Öffentlichkeit daran, dass das Vertrauensv erhaltnis zwischen Aizt und Patient nicht beeinträchtigt wird und sich Kranke nicht aus Zweifel an dei Verschwiegenheit des Arztes von einer arztlichen Untersuchung abhalten lassen Auf der ändern Seite stehen die grossen Gefahren, die dem Leben und dei Gesundheit der Verkehrsteilnehmer drohen wenn fahruntaugliche Personen am Stiassenverkehi teilnehmen Bei der heutigen \ erkehrsdichte muss das öffentliche Interesse an der Ausschaltung untauglicher Motorfahrzeugfuhrer aus dem Veikehi dem Interesse an der uneingeschränkten Geheimhaltung durch den Arzt vorgehen Der vorgeschlagene Artikel 14 Absatz 4 sieht nicht eine Aufhebung voi, sondern lediglich eine geringe Lockerung des Arztgeheimnisses gegenüber dem geltenden Recht, mit zwei Kautelen Einmal wird nur ein Melde?echt und nicht etwa eine Meldspßicht begiundet Eine gesetzliche Meldepflicht dei Arzte waie nicht zweckmassig und kaum dmchfuhrbar denn es wurde kaum gelingen den Kreis der zur Meldung verpflichteten Personen und die zu meldenden Falle genau zu umschreiben Auch die Feststellung der Unterlassung der Meldung und die Festlegung der Rechtsfolgen waren sehr schwierig Ferner ist das Melderecht des Arztes auf Fuhrer von Motorfahrzeugen als die gefahrentrachtigste Gruppe der Verkehrsteilnehmer beschrankt, gegenüber den Fuhrern nicht ausweispflichtiger Fahrzeugkategorien (z B Radfahrer und
Motorfahrradfahrer) behalt Artikel 321 StGB seine volle Geltung In der Praxis wird der Arzt von diesem Melderecht erst Gebrauch machen, nachdem ei den Patienten auf seinen Zustand und auf die Gefahi en aufmerksam gemacht hat die sich ergeben, wenn ei weiterhin ein Motorfahrzeug fuhrt In der Regel wird es sich um die Falle handeln, bei denen dei Patient nicht einsichtig genug ist um \on sich aus auf das Fuhren von Motorfahrzeugen zu verzichten und den Fuhrerausweis der Behörde zuruckzuge ben In solchen Fallen soll der Arzt nicht vorerst eine schriftliche Einwilligung der Aufsichtsbehörde einholen müssen sondern frei über die Meldung entscheiden dürfen Der Erlass der vorgeschlagenen Bestimmung wird von dei vom Eidgenossischen Justiz- und Pohzeidepartement eingesetzten Studiengruppe für Straf-

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rechtsfragen des Strassenverkehrs empfohlen, und diese Empfehlung wird von der vom gleichen Departement ernannten Studiengruppe für die Bekämpfung der Verkehrsunfälle in ihrem Bericht von 1969 unterstützt.

Die Frage, ob gemäss Artikel 32 StGB für die Einführung dieses Melderechts ein Gesetz im formellen Sinn erforderlich ist oder ob ein bundesrätlicher Erlass genügen würde, ist umstritten. Weder aus der Botschaft zum StGB (BB1 1918 IV, S. 11 ff.) noch aus den Kommentaren dazu (Thormann und von Overbeck, Hafter, Schwander) lässt sich über diese Frage volle Klarheit verschaffen.

Um jeden Zweifel über die Legalität dieser Bestimmung zu beheben, soll die Verankerung im Gesetz selbst erfolgen.

Im Vernehmlassungsverfahren erwuchs der vorgeschlagenen Bestimmung insbesondere von Seiten der Strassenbenützerverbände Opposition. Sie machen im wesentlichen zwei Gegengründe geltend, dass nämlich einerseits die Fälle der medizinisch bedingten Fahruntauglichkeit relativ selten seien und anderseits für den Patienten eine absolute Gewissheit auf Geheimhaltung bestehen müsse. Zum ersten Argument ist zu sagen : Es stimmt, dass Verkehrsunfälle infolge Krankheit, Gebrechen oder Süchten verliältnismässig selten sind; sie kommen aber immer wieder vor und sollten nach Möglichkeit verhindert werden. Immerhin zeigt auch die folgende Statistik, dass die Zahl der wegen Krankheiten oder Gebrechen und wegen Trunksucht oder anderer Süchte in der Schweiz verfügten Führerausweisentzüge von Jahr zu Jahr anwächst: Grund Fühl ei aus weisentzuge

Kiankheit o dei Gebiechen

liunksucht odci dudeie Suchte

1969 1970 1971 1972

278 311

75 55 53 91

322

394

Zum zweiten Argument: Es gibt schon nach bisherigem Recht (Art. 321 Ziff. 2 StGB) keine absolute Garantie der ärztlichen Geheimhaltung. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die Grenzen der ärztlichen Geheimhaltung zu ziehen. Die dabei abzuwägenden Interessen haben wir oben geschildert. Der Einführung des vorgeschlagenen Melderechts haben sowohl die Schweizerische Ärzteorganisation als auch die Ständige Strassenverkehrskommission ohne Bedenken zugestimmt.

Wir betrachten es als einen zusätzlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit.

Artikel 15 Wir beantragen, im Gesetz eine der heutigen Zeit angepasste Aus- und Weiterbildung der Fahrzeugführer zu ermöglichen. Wir sehen eine Neukonzeption dieses Artikels unter der gegenüber bisher weiter gefassten Sachüberschrift «Ausbildung der Motorfahrzeugführer» vor.

1181 Im Absatz l wird die Heraufsetzung der Führerausweis-Besitzdauer für Begleitpersonen ' der Fahrschüler von einem Jahr auf vier Jahre vorgeschlagen. Die Bekämpfung der Verkehrsunfälle erfordert Massnahmen aller Art. Insbesondere muss dafür gesorgt werden, dass die zukünftigen Motofahrzeugführer eine möglichst gute Ausbildung erhalten. Die Fähigkeit, als Begleiter wirksam tätig zu sein, hängt in erster Linie von der Charakterreife und von der Erfahrung als Motorfahrzeugführer ab. Diesen Anforderungen wird der geltende Absatz l nicht mehr gerecht; denn es genügt nicht mehr, dass sich jugendliche Fahrschüler durch ebenso jugendliche Inhaber von Führerausweisen begleiten lassen. Durch die Heraufsetzung der Besitzdauer des Führerausweises auf vier Jahre wird automatisch erreicht, dass der Begleiter mindestens 22 Jahre alt ist, d. h. das gleiche Mindestalter aufweist, wie es für die Fahrlehrer gilt. Die vierjährige Besitzdauer trägt auch dem neuesten -Stand der wissenschaftlichen Forschung Rechnung, wonach die Unfalldisposition jugendlicher Motorfahrzeugführer bis zum vierten Jahr nach Bestehen der Führerprüftmg zunimmt und dann zurückgeht. Die vorgeschlagene Lösung in Absatz l betrifft nur Begleiter, die weder im Besitz des Fahrlehrerausweises noch einer Ausbildungsbewilligung für LastwagenführerLehrlinge sind. Fahrlehrer und Ausbildner von Lastwagenführer-Lehrlingen haben eine spezifische Ausbildung genossen; die ihnen erteilte Bewilligung berechtigt sie, Fahrschüler zu begleiten, auch wenn sie selbst den Führerausweis noch nicht seit vier Jahren besitzen.

In verschiedenen Vemehmlassungen wurde das Erfordernis eines schweizerischen Führerausweises verlangt. Für dieses Erfordernis spricht die Tatsache, dass der Inhaber eines schweizerischen Führerausweises in der Regel unsere Vorschriften und Verhältnisse besser kennt. Dagegen sprechen insbesondere die internationale Geltung der Ausweise und die Tendenz, auch im Strassenverkehr europäisch zu denken. In der Tat werden unter den europäischen Ländern die Führerausweise gegenseitig anerkannt, und auch die Signale und Verkehrsregeln sind in Europa ziemlich stark vereinheitlicht. Wir erachten daher den Ausschluss von Inhabern ausländischer Führerausweise als nicht gerechtfertigt. Im gleichen Sinn muss nach unserem Vorschlag auch die Besitzdauer eines
ausländischen Führerausweises berücksichtigt werden.

Der Absatz 2 bleibt unverändert. Der heutige Absatz 3 wird in Absatz 4 Satz l in allgemeiner Form eingebaut. Der heutige Absatz 4 rückt unverändert als Absatz 3 auf.

Im neuen Absatz 4 beantragen wir die Einführung eines teil weisen Fahrschulobligatoriums durch den Bundesrat. Im heutigen Verkehr geht es nicht mehr an, dem Fahrschüler nur die Bedienung des Fahrzeugs beizubringen. Aufgabe einer seriösen Ausbildung zum Motorfahrzeugführer ist es, den Fahrschüler zu einem korrekten, rücksichts- und verantwortungsvollen Fahrer zu erziehen. Diese Erziehungsarbeit kann nach den heutigen Verkehrsanforderungen nicht allein Laien überlassen, sondern muss zumindest in den Grundlagen von einem Fahrlehrer geleistet werden. Seit dem Bundesratsbeschluss vom 2. Juli 1969 über Fahrlehrer und Fahrschüler haben die Fahrlehrer eine einheitliche Ausbildung und

1182 Prüfung zu bestehen, die sich wesentlich auf die pädagogisch-psychologische und methodische Lehrbefähigung erstrecken. Alle Fahrlehrer, also auch die älteren, sind verpflichtet, in regelmässigen Abständen Weiterbildungskurse zu besuchen.

Die bessere Aus- und Weiterbildung der Fahrlehrer verspricht sich auf das Verhalten im Verkehr günstig auszuwirken. Auf Grund dieser veränderten Verhältnisse kann die Festeilung in der Botschaft des Bundesrates vom 24. Juni 1955 (S. 22) zum SVG, dass ein Zwang zum Besuch einer Fahrschule nicht denkbar sei, nicht mehr in vollem Umfang aufrechterhalten werden.

Vorgeschlagen wird nur ein teilweises Fahrschulobligatorium. Der Bundesrat hätte die Modalitäten, insbesondere die Mindeststundenzahl, die Gestaltung und Aufteilung des Unterrichts festzulegen. Die Einzelheiten müssen vorerst mit Fachleuten erarbeitet werden.

Zum Schütze der Fahrschüler schlagen wir in der gleichen Bestimmung (Satz 3) vor, dass den Kantonen die Kompetenz zur Festsetzung von Höchsttarifen für den obligatorischen Fahrunterricht eingeräumt wird. Die Kann-Vorschrift ermöglicht es den Kantonen, den regionalen Verhältnissen Rechnung zu tragen.

Durch die Festsetzung von //öcfortarifen und nicht einfach eines absoluten Tarifs soll die freie Preiskonkurrenz unter den Berufsfahrlehrern nicht unnötig eingeschränkt werden.

Auf europäischer Ebene bestehen folgende Regelungen: Bulgarien, Dänemark, Griechenland, Luxemburg, Portugal, Spanien, Tschechoslowakei und Ungarn kennen das ausnahmslose Fahrschulobligatorium für die ganze Lernfahrperiode; in der Bundesrepublik Deutschland, in Finnland, Frankreich, Österreich und Rumänien besteht das Obligatorium mit der Möglichkeit, in bestimmten Fällen Ausnahmen zu gewähren.

Im neuen Absatz 5 soll dem Bundesrat die Kompetenz zur Regelung der Fahrer-Weiterbildung eingeräumt werden. Die gesetzliche Grundlage, Weiterbildungskurse für Fahrzeugführer obligatorisch zu erklären, fehlt zurzeit im SVG und soll mit unserem Vorschlag geschaffen werden. Die Schweizerische Konferenz für Sicherheit im Strassenverkehr (SKS), in der alle sich mit der Verkehrsunfallbekämpfung befassenden Kreise vertreten sind, hat bereits eine Kommission gebildet, die sich dem Problem der Weiterbildung der Fahrzeugführer widmet.

Für die Regelung der Einzelheiten wird sich der Bundesrat auf
die Erfahrungen stützen können, die in den bisher freiwilligen Kursen verschiedener Verbände gemacht wurden. Der Bundesrat ist mit der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingesetzten Studiengruppe für die Bekämpfung der Verkehrsunfälle der Ansicht, dass solche Weiterbildungskurse eine positive Wirkung auf die Unfallverhütung haben und daher allen Motorfahrzeugführern zur Pflicht gemacht werden sollten.

Artikel 16 Wir beantragen, in Absatz 3 Buchstabe f neu die Verwendung eines Motorfahrzeugs zur Begehung von Verbrechen oder Vergehen als obligatorischen Entzugsgrund ausdrücklich im Gesetz aufzunehmen.

1183 Schon bisher wurde zwar der Führerausweis in solchen Fällen entzogen. Die Entzugs- und Beschwerdebehörden mussten sich aber dabei auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz stützen, wonach eine Polizeierlaubnis, hier der Führerausweis, nicht zur Begehung von Verbrechen oder Vergehen verwendet werden darf. Bei der allgemeinen Verbrechensbekämpfung, soweit sie mit dem Strassenverkehr zusammenhängt, müssen auch die für den Entzug des Führerausweises zuständigen Verwaltungsbehörden mitwirken. «Es wäre unverantwortlich, einen Kriminellen, der sich mit einem Motorfahrzeug die Begehung von Straftaten erleichterte ..., im Besitze des Führerausweises zu belassen» (Stauffer, Der Entzug des Führerausweises, S. 44). Der Führerausweisentzug stellt einen erheblichen Eingriff in die persönlichen Rechte der Bürger dar, weshalb die Entzugsgründe grundsätzlich im Gesetz abschliessend aufzuzählen sind. Aus Gründen der Rechtssicherheit drängt sich daher die Aufnahme dieses Entzugsgrundes im SVG auf; sie bietet gegenüber dem Betroffenen eine klare und eindeutige Rechtsgrundlage.

In einigen Stellungnahmen wurde einem fakultativen Entzug das Wort gesprochen, in ändern eine Beschränkung auf «schwere oder wiederholte Vergehen» gefordert. In der ersten Frage, ob hier der Entzug obligatorisch oder fakultativ auszugestalten sei, kann man geteilter Meinung sein. Der fakultative Entzug gibt der Verwaltungsbehörde ein grösseres Ermessen in der Beurteilung von Einzelfällen. Demgegenüber spricht für den obligatorischen Entzug, dass die Verbrechensbekämpfung wirksam betrieben und eine einheitliche Handhabung des Entzugsgrundes garantiert wird. Der Bundesrat misst - wie die Ständige Strassenverkehrskommission - den beiden letzten Argumenten mehr Gewicht bei. - Zur zweiten Anregung, neben den Verbrechen nur «schwere und wiederholte Vergehen» einzubeziehen, ist zu sagen, dass das Strafrecht einerseits den Begriff des «schweren» Vergehens nicht kennt und anderseits den Ausdruck «wiederholtes Vergehen» in einem juristisch-technischen Sinn verwendet, wonach das fortgesetzte und das gewerbsmässige Delikt nicht darunter subsumiert werden können (vgl. Schwander, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 2. A., S. 155 ff.). Wir erachten es nicht als zweckmässig. den neuen, Ungewissen Begriff des «schweren» Vergehens im Massnahmenrecht einzuführen. Ebenso
unbegründet wäre der Ausschluss des fortgesetzten, d. h. des auf den gleichen Willensentschluss zurückgehenden wiederholten Deliktes und des gewerbsmässigen, d. h. des mit der Absicht auf Erwerbseinkommen wiederholt begangenen Vergehens. Durch die vorgeschlagene Formulierung glauben wir, rechtlich einwandfrei den eigentlichen Sinn der Stellungnahmen zu berücksichtigen, nämlich dass neben den Verbrechen nur qualifizierte, d. h. mehrmals vorsätzlich begangene Vergehen zum Führerausweisentzug führen sollten.

Artikel!?

Wir schlagen in Absatz l Buchstaben c und d eine klarere Bestimmung für die Berechnung der Rückfallsfristen vor.

1184 Die geltenden Bestimmungen verlangen eine längere Entzugsdauer in zwei Fällen, m denen der Führer einen zeitlich befristeten Warnungsentzug im Rückfall verwirkt hat: einmal wenn er innert zwei Jahren zwei Widerhandlungen begangen hat, von denen die zweite einen obligatorischen Entzug zur Folge hat (Bst. c), sowie ferner, wenn er innert fünf Jahren zweimal in angetrunkenem Zustand gefahren ist (Bst. d). In einer langjährigen Praxis der kantonalen Entzugsbehörden und des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements wurden diese Bestimmungen so interpretiert, dass diese Rückfallsfristen von zwei bzw.

fünf Jahren mit dem Ablauf der früheren Entzugsdauer beginnen. Demgegenüber vertritt das Bundesgericht in seinem Entscheid 97 l 725 ff. die Auffassung, dass diese Rückfallsfristen mit dem Tage der ersten Tatbegehung zu laufen beginnen.

Diese bundesgerichtliche Rechtssprechung hat zwei stossende Konsequenzen.

Einerseits beginnt damit die Bewährungsfrist zu laufen, ohne dass der Betroffene davon weiss. Es ist darnach möglich, dass ein Fahrzeugführer rückfällig wird, bevor er von der ersten Entzugsverfügung Kenntnis hat, weil das Entzugsverfahren für die erste Widerhandlung noch läuft. Anderseits wird die Dauer des ersten Entzuges in die Rückfallsfrist, die immer eine Bewährungszeit darstellt, miteingerechnet. Beim Warnungsentzug erscheint es aber als wenig sinnvoll, dass die Zeit, während der ein Täter wegen des ersten Entzuges gar nicht fahren kann, auf die Bewährungsfrist angerechnet wird. Diese Anrechnung fuhrt denn auch zu einer Privilegierung der schwereren ersten Tat, indem sich der Täter mit einem längeren ersten Entzug weniger lang irn Verkehr tatsächlich zu bewähren hat als der Täter, dem der Führerausweis erstmals für eine kürzere Dauer entzogen werden musste.

Unser Antrag führt zu einem gerechteren Ergebnis. Gleichzeitig erfolgt dadurch eine Anpassung an das Strafgesetzbuch, wonach die Bewährungsfrist für den Rückfall nach dem Vollzug einer Freiheitsstrafe zu laufen beginnt (Art. 67 StGB).

Diese Anpassung an die strafrechtlichen Rückfallsbestimmungen ist um so mehr gerechtfertigt, als auch der Warnungsentzug in der Wirkung ähnlich empfunden wird wie eine Strafe.

Nach unserem Vorschlag ist in beiden vorgesehenen Änderungen Rückfall gegeben, wenn die zweite Tatbegehung innerhalb der
genannten Fristen seit dem Vollzug eines früheren Entzuges erfolgt. Im ersten Fall (Bst. c) muss der Täter zwei Widerhandlungen begangen haben, von denen die zweite zu einem obligatorischen Entzug führt, währenddem in Buchstabe d das zweimalige Fahren in angetrunkenem Zustand erfasst wird.

Artikel 19 Wir beantragen in Absatz 3 eine präzisere Abstufung der Massnahmen gegenüber Radfahrern.

Der Revisionsvorschlag bringt drei Neuerungen: einmal die Verwarnungsmöglichkeit, ferner das obligatorische Fahrverbot bei Fahren in angetrunkenem Zustand und schliesslich die Mindestdauer eines Monats für das Fahrverbot.

