Parlamentarische Vorstösse Verfahren, Statistiken, Kosten und das Vorstosswesen betreffende Änderungsvorschläge Schlussbericht zuhanden der Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat vom 25. Februar 1999

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2000-0764

Das Wichtigste in Kürze Der Verfahrensweg von parlamentarischen Vorstössen, Aspekte ihrer zahlenmässigen Entwicklung in den letzten Jahren sowie die Ermittlung der Kosten, die ihre Beantwortung in Bundesrat und Bundesverwaltung verursacht: dies waren Schwerpunkte der Untersuchung, welche die Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle (PVK) im Auftrag der Geschäftsprüfungskommissionen der Eidg. Räte zwischen Juni 1998 und Januar 1999 durchgeführt hat. Zudem war von der PVK mittels einer Umfrage in Erfahrung zu bringen, ob und wo die Bundesverwaltung Möglichkeiten sieht, die aktuelle Beantwortungspraxis und das Vorstosswesen zu verändern. Die Untersuchung hat zu folgenden Hauptergebnissen geführt: ­

Die Zahl der von Ratsmitgliedern und Fraktionen eingereichten Vorstösse ist zwischen 1984 und 1997 ­ bei gewissen jährlichen Schwankungen ­ tendenziell gestiegen. Betrachtet man die Vorstosskategorien einzeln, zeigt sich, dass insbesondere die Zahl der eingereichten Motionen und Interpellationen tendenziell zugenommen hat. Demgegenüber haben in beiden Räten die Postulate sowie im Nationalrat auch die Einfachen Anfragen an Attraktivität verloren.

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Im genannten Zeitraum wurden im Nationalrat beinahe achtmal mehr Vorstösse pro Kalenderjahr eingereicht als im Ständerat. Dies bedeutet in anderen Worten, dass pro Ratsmitglied durchschnittlich rund 3 (Nationalrat) resp. 1,6 (Ständerat) Vorstösse pro Jahr eingebracht wurden.

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Die Gegenüberstellung der zwischen 1994 und 1997 pro Session eingereichten und im gleichen Zeitraum von den Räten erledigten Vorstösse hat ergeben, dass diese Entwicklungen tendenziell gegenläufig sind: Der Verlauf der eingereichten Vorstösse ist im genannten Zeitraum leicht zu-, derjenige der von den Räten erledigten demgegenüber abnehmend.

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Die Erhebung der Art und Weise, wie die Eidgenössischen Räte hängige persönliche Vorstösse zwischen 1994 und 1997 erledigt haben, hat aufgezeigt, wie vielfältig das «Schicksal» von Vorstössen sein kann. Dies betrifft vor allem das wichtigste Initiativinstrument, die Motion. Vorstösse dieser Kategorie wurden zu einem Drittel unbehandelt abgeschrieben (in erster Linie deshalb, weil sie im Parlament zwei Jahre pendent geblieben waren), der Rest wurde am ehesten in Form von Postulaten durch den Erstrat überwiesen oder abgelehnt. Erfolgreich (Zustimmung beider Räte und Überweisung an den Bundesrat) waren demgegenüber weniger als ein Zehntel aller erledigten Motionen.

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Die Beantwortungskosten der untersuchten Vorstösse ­ je zehn Motionen, Postulate, Interpellationen und Einfache Anfragen ­ bewegen sich im Bereich zwischen knapp 1000 und 8000 Franken. 40 Prozent der Vorstösse erreichen Beträge zwischen 3000 bis 5000 Franken, während die übrigen ­ annähernd je zur Hälfte ­ über bzw. unter dieser Kostenspanne liegen. Der Mittelwert der 40 analysierten Vorstösse beträgt 4080 Franken. Damit ist

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dieser deutlich unter den bisher kursierenden Schätzungen der Beantwortungskosten situiert (10 000 Franken oder mehr).

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Die Kostenspannweiten der einzelnen Vorstossarten unterscheiden sich in einem als gering zu bezeichnenden Mass. Der Vergleich ihrer Mittelwerte führt zum Ergebnis, dass zwischen der teuersten Vorstossart, der Postulate (Mittelwert: Fr. 4310), und der kostengünstigsten, der Einfachen Anfragen (Mittelwert: Fr. 3760), eine Differenz von 550 Franken besteht.

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Die Behandlung eines Vorstosses in den Eidgenössischen Räten vermag dessen Beantwortungskosten auf Seiten Departement und Amt um 650 bis 2650 Franken zu steigern (Mittelwerte).

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80 Prozent der in die schriftliche Umfrage der PVK einbezogenen 20 Bundesstellen stufen die gegenwärtigen Abläufe und die Praxis bei der Beantwortung von Vorstössen als teilweise änderungsbedürftig ein.

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Die Änderungs- und Reformvorschläge der Bundesverwaltung haben einerseits Vereinfachungen und Rationalisierungen in der bundesrätlichen und administrativen Behandlung der Vorstösse zum Inhalt (z.B. Verlagerung der Beantwortungsinstanz vom Bundesrat auf das Departement, Vereinfachungen bezüglich der Antworten). Andererseits richten sie sich auf Regelungen und Verfahren auf Seiten des Parlamentes (z.B. Kontingentierung der Vorstösse pro Ratsmitglied und Zeitspanne, Vorprüfung der Vorstösse auf Grund verschiedener Kriterien, Verkürzung der Abschreibungsfrist für die Behandlung von Vorstössen in den Eidg. Räten) oder stellen modifizierte bzw. neue Vorstossmodelle zur Diskussion (z.B. Reduktion der Vorstossarten, Änderungen bezüglich der Dringlichkeit).

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Bericht Einleitung Parlamentarische Vorstösse erfüllen wichtige und vielfältige Funktionen. Sie werden in ihrer Gesamtheit zuweilen aber auch kritisch hinterfragt: Sei es, weil ihre Zahl in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat oder weil der Stoss behandlungsreifer, aber pendenter Vorstösse einen Schatten auf den Ratsbetrieb wirft, sei es, weil sie unter dem Verdacht stehen, in der Verwaltung massive Aufwände zu verursachen ­ bei letztlich geringer eigener Wirksamkeit. Die Koordinationsgruppe der Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) von National- und Ständerat hat Genaueres zu dieser Thematik in Erfahrung bringen wollen und deshalb die Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle (PVK) Ende des ersten Halbjahres 1998 beauftragt, verschiedene im Zusammenhang mit dem Vorstosswesen stehende Aspekte zu untersuchen. Im Wesentlichen waren folgende Punkte von der PVK abzuklären: ­

Verfahren bei der Behandlung von Vorstössen vom Zeitpunkt ihrer Einreichung bis zu ihrer Erledigung,

­

Statistiken zur zahlenmässigen Entwicklung und Erledigung von Vorstössen in den Eidgenössischen Räten,

­

Kosten des Bundesrates und der Bundesverwaltung für die Beantwortung von Vorstössen,

­

Einschätzung der aktuellen Beantwortungspraxis und Möglichkeiten von Änderungen und Alternativen.

Die wichtigsten Ergebnisse dieser Abklärungen sind im vorliegenden Schlussbericht zusammengefasst. Dessen Kapitel werden mit den jeweiligen Untersuchungsfragen eröffnet. Die ausführlichen Untersuchungsresultate enthält der Arbeitsbericht. Insbesondere finden sich darin: ­

zahlreiche weitere Statistiken zu Entwicklung und «Schicksal» von Vorstössen sowie ein Exkurs zu den im rechtlichen Sinne nicht als Vorstoss geltenden parlamentarischen Initiativen,

­

die detaillierte Auswertung der Kostenerhebung,

­

sämtliche Ergebnisse der Umfrage zur Beantwortungspraxis der Vorstösse,

­

ein Überblick über die parlamentarischen Instrumente anderer europäischer Länder,

­

nähere Angaben zum methodischen Vorgehen.

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1

Das Verfahren bei parlamentarischen Vorstössen

In diesem Kapitel sind die Ergebnisse der ersten Untersuchungsfrage zusammengefasst: Welche Verfahrensschritte durchlaufen parlamentarische Vorstösse vom Zeitpunkt ihrer Einreichung bis zu ihrer Erledigung?

Wir geben im Folgenden einen Überblick über die wichtigsten Verfahrens- und Arbeitsschritte von parlamentarischen Vorstössen.1 Im Anschluss an untenstehende Abbildung 1 werden dabei diejenigen Abläufe, die für das Verständnis der folgenden Kapitel zu Statistiken, Kostenerhebung sowie Beantwortungspraxis und Änderungsmöglichkeiten wichtig sind, kurz erläutert. Das Augenmerk wird auf die Phase bis und mit Behandlung von Vorstössen in den Räten gelegt.

Übersicht über das Verfahren bei parlamentarischen Vorstössen Abbildung 1

Einreichung Vorstoss (v.a. Art. 33 GRN; Art. 26 GRS): Jedem Parlamentsmitglied, den Fraktionen, den Kommissionen und Kommissionsminderheiten steht unter Einhaltung gewisser formaler Bedingungen das uneingeschränkte Recht zu, Vorstösse einzureichen. Während mit Motionen (Mo) und Postulaten (Po) die Ausarbeitung eines Gesetzes- bzw. Beschlussentwurfs oder das Treffen einer Massnahme in Auftrag gegeben (Mo) resp. angeregt (Po) werden können, ermöglichen es Interpellationen (Ip) und Einfache Anfragen (EA), Auskunft über Angelegenheiten des Bundes zu verlangen.

1

Der Überblick stützt sich auf Unterlagen und Auskünfte des EJPD.

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Neu eingereichte Vorstösse gelangen über die Parlamentsdienste (PD) an die Bundeskanzlei (BK), welche eine Zuteilung der Vorstösse an die Departemente vornimmt, die mitinteressierten Dienststellen ermittelt und die Vorstosstexte an alle Departemente weiterleitet. Ist die Federführung nicht klar ersichtlich, beispielsweise weil die Zuständigkeitsbereiche mehrerer Departemente angesprochen sind, erfolgt die Zuteilung in Absprache zwischen der BK und den betroffenen Departementen.

Umstrittene Fälle werden zwischen den beteiligten Dienststellen bereinigt: Dies war seit 1994 bei rund sieben Prozent der beantworteten Vorstösse notwendig. Den Schlussentscheid über die Zuteilung fällt der Bundesrat. Jeder Vorstoss wird von der BK bzw. dem federführenden Departement in die zwei weiteren Amtssprachen übersetzt.

Beantwortung Vorstoss (Art. 35 Abs. 1 und Abs. 1bis GRN; Art. 27 Abs. 2 und Abs. 2bis GRS): Innerhalb der reglementarisch festgehaltenen Frist für die Beantwortung von Vorstössen (auf die nächste Session) übermittelt das Generalsekretariat des federführenden Departementes ­ in unserem Falle das EJPD ­ den Vorstoss an das federführende Amt, das zusammen mit den mitbeteiligten Ämtern einen Antwortentwurf ausarbeitet und ihn intern bereinigt.

Anschliessend werden im Rahmen der Ämterkonsultation die mitinteressierten Ämter der anderen Departemente zur Stellungnahme eingeladen. Der Antwortentwurf wird vom federführenden Amt in der Folge allenfalls angepasst, in die zwei weiteren Amtssprachen übersetzt und samt Antrag an den Bundesrat dem Generalsekretariat des EJPD zugeleitet. Dieses unterzieht daraufhin Antrag und Antwort einer formellen und materiellen Prüfung und übergibt sie dem Departementsvorsteher zur Unterschrift.

Der Antrag an den Bundesrat und die bereinigte Antwort gelangen hernach an die BK, welche die Unterlagen in den drei Amtssprachen an alle Departemente verteilt und den Vorstoss für die folgende Bundesratssitzung traktandiert. Während rund einer Woche haben die Departemente unaufgefordert die Gelegenheit, Mitberichte einzureichen. Ist das Geschäft nicht umstritten, wird die Antwort vom Bundesrat diskussionslos beschlossen (so genannte «Global-Genehmigung» zusammen mit allen anderen unumstrittenen Vorstössen) und von der BK in allen drei Amtssprachen an das federführende und die
mitinteressierten Departemente sowie an die Eidgenössischen Räte übermittelt.

Treffen hingegen Mitberichte ein und können die Differenzen vor der Bundesratssitzung nicht bereinigt werden, wird der Vorstoss zurückgestellt, d.h. seine Behandlung auf die nächste Bundesratssitzung verschoben und neu traktandiert: seit 1994 war dies bei rund 14 Prozent aller beantworteten Vorstösse notwendig. Die Differenzbereinigung bei umstrittenen Antworten erfolgt entweder im schriftlichen Mitberichtsverfahren oder mittels mündlicher Absprachen zwischen den beteiligten Dienststellen. Kommt eine Einigung zu Stande, entscheidet der Bundesrat auf Grund eines allenfalls überarbeiteten Antwortentwurfes. Können die Differenzen nicht bereinigt werden, wird die Antwort auf Grund der Beratung und der Beschlüsse des Bundesrates überarbeitet: in ca. fünf Fällen pro Jahr (von durchschnittlich rund 680 eingereichten Vorstössen pro Jahr seit 1984, vgl. Kap. 2: Statistiken) stimmt der Bundesrat der vorgelegten Fassung grundsätzlich nicht zu, was eine vollständige erneute Überarbeitung, Übersetzung, Verteilung und Traktandierung der Antwort notwendig macht.

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Nachdem der Bundesratsbeschluss (BRB) schliesslich vorliegt, übermittelt die BK die Antwort in allen drei Amtssprachen an die Eidgenössischen Räte und an das federführende sowie die mitinteressierten Departemente.

Rückzug Vorstoss (Art. 33 Abs. 5 GRN; Art. 26 Abs. 5 GRS): Urheber/innen können ihre Vorstösse jederzeit zurückziehen. Diese werden von der Geschäftsliste gestrichen und in den betroffenen Departementen, der BK und den PD klassiert.

Abschreibung Vorstoss vor Behandlung in den Räten (Art. 40 GRN; Art. 32 GRS): Im Gegensatz zu den EA, die mit der bundesrätlichen Beantwortung erledigt sind, werden Mo, Po, Empfehlung (Emp., nur SR) und Ip in den Ratsplenen behandelt. In einigen Fällen müssen diese Vorstösse aber noch vor der Behandlung abgeschrieben werden, sei es, weil ihr/e Urheber/innen aus dem Rat ausgeschieden sind und sie nicht von einem anderen Ratsmitglied übernommen wurden, sei es, dass sie im Parlament zwei Jahre hängig geblieben sind. Abgeschriebene Vorstösse werden von den betroffenen Dienststellen klassiert, auch wenn bereits eine bundesrätliche Antwort dazu vorliegt.

Behandlung in den Räten/Beschlussfassung (v.a. Art. 22, 22bis, 22ter GVG; Art. 35­38 GRN; Art. 27­30 GRS): Gewisse Vorstösse werden von der sachlich jeweils zuständigen parlamentarischen Kommission vorberaten, bevor sie ins Ratsplenum gelangen (v.a. Mo, die vom Erstrat überwiesen worden sind). In diesen Fällen erstellt das federführende Amt ein so genanntes Führungsdossier mit Unterlagen, Sprechnotizen usw. zuhanden des Departementsvorstehers. An der Kommissionssitzung nehmen im Falle des EJPD nebst dem Departementsvorsteher in der Regel der/die jeweils betroffene Amtsdirektor/in sowie der/die zuständige Sachbearbeiter/in teil.

Das Führungsdossier wird im Vorfeld der traktandierten Behandlung des Vorstosses in den Räten aktualisiert bzw. ­ falls keine vorgängige Kommissionssitzung dazu stattgefunden hat ­ neu erstellt. In einigen Fällen ist eine erneute Aktualisierung des Dossiers notwendig. Dies betrifft Vorstösse, deren Behandlung auf eine spätere Session angesetzt wird, da sie ­ im Falle von Mo und Po ­ aus der Ratsmitte bekämpft wurden oder ihre Urheber/in sich nicht mit dem bundesrätlichen Antrag einverstanden erklärt haben (Annahme, teilweise Annahme, Umwandlung von Mo in Po, Ablehnung oder Abschreibung
des Vorstosses). Im Falle von Ip ist eine Verschiebung der Behandlung auf eine spätere Session dann notwendig, wenn der Rat sich gemäss Antrag des/r Urheber/in für die Durchführung einer Diskussion ausspricht.

Abgelehnte Vorstösse werden von der Geschäftsliste gestrichen, angenommene Mo (Zustimmung beider Räte notwendig), Po (Zustimmung im Urheberrat) und Emp.

(nur SR) werden an den Bundesrat überwiesen, der diese zu erfüllen hat.

2

Parlamentarische Vorstösse: Statistiken

Die Ergebnisse der statistischen Auswertung parlamentarischer Vorstösse (zweite Untersuchungsfrage) lassen sich in zwei Frage- resp. Antwortblöcke zusammenfassen. Im vorliegenden Kapitel werden die wichtigsten Erkenntnisse vorgestellt.

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Frageblock 1 Wie viele Vorstösse haben Ratsmitglieder und Fraktionen von Beginn 1984 bis Ende 1997 in den Eidgenössischen Räten eingereicht?

Wie verläuft die Entwicklung über die Zeit (Vorstösse insgesamt, getrennt nach Vorstosskategorie)?

Frageblock 2 Wie viele persönliche Vorstösse haben die Eidgenössischen Räte von Beginn 1994 bis Ende 1997 erledigt und in welcher Form?