Eine formelle Rechtsgrandlage für die Anordnung einer Verwarnung gegenüber Radfahrern fehlt bisher. Die Verwarnung ermöglicht den Kantonen, insbe-

1185 sondere bei der mehrmaligen Verkehrsgefährdung dem Verschulden und dem Leumund des Radfahreis besser Rechnung zu tragen Unser Vorschlag bringt den Behörden einen grosseren Ermessensspielraum Angetrunkene Radfahrer sind wegen ihrer unsicheien Fahiweise sehi gefährlich, die Gefahihchkeit solchei Radtahrer wirkt sich nicht nur gegen sie selbei aus, sondern auch auf alle übrigen Strassenbenutzer Die duich angetrunkene Radfahrer verursachten Lnfalle zeitigen denn auch m der Regel schweie Folgen Aus Gründen der \eikehrssicheihett ist unseres Erachtens gegenüber angetrunkenen Radfahrein ein obligatorisches Fahrverbot gei echtfertigt Nach geltendem Recht kann das Radfahren «voiubergehend» untersagt werden Möglich sind darnach auch ein zwei- odei dieiwocmge ja sogar tageweise Fahrverbote Solche kurzfristigen Fahl v ei böte machen indessen die \Vnkung der Massnahme illusomeli \\ir sehen üahei \oi, die Mmdestdauei des Fahrverbotes auf einen Monat festzulegen Damit setzen wir beim Fahren m angetrunkenem Zustand bewusst eine unterschiedliche Mmdestdauer zum F ohrerausweisentzug, dei bei diesem Tatbestand im mindestens zwei Monate angeordnet werden muss (Art 17 Abs l Est b S\G) Wir tun dies aus zwei Giunden Emeiseits ist das Fahrrad das rangmässig einfachste Fahizeug im Stiassenver Lei r Wer heute auf ein Fahiiad angewiesen ist wud schon durch ein einmonatlge Fahrverbot in seiner Bewegungsfreiheit schwer betroffen Andeiseits ist dem 1 oa einem Radfahrverbot Beüoftenen immer auch der Fühleraus,/eis zu entziehen, wenn er einen besitzt, währenddem umgekehrt der Pnson der dei Fuhreiausweis entzogen wud, m der Regel die Möglichkeit belassen Wird während der Dauer des Fuhrerausweisentzuges em Fahrrad zu benutzen (Art 28 BRB vom 27 Äug 1969 über administrative Austuhrungsbestimmungen zuu S\G) In dieser Regelung sehen wir eine sinnvolle Berücksichtigung des Giundsatzes dei Verhaltnismassigkeit im Massnahmerecht Die Beachtung dieses Grundsatze-, fühlt dazu, dass ein mit dem Radfahrveibot verbundener Fuhrerausweisentzug ungeachtet der gesetzlichen Bestimmungen für die Motorfahrzeugfuhrer auch für die Dauer von mindestens einem Monat verfugt weiden kann AI tikel 24 In Absatz l schlagen wu vor dass die Kantone von Bundesrechls wegen verpflichtet werden, von der Verwaltung unabhängige Rekursbehoiden einzusetzen Die
Verwaltungsgerichtsbarkeit ist auf Bundesebene seit der Revision 1968 des Organisationsgesetzes (OG) venvnkhcht Sie hat in eis toi Lime zum Zweck dem larch \ Verwaltungsverfügung in seinen eigenen \ou dei Reditsoidnung an erkannten Interessen veiletzten Burger Schutz zu gewahien Die heute bestehende Tendenz zielt auf eine Veiwaltungskontiolle durch unabhängige Rekursinstanzen hm Auch aut dem Gebiete des Straßenverkehrs wurde dei Ruf darnach verschiedentlich laut So lasst sich die im Patlament (vgl Postulate Kuizmejer und Wenger m Ziff 211 vorn) und auch von A.utomobihstenverbanden gefoideite

1186 Einführung des strafrichterlichen Führerausweisentzuges auf das Bedürfnis nach einem verstärkten Rechtsschutz des Bürgers zurückführen. Die hier in Frage kommenden strassenverkehrsrechtlichen Verwaltungsmassnahmen (Führerausweisentzug, Fahrverbot, administrative Verwarnung, Fahrlehrerausweisentzug) stellen einen bedeutenden Eingriff in die persönlichen Rechte des Bürgers dar.

Die Gewährleistung einer richtigen Anwendung der Verwaltungsrechtsnorrnen und der Beachtung der Verfahrensgrundsätze durch verwaltungsunabhängige Beschwerdeinstanzen ist demzufolge hier besonders bedeutsam. Dieser umfassende Rechtsschutz soll dem Bürger jedoch nicht nur auf Bundesebene, d. h. durch das Bundesgericht letztinstanzlich, sondern schon im kantonalen Beschwerdeverfahren garantiert werden.

Der allgemeinen Tendenz zur Verstärkung des Rechtsschutzes folgend, haben bereits einige Kantone zur Beurteilung strassenverkehrsrechtlicher Massnahmen verwaltungsunabhängige Oberinstanzen geschaffen, z. B. die Kantone Solothurn, Aargau und Genf ein Verwaltungsgericht und der Kanton St. Gallen eine Verwaltungsrekurskommission. Im Kanton Bern ist auf Grund des neuen kantonalen Strassenverkehrsgesetzes eine Rekurskommission als Oberinstanz einzusetzen. Dass die Verwirklichimg der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht beim Bund haltmachen, sondern auch in den Kantonen erfolgen soll, kommt indirekt auch im revidierten OG zum Ausdruck: Nach Artikel 105 Absatz 2 OG ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen nur gebunden, wenn eine verwaltungsunabhängige Rekurskommission oder ein kantonales Gericht als Vorinstanz entschieden hat.

Unser Vorschlag bedeutet einen gewissen Eingriff in die Rechte der Kantone. Dieser Eingriff ist aber nicht besonders gross und stellt an sich keine Neuheit dar ; denn die gleiche Verpflichtung wurde den Kantonen schon in Artikel 85 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung auferlegt. Die richterliche Beurteilung eines so erheblichen Eingriffes in die persönlichen Rechte, wie ihn die strassenverkehrsrechtlichen Verwaltungsmassnahmen darstellen, rechtfertigt sich mindestens in gleichem Masse wie bei der Zusprechung einer Alters- oder Invalidenrente. Für den Vollzug der von uns beantragten Bestimmung wird der Bundesrat den Kantonen eine angemessene
Übergangsfrist einräumen.

Im Vernehmlassungsverfahren haben sich 14 Kantone gegen unseren Vorschlag ausgesprochen, dagegen hat ihm die Ständige Strassenverkehrskonimission mit überwiegender Mehrheit zugestimmt.

In den Absätzen 2-7 beantragen wir eine Anpassung des Beschwerdeverfahrens an das revidierte OG und an das VerwaltungsVerfahrensgesetz (VwG).

Mit der Revision des OG wurde neu das Bundesgericht als letzte Instanz für die Beurteilung strassenverkehrsrechtlicher Massnahmen eingesetzt. Bei der Revision des OG wurde unterlassen, das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement als Beschwerdeinstanz auszuschalten. Unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie isi es unerwünscht, dass in der gleichen Angelegenheit (z.B. Führerausweisentzug oder Fahrverbot) zwei Bundesinstauzen mit praktisch der gleichen

1187 Kogmtion urteilen Wir sehen deshalb nun im SVG die Ausschaltung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements als Zwischeninstanz \or 4bs 2, soweit die Verwaltungsgenchtsbeschwerde an das Bundesgencht nicht nach den Artikeln 99 ff OG unzulässig ist Im letzten Fall bleibt das Eidgenössische Justizund Pohzeidepartement - wie bisher - die letzte Beschwei demstanz (Abs 3j Der Absatz 4 entspricht mit einer etwas klareren Formulieiung dem heutigen Absatz 3 Wo das Eidgenössische Justiz- und Pohzeidepartement nach den Absätzen 3 und 4 als Beschwerdeinstanz des Bundes eingesetzt ist, entscheidet es nach Absatz 5 - wie bisher - endgültig Der Absah 6 i egei t die Beschwei delegitimation Neben dem duich die Verfügung Betroffenen wild in erstei Linie der erstmstanzhch verfugenden Behörde das Beschwerderecht eingeräumt ' Bsi a) Dadurch erhalt diese Behörde Paiteistellung, was dem Sinne der duich die Kantone nach Absatz l einzuführenden Verwaltungsgerichtsbarkeit entspricht Ferner steht das Beschwerderecht - wie bisher - auch dei zustandigen Behörde des Kantons zu dei einem ändern Kanton eine Massnahme beantragt hat (Bst b Das revidierte OG laumt als Neuheit die Beschwerdelegitimation gegen Verfugungen (Entscheide) der letzten kantonalen Instanzen den m der Sache zustandigen Departementen dei Bundesverwaltung ein, soweit das Bundesrecht nicht die sachlich zustandigen Dienstabteilungen dazu ermächtigt (Art 103 Bst b OG1 Im Sinne dieser Bestimmung vuid im vorgeschlagenen Buchstaben c schhesslich die Eidgenossische Pohzeiabteilung als die in der Sache zustandige Dienstabteilung der Bundes\ erwaltung zur Veiwaltungsgenchtsbeschwerde als berechtigt erklart Diese Dienstabteilung veiiugt über die erforderlichen Fachkenntnisse und ist daher in dei Lage, dem eigentlichen Zweck des revidierten OG entsprechend dafür zu sorgen dass die strassenverkehrsrechtliche Massnahmenpraxis in der ganzen Schweiz nach einheitlichen Grundsätzen im Sinne des SVG angewendet wird Damit die Eidgenossiche Pohzeiabteilung dieser Aufgabe gerecht werden kann sind ihi - was sich aus Artikel 103 Buchstabe b OG ergibt - alle letztmstanzlichen kantonalen Entscheide zur Kenntnis zu bringen Im Absatz 7 wird der Vollständigkeit halber auf die einschlägigen Veifahrensbestimmungen des OG und des \ wG verwiesen die im Verwaltungsçenchlsverfahren
vor Bundesgencht und im \eiwaltungsveriahren voi dem Eidgenössischen Justiz- und Pohzeidepartement Anwendung finden Die Beschwerdefnsten entsprechen dem Artikel 106 OG und dem Artikel 50 Vw G Mit der vorgeschlagenen Revision \on Artikel 2übernehmenen w u emige Bestimmungen aus dem revidieiten OG und dem VwG Man konnte sich tragen, ob dies notwendig sei Wir haben diese Frage aus folgendem Grunbejahtht Das SVG mitsamt seinen Ausfuhmngserlassen stellt eine umfassende Regelung eines wichtigen Rechtsbereiches dar Dem Strassenverkehrsrechl kommt Kodifikaüonschaiakter zu Zu dieser rechtlichen Einheit gehören a u c d i e i e wichtigsten Verfahrensnormen Wir glauben dahei mit dem vorgeschlagenen Artikel 24 sowohdieserel Rechtseinheit ah auch den m der Praxis stehenden Rechtsveuretei a

1188 und vor allem auch dem durch Verwaltungsmassnahmen betroffenen Bürger einen wirklichen Dienst zu erweisen. Wo Wiederholungen aus dem OG oder dem VwG übernommen werden, halten sie sich an den Wortlaut dieser beiden Gesetze.

Artikel 25 In Absatz 2 Buchstabe c beantragen wir eine redaktionelle Verbesserung. Sie soll klarer zum Ausdruck bringen, dass der Bundesrat die umfassende Kompetenz zur Regelung aller Fragen besitzt, die sich auf den Fahrlehrerberuf beziehen.

Darunter fallen insbesondere auch Vorschriften über die Grundanforderangen, die Ausbildung und Prüfung der Fahrlehrer sowie über die Berufsausübung und die Mittel für die Kontrolle der richtigen Berufsausübung. Obwohl die im Bundesratsbeschluss vom 2. Juli 1969 über Fahrlehrer und Fahrschulen enthaltenen Bestimmungen sich nach einem Rechtsgutachten von Herrn Prof. Dr. Marti gesamthaft schon auf die heute geltende Gesetzeskompetenz abstützen können, wurde im Vernehmlassungsverfahren zu Artikel 56 SVG (Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer) der Einbezug der Fahrlehrer gewünscht. Die Regelung der Arbeits- und Ruhezeit der Fahrlehrer und der zur Kontrolle erforderlichen Mittel gehört jedoch systematisch nicht in Artikel 56 SVG, sondern in Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe c. Dem genannten Wunsch kommt unsere redaktionelle Verbesserung entgegen.

Im neuen Absatz 4 schlagen wir vor, dem Bundesrat die Kompetenz zur Obligatorischerklärung von Kursen in lebensrettenden Sofortmassnahmen für angehende Motorfahrzeugführer einzuräiimen.

Der Direktionsrat des Schweizerischen Roten Kreuzes hat in einer Resolution vom 3. Februar 1972 festgestellt, dass die Verkehrsunfälle in der Schweiz nicht zuletzt deshalb so erschreckende menschliche und wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen, weil die meisten Autofahrer nicht wissen, wie Schwerverletzte bis zum Eintreffen des Ambulanzdienstes behandelt werden müssen. Viele Verkehrsopfer brauchten nicht zu sterben, wenn sie dank einfacher Massnahmen lebend in das Spital eingeliefert werden könnten.

Aus der Erkenntnis heraus, dass jeder einzelne Motorfahrzeugführer zur Schaffung von Gefahren beiträgt, hat die auf Erwägungen der Billigkeit beruhende generelle Kausalhaftung im Strassenverkehrsrecht eine vorrangige Bedeutung erhalten. Es mag stossend wirken, dass zwar in der Versicherungsgesetzgebung
die Begriffe und Forderungen von Rettungs- und Schadenminderangspflicht bei Sachschäden geläufig sind, dass es aber an den Voraussetzungen zu der tuigleich wichtigeren Rettung und Lebenserhaltung verletzter Unfallopfer gebricht.

Tn eidgenössischen und kantonalen parlamentarischen Vorstössen (auf Bundesebene vgl. die Postulate Bratschi und Bräm in Ziff. 211 ; auf kantonaler Ebene vgl. Kleine Anfrage Künzi vom 18. Nov. 1968 im Kantonsrat Zürich und Interpellation Müller vom 30. Juni 1970 im Grossen Rat des Kantons Thurgau) und in

1189 der weitem Öffentlichkeit war m den letzten Jahren stets wieder die Forderung eihoben worden, die Automobilisten zu Kursen m lebensrettenden Sofortmassnahmen zu verpflichten Mit Datum vom 15 Dezember 1972 legte eine Arbeitsgruppe des Schweizerischem Roten Kreuzes dem Eidgenossischen Justiz- und Polizeidepartement einen umfassenden Bericht und Antrag zur obligatorischen Ausbildung der Fahrausweisbewerber m den lebensrettenden Sotortmassnahmen vor Wie diesem Bericht entnommen werden kann \erfugt der Schweizerische Samanterbund heute über &n ausgereiftes Programm zur Durchführung von Nothelferkursen, das sich auf die jedermann zumutbaren lebensrettenden Sofortmassnahmen beschrankt und das im wesentlichen auch von der Armee und vom Zivilschutz übernommen worden ist Der Samariterbund und andere Hilfsorganisationen des Schweizerischen Roten Kreuzes \erfugen im ganzen Land über Vereine und Instruktoren mit deren Hilfe eine obligatorische Ausbildung aller Fahrausweisbewerber organisatorisch durchfuhrbar wäre In Berücksichtigung des Umstandes, dass bei einer gesicherten kontinuierlichen Nachfrage nach Nothelferkursen vermehrt Instruktoren ausgebildet werden mussten erklaren die Fachleute die praktische Verwirklichung der notwendigen Kurse nach Ablauf von zwei Jahren, vom Zeitpunkt der Inkraftsetzung einer entsprechenden Bestimmung an geiechnet, als möglich Ein Kursobhgatonum sollte keine Beanspruchung öffentlicher Mittel nach sich ziehen da der Kandidat ein bescheidenes Kursgeld gedacht wird zurzeit an einen Betrag von etwa 30 Franken für den ganzen Kurs zu entrichten hatte Die Sofortmassnahmen bestehen \or allem in der Bergung der Verletzten und der Abwendung unmittelbar lebensbedrohender Zustande wegen \ersagens von Atmung und Kreislauf Da ein unsachgemasses Bergen, ein ungunstiger Lagewechsel oder eine unrichtige Lagerung des \erletzten schwerwiegende Fol-gen nach sich ziehen kann sollten die helfenden Personen m der Lage sein die wichtigsten möglichen Schädigungen der Unfallopfer zu erkennen und zu beurteilen Die vom Eidgenossischen Justiz- und Polizeidepartement eingesetzte Studiengruppe zur Bekämpfung der Verkehrsunfalle hat sich m ihiem Bericht (vgl Ziff 212) nicht für eine Obhgatonscherklarung \on Nothelferkursen ausgesprochen Auch in Arztekreisen wurde teilweise die Meinung vertreten, die
Priorität bei der Rettung Verletzter komme eher dem raschen Transport zu Das Problem obligatorischer Kurse in lebensrettenden Sofortmassnahmen kam daher erst relativ spat zur Behandlung und konnte nicht mehr in das \ ernehmlassungsverfahren einbezogen werden Immerhin hat sich die Ständige Strassenverkehrskommission schon einmal im Jahre 1969 mit diesem Problem befasst und die Obhgatonscherklarung \on Kursen in lebensrettenden Sofortmassnahmen mit sehr knapper Mehrheit befürwortet Der Bundesrat ist zur Überzeugung gelangt, dass die Ausbildung der angehenden Motorfahrzeugfuhrer in Erster Hilfe einen wirksamen Beitrag zur Minderung der Unfallfolgen darstellt und m Form einer Kompetenzbestimmung ohne Beschrankung der Memungsausserung in die \ erliegende Revision einbezogen werden kann Die konkreten Anforderungen an solche Kurse

1190 und deren Durchführung lassen sich dann auf Grund eines Vernehmlassungsverfahrens zu den bundesräthchen Vollzugsbestimmungen bereinigen.

Der bisherige Absatz 4 rückt unverändert als Absatz 5 nach.

33

Änderungen im III. Titel « Verkehrsregeln »

Artikel 26 Die Änderung in Absatz l betrifft nur den französischen Text und ist rein redaktioneller Natur. Währenddem der deutsche und der italienische Text den Ausdruck «Strasse» bzw. «strada» verwenden, wie er m Artikel l Absatz l der Verkehrsregelnverordmmg vom 13. November 1962 (VRV) definiert wird, spricht der französische Text von «chaussée». Dieser französische Begriff ist nach der Definition in Artikel l Absatz 4 VRV spezifisch eingeschränkter und muss daher durch den Ausdruck «route» ersetzt werden. Artikel 26 Absatz l SVG bezieht sich nicht nur auf die Fahrbahn im engern Sinn, sondern auf die Strasse im Sinne einer von Motorfahrzeugen, motorlosen Fahrzeugen oder Fussgängern benützten Verkehrsfläche.

Artikel 30 In Absatz l schlagen wir eine redaktionell klarere Formulierung vor. Nach der geltenden Bestimmung ist es unklar, wer für das Mitführen von Personen auf Motorfahrzeugen und Fahrrädern verantwortlich ist. Nach unserem Vorschlag wird deutlich gesagt, dass der Fahrzeugführer für die Übertretung dieser Vorschrift bestraft werden muss.

Artikel 46 In Absatz 2 beantragen wir ein grundsätzliches Verbot des Nebeneinanderfahrens von Radfahrern. Ausnahmen sollen auf Verordnungsstufe möglich sein.

Unser Revisionsvorschlag bringt eine Akzentverschiebung. Während nach geltendem Recht Radfahrer grundsätzlich nebeneinander fahren dürfen, soweit die in Artikel 43 VRV umschriebenen Verkehrsverhältnisse nicht zum Hintereinanderfahren zwingen, soll nun das Nebeneinanderfahren im Gesetz ausdrücklich verboten und die Ausnahmen in die VRV verwiesen werden. Für diese Umstellung sprechen drei Gründe. Einmal die Verkehrssicherheit. Seit dem Erlass des SVG hat der Verkehr auf unsern Strassen derart zugenommen, dass das Nebeneinanderfahren für Radfahrer praktisch ausgeschlossen wird oder in den meisten Fällen doch nur unter Gefahren für andere Fahrzeugführer und die Radfahrer selbst erfolgen kann. Das grundsätzliche Verbot des Nebeneinanderfahrens dient einerseits der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs und anderseits dem Schutz der Radfahrer. Ferner geht das internationale Übereinkommen vom 8. November 1968 über den Strassen verkehr (sog. Wiener Übereinkommen) in Artikel 10 Ziffer 3 davon aus, dass das Gebot des Rechtsfahrens auch für Radfahrer gilt und das Nebeneinanderfahren grundsätzlich ausschliesst. Das
Wiener Übereinkommen ermöglicht in Artikel 27 Ziffer l den Vertragsstaaten, vom grundsätzlichen Verbot des Nebeneinanderfahrens Ausnahmen zu gestatten. Unser Vorschlag ist auf

1191 dieses Übereinkommen abgestimmt, das von der Schweiz unteizeich.net ist und m absehbarei Zeit auch ratifiziert werden soll Schhesshch bringt die von uns beantiagte Änderung eine bessere systematische Übersicht im Gesetz das giundsatzhche Veibot und m der VRV einen gegenüber heute kleineren Katalog von Ausnahmen Diese Ausnahmen werden sich. \vie auch im Vernehmlassungsverfahren gewünscht wurde insbesondere auf zwei Bedurfnisse beziehen Das Nebeneinanderfahren soll eilaubt sein beim Radfahren m geschlossenem Verband und bei dichtem Fahrrad\erkehi wenn die Strasse bieit ist Dei Bundesrat wird diesen Bedurfnissen duich eine VRV -Änderung Rechnung tragen Wir schlagen Streichung von Absat: 3 MZÏ Diese Bestimmung regelt den seltenen Fall, dass Motorfahrzeuge und Radfahrer m der gleichen Kolonne, d h hintereinander, fahren Dieser Fall kommt praktisch nur noch auf schmalen Strassen vor und wird m Artikel 42 Absatz 3 VRV hinreichend dadurch normiert dass die Radfahrei sich namentlich nicht vor haltende Wagen stellen dürfen Der heutige Absatz 3 von Artikel 46 SVG steht in seiner allgemeinen Formulierung auch im Widerspruch ziu praktischen A erkehrsabwicklung, dei Aitikel 42 Absatz 3 VRV im eisten Satz bessei Rechnung tragt indem ei bei genügend freiem Raum den Radfahrein das Rechts\ orfahren neben emei Motorwagenkolonne erlaubt Diese praktische Veikehisabvucklung macht die geltende gesetzliche Regelung undurchsetzbar Sie kann dahei ohne Nachteil gestrichen werden zumal die konkrete Regelung des Verkehrs zwischen Motorwagen und Radfahiern m dei VRV genügt Im Vernehmlassungs\erfahren winde mit Nachdruck gewünscht, dass das slalomartige Überholen von Motorwagen duich Radfahrer ausdrücklich verboten weide Dieser Wunsch ist berechtigt Der Bundesrat ist daher willens dieses Verbot m Artikel 42 Absatz 3 VRV e nzubauen Anikel 47 Wir beantiagen die Aufhebung \on Absat: 2 aus denselben Granden die wir für die Stieichung von Artikel 46 Absatz 3 SVG angetuhit haben Das Verhalten dei Motoiradfahrer im Kolonnenveikehr ist überdies m Aitikel 8 Absatz 3 VRV hinreichend geregelt Anikel 55 Im neuen Absat: l beantragen wn dem Bundesiat die Kompetenz zur rechtssatzmassigen Veiankeiungdes für die Annahme dei Angeüunuenheitmassgebenden Blutalkohol-Gienzwertes zu übertr agen Der Gesetzgebei hat auf die Festlegung eines
Blutalkohol-Gienzwertes im Gesetz seinerzeit bewusst verzichtet Mit dei Übertragung dei rechtlichen Würdigung an dierechtsannwendenden Behoiden (Ait555 Abs 3 Satz 2 SVG) wollte ei damals veihindern «dass eine Gien/e angesetzt wird von dei an immer Angetiunkenheit angenommen weiden muss, daiuntei abei nicht» (Sten Bull

1192 Nr. 1957, S. 215). Seither hat sich die Lage geändert. Mit BGE 90 IV 159 hat das Bundesgericht, gestützt auf ein Gutachten der drei Professoren Läuppi (Bern), Bernheim (Genf) und Kielholz (Basel) vom 30'. Mai 1964 (veröffentlicht in SJZ 1965, S. 149 ff.), die Grenze auf 0,8 Promille festgesetzt, bei der die Angetrunkenheit undwiderlegbar, d. h. unabhängig von weitern Beweisen und individueller Alkoholverträglichkeit, anzunehmen ist. Der bundesgerichtliche BlutalkoholGrenzwert von 0,8 Promilleii hat heute praktisch Normcharakter angenommen; denn jeder Fahrzeugführer, der diesen Alkoholgehalt im Blut aufweist, hat die gesetzlichen Strafen und Administrativmassnahmen zu gewärtigen. Derart für den Bürger verbindliche Normen, die in Straf- und Administratiwerfahren Anwendung finden, sollten aus rechtsstaatlichen Gründen in einem rechtssetzenden Verfahren promulgiert sein und nicht durch Gerichte auf dem Wege der Auslegung von Bestimmungen gefunden werden müssen. Für eine rechtssatzmässige Verankerung des Blutalkohol-Grenzwertes spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit, nach dem der Bürger darauf Anspruch hat, diese Norm und ihre Folgen im voraus zu kennen. Aus denselben Gründen hat die Europäische Verkehrsmmister-Konferenz (CEMT) am 14. Juni 1968 eine Resolution angenommen, wonach der Grenzwert für die Angetrunkenheit in der nationalen Gesetzgebung festzulegen sei. Die Schweiz hat seinerzeit dieser Resolution zugestimmt.

Ob der Rechtssatz, in dem der Blutalkohol-Grenzwert allgemeinverbindlich festgesetzt wird, im Gesetz selbst oder in einer bundesrätlichen Verordnung verankert wird, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle; denn in beiden Fallen erfolgt die Entscheidung auf Grund eines einlässlichen Vernehmlassungsverfahrens. Aus vorwiegend praktischen Gründen schlagen wir die Festlegung des Grenzwertes für die unwiderlegbare Annahme der Angetrunkenheit auf dem Verordnungsweg vor. Der Blutalkohol-Grenzwert dient der Unfallverhütung und würde in Nachachtung des genannten Gutachtens auch vom Bundesrat auf 0,8 Promille festgelegt. Bereits heute aber wird schon diskutiert, diese Grenze auf 0,5 Promille herabzusetzen, wie sie verschiedene Staaten kennen. Auch die Tendenz der Weltgesundheitsorganisation geht in dieser Richtung. Wenn sich ein solcher Schritt auf Grund neuer wissenschaftlicher
Erkenntnisse und zur Verhinderung des weiteren Anstieges der Alkoholunfälle auch für die Schweiz aufdrängt, so ist das sofortige Handeln des Bundesrates dem zeitraubenderen Weg der Gesetzesrevision vorzuziehen. Unser Vorschlag sieht daher die Kompetenzerteilung an den Bundesrat vor. Durch den Vorbehalt anderer Beweismittel in Absatz l Satz 2 wird weiterhin ermöglicht, dass die rechtsanwendenden Behörden Angetrunkenheit auch bei Werten von weniger als 0,8 Promillen annehmen können, wenn in Berücksichtigung aller konkreten Umstände auf die Fahruntauglichkeit wegen Alkoholeinwirkung geschlossen werden muss.

Die Ständige Strassenverkehrskornmission hat sich mit Zweidrittelmehrheit für die rechtssatzmässige Verankerung des Blutalkohol-Grenzwertes ausgesprochen und mit ganz wenigen Gegenstimmen die Kompetenzerteilung an den Bundesrat befürwortet.

1193

Als Absätze 2 und 3 werden die geltenden Bestimmungen der Absätze l und 2 unverändert übernommen Der bisherige Absatz 3 wird untei der sich aus dem neuen Absatz l ergebenden Streichung des zweiten Satzes als 4bsat: 4 angefugt Artikel 56 In Absatz l sehen wir vor, die Regelung der Ferien und die Berücksichtigung der gesamtarbeitsvertraglichen Regelungen bei der Ordnung der Arbeits- und Ruhezeit von berufsmassigen Motorfahrzeugfuhrern fallen zu lassen Hinsichtlich der Fenenregelung unterstehen die berufsmassigen Motorfahrzeugfuhrer, soweit sie den PTT-Betneben oder konzessionierten A.utomobilunternehmen mit öffentlichem Lmienveikehr angehören, dem Arbeitszeitgesetz vom 8 Oktober 1971 (AZG) oder m allen ändern Fallen dem Arbeitsvertragsiecht des revidierten OR (seit l Febr 1966 m der Fassung von Art 341bl* und seit l Jan 1972 in der Fassung von Art 329 a) Das \rbeitszeitgesetz regelt den Fenenanspruch zwischen drei und fünf Wochen detailheit abschhessend, währenddem das Arbeitsvertragsrecht des OR einen Fenenanspruch von mindestens zwei Wochen gaiantiert und eine daiuber hinausgehende Fenenregelung den Arbeitserträgen (Einzel- Normal- oder Gesamtarbeitsve tragen) voibehalt Diese detailheite Fenenregelung im Arbeitszeitgesetz erklait sich daraus, dass im Bereich des ihm untei stehenden öffentlichen 'Verkehrs Gesamtarbeitsverträge piaktisch fehlen Der Grosstell der berufsmassigen Vfotorfahrzeugfuhier untersteht jedoch dei Chauffeurverordnung, wobei ergänzende gesamtarbeitsveitragliche Regelungen weit verbreitet sind, für diese Chauffeure will der Gesetzgebei die abweichende Regelung der im OR festgelegten Mmdesttenenzeit der Vertragsfreiheit ubeJassen Dieses Konzept der Fenenregelung m den beiden genannten Gesetzen ist umfassend und genügt für eine zusätzliche Regelung der Fenen der berufsmassigen Motorfahrzeugfuhrer im Rahmen des SVG ist daher kein Platz mehr Aus diesen Gründen hat denn auch der Bundesrat m der Chauffeurverordnung vom 18 Januar 1966 auf eine besondeie Fenenregelung verzichtet Als Folge dei neuen Regelung im Arbeitszeitgesetz und im OR ist in Artikel 56 Absatz l SVG die Wendung «und Ferien» zu streichen Gleichzeitig beantragen wir dass der Bimdesrat bei dei Ordnung der Arbeits-*und Ruhezeit für die berufsmässigen Motortahrzeugfuhier nur noch die gesetzlichen und nicht mehi auch die
gesamtarbeitsv ertraglichen Regelungen zu berücksichtigen hat Zunächst ist es schon von der Sache her problematisch, im SVG eine gesetzliche Verpflichtung zu erlassen, Gesamtarbeitsveitrage zu berücksichtigen, die häufigen Änderungen unterliegen und auf deren Inhalt der Bundesrat kemeilei Emfluss hat Nach der Entstehungsgeschichte hatte man mit dem Hinweis auf die gesamtarbeitsv erträglichen Regelungen in erster Linie vergleichbare Tätigkeiten m mchtindustnellen Betrieben im Auge, für die es bei Erlass des SVG keine gesetzliche Regelung sondern bloss Gesamtarbeitsvertrage gab, die jedoch heute unter die sehr detaillierte Regelung des Arbeitsgesetzes vom

1194 13. März 1964 fallen. Jedenfalls wollte der geltende Artikel 56 Absatz l keinesfalls die wechselnden Gesamtarbeitsverträge den gesetzlichen Regelungen vorziehen, sondern die Gesamtarbeitsverträge bei der Regelung der Arbeits- und Ruhezeit in der Chauffeurverordnung subsidiär berücksichtigen.

Dagegen muss der Bundesrat in der Chauffeurverordnung bestehende gesetzliche Regelungen für vergleichbare Tätigkeiten mitberücksichtigen. Als solche kommen hauptsächlich das (bei Erlass des SVG noch nicht bestehende) Arbeitsgesetz vom 13. März 1964, das Arbeitszeitgesetz vom 8. Oktober 1971 und teilweise auch öffentlichrechtliche Dienstvorschriften in Betracht. Dabei kann es sich nicht um eine schematische Kopierung anderer gesetzlicher Regelungen handeln, sondern die Chauffeurverordnung soll eine eigenständige, den besonderen Verhältnissen des Autotransportgewerbes Rechnung tragende Ordnung sein; aus diesem Grunde ist sie in Artikel 71 Buchstabe a des erwähnten Arbeitsgesetzes ausdrücklich ausgeklammert worden. Dem Bundesrat muss schon deshalb ein weiter Ermessungsspielraum bleiben, weil die Berücksichtigung «vergleichbarer Tätigkeiten», die anderen gesetzlichen Regelungen unterliegen, diskutabel und weitgehend eine Ermessensfrage ist, wie auch ein 1971 von der Hochschule St. Gallen erstelltes Gutachten zeigt. Im übrigen zwingt der rege grenzüberschreitende Lastwagenverkehr mit den EWG-Ländern dazu, auch die geltende EWGRegelung in die Überlegungen einzubeziehen.

Im neuen Absatz 2 Buchstabe a schlagen wir vor, die Kompetenz des Bundesrates, die Chauffeurverordnung auch auf Fahrten im Ausland als anwendbar zu erklären, ausdrücklich im Gesetz zu verankern.

Unser Vorschlag klärt einerseits einen juristischen Kompetenzkonflikt und entspricht anderseits der europäischen Rechtsentwicklung auf diesem Gebiet.

Der Bundesrat hat den geltenden Artikel 56 entsprechend Entstehungsgeschichte und Zweck von allem Anfang an als umfassende Kompetenznorm aufgefasst, die auch die Regelung der Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer im grenzüberschreitenden Verkehr einschliesst. Er hat aus dieser Überzeugung die Chauffeurverordnung nicht nur auf ausländische Berufsfahrer in der Schweiz, sondern auch auf schweizerische Berufsfahrer im Ausland als anwendbar erklärt (Art. l Abs. 4 der Chauffeurverordnung). Verschiedene
kantonale Gerichte (z. B. Obergericht Aargau und Bezirksgericht Schaffhausen) haben die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigt. Demgegenüber wurde in einem von privater Seite eingeholten Gutachten mangels ausdrücklicher Erwähnung im Gesetz dem Bundesrat die Kompetenz abgesprochen, die Chauffeurverordnung als auf Auslandfahrten anwendbar zu erklären. Auf Grund dieses Gutachtens ist der Vollzug der Chauffeurverordnung in einigen Kantonen in diesem Punkt in Frage gestellt, weil über die Rechtslage eine gewisse Unsicherheit besteht. Um für die Zukunft alle Zweifel über den Kompetenzumfang auszuschhessen, soll nun die Zuständigkeit ausdrücklich im Gesetz verankert werden.

Auf der aridem Seite entspricht die Anwendung der Chauffeurverordnung auf Auslandfarirten der internationalen Tendenz. Das von der Schweiz unterzeichnete Europäische Übereinkommen vom l. Juli 1970 über die Arbeit des im

1195 internationalen Strassenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) verpflichtet m Artikel 4 die Vertragsstaaten, bei grenzüberschreitenden Transporten im Ausland die gegenüber dem AETR strengeren Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeit der nationalen Gesetzgebung anzuwenden Nach Ratifikation des AETR hat demnach die Schweiz die Pflicht, die Chauffeun eiordnung auch auf Auslandfahrten anzuwenden soweit ihre Bestimmungen strenger sind als diejenigen des AETR Diese Regelung im AETR unterstutzt die Bemühungen der nationalen Gesetzgebungen zum Schütze der Verkehrssicherheit und der Arbeitnehmer möglichst strenge Vorschnften zu erlassen Solche Bemühungen wurden auch m der EWG unternommen, hat sie doch für die EWG-Lander ein Reglement erlassen, das zum Teil strengere Bestimmungen enthalt als die Chauffeurverordnung und überdies Belange regelt die m der Schweiz nicht erfasst sind Dieses EWG-Reglement gilt seit l Oktober 1969 nach dem Terntonalitatspi mzip auch für ausländische Fahrzeugfuhrer, die im EWG-Raum berufsmassige Transporte durchführen In mühsamen Verhandlungen haben sich die EWG-Lander vorlaufig damit einverstanden erklart dass die schweizerischen Chauffeure im EWGRaum wenigstens die Bestimmungen der schweizerischen Chauffearverordnung beachten Es besteht kein Zweifel dass die EWG die Sonderbehandlung der schweizerischen Berufsfahrer sofort rückgängig machen wurde, wenn die schweizerische Chauffeurverordnung auf Auslandfahrten als nicht anwendbar erklart wuide Diese internationale Entwicklung in der Regelung des berufsmassigen Motorfahrzeugverkehrs macht es unumgänglich, dass die Chauffeurverordnung auch auf Auslandfahrten zur Geltung kommt Es ist unbestritten, dass die ·vorgeschlagene Bestimmung im SVG verankert werden kann Wie der Gesetzgeber in ändern Fallen Auslandtatbestande im Gesetz selbst dem schweizerischen Recht unterstellt hat (v gl Art 85 und 101 SVG), so kann er auch dem Bundesrat m konkreten Fallen die Kompetenz erteilen, dies zu tun Schhesslich sei darauf hingewiesen, dass der «Expoit» nationaler Vorschnften ms Ausland, d h die teilweise Durchbrechung des Tenitonahtatsprmzipes durch eine Alt Flaggenprmzrp den modernen Tendenzen des Verkehrsrechtes entspricht und im schweizerischen Seeschiffahrts- und Luftrecht seit langem verwirklicht ist (vgl Art 4 Abs 2 des Seeschiftahrtsgesetzes
vom 23 Sept 1953, Art 97 des Luftfahrtgesetzes vom 21 Dez 1948) Das Arbeitszeitgesetz (Art l Abs 3) hat für den ganzen öffentlichen Verkehr und damit auch für die Eisenbahnen die gleiche Regelung eingeführt In Absatz 2 Buchstabe b wird das geltende Recht unverändert übernommen Der zweite Satz des bisherigen Absatz 2 soll gestrichen werden, da er überflüssig ist denn auch hinsichtlich Verkehrsregeln, Bau und Ausrüstung usw fehlt ein| analoger Voi behalt dei internationalen Vereinbarungen Aitikel57 In einem neuen Absatz 4 sieht unser Vorschlag die Erteilung der Kompetenz an den Bundesrat vor, die Mittel zur Störung oder Erschwerung polizeilicher Verkehrskontrollen zu verbieten

1196 Die wirksame Durchsetzung der Strassenverkehrsvorschriften ist ein unerlässliches Gebot für die sichere Abwicklung des Verkehrs. Den polizeilichen Verkehrskontrollen kommt daher sehr grosse Bedeutung zu sowohl wegen der erzieherischen Wirkung des häufigen Patroullierens als auch, weil sie die Verzeigung der fehlbaren Fahrzeugführer ermöglichen. Seit der versuchsweisen Einführung der generellen Geschwindigkeitsbeschränkung ausserorts hat ein reger Handel mit Radarwarngeräten eingesetzt, die dem Fahrzeugführer die von der Polizei zu amtlichen Geschwindigkeitskontrollen aufgestellten Radarmessgeräte in einiger Distanz voraus ankündigen und ihm damit ermöglichen, die Geschwindigkeit rechtzeitig auf das erlaubte Mass herunterzusetzen. Diese Radarwarngeräte sind deshalb als unzulässig zu betrachten, weil sie den Fahrzeugführern ein ungestraftes Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeiten problemlos erlauben und damit die Erfassung gerade der notorischen Schnellfahrer ausschliessen. Die Benützung solcher Radarwarngeräte gilt zwar als Regalverletzung im Sinne des Telegrafen- und Telefonverkehrsgesetzes vom 14. Oktober 1922 und ist darnach auch strafbar. Dagegen fällt der blosse Handel mit solchen Geräten nicht unter das Fernmelderegal. Dieser Handel soll mit unserem Revisionsvorschlag verboten werden können.