2.1

Ergebnisse zum Frageblock 1

2.1.1

Entwicklung der Vorstösse insgesamt

Zwischen 1984 und 1997 haben die Mitglieder von Stände- und Nationalrat sowie die Fraktionen insgesamt rund 9500 Vorstösse eingereicht. Dabei machten vor allem Angehörige des Nationalrates von ihrem Vorstossrecht Gebrauch: Durchschnittlich wurden in der Volkskammer beinahe achtmal mehr Vorstösse pro Kalenderjahr eingereicht als in der kleinen Kammer (rund 600 Vorstösse pro Jahr gegenüber 77). Pro Ratsmitglied beträgt die durchschnittliche Vorstosszahl pro Jahr rund 3 (Nationalrat) resp. 1,6 (Ständerat). Die Abweichungen vom Mittelwert sind indessen beträchtlich, wie aus den Legislaturrückblicken hervorgeht: So haben einzelne «Vorstoss-Spitzenreiter» in der letzten Legislaturperiode jährlich um die 18 Vorstösse eingereicht.2 Wie Abbildung 2 verdeutlicht, ist die Zahl der eingereichten Vorstösse seit 1984 in beiden Räten tendenziell gestiegen ­ bei unterschiedlich hohen jährlichen Schwankungen. Letztere scheinen zumindest teilweise nicht zufällig zu sein, sondern eine geläufige Hypothese zu bestätigen: Demnach bedienen sich Parlamentarierinnen und Parlamentarier in Vorwahljahren vermehrt ihres Vorstossrechts, um gegenüber ihrer Wählerschaft politische Aktivität zu signalisieren. Wie Abbildung 2 zeigt, wurden vor allem im Nationalrat in den Vorwahljahren 1986 und 1990 tatsächlich Höchstwerte gegenüber den vorhergehenden und den darauffolgenden Jahren erreicht.

Demgegenüber wird dieses Muster im Vorwahljahr 1994 durchbrochen.

2

Dokumentationszentrale der Parlamentsdienste (1996), Rückblick auf die 44. Legislaturperiode der Eidgenössischen Räte, Wintersession 1991 bis Herbstsession 1995, EDMZ 3003 Bern, S. 312.

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Entwicklung der von 1984­1997 von Ratsmitgliedern und Fraktionen eingereichten Vorstösse Abbildung 2 900 800

Trend

700 600 500

Vorstösse Nationalrat

400

Vorstösse Ständerat

300 Trend 200 100

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

1989

1988

1987

1986

1985

1984

0

Quellen: bereinigte Daten der Bundeskanzlei (1984­1993) sowie Statistiken des Zentralen Sekretariates der Parlamentsdienste (seit 1994) Die tendenzielle Zunahme der Zahl der jährlich eingereichten Vorstösse lässt sich auf verschiedene Ursachen zurückführen. Ohne deren Bedeutung im Rahmen unserer Untersuchung einschätzen zu können, möchten wir auf einige Erklärungsansätze hinweisen. Zu nennen ist zum einen der gegenüber früher gestiegene gesellschaftliche Problemlösungsbedarf sowie das Aufkommen neuer Politikfelder. Andere Standpunkte machen demgegenüber den politischen und gesellschaftlichen Wertewandel für die Entwicklung verantwortlich (z. B. verstärkte politische Polarisierung, aber auch Individualisierung des Parlamentes, Wandel des gesellschaftlichen Umfeldes ­ Stichwort: zunehmende Personalisierung in den Medien usw.). Schliesslich ist auf verschiedene institutionelle Reformen hinzuweisen, die vermutlich ebenfalls für die vermehrte Benützung des persönlichen Vorstossrechts mitverantwortlich sind (z.B. Einschränkung des Rederechts im Nationalrat durch die Einführung eines Kategoriensystems bei der Beratung von Geschäften im Jahre 1990).

Diese Aufzählung möglicher Ursachen für die tendenziell steigende Zahl von Vorstössen ist impressionistischer und nicht abschliessender Art. Wichtig erscheint es uns jedoch, an dieser Stelle auf ein weiteres Ergebnis unserer Abklärungen hinzuweisen: nämlich auf die Tatsache, dass andere europäische Parlamente wie das britische House of Commons, der schwedische Riksdag oder die französische Assemblée Nationale das Phänomen der steigenden Vorstosszahlen ebenfalls kennen ­ trotz anders ausgestaltetem Vorstosswesen und trotz teilweiser Beschränkung des individuellen Eingaberechts.

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2.1.2

Nach Vorstosskategorie getrennte Entwicklung

Die Untersuchung der PVK hat ergeben, dass die für die Vorstösse insgesamt festgestellte tendenzielle Zunahme ihrer Zahl zwischen 1984 und 1997 nicht für alle Vorstosskategorien zutrifft.

Eine tendenziell steigende Entwicklung ist in beiden Räten bei den Mo und Ip zu verzeichnen. Durchschnittlich haben die Fraktionen und Mitglieder des Nationalrates/Ständerates in unserem Untersuchungszeitraum pro Kalenderjahr 138 Mo/21 Mo und 190 Ip/26 Ip (inkl. D Ip) eingereicht. Was das Auskunftsinstrument der Ip in der grossen Kammer betrifft, ist in den 90er Jahren eine starke Zunahme ihrer Zahl zu verzeichnen.

In beiden Räten seit 1984 tendenziell rückläufig ist hingegen die Zahl der von Ratsmitgliedern und Fraktionen eingereichten Po. Dieses vergleichsweise schwache Initiativinstrument hat offensichtlich vor allem in den 90er Jahren an Attraktivität verloren. Durchschnittlich wurden zwischen 1984 und 1997 pro Kalenderjahr 120 resp. 15 derartige Vorstösse im National- resp. Ständerat eingereicht.

Ein gemischtes Bild zeigen hingegen die EA und DEA: Tendenziell abnehmend ist ihre Zahl in der grossen, leicht steigend in der kleinen Kammer. In diesem Zusammenhang ist auf den Umstand hinzuweisen, dass die Mitglieder des Nationalrates mit der Fragestunde über eine weitere Möglichkeit verfügen, um ihr Fragerecht auszuüben. Die Anzahl der jährlich eingereichten EA/DEA beträgt durchschnittlich 153 (Nationalrat) resp. 13 (Ständerat).

2.2

Ergebnisse zum Frageblock 2

2.2.1

Gegenüberstellung und Gesamtüberblick

Gegenüberstellung der eingereichten und erledigten Vorstösse Bevor das «Schicksal» der zwischen 1994 und 1997 von den Räten erledigten Vorstösse behandelt wird, sei ihre Zahl den im gleichen Zeitraum eingereichten Vorstössen gegenübergestellt. Damit wird aufgezeigt, ob eine Kluft zwischen diesen beiden Grössen besteht, und wenn ja, ob sie sich im Laufe der Zeit vergrössert hat.

Ist das Parlament in anderen Worten immer weniger in der Lage dazu, seine «Vorstossflut» zu bewältigen, d.h. die pendenten Vorstösse zu erledigen?

Bei nachstehender Abbildung ist zu vergegenwärtigen, dass «erledigt» keineswegs bedeutet, dass die Vorstösse auch Eingang in die Ratsplenen gefunden haben: Eine Vielzahl von Mo, Po und Ip wurde nämlich gar nie in den Räten behandelt, da sie vorgängig abgeschrieben werden mussten, u.a. weil ihre Urheberinnen und Urheber aus dem Parlament ausgeschieden oder weil die Vorstösse zwei Jahre hängig geblieben waren (vgl. Tab. 2).

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Gegenüberstellung der von 1994­1997 pro Session in den Eidgenössischen Räten eingereichten sowie von diesen erledigten Motionen, Postulate und Interpellationen (persönliche und Fraktionsvorstösse) Abbildung 3 250

200 Trend Eingereichte

150

Total eingereichte Mo, Po, Ip 100

Total erledigte Mo, Po, Ip 50

HS 97

WS 97

SS 97

FS/So 97

HS 96

WS 96

FS 96

SS 96

HS 95

WS 95

SS 95

So/FS 95

HS 94

WS 94

FS 94

SS 94

Trend Erledigte

0

Quellen: Zentrales Sekretariat der Parlamentsdienste sowie eigene Erhebungen Abbildung 3 zeigt eine gegenläufige tendenzielle Entwicklung der Zahl der sessionsweise eingereichten resp. erledigten Vorstösse: Der Trend der eingereichten Mo, Po und Ip ist insgesamt gesehen leicht zu-, derjenige der erledigten jedoch abnehmend.

Wird nach Vorstosskategorie unterschieden, trifft dieses Ergebnis nur für die Mo und Ip zu. Bei den Po nehmen sowohl die Zahl der eingereichten als auch der erledigten Vorstösse im Laufe des Untersuchungszeitraumes tendenziell ab (vgl.

Ziff. 2.3.1 Arbeitsbericht).

Gesamtüberblick der erledigten persönlichen Vorstösse In Tabelle 1 sind die Zahlen der zwischen Frühjahrssession 1994 und Wintersession 1997 von den Räten erledigten persönlichen Vorstösse wiedergegeben. Die Tabelle illustriert erneut, welche ­ zumindest zahlenmässig ­ grössere Bedeutung diese parlamentarischen Instrumente im Nationalrat haben: Der Anteil der ständerätlichen Vorstösse am Total der erledigten bzw. beantworteten persönlichen Vorstösse (Po, Ip, EA, Emp.) beträgt rund 13 Prozent.