Die Formulierung der neu vorgesehenen Bestimmung bezieht sich nicht nur auf die genannten Radarwarngeräte, sondern ist so allgemein gehalten, dass auch andere Mittel zur Störung oder Erschwerung der Polizeikontrollen untersagt werden können. Damit kann weiteren auf diesem Gebiet im Handel erscheinenden Vorrichtungen, die heute noch unbekannt sind, die Wirkung versagt werden.

Um solchen neuen technischen Errungenschaften gegenüber rasch das Nötige vorkehren zu können und weil das erst kürzlich aufgetauchte Problem nicht mehr in das Vernehmlassungsverfahren der vorliegenden SVG-Revision einbezogen werden konnte, schlagen wir die Kompetenzerteilung an den Bundesrat vor.

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Änderungen im IV. Titel «Haftpflicht und Versicherungen »

In diesem Kapitel werden wir die Revisionsvorschläge der einschlägigen Haftungs- und Versicherungsbestimmungen zusammengelegt darstellen, soweit die gleichen Gründe verschiedene Artikel betreffen und damit Wiederholungen ausgeschlossen werden können.

Artikel 60 Absatz l und Artikel 61 Absatz 3 Wir beantragen, durch die Streichung des Artikels 60 Absatz 3 und des Vorbehaltes in Artikel 60 Absatz l sowie durch die neue Bestimmung des Artikels 61 Absatz 3 die Solidarhaftung mehrerer Ersatzpflichtiger auch im Strassenverkehrsrecht uneingeschränkt zur Geltung zu bringen.

Nach einem ungeschriebenen, aus Artikel 51 OR abgeleiteten Fundamentalsatz des Haftpflichtrechts haftet eine Mehrheit von Ersatzpflichtigen im externen

1197 Verhältnis solidarisch Der Grundsatz der Sohdantat findet seine Begründung im Bestreben, die Stellung des Geschadigten zu verbessern indem er jeden der Ersatzpflichtigen auf das Ganze belangen und es den Ersatzpflichtigen überlassen kann, sich im internen Verhältnis auf dem Regressweg auseinanderzusetzen (Oftmger, Schweizerisches Haftpflichtrecht I S 295 f ) Dei Grundsatz der Solidarhaftung mehrerer Ersatzpflichtiger dient demnach allein der Besserstellung des Geschadigten, wahienddem die Regressordnung die endgültige Schadenverteilung auf die mehreren Ersatzpflichtigen zum Gegenstand hat Solidarität im Aussenverhaltms und Regressordnung im Innenverhaltms sind konelate Begriffe Der bishenge Aitikel 60 Absatz 3 SVG hat sowohl im Aussen- wie im Innenverhaltms eine Reduktion oder sogar die Aufhebung dei Haftpflicht des aus Verschulden Verantwortlichen zui Folge indem dieser nui fui seinen Verschuldensanteil ersatzpflichtig wild oder bei leichtem Verschulden, \on der Haftung ganz befreit werden kann Diese Regelung stellt einen einmaligen Einbruch m den im schweizerischen Haftpflichtrecht vei ankerten Grundsatz der Solidarität dar Diese Sonderregelung nur im Strassenverkehisrecht ist nicht gei echtfertigt Sie durchbncht eines der wichtigsten Prinzipien des Haftpflichtiechts, nämlich dass Verschulden zur Haftung fuhrt (Oftmger, Schweizerisches Haftpflichtrecht II/2, S 664, Staik, Probleme der Vereinheitlichung des Haftpihchtrechts, in ZSR 86 (1967), S 36) Fernei ist nicht einzusehen, warum z B ein Radfahier der zusammen mit einem Motoifahrzeughalter einen Dnttschaden \eiursacht, nicht nach den gleichen Haftpflichüegeln eisatzpflichtig wird wie wenn er den Dnttschaden zusammen mit einer Eisenbahn mit einem Tram oder mit einem ändern Kausalhaftpflichtigen verursacht hatte Schhesslich bedeuten Solidarität und die Regressordnung nach Artikel 50 Absatz 2 OR dass der vom Geschadigten eingeklagte Solidarhaftpflichtige nur im Aussenverhaltnis fui alle Sohdarhaftpflichtigen vorweg den Schaden decken muss. und nicht, dass er auch im Innenverhaltms. d h bei der Auseinandersetzung mit den ändern Sohdarhaftpflichtigen, allein den vollen Schaden endgültig zu tragen hat (Oftmger I, S 302 f und II, S 663 f , Stark a a O , S 46 f) Somit ist auch nach allgemeinen Haftpflichtregeln, auf die Artikel 62 SVG ausdrucklich
verweist ein dei Verschuldenshaftpflicht Unterstehender (z B Fussgangei, Radfahrer) dessen Schadenersatz nach Artikel 43 ff OR wegen leichten Verschuldens reduziert wird, nur im Umfang der ihm aufeilegten herabgesetzten Quote ersatzpflichtig Neben diesen dogmatischen Gründen spricht auch die praktische Bedeutungslosigkeit des bishengen Rechts für die Aufhebung von Artikel 60 Absatz 3 SVG Wenn nämlich ein aus Verschulden Haftpflichtiger und ein Motorfahrzeugführer einen Drittschaden verursachen, so halt sich der Geschadigte m dei Praxis stets an den haftpflichtv ersicherten Halter und nicht an den mithaftenden Fussganger oder Radfahrer In einem allfalligen Regresspiozess des vorweg belangten Halters gegen den nur für Verschulden Haftpflichtigen (z B Fussganger Radfahrer) ist der Schaden unter Würdigung aller Verhaltnisse zu vei teilen, vue dies Satz l von Artikel 60 Absatz 2 SVG bestimmt, der den Ausgleich zwischen Haltern und ändern Ersatzpflichtigen regelt (BGE 95 II 339) Auch m diesem Regressverfahren lasst sich der Regressan-

1198 Spruch bei nur leichtem Verschulden des regressierten Fussgängers oder Radfahrers entsprechend herabsetzen, ohne dass es der Sonderregelung des bisherigen Artikels 60 Absatz 3 SVG bedarf.

Der neue Artikel 61 Absatz 3 SVG verankert die Solidarhaftung beim Schadenersatz zwischen Motorfahrzeughaltern für den Fall, dass zwei oder mehr Halter gegenüber einem dritten Halter für einen Schaden ersatzpflichtig sind.

Nach bisherigem Recht besteht in solchen Fällen im Aussenverhältnis nur anteilmässige Haftung (Oftinger II/2, S. 652; Stark, Revision des Strassenverkehrsgesetzes?, in SJZ 65 (1969), S. 21). Dies hat die nachteilige Folge, dass der geschädigte Halter jedem der schädigenden Halter einzeln den Streit zu verkünden hat, und zwar je nur im Umfange des ihnen obliegenden Anteils. Dieser Anteil ist in der Praxis meist nur unter grossen Schwierigkeiten für jeden einzelnen haftpflichtigen Halter festzulegen, was oft zu unliebsamen Verzögerungen in der Entschädigung führt. Diesen Nachteilen begegnet unser Vorschlag dadurch, dass eine Mehrheit ersatzpflichtiger Halter einem geschädigten Halter gegenüber solidarisch haftet, mit der Folge, dass der geschädigte Halter sich nur gegen einen ersatzpflichtigen Halter wenden muss. Die endgültige Schaden Verteilung erfolgt auf dem Regressweg nach den für Personen- und Sachschaden unterschiedlichen Regeln des Artikels 61 Absätze l und 2 SVG. Die vorgeschlagene Lösung bestätigt rechtlich die bereits bestehende aussergerichtliche Praxis der Versicherungsgesellschaften.

Artikel 60 Absatz 2 Satz 2 und Artikel 61 Absatz l Wir schlagen vor, dass bei der Schadenverteilung auf mehrere ersatzpflichtige Halter in erster Linie das Verschulden massgebend sein soll.

Diese beiden Bestimmungen regeln die Aufteilung des Schadens nur unter Haltern, sei es unter zwei oder mehr für einen Drittschaden ersatzpflichtigen Haltern (Art. 60 Abs. 2 Satz 2 SVG), sei es unter zwei oder mehr Haltern, wenn einer von ihnen körperlich geschädigt worden ist (Art. 61 Abs. l SVG). Sie beziehen sich nicht auf die Schadenverteilung zwischen Haltern und nur aus Verschulden Haftpflichtigen.

Nach den bisherigen Vorschriften tragen mehrere Halter den Schaden zu gleichen Teilen, wenn nicht Umstände, namentlich das Verschulden, eine andere Schadenverteilung rechtfertigen. Das Gesetz geht hier von
der Vermutung aus, dass die Betriebsgefahren der am Unfall beteiligten Motorfahrzeuge in der Regel gleich sind, und stellt den äusserst seltenen Fall in den Vordergrund, in dem alle beteiligten Halter schuldlos sind (vgl. Botschaft zum SVG in BB1 7955 II, S. 47 f.).

Die heutige Formulierung führte lange Zeit in der Gerichtspraxis zu Ungewissheiten über die Bedeutung und die Gewichtung der bei der Schadenverteilung massgebenden Kriterien, indem den Betriebsgefahren und dem Verschulden im Verhältnis zueinander immer wieder in verschiedener, oft widersprüchlicher Art Rechnung getragen wurde (vgl. z.B. BGE 95 II 333, 97 II 259, 97 II 367). Auf Grund dieser schwankenden Gerichtspraxis haben die in der Unfalldirektoren-

1199 Konferenz (UDK) zusammengeschlossenen Haftpflichtversicherungs-Gesellschaften unter sich vereinbart, dass bei der Verteilung des Schadens unter Haltern der Betriebsgefahr nur dann Rechnung zu tragen sei. wenn sich diese beim einen Halter besonders stark konkretisiert hat oder wenn den allein schuldigen Halter nur ein geringfügiges Verschulden trifft. Diese Vereinbarung nimmt bei der Schadenverteilung unter Haltern in erster Linie auf das Verschulden Rücksicht. In einem neuesten Entscheid vom 29. Mai 1973 hat sich das Bundesgericht mit seiner bisherigen Praxis und mit der einschlägigen Kritik einlässlich auseinandergesetzt und festgehalten, «dass die latente Betriebsgefahr, die mit jedem im Verkehr befindlichen Fahrzeug verbunden ist. nicht ausschlaggebend sein kann. Massgebend müssen vielmehr die Ursachen sein, auf die die Verwirklichung dieser latenten Gefahr im Einzelfaü zurückzuführen ist. Bei den meisten Verkehrsunfällen ist diese Ursache aber im schuldhaften Verhalten eines oder mehrerer Halter oder von Personen zu erblicken, für die ein Halter einzustehen hat: sonst entstünde eben trotz der vorhandenen Betriebsgefahr der Fahrzeuge kein Schaden. Es entspricht daher durchaus gesundem Rechtsempfinden, wenn der Halter, der durch erhebliches schuldhaftes Verhalten die Ursache dafür setzt, dass sich die Betriebsgefahren von zwei Fahrzeugen auswirken, im Verhältnis zum ändern Halter, den kein Verschulden trifft, den ganzen Schaden tragen muss». Das Bundesgericht hat im gleichen Entscheid die genannte UDK-Vereinbarung ausdrücklich erwähnt.

Unser Vorschlag trägt dieser neuesten Rechtsentwicklung Rechnung, indem die gleichen Betriebsgefahren vorweg kompensiert werden und, wo nicht gleiche Betriebsgefahren oder verschiedenes Verschulden vorliegen, dem Verschulden bei der Gewichtung grössere Bedeutung zukommt als der Betriebsgefahr. Die gleiche Gewichtung des Verschuldens bei der Schadenverteilung sieht auch das im Schosse des Europarates ausgearbeitete und von der Schweiz dieses Jahr unterzeichnete Europäische Übereinkommen über die Haftpflicht bei von Motorfahrzeugen verursachten Schäden (Art. 9 Ziff. l und 2) vor.

Artikel 63 Absatz 3 Buchstabe b und Artikel 70 Absatz 4 Buchstabe a Wir beantragen, in den genannten Bestimmungen den Ausdruck «Blutsverwandte» durch «Verwandte» zu ersetzen.

Mit dem
am 1. April 1973 in Kraft getretenen Adoptionsrecht erhält das Adoptivkind die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes der Adoptiveltern, d. h. es ist den mit den Eltern blutsverwandten Kindern gleichgestellt (Art. 267 ZGB in der Fassung des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1972; AS 1972 2819). Dieser neuen Rechtslage sind gleichzeitig auch die bisherigen Bestimmungen des ZGB über die Blutsverwandtschaft derart angepasst worden, dass nur noch von «Verwandtschaft» die Rede ist.

Durch die vorgeschlagene redaktionelle Korrektur der genannten Bestimmungen soll auch im Strassenverkehrsrecht die Gleichstellung der Adoptivkinder mit den ehelichen blutsverwandten Kindern erreicht werden. Die bisherige For-

1200 mulierung «Blutsverwandte» birgt die Unsicherheit in sich, ob die Ansprüche von Adoptivkindern des Halters von der Haftpflichtversicherung ausgeschlossen werden können oder nicht. Im Sinne einer rechtsgleichen Behandlung drängt sich die Ausschlussmöglicheit auch dieser Ansprüche auf. Die Änderung betrifft nur den deutschen und den italienischen Text.

Artikel 64 und Artikel 70 Absatz 3 Wir schlagen vor, die Kompetenz zur Festlegung der Mindestversicherungssummen dem Bundesrat zu übertragen.

Die Bestimmungen über die Mindestversicherungssummen waren der eigentliche Anlass dafür, diese Teilrevision des SVG rasch voranzutreiben. Die bisherigen Mindestsummen genügen nicht mehr ; denn einerseits hat die seit dem Erlass des SVG eingetretene Geldentwertung eine spürbare Benachteiligung der Geschädigten gebracht, und anderseits sind es gerade die finanziell schwächeren Halter, die ihr Fahrzeug nur zum gesetzlichen Minimum versichern und so für die Geschädigten ein erhebliches Risiko darstellen. Die heutigen Mindestsummen vermögen insbesondere in Fällen mit schwerer dauernder Invalidität oder mit grossem Versorgerschaden keine volle Deckung mehr zu gewährleisten. Die Erhöhung der Mindestversicherungssummen wird aus diesen Gründen im Postulat Bodenmann verlangt (vgl. Ziff. 211 vorn) und war aiich im Vernehmlassungsverfahren unbestritten.

In verschiedenen Stellungnahmen und insbesondere in der Ständigen Strassenverkehrskommission wurde verlangt, dass die Mindestsummen nicht mehr im Gesetz verankert, sondern vom Bundesrat auf dem Verordnungsweg festgelegt werden sollten; dies aus dem Bedürfnis heraus, dass die Mindestsummen nötigenfalls rasch an die veränderte Wirtschaftslage angepasst werden können. Wir betrachten diese Forderung als begründet und beantragen Ihnen daher eine generelle Kompetenzerteilung an den Bundesrat.

Die Höhe der vom Bundesrat neu festzulegenden Mindestsummen wurde einlässlich vorbesprochen. Es ist davon auszugehen, dass schon heute ungefähr 90 Prozent der Personenwagen für die Pauschalsumme von l Million Franken versichert sind und dass von diesen 90 Prozent ungefähr die Hälfte eine unbeschränkte Versicherungsdeckung besitzt. Nach Auskunft der Unfalldirektoren-Konferenz ist in der Schweiz die Garantiesumme von l Million Franken bisher in allen Fällen ausreichend gewesen und auch
auf Jahre hinaus für Personenwagen und Motorräder als genügend zu betrachten. Für Kleinbusse und Gesellschaftswagen wird eine Verdoppelung der im bisherigen Artikel 64 Absatz 2 SVG enthaltenen Mindestsummen und für Fahrräder und Motorfahrräder eine Mindestsumme von 500 000 Franken je Unfallereignis als angemessen betrachtet. Der Bundesrat gedenkt, in den Ausführungsvorschriften diesen Ansätzen Rechnung zu tragen und insbesondere für Personenwagen und Motorräder zumindest die Millionenversicherung einzuführen. Eine höhere Mindestsumme oder gar die unbeschränkte Deckung drängt sich für diese Fahrzeuge vorderhand nicht auf. Die unbeschränkte Deckung ist auch nur in ganz wenigen Ländern Europas bekannt (z.B.

1201 in Grossbritannien für Körper-1 und Sachschäden, in Finnland und Irland nur für Körperschäden).

Die Erhöhung der Mindestversicherungssummen bringt für die Halter voraussichtlich eine Prämienerhöhung mit sich. Über deren Ausmass lassen sich zurzeit nicht verbindliche Angaben machen. Insbesondere bei der Millionenversicherung für Personenwagen und Motorräder ist es ungewiss. wie sich der Einbezug der schlechten Risiken, d.h. der bisher nur nach den geltenden Mindestversicherungssummen versicherten Halter, auswirken wird. Immerhin dürfte in Berücksichtigung des Bonus-Malus-Systems und der Tatsache, dass bereits heute ein Grossteil die Millionenversicherung besitzt, mit einer relativ geringfügigen Prämienerhöhung zu rechnen sein. Für die Erhöhung der Fahrradversicherung auf 500 000 Franken pauschal wird von der Unfalldirektoren-Konferenz ein Prämienzuschlag von schätzungsweise 30 Prozent als notwendig erachtet: angesichts der heutigen Prämien von 2-5.50 Franken für Fahrräder und 3-17.50 Franken für Motorfahrräder je nach der individuellen Tarifierung in den einzelnen Kantonen erscheint dies als tragbar.

Der Bundesrat wird mit der Inkraftsetzung der erhöhten Versicherungssummen den Versicherungsgesellschaften für die Anpassung der Versicherungsverträge ausreichende Fristen einräumen.

Mit unserem Vorschlag werden die geltenden Artikel 64 Absätze 1. 2 und 4 sowie 70 Absatz 3 SVG gegenstandslos. Die beantragte Streichung von Artikel 64 Absatz 3 SVG hat zur Folge, dass in der Haftpflichtversicherung des Motorradhalters die Leistungen für den Soziusfahrer nicht mehr beschränkt werden können. Der Motorradfahrer und sein Mitfahrer sind ganz besonderen Gefahren ausgesetzt; Motorradunfälle haben in der Regel schwere Körperschäden zur Folge. Der exponiertere Soziusfahrer eines Motorrades ist nach der geltenden Regelund schlechter gestellt als der geschütztere Mitfahrer in einem Personenwagen, was durch diese Revision korrigiert wird.

Artikel 68 In Absatz 3 sehen wir eine redaktionelle Änderung in dem Sinn vor, dass für das Ruhen der Versicherung die Hinterlegung der Kontrollschilder allein genügt.

Dieses Verfahren entspricht der geltenden Praxis der Kantone, die vom Bundesgericht in seinem Entscheid BGE 91 IV 25 geschützt wurde. In Anpassung an diese Praxis und in Verwirklichung des Postulates
Bachmann-Winterthur (vgl.

Ziff. 211 vorn) kann hier auf das Erfordernis der zusätzlichen Abgabe des Fahrzeugausweises verzichtet werden.

Artikel 71 Wir beantragen, dass die Haftpflicht des Unternehmers im Motorfahrzeuggewerbe für die ihm übergebenen Motorfahrzeuge nicht - wie bisher - von der Halterversicherung, sondern von der Unternehmerversicherung gedeckt wird.

1202 Nach der bisherigen Regelung haftet wohl der Unternehmer für den Schaden, der durch ein ihm übergebenes Motorfahrzeug verursacht wird, doch hat eine allfällige Halterversicherung für diesen Schaden aufzukommen. Man ging damals einerseits von der Überlegung aus, dass es nicht angemessen sei, den Halter für Unfälle haften zu lassen, auf die er keinen präventiven Einfluss hat, und anderseits wollte man dem Unternehmer die Mehrprämien ersparen (Oftinger II/2, S. 504). Diese Regelung ist einmal inkonsequent, weil sie statt der Unternehmerversicherung die vom Halter bezahlte Versicherung als Versicherung auf fremde Rechnung wirksam werden làsst (Oftinger II/2, S. 504), und hat sodann für den Halter den nicht gerechtfertigten Nachteil eines Bonusverlustes zur Folge, wenn mit seinem versicherten Motorfahrzeug durch den Unternehmer oder dessen Angestellte ein Schaden verursacht wurde. Die Versicherungsgesellschaften wenden diese Regelung seit einiger Zeit nicht mehr an; sie haben die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Garage- und Betriebshaftpflichtversicherung neu gefasst und darin den Grundsatz verankert, dass diese Versicherung und nicht mehr die Halter-Haftpflichtversicherung für Drittschäden aus der Verwendung der einem Unternehmer übergebenen Motorfahrzeuge aufzukommen hat.

Unser Vorschlag passt die Rechtslage an diese vernünftige und folgerichtige Praxis der Versicherungsgesellschaften an, indem in Absatz l die Haftung sowohl des Halters als auch seiner Haftpflichtversicherung ausdrücklich ausgeschlossen und in Absatz 2 der bisherige Zusatz «ohne Halterversicherung» gestrichen wird.

Rein redaktionell haben wir in Absatz l neu auch die «Wartung» in die Aufzählung eingefügt, damit der Hauptanwendungsfall, in dem ein Fahrzeug zu ServiceArbeiten dem Unternehmer übergeben wird, im Gesetz ebenfalls angeführt ist.

Artikel 75 und Artikel 79 Wir schlagen vor, das Risiko der Strolchenfahrt voll in die Halterversicherung einzubauen und nicht mehr durch den Bund decken zu lassen.

Nach dem System des SVG ist für den aus dem Betrieb eines Motorfahrzeugs entstandenen Schaden der Halter verantwortlich (Art. 58 SVG); er hat sich gegen dieses Betriebsrisiko zu versichern (Art. 63 SVG). Das Betriebsrisiko eines Motorfahrzeugs wirkt sich unabhängig von der Person aus, die das Fahrzeug führt. Es kommt nicht darauf an, ob das Motorfahrzeug vom Halter selbst, von einer Person, für die der Halter verantwortlich ist, oder gar von einem ermittelten Entwender gefahren wird; das Betriebsrisiko ist in allen diesen Fällen dem Motorfahrzeug gleich inhärent. Das Risiko der Strolchenfahrt gehört demnach im weitern Sinn zum Betriebsrisiko eines Motorfahrzeugs, für das nach dem Kausalhaftungsprinzip des SVG ebenfalls der Halter bzw. seine Versicherung einzustehen hat. Es ist im wesentlichen Aufgabe der Gesamtheit der Halterhaftpflichtversicherungen, alle Betriebsrisiken der Motorfahrzeuge zu übernehmen.

Es besteht kein Grund, dem Bund die Schadendeckung aus öffentlichen Mitteln in den Fällen aufzuerlegen, in denen die Deckung durch die Halterversicherungen gewährleistet werden kann, wie dies bei Strolchenfahrten zutrifft. Die Bundesdek-

1203 kung hat aus sozialpolitischen Gründen nur dort ihre volle Berechtigung, wo dem Geschädigten gegenüber keine Deckung bestehen kann, weil entweder der eigentliche Haftpflichtige unbekannt bleibt oder das schädigende Fahrzeug nicht versichert ist (Art. 76 SVG).

Nach der geltenden Regelung hat der Bund die Haftpflichtansprüche für Personenschäden aus Strolchenfahrten zu decken, für die der Halter nicht haftet, weil ihn an der Entwendung des Motorfahrzeugs kein Veschulden trifft. Die bundesgerichtliche Praxis ist bei der Beurteilung von Strolchenfahrten sehr streng und lässt den Halter haften, auch wenn ihm nur die geringste Verletzung der Sorgfaltspflichten vorgeworfen werden kann. Die dem Bund angemeldeten Fälle von Strolchenfahrten sind daher zahlenmässig relativ gering (1971: 4; 1972: 1).

Die Schadenzahlungen des Bundes für Strolchenfahrten allein sind sehr schwankend; sie betrugen 33 251.90 Franken im Jahre 1971 und 145 914.80 Franken im Jahre 1972. Sowohl zahlenmässig als auch kostenmässig fallen die vom Bund zu deckenden Strolchenfahrten im Gesamtunfallgeschehen eher wenig ins Gewicht, so dass deren Übernahme durch die Gesamtheit der Halterversicherungen einen kaum merklichen Prämienzuschlag bedingen dürfte. Der Einbezug der Strolchenfahrten in die Halterversicherung bringt zudem eine wesentliche Besserstellung des Geschädigten, indem dieser nicht - wie bisher - nur für Personenschäden, sondern nun auch für Sachschäden Deckung erhält.

Das Strolchenfahrtenrisiko ist auch international gesehen in verschiedenen Ländern in der Halterversicherung eingeschlossen, so etwa in der Bundesrepublik Deutschland, in Schweden, Finnland, Norwegen und Österreich. Selbst in Staaten, in denen die Schäden aus Strolchenfahrten aus einem Pool gedeckt werden, wie z. B. aus dem «Fonds de garantie» in Frankreich, stammen die Geldmittel auch von den Halterversicherungen.

Im Vernehmlassungsverfahren hielten sich die Befürworter und Gegner der vorgeschlagenen Lösung die Waage. Bedenken wurden insbesondere darüber geäussert, dass nach dem Revisionsvorschlag der Halter die Exkulpationsmöglichkeit verlieren und damit der schuldlose Halter einen Bonusverlust erleiden könnte. Unser Vorschlag trägt diesen Bedenken Rechnung und bringt eine Lösung, die dem allgemeinen Rechtsempfinden entspricht.

Im Absatz l wird die
grundsätzliche Haftung des Halters für Strolchenfahrtenschäden begründet und damit die Deckungspflicht des Bundes ausgeschlossen (vgl. auch Postulat Bodenmann in Ziff. 211). Neben dem Halter haften - wie bisher - der Entwender sowie der mitwissende und bösgläubige Führer ebenfalls kausal. Die Haftung des Halters wird ausgeschlossen gegenüber mitwissenden und bösgläubigen Benutzern des entwendeten Motorfahrzeugs: denn es müsste als stossend und ungerecht empfunden werden, wenn der Halter auch für die Schäden der Benutzer, die von der Entwendung des Motorfahrzeugs wussten oder wissen konnten, aufzukommen hätte. Der Textvorschlag bringt gegenüber dem geltenden Recht klar zum Ausdruck, dass nicht nur der eigentliche Mitwisser, sondern auch der bösgläubige Führer oder Mitfahrer, der von der Entwendung

1204 wissen konnte, keinen Schutz verdient (vgl. Kritik der geltenden Bestimmung bei Oftinger U/2, S. 576 f. ; Art. 3 Abs. 2 ZGB).

In Absatz 2 wird dem Halter und seinem Haftpflichtversicherer, die das Strolchenfahrtenrisiko generell zu übernehmen haben, das Recht des Rückgriffs auf die für die Strolchenfahrtenschäden Hauptverantwortlichen eingeräumt.

Der Absatz 3 gewährt dem Halter eine Exkulpationsmöglichkeit. Die Exkulpation befreit den Halter zwar nicht von der Haftpflicht, wohl aber von finanziellen Folgen, die er sonst als Versicherungsnehmer zu tragen hätte. So darf der Haftpflichtversicherer infolge der Deckung eines Strolchenfahrtenschadens dem schuldlosen Halter weder eine Prämienerhöhung (z. B. durch Bonusverlust oder Malus) noch eine Schadenbeteiligung (z. B. in Form eines Selbstbehaltes) auferlegen.

Unser Vorschlag bedingt eine formelle Anpassung von Artikel 79 SVG, indem dort Artikel 75 in der Aufzählung gestrichen wird.

Artikel 76 Wir beantragen, in die Schadendeckung des Bundes bei unbekannten und nichtVersicherten Motorfahrzeugen auch Sachschäden einzubeziehen (Abs. l und 2) und die Subsidiarität der Bundesdeckung im Gesetz zu verankern (Abs. 3).

Die heutige Regelung, wonach die Betroffenen für den von unbekannten oder nichtVersicherten Motorfahrzeugen verursachten Sac/jschaden selbst aufkommen müssen, führt oft zu ungerechtfertigten Härtefällen. Erfahrungsgemäss kann der Sachschaden aus Strassenverkehrsunfällen beträchtliche Ausmasse annehmen und insbesondere finanziell schwächer gestellte Geschädigte empfindlich treffen. Die Erweiterung der Bundesdeckung auf Sachschäden in diesen Fällen entspricht dem Gebot der Gerechtigkeit.

Unser Vorschlag bringt für unbekannte und nichtVersicherte Schädiger eine unterschiedliche Lösung. Wenn der Schädiger unbekannt bleibt (Abs. 1), soll der Bund nicht für jeden Parkierungs- oder anderen Bagatellsachschaden aufkommen müssen. Vielmehr soll der Bund hier durch einen Selbstbehalt des Geschädigten entlastet werden. Der Bundesrat gedenkt, den Selbstbehalt auf 1000 Franken anzusetzen. Demgegenüber ist der nichtVersicherte Schädiger (Abs. 2) bekannt, und es sind keine Beweisschwierigkeiten zu erwarten, weshalb hier volle Sachschadendeckung des Bundes angezeigt ist. Das Rückgriffsrecht des Bundes bleibt im bisherigen Umfang gewahrt.

Mit der Einführung der Bundesdeckung für unbekannte und nichtversicherte Schädiger im SVG wollte der Gesetzgeber aus sozialen Gründen eine Lücke in der Schadendeckung schliessen: das Opfer sollte den Schaden nicht selber tragen müssen, wenn ein Fahrzeugführer nach dem Unfall die Flucht ergreift und unbekannt bleibt oder wenn die vorgeschriebene Versicherung für das schädigende Motorfahrzeug nicht besteht (Botschaft zum SVG in BB1 7955 II, S. 56). Die soziale Begründung dieser Norm und der Umstand, dass der Bund

1205 für seine Leistungen keine Prämien bezieht, sondern aus öffentlichen Mitteln aufzukommen hat, charakterisiert die Bundesdeckung als subsidiär gegenüber ändern Versicherungsträgern, an die sich der Geschädigte halten kann. In der praktischen Anwendung des Artikels 76 SVG wurde in verschiedenen Fällen die Subsidiarität der Bundesdeckung bestritten und die Ansicht vertreten, dass der Bund solidarisch mit den Haftpflichtversicherern der übrigen an einem Unfall beteiligten Fahrzeuge hafte (ebenso Bussy/ Rusconi, Code suisse de la circulation, S. 292; Wehrli, Solidarität mit ändern Haftpflichtigen oder absolute Subsidiarität der Bundesdeckung? in SVZ 1972, S. 97 ff. ; Oftinger II/2, S. 826 ff.) oder sogar eine primäre Leistungspflicht des Bundes bestehe. Um inskünftig Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, sehen wir in Absatz 3 eine Subsidiärklausel vor.

Darnach hat der Geschädigte keinen Anspruch gegen den Bund, soweit z. B.

Haftpflichtversicherungen anderer am Unfall beteiligter Fahrzeuge für den Schaden oder Krankenkassen oder Unfallversicherungen für schadenabhängige Kosten (z. B. Arzt- und Heilungskosten) aufkommen; einen allenfalls die Leistung dieser Versicherungsträger übersteigender Schadenteil hat jedoch der Bund zu übernehmen. Demgegenüber bleiben dem Geschädigten die Ersatzansprüche gegen den Bund gewahrt, wenn ihm Leistungen aus privaten Lebensversicherungen oder ändern auf Summen abgeschlossenen Versicherungen erbracht werden.

Diese Einschränkung der Subsidiarität der Bundesdeckung vermeidet eine Benachteiligung derjenigen Geschädigten, die eine private Vorsorge durch Versicherungen getroffen haben, deren Leistungen sich auf 'eine vom direkten Schaden unabhängige Summe beziehen. Nicht unter solche privaten Unfallversicherungen fällt die SUVA. Der SUVA-Versicherte hat - wie bisher - Ansprüche gegen den Bund nur, soweit die SUVA den Schaden nicht deckt; der SUVA steht- ebenfalls wie bisher - das Regressrecht gegen den Bund nicht zu.

Artikel 78 Unser Vorschlag sieht den Einbezug der Mitfahrer in die Unfallversicherung der Motorradfahrer vor.

Mit Entscheid BGE 97 II259 hat das Bundesgericht festgestellt, dass sich die in Artikel 78 SVG vorgeschriebene Unfallversicherung nur auf den Motorradfahrer selbst und nicht auch auf die Mitfahrer beziehe ; es hält die Artikel 55 ff. der Verkehrsversicherungsverordnung vom 20. November 1959 (VW), soweit sie sich auf Mitfahrer beziehen, für nicht gesetzmässig. Die Unfallversicherung für Motorradfahrer wurde seinerzeit aus vorwiegend sozialen Gründen ins SVG aufgenommen und hatte das Ziel, die jew eiligen Benutzer eines Motorrades vor den schlimmsten Folgen eines Unfalles zu bewahren (Protokoll der nationalrätlichen Kommission, 1958, S. 528). In der Tat lassen sich die sozialen Erwägungen nicht nur auf den Motorradführer beschränken. Auch der auf dem Sozius oder im Seitenwagen Mitfahrende bedarf des gleichen Schutzes. Der vorgeschlagene Einbezug des Mitfahrers in die obligatorische Motorradunfallversicherung im Gesetz dürfte keinen Prämienzuschlag zur Folge haben, da nach Artikel 55 VW bisher Bundesblatt 125 Jalirg Bd II

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1206 die Mitfahrer mitversichert werden mussten. Die vorgeschlagene Bestimmung kommt den Mitfahrern zugute, deren Ansprüche in der Haftpflichtversicherung des Motorradhalters nach Artikel 63 Absatz 3 SVG ausgeschlossen sind, d.h. im wesentlichen dem Ehegatten und den Verwandten des Halters.

Im Vernehmlassungsverfahren wurde insbesondere von den Strassenbenützerverbänden gefordert, den letzten Halbsatz von Artikel 78 SVG betreffend die massigen Prämien zu streichen. Tatsächlich erweisen sich die bisherigen Versicherungsleistunten (Art. 57 VW) als zu niedrig ; denn die Motorradunfälle haben oft für Führer und Mitfahrer schwere Körperschäden zur Folge. Die Prämien der Unfallversicherung richten sich in erster Linie nach dem versicherten Risiko und nach den verlangten Versicherungsleistungen. Wichtiger als die Prämie erscheint daher eine genügende Versicherungsdeckung. Solange der Bundesrat aber diese Versicherungsdeckung nach «massigen» Prämien ausrichten muss, kann eine genügende Unfallversicherung für die Motorradfahrer und Mitfahrer nicht vorgeschrieben werden. Wir beantragen daher, den letzten Halbsatz von Artikel 78 SVG zu streichen und dem Bundesrat damit die Möglichkeit einzuräumen, auf dem Verordnungsweg eine entsprechende Anpassung der Versicherungsleistungen vorzusehen. Die Ständige Strassenverkehrskommission hat diese Streichung praktisch einstimmig befürwortet.

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Änderungen im V. Titel « Straf bestimmungen »

Artikel 90 Wir beantragen, im SVG die Abgrenzung zur Anwendung von Artikel 237 StGB klarer zum Ausdruck zu bringen.

Die Entstehungsgeschichte des Artikels 90 SVG zeigt, dass die Anwendung des Artikels 237 StGB in allen von Artikel 90 SVG erfassten Fällen ausgeschlossen werden wollte (BGE 90 IV 157). Der im Nationalrat eingebrachte Antrag sah denn auch vor, dass die Anwendung von Artikel 237 StGB in einer eigenen Ziffer 3 zu Artikel 90 (damals Artikel 83) ausgeschlossen werde (Sten. Bull. NR. 1957, S. 267). Dass dieser Ausschluss in Artikel 90 Ziffer 2 Absatz 2 und nicht in einer eigenen Ziffer 3 definitiv ins Gesetz Kam, kann nur ein Versehen darstellen (Schulte, Die Strafbestimmungen des SVG, S. 176). Unser Revisionsvorschlag behebt dieses Versehen und verweist den heutigen Absatz 2 von Artikel 90 Ziffer 2 SVG in die neue Ziffer 3. Die Anwendung von Artikel 237 Ziffer 2 StGB ist darnach auch bei bloss leichter Verletzung von Verkehrsregeln und konkreter Gefahrdung (Art. 90 Ziff. l SVG) gesetzestechnisch klar ausgeschlossen (vgl.

BGE 90 IV 158).

Im geltenden Artikel 90 ist die Anwendung von Artikel 237 StGB schlechthin, d.h. insbesondere auch von Ziffer l des Artikels 237 StGB, aufgehoben.

Formell hat dies zur Folge, dass der Fahrzeugführer, der im Strassenverkehr vorsätzlich eine konkrete Gefährdung schafft, gegenüber Artikel 237 Ziffer l StGB milder bestraft wird. Dies war offensichtlich nicht die ratio legis, die nur der

1207 unter dem MFG unterschiedlichen Anwendung von Artikel 237 Ziffer 2 StGB auf den Strassenverkghr begegnen wollte (Sten. Bull. NR. 1957. S. 268 ; Sten. Bull. StR 1958, S. 130). Das Bundesgericht hat in BGE 91IV 216 ff. unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens im Strassenverkehr die Anwendung nur der Ziffer 2 von Artikel 237 StGB versagt und die vorsätzliche konkrete Gefährdung einzelner oder vieler Menschen durch Verkehrsregelverletzungen gegenüber dem Artikel 237 Ziffer l StGB nicht privilegiert. Unser Vorschlag übernimmt diese Rechtsprechung ins Gesetz.

Artikel 91 Unser Antrag sieht vor. die Begrenzung der Höchststrafe von sechs Monaten Gefängnis fallen zu lassen.