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Total der von 1994­1997 von National- und Ständerat erledigten persönlichen Vorstösse sowie vom Bundesrat beantworteten EA/DEA3 Tabelle 1 (Mo)

Nationalrat (512) Ständerat (109) Total (621) «Anteil» Ständerat

Po

Ip / D Ip

EA / DEA

Emp.

Fragestunde Total (ohne Mo NR und Fragestunde NR)

400 47 447

763 123 886

559 79 638

­ 17 17

970 ­ 970

1722 266 1988

13,9%

12,4%

100%

­

13,4%

(17,6%) 10,5%

Quelle: Erhebungen der PVK Tabelle 1 sagt jedoch noch nichts darüber aus, auf welche Art und Weise die Vorstösse von den Räten erledigt worden sind. Je nachdem, um welche Vorstossart es sich handelt, können sie nämlich verschiedene «Schicksale» erfahren. Am breitgefächertsten in dieser Beziehung sind die Mo. Dieses Instrument, das für die Überweisung an den Bundesrat der Zustimmung beider Räte bedarf, kann auf elf verschiedene Arten erledigt werden (vgl. Ziff. 2.2.2). Am anderen Ende der Palette stehen die EA, deren «Schicksal» einfach ist: Sie sind mit ihrer Beantwortung durch den Bundesrat erledigt.

2.2.2

«Schicksal» der von 1994­1997 erledigten Motionen im Vergleich zu 1987­1990

Unsere Ergebnisse bezüglich des «Schicksals» der von 1994­1997 erledigten Mo können mit entsprechenden Resultaten einer Untersuchung von GRAF (1991)4 für den Zeitraum Wintersession 1987 bis Sommersession 1990 verglichen werden:

3

4

Die Darstellung ist bezüglich der Mo nur bedingt aussagekräftig, denn im Gegensatz zu den anderen Vorstossarten ist hier der Rat, der einen Vorstoss erledigt, nicht immer identisch mit dem Urheberrat. Dies gilt vor allem im Falle von überwiesenen Vorstössen, bei denen der Rat, der die Mo schliesslich «erledigt», der Zweit- und nicht der Urheberrat ist.

Deshalb wurden die Angaben für diese Vorstossart in Klammern gesetzt.

Graf Martin (1991), Motion und parlamentarische Initiative, Untersuchungen zu ihrer Handhabung und politischen Funktion, in: PARLAMENTSDIENSTE (Hrsg.), Das Parlament ­ «Oberste Gewalt des Bundes»?, Verlag Paul Haupt, Bern und Stuttgart, S. 203­221.

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«Schicksal» der von National- und Ständerat erledigten Mo (Kommissions-, Fraktions- und persönliche Vorstösse): WS 87-SS 90 gegenüber FS 94-WS 97 Tabelle 2 Im Erstrat erledigt

WS 87-SS 90

FS 94-WS 97

­ als Po überwiesen ­ abgelehnt ­ abgeschrieben, weil in den Räten 2 Jahre hängig ­ abgeschrieben, weil erfüllt ­ abgeschrieben, weil Urheber/in aus dem Rat ausgeschieden ­ zurückgezogen ­ als Emp. überwiesen (nur SR)

45,8% 9,6%

(195) (41)

34,3% 11,3%

(273) (90)

22,1% 2,6%

(94) (11)

18,2% 2,9%

(145) (23)

1,9% 6,1% ­

(8) (26)

5,0% 5,3% 0,4%

(40) (42) (3)

8,2% 1,4% 0,7% 1,6%

(35) (6) (3) (7)

12,1% 1,6% 5,2% 3,6%

(96) (13) (41) (29)

100%

(426)

99.9%

(795)

Vom Zweitrat erledigt (nach Annahme durch Erstrat) ­ ­ ­ ­

überwiesen abgeschrieben, weil erfüllt als Po beider Räte überwiesen abgelehnt

Total

Quellen: GRAF (1991), S. 207 (für den Zeitraum WS 87-SS 90) sowie eigene Erhebungen (für die Periode FS 94-WS 97) Gemäss Tabelle 2 wurden in beiden untersuchten Zeiträumen die meisten Mo vom Erstrat als Po überwiesen. Am zweithäufigsten kam der Fall vor, dass Mo gar nie von den Räten behandelt werden konnten, weil sie unter die «Guillotine» der Abschreibung fielen, nachdem sie zwei Jahre hängig geblieben waren.5 Ein Vergleich der Erfolgs- mit der Ablehnungsquote (im Erst- und im Zweitrat) fällt in beiden Perioden zu Gunsten letzterer aus.

Tabelle 2 gibt auch Auskunft darüber, inwieweit sich die Art und Weise der Erledigung 1994­1997 gegenüber 1987­1990 verändert hat. Am augenfälligsten ist in diesem Zusammenhang der prozentuale Anteil derjenigen Mo, die vom Erstrat als Po überwiesen wurden: er hat sich gegenüber 1987­1990 um mehr als 10 Prozent verringert. Erklären lässt sich dieses Ergebnis primär mit der Situation im Nationalrat.

Mo haben hier gegenüber früher deutlich weniger oft das «Schnellverfahren» durchlaufen, d.h. wurden am letzten Sessionstag diskussionslos verabschiedet.6 Auf

5

6

Ohne im Rahmen des Schlussberichtes auf die anderen Vorstossarten eingehen zu können, sei erwähnt, dass auch Po und Ip am zweithäufigsten dieses «Schicksal» erleiden. In unserem Untersuchungszeitraum handelte es sich dabei mit einer einzigen Ausnahme um Mo, Po und Ip von Mitgliedern des Nationalrates.

Der Begriff «Schnellverfahren» stammt aus dem Bericht der vorberatenden Kommission zur Revision des Geschäftsreglementes des Nationalrates vom 17. August 1989: BBl 1989 III 1471.

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diese Art erledigte, unumstrittene Mo werden nämlich mehrheitlich gemäss bundesrätlichem Antrag in Form von Po überwiesen.

Einerseits scheint dieser Befund auf einen gewissen Wandel in der Art der Behandlung von Vorstössen hinzudeuten, deckt er sich doch mit der Wahrnehmung von Beobachterinnen und Beobachtern, die von einer verstärkten Polarisierung innerhalb des Rates (vermehrte Bekämpfung von Mo aus der Ratsmitte) resp. gegenüber dem Bundesrat (Urheber/in nicht mit der vom Bundesrat oftmals beantragten Umwandlung von Mo in Po einverstanden) sprechen. Andererseits hängt das Ergebnis, wonach Mo gegenüber früher weniger häufig das «Schnellverfahren» durchlaufen haben, aber auch mit einem «profaneren» Umstand zusammen. So hat sich der Nationalrat in unserem Untersuchungszeitraum während einer Session gezielt der Aufarbeitung pendenter Vorstösse gewidmet, was auf Grund der gegenüber anderen Sessionen geringeren Auslastung mit bundesrätlichen Vorlagen möglich war.

Es bleibt festzuhalten, dass bezüglich der im Nationalrat umstrittenen oder bekämpften Mo die Wahrscheinlichkeit gross ist, dass sie ­ trotz mehrmaliger Traktandierung und trotz Versuchen, den Pendenzenberg abzubauen ­ schliesslich doch abgeschrieben werden müssen, weil sie mangels zeitlicher Kapazitäten des Rates nicht innerhalb von zwei Jahren behandelt werden können. Wie die Ergebnisse der Umfrage gezeigt haben, ruft dieser «Vorstossstau» im Nationalrat bei den betroffenen Dienststellen der Bundesverwaltung einigen Aufwand und entsprechende Reformvorschläge hervor (vgl. Kap. 4).

Zusammenfassung des Vergleichs der Erledigung von Motionen 1994­1997 gegen über 1987­1990 Werden die genannten und weitere im Arbeitsbericht der PVK beschriebene Ergebnisse zusammengefasst, so hat sich das von GRAF (1991) für seinen Untersuchungszeitraum gezeichnete düstere Bild ­ minime Erfolgschancen von Mo sowie deren wenig effiziente und seriöse Behandlung ­ in der Zeit zwischen 1994 und 1997 ein bisschen erhellt. Allerdings darf die Freude darüber nicht allzu euphorisch ausfallen. Erstens war zwar die Erfolgsquote von Mo gegenüber früher um ca.

4 Prozent grösser (12 gegenüber 8 Prozent). Gleichzeitig fiel aber auch die Ablehnungsquote etwa in demselben Ausmass höher aus (15 gegenüber 11 Prozent).

Zweitens kann in Tabelle 2 eine leicht verbesserte Bilanz
bezüglich der effizienten Behandlung festgestellt werden: Der Anteil der Mo, die unter die «Guillotine» der Zweijahresfrist fielen und unbehandelt abgeschrieben wurden, ist 1994­1997 um rund 4 Prozent geringer. Was die Art der Behandlung betrifft, hat unsere Untersuchung gezeigt, dass Mo im Nationalrat gegenüber früher deutlich weniger häufig per «Schnellverfahren» diskussionslos erledigt wurden. Doch auch diese Ergebnisse lassen nicht a priori auf einen tiefgreifenden Wandel in der Art und Weise der Behandlung von Mo schliessen, sondern hängen vermutlich ebenso mit speziellen Umständen zusammen (zu denken ist primär an die gezielte Aufarbeitung hängiger Vorstösse in der Herbstsession 1996).