Das Fahren in angetrunkenem Zustand war unter der Geltung des MFG lediglich in schweren Fällen und bei Rückfall ein Vergehen (Art. 59 Abs. 2 MFG), in den übrigen Fällen dagegen eine Übertretung (Art. 59 Abs. l MFG in Verbindung mit Art. 333 Abs. 2 StGB). Im SVG wurde dieser Tatbestand generell zu einem Vergehen qualifiziert, die Strafandrohung aber nach oben auf sechs Monate Gefängnis begrenzt. Diese Begrenzung erweist sich bei näherer Betrachtung als systemwidrig und als eine ungerechtfertigte Einschränkung des richterlichen Ermessens. Angetrunkene Fahrzeugführer stellen eine besonders schwere Gefahr für den Strassenverkehr dar. Angesichts der Schwere dieses Gefährdungstatbestandes ist es unverständlich, dass beim Fahren in angetrunkenem Zustand die Strafandrohung nach oben begrenzt ist, währenddem sie bei allen ändern im SVG als Vergehen ausgestalteten Tatbeständen (z.B. Art. 92 Abs. 2, Art. 93 Ziff. l, Art. 94 Ziff. l SVG) unbegrenzt, d.h. im Rahmen des Artikels 36 StGB bis auf drei Jahre Gefängnis fixiert ist. Die vorgeschlagene Korrektur bezieht sich auf die Absätze l und 3 von Artikel 91 SVG.

Im Veraehmlassungsverfahren wurde vereinzelt auch der Einbezug des Fahrens unter Drogeneinfluss in die Strafbestimmung des Artikels 91 SVG gewünscht. Auf einen entsprechenden Revisionsantrag haben wir bewusst verzichtet. Einmal ist es nach dem heutigen Stand der Wissenschaft noch nicht möglich, einen genauen Grenzwert festzulegen, von dem an ein Fahrzeugführer wegen Drogeneinflusses als fahrunfähig betrachtet werden müsste. Ferner gibt es auch noch kein einfaches Verfahren für die Feststellung der Drogeneinwirkung.

Schliesslich lassen die heutigen Bestimmungen eine Bestrafung der unter Drogeneinfluss stehenden Fahrzeugführer durchaus zu: Wer nach Artikel 31 Absatz 2 SVG sonst nicht fahrfähig ist, wird im leichten Fall nach Artikel 90 Ziffer l und im schweren Fall nach Artikel 90 Ziffer 2 bestraft. Diese geltende Regelung gibt dem Richter die Möglichkeit, das Führen unter Drogeneinfluss in Berücksichtigung aller Tatumstände zu beurteilen. Der Einbezug dieses Tatbestandes in den Artikel 91 SVG muss angesichts der Unsicherheit über die Wirkung der Drogen auf das Fahrverhalten und mangels eines - bei der Angetrunkenheit vorliegenden

1208 - Grenzwertes als verfrüht gelten ; er hätte zurzeit eine nicht gerechtfertigte Einschränkung des richterlichen Ermessens zur Folge.

Artikel 96 Wir beantragen in Ziffer 2 eine differenzierte Abstufung der Strafandrohung.

Die geltende Strafandrohung sieht neben Gefängnis eine Busse in der Mindesthöhe einer Jahresprämie vor. Bei der Anwendung dieser Bestimmung entstanden Schwierigkeiten, weil die Vorschrift zu schematisch ist und dem richterlichen Ermessen ungenügenden Spielraum lässt. Auf der einen Seite stellt das Fahren ohne Haftpflichtversicherung einen qualifizierten Tatbestand dar, der eine strenge Bestrafung nötig macht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei diesem Delikt durch die Nichtbezahlung der Versicherungsprämie ein gewisser finanzieller Vorteil erzielt wird. Die kumulative Strafandrohung von Gefängnis und Busse bleibt daher im Normalfall gerechtfertigt. Auf der ändern Seite gibt es leichte Fälle, in denen die Gefängnisstrafe eine zu strenge Sanktion darstellt. Als leicht sind namentlich die Fälle anzusehen, in denen ein nichtversichertes Motorfahrzeug irgendwelcher Kategorie nur auf einer kurzen Strecke oder auf einer praktisch verkehrslosen Strasse gefahren wird. Unser Antrag trägt diesen Anliegen Rechnung und übernimmt damit den Vorschlag der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingesetzten Expertengruppe für Strafrechtsfragen des Strassenverkehrs. Nach dem Revisionsvorschlag bestehen drei Abstufungen · das Vergehen im Normalfall (Gefängnis und Busse in der Mindesthöhe der hinterzogenen Prämie, immer aber von einem Dritten der Jahresgrundprämie ; Ziff. 2 Abs. 1), die Übertretung im leichten Fall (Busse in der Mindesthöhe einer Monatsgrundprämie, Ziff. 2 Abs. 2) und Strafbefreiung im besonders leichten Fall nach Artikel 100 Ziffer l Absatz 2 SVG. Als Grundprämie gilt die Versicherungsprämie, die nach dem für das entsprechende Motorfahrzeug gültigen Tarif für Neurisiken, d.h. ohne Berücksichtigung eines allfälligen Bonus/Malus oder eines Rabattes angewendet wird.

Artikel 99 Wir schlagen vor, in der neuen Ziffer 3bls die Weigerung, die Ausweise und Bewilligungen vorzuweisen, unter eine besondere Strafbestimmung zu stellen.

Das SVG stellt das Nichtmitführen der Ausweise unter Strafe (Art. 99 Ziff. 3 SVG). Eine dem MFG (Art. 61 Abs. 1) entsprechende Strafbestimmung
für den Fall, dass ein Ausweis der Kontrolle entzogen wird, fehlt im SVG. Die Bestrafung wegen Hinderung einer Amtshandlung nach Artikel 286 StGB kommt nur zum Zug, wenn die Weigerung, die Ausweise und Bewilligungen vorzuweisen, über einen blossen Ungehorsam hinausgeht und, z.B. durch Entfernung des Täters mit dem Fahrzeug, jede Kontrolle verunmöglicht (Schulte, Die Strafbestimmungen des SVG, S. 321 N 11 a). Der blosse Ungehorsam bleibt in der Regel straflos. Unser Vorschlag will diese Lücke schliessen.

1209

Artikel 100 Wir sehen in Ziffer 2 Absatz l eine redaktionell klarere Fassung vor.

Die geltende Vorschrift ist schwerfällig formuliert und gibt zu Auslegungsschwierigkeiten Anlass (Schultz. Die Strafbestimmungen des SVG, S. 47-52). Kritisiert wird insbesondere, dass die Handlung «im Interesse des Arbeitgebers» an sich nicht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit zu begründen vermöge und dass die «Veranlassung des Vorgesetzten» in der ersten Alternativvoraussetzung eine Bestrafung des Vorgesetzten wegen Nichtverhinderung der unerlaubten Tat ausschliesse (Schultz, a. a. O., S. 48 und 51). Schon die Botschaft zum SVG (BB1 1955 II, S. 65) verstand die erste Alternatiworaussetzung «im Interesse des Arbeitgebers oder auf Veranlassung eines Vorgesetzten» nicht als Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, sondern als Hinweis für den Richter zur Abklärung der Verantwortlichkeit sowohl des Führers als auch des Arbeitgebers oder Vorgesetzten. Der Revisionsvorschlag behebt die Auslegungsschwierigkeiten durch eine klarere Formulierung, ohne an der materiellen Tragweite der bisherigen Bestimmung etwas zu ändern. Arbeitgeber und Vorgesetzte sind nach wie vor zu bestrafen, wenn sie durch ein Tun oder Unterlassen zur Begehung der strafbaren Handlung des Motorfahrzeugführers vorsätzlich oder fahrlässig beigetragen haben (BGE 89IV 43).

Artikel 101* und 102 Wir beantragen im neuen Artikel 101n. die richterliche Veröffentlichung des Strafurteils als begnadigungsfähige Nebenstrafe auszugestalten.

Die Urteilspublikation ist heute in Artikel 102 Ziffer 2 SVG geregelt, wonach sie vom Richter gemäss Artikel 61 StGB anzuordnen ist. Dieser Verweis auf Artikel 61 StGB führte in der Praxis zu Schwierigkeiten, als es um die Frage ging, ob die Verkehrs-Urteilspublikation gnadenweise erlassen werden könne.

Aus dem Hinweis auf Artikel 61 StGB, der die Urteilspublikation als «andere Massnahme» charakterisiert, wird ohne Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte von Artikel 102 Ziffer 2 SVG gefolgert, dass die Verkehrs-Urteilspublikation nach Artikel 396 Absatz l StGB nicht begnadigungsfähig sei. Diese rein formelle Betrachtungsweise hält näherer Überprüfung nicht stand.

Im Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements zum SVG war die Publikation in zwei verschiedenen Bestimmungen vorgesehen : einmal die richterliche Publikation des Strafurteils wegen besonderer Rücksichtslosigkeit in den Strafbestimmungen, sodann die regierungsrätliche Veröffentlichung des Führerausweisentzuges wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand in den Entzugsbestirnmungen. In der ausserparlamentarischen Expertenkommission gab nur die zweitgenannte Publikationsbestimmung des Vorentwurfes zu grösserer Diskussion Anlass. Trotz verschiedentlich geäusserten Meinungen, dass es sich dabei um eine Strafe handle, wurde an der Veröffentlichung des Führerausweisentzuges durch die Verwaltungsbehörden festgehalten. Der Bundesrat hat demge-

1210 genüber im Entwurf zum SVG diese Veröffentlichung in den Entzugsbestimmungen fallen gelassen und sie in die Strafbestimmungen einverleibt mit folgender Begründung: «... die Massnahme, die in besonderer Weise der Abschreckung dient, nämlich die Veröffentlichung des Namens des Fehlbaren, scheint uns so überwiegend Strafcharakter zu haben, dass sie nur das Ergebnis eines Strafverfahrens sein kann und deshalb in den Strafbestimmungen erwähnt wird » (Botschaft in BB1 7P55 II, S. 24). Artikel 94 des bundesrätlichen Entwurfes in der heutigen Fassung von Artikel 102 Ziffer 2 SVG wurde auch im Parlament praktisch diskussionslos genehmigt. Dagegen wurde im Nationalrat eine Bestimmung beantragt, wonach bei Rückfall der Führerausweisentzug veröffentlicht werden könne (Sten. Bull. NR. 1956, S. 296ff.). Dieser Antrag führte zu mehrmaligen Differenzen zwischen Nationalrat und Ständerat, wurde schliesslich aber abgelehnt, wobei im wesentlichen der vom Vertreter des Bundesrates geâusserten Ansicht beigepflichtet wurde, dass die Veröffentlichung der Natur nach Strafe sei (Sten. Bull.

NR. 1958,8.661).

Auf Grund dieser Entstehungsgeschichte lag es im Willen des Gesetzgebers, die Urteilspublikation gegenüber Verkehrssündern in Artikel 102 Ziffer 2 SVG als Strafe und nicht als Massnahme zu konzipieren. Der den Strafen eigene generalund spezialpräventive Zweck dieser Urteilspublikation wird denn auch vom Bundesgericht bejaht (BGE 90 IV 105; 92 IV 184) und führt auch in der Literatur zur Bestätigung, dass der Urteilspublikation nach SVG Strafcharakter zukomme (Dubs, Urteilspublikation, in ZStrR 87 (1971), S. 400 f.).

In Berücksichtigung dieser Überlegungen hat der Bundesrat im Jahre 1969 gegen die von einem Kanton ausgesprochene Begnadigung m bezug auf eine Urteilspublikation nicht interveniert. Um jedoch inskünftig solche Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, schlagen wir vor, die Urteilspublikation in einem eigenen Artikel 101a ohne Bezug auf das Strafgesetzbuch als Nebenstrafe auszugestalten, die bisherige Ziffer 2 von Artikel 102 zu streichen und die bisherige Ziffer l von Artikel 102 in zwei Ziffern aufzuteilen. Die Urteilspublikation kann ausserhalb des Strafgesetzbuches im SVG rechtlich ohne Bedenken als Nebenstrafe charakterisiert werden (Kurt, Die Begnadigung gegenüber Massnahmen ..., in ZStrR 59 (1945),
S. 433 und 438 ff.).

Gleichzeitig beantragen wir in Übereinstimmung mit dem Postulat Bachniann-Winterthur (vgl. Ziff. 211 vorn), in Buchstabe b des Artikels lOla für die Berechnung der Rückfallsfrist auf die zweite Tatbegehung abzustellen. Die heutige Bestimmung (Art. 102 Ziff. 2 Bst. b), wonach die zweite Verurteilung massgebend ist (BGE 96 IV 82), hat den Nachteil, dass die Rückfallsfrist durch längere Prozessführung umgangen werden kann und vom mehr oder weniger zufälligen Datum der Urteilsfällung abhängt.

Im Vernehmlassungsverfahren haben sich nur vereinzelte Stimmen gegen unseren Revisionsvorschlag ausgesprochen. Dagegen machte Professor Schultz die Anregung, den heutigen Artikel 102 Ziffer 2 Buchstabe b SVG ersatzlos zu streichen, da sich angetrunkene Fahrer im Rückfall durch die Urteilspublikation kaum beeindrucken Hessen. Auch Bundesrichter Dubs (Urteilspublikation, in

1211 ZStrR 87 (1971), S. 405 f.) bezweifelt, dass die Urteilspublikation im Verkehrsrecht wegen des diskriminierenden Charakters ein gutes und bewährtes Mittel darstelle. Damit war die grundsätzliche Frage nach der Urteilspublikation überhaupt gestellt, über die wir ein zusätzliches Vemehmlassungsverfahren durchführten. Sowohl in den Stellungnahmen als auch in der Ständigen Strassenverkehrskommission haf sich nur eine sehr kleine Mehrheit für die Beibehaltung der Urteilsveröffentlichung im SVG ausgesprochen. Der Bundesrat ist sich der rechtspolitischen und sozialen Tragweite dieses Problems bewusst. Auf der einen Seite besteht heute die deutliche Tendenz, auch bei schwersten Verbrechen jede Ehrenfolge abzuschaffen. So wurde bei der letzten Revision des Strafgesetzbuches die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit (Art. 52 StGB) aufgehoben. Das «An-den-Pranger-Stellen» widerspricht den Auffassungen eines modernen Strafrechts. Ferner trifft die Urteilspublikation zwar sicher auch den Fahrzeugführer, aber in vermehrtem Masse hat seine Familie darunter zu leiden. Schliesslich ist zu bedenken, dass die mit der Urteilspublikation im SVG gewollte Abschreckung kaum eingetreten ist. Mit dem Inkrafttreten des SVG hat die Zahl der Urteilspublikationen sprunghaft zugenommen und sich seit 1963 stets kontinuierlich vergrössert. Vom Total der Urteilspublikationen entfallen rund 90 Prozent auf Verurteilungen wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand (Art. 102 Ziff. 2 Bst. b SVG), 5-6 Prozent auf Verurteilungen wegen besonderer Rücksichtslosigkeit (Art. 102 Ziff. 2 Bst. a SVG) und nur 4-5 Prozent auf allgemein strafrechtliche Veröffentlichungen (Art. 61, 153 und 154 StGB; Dubs, Urteilspublikation, in ZStrR 87 (1971), S. 388). Die Kriminalstatistik zeigt folgendes Bild: Jahr

Lrteitspubhkationen Davon nach Alt 102Ziff 2 Bst * SVG

1961 1962 1963 1965 1967 1969 1971

..

.

15 26 245 687 881 994 1204

612 785 784 1003

Trotz dieser zahlreichen Publikationen wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand sind die Fälle der Angetrunkenheit im Strassenverkehr nicht zurückgegangen, was die folgende Statistik der Führerausweisentzüge belegt :

1212 Jahr

Fuhreiausweisentzuge Total

1965 1967 1969 1971 1972

14 574 . 16822 16944 18707 21281

Wegen Fdhrens m angetrunkenem Zustand

5751 6644 6880 8314 9221

Es kann demnach mit Fug bezweifelt werden, dass Artikel 102 Ziffer 2 SVG seine Präventivwirkung erreicht hat. Auf der ändern Seite muss den Alkoholdelikten im Strassenverkehr mit allen Mitteln begegnet werden; denn angetrunkene Fahrzeugführer stellen eine schwere Gefahr für den Verkehr dar und verdienen m der Regel keine Nachsicht. Aus diesen Gründen ist es auch zu verstehen, dass sich im Vernehmlassungsverfahren eine - wenn auch sehr kleine - Mehrheit für die Beibehaltung der Urteilspublikation ausgesprochen hat. Die ersatzlose Streichung von Artikel 102 Ziffer 2 SVG könnte fälschlicherweise den Eindruck erwecken, man wolle rücksichtslose und angetrunkene Fahrzeugführer milder behandeln.

Auch wenn sich somit gute Gründe für den Verzicht auf die Urteilspublikation anführen lassen, sehen wir aus den dargelegten Überlegungen von einem solchen Antrag ab. Wir haben uns bemüht, all jene Faktoren aufzuzeigen, welche der Gesetzgeber für die Beurteilung dieser grundsätzlichen Frage benötigt.

ArtikellOB Wir schlagen m Absatz 3 die Schaffung eines Zentralregisters für Widerhandlungen im Strassenverkehr vor.

Die vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingesetzte Studiengruppe für die Bekämpfung der Verkehrsunfälle hat die Schaffung eines Zentralregisters für Strafen und Massnahmen im Strassenverkehr beantragt. Ein solches Register vermag im Kampf gegen die Verkehrsunfälle viel beizutragen, indem es über allfällige frühere Verkehrsdelikte und Verwaltungsentscheide Auskunft gibt und so eine gerechte Strafverfolgung und angemessene Massnahmen gewährleistet. Insbesondere wird dadurch eine lückenlose Erfassung der Mehrfachtäter ermöglicht. Von den Verkehrsstrafen sollen Bussen bis 50 Franken, die im Ordnungsbussenverfahren oder im ordentlichen Strafverfahren ausgesprochen worden sind, nicht eingetragen werden. Als Verwaltungsmassnahmen kommen z.B. der Führerausweisentzug, die Verweigerung des Führerausweises und die administrative Verwarrmng sowie allenfalls Fahrverbote und Massnahmen gegenüber Fahrlehrern in Betracht. Eine Arbeitsgruppe der Interkantonalen Kommis-

1213 sion für den Strassenverkehr befasst sich zurzeit mit der Vorbereitung dieses Zentralregisters; die Einzelheiten (z.B. die Erfassung durch Computer) sind noch nicht restlos geklärt.

Der Bundesrat hat die Schaffung eines Zentralregisters für Verkehrsstrafen und -massnahmen in sein Programm zur Verbesserung der Verkehrssicherheit aufgenommen. Die Stellungnahme des Bundesrates zum Bericht der eingangs erwähnten Studiengruppe wurde am 8. September 1971 der Bundesversammlung bekanntgegeben, die dem bundesrätlichen Programm zustimmte (Sten. Bull.

NR. 7972, S. 85-113; Sten. Bull. StR 1972, S. 221-227).

36 Änderungen im VI. Titel « Ausführungs- und Schlussbestimmungen» Artikel 104 Wir beantragen Streichung von Absatz 4.

Nach geltendem Recht sind Strafurteile gegen Bundesbeamte wegen Widerhandlungen im Strassenverkehr, auch wenn sie sich nicht auf die amtliche Tätigkeit beziehen, der Bundesanwaltschaft zu melden. Diese Bestimmung ist eine Diskriminierung der Bundesbeamten. Sie wird zwar - entgegen dem Wortlaut so interpretiert, dass sie vernünftigerweise nur Verkehrswiderhandlungen des Beamten erfassen sollte, die sich auf seine amtliche Tätigkeit oder Stellung beziehen (Schultz, Die Strafbestimmungen des SVG. S. 127), ist aber auch in dieser Deutung praktisch bedeutungslos und gehört eigentlich nicht ins SVG. Tatsächlich sind noch nie Fälle vogekommen, bei denen die Bundesanwaltschaft zur Einlegung eines Rechtsmittels Anlass gehabt hätte. Sollte sich jedoch ein Bedürfnis zeigen, Verurteilungen von Bundesbeamten wegen Verkehrswiderhandlungen, die sich auf ihre amtliche Tätigkeit oder Stellung beziehen, mitgeteilt zu erhalten, so kann dies der Bundesrat gestützt auf Artikel 265 Absatz l des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege anordnen.

Die Streichung von Absatz 4 wurde seinerzeit von der Bundesanwaltschaft selbst beantragt und blieb auch im Vernehmlassungsverfahren unbestritten.

Artikel 106 Im Absatz 7 soll der Bundesrat im Rahmen von zwischenstaatlichen Vereinbarungen neben der Verkehrssicherheit auch die Interessen des Umweltschutzes berücksichtigen. Bei der Beratung der Revision von Artikel 9 SVG (Höchstgewichte) hat der Gesetzgeber dem Anliegen des Umweltschutzes Rechnung getragen. Abweichungen von den gesetzlichen Höchstgewichten sollen auch auf internationaler Ebene, d.h. durch Vereinbarungen, nur unter Berücksichtigung der Interessen des Umweltschutzes erfolgen. Damit erhält der Bundesrat ein wirksa-

1214 mes Mittel, um die periodisch gestellten Begehren ausländischer Staaten, überschwere ausländische Fahrzeuge zuzulassen (z.B. auf den Transitrouten), aus Gründen des Umweltschutzes ablehnen zu können. Diese zusätzliche Auflage im Gesetz ist um so bedeutsamer, als der Bundesrat nach dieser Bestimmung zwischenstaatliche Vereinbarungen ohne nachträgliche Genehmigung der Bundesversammlung abschliessen kann.

In einem neuen Absatz 8 beantragen wir, den Bundesrat zur Beschränkung des Verkehrs mit ausländischen Fahrzeugen zu ermächtigen für den Fall, dass das Recht ausländischer Staaten Beschränkungen für schweizerische Fahrzeuge oder Führer vorsieht. Der Gütertransport ist in den meisten europäischen Staaten aus Verkehrs- und gewerbepolitischen Gründen reglementiert, währenddem in der Schweiz grundsätzlich Transportfreiheit besteht. Die im ausländischen Recht vorgeschriebenen Transportbewilligungen oder Konzessionen müssen auch von schweizerischen Transportunternehmen eingeholt werden; ausländische Lastwagen müssen sich jedoch in der Schweiz lediglich an die verkehrspolizeilichen Vorschriften (z. B. Verkehrsregeln, Masse und Gewichte) halten. Das Nebeneinander von freiheitlicher schweizerischer Ordnung und von ausländischen Reglementierungen des Güterverkehrs auf der Strasse kann zu Schwierigkeiten führen, wenn mit den ausländischen Staaten keine Einigung erzielt wird. So können daraus den schweizerischen Haltern und letzten Endes der schweizerischen Transportwirtschaft schwere Schäden erwachsen.

Die Schweiz stand im Jahre 1969 gegenüber Italien vor solchen Schwierigkeiten. Damals musste ernsthaft befürchtet werden, dass Italien die Einfahrt schweizerischer Lastwagen ganz oder teilweise unterbinden werde. Der Bundesrat erwog Abwehrmassnahmen, um die schweizerische Tranpsortwirtschaft vor schweren Schäden zu bewahren. Obwohl der Bundesrat in diesem sogenannten «Lastwagenkrieg» mit Italien nach Artikel 102 Ziffer 8 BV hätte tätig werden können, wäre es von Vorteil gewesen, wenn sich die schweizerische Delegation damals auf eine ausdrückliche Bestimmung des im Ausland bekannten Strassenverkehrsgesetzes hätte berufen können. Eine für die schweizerischen Lastwagenhalter befriedigende, endgültige Regelung konnte bisher mit Italien noch nicht getroffen werden.

Der im Vernehmlassungsverfahren unbestrittene
Revisionsvorschlag bringt die Gesetzesgrundlage für bundesrätliche Abwehrmassnahmen. Artikel 106 Absatz 8 SVG ändert grundsätzlich nichts an der freiheitlichen schweizerischen Transportordnung. Diese soll nur gegenüber Ausländern eingeschränkt werden können, wenn das ausländische Recht eine offensichtliche Schlechterstellung schweizerischer Staatsangehöriger im Ausland bringt. Die vorgeschlagene Kompetenz soll dem Bundesrat die Möglichkeit geben, zur Wahrung der schweizerischen Interessen Abwehrmassnahmen sowohl landesintern auf dem Verordnungsweg zu treffen als auch - in Ableitung aus diesem Verordnungsrecht - in zwischenstaatlichen Verträgen zu vereinbaren (Fleiner/Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht (Nachdruck 1965), S. 827; Aubert, Traité de droit constitutionnel suisse, 2. Bd., Nr. 1319/4°, S. 481).

1215

4

Finanzielle Auswirkungen für den Bund

Nur die Revision von Artikel 76 SVG bringt finanzielle Auswirkungen für den Bund. Eine zuverlässige Voraussage über die zukünftigen Aufwendungen ist aber unmöglich. Verschiedene, dem Umfang nach Ungewisse Faktoren, spielen eine Rolle. Der im Gesetzesentwurf vorgesehene Einbezug der Sachschäden in die Deckung des Bundes bringt bestimmt Mehraufwendungen mit sich, die aber je nach der Zahl und Schwere der Fälle recht verschieden sein können. Auch dürfte die Einführung der Millionenversicherung (Art. 64 SVG) eine Erhöhung der Schadenzahlungen zur Folge haben. Seit der Inkraftsetzung dieser Bundesdekkung im Jahre 1960 bis 1972 konnte zwar vom Bund lediglich ein Schaden nicht voll gedeckt werden, weil er die bisherigen Mindestsummen überstieg. Demgegenüber zeigte sich in den letzten Jahren die Tendenz, dass die Schadensummen der angemeldeten Fälle anstiegen: aber auch nur einer der noch nicht erledigten Fälle überschreitet die heutigen Mindestsummen. Auf der ändern Seite bringt die Übernahme des Strolchenfahrtenrisikos in die Halterhaftpflichtversicherung eine gewisse Entlastung des Bundes. Die Höhe der Bundeskosten variiert auch von Jahr zu Jahr je nach dem Umfang der Regresseinnahmen.

Die Aufwendungen des Bundes setzen sich zusammen aus den Schadenzahlungen und den Entschädigungen an die geschäftsführende Versicherungsgesellschaft, vermindert um die Regresseinnahmen. Die folgende Tabelle gibt Auskunft über die Totalaufwendungen des Bundes seit 1960: Jahr

1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972

Fr

10298.15 33 508.15 140411.50 156 466.60 166 073.75 245 480.10 243 992.20 220 981.50 384 727.05 331 417.25 263 556.65 282 823.55 487442.50

13 Jahre Total Aufwendungen Bund Davon Entschädigungen an geschäftsführende Versicherungsgesellschaft

2 967 178.95

13 Jahre Total Schadenkosten

2 730 904.85

236 274.10

1216 Von diesen Schadenkosten entfallen 2460343.30 Franken oder rund 90 Prozent auf unbekannte und nichtVersicherte Schädiger und 270 561.55 Franken oder rund 10 Prozent auf Strolchenfahrer.

Die Regelung der Schadendeckung nach Artikel 76 SVG (und bisher auch Art. 75 SVG) ergibt sich ans einem Abkommen zwischen Bundesrat und den in der Unfalldirektoren-Konferenz zusammengeschlossenen Versicherungsgesellschaften vom 6. April 1960. Durch dieses Abkommen wurde kein Versicherungsvertrag, sondern ein Auftragsverhältnis begründet, aus dem heraus eine Versicherungsgesellschaft die Erledigung der Schadenfälle übernimmt. Sowohl die Schadenkosten als auch die Entschädigung an die geschäftsführende Gesellschaft bestreitet der Bund aus öffentlichen Mitteln, die in Voranschlag und Staatsrechnung ausgewiesen sind.

5

Verfassungsmässigkeit

Unsere Revisionsvorschläge betreffen vorwiegend Ergänzungen und Präzisierungen bisheriger Vorschriften und stützen sich daher - wie diese - auf die im Ingress des SVG angegebenen Verfassungsbestimmungen. Lediglich drei neue Bestimmungen des Gesetzesentwurfes (Art. 15 Abs. 4, 24 Abs. l, 106 Abs. 8 SVG) bedürfen einer kurzen Erörterung.

Nach Artikel 15 Absatz 4 des Gesetzesentwurfes wird ein teilweises Fahrschulobligatorium eingeführt, und die Kantone werden zur Fixierung von Höchsttarifen für den obligatorischen Teil der Fahrausbildung ermächtigt. Diese Bestimmung ist mit Artikel 31 BV (Handels- und Gewerbefreiheit) vereinbar; denn sie stellt eine polizeiliche Beschränkung der Privatautonomie der Fahrlehrer zum Schütze der Fahrschüler dar (Fleiner/Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht (Nachdruck 1965), S. 303).

Artikel 24 Absatz l des Revisionsvorschlages verpflichtet die Kantone, von der Verwaltung unabhängige Rekursinstanzen zu bestimmen. Nach Artikel 37°w BV kann der Bund das Gebiet des Motorfahrzeug- und Fahrradwesens allseitig und umfassend, d.h. sowohl in materieller als auch formeller und organisatorischer Hinsicht, ordnen. Wenn es dem Bund zur wirksamen Durchsetzung von Bundesrecht erforderlich erscheint, hat er mit der Gesetzgebungskompetenz auch die Befugnis, auf die Organisation der kantonalen Behörden einzuwirken.

Durch Atikel 106 Absatz 8 der Vorlage wird der Bundesrat ermächtigt, die nötigen Abwehrmassnahmen zu treffen. Auf Grund von Artikel ST018 BV kann der Bund im Gebiet des Automobil- und Fahrradwesens - ausser Vorschriften abgabenrechtlicher Natur und Vorschriften, die mit einer ändern Verfassungsbestimmung in Widerspruch stehen - öffentlich-rechtliche Vorschriften jeglicher Natur aufstellen (Gutachten Steiner über die Verfassungsmässigkeit des Vorentwurfs zum SVG, S. 5). Wirtschaftspolitische Massnahmen sind insofern mit der Verfassung nicht vereinbar, als sie eine Einschränkung der Handels- und Gewer-

1217 befreiheit mit sich bringen. Die in Artikel 106 Absatz 8 vorgesehenen Abwehrmassnahmen treffen nur Ausländer, die sich nicht auf die in Artikel 31 BV garantierte Handels- und Gewerbefreiheit berufen können (Fleiner/Giacometti, a. a. O., S. 281). Die freie Ausübung des Transportgewerbes in der Schweiz durch die schweizerischen Transporteure bleibt unberührt.

Die genannten Bestimmungen der Revisionsvorlage sind daher mit Artikel 37bis BV zu vereinbaren.

6

Abschreibung von Postulaten

Wir beantragen Ihnen, die folgenden Postulate als erfüllt abzuschreiben : Postulat Nr. 8996 des Nationalrates vom 2. Dezember 1964 (Postulat Bachmann-Winterthur) (erfüllt durch Revision der Art. 68 Abs. 3 und lOlo SVG); Postulat Nr. 10 516 des Nationalrates vom 24. September 1970 (Postulat Bratschi) (erfüllt durch Ergänzung von Art. 25 Abs. 4 SVG); Postulat Nr. 11584 des Nationalrates vom 25. Juni 1973 (Postulat Bräm) (erfüllt durch Ergänzung von Art. 25 Abs. 4 SVG).

Bei dieser Revisionsvorlage wurden die Postulate Kurzmeyer (8387) und Wenger (9643) auf Einführung des strafrichterlichen Führerausweisentzuges einlässlich geprüft. Die vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingesetzte Expertengruppe für Strafrechtsfragen des Strassenverkehrs hat die Vorund Nachteile des richterlichen Entzuges gewürdigt und ist zum Schluss gekommen, dass der richterliche Entzug als Nebenstrafe weder sachlich gerechtfertigt noch überhaupt nötig sei. Aus der Begründung ist folgendes anzuführen: Für die Verkehrssicherheit kann nichts gewonnen werden, wenn dem Richter die Kompetenz zum Entzug übertragen wird; denn die Verwaltung kann 'nach geltendem System den Führerausweis in allen Fällen entziehen, in denen dies aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich ist. Auch bringt der richterliche Entzug keine Verstärkung der Verbrechensbekämpfung im allgemeinen; denn der Führerausweisentzug dürfte grundsätzlich auch vom Richter nur als Instrument zur Hebung der Verkehrssicherheit (Nebenstrafe) und nicht als generelle Strafe (Hauptstrafe) für jegliche Delikte angewendet werden. Soweit die allgemeine Verbrechensbekämpfung sich auf den Strassenverkehr bezieht, soll der Missbrauch eines Motorfahrzeuges durch unseren Vorschlag (Art. 16 Abs. 3 Bst./SVG) als gesetzlicher Entzugsgrund verankert werden. Ferner lässt sich der richterliche Entzug auch mit verfahrensrechtlichen und rechtsstaatlichen Notwendigkeiten nicht begründen. Das SVG räumt dem Betroffenen schon heute die gleichen prozessualen Garantien ein, wie sie beim Strafverfahren bestehen (Art. 23 SVG: rechtliches Gehör. Begründungspflicht; Art. 24 SVG: Beschwerderecht). Neu schlagen wir zudem in Artikel 24 Absatz l SVG die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch in

1218 den Kantonen vor. Dadurch erhält jeder von einer Verwaltungsmassnahme Betroffene schon im kantonalen Verfahren die Garantie einer richterlichen Überprüfung der erstinstanzlichen Verwaltungsverfügung. Auch wahrt das heutige System des verwaltungsmässigen Führerausweisentzuges die Rechtsgleichheit besser; denn die Massnahmen im Strassenverkehr werden heute von 25 kantonalen und zwei eidgenössischen Entzugsstellen angeordnet, währenddem beim richterlichen Entzug mehrere 100 Gerichte erstinstanzlich zuständig wären. Durch die Zuständigkeit des Wohnsitzkantons erfährt der Betroffene zudem eine differenziertere und gerechtere Massnahme, weil die Verwaltungsbehörde des Wohnsitzkantons vollständigere Akten und eine bessere Kenntnis der persönlichen und rechtlichen Verhältnisse des Betroffenen besitzt, als dies beim Strafrichter am Tatort der Fall ist. Schliesslich sprechen auch organisatorische Überlegungen nicht zwingend für den strafrichterlichen Entzug. Wenn auch durch den Entzug als Nebenstrafe vermieden würde, dass sich zwei verschiedene Behörden mit dem gleichen Tatbestand befassen, so müsste doch zum nicht strafweisen Sicherungsentzug zwischen Verwaltung und Richter eine Kompetenzaufteilung erfolgen, die nicht ohne weiteres eindeutig gefunden werden könnte. Daraus würden Kompetenzkonflikte entstehen. Der Bundesrat schliesst sich den Ergebnissen dieser einlässlichen Untersuchung an. Das Parlament hat sich bei der Verabschiedung des SVG gegen den richterlichen Entzug ausgesprochen. Eine Änderung der bestehenden Rechtslage drängt sich sachlich nicht auf. Wir erachten die Einführung des richterlichen Entzuges im SVG nicht als zweckmässig. Mit unserem Revisionsvorschlag zu Artikel 24 Absatz l SVG, wonach die Kantone zur Einsetzung verwaltungsunabhängiger Rekursbehörden verpflichtet werden sollen, ist das Hauptanliegen der Postulanten erfüllt, weshalb wir beantragen, die Postulate des Nationalrates Nr. 8387 (Postulat Kurzmeyer) und Nr. 9643 (Postulat Wenger) abzuschreiben.

Das Postulat des Nationalrates Nr. 9728 (Postulat Schürmann) zielt auf die konkordatsmässige Bildung eines ständigen Strassenpolizeikorps und auf die Verschärfung der strafrechtlichen und administrativen Massnahmen bei Verkehrsübertretungen ab. Das zweite Anliegen haben wir, soweit der Bund zum Erlass materieller Vorschriften
kompetent ist, in der Revisionsvorlage berücksichtigt : In Artikel 16 Absatz 3 Buchstabe / SVG haben wir den neuen Entzugsgrund der deliktischen Motorfahrzeugverwendung vorgesehen und in Artikel 91 SVG die Begrenzung der Höchststrafe aufgehoben. Eine weitere Verschärfung der Strafund Entzugsbestimmungen ist auf gesetzgeberischem Wege nicht möglich. Es ist vielmehr Aufgabe der Gerichte und der Entzugsbehörden, in ihrer Praxis die Verkehrswiderhandlungen mit der notwendigen Schärfe zu ahnden; diese Praxis kann nach dem Prinzip der Gewaltentrennung weder vom Gesetzgeber noch vom Bundesrat beeinflusst werden. Die heutige Praxis der Gerichte, insbesondere des Bundesgerichts, und der Entzugsbehörden ist aber streng. Der Verwirklichung des ersten Anliegens, nämlich der konkordatsmässigen Bildung eines ständigen Strassenpolizeikorps, stellen sich nach dem Bericht der Interkantonalen Kommission für den Strassenverkehr (IKSt) kaum überwindbare Schwierigkeiten entge-

1219 gen In formeller Hinsicht fuhrt das Konkordat zu einer unbefriedigenden Losung, weil das Verfahren sehi kompliziert ist und jeder Kanton frei ist, ihm beizutreten oder nicht In materieller Hinsicht stellen sich grosse oiganisatonsche Probleme So musste das interkantonale Pohzeikorps untei ein geeignetes Kommando gestellt werden Ferner mussten die Angehörigen dieses Korps die Verfahrensvorschriften in allen Kantonen m denen sie eingesetzt werden, gründlich kennen, denn die Strafverfolgung richtet sich nach kantonalen Gesetzen (Art 343 StGB) Schhesslich waren längs des gesamten Strassennetzes m bestimmten Abstanden Unterkunfts- und Arbeitsraume zu schaffen Die Erfahrungen im In- und Ausland zeigen zudem dass die Angehörigen der Verkehrspolizei wegen dei Eintönigkeit des Dienstes und anderer Unannehmlichkeiten nach relativ kuizer Zeit dienstmude werden und eine V ersetzung wünschen Mag dies kantonsmtem noch befriedigend gelost werden, so wäre doch die Lbernahme von dienstmuden Angehongen des interkantonalen Polizeikorps durch die Polizeibehörden einzelner Kantone unzumutbai Abgesehen davon durften auch einem interkantonalen Pohzeikorps kaum mehr Polizisten als beim heutigen System zur Verfugung stehen Der Bundesrat ist daher mit der Interkantonalen Kommission für den Stiassenverkehr der Auffassung, dass die an sich wunschbare Intensivierung der polizeilichen Verkehrsuberwachung sich am zweckmassigsten und rationellsten durch den Ausbau der bestehenden kantonalen Polizeiorgamsationen verwirklichen lasst Auf Grund dieses Berichtes beantragen wii Ihnen die Abschreibung des Postulates Schurmann Die Postulate des Nationalrates Nr 10379 (Postulat Glasson) und Nr 10 963 (Postulat Bratschi), fordern eine begienzte Höchstgeschwindigkeit fui Neufahrer Die Frage der Geschwindigkeitsbeschränkung für Neufahrei bedarf insbesondere im Rahmen der versuchsweise angeoidneten Begienzung dei Höchstgeschwindigkeit ausserorts auf 100 km'h einer einlasshchen Prüfung die auf den Zeitpunkt der vorliegenden SVG-Revision nicht abgeschlossen werden konnte Die Postulate Glassou und Biatschi können daher noch nicht abgeschrieben weiden Das Postulat des Standerates Isr 11 351 (Postulat Bodenmann) schliesshch wurde mit dem Gesetzesentwurf zum Teil verwirklicht Soweit darin die Erhöhung der Mrndestversicherungssummen und der
Einbau des Strolchenfahrtennsikos m die Halterhaftpflichtversicherung verlangt wird ist das Postulat Bodenmann erfüllt Die gleichzeitig postulierte Ausdehnung dei Versicherungspflicht auf die Angehörigen des Halters und Aufhebung des Gefälligkeitsfahrtenabzuges muss bezuglich Auswirkung auf die Pramiengestaltung noch geprüft weiden In diesen Punkten konnte das Postulat nicht mehr m das \ orhegende Revisionsverfahren embezogen werden Das Postulat Bodenmann muss daher noch aufrechterhalten werden Gestutzt auf diese Darlegungen beantragen wir Ihnen, den nachfolgenden Gesetzesentwurf anzunehmen

1220 Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 14. November 1973 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident : Bon vin Der Bundeskanzler : Huber

1221 (Entwurf)

Bundesgesetz über den Strassenverkehr Änderung vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 14. November 1973i\ beschliesst: I

Das Bundesgesetz vom 19. Dezember 19582) über den Strassenverkehr wird wie folgt geändert:

Art. 6 1 Im Bereich der für Motorfahrzeuge oder Fahrräder offenen Reklamen Strassen sind Reklamen und andere Ankündigungen untersagt, die zu Verwechslung mit Signalen oder Markierungen Anlass geben oder sonst, namentlich durch Ablenkung der Strassenbenützer. die Verkehrssicherheit beeinträchtigen könnten.