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3

Beantwortungskosten der parlamentarischen Vorstösse

In diesem Kapitel sind die Ergebnisse der dritten Untersuchungsfrage zusammengefasst. Der Wortlaut der Frage: Welche Kosten haben 40 parlamentarische Vorstösse (je 10 Mo, Po, Ip und EA), die der Bundesrat im ersten Halbjahr 1998 beantwortet hat, im Bundesrat und in der Bundesverwaltung verursacht?

3.1

Die Kosten der 40 untersuchten Vorstösse

Auf Grund der von der Bundesverwaltung in einer schriftlichen Erhebung angegebenen zeitlichen Aufwände hat die PVK die Beantwortungskosten von je 10 Mo, Po, Ip und EA/DEA berechnet. Die Beantwortungsphase umfasst den Zeitpunkt des Eintreffens des Vorstosses in der BK bis zur Übermittlung der Antwort des Bundesrates an die PD. Somit sind die Aufwände der PD bei Einreichung und Traktandierung der Vorstösse in den Räten in den erhobenen Kosten nicht enthalten.

Sowohl die Aufwände des Bundesrates als auch jene der verschiedenen Hierarchieund Bearbeitungsebenen auf Departements- und Amtsstufe sind in der Aufwanderhebung berücksichtigt worden. Die zu untersuchenden Vorstösse sind durch ein Zufallsverfahren unter den 371 Vorstössen, die der Bundesrat zwischen 1. Januar und 15. Juni 1998 beantwortet hat, ausgewählt worden. Die PVK hat die Kosten auf Grund der für die gesamte Bundesverwaltung geltenden, 1998 aktualisierten Personalvoll- und Arbeitsplatzkosten berechnet (Kostendeckungsprinzip). Die Ergebnisse der Kostenerhebung sind in Abbildung 4 grafisch dargestellt:

3320

Die Beantwortungskosten der 40 untersuchten Vorstösse (in Fr.)

Abbildung 4

Mo

Po

Ip

EA

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

9000

Fr.

Quelle: Kostenberechnung der PVK auf Grund einer Aufwanderhebung der Bundesverwaltung Die Beantwortungskosten der untersuchten Mo, Po, Ip und EA bewegen sich zwischen knapp 1000 und 8000 Franken pro Vorstoss. Die Kostenspannweite ist also relativ breit. Ein Drittel der Vorstösse (13) ist im Bereich unter 3000 Franken situiert. 16 Vorstösse erreichen Beträge zwischen 3000 und 5000 Franken, die restlichen 11 überschreiten diesen Bereich. Der Mittelwert der untersuchten Vorstösse beträgt 4080 Franken. Dies entspricht einer mittleren Beantwortungsdauer von 39 Personenstunden pro Vorstoss (alle Bearbeitungsstufen). Folgende Kennzahlen prägen die einzelnen Vorstossarten: ­

Motionen: Als geringster Betrag ist bei den Mo die Summe von 2290 Franken zu registrieren, während der höchste sich auf 6400 Franken beläuft. Das Gros der Mo (insgesamt sieben) weist Beträge zwischen 2290 und 4000 Franken auf, die übrigen drei Mo kommen auf über 5000 Franken zu stehen.

Der Mittelwert der untersuchten Mo beträgt 3950 Franken.

­

Postulate: Bei den Po findet sich sowohl der kostengünstigste wie der teuerste Vorstoss der ganzen Erhebung: 970 und 8000 lauten die entsprechenden Frankenbeträge, dahinter stehen Arbeitszeiten von 10 bzw. 72 Stunden.

Die Kosten von sieben Po bewegen sich in der Spannweite von 3600 bis 5800 Franken. Die Durchschnittskosten der analysierten Po betragen 4310 Franken; damit liegen sie um fast 400 Franken über jenen der Mo.

­

Interpellationen: Zwischen den minimalen und den maximalen Kosten der Ip liegt eine Differenz von fast 5000 Franken: Beträge von mindestens 2570 und höchstens 7330 Franken sind bei dieser Vorstossart zu verzeichnen. Die Kosten der vier Ip, deren Beantwortungsaufwand am geringsten war, liegen

3321

nahe beieinander (2570­2720 Fr.). Mit einem Mittelwert von 4280 Franken sind die Ip ­ nach den Po ­ die zweitteuerste Vorstossart der Erhebung.

­

Einfache und Dringliche Einfache Anfragen: Die Kostenspannweite der EA und der DEA ist jener der anderen Vorstossarten ähnlich. Sie reicht von 1880 bis 7320 Franken. Der kleinste Betrag ist der zweittiefste der ganzen Erhebung. In der Regel, d.h. in acht der zehn analysierten Fälle, kommen Anfragen auf unter 4000 Franken zu stehen. Dies schlägt sich im Mittelwert der Anfragen nieder, der mit 3760 Franken um 500 Franken tiefer liegt als jener der Interpellationen. Im Besonderen ist hier anzumerken, dass sich unter den zehn untersuchten EA auch drei dringliche Vorstösse befanden.

Die DEA sind allesamt in der teureren Kostenhälfte plaziert; die teuerste schlug mit 5770 Franken zu Buche.

3.2

Was beeinflusst die Kostenhöhe?

In der Kostenerhebung wurden fünf Verfahrensschritte7 bei der Beantwortung eines Vorstosses unterschieden. Dabei hat sich gezeigt, dass die wichtigsten Kostenverursacher in der Regel die Erarbeitung der Antwort und die Ämterkonsultation sind.

Bei rund 60 Prozent der Vorstösse sind diese beiden Beantwortungsphasen mit einem Anteil von jeweils über einem Viertel an den Gesamtkosten eines Vorstosses beteiligt. Bei acht Vorstössen (20 Prozent) partizipiert die Erarbeitung der Antwort mit 46­65 Prozent an den Gesamtkosten. Die drei übrigen Beantwortungsphasen ­ Zuteilung des Vorstosses, Mitberichtsverfahren (falls eröffnet) und Aufwände im Zusammenhang mit dem BRB ­ verbuchen Einzelanteile, die in aller Regel unter einem Viertel der Gesamtkosten liegen (bei zwei Drittel der Vorstösse liegen ihre Anteile unter 15 Prozent).

Aussagen, welche formalen (z. B. Antwortlänge) oder inhaltlichen (Antrag des Bundesrates) Vorstosskennzeichen kostentreibend sind, können auf Grund der Ergebnisse der Erhebung nur mit Vorsicht formuliert werden. So scheinen bei Ip und EA längere Antworten höhere Kosten zu verursachen, was teilweise auch mit dem entsprechend erhöhten Übersetzungsaufwand zu erklären ist. Mo und Po, die der Bundesrat schliesslich entgegenzunehmen bereit ist, verzeichnen in der Regel tiefere Beantwortungskosten als jene, deren Ablehnung bzw. Umwandlung er beantragt.

Wenn an einem Vorstoss höchstens ein Departement mitinteressiert ist, entstehen unterdurchschnittliche Kosten. Dieser Befund wird aber dadurch relativiert, dass Vorstösse, die das Mitinteresse von drei bis sechs Departementen wecken, ebenfalls einen vergleichsweise tiefen Aufwand verursachen können. Schliesslich kann aufgrund der Ergebnisse vermutet werden, dass EA etwas teurer ausfallen, wenn sie dringlich zu beantworten sind. Dieses Ergebnis wurde durch die Umfrage der PVK in der Bundesverwaltung zur aktuellen Beantwortungspraxis bestätigt (vgl. Ziff. 4): Dort haben die befragten Dienststellen die Dringlichkeit als kostensteigernden Faktor eingeschätzt.

7

Die fünf Verfahrensschritte: Aufwände nach der Übermittlung des Vorstosses durch die PD bis zur Zuteilung des Vorstosses (inkl. Übersetzung Vorstosstext); 2. Erarbeitung der Antwort bzw. des Antrags (inkl. Übersetzung); 3. Ämterkonsultation; 4. Mitberichtsverfahren (falls eröffnet) und 5. Aufwände im Zusammenhang mit der Bundesratssitzung bis zur Übermittlung der Antwort an die PD.

3322

Die Umfrage vermag einen umfassenden Einblick in die aufwandbeeinflussenden Faktoren zu geben. Einerseits bestätigt sie verschiedene Ergebnisse der Kostenerhebung, andererseits konnte sie weitere aufwandverursachende Faktoren identifizieren. Die 20 in die Umfrage einbezogenen Bundesstellen bewerteten hierzu 15 verschiedene Faktoren hinsichtlich ihres Einflusses auf den Beantwortungsaufwand.

Die Skala reichte von 0 (kein nennenswerter Einfluss) bis 3 (erheblicher Einfluss).8 Die Komplexität des Vorstosstextes sowie die Komplexität der Materie haben nach Einschätzung der befragten Stellen einen erheblichen Einfluss auf den gesamten Beantwortungsaufwand (Mittelwerte der befragten Stellen: 2,8 resp. 2,7). Primär dürften demnach inhaltliche Faktoren für die Höhe des Beantwortungsaufwands eines Vorstosses verantwortlich sein und sich auf die einzelnen Verfahrensschritte auswirken. Aber auch dem Faktor «Behandlung im Parlament» wurde in der Umfrage eine erhebliche Bedeutung zugemessen (Mittelwert: 2,8). Erarbeitung, Übersetzungen und Prüfung der Antwort hatten im Urteil der Befragten je einen gut merklichen Einfluss auf den Bearbeitungsaufwand (Mittelwerte: 2,5, 2,3 resp. 2,3) ebenso wie Ämterkonsultation und Zahl der mitinteressierten Departemente (Mittelwerte: 2,2 resp. 2,1). Als merklich wird der Einfluss auf den Beantwortungsaufwand eines Vorstosses eingeschätzt, wenn aus der jüngeren Vergangenheit eine Anzahl inhaltlich ähnlicher Vorstösse vorliegt oder praktisch zeitgleich thematisch verwandte Interventionen zur Beantwortung anstehen (Mittelwerte: 2 resp. 1,9). Beantwortungsfristen, Mitberichtsverfahren (falls eröffnet) und Länge der bundesrätlichen Antwort an sich beeinflussen den Beantwortungsaufwand eines Vorstosses knapp merklich (Mittelwerte: 1,8, 1,8 resp. 1,6). Der Aufwand im Zusammenhang mit dem BRB und das Zuteilungsprozedere zu Beginn der Beantwortungsphase sind hingegen jene Elemente, die im Urteil der Befragten im Allgemeinen nur eine geringe Bedeutung für die Höhe des Beantwortungsaufwandes haben (Mittelwerte 1,2 resp. 0,8).

3.3

Die mit der Behandlung in den Räten verbundenen Kosten eines Vorstosses

Mittels eines Zeiterhebungsformulars haben die BK und die Generalsekretariate eingeschätzt, welche durchschnittlichen minimalen und maximalen zeitlichen Aufwände die Behandlung eines Vorstosses in den Räten erfahrungsgemäss auf Seiten Departement und Amt verursacht. Dabei waren auch die Vorbereitungsarbeiten zu berücksichtigen. Die Auswertung der PVK hat für Mo, Po und Ip folgende Ergebnisse erbracht (Mittelwert der befragten Stellen):

8

Die Bewertungsskala: 0 = kein nennenswerter Einfluss, 1 = geringer Einfluss, 2 = merklicher Einfluss, 3 = erheblicher Einfluss.

3323

Die minimalen und maximalen Kosten, die die parlamentarische Behandlung von Mo, Po und Ip bei der Bundesverwaltung verursacht (in Fr.; Anzahl befragter Stellen: N = 8) Abbildung 5 3500

3054

3000

2582 2282

Fr.

2500 2000 1500 1000

628

733

612

500 0 Mo

Po Minimum

Ip Maximum

Quelle: Kostenberechnung der PVK auf Grund einer Aufwanderhebung der Bundesverwaltung Der Kürze halber sei hier nur auf die Mo eingegangen: Diese nehmen den Spitzenplatz hinsichtlich Maximalkosten ein. Als Grund hierfür wurde in der Erhebung etwa angegeben, dass diese oft mit konträren Positionen zwischen Ratsmitglied und Bundesrat diskutiert würden. Zudem verursachen bei dieser Vorstosskategorie eventuelle Kommissionssitzungen und die Behandlung im Zweitrat zusätzliche Aufwände.

Hinsichtlich der Minimalkosten stehen die Mo in etwa auf gleicher Stufe wie die Po und um 100 Franken unter den Kosten der Ip. In den Erhebungsformularen wurde mehrmals angemerkt, dass bei Mo und Po, die in den Räten im «Schnellverfahren» und ohne Diskussion behandelt werden, noch geringere oder gar keine Kosten anfallen würden (gilt auch bezüglich Ip). In der Regel wurde aber nicht von diesem Fall ausgegangen, sondern ein minimaler zeitlicher Aufwand notiert.

Abschliessend sei festgehalten, dass die Behandlung eines Vorstosses in den Eidgenössischen Räten dessen Beantwortungskosten um 650 bis 2650 Franken zu steigern vermag (Mittelwerte der minimalen und maximalen Aufwände bei Mo, Po und Ip).

3.4

Die erhobenen Kosten im Vergleich zu bisherigen Schätzungen

Vergleicht man die Ergebnisse der PVK mit den in der Presse kursierenden Kostenschätzungen zur Beantwortung eines Vorstosses (gegen durchschnittlich 10 000 bis 25 000 Franken) oder den Zahlen, wie sie in der Bundesverwaltung gehandelt werden (im Durchschnitt 10 000 Franken), liegen die Ergebnisse dieser Erhebung 3324

deutlich tiefer (Mittelwert aller 40 Vorstösse: 4080 Fr.). Folgende Gründe können diese Differenz erklären: ­

Genaue Angaben zu den bisherigen Schätzungen fehlen. Es kann angenommen werden, dass dabei von aufwandintensiven, nicht die Gesamtheit der Vorstösse repräsentierenden Einzelbeispielen ausgegangen wurde.

­

Wenn Angaben zur durchschnittlichen Bearbeitungsdauer für die Beantwortung eines Vorstosses genannt werden, bewegen sich diese im Bereich von 80 und mehr Personenstunden. Damit wird die Bearbeitungsdauer durchschnittlich doppelt so hoch eingeschätzt, wie dies die PVK-Erhebung ergeben hat.

Ferner sei erwähnt, dass die Berechnungsgrundlage der Schätzungen nur selten offen gelegt wird. Wenn darauf eingegangen wird, entspricht sie den von der PVK ebenfalls verwendeten Stundenansätzen. Es ist indessen nicht auszuschliessen, dass der Aufwand bei einer Ex-post-Erhebung unterschätzt wird ­ wer will sich im Zeitalter der Rationalisierung schon dem Verdacht ineffizienten Arbeitens aussetzen?9 Dennoch sind die bis anhin kursierenden Zahlen zu den durchschnittlichen Beantwortungskosten nach unten zu korrigieren. Dies schliesst allerdings nicht aus, dass die Beantwortung eines Vorstosses im Einzelfall auch zu deutlich höheren als den in der Stichprobe der PVK erhobenen Kosten führen kann.

4

Aktuelle Beantwortungspraxis und Möglichkeit von Änderungen und Alternativen aus Sicht der Bundesverwaltung

Inhalt dieses Kapitels sind die wichtigsten Ergebnisse, die die Beantwortung der vierten Untersuchungsfrage erbracht hat: Wie beurteilen die Bundeskanzlei, die Generalsekretariate der sieben Departemente und ausgewählte Bundesämter die gängige Praxis bei der Beantwortung von parlamentarischen Vorstössen? Sind Alternativen zur aktuellen Behandlungsweise von Vorstössen denkbar? Bestehen Ideen und Vorschläge für neue Vorstossmodelle?

Die PVK hat diese Untersuchungsfrage auf Grund einer schriftlichen Umfrage bei der BK, den Generalsekretariaten der Departemente und zwölf Ämtern aus sechs verschiedenen Departementen beantwortet. Dabei wurde ein standardisierter Fragebogen mit offenen, halboffenen und geschlossenen Fragen verwendet. Einzelne Ergebnisse der Umfrage sind bereits in Ziff. 3.2 eingeflossen.

9

Der PVK war schon zu Beginn der Untersuchung bewusst, dass eine nachträgliche Aufwandschätzung zwangsläufig mit einer gewissen Ungenauigkeit verbunden sein würde.

Von einer begleitenden Aufwanderhebung musste jedoch hauptsächlich aus terminlichen Gründen abgesehen werden.

3325

4.1

Einschätzung der aktuellen Beantwortungspraxis und des Änderungsbedarfs

Die PVK hat in der Umfrage acht sich auf die Beantwortungspraxis beziehende Aspekte aufgelistet und die befragten Stellen gebeten, diese anhand von drei Zufriedenheitsgraden zu beurteilen (aktuelle Praxis eher unbefriedigend, befriedigend oder sehr befriedigend). Die Auswertung dieser Frage führte zum Ergebnis, dass die bestehende Beantwortungspraxis höchstens als befriedigend erlebt wird (Mittelwerte aller Befragten). Als befriedigend wurden die Geschäftskontrolle (Registrierung der Vorstösse usw.), die Kommunikation und Koordination innerhalb der Bundesverwaltung sowie die organisatorischen Abläufe innerhalb des eigenen Departementes bzw. Amtes bewertet. Ein «annähernd befriedigend» erreichten Kommunikation und Koordination zwischen Bundesverwaltung und PD, Ämterkonsultation, Mitberichtsverfahren (falls eröffnet) und die Übersetzungspraxis. Deutlich im Bereich von «eher unbefriedigend» lagen Zeiterfordernis und Fristen. Verschiedene befragte Stellen fügten zusätzliche Aspekte an, die ihrer Ansicht nach im Rahmen der aktuellen Beantwortungspraxis als «eher unbefriedigend» erlebt werden. Dazu zählen die mehrmalige Traktandierung bzw. Behandlung der Vorstösse im Nationalrat und die Anzahl der eingereichten Vorstösse.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es wenig, dass 80 Prozent der Befragten die gegenwärtigen Abläufe und die Praxis bei der Beantwortung von Vorstössen als teilweise änderungsbedürftig einstuften. 5 Prozent traten gar für eine gänzliche Reform ein. 15 Prozent hingegen konnten keinen Änderungsbedarf eruieren. 80 Prozent der Befragten vertraten die Ansicht, dass Alternativen zur aktuellen Behandlungsweise von Vorstössen denkbar seien und machten entsprechende Vorschläge.