2

Der Bundesrat kann Reklamen und andere Ankündigungen im Bereich von Autobahnen und Autostrassen gänzlich untersagen.

Art. 14 Abs. 4 (neu) 4

Jeder Arzt ist befugt, Personen, die durch körperliche oder geistige Krankheiten oder Gebrechen oder durch Süchte an der sicheren Führung von Motorfahrzeugen gehindert sind, der Aufsichtsbehörde für die Ärzte sowie der für die Erteilung oder den Entzug des Führerausweises zuständigen Behörde zu melden.

i>BB11973II 1173 2> SR 741.01

1222 Art. 15 Ausbildung der Motorfahrzeugfuhier

1

Lernfahrten auf Motorwagen dürfen nur mit einem Begleiter unternommen werden, der seit wenigstens vier Jahren den entsprechenden Führerausweis besitzt.

2 Der Begleiter hat dafür zu sorgen, dass die Lernfahrt gefahrlos durchgeführt wird und der Fahrschüler die Verkehrsvorschriften nicht verletzt.

3 Wer gewerbsmässig Fahrunterricht erteilt, bedarf des Fahrlehrerausweises.

4 Der Bundesrat erlässt Vorschriften über die Ausbildung der Motorfahrzeugführer. Er schreibt vor, dass ein Teil der Ausbildung durch einen Inhaber des Fahrlehrerausweises zu erfolgen hat. Die Kantone können den Höchsttarif für den obligatorischen Fahrunterricht festlegen.

5 Der Bundesrat kann Vorschriften über die Weiterbildung der Motorfahrzeugführer erlassen.

Art. 16 Abs. 3 Bst.f(neu) f. ein Motorfahrzeug zur Begehung eines Verbrechens oder mehrmals zu vorsätzlichen Vergehen verwendet hat.

Art. 17 Abs. l Bst. cundd c. mindestens sechs Monate, wenn der Führer trotz Ausweisentzuges ein Motorfahrzeug geführt hat oder wenn ihm der Ausweis wegen einer innert zwei Jahren seit Ablauf des letzten Entzuges begangenen Widerhandlung entzogen werden muss ; d. mindestens ein Jahr, wenn der Führer innert fünf Jahren seit Ablauf eines früheren Entzuges wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand erneut in diesem Zustand gefahren ist.

Art. 19 Abs. 3

3 In gleicher Weise kann der Wohnsitzkanton einem Radfahrer, der den Verkehr schwer oder mehrmals gefährdet hat, verwarnen oder ihm das Radfahren verbieten. Das Fahrverbot muss angeordnet werden, wenn der Radfahrer in angetrunkenem Zustand gefahren ist. Die Mindestdauer des Fahrverbotes beträgt in beiden Fällen einen Monat.

1223

Art. 24 1

Die Kantone bestellen für Beschwerden gegen Verfügungen. Beschwerden die gestützt auf den zweiten Titel dieses Gesetzes getroffen werden.

eine von der Verwaltung unabhängige Beschwerdeinstanz.

2

Letztinstanzliche kantonale Entscheide unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgencht. Ausgenommen bleiben Entscheide, gegen welche die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht nach den Artikeln 99 Buchstaben e und/, 100 Buchstabe /und 101 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege unzulässig ist.

3 Letztinstanzliche kantonale Entscheide, gegen welche die Verwaltungsgeriphtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist, unterliegen der Beschwerde an das Eidgenossische Justiz- und Polizeidepartement.

4 Beschwerden gegen erstinstanzliche Verfügungen über die Einreibung eines Fahrzeugs m eine Fahrzeugkategorie und gegen Beanstandungen von Bau und Ausrüstung eines Motorfahrzeugs sind unmittelbar an das Eidgenössische Justiz- und Pohzeidepartement zu richten.

5 Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement entscheidet endgültig.

6

Im Beschwerdeverfahren der kantonalen und Bundesbehördeu steht das Beschwerderecht ausser den Personen und Organisationen, die durch die angefochtene Verfügung berührt sind und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung haben, auch folgenden Behörden zu: a. der erstinstanzlich verfügenden Behörde; b. der zuständigen Behörde des Kantons, der einem anderen Kanton eine Verfügung beantragt hat: c. im Falle der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht der Eidgenössischen Polizeiabteilung.

7

Das Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht bestimmt sich im übrigen nach den Artikeln 104 ff.

des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege, das Verfahren der Beschwerde an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement nach den Artikel 49 und 51 ff. des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren. Die Beschwerdefrist beträgt 30 Tage, für Beschwerden gegen Zwischenverfügungen 10 Tage.

1224

Art. 25 Abs. 2 Est. e, Abs. 4 und5 2 ...

c. die Fahrlehrer und ihre Fahrzeuge, 4 Der Bundesrat kann für Bewerber um den Führerausweis eine Ausbildung in lebensrettenden Sofortmassnahmen vorschreiben.

5 Der Bund fördert im Rahmen seiner Befugnisse die Hebung der Verkehrssicherheit, namentlich die Verkehrserziehung.

Art. 26 Abs. l (Betrifft nur den französischen Text)

Art. 30 Abs. l 1

Der Führer darf auf Motorfahrzeugen und Fahrrädern Personen nur auf den dafür eingerichteten Plätzen mitführen. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen; er erlässt Vorschriften über die Personenbeförderung mit Anhängern.

Art. 46 Abs. 2 und 3 2

Radfahrer dürfen nicht nebeneinander fahren. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen.

3 Aufgehoben Art. 47 Abs. 2 Aufgehoben

Art. 55 Angetrunkenhat

i Der Bundesrat legt fest, bei welcher Blutalkoholkonzentration unabhängig von weiteren Beweisen und individueller Alkoholverträglichkeit Angetrunkenheit im Sinne dieses Gesetzes angenommen wird. Andere Beweismittel für die Fahruntauglichkeit wegen Alkoholeinwirkung bleiben vorbehalten.

2 Fahrzeugführer und an Unfällen beteiligte Strassenbenützer, bei denen Anzeichen von Angetrunkenheit vorliegen, sind geeigneten Untersuchungen zu unterziehen. Die Blutprobe kann angeordnet werden.

3 Das kantonale Recht bestimmt, wer zur Anordnung der Massnahmen zuständig ist.

4

Der Bundesrat erlässt Vorschriften über das Vorgehen bei der Blutentnahme und über die technische Auswertung der Blutprobe sowie über die zusätzliche ärztliche Untersuchung des der Angetrunkenheit Verdächtigten.

1225 Art. 56 1

Der Bundesrat ordnet die Arbeits- und Präsenzzeit der berafsmässigen Motorfahrzeugführer. Er sichert ihnen eine ausreichende tägliche Ruhezeit sowie Ruhetage, so dass ihre Beanspru.

· i .

,· , T, i r chung nicht grösser ist als nach den gesetzlichen Regelungen tur vergleichbare Tätigkeiten. Er sorgt für eine wirksame Kontrolle der Einhaltung dieser Bestimmungen.

2 Der Bundesrat regelt die Anwendung der Bestimmungen über die Arbeits- und Ruhezeit a. auf berufsmässige Führer, die mit schweizerisch immatrikulierten Motorwagen Fahrten im Ausland durchführen; b. auf berufsmässige Führer, die mit ausländisch immatrikulierten Motorwagen Fahrten in der Schweiz ausführen.

Arbeite-und berufimässifTM Motorfahrzeugführer

Art. 57 Abs. 4 (neu) 4 Der Bundesrat kann die Herstellung, den Handel und die Verwendung von Geräten und Vorrichtungen verbieten, welche die behördliche Kontrolle des Strassenverkehrs stören, erschweren oder unwirksam machen könnten.

Art. 60 1

Sind bei einem Unfall, an dem ein Motorfahrzeug beteiligt Mehrere ist, mehrere für den Schaden eines Dritten ersatzpflichtig, so haften Sc -adlger sie solidarisch.

2 Auf die beteiligten Haftpflichtigen wird der Schaden unter Würdigung aller Umständen verteilt. Mehrere Motorfahrzeughalter tragen den Schaden nach Massgabe des von ihnen zu vertretenden Verschuldens, wenn nicht besondere Umstände, namentlich die Betriebsgefahren, eine andere Verteilung rechtfertigen.

3 Aufgehoben

Art. 61 Abs. l und 3 (neu) 1 Wird bei einem Unfall, an dem mehrere Motorfahrzeuge beteiligt sind, ein Halter körperlich geschädigt, so wird der Schaden den Haltern aller beteiligten Motorfahrzeuge nach Massgabe des von ihnen zu vertretenden Verschuldens auferlegt, wenn nicht besondere Umstände, namentlich die Betriebsgefahren, eine andere Verteilung rechtfertigen.

3 Mehrere ersatzpflichtige Halter haften dem geschädigten Halter solidarisch.

1226

Art. 63 Abs. 3 Bst. b b. Ansprüche des Ehegatten des Halters, seiner Verwandten in auf- und absteigender Linie sowie seiner mit ihm in gemeinsamem Haushalt lebenden Geschwister ;

Art. 64 Mindestversicherung

Der Bundesrat bestimmt die Beträge, die als Ersatzansprüche der Geschädigten aus Personen- und Sachschäden von der Haftpflichtversicherung gedeckt werden müssen.

Art. 68 Abs. 3 3

Werden die Kontrollschilder bei der zuständigen Behörde hinterlegt, so ruht die Versicherang. Die Behörde gibt dem Versicherer davon Kenntnis.

An. 70 Abs. 3 und 4 Bst. a 3 Der Bundesrat bestimmt die Mindestbeträge, die als Ersatzansprüche der Geschädigten aus Personen- und Sachschäden von der Haftpflichtversicherung gedeckt werden müssen.

4 Aus der Versicherung können ausgeschlossen werden : a. Ansprüche des Ehegatten des Radfahrers, seiner Verwandten in auf- und absteigender Linie sowie seiner mit ihm in gemeinsamem Haushalt lebenden Geschwister;

Art. 71 Unternehmen des Motorfahrzeuggewerbes

1

Der Unternehmer im Motorfahrzeuggewerbe haftet wie ein Halter für den Schaden, der durch ein Motorfahrzeug verursacht wird, das ihm zur Aufbewahrung, Reparatur, Wartung, zum Umbau oder zu ähnlichen Zwecken übergeben wurde. Der Halter und sein Haftpflichtversicherer haften nicht.

2 Diese Unternehmer sowie solche, die Motorfahrzeuge herstellen oder damit Handel treiben, haben für die Gesamtheit ihrer eigenen und der ihnen übergebenen Motorfahrzeuge eine Haftpflichtversicherung abzuschliessen. Die Bestimmungen über die Halterversicherung gelten sinngemäss.

Art. 75 Strolchenfahrten

,

1 Wer ein Motorfahrzeug zum Gebrauch entwendet, haftet wie ein Halter. Solidarisch mit ihm haftet der Führer, der bei Beginn der

1227 Fahrt wusste oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen konnte, dass das Fahrzeug zum Gebrauch entwendet wurde. Der Halter haftet mit, ausser gegenüber Benutzern des Fahrzeugs, die bei Beginn der Fahrt von der Entwendung zum Gebrauch Kenntnis hatten oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit haben konnten.

2 Der Halter und sein Haftpflichtversicherer haben den Rückgriff auf die Personen, die das Motorfahrzeug entwendeten, sowie auf den Führer, der bei Beginn der Fahrt von der Entwendung zum Gebrauch Kenntnis hatte oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit haben konnte.

3 Dem an der Entwendung schuldlosen Halter dürfen aus der Schadendeckung bei Strolchenfahrten in versicherungsrechtlicher Hinsicht keine finanziellen Nachteile erwachsen.

Art. 76 Abs. 1-3 1

Der Bund deckt nach den Grundsätzen über die Halterversicherung die Ersatzansprüche für die von unbekannten Motorfahrzeugen oder Radfahrern verursachten Personenschäden sowie für Sachschäden, die einen vom Bundesrat festzusetzenden Selbstbehalt des Geschädigten übersteigen. Kann der Haftpflichtige nachträglich ermittelt werden, so hat der Bund den Rückgriff auf ihn und seinen Versicherer.

2 Ebenso deckt der Bund nach den Grundsätzen über die Halterversicherung die Ersatzansprüche für Schäden, die von nichtversicherten und nicht mit gültigen Kontrollschildem oder Kennzeichen versehenen Motorfahrzeugen oder Fahrrädern verursacht werden. Er hat den Rückgriff auf die Personen, die den Schaden verschuldet haben oder für die Verwendung des nichtVersicherten Fahrzeugs verantwortlich sind.

3 Der Bund deckt nur den Teil des Schadens, für den der Geschädigte nicht anderweitig Ersatz beanspruchen kann. Leistungen aus privaten Lebensversicherungsverträgen sowie die in Form einer Kapitalabfindung oder eines Taggeldes geleisteten Entschädigungen aus privaten Unfallversicherungsverträgen werden indessen auf die Ansprüche des Geschädigten gegen den Bund nicht angerechnet.

An. 78 Motorradfahrer haben sich und die Mitfahrer gegen Motorrad- unfaiiveisiunfälle zu versichern. Die bei der Schweizerischen Unfallversiche- Motörraduhrungsanstalt versicherten Motorradfahrer und Mitfahrer sind für "ei Betriebsunfälle von dieser Versicherungspflicht befreit. Der Bundesrat erlässt die näheren Bestimmungen.

1228 Art. 79 Gegenrecht

Im Ausland wohnhafte ausländische Geschädigte können durch Beschluss des Bundesrates von der Schadendeckung der Artikel 74, 76 und 77 ausgeschlossen werden, sofern deren Wohnsitzoder Heimatstaat die entsprechenden Ersatzrechte schweizerischer Geschädigter nicht in gleichwertiger Weise sichert.

Art. 90 Ziff. 2 und 3 2. Wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

3. Artikel 237 Ziffer 2 des Schweizerischen Strafgesetzbuches findet in diesen Fällen keine Anwendung.

Art. 91 Abs. l und 3 1

Wer in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

3 Wer sich vorsätzlich einer amtlich angeordneten Blutprobe oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzieht oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Art. 96 Ziff. 2 1. Wer ein Motorfahrzeug führt, obwohl er wusste oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen konnte, dass die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung nicht besteht, wird mit Gefängnis und mit Busse bestraft. Die Busse muss mindestens der geschuldeten Prämie gleichkommen, hat aber wenigstens einen Drittel der Jahresgrundprämie für das Fahrzeug zu betragen.

In leichten Fällen wird der Fehlbare mit Busse in der Mindesthöhe einer Monatsgrundprämie bestraft.

Art. 99 Ziff. 31TM (neu) bis

3 . Wer sich weigert, den Kontrollorganen auf Verlangen die erforderlichen Ausweise oder Bewilligungen vorzuweisen, wird mit Busse bestraft.

Art. 100 Abs. l Ziff. 2 2. Begeht ein Motorfahrzeugführer eine nach diesem Gesetz strafbare Handlung auf Veranlassung seines Arbeitgebers oder Vor-

1229 gesetzten oder haben diese eine solche Widerhandlung nicht nach ihren Möglichkeiten verhindert, so unterstehen Arbeitgeber und Vorgesetzte der gleichen Strafandrohung wie der Führer.

Art. 10l'1 \neuj Der Richter ordnet die Veröffentlichung des Strafurteils als VeroffenthNebenstrafean: Urtofs*' a. wenn der Verurteilte besondere Rücksichtslosigkeit an den Tag gelegt hat; b. wenn der Verurteilte innert fünf Jahren seit der letzten Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand erneut ein Motorfahrzeug in diesem Zustand geführt hat.

An 102 1. Die allgemeinen Bestimmungen des Sch\\ eizerischen Straf- Verhältnis zu gesetzbuches finden insofern Anwendung, als dieses Gesetz keine Strafgesetzen abweichenden Vorschriften enthält.

2. Die besonderen Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches bleiben vorbehalten, ebenso die Gesetzgebung über die Bahnpolizei.

An. 103 Abs. 3 3 Der Bund führt ein zentrales Register über Strafen und Massnahmen im Strassenverkehr. Der Bundesrat erlasst die zum Vollzug notwendigen Vorschriften. Er bestimmt insbesondere, welche Strafen und Massnahmen in dieses Register einzutragen sind und kann Vorschriften erlassen über die Strafkontrolle für Entscheide, die nicht in dieses Register eingetragen werden.

Art. 104 Abs. 4 Aufgehoben Der bisherige Absatz 5 wird Absatz 4.

Art. 106 Abs. 7 und8 (neu) 7

Der Bundesrat kann mit ausländischen Staaten Vereinbarungen abschliessen über den grenzüberschreitenden Motorfahrzeugverkehr. Im Rahmen solcher Vereinbarungen kann er, ausnahmsweise und soweit es die Interessen der Verkehrssicherheit und des

1230 Umweltschutzes gestatten, Bewilligungen vorsehen für Fahrten von schweizerischen und ausländischen Fahrzeugen, welche die in Artikel 9 dieses Gesetzes festgelegten Gewichte überschreiten.

8 Der Bundesrat kann Fahrten ausländischer Fahrzeuge verbieten, kontingentieren, der Bewilligungspflicht unterstellen oder ändern Beschränkungen unterwerfen, wenn ein ausländischer Staat gegenüber schweizerischen Fahrzeugen und deren Führern solche Massnahmen anordnet oder strengere Verkehrsvorschriften anwendet als für die eigenen Fahrzeuge und deren Führer.

II 1

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

Der Bundesrat trifft die notwendigen Übergangsregelungen.

3 Er bestimmt das Inkrafttreten.

2

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Änderung des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr (Vom 14. November 1973)

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Jahr

1973

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

51

Cahier Numero Geschäftsnummer

11816

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.12.1973

Date Data Seite

1173-1230

Page Pagina Ref. No

10 045 928

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