Trotz der nur «mittleren» Zufriedenheit der Bundesverwaltung mit der bestehenden Beantwortungspraxis und des klaren Eintretens für teilweise Änderungen wurde in der Umfrage aber auch betont, die Rechte der Ratsmitglieder, Vorstösse einzureichen, seien nicht anzuzweifeln: «Der Parlamentarier hat das Recht auf dieses Instrument. Jeder Parlamentarier und jede Parlamentarierin haben grossen Spielraum, davon Gebrauch zu machen,» wurde etwa angefügt. Unter den Änderungsvorschlägen befanden sich dementsprechend nicht allein solche, die primär auf eine Reduktion der Vorstösse zielten, sondern es wurden auch Möglichkeiten skizziert, wie die Vorstosspraxis vereinfacht werden könnte.

4.2

Änderungsvorschläge und neue Vorstossmodelle

Nachfolgend sind die in der Umfrage der PVK vorgebrachten Änderungsvorschläge zur Beantwortungspraxis und die genannten Alternativen zu bestehenden Vorstossmodellen zusammengefasst. Ein erstes Bündel von Vorschlägen betrifft primär Bundesrat und Bundesverwaltung (Ziff. 4.2.1), das zweite setzt auf Seite der Eidgenössischen Räte an (Ziff. 4.2.2), während das dritte Neuerungen bei den Vorstossarten zum Inhalt hat (Ziff. 4.2.3). Die Vorschläge werden anonymisiert wiedergegeben.

3326

4.2.1

Vereinfachungen und Rationalisierungen auf Seiten von Bundesrat und Bundesverwaltung

Die meisten Änderungsvorschläge betreffend das Verfahren in Bundesrat und Bundesverwaltung zielten auf die Entlastung des Bundesrates und auf Vereinfachungen der Verfahrensabläufe sowie der Beantwortungspraxis: ­

Änderung der Entscheidkompetenz bzw. zweistufiges Verfahren: Die aktuelle Praxis, wonach alle Vorstösse durch Bundesratsbeschluss verabschiedet werden, war Ansatzpunkt verschiedener Änderungsvorschläge. So wurde angeregt, anstatt eines BRB die Vorstösse durch das federführende Departement beantworten zu lassen. Diese Option war z.T. mit Einschränkungen verbunden: Verlagerung der Entscheidkompetenz nur bei Vorstössen, die ein einzelnes Departement betreffen, oder bei klaren Vorstössen von geringer Bedeutung. Andererseits wurde ein nach Vorstossart differenzierter Behandlungsmodus angeregt: Für Ip und EA wäre demnach das zuständige Departement Beantwortungsinstanz; dabei wurde vorgeschlagen, diese Behandlungsart von der Zustimmung der Ratsbüros abhängig zu machen oder die Möglichkeit vorzusehen, den ordentlichen Weg via BRB offen zu halten, wenn der Interpellant oder die Interpellantin von der Antwort nicht befriedigt ist. Ferner wurde angeregt, EA in der Regel durch die hauptsächlich betroffenen Amtsstellen zu beantworten.

­

Normierung der maximalen Antwortlänge und Sammelantworten: Die Reduzierung der Antwortlänge wurde in der Umfrage als Möglichkeit für eine Aufwandminderung auf Seiten der Bundesverwaltung angesprochen. Kurzantworten hätten zum Standard zu werden. Dies könne durch eine Beschränkung auf das Wesentliche, den Verzicht auf Rechtfertigungen oder durch Querverweise auf ältere Vorstösse zum gleichen Thema, sofern deren Antworten noch gültig sind, erreicht werden. Dabei wurde auch die Fixierung einer maximalen Antwortlänge empfohlen. Für Vorstösse, die die gleiche Thematik betreffen und aus der gleichen Session stammen, sei die Möglichkeit vorzusehen, dass der Bundesrat diese mit einer Sammelantwort beantworten könne.

­

Vereinfachungen im Bereich der Übersetzungen: Die aktuelle Regelung, dass Vorstösse in alle drei Amtssprachen übersetzt werden, war Ausgangspunkt verschiedener Änderungvorschläge. Erwogen wurde etwa, den Antworttext nur in der Sprache des/der Urhebers/in des Vorstosses zu verfassen oder allenfalls noch in die Muttersprache des/der zuständigen Departementschefs/in zu übersetzen. Als weitere Möglichkeit wurde in Betracht gezogen, bei EA auf Übersetzungen zu verzichten oder zumindest die italienischen Versionen zu reduzieren. Als Vereinfachung vorgeschlagen wurde schliesslich eine Verlagerung des Übersetzungszeitpunktes: Übersetzungen erst nach dem BRB. Damit würden die Korrekturen der übersetzten Antworten wegfallen, welche Ämterkonsultation und Mitberichtsverfahren (falls eröffnet) nach sich ziehen können.

­

EDV-Einsatz: In der Umfrage wurde weiter ein konsequenterer Einsatz der EDV als wünschbar erachtet (EDV-gestützter Ablauf von der Einreichung eines Vorstosses durch das Ratsmitglied bis zur Übermittlung des BRB).

3327

4.2.2

Zulassungsbeschränkungen und Verfahrensänderungen auf Seiten der Eidgenössischen Räte

Zahlreich waren die Vorschläge, die in Richtung Zulassungsbeschränkungen von Vorstössen oder Verfahrensänderungen auf Seiten der Räte gingen. Die wichtigsten sind in nachfolgender Auflistung zusammengefasst: ­

Kontingentierung und diesbezügliche Vorstufen: In dieser Sparte ist ein breites Spektrum von Vorschlägen angesiedelt. In Anbetracht der «Vorstossflut» wurden freiwillige oder verbindliche Massnahmen zu deren Eindämmung postuliert. Eine Möglichkeit wurde in der Disziplinierung der «Vorstoss-Spitzenreiter» durch die Fraktionen gesehen. Konkreter hingegen war folgender Vorschlag: Kontingentierung der Anzahl Vorstösse pro Session, Jahr oder Legislatur, die von den einzelnen Parlamentarier/innen und/oder Fraktionen eingereicht werden können. Ein anderer Vorschlag sah nur für Ip und EA Kontingente vor. Als Varianten aufs Tapet gebracht wurden eine zeitlich auf das Vorfeld der Erneuerungswahlen der Eidgenössischen Räte begrenzte Kontingentierung oder eine solche bezüglich der hängigen Vorstösse pro Parlamentarier/in. Als mögliche Kontingentgrösse wurden zehn Vorstösse pro Jahr und Parlamentarier/in oder Fraktion genannt. Eine andere Variante der Kontingentierung wurde mit dem Vorschlag angeregt, einen Vorstosskredit pro Ratsmitglied und Zeiteinheit zu bestimmen. Für jeden Vorstoss würde demzufolge vom Bundesrat eine Pro-forma-Rechnung erstellt und der entsprechende Betrag auf dem Konto des Ratsmitglieds abgezogen, bis der Kredit aufgebraucht wäre. Als Vorstufe zu dieser Kontingentierung auf Grund der Beantwortungskosten wurde erwogen, die Pro-formaRechnungen pro Ratsmitglied laufend zu addieren und den aktuellen Gesamtbetrag verbunden mit dem Schicksal der Vorstösse zu publizieren.

­

Zulassungsbeschränkungen auf Grund einer Gewichtung durch die Ratsmitglieder: Als weitere Möglichkeit für eine Verminderung der Vorstösse wurde die Einführung einer Mindestanzahl von Mitunterzeichnenden als Zulassungskriterium für einen Vorstoss vorgeschlagen oder die vorgängige Erheblichkeitserklärung eines Vorstosses durch das Parlament. Insbesondere für Mo und Po wurde diese Hürde als diskutierbar erachtet. Fraktionsvorstösse hingegen wären von solchen Beschränkungen auszuklammern, so eine Variante, damit garantiert sei, dass Minderheiten ihre Anliegen wie bis anhin geltend machen könnten.

­

Vorprüfung von Vorstössen nach inhaltlichen Aspekten: Die Büros der Räte, die PD oder die BK wurden in den auf eine Selektion der Vorstösse zielenden Vorschlägen als Vorprüfungsinstanz angesprochen. Als Vorprüfungskriterien für die Zulassung eines Vorstosses wurde dessen Erheblichkeit genannt, die Gleichartigkeit mit anderen Vorstössen (aktuelle oder aus der jüngeren Vergangenheit), der Zusammenhang mit hängigen Erlassentwürfen, die Einheit der Materie oder die Zuständigkeit des Bundes. Bei ähnlichen Vorstössen sollte insbesondere die Neugruppierung für eine einzige Antwort geregelt oder auch eine Karenzfrist eingeführt werden, damit die gleichen Begehren nicht immer wieder anhängig gemacht werden

3328

könnten. Schon in der Fragestunde behandelte Themen sollten, wie in der Umfrage bemerkt wurde, nicht in einer anderen Vorstosskategorie aufgegriffen werden können.

­

Vermehrte direkte Kommunikation und grössere Transparenz: In der Umfrage wurde festgehalten, dass zahlreiche in den Vorstössen gestellte Fragen mittels eines telefonischen Anrufs des Ratsmitglieds bei der zuständigen Dienststelle direkt erledigt werden könnten. Die Schaffung von Anreizen für eine direkte Auskunftseinholung wurde angeregt ebenso wie die Erweiterung des Einsichts- und Informationsrechts der Parlamentarierinnen und Parlamentarier gegenüber Regierung und Verwaltung. Die grössere Transparenz, so wurde vermutet, könnte einen Rückgang der Vorstösse bewirken.

­

Traktandierung in den Räten und Abschreibungsfristen: In der Umfrage wurde die Ansicht vertreten, dass Änderungen im Zusammenhang mit der Behandlung von Vorstössen in den Räten zu einer erheblichen Aufwandminderung auf Seiten von Departement und Ämtern führen könnten. Vorgeschlagen wurde einerseits, Vorstösse nur einmal und ohne Möglichkeit einer Verschiebung zu traktandieren. Andererseits wurde eine Verkürzung der Abschreibungsfrist von zwei auf ein Jahr oder gar auf eine Session begrüsst.

Nur noch eine schriftliche Abwicklung des gesamten Vorstosswesens oder die Diskussion eines Vorstosses im Parlament nur noch auf Antrag eines qualifizierten Mehrs waren weitere Vorschläge in diesem Zusammenhang wie auch der Wunsch, im Parlament vermehrt das «Schnellverfahren» am Ende der Session durchzuführen.

4.2.3

Neue bzw. modifizierte Vorstossmodelle

Die Frage nach Änderungen im Vorstosswesen und neuen Vorstossmodellen erbrachte folgende Vorschläge:

10

­

Neue Vorstossmodelle: In der Umfrage wurde die Einführung eines «Einheitsvorstosses» angeregt: «Das Parlamentsmitglied legt sein Anliegen, seine Anfrage oder seinen Vorschlag usw. dar, eine zuständige Stelle (PD oder BK) schlägt eine entsprechende Klassierung vor.» In eine andere Richtung geht der Vorschlag der «Erläuterung»: «Ein Parlamentarier oder eine Parlamentarierin kann von einem Departement oder Amt eine eines bestimmten Verwaltungshandelns verlangen (schriftlich oder mündlich, mit oder ohne Publikation).» 10

­

Einführung der Empfehlung im Nationalrat: Ein Vorschlag der Umfrage zielte darauf, die Ratsreglemente von National- und Ständerat bezüglich der Verallgemeinerung der Emp. anzugleichen.

Hingewiesen wurde weiter darauf, dass im Rahmen der Staatsleitungsreform mit der Resolution ein neues parlamentarisches Steuerungsinstrument zur Diskussion gestellt werde.

3329

­

Reduktion der Vorstossarten: Im Zentrum dieser Vorschläge stand die Reduktion der bestehenden Vorstossarten auf zwei. Demnach wären Mo und Po sowie Ip und EA zu je einer Kategorie zusammenzufassen, wobei diesen jeweils auch unterschiedliche Beantwortungsinstanzen zugeordnet werden könnten (Anliegen auf Gesetzesstufe: Bundesrat; Fragen: Bundesverwaltung).

­

Änderungen einzelner Vorstossarten: Eine anzustrebende Reduktion der Vorstossarten war des öftern auch Inhalt dieser Vorschläge, wobei primär Ip und EA ins Auge gefasst wurden und der Verlagerung der Entscheidkompetenz auf Departement oder Amt das Wort geredet wurde. Weiter ging der Vorschlag, auf die Vorstossarten Po, Ip und EA sei zu verzichten, wobei als Ersatz die Fragestunde auszubauen wäre. Angeregt wurde ferner die Abschaffung der Dringlichkeit. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass für dringliche Begehren Möglichkeiten im Rahmen der Fragestunde bestünden.

Als Kompensation für den Verzicht auf die Dringlichkeit wurde anderenorts angeregt, Auskunfts- und Informationsfragen innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich zu beantworten oder EA generell innerhalb der laufenden Session zu beantworten, wobei die Fragestunde abzuschaffen wäre. Eine Verlängerung der Beantwortungsfrist auf vier Wochen war Gegenstand von Vorschlägen, die die Dringlichkeit weniger stark in Frage stellten. Ein weiterer Vorschlag befürwortete die Limitierung der Fragenanzahl bei Ip und EA.

Schliesslich wurde erwogen, Antworten auf Auskunfts- und Informationsfragen nur in dem Sinne zu veröffentlichen, als diese den Ratsmitgliedern verteilt würden.

5

Schlussfolgerungen

Aus der Untersuchung der PVK zum Vorstosswesen gehen zahlreiche Reformvorschläge hervor. Diese setzen grundsätzlich auf zwei Ebenen an: erstens auf Seiten von National- und Ständerat und zweitens auf Seiten der Bundesverwaltung resp.

des Bundesrates. Diese Reformvorschläge, die im Zusammenhang mit der Untersuchungsanlage zu sehen sind und die im einzelnen in den jeweiligen Kapiteln besprochen wurden, verfolgen zwei Ziele: ­

Einerseits Vorstösse in ihrer Zahl zu beschränken (Begrenzung der «Vorstossflut» z. B. über die Einführung verschiedener Zulassungshürden) bzw.

den «Vorstossstau» zu entschärfen (z.B. durch die Verkürzung der Abschreibungsfrist hängiger Vorstösse) und

­

andererseits das Verfahren zur Beantwortung von Vorstössen in der Bundesverwaltung und im Bundesrat zu vereinfachen oder zu straffen (z.B. durch die Verlagerung der Entscheidkompetenz vom Bundesrat auf die Departementsstufe bei einzelnen Vorstosskategorien); dies, obschon die mit der Beantwortung von Vorstössen verbundenen Kosten durchschnittlich tiefer ausfallen, als bis anhin angenommen wurde.

3330

Hinter der ersten Stossrichtung steht implizit auch die Annahme, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier ihr Vorstossrecht vor allem deshalb ausüben, um sich gegenüber ihrer Wählerschaft zu profilieren. Interpretiert man hingegen die Tendenz der zunehmenden Vorstosszahlen als Ausdruck eines gestiegenen Problemlösungsbedarfs, müssten die Reformvorschläge eine andere Stossrichtung verfolgen. So wäre in diesem Fall beispielsweise der Ausbau der diesbezüglichen parlamentarischen Rechte ins Auge zu fassen, sei es durch die Einführung neuer Vorstossinstrumente (z.B. der Resolution, wie sie in der derzeit laufenden Staats-leitungsreform vorgeschlagen wird), sei es durch eine Erweiterung der Einsichts- und Informationsrechte der Legislative gegenüber der Exekutive.

3331

Abkürzungsverzeichnis Abb.

Abbildung

BBl

Bundesblatt

BK

Bundeskanzlei

BRB

Bundesratsbeschluss

DEA

Dringliche Einfache Anfrage

D Ip

Dringliche Interpellation

EA

Einfache Anfrage

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

Emp.

Empfehlung

FS

Frühjahrssession

GPK

Geschäftsprüfungskommission

GRN

Geschäftsreglement des Nationalrates vom 22. Juni 1990

GRS

Geschäftsreglement des Ständerates vom 24. September 1986

GVG

Bundesgesetz über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung sowie über die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten ihrer Erlasse (Geschäftsverkehrsgesetz vom 23. März 1962)

HS

Herbstsession

Ip

Interpellation

Kap.

Kapitel

Mo

Motion

NR

Nationalrat

PD

Parlamentsdienste

Po

Postulat

PVK

Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle

So

Sondersession

SR

Ständerat

SS

Sommersession

Tab.

Tabelle

WS

Wintersession

10953

3332

Durchführung der Untersuchung Projektleitung:

Prisca Lanfranchi, lic. phil. hist.

Andreas Tobler, lic. phil. hist.

Sekretariat:

Hedwig Heinis

Die PVK dankt den konsultierten Dienststellen für ihre Mitwirkung an der Kostenerhebung und der Umfrage sowie allen Gesprächspartner/innen aus der Bundesverwaltung und den Parlamentsdiensten für ihre Auskünfte und Hinweise.

3333